Friedrich Kübl, Geschichte der österreichischen Advokatur (Graz 1925) Kapitel II und III (S. 20-78) :: Transkription Speer 2016

Friedrich Kübl, Geschichte der österreichischen Advokatur (Graz 1925) Kapitel II und III (S. 20-78) :: Transkription Speer 2016

Inhaltsverzeichnis

[Editorial]

Aus urheberrechtlichen Gründen wurde für die Digitalisierung auf die erste Auflage des Werkes zurückgegriffen.

Und es wurden — entsprechend dem Fokus dieser Webseite (österreichische Rechtsgeschichte in der Frühen Neuzeit) — nur die Kapitel II und III digitalisiert. Die Überschriften der übrigen Kapitel lauten:
Einleitung
I. Die Wurzeln der österreichischen Advokatur
a)Der Rechtsbeistand bei den Römern
b)Der Rechtsbeistand bei den Germanen
Die Wechselwirkungen zwischen den römischrechtlichen und deutschrechtlichen Einrichtungen des Rechtsbeistandes
II. Die Entwicklung der beruflichen Parteienvertretung auf österreichischem Boden bis zum Abschluss der Rezeption des Römischen Rechts
III. Die ältere österreichische Advokatur
Die neuere österreichische Advokatur
Anhang: Die österreichische Advokatur nach dem Zerfall der Monarchie
Verzeichnis der benützten Literatur und Quellen
Heino Speer, Klagenfurt am Wörthersee, im Oktober 2016

II. Die Entwicklung der beruflichen Parteienvertretung auf österreichischem Boden bis zum Abschluss der Rezeption des Römischen Rechts.

Es erheben sich zunächst zwei Fragen:
1. Seit wann kommen in den österreichischen Ländern überhaupt Rechtsbeistände vor?
2. Seit wann gibt es daselbst eine berufliche Parteien Vertretung?

Man kann bei Beantwortung dieser Fragen von der Römerzeit gänzlich absehen. Die Länder der Monarchie südlich und westlich der Donau standen zwar vom 2. bis 5. Jahrhundert n. Chr. unter der Herrschaft der Römer, welche offenbar in diese Gebiete auch ihre rechtlichen Einrichtungen, so auch die Advokatur, wenngleich in provinziell verschlechteter Form, getragen haben. Diese Einrichtungen überdauerten aber den Bestand des Weströmischen Reiches nicht, gingen vielmehr gleichzeitig mit demselben unter. Diese Erscheinung erklärt sich daraus, daß die römische Bevölkerung die wesentlichsten Gebiete der österreichischen Alpenländer (die damalige Provinz Norikum) über ausdrücklichen Befehl des Königs Odoaker im Jahre 488 n. Chr. räumte,N.20.1, so daß von einem stillen Weiterleben römischer Rechtssitten, wie dies in anderen Ländern möglich war, keine Rede sein kann. Nur in den südlichsten Teilen der Monarchie, wie Dalmatien, Görz und Südtirol blieb ein verderbtes römisches Vulgarrecht in Kraft. Diese Länder haben aber keinen maßgebenden Einfluß auf die spätere Entwicklung der Advokatur in Österreich genommen und können füglich außer acht gelassen werden. Über die Zeit vom 5. bis 7. Jahrhundert herrscht völliges Dunkel. So viel aber ist gewiß, daß es in diesem Zeitraum auf dem Boden der heutigen österreichischen Länder keine geordnete Rechtspflege gab, geschweige denn eine Rechtsanwaltschaft bestehen konnte. Waren doch diese Gebiete der ständige Kampfplatz der in Bewegung geratenen Stämme der Völkerwanderung und haben die fortwährenden Kriege das Land vollständig verwüstet und entvölkert. Größtenteils bedeckten es wie in Urzeiten Urwälder und Sümpfe. Erst [Seite 21]nachdem die Bayern nach Ausbildung ihres Stammesherzogtumes in Österreich festen Fuß gefaßt hatten, treten wieder halbwegs geordnete rechtliche Zustände ein. Das Institut des Rechtsweisers wird aus dem bayrischem Rechte übernommen; urkundliche Belege hierüber gibt es wohl keine, doch deutet der Umstand darauf hin, daß diese uralte Rechtseinrichtung späterhin mehrfach auf österreichischem Boden vorkommt und sich daselbst mit großer Zähigkeit behauptet. Gerichtstage fanden auf österreichischem Gebiete vermutlich bereits seit dem 8. Jahrhundert statt. Allerdings stammt die älteste Nachricht über einen solchen aus dem Jahre 827, in welchem ein placitum von Puchenau erwähnt wird.N.21.1 Bei diesen Gerichtstagen mögen auch dann und wann Vorsprecher aufgetreten sein, doch kann für diese Zeit keinesfalls davon die Rede sein, daß die Vorsprechertätigkeit bereits berufsmäßig ausgeübt wurde oder daß gar ein Stand der Vorsprecher vorhanden war. Dazu waren vor allem die Gerichtstage vermutlich noch zu unregelmäßig und der gegebene Prozeßstoff zu gering. Für diese Annahme spricht einerseits die Unsicherheit des Landes, welches noch ständig von feindlichen Einfällen hart bedroht war, und anderseits der Umstand, daß es bei der außerordentlich geringen Dichtigkeit der Bevölkerung und ihrer primitiven Wirtschaftsführung sehr wenig Reibungsflächen, also auch geringen prozessualen Konfliktstoff gab. Nicht zu übersehen ist auch, daß bei der eingerissenen Wildheit der Sitten zweifellos eine Reihe von Rechtshändeln nicht im ordentlichen Rechtsgang, sondern mit der Faust entschieden wurde. Endlich kommt noch in Betracht, daß das Land in dieser Zeit außerordentlich arm war. Nun ist aber eine gewisse Wohlhabenheit die unbedingte Voraussetzung für die Entstehung einer berufsmäßigen Rechtsanwaltschaft. Als wirtschaftlich unproduktiver Beruf muß sie von den Erzeugnissen der anderen Stände leben, was natürlich erst dann möglich wird, wenn diese mehr erzeugen, als sie selbst verbrauchen.

