Die Digitalisierung erfolgte mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Professor Gunter Wesener und im Einvernehmen mit dem Leykam Verlag (Dr. Wolfgang Hölzl).
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Dr. Heino Speer
2016/2017 Klagenfurt am Wörthersee
Achelis | J. Achelis, Zur Entwicklung des bremischen Zivilprozesses vom 16. bis 18. Jh., Bremisches Jahrbuch 35 (1935) 180ff. | Digitalisat |
AGO | Allgemeine Gerichtsordnung für Böhmen, Mähren, Schlesien, Oesterreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnthen, Krain, Görz, Gradisca, Triest, Tyrol und die Vorlande vom 1. Mai 1781. | Digitalisat (Repertorium) |
ALr. | Altes Landrecht, s. StLA. | |
Ampfinger | Hanns Ampfingers Bericht über das gerichtliche Verfahren in Kärnten 1544, hrsg. von A. Luschin, Carinthia I 103 (1913) 162ff. | Digitalisat |
AÖG | Archiv für österreichische Geschichte. | Katalogisat ÖNB |
Baltl | Hermann Baltl, Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks vorwiegend im Mittelalter, AÖG 118 (1951). | |
Baltl, Einflüsse | Hermann Baltl, Einflüsse des römischen Rechts in Österreich (= Ius Romanum Medii Aevi, Pars V, 7, Mediolani 1962). | Digitalisat (Repertorium) |
Banniza | Joseph Leonard Banniza, Vollständige Abhandlung von den sämmtlichen Oesterreichischen Gerichtsstellen (Wien 1767). | Digitalisat (BSB) |
Beckmann | Nicolaus de Beckmann, Idea juris statutarii et consuetudinarii Stiriaci et Austriaci cum jure Romano collati (Graz 1688). | Digitalisat (BSB) |
Beitr. | Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen, hrsg. vom historischen Vereine für Steiermark, Graz. | urheberrechtsfreie BSB-Digitalisate |
Bericht etl. gerichtl. Solenniteten | Bericht etlicher gerichtlicher Solenniteten, so bey der Landschrannen in Steyr gehalten werden (StLA. Hs. 1061, s. u. S. 22). | |
Bethmann-Hollweg | M. A. von Bethmann-Hollweg, Der Civilproceß des gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung I—VI (Bonn 1864 bis 1874). | Digitalisat (BSB) |
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Rintelen | Max Rintelen, Bernhard Walthers privatrechtliche Traktate aus dem 16. Jahrhundert, vornehmlich agrarrechtlichen, lehen- und erbrechtlichen Inhalts (Quellen zur Geschichte der Rezeption, 4. Bd., Leipzig 1937). | |
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Sch. | Schuber. | |
Schenk | Johann Schenk, Beiträge zur Geschichte des österreichischen Civilprozesses. 1. Abth. Bis zum Schlusse des XVI. Jh.s. Übersicht der österreichischen Gesetzgebung über Civilprozeßrecht bis zum Schlusse des XVI. Jh.s (Wien 1864). | |
Schenk, Summ. Prozeß | Johann Schenk, Der österreichische summarische Prozeß (Wien 1864). | |
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Schultze | August S. Schultze, Privatrecht und Process in ihrer Wechselbeziehung. Grundlinien einer geschichtlichen Auffassung des heutigen Civilprocessrechts, I. Theil (Freiburg i. B.—Tübingen 1883). | |
Schwartz | Johann Christoph Schwartz, Vierhundert Jahre deutscher Zivilproceß-Gesetzgebung (Berlin 1898). | Digitalisat |
Sohm | Rudolf Sohm, Die litis contestatio in ihrer Entwicklung vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Geschichte des Zivilprozesses (München—Leipzig 1914). | |
St. I | Ordnung des lanndsrechten in Steier vom Jahre 1503 (hrsg. v. Bischoff, Steierm. Landrecht des Mittelalters 194ff., Anhang II). | Digitalisat |
St. II | Des löblichen Fürstenthum Steyr bestättung der Newen Reformation des Lanndsrechten daselbst vom Jahre 1533 (hrsg. v. Schenk, Beiträge zur Geschichte des österr. Civilprozesses, 1. Abth., 117ff., Anhang II). | Digitalisat [Originaldruck DRQEdit] |
St. III | Ainer ersamen Landschafft des Löblichen Fürstenthumbs Steyr New verfaste Reformation des Landts und Hofrechts daselbst vom Jahre 1574 (Augsburg 1583). | Digitalisat |
St. IV | Des Löblichen Fürstenthums Steyer Gerichtsordnung, wie vor der Landshauptmannschaft und dem Schrannengericht procedirt werden solle; reformirt im Jahr 1622 (München 1622, nachgedruckt zu Graz 1761). | Digitalisat |
StLA. | Steiermärkisches Landesarchiv, Graz. | |
StLA., ALr. | Steiermärkisches Landesarchiv, Abt. Altes Landrecht. | |
StLA., LschA. | Steiermärkisches Landesarchiv, Abt. Landschaftliches Archiv. | |
StLr. | Steiermärkisches Landrecht des Mittelalters (hrsg. v. Bischoff, s. d.). | Digitalisat |
Steinwenter, Versäumnisverfahren | Artur Steinwenter, Studien zum römischen Versäumnisverfahren (München 1914). | |
Stölzel, Gelehrte Rechtsprechung I, II | Adolf Stölzel, Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung I (1901), II (1910) (Berlin). | Digitalisat |
Stölzel, Gelehrtes Richtertum I, II | Adolf Stölzel, die Entwicklung des gelehrten Richterthums in deutschen Territorien I, II (Stuttgart 1872). | Digitalisat |
Suttinger, Consuetudines Austriacae | Joan. Baptista Suttinger, Consuetudines Austriacae ad stylum excelsi regiminis infra Anasum accommodatae (1. Aufl. Nürnberg 1716, 2. Aufl. Nürnberg 1718). | Digitalisat 1716 / Digitalisat 1718 |
Suttinger obs. | Joan. Baptista Suttinger, Verneuerte observationes practicae, oder: Gewisse Gerichtsbräuch, wie dieselben sonderlich bey dem Löbl. Land-Marschallischen Gericht in Oesterreich unter der Ennß in acht genommen und gehalten werden (Nürnberg 1678). | Digitalisat |
Thiel I, II | Viktor Thiel, Die innerösterreichische Zentralverwaltung. 1564—1749. I. Die Hof- und Zentralbehörden Innerösterreichs 1564 bis 1625, AÖG 105 (1916) lff.; II. Die Zentralbehörden Innerösterreichs 1625—1749, AÖG 111 (1930) 497ff. | Digitalisat |
Torggler | Karl Torggler, Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt. Beiträge zur Geschichte des Verfahrensrechtes in den österreichischen Alpenländern (Klagenfurt 1937). | Digitalisat |
Torggler, Klag. Stadtr. | s. Klag. Stadtr. | |
Trusen | Winfried Trusen, Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland. Ein Beitrag zur Geschichte der Frührezeption (Wiesbaden 1962). | |
Vossius | Lotharius Fridericus Vossius, Legum et Consuetudinum Austriacarum earum potissimum, quae infra Anasum vigent. cum Romano jure collatio (Wien 1770). | Digitalisat 1772 |
Wach, Arrestproceß | Adolf Wach, Der italienische Arrestproceß (Leipzig 1868). | |
Walther | Bernhard Walthers privatrechtliche Traktate aus dem 16. Jh., hrsg. v. M. Rintelen, s. d. | |
Walther OP | Bernhard Walther, Gerichtlicher Proceß, wie vor der Röm. Khay. May. N. ö. Regierung in den ordinari Rechtsachen in Hofrechten verfahrn würder (StLA. Hs. 1692, s. u. S. 23). | |
Wasserschleben | H. Wasserschleben, Sammlung deutscher Rechtsquellen I (Giessen 1860). | Digitalisat |
Weingärtler | Joannes Weingärtler, Con- et discordantia juris consuetudinarii Austriaci supra Anasum, cum jure communi, in quatuor institutionum libris remonstrata (Nürnberg 1674). | Digitalisat |
Weissler | Adolf Weißler, Geschichte der Rechtsanwaltschaft (Leipzig 1903). | Digitalisat |
Wenger, Institutionen | Leopold Wenger, Institutionen des römischen Zivilprozeßrechts (München 1925). | |
Werunsky, R. G. | Emil Werunsky, Österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte (Wien 1894—1938). | |
Wesener, Erbrecht | Gunter Wesener, Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit der Rezeption (Forschungen zur Neueren Privatrechtsgeschichte, Bd. 4, Graz—Köln 1957). | |
Wetzell | Georg Wilhelm Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, 3. Aufl. (Leipzig 1878). | Digitalisat |
Wolff | Alfred Wolff, Gerichtsverfassung und Prozeß im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit, Archiv für Geschichte des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129ff. | Digitalisat |
ZPO | österr. Zivilprozeßordnung vom 1. August 1895. | |
ZRG | Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. | |
G | Germanistische Abteilung. | |
K | Kanonistische Abteilung. | |
R | Romanistische Abteilung. |
Ebenso wie die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit zählt auch die neuere Prozeßrechtsgeschichte zu den stark vernachlässigten Zweigen der geschichtlichen Rechtswissenschaft. Neben den dogmatischen Lehrbüchern des gemeinen Zivilprozeßrechts, wie etwa von Wilhelm A. F. DanzN.1.1, Georg W. WetzellN.1.2 und Wilhelm EndemannN.1.3, die der historischen Entwicklung nicht die gebührende Berücksichtigung Schenken, gibt es — abgesehen von dem bedeutenden Werke Johann Chr. Schwartz's über die Geschichte der deutschen ZivilprozeßgesetzgebungN.1.4 — nur recht wenige Untersuchungen der neueren Prozeßrechtsentwicklung in den einzelnen deutschen Städten und TerritorienN.1.5.
Die Erforschung der Zivilprozeßrechtsgeschichte der Neuzeit stellt aber eine wichtige Aufgabe dar, da sie eine wesentliche Voraussetzung für das Verständnis der Rezeption des gemeinen Rechtes darstellt. Die Rezeption des römisch-kanonischen Prozeßrechtes ging zumeist der des materiellen römischen Rechtes vorausN.1.6, da der gemeine Prozeß weitgehend die Voraussetzung für die Anwendung [Seite: 16] "wissenschaftlich gelehrten Rechts"N.1.7 darstellte. F. WieackerN.1.8 hat die große Wirkung der Aufnahme des "gelehrten Prozesses" auf das deutsche und europäische Rechtsdenken aufgezeigt.
Die Bedeutung der neueren Prozeßrechtsgeschichte für die österreichische Rechtsgeschichte hat bereits Carl Graf ChorinskyN.1.9 klar zum Ausdruck gebracht: "Länger fortgesetzte Studien des österreichischen Rechts aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert haben mich überzeugt, daß eine Erforschung der rechtsgeschichtlichen Entwickelung unserer Länder mit dem Proceßrechte beginnen solle, und daß das materielle Recht vielfach gar nicht verstanden werden kann, wenn man die Formen der gerichtlichen Geltendmachung desselben nicht kennt."
Entsprechend dem heute bereits allgemein anerkannten Grundsatz, daß rezeptionsgeschichtliche Untersuchungen nach Territorien gesondert zu erfolgen habenN.1.10, beschränkt sich vorliegende Arbeit in räumlicher Hinsicht auf Innerösterreich. In den altösterreichischen Ländern galt kein einheitliches Recht, insbesondere war auch die Rezeption des gemeinen Rechtes in den einzelnen Ländern verschieden stark, am stärksten wohl in Österreich unter der Enns mit Schwerpunkt in Wien, am schwächsten in TirolN.1.11.
Auch die innerösterreichischen Länder (Steiermark, Kärnten, Krain) hatten zwar grundsätzlich eine verschiedene rechtliche Entwicklung zu verzeichnen, doch bestand eine so weitgehende RechtsübereinstimmungN.1.12, daß eine gemeinsame Behandlung der Prozeßrechtsgeschichte in dieser Ländergruppe gerechtfertigt erscheint. Steiermark war in der innerösterreichischen Rechtsentwicklung im allgemeinen führend. Das steiermärkische Landrecht des Mittelalters, eine Privatarbeit aus dem 14. Jahrhundert, war in ganz Innerösterreich, besonders auch in Kärnten verbreitetN.1.13. Die steirische Landrechtsreformation von 1533 war Vorbild für die Krainer Landschrannenordnung von 1564 (s. u. S. 24f.). Unter Erzherzog Karl von Innerösterreich ergingen verbesserte Landrechtsordnungen für alle drei Länder (1571 für Krain, 1574 für Steiermark, 1577 für Kärnten), die inhaltlich weitgehend übereinstimmenN.1.14. Die steiermärkische Gerichtsordnung von 1622 beeinflußte die Kärntner und Krainer Revisionsarbeiten im 17. JahrhundertN.1.15. Der Entwurf der Neuen steirischen Gerichtsordnung von 1674 wurde ebenfalls bei den Kärntner Reformarbeiten herangezogen (s. u. S. 24 Anm. 49). Eine gewisse Einheitlichkeit des Landrechtsverfahrens in Innerösterreich wurde [Seite: 17] auch durch die gemeinsame Oberinstanz, die niederösterreichische, seit 1565 die innerösterreichische Regierung in Graz, gewährleistet. Die Rechtshilfe zwischen den drei innerösterreichischen Ländern wurde durch Resolutionen Erzherzog Karls aus den Jahren 1587 und 1590 geregelt (s. u. S. 117).
Ein einheitliches Prozeßrecht wurde in den österreichischen Ländern erst durch die Allgemeine Gerichtsordnung von 1781 geschaffen.
Arbeiten über die Geschichte des österreichischen Zivilprozeßrechts sind äußerst spärlichN.1.16. Für das Mittelalter besitzen wir die grundlegenden Arbeiten von Luschin über die "Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich ob und unter der Enns" (1879)N.1.17 und von Baltl über die "ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks"N.1.18. Wichtige Vorarbeiten zu einer Geschichte des neueren österreichischen Zivilprozesses leistete Johann Schenk mit seiner "Übersicht der österreichischen Gesetzgebung über Civilprozeßrecht bis zum Schlusse des XVI. Jh.s"N.1.19. Einen Überblick über die Geschichte des österreichischen Zivilprozesses gab erstmals CansteinN.1.20. Eine ausgezeichnete Untersuchung über "Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt" bot Karl TorgglerN.1.21. Im VI. Abschnitt seiner Arbeit untersucht Torggler das Verhältnis des Stadtrechts- und Stadtgerichtsverfahrens zum deutsch-mittelalterlichen und zum gemeinen Prozeß, wobei er das Landrechtsverfahren in den innerösterreichischen Ländern vergleichsweise heranzieht und auch Hinweise auf den Zivilprozeß in Österreich unter und ob der Enns gibtN.1.22. [Seite: 18]
Eine ausführliche Darstellung haben nur die besonderen Verfahrensarten gefunden, der Summarprozeß durch J. SchenkN.1.23 und der Exekutivprozeß durch C. Graf ChorinskyN.1.24.
Vorliegende Arbeit beschränkt sich in sachlicher Hinsicht auf das zivilgerichtliche Verfahren vor der Landschranne, dem Schrannengericht, welches in den innerösterreichischen Ländern das ordentliche Gericht des landständischen Adels in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten darstellte (s. u. S. 27)N.1.25. Die Untersuchung bezweckt eine Darstellung des Landschrannenverfahrens im 16. und 17. Jahrhundert, wobei besonderes Gewicht auf die Herausarbeitung der deutschrechtlichen und der gemeinrechtlichen Komponente gelegt wird. Das allmähliche Eindringen des gemeinen Prozeßrechts soll an Hand der verschiedenen LandrechtsreformationenN.1.26 in Innerösterreich, prozeßrechtlicher Abhandlungen und erhaltener Prozeßakten aus der betreffenden Epoche verfolgt und damit ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte geleistet werden.[Seite: 19]
Das steiermärkische Landrecht des MittelaltersN.2.2, eine Privatarbeit aus dem 14. Jahrhundert, enthält eine große Anzahl von Vorschriften über das Verfahren vor der Landschranne. Auf Grund dieser starken Berücksichtigung des Landschrannenverfahrens nimmt Bischoff (S. 53f.) wohl mit Recht an, daß der Verfasser des Landrechtes ein Schrannenschreiber gewesen seiN.2.3. Eine weitere wertvolle Quelle für das mittelalterliche Verfahrensrecht stellen die Gerichtsbriefformeln der Grazer Landschranne aus der Zeit etwa von 1415 bis 1433 darN.2.4.
Bereits in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts wurden von den Landständen Beschwerden über das Verfahren im Landrecht erhoben und Reformen desselben angestrebtN.2.5. Am 14. Oktober 1503 wurde von der Landschaft eine "Ordnung des lanndsrechten in Steier wider die misbrauchten gewonhaiten, so ain zeit her dabey gewesen sein sollten" (= St. I)N.2.6 beschlossen, eine Neuordnung des für die Landschranne geltenden Verfahrensrechtes; diese Ordnung hat aber wohl nicht die landesherrliche Sanktion erhaltenN.2.7.
Ebensowenig sanktioniert wurde die "Neu Ordnung Rechtens", ein Entwurf etwa aus der Zeit zwischen 1504 und 1519, welcher bereits weitgehend mit der Reformation von 1533 übereinstimmtN.2.8; dieser Entwurf umfaßt 39 Artikel.
Aus dem Jahre 1533 stammt "Des löblichen Fürstenthum Steyr bestättung der Newen Reformation des Lanndsrechtens daselbst" (= St. II)N.2.9. [Seite: 20]
Zu einer weiteren Reform des Schrannenprozesses kam es 1574: "Ainer ersamen Landschafft des löblichen Fürstenthumbs Steyr New verfaste Reformation des Landts und Hofrechts daselbst" (Konfirmation Erzherzog Karls vom 24. Dezember 1574) ( St. III)N.2.10. Diese Reformation von 1574 stellt mit ihren 81 Artikeln die erste umfassende Zivilprozeßordnung für Steiermark dar.
Bald setzten neuerliche Reformarbeiten ein. Bereits im Jahre 1610 überreichte die Landschaft dem Landesfürsten den Entwurf einer neuen Landrechtsreformation, die im Jahre 1613 vom Landesherrn Erzherzog Ferdinand mit Stellungnahme und Abänderungswünschen zurückgegeben wurdeN.2.11. Der Landesfürst tritt in seiner Resolution für Reformen und stärkere Berücksichtigung des gemeinen Prozeßrechts ein, so für das Mehrheitsprinzip bei der Urteilsfindung, für die Zulässigkeit der Stellvertretung im Prozeß und insbesondere für die Einführung des Calumnieneides.
Das Steiermärkische LandesarchivN.2.12 enthält eine Handschrift "New Corrigierte Gerichts Ordnung des Löblichen Fürstenthumbs Steyer Anno 1616" (10. Oktober 1616), welche die vom Landesfürsten verlangten Abänderungen berücksichtigt und in Randanmerkungen darauf Bezug nimmt. Diese Handschrift trägt einen von anderer Hand geschriebenen Vermerk "Landts Recht des Erzherzogthumbs Steyr. Reformiert und confirmiert von Ihr. Für. Durch. Herrn Herrn Ferdinand Erzherzog zu Österreich als Erzherzog in Steyer Unserm Genedigsten Herrn und Landtsfürsten. Mit Rath einer allgemeinen löb. Landtschaft daselbst publiciert Ao. 1617". Falls diese Fassung tatsächlich Geltung erlangt hat, so jedenfalls nur für kurze Zeit, nämlich bis zum Inkrafttreten der Gerichtsordnung vom 7. November 1618. Die Landrechtsordnung von 1616 gliedert sich zum Unterschied von allen anderen Ordnungen in zwei Teile: "Der Erste Thail von undterschiedlichen Instanzen und derselben Gerichtspersohnen. Der Ander Thaill Vom Gerichtlichen Proceß."
Am 7. November 1618 wurde "Des Löblichen Fürstenthumbs Steyer Gerichtsordnung, wie vor der Landtshauptmanschafft und dem Schrannengericht procediert werden solle, Reformiert im Jahr 1618" von Ferdinand II. confirmiertN.2.13. Am 30. März 1622 wurde die Gerichtsordnung von Kaiser Ferdinand II. neuerlich confirmiert (St. IV)N.2.14. Die beiden Fassungen von 1618 und 1622 stimmen bis auf Verschiedenheiten in der Schreibweise und geringfügige Anpassungen völlig [Seite: 21] übereinN.2.15. Die Gerichtsordnung von 1618 bzw. 1622 enthält 74 Artikel und blieb bis zur Einführung der Allgemeinen Gerichtsordnung 1781 in KraftN.2.16.
Unter Kaiser Leopold I. wurde 1674 der Entwurf einer "Neuen Gerichts- und Landrechtsordnung in Steyer"N.2.17 fertiggestellt. Die Verhandlungen der Regierung mit den Ständen wurden bis zum Jahre 1748 fortgesetztN.2.18. Der Entwurf dieser Neuen Gerichtsordnung (= Neue steir. Gerichtsordnung) enthält keine wesentlichen Neuerungen gegenüber der Gerichtsordnung von 1622N.2.19.
Zur steirischen RechtsliteraturN.2.20 des 16. und 17. Jahrhunderts zählt ein Kompendium der steiermärkischen Verfassung und Verwaltung von Kaspar Freiherrn BreunerN.2.21, abgefaßt zwischen 1554 und 1558, das auch eine Anzahl prozessualer Ausdrücke erläutertN.2.22.
Eine private Darstellung des Schrannenverfahrens aus der Mitte des 17. JahrhundertsN.2.23 sind die vierzig Fragen aus dem steirischen Recht: "Erste Frag. Wie im Herzogthumb Steyer einer Civilaction der anfang zu machen gepflögt wirdtN.2.24." Diese Arbeit trägt auch die Bezeichnung "Landtsgebräuch im Herzogthum Steyr", [Seite: 22] "Neue Landgerichtsordnung in Steyr", "Institutiones juris Styriaci oder praktische Observationes, zu Lieb allen Principianten, so in Steyer die Jura zu practiciern gesünet ... durch Herrn W. vor Jahren gewesten Landtschreiber gezogenN.2.25" und "Modus procedendi des hörzogthumb Steyer". Daß diese Darstellung in Steiermark stark verbreitet war, beweist die große Anzahl erhaltener HandschriftenN.2.26. Zitiert wird sie nach Hs. 1114 des StLA. "Richtschnur, wie in Hertzogthumb Steyer einer Civilaction der anfang zu machen, in medio zu urgieren, und biß zu der völligen Endtschaft zu bringen seye" (= Richtschnur)N.2.27.
Der "Bericht etlicher gerichtlicher Solenniteten, so bey der Landschrannen in Steyr gehalten werden"N.2.28 in 26 Absätzen stammt wohl von dem Schrannenschreiber Erasam Khurzleb und wurde um 1590 verfaßteN.2.29.
Formulare für Verträge, Gerichtsbriefe und Parteianträge bietet das "Formular Puech nach der Expedition und Processen wie solche im Herzogthumb Steyer zu styllisiern gepflegt werden" in drei Teilen aus der Mitte des 17. JahrhundertsN.2.30. Wichtig für das Prozeßrecht ist der zweite Teil "Formular für die Expedition bey der Schrannen Cantzley, wie allerhandt Abschidt und Gerichts Zeugbrüeff zuverfassen" und der dritte Teil "Suppliciern p. genediger Verordnung unpartheyischen Richters".
Formeln für Schriftsätze der Parteien enthält ferner der "Advocatus seu Praxis processus Iudiciarii"N.2.31), entstanden Ende des 17. Jahrhunderts.
Eine Beschreibung der Behörden, insbesondere der Gerichtsinstanzen, in Steiermark stellt der "Stylus Tribunalium Graecensium"N.2.32 dar (17. Jahrhundert).
Eine höchst wertvolle Quelle für die Erforschung des steirischen Landschrannenverfahrens, insbesondere des Beweis- und Rechtsmittelverfahrens, bilden die Akten des Alten steirischen Landrechtes, die zum Großteil erhalten sindN.2.33.