Etwa zur gleichen Zeit, wo das Auftreten von Vorsprechern auf österreichischem Boden zumindest möglich ist, dies ist also etwa gegen Ende des 8. Jahrhunderts, können daselbst auch schon „advocati“ als Vermögensverwalter von Klöstern vorgekommen sein. Denn in diese Periode fallen ja die ersten Klostergründungen (z. B. wurde das Kloster Innichen im Jahre 769 und das Kloster Kremsmünster im Jahre 777 gegründet).

Zum Berufe hingegen konnte sich die Rechtsbeistandschaft der Parteien frühestens im Laufe des 12. Jahrhunderts entwickeln. Dafür sprechen folgende Erwägungen:

Erst um diese Zeit waren eine genügende Grenzsicherung hergestellt, der Urwald gänzlich gerodet, die Menschen zufolge der dichter werdenden [Seite 22] den Besiedlung näher aneinandergerückt. Zahlreiche Klostergründungen fallen in diese Periode (so z. B. Klosterneuburg [1114], Heiligenkreuz [1136], Klein-Mariazell [1137], Zwettl [1139], Baumgarten [1140] u. a. m.). Außerdem begann die Städtebildung um diese Zeit. Friesach, Villach (1160), Neunkirchen (1130), Brixen, Trient, Krems, Tulln, Graz, Enns und Wien schwangen sich zu Städten auf. Diese Entwicklung mußte die Reibungsflächen zwischen den einzelnen Menschen, insbesonders aber zwischen den verschiedenen neu entstehenden Körperschaften erheblich vermehrt haben, wodurch das Bedürfnis einer geordneten Rechtspflege naturgemäß gesteigert wurde. Tatsächlich finden wir auch seit dem 12. Jahrhundert in Österreich regelmäßige Gerichtstage, die sogenannten Landtaidinge. Sind aber einmal solche vorhanden, so kann man wohl annehmen, daß sich auch nunmehr ständige Vorsprecher zu entwickeln begannen. Ein urkundlicher Nachweis dafür läßt sich allerdings nicht erbringen. Allein aus den zahlreichen Aufzeichnungen des 13. Jahrhunderts, welche im wesentlichen einfach als Fixierung alter Gewohnheitsrechte angesehen werden können, läßt sich der Entwicklungsgang, welchen das Vorsprechertum in Österreich bereits im 12. Jahrhundert genommen hat, annähernd feststellen. Als Rechtsquellen kommen der Sachsenspiegel (verfaßt etwa um 1260) und insbesonders der Schwabenspiegel (1275) in Betracht, dessen außerordentliche Verbreitung in Österreich darauf hinweist, daß seine Vorschriften mit den tatsächlich geübten Gewohnheiten im Einklang standen. Übrigens erwähnt schon das österreichische Landrecht (1236/37), die älteste österreichische Rechtsaufzeichnung über Privatrecht, den Vorsprecher. So heißt es im Absatz LXII:
„Es soll der Landesherr Kain frag haben wann das ist nicht recht werde jemand icht der soll clagen in offner Schrann mit Vorsprechen vnd soll man richten als recht ist nach des Landes Gewohnheit.“N.22.1

Als Vorsprecher zu fungieren war Recht und Pflicht eines jeden dingpflichtigen Mannes. Es stand in der Macht des Richters, jeden Gerichtsgenossen mit der Tätigkeit eines Vorsprechers zu betrauen und durfte man sich ohne gewichtigen Grund diesem Auftrag nicht entziehen. Irgendeine besondere fachliche Vorbildung war nicht vorgesehen. Hingegen bildeten jene Umstände, welche die Vollberechtigung eines Mannes beeinträchtigten, ein Hindernis, um als Vorsprecher auftreten zu können. Diese Funktion konnten infolgedessen Meineidige, Geächtete, Juden, [Seite 23] Heiden, Ketzer, Uneheliche, Lahme, Blinde, Stumme, Toren, Personen unter 21 Jahren und über 80 Jahren nicht ausüben (Schwabenspiegel, Kap. 72). Lange Zeit hindurch wurde noch das Vorsprechen als ein Ehrenamt betrachtet, das unentgeltlich auszuüben war. Der Sachsenspiegel sprach sich über die Frage der Entlohnung des Vorsprechers nicht aus. Wenn nun auch anzunehmen ist, daß zur Zeit seiner Abfassung die Vorsprache im allgemeinen noch immer unentgeltlich war, so ist doch darauf zu verweisen, daß in dem genannten Rechtsbuch (I, 61, § 4) bereits das Auftreten von auswärts geholter Vorsprecher erwähnt wird. Dies deutet darauf hin, daß sich schon ein Berufsstand zu bilden begann, der naturgemäß auch für seine Tätigkeit entlohnt werden mußte. Der Schwabenspiegel (Kap. 72) läßt den Ersatz von Reiseauslagen für den Vorsprecher zu. Man scheint aber denselben auch beschenkt zu haben, denn sonst hätte die Bestimmung des genannten Rechtsbuches keinen Sinn, welche ausdrücklich befiehlt, armer Leute Sachen umsonst zu führen.N.23.1 In Österreich herrschte an einigen Orten der Brauch, daß die Parteien den Vorsprecher während der Dauer des Dinges freihielten.N.23.2 Im Gegensatz dazu erklärt das altprager Stadtrecht (1269) einen Vorsprecher, der Belohnung annimmt, für ehr- und rechtlos.N.23.3