An gedruckten Werken des 17. Jahrhunderts, die sich mit der innerösterreichischen Gerichtsverfassung und dem Prozeßrecht befassen, sind zu nennen die [Seite: 23] "Observationes ad Stylum Curiae Graecensis" von Ferdinand von Rechbach (Graz 1680, Appendix 1682) und die "Idea juris statutarii et consuetudinarii Stiriaci et Austriaci cum jure Romano collati" des Nicolaus de Beckmann (Graz 1688)N.2.34.
Die sogenannte "Grätzerische Gerichts Ordung, wie die Procuratores vor der Regierung zu Grätz in Hoffrechten procedirn sollen" vom 16. Juli 1567N.2.35 regelt das Verfahren vor der innerösterreichischen Regierung als erster InstanzN.2.36; sie bezieht sich nicht auf das Landschrannenverfahren. Sie entspricht Bernhard Walthers "Ordinari- und Extraordinari-Prozeß", der das Verfahren vor der nieder-österreichischen Regierung in Hofrechten regeltN.2.37.
Das StLr. des Mittelalters (s. o. S. 19) fand, wie die Verbreitung der Handschriften beweist, auch in Kärnten AnwendungN.2.39. Die Kärntner Landesordnung Herzog Albrechts II. aus dem Jahre 1338N.2.40 enthält einige prozessuale Bestimmungen.
Eine Darstellung des Verfahrens "im Landsrechten zu Kärnten" stellt Hanns Ampfingers Bericht aus dem Jahre 1544 darN.2.41.
Wann die erste Landsrechtsordnung für Kärnten aufgerichtet wurde, ist unbekannt. Zur Erneuerung kam es 1577: "Des Ertzhertzogthumbs Khärndten New aufgerichte Landtßrechtsordnung" KLro.N.2.42. Diese Landsrechtsordnung gliedert sich in 43 Artikel.
Im 17. Jahrhundert kam es zu Reformbestrebungen, wobei eine Angleichung der Kärntner Landrechtsordnung an die steirische Gerichtsordnung versucht wurdeN.2.43. Aus dem Jahre 1629 stammt ein ständischer Entwurf: "Rechtsordnung ... nach Wellicher bey dem Schronengericht und anderen dess Landts [Seite: 24] Instanzien procediert werden solleN.2.44. Der landesfürstliche GegenentwurfN.2.45, die "Gerichts Ordnung dess Löblichen Ertzherzogthumbs Khärndten, nach welcher bey der Landtshaubtmanschafft, Schrannengericht, und andern des Landts Instantien procediert werden solle. Aufs neue Reformiert, und verbössert im Jar 1638"N.2.46, gliedert sich in 61 ArtikelN.2.47. Ein weiterer ständischer EntwurfN.2.48 einer Kärntner Gerichtsordnung stammt aus dem Jahre 1669: "Gerichts- und Landts Rechts Ordnung des Löbl. Erzhörzogthumbs Khärndten, nach welcher bey der Landtshaubtmanschaft, SchrannenGericht, und andern des Landts Instantien procediert werden solle. Auffs neue reformiert und verbessert im Jahr 1669"N.2.49 und umfaßt 62 Artikel.
Einen genauen Überblick über die privaten "Darstellungen des Kärntner Rechtes und Rechtsganges" gibt TorgglerN.2.50.
Die Pfändungs- oder Spänordnung des Erzherzogtums Kärnten vom 1. Jänner 1582N.2.51 bezieht sich nur auf die Einbringung von "Landsteuern und andere Contributirung".
Die Archive des Kärntner Landrechtes und der Landeshauptmannschaft sind leider verlorengegangenN.2.52.
Eine "uralte Landschrannenordnung" vom Jahre 1531 erwähnt Erberg, Observatio 27 § 8. Im 16. Jahrhundert kam es zu einer Revision durch die Stände, die am 24. Jänner 1564 durch Kaiser Ferdinand I. und am 16. Mai 1565 durch Erzherzog Karl bestätigt wurdeN.2.54: "N. ainer Ersamen Landtschafft in Crain verpesserte Landschrannenordnung" in 32 ArtikelnN.2.55. Diese Krainer [Seite: 25] Landschrannenordnung schließt sich an die steirische Landrechtsreformation von 1533 (St. II) anN.2.56.
Zu einer neuerlichen Reform kam es 1571: "Landschrannen-Ordnung des Löblichen Hörtzogthumbs Crain und der angereichten Herrschafften Windischen March, Möttling, Ysterreich und Karsst" (= Crain)N.2.57; diese Schrannenordnung umfaßt 34 ArtikelN.2.58.
Als Schranne wird im bayrischen und österreichischen Rechtsgebiet die Dingstätte (Gerichtsstätte) bezeichneteN.3.2. Der eigentliche Gerichtsplatz war durch ein Geländer, eine Schranke (daher der Ausdruck Schranne) abgeschlossen; innerhalb der Einfriedung saßen der Richter und die Urteiler, außerhalb derselben war der "Umstand"N.3.3.
Die bayrischen Landgerichte hatten, obwohl ihre Bezirke (Pflegen) nicht in Untergerichtssprengel zerfielen, regelmäßig mehrere Schrannen, die auf verschiedene Orte des Gerichtsbezirkes verteilt warenN.3.4. Die Schrannen entsprachen wohl den alten Hundertschaftsmalstätten. Der Landrichter reiste mit dem Gerichtsschreiber herum, um in den einzelnen Schrannen Gericht zu halten. Die verschiedenen Schrannen desselben Landgerichtsbezirks galten deshalb wie die fränkischen Hundertschaftsgerichte als identische GerichteN.3.5.
Der Ausdruck Landschranne findet sich in Österreich unter und ob der EnnsN.3.6. Das StLr. des Mittelalters erwähnt mehrmals die "schrann zu Grätz" (Art. 8, 9)N.3.7. Die zweitälteste der vorhandenen Handschriften des StLr. trägt den Titel: "Das sind dy lanndsrecht inn Steir, sunder der schrang zw GreczN.3.8." [Seite: 27]
Das steirische Schrannengericht ("Landrecht und Schranne")N.3.9 zerfiel im 16. und 17. Jahrhundert 1. in das Landrecht, 2. in das Hofrecht und 3. in die sogenannten Summari-RechteN.3.10. Das Schrannengericht war das Gericht des landständischen Adels in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Es trat unter dem Vorsitz des Landeshauptmannes bzw. dessen Stellvertreters "als Gericht der Genossen über Standesgenossen in allen bürgerlichen Klagen gegen landständische Adelige und in Angelegenheiten des später landtäflichen Grundbesitzes" zusammenN.3.11. Den innerösterreichischen Landschrannengerichten entspricht in Österreich unter der Enns das landmarschallische GerichtN.3.12, in Tirol das sogenannte adelige HofgerichtN.3.13.
Die "Landschranne zu Grätz" ist bereits 1394 urkundlich nachweisbar (s. o. ); die Kanzlei der Landschranne, des alten Landrechtes, in Graz wird im Jahre 1433 erwähntN.3.14. Das alte Schrannengericht bestand bis zum Jahre 1747; an seine Stelle trat dann das mit der Repräsentation (Regierung) vereinigte Landrecht. Unter Kaiser Josef II. verlor das Landrecht seinen ständischen Charakter. Mit 1. Juli 1782 begann die Tätigkeit des neuen steirischen Landrechts mit dem Sitz in GrazN.3.15.
Die Zuständigkeit des alten Schrannengerichtes war genau geregelt: 1. Das "Landrecht" war zuständig für Rechtsstreitigkeiten, "so Gründ, Böden, Brief und Sigl, und theils persönliche Sprüch, auch theils Schulden, Injurien, und andere Sachen betreffend" (St. IV 1/4)N.3.16.
2. Das "Hofrecht" war zuständig für "allerley Gewält, Entwehrungen liegender Güter, Spolia, und reales Injuriae" (St. IV 1/4)N.3.17. Im Bericht etl. gerichtl. [Seite: 28] Solenniteten Abs. 22 (s. o. Anm. 10) wird das Hofrecht als possessorium judicium dem Landrecht als petitorium judicium gegenübergestelltN.3.18.
3. "In Summari-Rechten seyn zu decidirn, die Landschadenbündige Verschreibungen, und Instrumenta, deren Citationes durch Landshauptmannische verschlossene Befehl, erfolgen thun" (St. IV 24/2)N.3.19. Im Bericht etl. gerichtl. Solenniteten Abs. 22 (o. Anm. 10) wird das Summarirecht aufgefaßt als summarisches Verfahren im Landrecht.
Die Unterscheidung zwischen Landrecht und Hofrecht ist wohl zurückzuführen auf die mittelalterliche Einrichtung des Landtaidings und des HoftaidingsN.3.20.
Landschranne und Hoftaiding erscheinen in den Urkunden noch bis zum letzten Drittel des 15. Jahrhunderts als zwei voneinander gesonderte GerichtsstellenN.3.21. Ihre Kompetenzen scheinen sich überschnitten zu habenN.3.22; schon das alte Land- und das Hoftaiding besaßen eine konkurrierende GerichtsbarkeitN.3.23. Bezeichnend ist die Bestimmung von St. I 16: "Lanndsrecht verhindern. Als man ain zeit her in dem hofteding, so man das lanndsrecht besessen solt haben, annder sachen und verhör, so in das recht nit gehören, gehanndlt und solich recht merklich und vilmal damit verhindert hat ..."N.3.24.
Die Einrichtung der Hoftaidinge blieb in der Steiermark bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts erhalten. Die letzte Nachricht von einem Grazer Hoftaiding stammt aus dem Jahre 1564N.3.25.
In den steirischen Landrechtsformationen des 16. und 17. Jahrhunderts findet sich eine scharfe Abgrenzung der Kompetenzen des Land- und HofrechtsN.3.26. St. III 42 bestimmt, daß "im Hofrechten in den Klagen das Aigenthumb nicht einzumengen" seiN.3.27. Es handelt sich aber in dieser Zeit beim Land- und Hofrecht [Seite: 29] nicht mehr um verschiedene Gerichtsstellen, sondern bloß um verschiedene Verfahrensarten. Land-, Hof- und Summarirechte stellen ein einheitliches Gericht, das Schrannengericht, dar. Die Besetzung ist bei den verschiedenen Verfahrensarten stets dieselbe. Beckmann 434f.: "... besondern es werden alle Sachen, so zu Hoff- Land-Rechten und summari-Rechten gehören, promiscue auf einen Tag, nach des Herrn Landes-Verwesers Belieben, eine nach die andre tractiret; weil diese 3 distincta fora proprie loquendo unum idemque Tribunal formiren, so ab eodem Praeside et Assessoribus regiret wird ..." "Item ist hier zu observieren, daß diese Schranen-Rechten, als 1) Land- 2) Hoff- und 3) summari-Rechten nicht jeder vor sich einen absonderlichen Praesidenten, und besondere Assessores haben, sondern der Herr Lands-Verweser, und die denominirten Herren Assessores, so Herrn, und Landleute seynd, verrichten in diesen dreyen judiciis sambtlich ihre gerichtliche function, praesidendo, assidendo, et judicando"N.3.28.
Die Kärntner Landrechtsordnung von 1577 spricht von Hoftaiding (Art. 1 Von haltung der Hofthaiding, Art. 2 Von verschiebung der Hofthaiding), Landsrecht zu Kärnten (Art. 3), Landschranne zu Kärnten (Art. 27/2) und verwendet diese Ausdrücke gleichbedeutend (Vgl. Art. 16/8).
Ampfinger 1. "Was Sachen in Lanndsrechten gehandlt werden. Im Lanndsrechten zu Kärnten wierdet umb Erb, Aigen, Grunt, Pöden, Injuri, Schulden, Verträg, Verhaissung, Kheuff, Wechsl und dergleichen Sachen, so aines Eigenthumb und selbs aigen Hänndl beruern, auch um Entwerung clagt und recht gefertigt"N.3.29.
Die Klagen um Entwerung können nach Kärntner Recht entweder im Landrecht angestellt werden oder als Verhörsachen vor dem Landesverweser und den Beisitzern behandelt werden. Falls wegen Entwerung im Landrecht geklagt wird, braucht der Beklagte erst am vierten Rechtstag zu antworten, in Verhörsachen schon am ersten RechtstagN.3.30.
Im Kärntner Verfahrensrecht fehlt die für das steiermärkische Recht typische Kompetenzabgrenzung zwischen Land- und Hofrecht.
Die Landschrannen-Ordnung von Krain 1571 hingegen unterscheidet wie die steirischen Gerichtsordnungen zwischen Land- und HofrechtN.3.31. Die Kompetenzabgrenzung ist dieselbe. Die Hofrechte sind bloß zuständig für Klagen um "Gewalt und Entwöhrung" (Crain 2); demjenigen, der im Hofrecht unterlegen ist, steht das "ordentliche Landsrecht" offen (Crain 2). Die Bezeichnung Landschranne wird als Oberbegriff verwendet. Den Ausdruck Hoftaiding gebraucht die Krainer Landschrannenordnung im allgemeinen Sinne von Versammlung der Landherren (Art. 1 a. Anf., 3)N.3.32 [Seite: 30].
Die Besonderheiten des Verfahrens im Hofrecht werden in der Darstellung jeweils im entsprechenden Sachkapitel behandelt, das Verfahren im Summarirecht im Zusammenhang mit dem Landschadenbund (s. u. S. 49ff.).
Die steirische Gerichtsordnung von 1622 trägt den Titel: "Wie vor der Landshauptmannschaft und dem Schrannengericht procedirt werden solle"; sie regelt also auch das Verfahren vor der Landeshauptmannschaft. Die gerichtliche Kompetenz dieser Instanz ist festgelegt in St. IV 1/3: "Die Anderte, ist die Lands-Hauptmannschaft, bey welcher über der Herrn und Landleuten Verbrechen erkennt wirdet, dahin auch die Actiones des Adels, so nicht Landleut seyn, (ausgenommen deren Sachen, so von Gülten herrühren, mit welchen sie vor der Landschrannen Recht nehmen und geben müssen) desgleichen der Unterthanen Klagen wider ihre Grundobrigkeiten, item der Diener Beschwerungen wider ihre Herrschaften, zu entscheiden: Sowohl daselbst der Herrn und Landleut, auch geadelten Personen, Gerhaben zu ordnen, folgends deren Raitungen aufzunehmen und zu justificiren seyen"N.3.33. Das landeshauptmannschaftliche Gericht wird von St. IV als ständisches Gericht angesehenN.3.34. Das Gericht des Landeshauptmanns war im Mittelalter und auch noch im 16. Jahrhundert (bis 1565) Oberinstanz des Grazer StadtgerichtsN.3.35.
Appellationsinstanz für die innerösterreichischen Landschrannengerichte war zunächst die niederösterreichische Regierung in Wien, seit 1565 die von Erzherzog Karl II. errichtete innerösterreichische Regierung in GrazN.3.36. St. IV 1/2: "Die erste, höchste, und nachgesetzte Instanz, ist die I. Oe. Regierung, dahin die Appellationes von allen andern Tribunalien devolvirt, bey deren auch die Städt und Märkt fürgenommen werden ..." Die innerösterreichische Regierung war somit die zweite Instanz für alle Gerichtsstellen, von denen eine Appellation erfolgen konnteN.3.37. Die innerösterreichische Regierung hatte bis zum Jahre 1748 neben der judiziellen auch die politische Verwaltung Innerösterreichs, von diesem Zeitpunkt an bis 1782 nur die Justizangelegenheiten zu besorgenN.3.38. Die Regierung [Seite: 31] setzte sich aus drei Bänken, der Herren-, Ritter- und Gelehrtenbank zusammen.N.3.39 Erster Kanzler des innerösterreichischen Regimentes war Bernhard Walther, der am 16. Jänner 1565 in sein Amt eingeführt wurde.N.3.40.
Die Geheime Stelle, der Geheime Rat, der 1564 als höchste Zentralinstanz für Innerösterreich in Graz errichtet worden war, war in Zivilrechtssachen Revisions- und Restitutionsinstanz. Sie galt als "Vertrauensorgan des Landesfürsten"N.3.41.
Durch k. Resolution vom 15. Jänner 1749 wurde die innerösterreichische Geheime Stelle aufgehoben und zur Erledigung der Revisionssachen aus der Steiermark, Kärnten und Krain ein eigenes innerösterreichisches Judicium Revisorium eingerichtetN.3.42. Erster Präses dieses Judicium Revisorium war der Landeshauptmann von Steyer Carl Adam Graf BreunerN.3.43. Vom Judicium Revisorium war der Rechtszug an die Oberste Justizstelle in Wien nur "ob apertam injustitiam et nullitatem aut justitiam protractam" zulässig. Die Sonderstellung der innerösterreichischen Rechtspflege dauerte somit noch über die Reform Maria Theresias hinausN.3.44. [Seite: 32]
Im innerösterreichischen Landschrannenverfahren findet sich bis in das 18. Jahrhundert die altdeutsche Gerichtsverfassung erhalten, wonach dem Richter nur Vorsitz und Leitung der Verhandlung gebührten, die Urteilsfällung aber der Gerichtsgemeinde bzw. einem Ausschuß derselben zustand. Der Richter war nur "Frager des Rechts"N.4.1.
Vorsitzender und Richter im Schrannengericht war der Landeshauptmann bzw. dessen Vertreter, der LandesverweserN.4.2. Landeshauptmann bzw. Landesverweser hatten "im Rechten kain stimm, sonder allein die umbfrag"N.4.3. Falls Landeshauptmann und Landesverweser verhindert waren, sollte ein "ehrbarer, verständiger Landmann" vom Landesverweser mit der Landeshauptmannschaft betraut werdenN.4.4.
Beisitzer und Rechtssprecher waren "Herren und Landleut"N.4.5, welche vom Landeshauptmann oder Verweser dazu bestimmt wurdenN.4.6. Die Beisitzer gehörten zumindest ursprünglich sämtlich dem landständischen Adel anN.4.7. St. III 5/1 bestimmte, daß "nun hinfüro zehen ansehenliche und verstendige Landleut, die sein nun beheyrat oder nit, das sie anders unverleimbd auch eines Erbarn wandels, verstands, und auffs wenigst uber 26 Jar alt sein, zu Beysitzern bestelt, und fürgenommen werden"N.4.8. Dadurch sollten Verzögerungen der Rechtspflege, die sich durch den Mangel an Beisitzern ergaben, vermieden werden. St. IV 4/1 wiederholt die Vorschrift, wobei sie das Mindestalter der Beisitzer auf 25 Jahre herabsetztN.4.9.
Die Beisitzer haben jeweils am Sonntagabend vor dem Hoftaiding nach Graz zu kommen und am Montag in der Früh ihr Beisitzeramt anzutreten und es bis zum Ende des Hoftaidings auszuübenN.4.10; die Beisitzer erhielten Besoldung von der LandschaftN.4.11. [Seite: 33]
Die Mindestzahl der Beisitzer bei einer Gerichtsverhandlung ist siebenN.4.12. Die Parteien können aber verlangen, daß "uber die vorbestimbten Ordinari Beysitzer ... noch mehr Landleuth darzu gefordert werden sollen"N.4.13; der Landeshauptmann bzw. Landesverweser kann einen jeden Landmann als Beisitzer anfordern.
Die Wahl der ordentlichen Beisitzer erfolgt auf einem Landtag oder HoftaidingN.4.14. Die Ablehnung von Beisitzern durch Parteien ("Aufforderung aus dem Ring") muß begründet seinN.4.15.
Weitere Gerichtspersonen waren der Landschrannenschreiber, der Weisbote, die Schrannenadvokaten und Prokuratoren (s. u. S. 37ff.), ferner bei der Landeshauptmannschaft die "Secretari und Gerichtsschreiber"N.4.16.
Aufgabe der Landschrannenschreiber ist die Protokollführung und die Ausfertigung der Gerichtszeugbriefe bzw. Abschiede im Land- und HofrechtN.4.17. Der Landschrannenschreiber als das beständige Element im Schrannengericht gewann zweifellos ebensolchen Einfluß auf die Rechtssprechung wie die Stadtschreiber in den StadtgerichtenN.4.18. Die Schrannenschreiber waren in der Regel gelehrte Juristen, die sich auch literarisch betätigtenN.4.19; bei ihnen sind in Innerösterreich die Anfänge einer Rechtswissenschaft zu suchen. [Seite: 34]
WeisboteN.4.20 ist die neuere Bezeichnung der innerösterreichischen Rechtssprache für FronboteN.4.21 oder GerichtsboteN.4.22. Beckmann 556: "Der Weißbot, sive Unter Marschall, ist derjenige, so auf Befehl der Obrigkeit, die execution und den Ansatz, wider die condemnirten debitores führet ...". Der Ausdruck Weisbote leitet sich her von der Aufweisung (Pfändung), die der obsiegende Kläger mit Hilfe des Gerichtsboten vornimmtN.4.23. [Seite: 35]
Über die Partei- und Prozeßfähigkeit enthalten die innerösterreichischen Gerichtsordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts keine Bestimmungen. Es lassen sich keine Besonderheiten des Landesbrauches gegenüber dem gemeinen Recht fest stellenN.5.2. Unmündige werden durch ihre Vormünder (Gerhaben) vertretenN.5.3. Nach dem StLr. des Mittelalters galten Unmündige als prozeßfähig. Nach Art. 83 des StLr. mußten sie persönlich im Landrecht erscheinen, wo sie einen Vorsprecher erhielten (vgl. Art. 35). Im 15. Jahrhundert konnten sich Unmündige bereits durch ihren Vormund vertreten lassenN.5.4. Nach dem österreichischen Landrecht (ÖLR 52) und dem Wiener StadtrechtN.5.5 mußten Prozesse gegen Unmündige bis zum Eintritt der Mündigkeit ruhen, da diese prozeßunfähig waren und eine Vertretung durch den Vormund noch nicht als zulässig galtN.5.6.
Wie in den mittelalterlichen RechtsquellenN.5.7 wird der Beklagte noch in St. III (z. B. Art. 32) als Antworter bezeichnet.
Das germanische Recht kennt zwei Arten von Rechtsbeiständen, den Rechtsweiser und den Wortführer (Vorsprecher)N.6.2. Beide Institute finden sich in Österreich, wo sie wohl aus dem bayrischen Recht übernommen wurdenN.6.3. Der Vorsprecher konnte sich das Recht zu "Run und Rat" ausbedingen, das Recht, sich mit dritten Personen über die Rechtsfrage zu beraten. Diese Ratgeber, für die sich verschiedene Bezeichnungen, wie Rauner, Warner, Anweiser u. a.N.6.4 finden, werden in Österreich Weiser oder Steurer genanntN.6.5.
Das StLr. nun, gewährt besonders schutzbedürftigen Personen einen Steurer als Beistand (vgl. KLro. 33). Nach Art. 35 des StLr. sollen Witwen, Kinder unter zwölf Jahren, Geisteskranke und geistliche Personen "ainen steurer haben vor dem gericht zu seinem vorsprechen, es clag oder antwurt". Steurer ist gleichbedeutend mit WeiserN.6.6.
In St. I (Art. 16, 20 u. 21) und St. II (Art. 27-30) wird der Vorsprecher als Redner bezeichnetN.6.7. In der Schranne sollen geschworene Redner (St. I 20; St. II 27; vgl. St. III 11; St. IV 10) gehalten werdenN.6.8, die bereits gegenüber den Parteien Anspruch auf Entlohnung (Sold) habenN.6.9. Die Entgeltlichkeit des Vorsprecheramtes begann sich schon im Mittelalter allmählich durchzusetzenN.6.10. Der Vorsprecher (Redner) wurde in Nachwirkung germanischer Rechtsanschauungen weniger als Vertreter der Partei, sondern mehr als Beauftragter des Gerichts angesehenN.6.11. [Seite: 37]
Jede mündige Partei kann selbst vor Gericht sprechen oder einen Freund als Redner mitbringen (St. I 21; St. II 28; St. III 71; St. IV 11); bringt eine Partei einen fremden Redner mit, so muß dieser zunächst schwören, ansonsten wird er nicht vor Gericht gehört (St. II 29; St. III 72; St. IV 11)N.6.12. Auch in diesen Fällen haben die bei der Schranne bestellten Redner Anspruch auf ihren üblichen Sold (St. I 21 "gesatzten Sold"; St. III 28 u. 29)N.6.13. Falls eine Partei weder einen geschwornen Redner noch sonst einen Beistand finden kann und auch nicht in der Lage ist, sich selbst vor Gericht zu vertreten, so soll ihr der Landeshauptmann bzw. Verweser einen Beisitzer aus dem Ring als Redner verschaffenN.6.14. Jede Partei kann "in ainer yeden Sach ain mal ainen redner irren lassen, nach dem es von allter herkhomen ist" (St. I 9)N.6.15.