Wie man sieht, hat sich das Vorsprechertum selbst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch nicht gänzlich zu einem erwerbsmäßig betriebenen Beruf herausgebildet, wohl aber sind bereits sehr erhebliche Ansätze dazu vorhanden. Schon der immer schärfer sich ausprägende Formalismus, welcher die geringfügigsten Einzelheiten des Rechtsganges regelte, brachte es mit sich, daß nicht jeder beliebige Dinggenosse das Amt des Vorsprechers übernehmen konnte. Die Ausübung desselben begann Routine zu fordern. Auch das materielle Recht war in dieser Zeit verwickelter geworden. Die populäre Kenntnis des Rechtes, über welche in früheren Zeiten jeder verfügte, wurde bereits als unausreichend empfunden. Es war also der Vorsprecher auch genötigt, sich Rechtskenntnisse anzueignen. Die unerläßliche Routine in formaler Beziehung sowie die Kenntnis des materiellen Rechtes drängten aber mit unwiderstehlicher Gewalt zur Berufsbildung.

Allerdings hat das germanische Recht zwei Sicherheitsventile geschaffen, welche es dem ungeübten Vorsprech ermöglichen sollten, ohne sonderliche Gefahr und Schaden für sich und seine Partei seines Amtes zu walten. Es sind dies die Einrichtungen, welche in der mittelalterlichen [Seite 24] Rechtssprache mit „Holung und Wandel“ und „Run und Rat“ bezeichnet werden.

Unter „Holung und Wandel“ versteht man das Recht der Partei, welches sich diese allerdings bei Beginn der Gerichtsverhandlung, bei dem sogenannten Eindingen, vorbehalten muß, Erklärungen ihres Vorsprechers eventuell nicht zu genehmigen. Auf diese Weise wurde es möglich gemacht, Formverstöße, die sich der Vorsprech zuschulden kommen ließ, zu korrigieren. Allerdings mußte in einem solchen Fall letzterer eine Buße an das Gericht bezahlen, doch konnte er mit seiner Partei ausmachen, daß ihm diese wegen etwa verhängter Bußen schadlos halte.

Unter „Run und Rat“ versteht man das Recht des Vorsprechers, das sich dieser gleichfalls zu Beginn der Gerichtsverhandlung vom Gericht erbitten muß, aus dem gehegten Kreis der Gerichtsversammlung auszutreten und sich abseits derselben mit dritten Personen über die einzuschlagenden Schritte zu beraten. Solche konsultativ herangezogene Personen, welche offenbar über Rechtskunde verfügten, werden in Österreich Weiser oder Steurer genannt. Doch kennt das germanische Recht für dieselben noch eine Anzahl anderer Bezeichnungen wie Rauner, Ratgeb, Warner, Anweiser, Lauscher, Horcher, Hörer, Währer, Bewahrer.

Diese beiden Institutionen vermochten vielleicht die Entwicklung des Vorsprechtumes zu einem Berufe etwas zu verlangsamen, nicht aber dieselbe zu hemmen. Die letztangeführte Einrichtung hat aber eine über ihren ursprünglichen Zweck hinausgehende Bedeutung erlangt. „Run und Rat“ bringt nämlich ein wesentliches echt advokatorisches Element zur Geltung: Besteht doch die Funktion des Weisers in der Hauptsache darin, Rechtsgutachten zu erteilen.

Die Tätigkeit eines derartigen Ratgebers war offenbar von allem Anfang an honoriert.N.24.1 Es erklärt sich dies daraus, daß ein solcher Rechtsweiser nicht Mitglied der Gerichtsgemeinde war, sondern außerhalb derselben stand und von dem Vorsprecher zu seiner Unterstützung eigens herbeigerufen wurde. Daß zu diesem Behufe nur Männer herangezogen wurden, welche sich Studium und Anwendung des Rechtes zur Lebensaufgabe gemacht haben, liegt auf der Hand. Für einen Gemeindefremden bestand gewiß nicht die Ehrenpflicht der kostenlosen Ratserteilung, Daß aber rechtsgelehrte Weiser in der Regel von auswärts berufen wurden, hat seinen Grund in der verhältnismäßig noch jungen materiellen und geistigen Kultur Österreichs bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts.[Seite 25] Noch war das Land nicht genügend geistig entwickelt, daß sich etwa in jedem Gerichtsbezirk eine geeignete Persönlichkeit gefunden hätte, den Anforderungen der damals im Ausland, so namentlich den in Bologna, aber auch in Padua, Perugia und später Paris aufblühenden hohen Rechtsschulen zu genügen. Und nur die Erlangung eines akademischen Grades an einer derartigen Schule gab die nötige Autorität, allenthalben als Rechtsgutachter aufzutreten. Das Land war aber auch zu arm, um sich den Luxus zu gestatten, eine größere Anzahl von Personen ins Ausland zu schicken, um sich daselbst den recht langwierigen und kostspieligen Rechtsstudien zu widmen. Daher kommt es, daß in dieser Zeit Rechtsgelehrte in Deutschland sich nicht an einem bestimmten Platz ansiedeln, sondern je nach Bedarf von Ort zu Ort ziehen. Für Österreich ist dies zwar nicht urkundlich beglaubigt, doch dürften hier im Hinblick darauf, daß der Stand der geistigen und wirtschaftlichen Kultur daselbst jenem in den übrigen Teilen Deutschlands sehr ähnlich war, die gleichen Zustände geherrscht haben.N.25.1

Vorsprecher und Rechtsweiser vereinigen zusammen bereits sämtliche grundlegenden Elemente der Advokatur. Beide Beschäftigungsarten, welche sich etwa Mitte des 13. Jahrhunderts zu Berufen ausbilden, sind jedoch wesentlich voneinander verschieden. Der Weiser ist Rechtsgelehrter, an keinen Ort gefesselt und seine Tätigkeit ist ausschließlich eine außergerichtliche. Der Vorsprecher ist Laie und, wenn dies auch in der Regel nicht gesetzlich festgelegt war, durch die Macht der Tatsachen an einen bestimmten Ort gebunden. Seine Tätigkeit ist hauptsächlich eine gerichtliche. Die tatsächlich örtliche Bindung des Vorsprechers brachte auch eine gewisse Organisation des Standes mit sich, an welche bei der mangelnden Seßhaftigkeit der Rechtsweiser gar nicht zu denken war. Es herrschte zwar in der Regel keine Vorsprecherzwang, doch riet bereits der Sachsenspiegel dringend, sich eines Vorsprechers zu bedienen. Speziell in Österreich nötigten vielfach örtliche Gewohnheiten, einen solchen zu verwenden.N.25.2 In Tirol erscheinen häufig bestellte oder geschworene Redner, zumeist in beschränkter Zahl, neben denen Fremde nur bedingt zugelassen werden.N.25.3 Beschränkungen nach Ort und Zahl sowie die Nachwirkung altgermanischer Rechtsanschauungen lassen es begreiflich erscheinen, daß man in dem Vorsprecher nicht [Seite 26] so sehr den Vertreter der Partei als den Beauftragten des Richters erblickte. Daher verlangte das Rechtsbewußtsein dieser Zeit, daß der Vorsprecher nur für eine Sache eintrete, welche er persönlich für gerecht hält.N.26.1

Daß sich in einer Epoche, welche auf gar keinem Gebiete eine scharfe Kompetenzabgrenzung kannte, unzweifelhaft Zwischenstufen zwischen dem Rechtsweiser und Vorsprecher ausbildeten, bedarf wohl keines besonderen Nachweises. Namentlich Studenten, welche es zu keinem akademischen Grad bringen konnten, waren es, aus deren Kreisen halbgelehrte Vorsprecher, Urkundenschreiber u. dgl. hervorgingen.