St. III 11 spricht von ProcuratorenN.6.16, die bei der Schranne gehalten werden und zur Leistung eines Eides verpflichtet sind (St. III 12); der Ausdruck "Procurator" tritt an die Stelle von "Redner", ohne daß damit eine Änderung des Begriffsinhalts verbunden wäreN.6.17.
Der Titel von St. IV 10 lautet: "Von Advocaten und Procuratorn, deren Amt und Eidspflicht." Beide Ausdrücke werden hier anscheinend gleichbedeutend verwendetN.6.18. Die scharfe Abgrenzung der Funktionen des Advokaten und Prokurators, wie sie beim Reichskammergericht bestandN.6.19, fand in Österreich keinen EingangN.6.20. Die österreichische Advokatenordnung von 1638N.6.21 wendet sich in der Einleitung an die beim Landmarschallischen Gericht praktizierenden Advokaten, Prokuratoren und Sollizitatoren, ohne eine Funktionsabgrenzung zu erwähnenN.6.22. Das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen Advokatur und Prokuratur in der österreichischen Gesetzgebung findet sich in der Kammergerichtsordnung zu Innsbruck von 1641, wo sich der Prokuratoreneid durch einen Zusatz vom Advokateneid unterscheidet. Der Prokurator muß ferner im Gegensatz zum Advokaten den Calumnien- und Malitieneid leisten; der Prozeßbetrieb lag in Tirol noch in den Händen der ProkuratorenN.6.23. St. IV kennt einen Prokuratoren- (Art. 10) und [Seite: 38] einen Sollizitatoreneid (Art. 14), die sich nicht voneinander unterscheiden. Zwischen Advokaten und Prokuratoren wird nicht unterschieden (s. o. S. 37). Beckmann 8 hingegen sieht den Um erschied zwischen Advokaten und Prokuratoren im Grade der juristischen Ausbildung. Nur graduierte Personen können Advokaten sein, nicht graduierte sollen "bloße Procuratores" genannt werden. Beckmann folgt mit dieser Auffassung der gemeinrechtlichen Anschauung des 17. Jahrhunderts, wonach sich der Advokat vom Prokurator im wesentlichen nur durch sein größeres Wissen und sein höheres soziales Ansehen unterscheidetN.6.24. Die Prokuratur erlosch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; sämtliche Funktionen des Prokurators gingen auf den Advokaten überN.6.25.
St. IV 10/2 hat das aus dem römischen Recht stammende Verbot des pactum de quota litisN.6.26 zwischen Partei und Advokat bzw. Prokurator aufgenommenN.6.27.
Die steirischen Landrechtsreformationen des 16. und 17. Jahrhunderts hatten das Bestreben, das alte deutschrechtliche Institut des Weisers oder Steurers (s. o.) abzuschaffenN.6.28. Der Redner oder "Ubernehmer" hat nicht mehr das Recht, den Rat anderer Personen im Verfahren einzuholen; nur die Partei selbst (der "Hauptsacher") darf ihn unterweisen. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, daß eine geistliche Person die Vertretung übernimmt; diese darf, "wie von allter herkhomen ist", einen Steurer haben. Wer gegen das Verbot des Landeshauptmanns oder Verwesers als Steurer auftritt, soll der Gegenpartei den dadurch entstandenen Schaden ersetzen (St. II 25, s. Anm. 28). Die Tatsache, daß der Weiser aus dem Kreise der Urteilsfinder genommen werden konnteN.6.29, führte zur Verdrängung dieser altdeutschen Institution; der Auffassung des 16. Jahrhunderts schienen die Funktionen des "Ratens" und der Urteilsfindung bereits unvereinbarN.6.30.
Das steirische Recht des 16. und 17. Jahrhunderts kennt ebenso wie das österreichische neben Advokaten und Prokuratoren noch den Stand der SollizitatorenN.6.31 [Seite: 39] Beim Reichskammergericht hatten die Sollizitatoren die Aufgehe, die Erledigung von Akten zu betreiben, wobei sie oft auch sachliche Mitteilungen an die Richter machtenN.6.32. Beckmann 446 gibt folgende Definition der Sollizitatoren: "Sollicitatores in Tribunalibus Stiriacis et Austriacis sunt Advocatorum adjuncti, et ministri, quorum opera Advocati, in causarum controversarum tractatione, quoad leviores expeditiones utuntur, ne Advocati alias nimium a suis meditationibus abstrahantur, vel impediantur. Die sollicitatores sollen erbare unverleumbdeN.6.33, und taugliche Personen seyn, in negotiis civilibus bene versati." St. III 16 will die Sollizitatoren und "Gwaldtrager" abschaffen, da sie sich nicht bewährt und oft nur zur Verlängerung des Prozesses beigetragen hättenN.6.34. Ihre Aufgaben sollen die Advokaten und Prokuratoren selbst durchführen, allenfalls mit Hilfe ihrer Schreiber. Dieses Verbot konnte sich aber anscheinend nicht durchsetzen, da bereits St. IV 14 bestimmte, daß ebensoviele Sollizitatoren wie Prokuratoren an der Schranne gehalten werden sollen. Auch die Sollizitatoren haben einen Eid abzulegen. (St. IV 14), der dem Prokuratoreneid völlig entspricht. Interessant ist die Gleichsetzung der Sollizitatoren mit den "Gwaldtragern"N.6.35; diese erklärt sich wohl daraus, daß die Sollizitatoren als die eigentlichen Prozeßstellvertreter fungiert habenN.6.36.
Die Sollizitatoren verschwanden in Österreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; mit der besseren Ausbildung des staatlichen Unterbeamtentums wurden sie überflüssigN.6.37.
Die geschworenen Advokaten, Prokuratoren und Sollizitatoren, die bei der Schranne gehalten werden, sind in gewissem Sinne als GerichtsbeamteN.6.38 anzusehen. Der Anspruch auf Bezahlung besteht allerdings gegenüber den Parteien. Diese halbamtliche Stellung erklärt sich wohl aus der Entwicklung des Prokuratorenamtes aus dem des Vorsprechers, der im älteren deutschen Recht auf Antrag der Partei vom Richter bestellt wurdeN.6.39. [Seite: 40]
Nach dem deutschen Recht des Mittelalters war — abgesehen vom Verfahren vor dem Königsgericht, dessen Praxis sich einige Stadtrechte anschlossen — eine direkte prozessuale Stellvertretung grundsätzlich unzulässigN.7.2. Eine indirekte Stellvertretung entwickelte sich im Wege der Abtretung des Anspruchs an den Vertreter. Die Anspruchsübertragung mußte vor Gericht in Anwesenheit der Gegenpartei unter Einhaltung bestimmter Formen erfolgen. Im Bereiche des fränkischen Rechtes geschah die Abtretung durch HalmwurfN.7.3, nach Sachsenrecht "mit finger und mit czungen" (Wasserschleben S. 261, Kap. 123) durch die Erklärung, daß man dem Vertreter die Sache übergebe auf Gewinn und Verlust ( Hamburger StadtrechtN.7.4 V 6), "zu thun und zu lassen" (Wasserschleben S. 261, Kap. 123), nach süddeutscher Gewohnheit durch Anfassen des GerichtsstabesN.7.5.
Auch nach dem steirischen, Kärntner und Krainer Recht des Mittelalters durfte im Landrecht die Übertragung der Klage oder Antwort nur vor Gericht unter Berührung des Gerichtsstabes in Anwesenheit des Gegners und wohl nur mit dessen Zustimmung erfolgenN.7.6. StLr. 20: "Es mag niemant sein clag aufgeben, es sei dan der antwurter entgegen." Sehr instruktiv ist die Formel eines AufgabbriefsN.7.7: " ... Das ward im bekannt zu ainem rechten, er mug sein chlag wol aufgeben, und hat die aufgeben Ulrich seinem diener an seiner stat zu enden und ze volfüren ze verlust und ze gewin in allen den rechten als er selbenN.7.8." Die Aufgabe an dem Gerichtsstab bedeutet wohl eine völlige Übertragung des [Seite: 41] Anspruches an den VertreterN.7.9, wie sich aus der Form ergibt. In Widerspruch dazu scheint StLr. 41 zu stehen; dieser Artikel läßt eine Aufgabe nur für den zweiten Rechtstag (mitterntag) zuN.7.10; den ersten und den letzten Tag muß der Vertretene selbst klagen. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf den Fall der völligen Abtretung, die nur mit Zustimmung der Gegenpartei erfolgten konnte, sondern sieht nur eine vorübergehende Vertretung vor, die ohne Einwilligung des Gegners geschehen kannN.7.11.
Vom persönlichen Erscheinen im Landrechte konnte der Landesfürst oder die Landschaft aus erheblichen Gründen dispensierenN.7.12.
Das steirische und kärntnerische Recht kennt ebenso wie das österreichische die Einrichtung des ScheinbotenN.7.13. Der Scheinbote des österreichischen Rechtsbereiches ist nichts anderes als der fränkische sinnebote (sunniboto)N.7.14, der Bote, der die "echte not" des am persönlichen Erscheinen Verhinderten anzeigt und beschwört; dieser Bote ist nicht Stellvertreter, da er keinerlei Befugnis zu irgendeiner Erklärung in der Sache selbst besitztN.7.15.
Der Scheinbote findet sich noch in St. III 23/5: "Gleichsfals soll auch ein jeder so schwachhait halben, oder anderer durch Gottes gwalt verhinderlicher, und zu recht genugsamer Eehafften zum Rechten nit erscheinen möchte, seinen [Seite: 42] Scheinpotten am obgemelten Montag stellen und anpietten, welcher an Jaren und verstand sein zimliche vollkommenhait haben, auch ein Erbare Person, und zu Recht genug sein solle." Der Beklagte kann sich wegen Leibesschwäche nicht öfter als dreimal durch den Scheinboten entschuldigen lassen. Nach dreimaliger Entschuldigung erfolgt auf Verlangen des Klägers nach altem Herkommen die Verhandlung am Bett des Beklagten. Der Kläger kann aber auch dem Beklagten die persönliche Anwesenheit erlassen; dieser wird dann durch einen "Gewalttrager" vertretenN.7.16.
Nach St. III 24/1 soll die Partei, die am Erscheinen verhindert ist, an Stelle des Scheinboten ein eigenhändiges Schreiben an den Landeshauptmann bzw. Landesverweser schicken und darin an Eides Statt versichern, daß sie wegen Leibesschwäche nicht vor Gericht erscheinen könne. Nur im Falle, daß sie nicht schreiben könne, soll ein Scheinbote geschickt werden, der das Vorliegen echter Not mit Eid zu bezeugen hat (St. III 24/2). St. III bemüht sich bereits um die Einschränkung der Rechtsinstitution des Scheinboten.
Der Scheinbote ist auch nach steirischem und österreichischem Recht nicht Vertreter der Partei, sondern ein bloßer Bote, der das Nichterscheinenkönnen einer Partei zu bezeugen hatN.7.17.
St. III 52 untersagt auch die bereits seit dem Mittelalter übliche Form der indirekten Stellvertretung auf Grund einer Übergabe am Gerichtsstab (s. o.) und läßt sie nur ausnahmsweise wegen Krankheit, Alters oder sonstiger "Eehafft" einer Partei zuN.7.18; ferner dürfen Ehefrauen ihren Ehegatten "bey dem Gerichtsstab jre Handlungen ubergeben", da der Ehemann ohnedies der Vorsprecher seiner Frau ist (St. III 52/1)N.7.19. Die Übergabe am Gerichtsstab muß aber nach altem Herkommen in Gegenwart beider Parteien erfolgen (St. III 52/2). St. III 52/3 verbietet weiters die "schriftlichen ubergeben, so auf Revers und nit aigenthumblich gestellt oder an sich gebracht werden" und erklärt sie als simulierte Kontrakte für ungültig. Die Übertragung einer Forderung bloß zum Zwecke der Stellvertretung unter Zusicherung der Rückübertragung wurde somit untersagtN.7.20.
Während in Kärnten nach Ampfinger 2N.7.21 noch streng am Prinzip des persönlichen Erscheinens vor Gericht festgehalten wurde, ist die KLro. (1577) in Hinblick auf die Stellvertretung bereits etwas fortschrittlicher. Art. 27/1 bestimmt, daß Schuldbriefe "mit ainer schriftlichen urkhund, oder aber mit vergreiffung am Gerichtsstab, ubergeben" werden können. Nach St. III 36/3 ist dem Beklagten [Seite: 43] bei Geldschuldbriefen keine Übergabe am Gerichtsstab gestattet. Ansprüche, die Grund und Boden betreffen oder Forderungen ohne Schuldbrief können nach KLro. 27/2 nur bei Leibesschwäche des Klägers schriftlich übertragen werden. Das Kärntner Recht anerkennt neben der Übergabe am Gerichtsstab bereits die Anspruchsübertragung in schriftlicher FormN.7.22.
Die Krainer Landschrannenordnung von 1571 hält an der Übergabe am Gerichtsstab durch die Partei selbst festN.7.23.
Während St. III sogar die seit alters übliche indirekte Stellvertretung auf Grund einer Übergabe am Gerichtsstab bis auf wenige Ausnahmefälle untersagte, finden wir in St. IV bereits die direkte Stellvertretung durch einen Gewaltträger oder Prokurator auf Grund einer schriftlichen oder vor Gericht erteilten mündlichen Vollmacht allgemein zulässig. St. IV 43: "Von freygestellter persönlicher Erscheinung. Wiewohl vor diesem männiglich, im Landrechten, in eigner Person vor Gericht zu erscheinen, und dem Rechten beyzuwohnen verbunden gewesen, so solle doch aus beweglichen Ursachen, hinfüro einem jeden frey stehen, vor allen Gerichten des Fürstenthums, und in allen Rechten und Handlungen, seinen Rechten entweders, in der Person abzuwarten, oder einen Gewaltstrager und Procuratorn, an sein Statt anzunehmen, denselben mit einem schriftlichen Gewalt, oder vor Gericht mündlichen zu constituirenN.7.24." Der Entwurf der Kärntner Rechtsordnung von 1629 hat gleichfalls das persönliche Erscheinen freigestellt. Dieser Grundsatz setzte sich in der Praxis durchN.7.25. Die Rechtsentwicklung in Kärnten verlief somit parallel zu der in der SteiermarkN.7.26.
Die in der Steiermark bis 1618 geltende Unzulässigkeit der Stellvertretung bezog sich nur auf das Verfahren im LandrechtN.7.27. Im Hofrecht war weder persönliches Erscheinen der Parteien noch Aufgabe am Gerichtsstab erforderlichN.7.28. Im formfreieren Verfahren im HofrechteN.7.29 war wie im königsgerichtlichen Verfahren die Stellvertretung schon im Mittelalter zulässigN.7.30.
Die plötzliche generelle Zulassung der Stellvertretung im Landrecht (St. IV im scharfen Gegensatz zu St. III) ist wohl auf den Einfluß des gemeinen [Seite: 44] Prozeßrechtes zurückzuführenN.7.31, das dem entwickelten Wirtschaftsleben besser entsprach. BeckmannN.7.32 führt zweierlei Ursachen für die Stellvertretung an: erstens Unkenntnis der Rechts- und Verfahrensvorschriften und zweitens Zeitmangel der Parteien. [Seite: 45]
Gemäß St. IV 43 (s. o. S. 43) kann die Bevollmächtigung schriftlich oder mündlich vor Gericht erfolgen. Über den "Gewaltsam der Procuratorn" enthält St. IV 44 nähere BestimmungenN.8.2. Der "Gewalt" ist gleich bei Beginn des Verfahrens neben der Ladungs-Copy oder ersten Antwortschrift bei Gericht vorzulegen; der Gewalt muß vom Vertretenen eigenhändig geschrieben und gesiegelt oder mit seinem Petschaft versehen seinN.8.3; falls der Vertretene kein Petschaft besitzt oder nicht schreiben kann, müssen zwei Zeugen unterfertigen.
Wenn sich der Gewalt als mangelhaft erweist oder überhaupt fehlt, so soll der Prokurator trotzdem zugelassen werden, sofern er "Bestand und Vergreiffung" tut, "de rato cavirt"; er muß versprechen, beim nächsten Landrecht eine gültige Vollmacht beizubringenN.8.4.
Auch in der Steiermark wurde die von den italienischen Juristen entwickelte Lehre vom speciale und generale mandatum ("besonderer und gemeiner Gewalt"N.8.5) übernommen. Richtschnur 11. Frage: "Zu merckhen, daß der gewaltsamb zweyerley sint, ein General undt ein Special; der ein General gwaltsamb hat, kan sich wohl in denen actionen, so albereith bey den gricht angengig, alß auch in anderen begebenden strittigkeiten, daß gwaltsamb provaliren; ein Special gwaltsamb aber conservirt allein in jenigen Sachen und strittigkeithen, so in gwalt specialiter einkommenN.8.6 ..." Der Umfang einer Generalvollmacht ist aber nach gemeinrechtlicher Lehre, die in Steiermark Eingang fand, stark beschränkt; in einer ganzen Reihe von Fällen ist eine Spezialvollmacht erforderlichN.8.7. Richtschnur 11. Frage verlangt ein Spezialmandat für die Aufrichtung eines "Compaß" (s. u. S. 89), für den Abschluß eines VertragesN.8.8, für die Annahme einer Zahlung und [Seite: 46] für die Quittung, "sonderlich so ein nachlaßung oder begebung eines Pfandtes beschichtN.8.9".
St. IV 44 enthält wie die meisten Gerichtsordnungen dieser ZeitN.8.10 ein Vollmachtsformular: "Ungefehrliche Form eines schriftlichen Gewalts." Dieses Formular enthält die übliche Enthebung des Vertreters von der "Last, so man nennet zu Latein de satisdando, et judicio sisti, judicatum solvi"N.8.11, ferner die alte Klausel "alles zu Gewinn und Verlust, und allen Rechten"N.8.12.
Die Stellvertretung wirkt nach St. IV unmittelbar. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Vollmachtsformular: "zu meinem rechten vollmächtigen Anwalden und Gewaltstragern, gesetzt und geordnet, und thue solches in, und mit Kraft dits Briefs, solche Sachen und Rechtsfertigung, in meinem Namen und von meinetwegen, zu handlen und zu führenN.8.13 ..."
Die Prozeßstellvertretung nach St. IV entspricht bereits völlig dem gemeinen Prozeßrecht. [Seite: 47]
Die ordentliche Form der Klage im steirischen Landrecht ist noch im 16. und 17. Jahrhundert die Klage zu TagenN.9.1; diese Klageart fand auch Anwendung im Kärntner LandrechtN.9.2, im Klagenfurter StadtrechtN.9.3 und bei der Krainer Landschranne (Crain 1).
Die Klage zu Tagen ist zweifellos deutschrechtlicher Herkunft. Sowohl nach fränkischem wie nach sächsischem Recht (s. u. S. 53 Anm. 56) hat der Beklagte Anspruch auf vier bzw. drei Gerichtstage (dinge); erst wenn er sich am letzten ihm zustehenden Gerichtstag nicht verantwortet, gilt sein Verhalten als RechtsverweigerungN.9.4. Das Schwanken zwischen drei und vier Gerichtstagen erklärt sich wohl daraus, daß der Tag, an dem die Klage eingebracht wurde, nach manchen Rechten mitgezählt wurde, nach anderen nichtn.9.5.
Das StLr. verlangt Verantwortung des Beklagten am dritten Rechtstag: "Ez mûs ain jgleich mensch antwurten auf den dritten tag" (Art. 55, vgl. Art. 5)N.9.6. Im Kärntner Landrecht muß der Kläger an vier Rechtstagen wider den Beklagten anrufen; erst am vierten Tag wird der Beklagte bei Nichterscheinen als ungehorsam angesehenN.9.7; dasselbe gilt im Verfahren vor der krainischen LandschranneN.9.8.
St. III (32) beläßt noch die Einrichtung der Klage zu drei TagenN.9.9 und erst St. IV (25) hat zwecks Verkürzung des Verfahrens bestimmt, daß der Beklagte [Seite: 48] schon am zweiten Tag zu antworten schuldig sei (vgl. Beckmann 572f.). Eine solche Verkürzung war zweifellos dringend notwendig geworden. Unter den "Tagen" sind Gerichtstage, dinge, Taidinge (vgl. ÖLR 3 und 18), Landrechte zu verstehen. In Österreich wurden die Landtaidinge im Mittelalter in sechswöchigen Abständen abgehalten (ÖLR l)N.9.10; diese Intervalle von sechs Wochen galten wohl auch in der SteiermarkN.9.11 und in Kärnten und KrainN.9.12. Im 17. Jahrhundert fanden in der Steiermark nur mehr zweimal, eine Zeit hindurch sogar nur mehr einmal jährlich Landrechte stattN.9.13, und zwar in der Zeit vom 3. oder 4. November bis zum 23. bzw. 24. November und vom 2. oder 3. Jänner bis Ostern und im Bedarfsfalle bis 1. MaiN.9.14. Das Anwachsen der Anzahl der Rechtsfälle führte zu dieser Ausdehnung der Schrannensessionen und damit wohl notgedrungen zur Verringerung der Zahl derselben. In der Landschranne wird "das gantze Recht, von der ersten Session an biß zur letzten, 4, 5, oder 6 Wochen continuo wärend, für eine audienz, session und Verhörs-Tag in sensu civili gerechnet, und gehalten (Beckmann 434; vgl. 59 "Die Citation". Ebenso Crain 18); die Ladungen müssen 14 Tage vor "Anfang der Rechten" durchgeführt sein (Beckmann 59). Diese Einschränkung der Rechtstage (Gerichtssitzungen) auf zwei, ja sogar einen im Jahr läßt es verständlich erscheinen, daß die Pflicht des [Seite: 49] Beklagten zur Verantwortung auf den zweiten Rechtstag vorverlegt wurde. Trotz dieser Verkürzung dauerten Prozesse oft noch JahrzehnteN.9.15.
Im Klagenfurter Stadtrechtsprozeß sollte nach einer Resolution der Stände vom 23. Jänner 1680 ein Monat für einen Tag in Rechten gehalten und das Stadtrecht monatlich an bestimmten Tagen abgehalten werdenN.9.16.
Das Kärntner Recht kennt neben der Klage zu Tagen die Klage auf ein GeschäftN.9.17. Unter Geschäft wird der richterliche Leistungsbefehl an den Beklagten verstandenN.9.18. Diese Klageart findet sich im Klagenfurter StadtgerichtN.9.19, im Klagenfurter StadtrechtN.9.20 und im Kärntner Landrecht (KLro. 23 und 24).
Im Klagenfurter Stadtrecht und im Kärntner Landrecht sind die Klagen auf ein Geschäft nur zulässig bei Forderungen auf Lidlohn oder aus landschadenbündigen SchuldbriefenN.9.21; aus anderen Schuldbriefen, "die den schaden pundt nit in sich halten", muß zu Tagen geklagt werden (KLro. 24/1). Sind im Schuldbrief Pfänder bestellt, so muß der Kläger, wenn er auf ein Geschäft klagen will, sich des Pfandes begeben, ansonsten muß er zu Tagen klagenN.9.22. Bei der Klage auf ein Geschäft ergeht an den Beklagten der Auftrag (das "Geschäft"), binnen 14 Tagen zu zahlen oder auf die Klage im nächsten Recht zu antworten. Falls der Beklagte nicht erscheint, wird dem Kläger die Behebnus (s. u. S. 64f.) erteiltN.9.23.
Das StLr. 145 sieht ein abgekürztes Verfahren nur bei Lidlohnforderungen von Fremden (Gästen) vor; diesen soll der Lohn "auf der stat" zugesprochen werden, "man mag nicht teg darumb haben als umb gesessen lewt"N.9.24. Torggler (S. 52f.) sieht im Verfahren um Lidlohnforderungen ein Mahnverfahren, dessen Ausdehnung eine "Kärntner Sonderbildung" darstelleN.9.25. [Seite: 50]
Das abgekürzte Verfahren auf Grund von landschadenbündigen Schuldbriefen und "andern, bey dem Landschadenbund, bekräftigten Contracten" (St. IV 1/4) findet in der Steiermark in den Summari-Rechten stattN.9.26. Geldschuldbriefe ohne die Landschadenbundklausel "sollen nach dem gemainen Landsgebrauch im Landsrechten zu tagen beklagt werden" (St. III 36 a. E.)N.9.27.