Neben der Zweiteilung der Rechtsbeistandschaft, welche sich auf dem Boden des germanischen Rechtes entwickelte, erwachte auch die römische Berufsteilung zwischen Advokatur und Prokuratur zu neuem Leben, und zwar zunächst auf dem Gebiete des kanonischen Rechtes. Das Herrschaftsbereich der römischen Kirche war im 12. Jahrhundert bedeutend gewachsen und es darf einen nicht wundernehmen, wenn diese, die ja die Tradition des römischen Weltreiches übernommen hatte, auch dessen Recht zur Stütze ihrer Macht und ihres Einflusses ausbaute. Dabei kam der Kirche zugute, daß in Italien die Kenntnis und die Anwendung des römischen Rechtes niemals gänzlich erloschen war. Vom 11. Jahrhundert angefangen, in welchem die politischen Verhältnisse Italiens schon einigermaßen stabilisiert waren und außerdem bereits ein Ausgleich zwischen den verschiedenen in den vergangenen Jahrhunderten daselbst eingedrungenen Rassen stattgefunden hatte, begann die wissenschaftliche Behandlung dieses Rechtes von neuem. Die Kirche hatte also nicht etwa einen Wiederbelebungsversuch zu machen, sie nahm einfach Einrichtungen auf, die sie um sich her vorfand. Allerdings verarbeitete sie dieselben in der ihr eigenen Denkungsweise. So erhielt der römische Prozeß jenen Zug trockener Pedanterie, welcher dem die damalige Kirche beherrschenden Mönchs- und Ordenswesen eigen ist. Vor allem wird in dem kanonischen Prozeß viel mehr geschrieben als in dem ehemaligen römischen. Dazu kommt die Sucht, jede Materie durch Einteilungen und Unterteilungen übermäßig zu zergliedern, welche Geistesrichtung in der Wissenschaft zu der sogenannten Scholastik führt. Auch das Prozeßrecht wird von dieser Geistesströmung erfaßt. Der Tatbestand wird in eine möglichst große Summe von Unterabschnitten zerlegt, welche „positiones“ genannt werden. Wird von der Gegenseite eine solche Position bestritten, so muß sie bewiesen werden. [Seite 27] Da aber ein derartiger Beweis zufolge der räumlichen Ausdehnung des kirchlichen Herrschaftsgebietes sehr häufig an Orten durchgeführt werden mußte, welche weit entfernt von dem Wohnsitz der Streitteile lagen, benötigten diese bei der Beweisaufnahme einen Stellvertreter. Denn noch war wie im altrömischen Prozeß die persönliche Gegenwart der Partei, bzw. deren Stellvertreter bei der Vornahme einer Prozeßhandlung unerläßlich. Für einen solchen Stellvertreter hat bereits das römische Recht in der Gestalt des Prokurators gesorgt, welcher nunmehr auch von dem kanonischen Prozeß übernommen wurde. Ganz wie im römischen Recht galt daselbst zunächst die Übernahme der Prokuratur als eine Gefälligkeit, für welche eine Bezahlung nicht zu leisten war. Eine besondere Vorbildung war nicht gefordert und auch nicht notwendig, da ja der Prokurator bloß die abwesende Partei zu supplieren hatte.

Der Advokat hingegen war nie Bevollmächtigter der Partei, er war vielmehr ausschließlich ihr Rechtsbeistand. Er erteilte Gutachten, stellte, was seine Hauptaufgabe war, die schriftlichen „positiones“ auf und vertrat vor Gericht. Durch die gesteigerte Schriftlichkeit verlor die mündliche Gerichtsverhandlung erheblich von ihrer Bedeutung; immerhin konnte bei den Romanen zufolge der vielhundertjährigen Tradition das gesprochene Wort nicht ganz verdrängt werden. Nur artete die Rede unter dem Einfluß der Scholastik allmählich in eine übertriebene Dialektik aus.

Dies ist der Rechtszustand, wie er in den Prozeßlehrbüchern des 12. Jahrhunderts, dem „Ordo judicarius“ des Jahres 1161 und dem „Ordo judicarius“ des Magisters Ricardus Angelicus des Jahres 1181 niedergelegt erscheint. Tankred, der bedeutendste Prozessualist dieser Zeit, definiert die Advokatur in nachstehender Weise: „Officium advocati est, stare et omnia proponere, quae clientulo suo expedient et ante litem contestatam de salario convenire“ (De judiciorum ordine, 1216).N.27.1

Die Neigung zum Klassifizieren und Systemisieren, welche der kirchlichen Wissenschaft innewohnte, brachte es mit sich, daß bereits von der Mitte des 13. Jahrhunderts an die Prokuratur und Advokatur im kanonischen Prozeß schärfer voneinander geschieden wurden. Schon die „Summa de ordine et processu spiritualis“ (Mitte des 13. Jahrhunderts) zählt fünf Personen auf, welche für den Prozeß notwendig sind: testis, advocatus, assessor, procurator et auditor. Auf dem Konzil zu Lyon (1274) wird die Beeidigung des Advokaten in Erinnerung gebracht und jene des Prokurators neu eingeführt. Gleichzeitig wird eine Gebührenordnung für beide Berufe festgesetzt, wobei beachtlich ist, daß die Gebühren des Advokaten höher als jene des Prokurators bemessen sind.N.27.2 Auf der [Seite 28] Synode von Canterbury wurde die Unvereinbarkeit der Prokuratur mit der Advokatur ausgesprochen.N.28.1 Gleichzeitig wurde die Advokatur lokalisiert und eine beschränkte Zahl von Advokatenstellen geschaffen. Die in diesen Maßregeln gelegene Bureaukratisierung brachte es mit sich, daß auch die Pflichten des Advokaten, die nunmehr als Amtspflichten aufgefaßt werden, genau umgrenzt und für die Zulassung zur Advokatur feste Regeln aufgestellt werden. Es wurde ein vieijähriges Universitätsstudium und eine einjährige Vorbereitungspraxis verlangt.N.28.2