Das Verfahren im Summarirecht entspricht dem Kärntner Verfahren bei Klagen auf ein GeschäftN.9.28.
Der "Landschadenbund"N.9.29 ist eine Klausel in Geldschuldbriefen und anderen Verträgen, durch die sich der Schuldner dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, diesem jeden aus der Nichterfüllung des Vertrages entstehenden Schaden auf dessen schlichtes Wort hin zu ersetzen; neben der Beweiserleichterung gibt die Klausel dem Gläubiger das Recht, sich für den Schaden am gesamten Vermögen des Schuldners schadlos zu haltenN.9.30. Der Landschadenbund findet im 16. und 17. Jahrhundert auch in Österreich unter und ob der Enns AnwendungN.9.31, scheint aber eine besondere Rolle in den innerösterreichischen Ländern gespielt zu habenN.9.32.
Der Landschadenbund geht, wie schon SchenkN.9.33 aufgezeigt hat, auf das deutschrechtliche Institut der PfändungsklauselN.9.34 in Schuldurkunden [Seite: 51] zurückN.9.35; das Verfahren hei landschadenbündigen Schuldbriefen stellt ein Exekutivverfahren darN.9.36.
Die in den mittelalterlichen Schuldurkunden enthaltene Pfändungsklausel begründet eine Befugnis des Gläubigers zur eigenmächtigen Pfändung ohne jeglichen vorangehenden Prozeß. Die Aufnahme der Pfändungsklausel dient der schnellen Befriedigung des Gläubigers; sie ermöglicht eine "parate" Exekution. Die Vollstreckung auf Grund einer Pfändungsklausel erfolgt im Wege der außerprozessualen oder außergerichtlichen PfändungN.9.37. Dieser Pfändung (Konventionalpfändung) kommt unter den vertragsmäßigen Vollstreckungsmitteln die stärkste Wirkung zuN.9.38.
Die Wirkung der Landschadenbundklausel ist gegenüber derjenigen der Pfändungsklausel allerdings bereits abgeschwächt. Der Landschadenbund berechtigt nicht zur Eigenmacht, bewirkt aber eine wesentliche Abkürzung des Verfahrens und eine Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeit des SchuldnersN.9.39. Der Gläubiger bringt seinen landschadenbündigen Schuldbrief vor den Landeshauptmann oder Verweser, und dieser erteilt auf Grund dieses Schuldbriefes dem Schuldner den Befehl, bis zum nächsten Rechtstag zu bezahlen. Falls der Schuldner bis dahin nicht leistet, wird dem Gläubiger am nächsten Rechtstag sofort die Exekution bewilligtN.9.40, soferne der Schuldner nicht begründete Einreden gegen den Schuldbrief vorbringtN.9.41. Über diese Einreden soll unverzüglich entschieden werdenN.9.42.
Eine Appellation des Beklagten ist nicht zulässig, da er sich seines Rechtes dazu im Schadenbund begeben hat; wohl aber darf der Kläger im Falle seiner Abweisung Berufung einlegenN.9.43. [Seite: 52]
Im 17. Jahrhundert wird die Landschadenbundklausel gleichgesetzt mit dem aus der italienischen Rechtspraxis des Mittelalters stammenden instrumentum guarentigiatumN.9.44.
Der Exekutivprozeß ist sowohl in InnerösterreichN.9.45 als auch in Österreich unter und ob der Enns auf deutschrechtliche Institute zurückzuführen und nicht auf das instrumentum guarentigiatum der italienischen RechtspraxisN.9.46. Die Vorläufer der landschadenbündigen Schuldbriefe sind Schuldurkunden mit der deutschrechtlichen PfändungsklauselN.9.47.
BeckmannN.9.48 faßt den Landschadenbund als Generalhypothek auf; sie steht ursprünglich nur einem älteren Spezialpfandrecht nachN.9.49. Torggler (Anm. VI 176) stellt ihn auf eine Stufe mit dem im nördlichen Deutschland im späten Mittelalter üblichen "Geloben bei allem Gute"N.9.50.
Für Streitsachen mit einem Streitwert unter zehn Pfund, also Bagatell-Sachen, sieht bereits St. II 11 ein GüteverfahrenN.9.51 vor. St. II 11: "Es sollen hinfür khain Ladung so unnder Zehen phunden wert ist, mer ausgeen, sonnder solch Sachen, sollen vor ainem Landßhaubtman oder Lanndßverweser ausser Rechtenns güetlich ersucht, unnd in beysein ettlicher unpartheyscher herrn unnd Lanndlewt außgetragen werden .. ."N.9.52. [Seite: 53]
Da in Innerösterreich im 17. Jahrhundert und bis in das 18. Jahrhundert im schrannengerichtlichen Verfahren das Prinzip der Mündlichkeit galt, bildeten sich, abgesehen von dem exekutivischen Verfahren auf Grund von landschadenbündigen Schuldbriefen, dem Mahnverfahren bei Lidlohnforderungen und dem Güteverfahren in Bagatellsachen, keine summarischen Verfahrensarten aus, da dem mündlichen Verfahren eine stärkere Differenzierung wesensfremd istN.9.53.
Die deutschrechtlich-mittelalterliche Einteilung der bürgerlichen Klagen in Klagen um Schuld, um Gut und um Eigen und ErbeN.9.54 kommt im innerösterreichischen Recht nur schwach zum AusdruckN.9.55. Der einheitliche Klagetyp für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist in Innerösterreich die Klage zu TagenN.9.56; ein verkürztes Verfahren findet sich nur bei der Klage um Lidlohn (s. o. S. 49), die eine typische Klage um Schuld darstelltN.9.57 und bei den Klagen auf Grund von Schuldbriefen mit der Landschadenbundklausel.
Hier fehlen noch die Seiten 54-55. 23.10.2016
Rezeptionszeit an Umfang zuN.10.15. St. IV (4/13) sieht neben dem gütlichen Ersuchen des Klägers (Art. 23) einen Vergleichsversuch durch den Landeshauptmann bzw. Landesverweser und die Beisitzer vorN.10.16; dieser vorgeschriebene Vergleichsversuch stellt eine jüngere Rechtsbildung dar.
Nach erfolglosem Ablauf der Deliberationsfrist auf Grund des gütlichen Ersuchens muß der Kläger, wenn er den Rechtsweg beschreiten will, den KlagelibellN.11.2 und die "Notel des ersten Tags" beim Landschrannenschreiber einbringenN.11.3. An Stelle des Klagelibells kann die Klage wohl auch mündlich durch Erklärung zu Protokoll erhoben werdenN.11.4.
Im Klagelibell muß zunächst erwähnt werden, daß das gütliche Ersuchen erfolglos geblieben seiN.11.5; der Klagelibell muß dem gütlichen Ersuchen "quoad speciem facti et medium concludendi, wie auch dem Schluß, gantz gleich" seinN.11.6. Er muß ebenso wie das Ersuchschreiben (Richtschnur 2. Frage) drei Punkte enthalten, die Ursache oder das fundamentum actionis, die Person des Klägers und die Person des BeklagtenN.11.7.
In einer Klage darf nach österreichischem und innerösterreichischem Recht nur eine Hauptsache enthalten seinN.11.8.
Nach Einbringung der Klage "setzt der Kläger zu Recht" und der Landeshauptmann bzw. Landesverweser "fragt einen Beisitzer Rechtens"N.11.9. Dem Kläger wird, sofern die Klage als ordnungsgemäß erkannt wird, die Ladung an den [Seite: 58] Beklagten und der Gerichtszeugbrief des ersten Tags erteiltN.11.10. Der Schrannenschreiber erläßt im Namen des Landeshauptmanns bzw. Landesverwesers eine Ladung (Citation) an den Beklagten, daß sich dieser zum nächsten Landrecht verantworten mögeN.11.11. Klage und Ladung sollen, "dem Gerichtsbrauch nach, in substantialibus negotii controversi, allezeit mit einander concordiren" (Beckmann 282). Die Ladung soll zur Information des Beklagten einen kurzen Auszug aus dem Klaglibell enthalten (Beckmann a. a. O.).
Die Ladung (citatio)N.11.12) erscheint im steirischen Schrannengericht in dreifacher Form: im Landrecht als Ladung i. e. S., im Hofrecht als Fürforderung und im Summarirecht als Befehl oder ZitationsbefehlN.11.13. Diese drei Arten der citatio unterscheiden sich nur durch die äußere Form, in der Wirkung sind sie gleichN.11.14. Die Ladung im Landrecht wird durch die Schrannenkanzlei (den Schrannenschreiber) expediert, die Fürforderung und der Zitationsbefehl durch die Kanzlei des LandeshauptmannsN.11.15. Im Gegensatz zum gemeinen Recht, demzufolge Ladungen sowohl schriftlich wie auch mündlich erfolgen können, muß nach steirischem [Seite: 59] Gerichtsbrauch die Ladung von Rechts wegen schriftlich seinN.11.16. Die Ladungen sind nach steirischem Landesbrauch "endlich und peremtorisch"N.11.17. Anders als nach gemeinem Recht, wo dreimalige Ladung erforderlich ist'N.11.18, erfolgt bei dem Schrannengericht "nicht mehr als ein einige Ladung oder Beruf!" (Beckmann 57), da schon die erste peremptorisch ist. Die Ladung muß aber, um dem Beklagten eine Deliberationsfrist z.u gewähren, 14 Tage "vor Anfang der Rechten insinuiret werden"N.11.19. Dem Beklagten steht somit eine Deliberationsfrist sowohl auf Grund des gütlichen Ersuchens als auch nach der Ladung zuN.11.20. Der Beklagte brauchte sich (vor St. IV) erst am dritten Rechtstag zu verantworten, nach St. IV am zweiten Rechtstag (St. IV 25; s. o. S. 47f.).
Die Ladung vor die Landschranne, die zu Beginn des Verfahrens erfolgt, gilt für alle weiteren GerichtstageN.11.21. Torggler (S. 52) erklärt die einmalige Ladung aus der Auffassung des Landrechts (ebenso wie des Klagenfurter Stadtrechts) als eines öffentlichen TaidingsN.11.22.
Die Ladung darf ebenso wie die Klage (s. o.) nur eine Hauptsache enthalten, "damit sich der beklagte mit seiner Verantwortung dest statlicher Deliberiern und gefast machen möge (St. III 28)N.11.23. Wenn ein Kläger "aber in ain ladung mer dann ain hawbsach setzen liesse, dem mag der anntwurter die teg mit recht abnemmen" (St. I 2)N.11.24.
Die Zustellung der Ladungen soll durch einen geschworenen Boten oder, wo ein solcher nicht zur Verfügung steht, durch eine oder zwei ehrbare Personen [Seite: 60] erfolgenN.11.25. Der geschworene Bote trägt die Bezeichnung GerichtsboteN.11.26, "nuncius publicus vulgo Landschafft-Bote"N.11.27. Der Vorgang der Zustellung ist eingehend geregeltN.11.28. [Seite: 61]
Ebenso wie nach Sachsenspiegel Ldr. III § lN.12.2 kann auch nach dem StLr. der Beklagte erst dann eine Gegenklage anstellen, wenn das Verfahren über die Klage beendet ist. StLr. 68: "Der antwurter mag den chlager nicht angesprechn, er enprest im ee mit rechtN.12.3."
Durch eine Verordnung Kaiser Maximilians I. vom Jahre 1503 für KrainN.12.4 über Gegenklagen wurde die Zulässigkeit von Widerklagen während des Verfahrens über die Hauptklage ausgesprochen.
St. I 3 bestimmt, daß der Beklagte wegen einer anderen Sache, "die der berurten ersten klagten sach nicht anhenngig ist", klagen und laden kann; wegen derselben Sache aber, um die jemand beklagt wurde, kann der Beklagte keine Widerklage erheben, da er deswegen alle seine Einwendungen in seiner Antwort Vorbringen kann.
Ein Patent Maximilians I. vom 12. Oktober 1506 (s. o. Anm. 3) bestimmte ausdrücklich — wie schon 1503 für Krain —, daß Widerklagen während des laufenden Verfahrens zulässig seienN.12.5.
St. II 3, St. III 35 und St. IV 39 stimmen mit St. I 3 inhaltlich übereinN.12.6. Alle diese Bestimmungen über Gegenklagen begründen aber nur den Gerichtsstand der WiderklageN.12.7 und besagen nichts über ein gemeinsames Verfahren (simultaneus processus) mit einem Urteil über Klage und GegenklageN.12.8. [Seite: 62]
Ein simultaneus processus über Klage und Gegenklage wurde in der Steiermark anscheinend erst im 17. Jahrhundert zulässig. Wir finden ihn dargestellt in Richtschnur 16. Frage ("So der beclagte gegensprüch, ob es bey dem Verhör fürwenden undt gegen ein ander abläßen kan?") und bei Beckmann (S. 393ff. "Reconventio")N.12.9.
Während die gemeinrechtliche Doktrin vom Erfordernis der Konnexität der Klagen absiehtN.12.10, hat sich diese Voraussetzung in der Praxis des Reichskammergerichts und in einigen Partikulargesetzen Geltung verschafftN.12.11. Auch in der Steiermark wurde Konnexität der Klagen verlangt. Richtschnur 16. Frage: "Obwohlen aber den gemainen Rechten nach in Unterschiedlichen Sprüchen, wie jezt gehört worden, die gegenclag statt habe, ist doch zu wissen, daß in Herzogthumb Steyer kein reconvention fürgewendet werden kan. Es gehe dan dieselbe gegenclag von der ersten Conventionsache her." Beckmann erwähnt das Erfordernis der Konnexität nicht mehr; zu seiner Zeit hatte sich anscheinend schon die gemeinrechtliche Lehre durchgesetztN.12.12.
Im Kärntner Landrecht wurden Gegenklagen (d. h. der Gerichtsstand der Widerklage) erst durch KLro. 7 zugelassenN.12.13. Im Klagenfurter Stadtrecht wurde der Gerichtsstand der Widerklage noch 1573 ausdrücklich abgelehntN.12.14. [Seite: 63]
Im deutschen Recht des Mittelalters entwickelte sich aus dem alten Ladungsungehorsamsverfahren mit AchtfolgeN.13.2 ein Ladungsungehorsamsverfahren mit PfändungsfolgeN.13.3. Durch das Urteil wird der ungehorsame Schuldner in der Höhe des Schuldbetrages verurteilt, den der Kläger als geschuldet behauptetN.13.4. Neben, später an Stelle des Strafurteils tritt das SachurteilN.13.5. Ungehorsamsfolge ist die materielle Verurteilung des Beklagten; das deutsche Recht hat das Kontumazialprinzip i. e. S. entwickelt: die Verurteilung des säumigen Beklagten erfolgt auf die bloße Rechtsbehauptung des Klägers, ohne daß dieser seine Behauptung durch Angabe von Tatsachen begründen müßteN.13.6.
Das gemeine Recht hat demgegenüber das EremodizialprinzipN.13.7, das System der fingierten negativen litis contestatio entwickelt. Bei Ungehorsam des Beklagten wird die litis contestatio fingiert; der Beklagte wird so behandelt, als hätte er Klageanspruch und Klagetatsachen bestritten. Der Kläger kann durch einseitigen Beweis der Klagetatsachen die Verurteilung erwirkenN.13.8.
Nach der Reichskammergerichtsordnung von 1495 hat der Kläger bei Ungehorsam des Beklagten vor der Litiskontestation die Wahl zwischen dem deutschrechtlichen Verfahren auf Acht und Aberacht, dem Verfahren mit Einsatz ex primo decreto und dem einseitigen Verfahren mit Beweisaufnahme und Urteilsfällung (Eremodizialverfahren)N.13.9. Der Jüngste Reichsabschied von 1654 § 36 hat die beiden erstgenannten Verfahrensarten beseitigt und das einseitige Verfahren für allein zulässig erklärtN.13.10. [Seite: 64]
Das deutsche Kontumazialverfahren galt in entwickelter Form auch in InnerösterreichN.13.11. Das Versäumnisurteil wird als BehebnusN.13.12 bezeichnet.
Gerichtsbriefformel X (Bischoff 179): " ... käm der vorgenannt Awer mit vorsprechen gen im auf antwurt, man höret sein antwurt; käm er nicht auf antwurt, der vorgenannt Mynndorfer hiet behabt ..."N.13.13.
Bestimmungen über das Versäumnisverfahren enthält St. II 7, St. III 47 und 48 und St. IV 42N.13.14. St. II 7: "... So aber der Antwurtter nicht da ist, so sollt im durch den geschwornnen Weispotten zu dreyen malen geruefft werdenn, khombt er nicht, sollt dem Clager die Behebnüß geen ..." Falls der Beklagte am Rechtstag nicht vor Gericht anwesend ist, so soll er auf Antrag des Klägers durch den geschworenen Weisboten dreimal aufgerufen werdenN.13.15, daß er sich verantworte. Nach dem Aufruf muß der Kläger einundeinhalb (Kalender-) Tage, "so man zu Gericht sitzt" (St. IV 42/3) warten; erscheint der Beklagte während dieser Frist nicht vor Gericht, so kann der Kläger um die Behebnus anrufen, die ihm "mit Recht" erteilt wirdN.13.16.
Bei der Klage zu Tagen (s. o. S. 47ff.) erfolgt die Behebnus erst am letzten, "endhaften" Rechtstag (s. o. S. 47)N.13.17.
Crain Art. 1/1, der sich auf das Landrechtsverfahren bezieht, unterscheidet genau zwischen den Wirkungen bei Nichterscheinen des Beklagten an einem der ersten drei Rechtstage und bei Nichterscheinen am vierten, dem "endthafften Tag": an jedem der ersten drei Tage hat der Kläger "gegen dem außbleibenden Beklagten die Zeit deß angesetzten Rechts-Tags erstanden, und seine Sprüch behabt"; am "endthafften Tag" wird dem Kläger "mit der Behebnus gegen dem Beklagten, wann derselb nicht erscheint, erfolgt und zuerkennt". Diese vom Kläger am vierten Rechtstag bei Ausbleiben des Beklagten erwirkte Behebnus stellt die endgültige Entscheidung darN.13.18. [Seite: 65]
Es handelt sich bei diesem in Innerösterreich üblichen Versäumnisverfahren um ein Kontumazialverfahren i. e. S., d. h. die Behebnus wird auf die bloße Rechtsbehauptung des Klägers hin ohne jegliche Beweisführung erteiltN.13.19.
Das Versäumnisurteil erfolgt auf Grund des Urteilsvorschlags (des Rechtsatzes, s. u. S. 92f.) des KlägersN.13.20.
Wenn beide Parteien vor Gericht anwesend sind und der Beklagte nach Verlesung der Klage nicht verhandeln, sondern den Raum verlassen will, so soll das nicht gestattet werdenN.13.21. Das Nichtverhandelnwollen des Beklagten stellt nach deutschem Recht eine Rechtsverweigerung darN.13.22 und hat dieselben Rechtsfolgen wie das NichterscheinenN.13.23; gemeinrechtlich liegt eine contumacia in non respondendoN.13.24 vor.
St. IV 65/5 bestimmt, daß einem "Verus contumax, das ist, welcher eigen, und muthwilliger, oder auch fahrlässiger Weis, im Rechten, nicht, wie sichs gebührt, erschienen, sonder wider sich erkennen lassen"N.13.25, keine restitutio in integrum gewährt werden solle, sofern er nicht seine contumacia rechtfertigen könne. Rechtfertigungsgründe sind die Fälle der ehaften (echten) NotN.13.26.
Bestimmungen über eine restitutio in integrum finden sich in Innerösterreich erstmals in St. IV (Art. 65)N.13.27. Das ältere Recht berücksichtigt echte Not nur im Falle, daß sie von einem Scheinboten (s. o. S. 41 f.) gemeldet wurdeN.13.28; unter dieser Voraussetzung verhindert sie ein VersäumniserkenntnisN.13.29. Nach St. III 23/4 ist eine nachträgliche Rechtfertigung möglich, wenn die echte Not auf dem Wege zum Gericht eintrittN.13.30.
Beckmann 82 zitiert St. IV 65/5, fügt aber hinzu: "... dennoch wird dises hier in Tribunalibus Stiriacis nicht observiret, alwo regulariter ein ieder Beklagter auff sein gerichtliches Ansuchen restituiret wird, wann er nur die expensas retardati processus [Seite: 66] bezahlet, quod actoribus valde durum et triste est ..."N.13.31. Diese von Beckmann angeführte steirische Observanz steht in Widerspruch zur Gerichtsordnung, stimmt aber mit dem österreichischen Recht überein. Nach der Gerichtsordnung für Österreich unter der Enns von 1557, Art. "Von Urlaub", Abs. 2 (fol. 38f.), hat der ungehorsame Beklagte, gegen den ein Erkenntnis ergangen ist, die Möglichkeit, binnen eines halben Jahres in den Prozeß gegen Ersatz der entstandenen Prozeßkosten wieder einzutretenN.13.32.
Gemäß Richtschnur 12. FrageN.13.33 hat der Kläger bei Ausbleiben des Beklagten den eingelegten Klagelibell und die darin angeführten Beweismittel vorzubringen; wir haben hier also bereits eine Annäherung an das Eremodizialverfahren festzustellenN.13.34.
Nach Beckmann 61 (vgl. 82ff.) gilt vor der Regierung als erster Instanz das gemeinrechtliche Versäumnisverfahren, das Eremodizialverfahren: Wenn der Beklagte nach erfolgter Litiskontestation nicht zur Verhandlung kommt, so soll "der Kläger zu drei Rechts-Tägen wieder ihn um Recht anruffen". Falls der Beklagte nicht erscheint, so fällt das Gericht bei ausreichender Beweislage auf Grund der Akten in der Hauptsache das UrteilN.13.35. Hierauf kann der Kläger die Regierung um den Gebotsbrief und den "Ansatz" ersuchen; diese werden ihm erteilt, worauf der Beklagte von einem neuen Verfahren ausgeschlossen ist. Falls die Aktenlage für ein Endurteil nicht ausreicht, erfolgt die Verurteilung des Beklagten nicht auf Grund derselben, sondern wegen seines Ungehorsams. Der Kläger erhält Gebotsbrief und Ansatz, doch wird der Beklagte in diesem Falle binnen Jahresfrist gegen Zahlung der Expensen "wiederum zur Verfahrung de novo zugelassen" (Beckmann 61)N.13.36. [Seite: 67]
Nach dem deutschen Recht des Mittelalters kann der erschienene Beklagte bei Ausbleiben des Klägers die Entbindung von der Instanz verlangenN.13.38; der Kläger hat "alle sine degeding verloren" (Sachsenspiegel Ldr. 65 § 16) und muß von neuem klagen. Der Beklagte kann aber auch eine endgültige Entbindung von der Klage erwirken, wenn er sich an drei Gerichtstagen zur Antwort anbietet; tritt der Kläger nicht auf, so wird der Beklagte von der Klage ledig gesprochen und Friede gewirktN.13.39. Es ergeht in diesem Falle ein Sachurteil.
Auch nach gemeinem RechtN.13.40 stehen dem Beklagten bei Ausbleiben des Klägers zwei Wege offen: a) Er kann entweder nach Ablauf von zehn Tagen seine Entbindung von der Instanz (ab observatione iudicii relaxare, Cod. Just. 3, 1, 13, 2a) und die Verurteilung des Klägers in die Kosten verlangen. b) Er kann das Verfahren einseitig fortsetzen, indem er die dreimalige Ladung des Klägers in Zwischenräumen von 30 Tagen bewirkt und, nachdem er dann noch ein Jahr gewartet hat, einseitig die Beweise erbringt (Eremodizialprinzip). Dem Kläger ist jedoch gegen Ersatz der bisherigen Kosten die Wiederaufnahme auch in diesem Falle gestattet; definitiv schließt ihn erst das Urteil aus (Nov. 112c. 3 § 2)N.13.41.
Nach dem StLr. wird bei Säumnis des Klägers der Beklagte bloß von der Instanz entbunden, nicht von der Klage. StLr. 57: "Wer zwen tag chlait und chûmbt er nicht auf den dritten tag, so hat er die têg verloren"N.13.42. Der Beklagte hat das Recht, sich an jedem Rechtstag zu verantworten; ist der Kläger zu verhandeln nicht bereit, kommt es zu einer derzeitigen Abweisung der Klage. Der selbe Rechtszustand bestand in Kärnten.
Ampfinger 7: "So nun der Beclagt citiert, mag derselb so er wil von Stunden das negst Recht in Anntwort erscheinen und verfaren, und so Clager zu hanndln nit berait oder gefaßt, wierdet der Antworter so er deß begert ab Instantia absolviert." (Vgl. Art. 8.)
KLro. 12/1: "So der Beclagt in antwort erscheint, und der Clager, verfert mit seiner Clag nicht, dieweil Gericht zu Gericht sitzt, so mag der Antworter [Seite: 68] die täg, sovil er deren (doch außerhalb der behebnus) geclagt hette, abnemen ...N.13.43.
Falls der Kläger, der im Landrecht zu klagen hat, nicht am ersten Montag, "da sich das Recht angefangen", vor Gericht erscheint und sich einschreiben läßt, "mag jm der antworter die täg abnehmen" (St. III 23/1).
St. III 32/1: "...Doch stehet einem yeden antworter bevor, so Er will sich auff den andern tag mit seiner verantwortung gegen dem Klager vor Gericht anzubieten und gegen jme zuverfaren, das er jme dann statt zuthun schuldig sein solle, in massen dann solches von alter her kommen"N.13.44.
Nach Crain 1/1 erfolgt dem Beklagten bei Ausbleiben des Klägers am "endthafften Tag" die "endliche Entbrechung und ledig Erkennung". Wurde dem Beklagten die EntbrechungN.13.45 schon am zweiten oder dritten Rechtstag erteilt, so kann der Kläger gegen Erstattung der Kosten und Expens wieder von neuem klagen (Crain 1/2); diese Möglichkeit wurde erst durch die Krainer Landschrannenordnung von 1571 gewährtN.13.46. Die Entbrechung an einem der drei ersten Gerichtstage bedeutet also nur eine Entbindung von der Instanz; erst die "endliche Entbrechung" am vierten Rechtstag bedeutet Entbindung von der Klage (s. o. S. 67).
Gemäß St. III 47 und St. IV 42/3 gelten für die Erteilung der Entbrechung dieselben Vorschriften wie für die Erteilung der Behebnus, d. h. der Beklagte muß den Kläger dreimal durch den geschwornen Weisboten aufrufen lassen und dann einundeinhalb (Kalender-) Tage zuwarten. Erscheint der Kläger binnen dieser Frist nicht, wird dem Beklagten die Entbrechung erteilt.
Beckmann 61 f.: "... so kan der Beklagter bey Gericht um die Entbrechung, cum refusione expensarum, anruffen, welches ihm in solchen Fall, ob actoris malitiam et cavillationem, von Gericht zuerkannt wird, wie solches in der Löbl. Schranen-Gerichts Resolution § 10 de anno 1659, den 15. Januarii mit mehrern zusehen ist; Dahero es in diesen Steyrischen Tribunalibus Juris ist, daß wann der Kläger seine angebrachte Klag, im Gericht nicht debito modo prosequiret, so rufft der Beklagte das Gericht um die Entbrechung an, nebst Abtrag der Unkosten, daß er sey von der angestelten Klag, nebst Abtrag Kost-Zehrung und Schaden, ledig und müssig; darauf folgt dieser Bescheid, der Beklagte sey dem Kläger weiter zu antwortten nicht schuldig, es sey dann, daß er zuvor der [Seite: 69] Expensen halber bezahlet sey ..."N.13.47. Der Kläger hat trotz erfolgter Entbrechung die Möglichkeit, den Prozeß gegen Bezahlung der entstandenen Kosten wieder aufzunehmenN.13.48; sie bedeutet nach steirischem Recht nur eine derzeitige Klageabweisung. [Seite: 70]
Auf den "Fürtrag der Klage" durch den Kläger oder dessen RechtsbeistandN.14.1 erfolgt die Verantwortung des Beklagten. Diese Verantwortung erfolgt a) mit Exzeptionen, b) "hauptsächlich"N.14.2 oder c) durch Schermweigerung.
Das römische RechtN.14.4 und ebenso das kanonische RechtN.14.5 unterscheiden zwischen exceptiones peremptoriae und dilatoriaeN.14.6.
Der Ausdruck "exceptiones" findet sich in innerösterreichischen Rechtsquellen schon bei Ampfinger 10, ohne daß hier eine Unterscheidung getroffen würdeN.14.7; St. III 52/7 spricht von "dilatori exceptionen", St. IV 48/3 von "dilatori oder peremptori Exceptionen"N.14.8.
Ampfinger 10 besagt, daß der Beklagte "alle seine Exceptiones" gleichzeitig einbringen müsse, bevor er "in Antwort erkannt" wird. Falls die eingebrachten Exzeptionen nicht ausreichen, "so wierdt dem Antworter mit Recht und Urtl aufgeladen gleich alsbald bei sitzundem Recht zu antworten". [Seite: 71]
St. III Art. 52, der im Anschluß an das Verbot der "Übergabe am Gerichtsstab" (s. o. S. 42) die Exzeptionen behandelt, bestimmt im Abs. 7, daß "die Partheyen dieselben jhre dilatori exceptiones, ob sie deren mehr dann aine hetten, alle ainstmals, doch vor befestigung des kriegs und verfahrung in der hauptsach, in Gericht miteinander fürzubringen schuldig sein" sollen. Sobald sich der Beklagte hauptsächlich eingelassen hat, ist er von weiteren Exzeptionen ausgeschlossenN.14.9.
St. IV 48/3 fügt bezüglich der peremptorischen Einreden hinzu, daß auch diese alle auf einmal, doch erst nach der Befestigung des Kriegsrechtes "oder nach Gestalt und Eigenschaft derselben, auch zuvor im Gericht miteinander vorzubringen" seien14.10.
Hinsichtlich des Grundsatzes der Kumulierung der dilatorischen Einreden erwähnt Beckmann 143 drei Ausnahmen: 1. die exceptiones fori declinatoriae, prozessualische Einreden, welche den Gerichtsstand oder die Person des Richters betreffen14.11; 2. die exceptiones gegen "die Gewaltsam" (mandatum procuratoris aut advocati) und 3. die exceptiones wegen "der caution zum Rechten (h. e. de judicio sisti, et judicatum solvi)"; diese Exzeptionen sollen vor den anderen dilatorischen Einreden vorgebracht werden und erst wenn über sie entschieden worden ist, sollen die übrigen gemeinsam eingebracht werden.
Über die Exzeptionen wird bei den steirischen Gerichten mit Bescheid14.12 entschieden.
Die Verpflichtung zur Kumulierung der Exzeptionen, das sogenannte Eventualprinzip, ist nach herrschender Lehre deutschrechtlicher Herkunft14.13. Auch die dürftigen Ansätze einer Eventualmaxime im kanonischen Recht14.14, insbesondere die Absonderung des Streites über die dilatorischen Einreden, sind wohl auf deutschrechtliche Einflüsse zurückzuführen14.15. [Seite: 72]
Nach dem Jüngsten Reichsabschied von 1654, § 37, der auf den Reichsabschied von Speyer von 1570, § 90, zurückgreift14.16, ist das gesamte Verteidigungsmaterial (Klagebeantwortung, dilatorische und peremptorische Einreden) kumuliert vorzubringen; die Vorschützung von "Declinatorien Fori" befreit von der Einlassung auf die Klage14.17.
Während das steirische Recht dem gemeinen Recht folgend zwischen dilatorischen und peremptorischen Einreden unterscheidet und für beide Gruppen verschiedene Termine der kumulativen Vorbringung vorsieht14.18, ist dem Kärntner Recht bis spät in das 17. Jahrhundert diese Unterteilung der Exzeptionen fremd14.19; sämtliche Exzeptionen sind gemeinsam vorzubringen14.20. Torggler (S. 59) schließt daraus, daß sich im Kärntner Gerichtsbrauch "unter dem fremden Namen der Exzeption die Antwortverweigerung des deutsch-mittelalterlichen Prozesses verbirgt"14.21.
Kärnten nimmt insofern eine Sonderstellung im österreichischen Rechtsgebiet ein14.22. Ähnliche Vorschriften finden sich aber vereinzelt in deutschen Partikularrechten14.23, weiters im Reichsabschied von Speyer von 157014.24 und im Jüngsten Reichsabschied14.25 (s. o.), die das reichskammergerichtliche Verfahren regeln14.26.
Falls der Beklagte keine Exzeptionen vorzubringen hat oder diesen nicht stattgegeben wird (s. o. Anm. 12), hat der Beklagte, wenn er sich nicht kontumazieren lassen will, hauptsächlich zu antworten.
Die steirischen Gerichtsordnungen sind bestrebt, das grundsätzlich noch mündliche Verfahren (s. u. S. 121 f.) auf zwei Reden pro Partei (Klage, Antwort, Rede und Widerrede samt Rechtsatz, St. I 19, s. u. S. 92) zu beschränken. St. II 26 "Von khürtzung der Reden. Die Redner sollen nicht lanng Rede machen, noch aus denen Libelln oder geschriben Rechten reden, sonnder so der Clager mit seinn gerichtszewgbrieff gehört ist, soll der Anntwortter sein anntwort, darauff [Seite: 73] der Clager sein Einrede und Rechtsatz, und zum lessten widerumb der Anntwortter sein Nachrede und Rechtsätz thuen ..."14.27
Wenn die Streitsache besonders wichtig ist, läßt St. III 70/1 im Höchstfall "drei Reden mit ihren Rechtsatz" zu, untersagt aber das Vorbringen von Neuerungen in der Schlußrede14.28. Wenn der Beklagte in seiner Widerrede (Replica) Neuerungen vorbringt, wird dem Kläger die Triplica gestattet14.29. Falls der Beklagte nicht hauptsächlich antwortet, sondern bloß Exzeptionen vorbringt, so soll, "weyl er sich gleich samb dardurch zum klager macht", nicht er die "letzte Red am Excepiern" haben, sondern der Hauptkläger14.30.
Mit der Schlußrede bringt jede Partei ihren Urteilsvorschlag ein, den sogenannten Rechtsatz; sie "setzt zu Recht" (s. u. S. 92).
An Hand der steirischen Gerichtsordnungen läßt sich der Kampf der Landstände gegen das Eindringen des römischen Rechts und gegen weitschweifige Ausführungen der Redner deutlich verfolgen:
St. I 23: "Alsdann ein zeit her die bartheien und rednner ye zu zeiten auf sich selbs nicht gemergkt, in iren reden widerreden und rechtsatzen vil unnotturftig eintrag, die wider lanndsrecht und allt herkomen auch dem rechten nicht dienen noch gemäs, sonnder der sach widerwertig sein, und ye mer dann ain rechtsatz getan und das recht damit auch verlenngt und verhindert haben, das sol man hinfur nicht mer gestatten ..."
St. II 26: "Die Redner sollen nicht lanng Rede machen, noch aus denen Libelln oder geschriben Rechten reden ..." (s. o.).
St. III 70/1: "Die Redner sollen nicht lang Red machen, noch auß den geschribnen Rechten oder Libeln was anziehen, oder anderst, als Teutsch reden ..."
St. IV 13/3: "Die Redner sollen nicht lange Reden machen, wie auch, soviel möglich, sich der Lateinischen ungewöhnlichen Termin, und überflüßigen Juris Allegationen, enthalten ..."31.
Gegen ungebührliche Prozeßverlängerung wendet sich ein Weistum des [Seite: 74] Pfleggerichtes Taxenbach (Salzburg) (Ö. W. I 271, 22ff.)14.32: "welche fürohin bei gericht den partheien röden wollen, denselben procuratoribus soll keines weeg gestat sein, die thail ungebürlicher weiss umbzefüren, noch ainich falsch lüstigkeit ze brauchen und die gerichtliche prozess zu verlengern."
Die Abneigung gegen gelehrte Juristen und fremde Redner zeigt sich auch deutlich im Banntaiding zu Weiz aus dem 17. Jahrhundert (Ö. W. VI 194, 43ff.): "... und solle ohne grosser erhöblicher Ursachen kain doctor der rechten noch anderer frembter rödner, wardurch die burger nur in lange rechtsfierungen gelaidet, an Weizerischen rathauß nicht gebraucht werden, in massen dann solches auch von alters hero in disen markt Weiz also gebreichig gewest ist ..."14.33.
Bei dinglichen Klagen kann sich der Beklagte dadurch verantworten, daß er seinen Vormann als Schermer stellt, der für ihn in den Prozeß eintritt14.35.
Die "Schermbs Verkündung oder waigerung"14.36 geht zurück auf das deutschrechtliche Institut des "Zuges auf den Gewähren", insbesondere bei Klagen um Eigen und beim Verfahren mit Anefang14.37.
Der Zug auf den Gewährsmann bei der Anefangsklage, im Oberdeutschen als "Schub" bezeichnet14.38), findet sich im StLr. 226 "Von diepischem gut"14.39; der Gewährsmann selbst wird bezeichnet als "geschole, geschub oder schub"14.40. StLr. 226 sieht für die Stellung des Gewähren verschiedene Fristen vor, 14 Tage, wenn der Geschub im Lande ist, sechs Wochen, wenn er sich außer Landes befindet14.41. [Seite: 75]
Eine entsprechende Unterscheidung trifft auch St. III 78 und St. IV 4914.42.
Falls sich der Beklagte "auff sein Schermb gewaigert", so soll dieser, wenn er im Lande ansässig ist, vor Gericht geladen werden; falls er auf die erste Ladung nicht erscheint, soll er ein zweites Mal "bey einem Peenfall Peremptorie zu erscheinen" geladen werden. Falls der Schermer außer Landes gesessen, soll er erst zum dritten Mal bei doppeltem Pönfall peremptorie geladen werden.
Wenn der Schermer auf das "peremtorische Schreiben" erscheint, sich aber der "Schermung verwidert" und diese "Verwiderung" durch das Gericht als begründet angesehen wird, oder wenn der Schermer überhaupt nicht erscheint, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zu verfahren und sich selbst zu schermen schuldig14.43. Der Beklagte hat in diesem Fall gegen den Schermer ein Regreßrecht14.44.
Falls der Kläger am peremptorischen Rechtstag die Behebnus erlangt hat, weil der Schermer den Beklagten nicht geschirmt hat, so kann der Beklagte, wenn er nachträglich den Schermbrief vorbringt und noch keine Verjährung eingetreten ist, den Kläger trotz der erlangten Behebnus auf Herausgabe der Sache klagen. Es handelt sich um eine Wiederaufnahme des Verfahrens14.45.
Die "Schermbsweigerung" kann nur erfolgen, solange der Beklagte weder Exzeptionen vorgebracht noch sich hauptsächlich verantwortet hat14.46.
Der Schermer seinerseits kann wieder seinen Vormann nennen, den sogenannten "Gegenscherm" (St. IV 49/4)14.47.
Während nach österreichischem Recht eine Gewährleistungspflicht des Verkäufers nur bei einer ausdrücklichen Schirmverschreibung besteht14.48, ist nach steirischem und kärntnerischem Recht der Verkäufer von Rechts wegen zur [Seite: 76] Gewährschaft verpflichtet14.49. Diese ipso-jure-Haftung des Verkäufers entspricht sowohl dem älteren deutschen wie dem gemeinen Recht14.50 und bestand wohl ursprünglich auch im österreichischen Recht, wo sie allmählich verdrängt wurde14.51.
Das innerösterreichische Schermverfahren entspricht dem deutschrechtlichen Gewährschaftszug; der Schermer tritt an Stelle des Beklagten in den Prozeß ein14.52. Bei Eintritt des Schermers wird der Beklagte gänzlich "heut und zu tagen" der Klage entbrochen14.53); es kommt zu einem Parteiwechsel auf der Beklagtenseite14.54.
Das Ausscheiden des ursprünglich Beklagten aus dem Prozeß, die Übernahme des Prozesses durch den Gewähren ist charakteristisch für den deutschrechtlichen Gewährenzug14.55.
Gillis (S. 88ff.) hat den Nachweis erbracht, daß die laudatio auctoris14.56 des gemeinen und des modernen Prozeßrechtes14.57 ihrem Wesen nach auf den deutschrechtlichen Gewährenzug zurückgeht14.58, wenn auch gewisse Einflüsse des römischen Rechts festzustellen sind. [Seite: 77]
Nach der deutschen Praxis des 16. und 17. Jahrhunderts ist die litis contestatio ein äußerer Vorgang, der entweder als ein zweiseitiger Prozeßakt, bestehend aus Klage und Antwort, oder bloß als ein einseitiger Akt, die Antwort des Beklagten, die Einlassung, aufgefaßt wird15.2.
Der Begriff der Kriegsbefestigung bzw. Litiskontestation findet sich in den innerösterreichischen Rechtsquellen und der Rechtsliteratur15.3. Während nach Kärntner Recht die litis contestatio keinen formellen Prozeßabschnitt darstellt und als einseitiger Akt des Beklagten aufgefaßt wird15.4, folgt Beckmann (S. 286) zunächst der römischrechtlichen Auffassung der litis contestatio als eines zweiseitigen Aktes15.5: "Litis contestatio est actus judicialis, per narrationem causae controversae, ab actore, et responsionem rei, coram Judice factus l. 1 C. de litis contestat. (= Cod. Just. 3, 9, 1), vel ut brevius definiam: Litis contestatio est actus judicialis, quo reus, ad actoris libellum, statusque controversiam, negative respondet, ad intentionem actoris elidendam ..."; in dieser kürzeren Definition legt Beckmann das Schwergewicht auf die responsio des Beklagten.
Nach Kärntner Recht umfaßt die litis contestatio entgegen der gemeinrechtlichen Übung bis in das 17. Jahrhundert die Verteidigung mit Exzeptionen und die Verantwortung in der Hauptsache15.6. Torggler (S. 59f.) erblickt unter der [Seite: 78] Bezeichnung litis contestatio eine deutschrechtliche Einrichtung, den Eintritt des Beklagten in das Verfahren15.7. Schließlich erfolgte aber auch in Kärnten die Gleichsetzung der litis contestatio mit der hauptsächlichen Antwort15.8.
Die steirischen Landrechtsordnungen schon des 16. Jahrhunderts beschränkten in Übereinstimmung mit dem gemeinen Recht den Ausdruck litis contestatio auf die Verantwortung des Beklagten in der Hauptsache15.9.
Torggler (S. 60) zufolge lassen sich für das Kärntner Recht des 16. und 17. Jahrhunderts so gut wie keine Wirkungen der litis contestatio, weder materiellrechtlicher noch verfahrensrechtlicher Natur feststellen. Von Bedeutung ist die litis contestatio für die Fortsetzung des Verfahrens beim Tod einer Partei (s. u. S. 79). Die Unterbrechung der Verjährung tritt in Kärnten bereits mit der Klagseinbringung ein15.11; auch nach dem steirischen Landschrannenrecht wird die Verjährung von Geldschulden bereits durch das gütliche oder rechtliche Ersuchen unterbrochen15.12, ebenso nach Krainer Recht15.13.
Nach Kärntner Recht steht auch die Zulässigkeit einer Klagsänderung15.14 mit der litis contestatio in keinem Zusammenhang. Die Klagsänderung ist bereits von der Zustellung der Klage oder ihrem Vortrag bei der Verhandlung an unstatthaft15.15. Der Kläger ist an Beweisgegenstand und Beweisform, die er in der Klage angeben muß, gebunden. Die Klage muß dem gütlichen Ersuchen völlig entsprechen (s. o. S. 57). Für den Kläger blieb, solange sich der Beklagte nicht in Antwort eingelassen hatte, die Möglichkeit, nicht zur Verhandlung zu erscheinen; bei solchem Ungehorsam des Klägers wurde der Beklagte von der Instanz entbunden (s. o. S. 67f.), der Kläger konnte aber von neuem klagen. Daraus hat sich anscheinend ein Recht des Klägers auf Fallenlassen der Klage entwickelt15.16.
Erst gegen 1700 wurden auch in Kärnten der litis contestatio die üblichen gemeinrechtlichen Wirkungen zugeschrieben15.17. [Seite: 79]
Auch nach steirischem Recht muß die Klage mit dem gütlichen Ersuchen gleichlautend sein (s. o. S. 57); bereits im gütlichen Ersuchen müssen "Ursach oder fundamentum actionis" angegeben werden15.18; ebenso müssen die Beweismittel (z. B. Instrumenta) angeführt werden. Eine Klagsänderung ist daher wohl auch vor der litis contestatio nicht möglich15.19. Nach Beckmann (S. 282)15.20 aber ist eine Klagsänderung bis zum Zeitpunkt der litis contestatio gegen Ersatz der dem Beklagten erwachsenen Kosten zulässig: "Dieser libellus actionis, kan dem Gerichts Gebrauch nach, post litis contestationem, nicht emendiret, und corrigiret werden; aber vor der litis contestation, kan Kläger seinen Klag-Libell, pro libitu corrigiren, und emendiren, ita tamen, ut actor reo expensas, quas ratione hujus causae controversae jam impedit, refundat ..."
Der Kläger kann gegen den Willen des Beklagten seine Klage, "die im Rechten hangt", fallenlassen, wenn er einen Eid leistet, daß er dies nicht "gefehrlicherweiß" tue und dem Beklagten dessen Expensen nach "Gerichtsmässigung" bezahlt15.21.
Der Begriff der Rechtshängigkeit15.22 findet sich in St. II 815.23, St. III 50 und St. IV 46, ferner in KLro. 17. Die Rechtshängigkeit tritt nach innerösterreichischem Recht mit der Zustellung der Klage (Ladung) ein, keineswegs erst mit der litis contestatio15.24. Nach den steirischen Gerichtsordnungen kann bei Tod einer Partei "im anhangenden Rechten" das Verfahren mit den Erben des Verstorbenen fortgesetzt werden, gleichgültig, ob die drei Tage geklagt und Urteil ergangen ist oder nicht15.25. Nach Kärntner Recht hingegen ist der Zeitpunkt der litis contestatio für die Fortsetzung des Verfahrens von Bedeutung. KLro. 17/2: "Hette sich aber die Sachen so weit verloffen, das zwischen derzeit, und ehe es zum vierten tag khumen, der beclagt in antwort erschinen, den Krieg befestend, das derhalben Weisung gefuert, oder aber der handl, zu ainer Appellation khumen wär, So solle auf des anrueffenden thail, des abgestorbnen negsten Erben, oder ob Gerhaben oder Testamentarien verhanden, denselben von Gericht geschriben werden, damit er in seines abgestorbnen Freunds Fuesstapfen trette, unnd das Recht volfüere, wie Landsrecht ist"15.26. [Seite: 80]
Zumindest nach steirischem Recht stellt die litis contestatio den Schlußtermin für die Zulässigkeit von dilatorischen Einreden15.27 und Gegenklagen15.28 dar.
Wie die Kärntner Landrechtsordnung widmen auch die steirischen und die Krainer Gerichtsordnungen der litis contestatio keinen eigenen Artikel15.29; nur gelegentlich wird die Kriegsbefestigung in den Landrechtsordnungen erwähnt (s. o. Anm. 3). Erst im 17. Jahrhundert setzt sich dieses gemeinrechtliche Institut in der steirischen Praxis durch. Beckmann (S. 286) "Litis Contestatio" gibt nicht nur eine Definition der Litiskontestation (s. o. S. 77), sondern führt, der gemeinrechtlichen Lehre folgend, sieben Wirkungen derselben an und fügt hinzu: "Haec omnia in Tribunalibus Austriacis, et Stiriacis observantur"15.30.