Diese kirchliche Institution drang offenbar in Österreich spätestens um die Wende des 12. und 13. Jahrhunderts ein, hat sich ja um diese Zeit, wie schon erwähnt, der Besitzstand der Kirche ganz erheblich erweitert, was wiederum eine rechtliche Klärung ihrer internen Angelegenheiten dringend notwendig machte. Daß der Begriff der Prokuratur in Österreich bereits im 13. Jahrhundert bekannt war, beweist, daß daselbst um 1275 ein Organ des Landesfürsten aufscheint, das „scriba et procurator Austriae“ heißt. Dasselbe war vermutlich mit der Einhebung von Steuern betraut und trat als Bevollmächtigter des Herzogs von Österreich auf.N.28.3 Der Beruf des Advokaten hingegen war den kanonischen Einrichtungen in Österreich schon früher, wie in dem vorigen Kapitel ausgeführt wurde, nicht fremd. Allerdings war diese ursprünglich klösterliche Advokatur in ihrem wesentlichen Teil dem Feudalisierungsprozeß anheimgefallen, der alle Ämter im Mittelalter ergriff. Es hatte sich aus ihr die sogenannte Schutzvogtei entwickelt, die in der Regel der Landesherr ausübte. Von diesem Feudalamt spaltete sich jedoch die rein gerichtliche Funktion ab, welche sich zur Gerichtsvogtei umbildete, deren Aufgabe nach wie vor die gerichtliche Vertretung der Klöster und ihrer Schutzbefohlenen war, welch letztere im Hinblick darauf auch „homines advocaticii“ hießen. An diese Institution konnte sich die Advokatur, wie sie der kanonische Prozeß über die Alpen brachte, leicht anschließen. Aber trotz der Universalität, welche die Kirche damals theoretisch besaß, war es noch nicht möglich, Einrichtungen, welche im tiefsten Grunde dem romanischen Rechtsgeiste entsprangen, ohne Änderungen auf germanischen Boden zu verpflanzen. Insbesondere gedieh daselbst die Gerichtsrede nicht, woran die ausländischen Lehrbücher des kanonischen Prozesses und der Beredsamkeit, welche in Deutschland hoch geachtet und viel verwendet wurden, nichts änderten.N.28.4 Im Gegenteil, diese Schriften wurden in [Seite 29] mißverständlicher Auslegung zu Ausgangspunkt und Quelle einer unerträglichen Rabulistik. Auch das Verhältnis zwischen Advokatur und Prokuratur erfuhr durch Anlehnung an die früher geschilderte heimatliche Zweiteilung eine Änderung. Da sich jedoch diese Wandlung erst im 14. Jahrhundert vollzog, soll von derselben erst im Laufe der folgenden Erörterungen die Rede sein.

Das 14. Jahrhundert brachte in Österreich einen außerordentlichen Aufschwung des wissenschaftlichen Lebens, welcher sich schon äußerlich durch die Gründung der Universitäten in Prag und Wien manifestierte. Allerdings haben diese beiden Hochschulen in dem ersten Jahrhundert ihres Bestandes noch nicht, wie es später der Fall war, entscheidend auf die Entwicklung der österreichischen Advokatur eingewirkt. Dazu waren ihre juridischen Fakultäten noch viel zu schwach, wozu noch kommt, daß in Wien bis zum Jahre 1494 nur kanonisches Recht gelesen wurde, während ein Lehrer des römischen Rechtes überhaupt nicht vorhanden war.N.29.1 In Prag wurde zwar bereits etwa im Jahre 1399 römisches Recht tradiert, jedoch nur nebenbei, gewissermaßen als Luxusgegenstand.N.29.2 Indirekt wurde aber der Einfluß des erwachenden Universitätslebens auf die Rechtspflege und insbesonders auf die Rechtsbeistandschaft deutlich fühlbar.

Vor allem hat der von den Hochschulen ausgehende wissenschaftliche Geist zu zahlreichen Bearbeitungen des vorhandenen Rechtsstoffes geführt. Die beste Arbeit dieser Art, nämlich das Wiener Stadtrechtbuch, stammt von einem Vorsprech,N.29.3 ein deutlicher Beweis dafür, daß das Vorsprechertum bereits seine ursprüngliche Laienhaftigkeit abzustreifen und in einen wissenschaftlichen Beruf überzugehen begann. Andere in dieser Zeit entstandene Arbeiten gaben wiederum genaue Anweisungen über das Verhalten des Vorsprechers vor Gericht, was gleichfalls für die Herausbildung eines wissenschaftlichen Berufes spricht. Sowohl der „Richtsteig Landrechts“ als auch die Blume des Sachsenspiegels enthalten derartige Anleitungen.

Ferner wurde ein festgeregelter Unterrichtsplan für Rechtsbeflissene geschaffen, an welchem es bisher gemangelt hatte. Die juridische Fakultät gehörte zu den sogenannten höheren Fakultäten, deren Besuch erst gestattet war, wenn man die artistische FakultätN.29.4 absolviert hatte. An letzterer wurden die sogenannten sieben freien Künste, und zwar Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie gelehrtN.29.5 Als dann später — etwa seit dem ersten Drittel des 16. [Seite 30] Jahrhunderts — der Weg zur Advokatur ausschließlich über die Universität führte, bildete diese noch immer fortbestehende Bestimmung betreffend die artistische Fakultät eine wesentliche Garantie, daß die Rechtsanwaltschaft auch über eine genügende allgemeine Bildung verfügte, was um so bedeutungsvoller war, als es damals ein geregeltes Mittelschulwesen in unserem Sinne nicht gab.

Endlich erwies sich die Organisation der Universitäten als Korporation, welche sie in Nachahmung der Statuten der Universitäten von Bologna und Paris erhielten, für die Entwicklung der wissenschaftlichen Jurisprudenz im allgemeinen und der Advokatur im besonderen als vorteilhaft. Vor allem ist darauf hinzuweisen, daß die freigewählten Universitätsbehörden eine sehr weitreichende Jurisdiktion ausübten. Es gehörten nämlich damals zu dem Universitätskörper nicht nur die Lehrer und Studenten, sondern auch alle bereits graduierten Akademiker, ferner die Pedelle, Boten, Notare, Buchhändler und Buchschreiber.N.30.1 Diese Rechtsprechung oblag im wesentlichen der juridischen Fakultät; deren Lehrer waren infolgedessen während des ganzen Mittelalters niemals reine Theoretiker, sondern hatten vielfach auch praktisch zu wirken. Infolgedessen lag es nahe, sich an die juridische Fakultät auch in Fällen zu wenden, welche mit ihrer autonomen Rechtsprechung nichts zu tun hatten. Die Universität gab über solche Anfragen ihr Gutachten ab. Dieselben wirkten in der ersten Zeit nur kraft ihrer inneren Autorität; erst später wurden sie durch gewohnheitsrechtliche Entwicklung rechtsverbindlich. In einer derartigen Gutachtertätigkeit liegt aber eine wesentliche Funktion des advokatorischen Berufes. Noch eine andere Tätigkeit, welche in mancher Beziehung eine Verwandtschaft mit der Advokatur aufweist, war vielfach den Lehrern der juridischen Fakultät übertragen: die Diplomatie. Unterhandlungen zu führen und Verträge zu schließen, ist sowohl Sache des Advokaten als auch des Diplomaten. Gegenwärtig ist der Stoff, an dem diese Tätigkeit geübt wird, bei beiden Berufen so verschieden, daß man die Ähnlichkeit nicht so leicht merkt. Im Mittelalter war dieser Unterschied zufolge der privatrechtlichen Auffassung vom Staate nicht allzu groß. Advokatur und Diplomatie unterschieden sich nicht wesentlich voneinander und es gab vielfach Männer, die bald in der einen, bald in der andern Eigenschaft wirkten. Diese Entwicklung, welche außerordentlich zur Förderung des Ansehens der Advokatur beitrug, nahm ihren Ausgangspunkt von den Universitäten. Angesehene Rechtslehrer wurden in diplomatischen Zwistigkeiten zwischen einzelnen Landesherren, Städten, Kirchenfürsten u. s. w. in gleicher Weise als Gutachter oder Schiedsrichter herangezogen wie bei privatrechtlichen Streitfragen. So erstattete der an der Wiener Universität wirkende Lehrer Caspar von Meiselstein anfangs des 15. [Seite 31] Jahrhunderts ein Gutachten über die Teilung der niederbayrischen Herzogtümer. Desgleichen vertrat die Wiener Universität auf den Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel die österreichischen Interessen.N.31.1 Diese vielfache juristische Tätigkeit der Universitäten verschaffte ihnen ein bedeutendes Ansehen, welches auf alle graduierten Mitglieder derselben ausstrahlte. Jeder doctor juris konnte im 14. und 15. Jahrhundert darauf rechnen, in Rechtsfragen allerersten Ranges, sei es als Schiedsrichter, Gutachter oder Vertreter einer Partei, herangezogen zu werden. Zu keiner dieser Tätigkeiten bedurfte er einer besonderen Legitimation, die Autorität des Wissens und genossenen Bildungsganges allein genügte. Derartige Persönlichkeiten waren nun wohl noch nicht Advokaten in unserem Sinne, ebenso wie man sie nicht als Richter, Verwaltungsbeamte oder Diplomaten in unserem Sinne bezeichnen kann, aber von allen diesen Berufen nähern sie sich noch zufolge ihrer Unabhängigkeit und einem gewissen künstlerischen Einschlag, der ihrer Tätigkeit und ihrem ganzen Leben innewohnt, am meisten der Advokatur. Selbstredend waren diese Doktoren vornehme Herren, mehrfache gesetzliche Bestimmungen stellen sie im Range dem Adel gleich.N.31.2

Nur ein Zweig advokatorischer Tätigkeit wurde von gelehrten Juristen damals gänzlich mißachtet, das ist die Verteidigung in Strafsachen. Der Grund hiefür mag einerseits in der barbarischen Roheit des damaligen Strafrechts gelegen sein, welche feingebildete Geister abstieß. Dazu kommt aber zweifellos noch hinzu, daß die Strafverteidigung den gelehrten Juristen nicht vornehm und einträglich genug dünkte. Es kam diese geradezu in Verruf, wozu wohl auch noch die altgermanische Idee, daß man nur gerechte Sachen vertreten dürfe, beigetragen haben mag. So wurde z. B. in Bayern, dessen Rechtsentwicklung der österreichischen sehr nahe steht, auf dem Landtagabschied von Landshut (1474) angeordnet, daß kein Vorsprecher, der über Blut redet, vor dem Hofgericht reden dürfe, was sonst jeder fromme Mann tun kann.N.31.3