Derselbe Vorgang erfolgt auch in Kärnten15.31. Eine spezielle Litiskontestation15.32 wurde weder nach kärntnerischem noch nach steirischem Gerichtsbrauch erforderlich15.33. [Seite: 81]
Der generelle Calumnieneid des gemeinen Rechts16.2), der sich in zahlreichen partikulären Rechten findet16.3, scheint in Steiermark und Kärnten nicht auf16.4. Den "temere litigantes" und streitsüchtigen Advokaten drohen in der Steiermark dafür Strafen an Gut oder Leib16.5. Der Landesfürst trat 1613 in seiner Resolution zur "von neuem corrigierten Landtrechts-Reformation" für Steiermark16.6 zu Art. 27 für die Einführung des juramentum calumniae bei den steirischen Gerichten ein: "So möchte das in gemainen Rechten hailsamblich und wolgeordente Iuramentum Calumniae, in Irer Für. Dur. gerichte, auch eingefüerth, und da es von einem und dem anndern thail begert wurde, den Partheyen gleich nach bevestigung des Khriegs Rechtens, und also undter ainsten ad totam Causam, aintweders in selbst aigner Person, oder durch Ire hierzue bevolmechtigte Gwaltträger zulaisten eingebunden werden." Die Landschaft war aber gegen diese [Seite: 82] Neuerung16.7 und der Calumnieneid wurde in die steirische Gerichtsordnung von 1618 bzw. 1622 nicht aufgenommen16.8.
Der Gefährdeeid findet sich im österreichischen und steirischen Recht als juramentum appellationis im Appellations- und Revisionsverfahren (dazu s. u. S. 102)16.9. [Seite: 83]
Die Grundsätze des deutschen Beweisrechts, die Gliederung des Prozesses17.2, das einen deutlichen Einschnitt darstellende Beweisurteil17.3, die Einseitigkeit der Beweisrolle17.4, die Unvereinbarkeit gewisser Beweisarten17.5, galten, wenn auch in etwas modifizierter Form, nach dem steiermärkischen Landrecht des Mittelalters17.6.
Das Beweisurteil hat sich so wie im Klagenfurter Stadtrecht17.7 auch im innerösterreichischen Landrechtsverfahren der Neuzeit erhalten. Sobald das Verfahren in das Beweisstadium getreten ist, wird dem Kläger oder Beklagten durch Abschied17.8, sententia interlocutoria (Beyurteil oder Verabscheidung)17.9 auferlegt, die sogenannten Hauptweisungsartikel (s. u. S. 86) binnen sechs Wochen und drei Tagen bei der Schranne "in wehrenden rechten" einzubringen17.10. Der Beweisführer, der sogenannte Hauptweiser17.11, muß dem Prozeßgegner eine Abschrift der Hauptweisungsartikel zukommen lassen; ferner muß er die "Notturfften", [Seite: 84] die zur Weisung gehören, d. h. das Beweismaterial, dem Zeugs-Commissar übergeben17.12.
Sobald die Weisungen (Haupt- und Gegenweisung)17.13 durchgeführt worden sind, kann jede Partei die "publication und Eröffnung"17.14 der Weisung bei Gericht begehren und Abschrift der Weisung verlangen. Gegen die Zeugenaussagen kann der dadurch Beschwerte eine Impugnationsschrift einbringen17.15 (s. u. S. 89).
Die Beweisführung ist regelmäßig erst auf Grund eines gerichtlichen Erkenntnisses (Beweisurteil oder Beweisabschied) zulässig17.16. Die Unzulässigkeit der antizipierten Beweisführung entspricht einem Grundgedanken des deutschen Rechts17.17, wonach das Verfahren streng gegliedert ist17.18. Eine Ausnahme vom Verbot der Beweisaufnahme vor einem Beweisurteil stellt die Weisung ad perpetuam rei memoriam (St. IV 54) dar. Es handelt sich hiebei um eine Zeugenvernehmung schwerkranker oder vor langer Abwesenheit stehender Personen zum Zwecke der Beweissicherung, die nach gemeinem Recht ausnahmsweise vor der litis contestatio erfolgen durfte (cap. 5 X 2, 6)17.19. Die Vernehmung von "Zeugen zu ewiger Gedächtnuß" (St. IV 54), die aus dem gemeinen Recht stammt, findet sich in Kärnten schon 157317.20); aber erst die steirische Gerichtsordnung von 1618 bzw. 1622 (St. IV 54) regelt sie und führt die Gründe für ihre Zulässigkeit an: 1. Alter und Krankheit eines Zeugen, die seinen baldigen Tod erwarten lassen; 2. Aufenthalt eines Zeugen in Kriegs- oder Sterbenszeiten an einem gefährlichen Ort und 3. Verreisen eines Zeugen an einen entlegenen Ort17.21.
Das Beweiserkenntnis hat einen Ausspruch über die Zuteilung der Beweislast zu enthalten17.22. Die Beweisregelung ist in Innerösterreich im 16. Jahrhundert [Seite: 85] bereits beherrscht vom gemeinrechtlichen Grundsatz, daß der Beweis eine Last darstelle, die regelmäßig dem obliege, der eine Behauptung aufstelle17.23 Die "Weisung zu führen" wird durch Urteil auferlegt17.24, aufgetragen17.25, worauf binnen bestimmter Frist die Wcisungsartikel einzubringen sind (s. o. S. 83). Beckmann17.26 spricht ausdrücklich von dem onus probandi, das dem Kläger auferlegt wird.
Der deutschrechtliche Grundsatz der Einseitigkeit der Beweisrolle (s. o. Anm. 4, der sich im StLr.17.27 findet, ist im 16. Jahrhundert bereits aufgegeben. Der Gegenbeweis ist zulässig17.28. Nach Ampfinger 15 muß der Antworter (d. i. der Beklagte) seine Gegenweisung gleich nach dem Anbot der Weisung anmelden und am nächsten Rechtstag seine Weisartikel einlegen17.29. Nach dem steirischen Recht des 17. Jahrhunderts kann der Beklagte seine Gegenweisartikel innerhalb von sechs Wochen und drei Tagen vom Zeitpunkt der insinuierten Weisartikel aufstellen und einbringen17.30.
Die Gegenweisung wird im Beweisurteil regelmäßig dem Prozeßgegner ausdrücklich vorbehalten17.31.
Planck17.32 führt die Zulässigkeit des Gegenbeweises auf den Einfluß des römisch-kanonischen Rechtes zurück und erblickt in der Notwendigkeit des Vorbehaltes ein Nachwirken deutschrechtlicher Vorstellungen.
Ansätze zur Zulässigkeit des Gegenbeweises finden sich aber schon im deutschen Recht des Mittelalters17.33, ja schon in der fränkischen Zeit17.34. Torggler17.35 erklärt die Zulässigkeit des Gegenbeweises daher aus der Entwicklung eines materiellen Beweisrechtes; dieser Vorgang wurde aber wohl durch den Einfluß des römisch-kanonischen Rechtes stark begünstigt. [Seite: 86]
Nach St. III 64/1 sollen "hinfüro" Weisungen und Gegenweisungen miteinander geführt werden, um eine Verkürzung des Verfahrens zu bewirken17.36.
In Innerösterreich wie auch in den anderen österreichischen Ländern hat sich die gemeinrechtliche Artikulierung der Klage nicht durchgesetzt17.37, ebensowenig wie im sächsischen Rechtsbereich17.38. Durch den Jüngsten Reichsabschied von 1654, § 3417.39), wurde die Klageartikulierung auch für das reichskammergerichtliche Verfahren in Anlehnung an den sächsischen Prozeß abgeschafft17.40; die Probatorialartikel im Beweisverfahren wurden hingegen im Gegensatz zum sächsischen Rechte beibehalten17.41.
In Innerösterreich sind Beweisartikel (Probatorialartikel)17.42 seit dem 16. Jahrhundert üblich17.43; die Parteien sollen sich hinsichtlich der Zahl der Zeugen und Weisartikel beschränken und letztere kurz fassen17.44. Falls eine Partei "etwas mehrers, und den ergangnen urtl oder erkanntnuß zuwider, in seine Weißartickel einbrächte, So soll doch darauff nit gerichtet, sonder für ein Nulitet in Gericht geachtet werden"17.45.
Die Weisartikel sollen so verfaßt werden, daß sie "pertinentes" sind, "h. e. daß sie aus der narration und Substanz des Klag-libells17.46 auf die Geschicht (ad causam controversam) und nicht auf das Recht affirmative formiret seynd ..."17.47.
Wie schon Torggler17.48 festgestellt hat, stimmt auf dem Gebiete der Beweisführung der innerösterreichische Gerichtsgebrauch mit der gemeinrechtlichen Praxis völlig überein. Eine einzige Ausnahme sieht Torggler17.49 darin, daß in Innerösterreich Einwendungen gegen die Zulässigkeit eines Beweises, insbesondere [Seite: 87] die Person eines Zeugen, sogleich nach Einbringung des Weisungsanzuges (d. i. der Schriftsatz, der die Weisartikel enthält), also vor der Beweisaufnahme vorgebracht werden mußten17.50; er erblickt darin überliefertes deutsches Rechtsgut17.51. M. E. ist aber auch in dieser Bestimmung kein allzu starkes Abweichen vom gemeinen Recht zu sehen; auch nach gemeinem Recht müssen Einwendungen gegen die Person eines Zeugen spätestens bis zu Beginn der Vernehmung geltend gemacht werden; sie können nur dann noch nach dem Verhör vorgebracht werden, wenn sie der Gegner sich ausdrücklich vorbehalten hat oder wenn er einen besonderen Eid schwört, daß ihm die vorzubringende Einrede erst später bekannt geworden sei17.52.
Die Gerichtsordnung für Österreich unter der Enns von 1557 hat eine Wendung mit sich gebracht: Art. "Von Weisungen und kundtschafften", letzter Absatz (fol. 26v.): "... So solle hinfüro von khainem thail ainicherley einred in die weißarticl, oder der zeugen Person, vor der weisung nit angenommen, noch zuegelassen werden, Sonder ainer jeden Parthey, deßwegen jr notdurfft, nach eröffneter weisung fürzepringen bevorsteen." Diese Neuregelung, nach der Einreden contra personas testium erst nach Eröffnung der Weisungen vorgebracht werden dürfen, steht in Widerspruch zum gemeinen Recht17.53. Diese österreichische Regelung wurde von St. III (64/7)17.54 übernommen17.55, doch blieb sie in der Steiermark nicht lange in Geltung. Bereits nach St. IV (52/6) sollen die Parteien ihre Einwendungen gegen die Zeugenpersonen wieder "vor Abführung" der Weisungen und Gegenweisungen vorbringen17.56. [Seite: 88]
Beweismittel sind in erster Linie Zeugen und Urkunden, in beschränktem Maße der Eid18.1.
Die Einvernahme der Zeugen erfolgt auf gerichtlichen Befehl (Commission-Befehl des Landesverwesers) durch eigene Zeugs-Commissarien in Abwesenheit der Parteien18.3.
Die Zeugen müssen vor der Aussage einen Eid schwören18.4, der vom Zeugs-Commissarius abgenommen wird18.5; es handelt sich hiebei um einen Voreid18.6. Der Commissarius läßt die Weisartikel und hierauf die Fragstücke (interrogatoria)18.7 den Zeugen "seorsim et singulatim, remotis partibus litigantibus, in secreto" vorlesen18.8, worauf sie zu jedem Artikel auf jedes Fragstück ihre Aussage machen müssen. Die Aussage wird wörtlich protokolliert18.9. Diese geheime Beweisaufnahme stellt gemeines Recht dar; sie wurde von den Legisten im Anschluß an Cod. Just. 4, 20, 14 (ita iudicantis intrare secretum) entwickelt18.10.
Entsprechend dem gemeinen Recht wird nach innerösterreichischem Gerichtsbrauch zwischen den gemeinen Fragstücken (interrogatoria generalia), welche [Seite: 89] sich auf die Personalien des Zeugen und auf sein Verhältnis zu den Parteien beziehen18.11, und den besonderen, welche sich auf die Sache beziehen, unterschieden.
Da die Weisartikel nur über Tatsachen ("auf die Geschicht und nicht auf das Recht", s. o. S. 86) aufgestellt werden dürfen, ist die Vernehmung der Zeugen auf Tatfragen beschränkt; Rechtsfragen sind ausgeschlossen.
Falls die von den Parteien angeführten Zeugen einer anderen Jurisdiktion unterworfen sind, ersucht der Landesverweser den für die Zeugen zuständigen Richter bzw. dessen Oberinstanz mittels Compaß-Schreiben18.12 um Einvernahme der betreffenden Zeugen im Wege der Rechtshilfe18.13. Die Zeugen werden durch ihre Gerichtsbehörde vernommen; über das Zeugenverhör wird eine Gerichtsurkunde errichtet, welche der ersuchenden Behörde übermittelt wird. Bürger in Städten und Märkten machen ihre Aussage vor ihrem Stadt- oder Marktrichter. Privilegiert sind die Herren und Landleute, welche ihre Zeugenaussage schriftlich "bei ihren adeligen Ehren, Trauen und Glauben" übersenden18.14.
Die persönlichen Voraussetzungen, die bei den Zeugen gegeben sein müssen, entsprechen dem gemeinen Recht18.15.
Sobald die Weisungen beider Parteien abgeschlossen sind, kommt es auf Antrag zur Eröffnung der Weisungen bei Gericht18.16. Eine jede Partei kann Abschrift der Weisungen durch den Schrannenschreiber verlangen18.17. Gegen die durchgeführten Weisungen bzw. Gegenweisungen können die Parteien Einreden erheben. Die Einreden erfolgten ursprünglich mündlich18.18, in der Steiermark seit 1574 (St. III) schriftlich18.19, und zwar jedenfalls "im folgenden Rechten". Die Einwendungen werden in einer Impugnationsschrift vorgebracht18.20. Über die Einreden wird hierauf zu Recht erkannt18.21.
Im Weisungsverfahren hat sich das Schriftlichkeitsprinzip zuerst durchgesetzt18.22. [Seite: 90]
Die Vernehmung des Gegners beruht auf deutschrechtlicher Grundlage. Sie wird als eine Abart des Zeugenbeweises aufgefaßt. Jeder andere Beweis ist daneben unzulässig18.23.
Gleichzeitiger Beweis durch Zeugen und Urkunden war im Landrecht ursprünglich unzulässig18.25. Der Unvereinbarkeit der Beweisarten liegt nach Torggler (S. 62) eine deutschrechtliche Sonderbildung zugrunde18.26. Seit der KLro. (1577) ist gleichzeitiger Beweis durch Urkunden und Zeugen zulässig: Art. 6/2: "Es sollen und mügen auch nun hinfüran, die Clager zu jren beweisungen, schrifftlich unnd mündlich gelassen werden ..."
Ein eigener Artikel ist dem Urkundenbeweis allerdings erst in St. IV gewidmet: Art. 56 "Von Weisungen, so durch briefliche Urkunden geschehen". Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist der Urkundenbeweis jedenfalls voll ausgebildet18.27 und mit anderen Beweisarten vereinbar18.28.
Die Unterscheidung zwischen öffentlichen Urkunden18.29, die vollen Beweis liefern, und privaten Urkunden18.30 findet sich naturgemäß auch im innerösterreichischen Recht. Bei Privaturkunden ist neben dem Petschaft die eigenhändige Unterschrift oder Bestätigung durch zwei Zeugen erforderlich18.31.
Die Beweiskraft der Handelsbücher entspricht der gemeinrechtlichen Lehre18.32. "Die Handelsbücher der Kauffleute müssen mit einem Eyd verificiret werden ..." (Beckmann 187 "Handels-Bücher")18.33.
Im deutschen Recht des Mittelalters war der Eid das hauptsächliche [Seite: 91] Beweismittel18.35. In der Rezeptionszeit hat der Eid seine Bedeutung fast völlig verloren18.36. Die gemeinrechtliche Theorie des notwendigen und des Schiedseides konnte sich in Innerösterreich nur langsam durchsetzen18.37. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts ist allerdings die gemeinrechtliche Beweislehre in Innerösterreich völlig durchgedrungen18.38.
St. IV 59 behandelt die gerichtlichen Eide18.39: Es wird unterschieden zwischen a) juramenta judicialia, b) suppletoria, c) dem freiwilligen Eid und d) dem vom Richter einer Partei aufgetragenen notwendigen Eid. Beckmann 230f. (Juramentum) unterscheidet zwischen a) juramentum voluntarium, b) juramentum necessarium und c) juramentum iudiciale18.40; bezüglich des juramentum iudiciale und juramentum necessarium unterscheidet er zwei Arten: 1. das juramentum suppletorium, das eine probatio semiplena voraussetzt18.41, und das juramentum purgatorium. Beckmann 231 fährt fort: "Idem circa juramentum suppletorium, in Tribunalibus Stiriacis, et Austriacis, accuratissime observatur ..."; er beruft sich auf Suttinger obs. 146 und St. IV 5918.42.
Nach St. II (1533) herrschte noch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. St. II 23: "Es soll ain yeder Lanndtman seiner gewissen nach urtln ...18.43. Erst im 17. Jahrhundert dringt die gemeinrechtliche Beweislehre auch hinsichtlich der Beweiswürdigung durch18.44. [Seite: 92]
Der Begriff des Rechtsatzes findet sich in St. I (1503)19.2 Art. 19: " ... damit ein yeder (sc. Beisitzer) so er rechtns gefragt wirdet auf clage anntwurt rede widerrede und rechtsatz förmlich urtailen möge ..." (vgl. St. I 16, 23).
Der Rechtsatz stellt den Urteilsvorschlag19.3 einer jeden Partei, im Säumnisfalle eines Streitteiles, dar19.4. Nach Rede und Widerrede "setzen die Parteien zu Recht"19.5. In Innerösterreich wird der Rechtsatz mündlich vorgebracht19.6. Der Urteilsvorschlag findet sich auch in Österreich unter der Enns: Gerichtsordnung von 1540, fol. II: "So ain Parthey generaliter besleüsst und von beden tailn Rechtsatz beschehen, solle weiter nichts eingefüert, noch zuegelassen werden19.7."
Ein solches "zum Recht setzen" durch die Parteien, der sogenannte "beschluß oder rechtsatz der sachen" findet sich ferner in den Gerichtsordnungen des Hochstifts Augsburg19.8. Das "Setzen zu Recht" bedeutet den Antrag der Parteien an das Gericht auf Entscheidung. Mit dieser Erklärung begeben sich die Parteien alles weiteren Vorbringens und weiterer Beweise19.9.
Das "Setzen zu Recht" ist deutschrechtlicher Herkunft. Nach dem deutschen Recht des Mittelalters pflegten die Parteien ihre Vorträge mit dem Vorschlag eines bestimmten Urteils zu beschließen19.10. [Seite: 93]
Die Bestimmung von St. I 19 wurde Übernommen in St. II (Art. 13) und St. III (Art. 60/1)19.11. Die Einrichtung des Rechtsatzes findet sich in der Steiermark jedenfalls noch Ende des 17. Jahrhunderts. Beckmann S. 392f.: "Der Recht-Satz, in der streitigen Haubt-Sach, ist a parte actoris, et rei, ungefähr dieser; wann beede Partheyen, schon haubtsächlich im Gericht verfahren seynd, mit Vorbringung ihrer Nothdurfft, und der Kläger darauf, seine angestellte Klag zu behaubten vermeint, so setzet er regulariter zu recht, er hab die Klag, nebst Abtrag, Kost, Zehrung, und Schaden behabt, und erstanden. Hergegen wann der Beklagte, auf des Klägers Klag, seine Verantwortung gethan, und vermeinet, er habe des Klägers argumenta völlig abgeleinet, so setzet der Beklagter regulariter zu Recht, er sey von der angestellten Klag, nebst Abtrag, Kost, Zehrung, und Schaden, ledig, und müssig ..."19.12. [Seite: 94]
Während sich im StLr. noch ein einheitlicher Urteilsbegriff findet20.2, unterscheidet St. II 32 zwischen Beiurteil und Urteil in der Hauptsache. Diese Unterscheidung wird beibehalten in St. III (Art. 75)20.3; St. IV 63/5 verwendet entsprechend dem gemeinen Recht20.4 die Ausdrücke Beiurteil und Endurteil. Beckmann (S. 438 s. v. Sententia) unterscheidet zwischen sententia interlocutoria (vulgo ein Abscheid, Rathschlag oder Bey-Urtheil) und sententia definitiva; S. 438f.: "Ex supra dictis ist zusehen, daß sententia definitiva endet die Haubt-Sach, indem der Beklagter entweder von der Klag wird absolviret, oder er wird condemniret ... Hergegen sententia interlocutoria (vulgo ein Bey-Urtheil, oder Abschied) endet die Haubt-Sache nicht, besondern dirigiret nur dieselbe entweder zur Weisung, oder erörtert irgendwo ein incidente quaestion."20.5
Der Vorgang der Urteilsfällung beginnt in der Landschranne bis in das 17. Jahrhundert in der deutschrechtlichen Form der Urteilsfrage20.6. Nachdem die Parteien ihren Rechtsatz (s. o. § 19) aufgestellt haben, fragt der Vorsitzende, der Landeshauptmann bzw. Landesverweser, einen der Beisitzer um das Urteil20.7. Eine ausdrückliche Bestimmung findet sich bei Ampfinger 17: "Der Lanndsverweser fragt des Rechtens und sobald der erst angefragt urtllt, so begert der darwider geurtlt der weitern Umbfrag ainen Stillstand und berat sich, ob er von der Urtl der erst angefragten Person appelieren well oder nit." St. III 6/7: "Und da ein Beysitzer des Rechtens gefragt ..."
Auf die Urteilsfindung durch den Gefragten schließt sich, soferne gegen das Urteil nicht gedingt wird, die Abfrage der übrigen Beisitzer20.8. In der Steiermark [Seite: 95] und in Krain scheint diese weitere Abfrage außer Übung gekommen zu sein; das Urteil des einen gefragten Beisitzers war entscheidend20.9.
In der Steiermark wurde erst durch St. IV (Art. 2/4) im Land- und Summarirecht das romanistische Majoritätsprinzip bei der Beschlußfassung eingeführt; im Hofrecht war dies schon früher geschehen20.10. Landeshauptmann bzw. Landesverweser haben auch noch nach St. IV (Art. 2/3) "im Rechten keine Stimm, sondern allein die Umfrag"; dem Vorsitzenden obliegt nur die Prozeßleitung, die Entscheidung liegt bei den Beisitzern20.11.
Beckmann (S. 440) zählt die tria requisita sententiae definitivae auf, die dem gemeinen Recht entsprechen20.12 und fügt hinzu, daß diese Bestimmungen in der Steiermark und in Österreich genau beobachtet werden teste quotidiana experientia. Als Wirkung des Urteils führt Beckmann (S. 440) an, "quod sententia post decennii lapsum transeat in rem judicatam" (Cod. Just. 7, 44, 2 und X 2, 27, 15). Für den Eintritt der Rechtskraft des Urteils besteht nach gemeinem Recht20.13 eine Frist von zehn Tagen (s. u. S. 103).
Das Urteil wird im Landschrannenverfahren schriftlich ausgefertigt20.14. Die Gerichtsurkunde wird im Hofrecht als Abschied, im Land- und Summarirecht als Gerichtszeugbrief bezeichnet20.15. [Seite: 96]
Das ordentliche Rechtsmittel im innerösterreichischen Landschrannenverfahren ist die Dingnus oder Appellation21.2. Erst St. IV kennt daneben als außerordentliche Rechtsmittel die Revision (Supplikation) (Art. 64) und die Restitution in integrum (Art. 65)21.3.
Weder im steirischen noch im Kärntner Landrechtsverfahren wird die Beschwerde als Rechtsmittel erwähnt21.4. Auch die gemeinrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde21.5 war dem innerösterreichischen Prozeßrecht fremd21.6; erst die Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, §§ 262ff. kennt die Nullitäts-Beschwerde21.7. [Seite: 97]
Die Dingnus bzw. das Geding22.2 des österreichischen Rechtsgebiets22.3 ist nahe verwandt mit dem bayrischen Geding des Mittelalters. Die Rechtsnatur dieses bayrischen Gedings ist höchst umstritten22.4. Eduard Rosenthal22.5 sieht das bayrische Geding gen Hof bereits für das Mittelalter als ein wahres Rechtsmittel an, welches mit der Appellation nahezu identisch sei; der Rechtsstreit wird zwischen den ursprünglichen Parteien vor dem höheren Richter fortgesetzt22.6. Adolf Stölzel22.7 hingegen faßt das bayrische Geding des 14. Jahrhunderts als eine Urteilsschelte auf, die erst mit der Rezeption in das Institut der Appellation umgestaltet wurde22.8.
Die Urteilsschelte hat aber bereits im Mittelalter insoferne den Charakter einer echten Berufung erlangt, als sie regelmäßig zu einer materiellen Entscheidung eines höheren Gerichts führte22.9.
Die Dingnus des innerösterreichischen Rechtsgebietes geht, wie schon Torggler (S. 53) für Kärnten dargelegt hat, auf die Urteilsschelte in ihrer jüngeren Form als Rechtszug an ein höheres Gericht zurück. Diesen Zusammenhang beweist die Beschränkung der Zulässigkeit der Dingnus, wie sie in den steirischen und [Seite: 98] kärntnerischen Gerichtsordnungen ausgesprochen ist. Nach manchen deutschen Rechten des Mittelalters ist die Schelte versäumt, sobald das Urteil das Vollwort erhalten hat oder sobald eine bestimmte Zahl von Urteilsfindern dem Urteil Folge geleistet hat22.10.
StLr. Art. 17: "Von urtail. Wann paid vorsprechen ertaillent, so mag man woll urtail gedingen ee man über den dritten khombt (fragt)."
Art. 21: "Von geding. Es mag niemant gedingen, es haben paid ee ertailt, der antwurter und der clager."
Art. 77: "Von gedingen. Wann man über den dritten fragt, so mag man nicht gedingen."
Pettauer Stadtrecht (von 1376)22.11 Art. 51: "... und darumb man redleich urtail an den vitztumb dingt zu rechter zeit ee daz der richter über den dritten gewragt hat ..."
Steirisches Bergtaiding (15. Jahrhundert)22.12: "Item eß mag ain ider perkgnoß von sein perkherrn oder perkmaister mit recht dingen, doch ee und die urtail an den dritten kumbt für deß herzogen kelle gen Gretz."
St. II 3222.13, St. III 75/1 und KLro. 16/222.14 bestimmen, daß bereits gedingt werden müsse, sobald der erste gefragte Beisitzer seinen Urteilsspruch getan habe22.15.
Torggler (Anm. VI 21) erklärt den Widerspruch zwischen den mittelalterlichen Rechtsquellen, wonach erst nach Befragung des dritten Rechtsprechers gedingt werden mußte, und den späteren, wonach bereits nach Befragung des ersten Beisitzers gedingt werden mußte, m. E. mit Recht aus dem Umstand, daß man im Mittelalter zu den drei Rechtsprechern die beiden Parteien bzw. deren Vorsprecher rechnete. Diese These wird gestützt durch StLr. 17 und 21 (s. o.), wonach zunächst Kläger und Beklagter "ertailen", d. h. urteilen22.16. Es scheint durchaus erklärlich, daß man die beiden Parteien bzw. deren Vorsprecher mitzählte und sie gewissermaßen als Urteilsfinder behandelte, da sie ja einen [Seite: 99] Urteilsvorschlag (den Rechtsatz) erstatteten22.17. Es mußte also schon nach mittelalterlichem Recht nach dem Ausspruch des ersten Beisitzers gedingt werden22.18.
In St. I 11 ist diese Beschränkung der Dingnus aufgehoben; es sollen zunächst sämtliche Beisitzer abgefragt werden; gegen das mit Stimmeneinheit oder Stimmenmehrheit (s. o. S. 95 Anm. 10) gefaßte Urteil ist Berufung zulässig22.19. St. I blieb aber Entwurf (s. o. S. 19).
St. II 32 (s. o. Anm. 13) und St. III 75/1 haben am alten Rechtsbrauch des Mittelalters festgehalten und erst St. IV (Art. 63) hat mit der Einführung der Abfrage aller Beisitzer und des Mehrheitsprinzips (Art. 2/4) die Beschränkungen des Dingens fallengelassen22.20; die Dingnus (Appellation) ist nach vollkommener Abfrage gegen das Urteil der Beisitzer zulässig.
Damit war in der Steiermark die deutschrechtliche Urteilsschelte in das gemeinrechtliche Institut der Appellation umgestaltet worden. Es zeigt sich in diesem Fall, daß zunächst ein romanistischer Terminus für ein deutschrechtliches Institut verwendet und erst später das Institut in sachlicher Hinsicht unter dem Einfluß des gemeinen Rechts umgebildet wird22.21; der Ausdruck Appellation findet sich schon in St. II (Art. 32) (auch bei Ampfinger 18, 19), der gemeinrechtliche Begriff erst in St. IV.
Nach gemeinem Recht ist die Appellation von einem Endurteil grundsätzlich unbeschränkt zulässig, hingegen nur von solchen Beiurteilen, die entweder die Kraft eines Endurteils haben oder deren Folgen für die beschwerte Partei nicht mit einem Rechtsmittel gegen das Endurteil behoben werden können22.22.
Nach den steirischen Gerichtsordnungen ist eine Appellation auch gegen Beiurteile zulässig (St. II 32; St. III 75/1 und 6; St. IV 63/1 und 5), solange noch nicht gegen das Haupturteil gedingt ist22.23. St. IV 63/1 spricht allgemein die [Seite: 100] Regel aus, daß Appellation gegen Urteil, Bescheid oder Ratschlag zulässig sei22.24. Beckmann 24: "Appellatio ab interlocutoria sententia non admittitur jure Romano, nisi gravamen irreparabile contineat, Gailius lib. I. observ. 149. ast de consuetudine a quovis simplici decreto, quod aliquod gravamen in se continet, admittitur appellatio ..."22.25.
Beckmann (S. 26f. s. v. Appellare) führt acht causae non appellabiles an22.26:
Die Dingnus mußte im Schrannenverfahren ursprünglich "in währendem Rechte" mündlich erklärt werden22.34. Über die Zulässigkeit der Appellation wird vom Erstgericht entschieden22.35. Hierauf kommt es zur Aufrichtung und Vergleichung der Appellation22.36. Die beiden Parteien fassen den Inhalt ihres mündlichen Vorbringens vor dem Gericht erster Instanz schriftlich zusammen22.37. Die Dingnus soll, "aus beder rednner mund, auch wie von allter herkomen ist, aufgericht werden"22.38. Die Redner sollen ihre Parteien von der Dingnus in Kenntnis setzen und ferner die Schriftsätze den "Gedenkherrn" mitteilen, "damit sy auch sechen, das die Sachen nicht annders dann wie in Recht fürkhomen gestellt werden" (St. II 32). Die Gedenkherren sind Personen, die einem Rechtsakt zugezogen werden, um notfalls darüber Zeugnis abzulegen22.39.
Falls sich die Redner bei Aufrichtung der Appellation nicht einigen können, und auch die Gedenkherren nicht einer Meinung sind, so sollen der Landeshauptmann bzw. Landesverweser und mindestens vier Beisitzer darüber erkennen, was als Inhalt der mündlichen Verhandlung in die Berufungsschriften der Parteien aufzunehmen sei22.40. Um Verzögerungen zu vermeiden, bestimmt St. III 75/2, daß die Parteien ihre Gedenkherren aus den "geordenten" Beisitzern wählen [Seite: 102] und beim nächsten Rechtstag ihre Streitfragen hinsichtlich der Aufrichtung der Appellation vorbringen sollen, worauf das Gericht noch im selben Rechten hierüber entscheiden solle22.41.
Der Gefährdeeid (iuramentum calumniae), der dem innerösterreichischen Recht im allgemeinen fremd ist (s. o. § 16), findet sich in Innerösterreich wie in Österreich unter der Enns22.42 als Appellations-Eid22.43. St. III 75/7: "... So soll einer yeden Parthey so dingen will, den Landtleuten bey jhren Glauben unnd Trawen, und dann den gemainen Partheyen an Aydsstatt, fürgehalten werden. Nemlichen das er die Appellation, diser Rechtsachen, nicht auß gefährde, oder verlengerung derselben, sonder allein umb bessers Rechtens willen, füren thu ..."22.44. Der Appellationseid muß von der Partei selbst binnen zehn Tagen geleistet werden22.45.
Nach Beckmann (S. 29, 105) ist der Appellationseid zu seiner Zeit sowohl in der Steiermark wie auch in Österreich bereits außer Übung gekommen22.46.
Die Prokuratoren sollen die Dingnusschriften bis zum nächsten Landrecht aufrichten, zu dem geschworenen Schrannenschreiber bringen und vergleichen22.47. Wenn eine Partei mit ihrer Appellation säumig ist, soll sie auf Antrag der Gegenpartei durch den Landeshauptmann bzw. Landesverweser zur Aufrichtung und Vergleichung der Appellation bis zum nächsten Rechten aufgefordert werden. Wenn der Appellant dieser Aufforderung nicht nachkommt, so soll die "Appellation desert und gefallen" sein. Wenn der Appellant säumig ist, "so soll der Appellant (wenn er der Kläger ist) alßdann seine Spruch gegen jhme behabt und erstanden haben" (St. III 75/7) bzw. (wenn der Appellant Beklagter ist) "von der angestelten Klag ledig und müßig erkennt werden" (St. IV 63/7)22.48.
Zur Zeit Beckmanns (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts) galten in der Steiermark im Appellationsverfahren die gemeinrechtlichen fatalia (sc. tempora)22.49, [Seite: 103] d. s. Fristen, bei deren Versäumung die Appellation ihre Wirkung verliert und die Vollstreckung des Ersturteils betrieben werden kann22.50.
In der Steiermark und in Österreich sind in der Regel vier Fatalien zu beobachten22.51, von denen das erste und das vierte die wichtigsten sind. Diese Fristen finden sich auch in der Neuen steirischen Gerichtsordnung Art. 6122.52.
1. Das tempus sive intervallum fatale interponendae appellationis. Die sogenannte Interpositionsfrist22.53 beträgt ein decendium (zehn Tage); sie beginnt mit der Urteilsverkündung22.54. Die durch das Urteil beschwerte Partei kann sofort nach abgelesenem Urteil stante pede appellieren22.55 oder sie kann von dem Richter mündlich ein "Bedacht"22.56 begehren und hierauf binnen zehn Tagen22.57 die Appellation gerichtlich anmelden22.58.
Das Erstgericht kann über die Zulässigkeit der Appellation (s. o. S. 99f.) selbst erkennen: "Appellant kan wol dingen, oder kan nicht dingen oder der Bedacht hat wol statt, oder hat nicht statt22.59." Gegen diese Entscheidung über die Zulässigkeit der Appellation scheint Beschwerde statthaft22.60. Das Erstgericht kann aber auch die Entscheidung über die Zulässigkeit der Appellation der Berufungsinstanz überlassen.
2. Das tempus fatale requirendorum actorum. Diese gemeinrechtliche Frist beträgt zwei oder drei Monate a tempore latae sententiae. Der Appellant muß in dieser Zeit vom Erstrichter verlangen, daß alle Akten des ganzen Prozesses zusammengetragen und kollationiert werden und der Apostelbrief verfertigt wird22.61. Der Apostelbrief22.62 ist ein Bericht des Erstrichters an den [Seite: 104] Appellationsrichter über die Zulässigkeit der Appellation. Beckmann 29: "Apostoli sunt literae testimoniales, quas Judex a quo ad instantiam appellantis dat ad Judicem ad quem, et per illas interpositae appellationi vel defert, vel non defert (Dig. 49, 6, 1) ... Apostoli regulariter sunt vel dimissorii, vel refutatorii ..." Sie lassen die Appellation zu oder sie erklären sie für unstatthaft22.63.
3. Das tempus fatale appellationis introducendae. Während nach römischem und gemeinem Recht die Übermittlung der Akten und der Apostoli an den Appellationsrichter Sache des Appellanten ist22.64, werden nach österreichischem und innerösterreichischem Recht die Appellationsakten samt Apostelbrief vom iudex a quo dem Appellationsgericht übergeben22.65, und so die Appellation introduziert. Erforderlich ist hiezu allerdings ein Antrag des Appellanten22.66.
4. Das tempus fatale appellationis prosequendae. Justinian hat für die Fortsetzung und Beendigung des Appellationsverfahrens den Zeitraum eines Jahres, längstens zweier Jahre festgesetzt, ursprünglich bei sonstiger Desertion des Rechtsmittels22.67. Es ist Aufgabe der appellierenden Partei, die Erledigung des Dingnus zu betreiben22.68. Die Frist für die Prosequierung der Appellation beträgt nach steirischem Gerichtsbrauch regelmäßig ein halbes Jahr22.69. Beckmann 24: "Hic probe notandum, wann der appellant seine appellation nicht zu rechter Zeit verfolget, und fortsetzet, kan appellatus darumb bey Gericht dreymal schrifftlich Ansuchung thun, und um desertirung der appellation gerichtlich anruffen: darauff wird ein Tagsatzung bestimmt, umb zu vernehmen, ob die appellations-desertirung statt habe, und erkant werde22.70." In Kärnten besteht für die Erledigung der Appellation eine Frist von sechs Wochen22.71. Kann die Appellation in dieser Zeit nicht erledigt werden, so muß der Appellant einen "Schub" (Fristerstreckung)22.72 von der Regierung erwirken und dem Landschrannenschreiber überbringen. Der Schub wird für sechs Wochen erteilt und muß bei Nichterledigung [Seite: 105] der Appellation in dieser Zeit neuerlich für einen Zeitraum von sechs Wochen erbracht werden22.73.
KLro. 16/7: "Wo zu vorbestimbter Zeit, die Appellation oder Fürstl. Durchl. Schub, nicht zu Gericht geantwordt würden, So ist der Landleut gesprochen urthail, davon Appelliert worden, in crafft khumen, Unnd solle sich der erhaltend thail, nach verscheinung der gewönlichen dingzeit, vor dem Rechten melden, und volziechung des ergangen und gedingten urthails, begern." Die Appellation ist desert geworden22.74.
Die sechswöchige Frist sowie die Notwendigkeit der Schuberteilung durch die Oberinstanz bei nicht rechtzeitiger Erledigung der Appellation deuten auf deutschrechtlichen Ursprung dieser Bestimmungen hin22.75.
Die Einrichtung des Schubs findet sich auch im steirischen Recht22.76. St. III 23/3: "Gleichfalls sollen auch alle die Schüb und saumbsal, es sey in Appellation, oder sonst andern Sachen, so von der mehren Obrigkait außgeen, am ersten Montag zu Gericht eingelegt und offenlich verlesen werden, Wo aber dieselben Schüb zu solchem tag nicht einbracht wurden, so sollen dieselben krafftloß und unpündig sein, auch darauff nichts gehandelt werden22.77."
Das Appellationsverfahren vor der innerösterreichischen Regierung wurde, wenn es sich um eine Berufung gegen Urteile steirischer Gerichte handelte, in der Regel mündlich durchgeführt, bei Berufungen gegen Urteile aus Kärnten, Krain, Görz, Triest, St. Veit hingegen schriftlich. Beckmann 23: bei Berufungen gegen Urteile steirischer Gerichte "wird ein solcher appellations Proceß regulariter bey der Hochl. I. O. Regierung mündlich, loco scriptae appellationis22.78, ohne neuerung vorgetragen; quo casu die mündliche Verfahrung in suppremo appellationis Tribunali statt hat. Hergegen die Kernerischen, Krainerischen, Hörczerischen und Triesterischen appellationis-proceß, werden alle regulariter bey der Regierung schrifftlich vorgetragen, referirt und decidirt ..." Beckmann 24: " ... hergegen ist in den Steyrischen Tribunalibus in appellations processen bey [Seite: 106] der Hochlöbl. Regierung etc. folgende differentz woll zu beobachten, daß alle Steyrische appellations-process werden regulariter vor der Hochlöbl. Regierung, von den Advocaten pro und contra in dero Vorträge und Schluß-Rede mündlich proponiret, und nach der Advocaten Recht-Satz regulariter decidiret: die appellations-process aber, so auß Kärnten, Krain, Görtz, Triest, S. Veith etc. zu der Hochlöbl. Regierung kommen, werden regulariter alle schrifftlich übergeben, und von Ihre Hochgräfl. Excellentz dem Herrn Stadthalter, denen Herren Räthen zu referiren gegeben, und wann das referat vom Herrn Referendario in pleno erstattet, wird hierüber von denen sämtlichen Herren Räthen votiret, und juxta majora sententioniret ..."22.79.
Richtschnur 37. und 38. Frage regeln nur das schriftliche Appellationsverfahren22.80; die 32. Frage erwähnt neben dem schriftlichen das mündliche Appellationsverfahren, das aber nur mit Einverständnis beider Parteien erfolgt: "Wan aber von der schranen, Landthaubtmanschaft, Stätt und Märckht wider appellirt wirdt, gehen die Appellationes zu der Regierung undt wirdt der prozeß auf Papir gebracht, es seye dan, daß man bey der Hoch Löbl. Regierung loco Appellationis ein mündliches Verhör, so mit beeden Thaillen Einwilligung zu Zeiten außbringt, quo casu, es sey bey der Regierung wider zur mündlicher Verfahrung kombt ..."22.81.
Der Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens war im steirischen Prozeßrecht so stark verankert, daß er sich auch im Verfahren vor der zweiten Instanz noch erhielt22.82.
Nach römisch-gemeinem Recht können im Appellationsverfahren neue Tatsachen und Beweise vorgebracht werden (sog. beneficium novorum)22.83. Das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren ist deutschrechtlicher Herkunft. Es ergibt sich aus dem Wesen der Urteilsschelte; Gegenstand des vor dem höheren Richter zu entscheidenden Streites ist nach dem Sachsenspiegel die Frage, ob das Urteil des [Seite: 107] Finders oder des Schelters das richtige sei22.84. Entschieden wird die streitige Rechtsfrage auf Grund des vor dem unteren Gericht Vorgebrachten. "Vorgetragen wird daher im oberen Gericht genau das im unteren Vorgebrachte, mit Ausschluß alles neuen sachlichen Materials." (Planck I 298)22.85.
In Österreich unter und ob der Enns und in Innerösterreich blieb auch in der Neuzeit die Vorbringung neuer Tatsachen und Beweismittel in der zweiten Instanz ausgeschlossen22.86. Die AGO22.87 und die österreichische ZPO sind vom Neuerungsverbot beherrscht22.88.
Der Ausschluß von Neuerungen findet sich in St. II 32 ausgesprochen: In den Appellationsschriften, die von den Rednern errichtet werden (s. o. S. 101), dürfen "die Sachen nicht annders dann wie in Recht fürkhomen gestellt werden"22.89.
Ausdrücklich bestimmt St. III 75/1, "das sie (die Prokuratoren) inn auffrichtung der Appellation schrifften mehrers nit, als inn Gericht fürkummen, einbringen, und sich aller newerung gäntzlich enthalten"22.90.
Richtschnur 32. Frage: "... alldorth aber nichts Neues alß alles waß bey jenen Instanzen fürgebracht worden, eingemengt werden kann ..."
37. Frage: "In einer Appellations oder revisionsschrift muß jede Partey sich auf den ersten fürtrag astringiren, undt darf nichts Neuerliches beygebracht werden . . ."22.91.
Diese klaren und eindeutigen Bestimmungen der Prozeßordnungen über den Ausschluß von Neuerungen scheinen in der Praxis nicht immer streng eingehalten worden zu sein. Dieses Abweichen von den gesetzlichen Bestimmungen ist aus dem Umstand erklärlich, daß das Verfahren in erster und bei steirischen Rechtssachen auch in zweiter Instanz grundsätzlich mündlich war. Falls die Aufrichtung der Appellation, welche in Innerösterreich die schriftliche Festlegung des Vorbringens vor dem Richter erster Instanz bedeutete (s. o. S. 101), nicht sorgfältig erfolgte, so konnten Neuerungen im Appellationsverfahren nur schwer vermieden werden22.92, da über das mündliche Vorbringen in erster Instanz Ungewißheit bestand. Beckmann 24f.: "In hoc appellatorio judicio Stiriaco ist dieses zu observiren, daß, wann die streittende Partheyen, ein Steyrischen appellations-process mündlich vortragen, so heisset es bey ihnen gemeiniglich: non probata, probabo, non deducta deducam, aber in den schriftlichen appellations processen muß nichts [Seite: 108] neues darhin zugethan, oder neue argumenta, rationes und deductiones gemacht werden; besondern wie beede streitende Partheyen in inferiori instantia Gerichtlich verfahren, so muß der process bloß übergeben werden, ohne irgend einen Zusatz"22.93.
St. III 75/8 bestimmt ausdrücklich, daß, wie es schon bisher bei der Regierung Brauch gewesen, das Urteil nur zugunsten des Appellanten abgeändert werden könne: "... So soll jr yedem bevor stehen, wo bayde thail einer Urtl beschwärt zu sein vermainten, yede ihres thails, davon zu Appellieren, da aber eine oder die ander nit Appelliert, oder jhres thails die Appellation desert lassen wurde, alßdann die erledigung allain über des Appellierenden thails beschwärung, von der Regierung erfolgen solle." Es bestand ein Verbot der reformatio in peius.
Abgeändert wurde vorstehende Bestimmung durch St. IV, welche die communio appellationis des gemeinen Prozeßrechts22.94 einführte und damit die reformatio in peius zuließ. St. IV 63/8: "... Seitemalen aber das Beneficium Appellationis gemein, und einen sowohl, als den andern Theil berührt, und derohalben nach gestalten Sachen bey der höhern Stell, oder obern Tribunal fürträglichen seyn solle; So ist hiemit geordnet, daß hinfüro die von dem einen Theil, das ist, vom Klager oder Beklagten interponirte Appellation, einem und dem andern, das ist, sowohl dem Appellaten, als dem Appellanten zu gutem kommen, und beyden Partheyen zugleich zu dingen, nicht vonnöthen seye, auch die Regierung in ihren Declaration-Urtheln, den Styllum darnach richten, und führen solle"22.95.
Durch die AGO wurde das Verbot der reformatio in peius wieder eingeführt22.96; diese blieb auch nach der ZPO deutlich und vorbehaltlos verboten22.97.
Sobald der Appellant die Appellationserledigung erlangt hat, soll er sich damit zum Landeshauptmann, Landesverweser oder Land(schrannen)schreiber begeben (KLro. 16/10). Falls die Appellation binnen sechs Wochen erledigt wurde, so daß kein Schub erforderlich war, so erfolgt die Eröffnung der Appellation ohne Verständigung des Prozeßgegners und ferneren Termin (KLro. 16/9), ansonsten beim nächsten Hoftaiding, zu dem der Gegner zu laden ist (KLro. 16/8)22.98. [Seite: 109]
Die Revision ist nach den Reichsgesetzen ein subsidiäres Rechtsmittel; sie tritt an die Stelle der ausgeschlossenen Appellation. Partikularrechtlich hingegen tritt sie in Konkurrenz mit der Appellation, und zwar entweder so, daß sie neben der Appellation zur Wahl steht, oder so, daß im Falle ihrer Erfolglosigkeit auch noch die Appellation angestellt werden kann23.2.
Schon Ampfinger 22 zufolge kann nach erfolgter Appellation an den Erzherzog suppliziert werden23.3. Die älteren steirischen Landrechtsordnungen enthalten noch keine Bestimmungen über die Revision; erst St. IV 64 regelt dieselbe23.4.
Gegen die Urteile der innerösterreichischen Regierung kann keine Appellation erhoben werden, wohl aber kann der durch das Urteil Beschwerte an den Kaiser supplizieren, um die Revision bei der Geheimen Stelle23.5 zu erhalten23.6.
St. IV 64/1: "Dieweil aber wohl auch geschehen mag, daß ein Parthey durch gesprochne Urthel beschwert werde, und davon zu appeliren nicht gebräuchig, oder zugelassen seye, so solle in solchen Fällen das Beneficium Supplicationis, an den Landsfürsten, pro Revisione Actorum zu suchen, dem beschwerten Theil bevorstehen, damit aber die hienach stehende Ordnung gehalten werde."
Die Revision kann vom Landesfürsten begehrt werden, wenn gegen ein Declaration-, End- oder Beiurteil (St. IV 64/2) kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig ist. Die Revision ist somit nach innerösterreichischem Recht ein außerordentliches und subsidiäres Rechtsmittel23.7. Die Revision wird gewährt, wenn eine Appellation entweder überhaupt nicht zulässig ist (so z. B. bei Gewaltsklagen, Arrestsachen, s. o. S. 10023.8 oder bereits erfolglos angestellt wurde.
Auch für das Revisionsverfahren bestehen Fallfristen. Es muß binnen sechs [Seite: 110] Monaten seit der Verkündung des Urteils um Revision angesucht werden, Um mutwillige Ansuchen zu vermeiden, hat der Revisionswerber bei dem Hofkanzler eine bestimmte Geldsumme (vulgo Revisions-Geld)23.9 zu hinterlegen. Falls der Revisionswerber den Revisionsprozeß verliert, so fällt der hinterlegte Geldbetrag dem Landesfürsten anheim; der obsiegende Revisionswerber erhält den Betrag zurück23.10.
Der Revisionswerber soll die Ursachen seiner Beschwerde in einer Schrift (libellus revisionis) Vorbringen und dieselbe dem Gegner zukommen lassen. Dieser kann in einer Gegenschrift dazu Stellung nehmen. In den Schriften darf nichts Neues vorgebracht werden. Im Revisionsverfahren besteht ebenfalls Neuerungsverbot23.11. Diese "Revisions- und Ablainungs-Schriften" sollen binnen drei Monaten nach dem Ansuchen um die Revision bzw. nach dem Erhalt der Revisionsschrift bei der Regierung oder dem Gericht, gegen dessen Erkenntnis die Revision begehrt wird, und von demselben bei der landesfürstlichen Hofkanzlei eingebracht werden. Nach Ablauf dieser Frist werden keine Schriften mehr angenommen.
Der Landesfürst hat zu entscheiden, ob die Revision zuzulassen sei23.12. Die Gewährung der Revision durch den Landesfürsten hat entgegen dem gemeinen Recht23.13 suspensive Wirkung; die Exekution des Urteils wird dadurch aufgeschoben. Falls die Exekution bereits erfolgt ist, so soll es dabei bleiben, doch hat die exekutionsführende Partei eine Kaution zu leisten, daß sie die Güter, die sie auf Grund der Behebnus in Besitz und Fruchtgenuß bekommen hat, weder veräußern noch belasten werde. Wird diese Kaution nicht geleistet, so wird die erfolgte Exekution retraktiert und dem vorigen Besitzer das strittige Gut wieder eingeräumt23.14. Der Suspensiveffekt der Revision nach steirischem Recht stellt eine Abweichung vom gemeinen Recht dar23.15.
Die Geheime Stelle soll vor Fällung des revisorium judicium beide Unterinstanzen über deren Urteilsmotive vernehmen, damit sie erkennen könne, ob das Urteil der ersten oder zweiten Instanz zu konfirmieren oder abweichend von beiden zu entscheiden sei23.16. [Seite: 111]
Ebenso wie die Revision findet sich auch die Restitution erst in St. IV (Art. 65) geregelt24.2. Die Restitution ist ebenfalls ein außerordentliches und subsidiäres Rechtsmittel. Es findet Anwendung, wenn die Parteien durch "gerichtliche Erkanntnussen, Abschied, Decreta, Bescheid und Rathschläg, Item aufgerichte Verträg, Contract, Verschreibungen, Instrumenta und dergleichen laedirt und beschwert zu seyn vermeynen, solchen Beschwerden aber, weder durch Appellation, noch Revision, noch andere rechtliche Mittel, ohne vorgehende Restitution in integrum abgeholfen werden kan ..." (St. IV 65/1)24.3.
Um das beneficium restitutionis in integrum muß beim Landesfürsten (St. IV 65/1) bzw. in dessen Abwesenheit bei der Geheimen Stelle24.4 eingekommen werden, und zwar innerhalb eines halben Jahres nach ergangenem Urteil bzw. Vertragsabschluß (St. IV 65/2). Die restitutio ad appellandum kann auch von der Regierung erteilt werden24.5.
Die restitutionswerbende Partei muß ferner betreiben, daß die von den Gerichten angeforderten Berichte und Gutachten binnen drei Monaten bei der Restitutionsinstanz eingebracht werden, ansonsten ist die Restitution gefallen (St. IV 65/3).
Als Restitutionsgründe werden angeführt das Auffinden von Instrumenta, Urkunden, Behelf und Dokumenten (St. IV 65/7). Keine Restitutionsgründe sind nach St. IV 65/8 laesio ultra dimidium justi praecii, metus und dolus, da hier andere Rechtsmittel zur Verfügung stünden24.6.
Eine Restitution soll erst nach Vernehmung des Gegners und des Gerichts oder Magistrats, der das Erkenntnis gefällt hat, bewilligt werden (St. IV 65/9).
Über den Aufschub der Exekution wird bei beantragter Restitution im Einzelfalle durch den Landesfürsten entschieden (St. IV 65/10)24.7. Ist die Exekution [Seite: 112] bereits durchgeführt, so bleibt es dabei, doch ist jede Veräußerung, Verpfändung oder Verschlechterung der exequierten Güter nach erlangter Restitution ipso jure verboten. Falls die exequierende Partei begründeten Verdacht zu einer Veräußerung oder Verschlechterung der Güter gibt, so kann um Arrest oder Sequestration der exequierten Güter angesucht werden (St. IV 65/11).
Der restitutio in integrum kommt in Innerösterreich wegen des im Appellationsverfahren bestehenden Neuerungsverbotes besondere Bedeutung zu24.8.
Mit der steirischen Gerichtsordnung von 1618 bzw. 1622 (St. IV) hat sich im Rechtsmittelverfahren weitgehend die gemeinrechtliche Lehre durchgesetzt. Das zeigt die Einführung der Revision und der restitutio in integrum. Im Appellationsverfahren setzten sich im 17. Jahrhundert die gemeinrechtlichen tempora fatalia und der Apostelbrief durch. Erhalten blieb aber das deutschrechtliche Neuerungsverbot, das im Appellations- und Revisionsverfahren galt und von der AGO übernommen wurde. Das Appellationsverfahren vor der innerösterreichischen Regierung war in steirischen Rechtssachen noch zu Beckmanns Zeiten mündlich24.9. [Seite: 113]
Das ältere deutsche Recht kennt ursprünglich keinen Kostenersatzanspruch des obsiegenden Streitteiles25.2, doch beginnt sich schon im Mittelalter der Grundsatz der Verpflichtung des unterliegenden Teiles zum Kostenersatz zu entwickeln25.3.
Das StLr. sieht bereits grundsätzlich eine Ersatzpflicht vor25.4. StLr. 69: "Es mag nyemant gesprechen umb den schaden, er hab das erkchen25.5 ee behabt." Niemand darf Kostenersatz (Schaden) fordern, bevor er in der Hauptsache gesiegt hat. Der Kostenersatzanspruch wird mit einer Schadenersatzklage geltend gemacht25.6. Im Falle einer Erbschaftsklage ist der Kläger, der den Prozeß verliert, dem Beklagten ausnahmsweise nicht zum Kostenersatz verpflichtet25.7.
Nach Ampfinger 23 ist bloß der verlierende Beklagte, nicht auch der verlierende Kläger zum Kostenersatz verpflichtet25.8.
Eine allgemeine Verpflichtung zum Kostenersatz besteht nach St. II 33/1: "Von denen schäden so ainer behabt oder entbricht. Wo sich aber begäbe, das der Anntwortter dem Clager entbräch, So soll jme der Clager die Schäden gleicher maß wie obsteet betzallen."
Das Ausmaß des Kostenersatzes bestimmt sich nach dem Stande der Parteien25.9.
Verfahren bei der Kostenbestimmung25.10: Die Expenstaxierung erfolgt [Seite: 114] nach österreichischem Recht auf Grund einer eigenen Klage nach erfolgtem Erkenntnis in der Hauptsache25.11.
St. II 33/2: "Und das ain yeder so behabt oder enntbricht, das nächst Lanndßrecht darnach in der Clag, Er behabt oder enntbrochen, seine schaden ordennlich unnd Particular weiß in schrifft einlegen, so sollen die durch das Gericht gemässigt, und zuebetzallen verschaffen werden"25.12.
Durch St. IV 66/3 wurde die Superexpens, die endgültige Expenstaxierung nach Durchführung der Exekution25.13, abgeschnitten.
Das Verfahren in Expenssachen ist vor der innerösterreichischen Regierung schriftlich, beim steirischen Schrannengericht mündlich25.14. [Seite: 115]
Die Zwangsvollstreckung ist schon nach StLr. (Art. 6, 11) ein obrigkeitlich autorisierter Akt und keine außergerichtliche Privatpfändung mehr26.2. Bereits nach den meisten Volksrechten war die außergerichtliche Pfandnahme nur auf Grund richterlicher Erlaubnis gestattet26.3.
Die Exekution nach steirischem Recht ist aus der Privatpfändung hervorgegangen; dem Gläubiger wurde der Fronbote als Pfändungsorgan zur Verfügung gestellt26.4. Der siegreiche Kläger weist mit Gerichtsboten26.5 auf die Güter des unterlegenen Gegners26.6; Pfändungsführer ist noch der Gläubiger selbst26.7.
Exekutionstitel sind Behebnus (s. o. S. 64f.), Urteil und die Taxierung der Expens (s. o. § 25)26.8. Nach Ablauf der in der Steiermark üblichen Urteilserfüllungsfrist von sechs Wochen und drei Tagen und der beim Schrannengericht gebräuchlichen Warnungsfrist von weiteren acht Tagen26.9 erlangt der Gläubiger auf Grund des Exekutionstitels bei Gericht den Ansatz26.10 auf Hab und Gut des Schuldners [Seite: 116] und wird hierauf durch den geschworenen Weisboten "nach Ordnung Rechtens" angesetzt26.11.
In den älteren steirischen Rechtsquellen und in den Kärntner Rechtsquellen findet sich an Stelle des Ausdrucks "Ansatz" die Bezeichnung "Weisung" bzw. "Aufweisung"26.12.
Der Ansatz wird von den romanistisch geschulten Juristen gleichgesetzt mit dem primum decretum, das die missio in possessionem anordnet26.13. Vom "Ansatz" als der gerichtlichen Bewilligung ist die Exequierung des Ansatzes, das "Ansetzen" durch den Weisboten zu unterscheiden; dadurch wird ein richterliches Pfandrecht26.14 begründet.
Das Ansetzen darf in duplum des Wertes der Forderung erfolgen26.15. Hinsichtlich der zu pfändenden Gegenstände ist eine bestimmte Reihenfolge vorgeschrieben. Der Schuldner hat keinen Einfluß auf die Pfandwahl26.16. In erster Linie ist auf die Herrengült26.17 zu greifen; wenn diese nicht ausreichen, auf die anderen unbeweglichen Güter und zuletzt auf die "bona mobilia, als Wein, Viehe und andere Fahrnus, ja endlich auch auf des debitoris salarium"26.18.
Der Ansatz kann bei Fehlen von bona allodialia auch auf Lehensgüter geführt werden, und zwar nicht nur auf die Früchte und Nutzung des Lehens, sondern auch auf das Lehensgut selbst, quoad utile dominium26.19. Der Gläubiger kann [Seite: 117] nach Beendigung des Verfahrens vom Lehensherrn die Verleihung des Lehens verlangen.
In Österreich erfolgt das Ansetzen auf Gebäude auf die Art, daß der Weisbote einen kleinen, viereckigen Span aus der Tür des zu pfändenden Gutes schneidet, rotes Wachs auf die ausgeschnittene Stelle klebt und sein Petschaft darauf drückt. Den Span nimmt er mit und hängt ihn an die schriftliche Exekutionsurkunde, damit der Ansetzer sive creditor bei Gericht die Durchführung des Ansatzes beweisen kann26.20. In Krain wird der Pfändungsvorgang als "Spannung" bezeichnet (Crain 7/1)26.21.
Mit dem Ansetzen erlangt der Gläubiger nach steirischem Recht Nutzung und Gewere26.22, die "würkliche Posseß"26.23. Bei einer Mehrheit von Ansätzen kommt dem älteren die Priorität zu26.24.
Eine Resolution Erzherzog Karls vom 21. Juni 158726.25 und eine weitere vom 10. April 159026.26 bestimmten, daß die Schrannengerichte von Steiermark, Kärnten und Krain bei der Exekution von Compaßschreiben26.27 sich gegenseitige Rechtshilfe zu leisten haben26.28.
Die nächste Phase im Exekutionsverfahren ist das Anbot26.29 mit Fürtragung der Pfandobjekte26.30 bei Gericht, das erstmals beim nächsten Recht erfolgt26.31. Im Landschrannenverfahren fehlen die Relation des Fronboten über die [Seite: 118] aufgewiesenen Güter und der Gerichtszeugbrief des ersten Scherms, die sich im Klagenfurter Stadtrecht finden26.32.
Das Pfandfürtragen und das Anbot haben in der Steiermark an drei aufeinanderfolgenden Rechtstagen an den Schuldner zu erfolgen26.33. Falls der Schuldner die gepfändeten Gegenstände bis zum vierten Rechtstag nicht einlöst, kann der Gläubiger um die Bestellung von Schätzungskommissären26.34 ersuchen.
Das Pfandfürtragen entspricht dem Pfandaufgebot des mittelalterlichen deutschen Rechts26.35, das Anbot dem mittelalterlichen Einlösungsangebot26.36. Durch das Pfandaufgebot wurde dem Pfändungsverfahren Offenkundigkeit verliehen; der Schuldner oder dritte Personen konnten Beschwerden gegen die Pfändung vorbringen26.37. Nach dem steirischen Recht des Mittelalters erteilt der Richter dem Gläubiger bei jedem Pfandfürtragen einen Anbotbrief26.38.
Nach erfolgter Schätzung26.39 durch die dazu bestellte Kommission kann der Gläubiger beim vierten Rechtstag um die Erteilung des Landschermbriefs ersuchen, "welcher ihme darauff von Gericht erfolgen und gefertigt werden solle"26.40. [Seite: 119]
Durch die Erteilung des Landscherms26.41 wird der Gläubiger Eigentümer der angesetzten Güter26.42. Im österreichischen Recht entspricht dem Landscherm das "Urlaub"26.43.
Wie im Kärntner Recht26.44 gilt auch nach steirischem Recht das Prinzip des Pfandverfalls26.45. Während aber nach Kärntner Recht die Pfandschätzung fehlt26.46, ist eine solche im steirischen Recht vorgesehen. Mit dem Pfandverfall wird häufig die Pfandschätzung verbunden26.47. Durch die Schätzung soll erreicht werden, daß "nur mehr ein in einer gewissen Relation zum Schuldwerte stehendes Pfand" in das Vermögen des Gläubigers gelangt26.48. St. III 40 und St. IV 69/2 bestimmen dementsprechend, daß im Falle eines Mehrwertes der angesetzten Güter der Schuldner bzw. dessen Erben Anspruch auf Herausgabe des "Übermaßes" haben bzw. der Mehrwert auf andere Schulden angerechnet werden solle26.49. Auf das Übermaß kann auch von einem anderen Gläubiger Exekution geführt werden26.50.
Die Pfandschätzung erfolgt in der Steiermark erst nach Ablauf der Einlösungsfrist (s. o.); diese Regelung findet sich in einer großen Anzahl von Rechten seit der Mitte des 15. Jahrhunderts26.51.
In Kärnten, wo der Schuldner mit der Aufweisung noch im Besitz der [Seite: 120] gepfändeten Güter verbleibt (s. o. Anm. 23), erfolgt nach Erteilung des Landscherms die tatsächliche Einantwortung (Ansetzung) der Güter durch den Fronboten26.52. Sie hatte ursprünglich keine rechtliche Bedeutung26.53.
Das Cantorecht (Vergantung, Ausrufung im Canto)26.54, die Liegenschaftsversteigerung im Konkursverfahren, später auch im Zwangsvollstreckungsverfahren, die sich im Klagenfurter Stadtgericht, später auch im Stadtrecht findet26.55, war weder bei der Kärntner Landschranne noch bei der Landeshauptmannschaft oder den anderen Städten und Märkten gebräuchlich26.56. Dem steirischen und Krainer Landrecht ist es völlig fremd.
Das innerösterreichische Zwangsvollstreckungsverfahren beruht noch im 17. Jahrhundert völlig auf deutschrechtlichen Grundlagen. Das Verfahren zerfällt in eine Reihe von Einzelakten26.57: Ansatz (Aufweisung) — Ansetzung durch den Weisboten — Pfandfürtragung — Anbot — Schätzung und Landschermerteilung. Das geltende Prinzip des Pfandverfalls ist dadurch gemildert, daß der Schuldner Anspruch auf Herausgabe des durch die Schätzung festgestellten Mehrwertes der Pfandobjekte hat (s. o.). Das steirische Zwangsvollstreckungsverfahren weicht vom kärntnerischen in einzelnen Punkten ab. So erfolgt in Kärnten mit der Aufweisung noch keine Pfandwegnahme; erst nach Erteilung des Landscherms erfolgt in Kärnten die tatsächliche Einantwortung. Die Schätzung wurde in Kärnten erst relativ spät eingeführt26.58. Ein Pfandverkauf hat sich im Landrechtsverfahren nicht entwickelt26.59. [Seite: 121]
Das Ausmaß der Schriftlichkeit eines Verfahrens wird vielfach als Gradmesser der Rezeption des gemeinen Prozeßrechts angesehen27.2. Betrachten wir das innerösterreichische Landrechtsverfahren von diesem Gesichtspunkt.
Schenk (S. 67) stellte fest, daß der deutsch-einheimische Prozeß, der auf der Grundlage der öffentlichen Mündlichkeit aufbaute, im 16. Jahrhundert in der Steiermark noch fast ausschließlich herrschte27.3. Canstein (I S. 122) führt aus, daß nach den steirischen Landrechtsordnungen von 1533 und 1574 das Verfahren "vollständig ein mündlich-öffentliches" sei; die Landrechtsreformation von 1622 machte der Schriftlichkeit bereits Konzessionen, insbesondere sei der ganze Beweisprozeß schriftlich27.4.
Eine gewisse Schriftlichkeit des Verfahrens findet sich bereits im mittelalterlichen Recht, vor allem bei der Aufrichtung der Dingnus (StLr. 67, s. o. S. 101 Anm. 38)27.5, ferner bei Fürboten, Zeugbriefen, richterlichem Zahlungsauftrag und Urteilsausfertigungen27.6.
Die Schriftlichkeit setzt sich im 16. Jahrhundert auch bei der Klage durch (so bereits Ampfinger 5); die Ladung muß nach steirischem Gerichtsbrauch stets schriftlich sein (s. o. S. 59 Anm. 16).
Im Beweisverfahren dringt die Schriftlichkeit gleichzeitig mit der Mittelbarkeit des Verfahrens durch den Umstand ein, daß die Zeugen durch eigene "Zeugskommissare" außerhalb der Verhandlung vernommen werden; über das Zeugenverhör wird eine Gerichtsurkunde errichtet (s. o. S. 89)26.7. Bereits nach St. III (1574) [Seite: 122] ist das ganze Beweisverfahren schriftlich; es zerfällt in eine Reihe von Akten: Haupt- und Gegenweisung, Eröffnung der Weisung, Impugnationsschrift27.8.
Das Hauptverfahren mit Klage, Antwort, Rede und Widerrede (s. o. S. 72) bleibt weiterhin mündlich. Noch Beckmann27.9 betont die Mündlichkeit des steirischen Verfahrens im Gegensatz zum österreichischen Prozeß.
Das Appellationsverfahren vor der innerösterreichischen Regierung ist in steirischen Rechtssachen mündlich, während es bei Prozessen aus anderen innerösterreichischen Ländern schriftlich vor sich geht (s. o. S. 105f.). Schriftlich erfolgt aber jedenfalls die Appellationsaufrichtung; der gemeinrechtliche Apostelbrief hat sich eingebürgert.
Das gemeine Prozeßrecht konnte sich im innerösterreichischen Landrechtsverfahren nur sehr allmählich und nur in beschränktem Maße durchsetzen. Die steirische Landrechtsreformation von 1574, die Kärntner Landrechtsordnung von 1577 und die Krainer Landschrannenordnung von 1571 beruhen im wesentlichen auf deutschrechtlichen Grundlagen. Erst die reformierte Gerichtsordnung für die Steiermark von 1618 bzw. 1622 weist in stärkerem Maße den Einfluß des gemeinen Rechtes auf. Deutschrechtlich ist aber weiterhin die Gerichtsorganisation, die Zuständigkeit, der äußere Vorgang der Urteilsfindung mit Rechtsatz der Parteien und Urteilsfrage sowie das gesamte Zwangsvollstreckungsverfahren (s. o. S. 115ff.). Durchgesetzt hat sich das gemeine Prozeßrecht vor allem im Beweisverfahren (Weisungsanzug, Beweisartikel) und im Appellationsverfahren (Appellationseid, Fatalien). Eine Reihe weiterer gemeinrechtlicher Grundsätze und Einrichtungen lassen sich in der steirischen Gerichtsordnung von 1618 bzw. 1622 feststellen: so wurde durch Art. 2/4 das Majoritätsprinzip bei der Beschlußfassung eingeführt (s. o. S. 95); Art. 43 hat die direkte Stellvertretung durch Gewalttrager oder Prokuratoren für zulässig erklärt (s. o. S. 43); Art. 10/2 hat das römischrechtliche Verbot des pactum de quota litis zwischen Partei und Vertreter aufgenommen (s. o. S. 38); Art. 48/3 trifft die gemeinrechtliche Unterscheidung zwischen dilatorischen und peremptorischen Einreden (s. o. S. 70). Art. 54 läßt die gemeinrechtliche Weisung ad perpetuam rei memoriam zu (s. o. S. 84); Art. 56 regelt den Urkundenbeweis (s. o. S. 90). Art 63/8 führte die communio appellationis des gemeinen Prozeßrechts ein und ließ damit die reformatio in peius zu (s. o. S. 108). Art. 64 regelt erstmals gesetzlich die Revision und Art. 65 die restitutio in integrum (s. o. S. 111).
Die Aufnahme des gemeinen Prozeßrechtes wurde vom Landesfürsten im allgemeinen begünstigt; der Adel hingegen hielt am heimischen Landesbrauch fest27.10. So trat der Landesfürst 1613 in einer Resolution für die Einführung des Kalumnieneides bei den steirischen Gerichten ein, die Landschaft war aber [Seite: 123] dagegen und der generelle Kalumnieneid setzte sich in Innerösterreich nicht durch (s. o. § 16).
Der heimische Landesbrauch konnte sich auf dem Gebiete des schrannengerichtlichen Verfahrensrechtes gegen das gemeine Recht gut behaupten, besser als auf privatrechtlichem Gebiete. Ein wesentlicher Grund hiefür ist wohl in dem Umstand zu sehen, daß das Verfahrensrecht in der Steiermark bereits im Mittelalter im "Steiermärkischen Landrecht" eine Aufzeichnung erfahren hatte27.11, und daß es im 16. und 17. Jahrhundert durch Landesordnungen eingehend geregelt war; das gemeine Recht konnte daher auf diesem Gebiet nur schwer Fuß fassen. In erster Linie galt in Österreich der Landesbrauch, soferne er zweifellos feststand; erst subsidiär galt das gemeine Recht27.12. Für eine subsidiäre Geltung war aber wegen der recht eingehenden gesetzlichen Regelung des Verfahrensrechtes wenig Raum. Eingang fand das gemeine Recht zunächst im Beweisverfahren mit der sich dort durchsetzenden Schriftlichkeit; gesetzlich geregelt war der schriftliche Beweisprozeß bereits in den innerösterreichischen Landrechtsordnungen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (St. III, KI.ro., Crain). Die steirische Gerichtsordnung von 1618 bzw. 1622 hat dann dem gemeinen Prozeßrecht in stärkerem Maße zum Durchbruch verholfen (s. o.).
Die Landschranne als das Gericht des landständischen Adels hielt am heimischen Recht stärker fest27.13 als etwa die Stadtgerichte, wo das gemeine Recht früher Eingang fand27.14. Am intensivsten war der Einfluß des gemeinen Rechts wohl auf das Verfahren vor der Regierung27.15.
Einzelne Bestimmungen des innerösterreichischen Prozeßrechtes haben in die AGO und in die ZPO Eingang gefunden, so etwa das Neuerungsverbot und das Verbot der reformatio in peius im Appellationsverfahren. Mit der ZPO sind die deutschrechtlichen Grundsätze der Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens wieder zur Geltung gelangt27.16, die sich besonders im steirischen Landschrannenverfahren lange erhalten hatten. Der innerösterreichische Landesbrauch hat somit einen wesentlichen Beitrag zum geltenden österreichischen Zivilprozeßrecht geleistet. [Seite: 124]