Die durch die Universitätsgründungen hervorgerufene intensive Beschäftigung mit kanonischem Recht trug dazu bei, dem kanonischen Prozeß in Österreich in verstärkter Weise Geltung zu verschaffen. Die Bezeichnungen Prokuratur und Advokatur bürgern sich ein und werden nicht nur den Rechtsgelehrten, sondern auch schon dem Volke geläufig. Einen Beweis hiefür liefern die sogenannten Teufelskomödien, welche seit dem 14. Jahrhundert als Osterspiele in Tirol beliebt werden. Der Inhalt desselben ist, wie Luzifer, nachdem die Vorväter durch das Erlösungswerk aus der Hölle befreit sind, diese wieder durch Entfachung der menschlichen Leidenschaften zu bevölkern trachtet. In der ersten Szene sendet er seine Teufel in alle Welt aus, in der zweiten Szene kommen [Seite 32] sie mit ihrer Beute zurück: sie schleppen die Seelen von Advokaten, Kaufleuten und Weinschenkern herbei.N.32.1 Man sieht, der Advokat ist bereits eine typische Figur geworden. Die antipathischen Züge, welche ihm die Volksphantasie beilegt, berechtigen zu dem Schluß, daß die Vorbilder zu derartigen Schwänken weder in den volkstümlichen Vorsprechern noch auch in den gelehrten römisch-rechtlichen Advokaten zu suchen sind, sondern in dem mißgestalteten Zwitterkind dieser beiden Berufe. Eine unvermeidliche Nebenwirkung der Gründung der Universitäten war das rasche Steigen der Zahl der Halbgelehrten.N.32.2 Es gab zahllose Studenten, deren Fähigkeit und Fleiß nicht ausreichten, einen akademischen Grad zu erwerben. Hatte ein solcher Student sich nur einige Gewandtheit im Gebrauch der lateinischen Sprache angeeignet, so war er bereits dem alten ungelehrten Vorsprecher gegenüber überall im Vorteil, wo möglicherweise der kanonische Prozeß in Anwendung kommen konnte. Denn dieser wurde nur in lateinischer Sprache geführt. So dringt Halbgelehrsamkeit immer mehr in das Vorsprechertum ein. Dem Streben aller Halbgebildeten nach flunkernden Titeln entspricht es, daß sich diese armseligen Lateinschüler Advokaten oder Prokuratoren nennen. Ein Recht dazu hatten sie gewiß nicht, aber bei der mangelnden Durchbildung der damaligen staatlichen Organisation wehrte ihnen auch niemand den Gebrauch dieser Titel. Erwägt man nun, welch zweifelhafte Elemente sich in der Studentenschaft — den fahrenden Scholaren — befanden, so wird man die ethische Depravation des Vorsprechertums begreifen.

Dazu kommt noch, daß genau so, wie seinerzeit auf italienischem Boden der Zusammenstoß romanischer und germanischer Rechtsanschauung zunächst eine Senkung des ethischen Niveaus bewirkt hat, auch in dieser Periode das Eindringen romanischer Rechtsideen in die germanische Gedankenwelt mit einer Vergröberung des Rechtsempfindens verbunden ist. So gibt z. B. die Blume des SachsenspiegelsN.32.3 den Vorsprechern den gewiß nicht einwandfreien Rat, „dy lewte czu dir locken, vnd dem rychter vnd den scheppfen lybekosen, vnd salt den rychter hirre (Herr) heyssen vnd dy scheppfen getrewe vnd erbar“. Die Stelle schließt sodann : „smere den karren vnd fider dy ross, so get der karre desto baz“.

Die Versuche der Nachahmung römischer Plaidoyers, welche die Vorsprecher mitunter an Stelle der bisherigen kurzen Fragen zu setzen trachteten, arteten in eine Verzettelung der Rechtssachen aus, wogegen sich damals das Volksrechtsbewußtsein noch stemmte. So heißt es in einem Weistum von Reichenau (Steiermark) etwa um das Jahr 1400:N.32.4 [Seite 33] „welche fürohin bei gericht den partheien röden wollen, denselben procuratoribus soll keines weeg gestat sein, die theil ungebürlicher weiss umbzefüren, noch ainich falsch lüstigkeit ze brauchen und die gerichtliche prozess zu verlengern.“

Freilich kann man anderseits auch, zumindest in der Theorie, sehen, daß einzelne Partien des corpus juris sittlich veredelnd auf die Parteienvertretung wirkten. Unverkennbar ist z. B. der Einfluß der bereits zitierten Pandektenstelle L. 14, De advoc. div. jud. 2, 7, auf die Glosse zum Weichbildrecht, welche über die Mission des Vorsprechers folgendes sagt : „vorsprechen gesazt sien zu der gemeinen nuze, deme rechte zu dienen unde der gemeinen, das sich cleger unde antwerter vor schaden bewaren sallen; des sie nicht bewaren künden, wenne sy nicht vorsprechen hetten. die vorsprechen sien genannt des rechtis strittliche rittere, wenne so der krigliche ritter mit dem swerte der gemeine nuz beschermit unde stritit, also tut der vorspreche mit seiner vornunft vor das recht.“

Von einschneidender Bedeutung für die Entwicklung der Advokatur wurde die Errichtung des Reichskammergerichtes (1495). Wenn auch dasselbe keinen direkten Einfluß auf Österreich ausübte, so wirkten doch dessen Einrichtungen vorbildlich und wurden diese in zahlreichen Gesetzen, welche in den österreichischen Ländern im Laufe des 16. Jahrhunderts erflossen, vielfach nachgeahmt. Speziell über die Advokatur und Prokuratur finden sich zahlreiche Bestimmungen in den Reichskammergerichtsordnungen, welche in die österreichische Gesetzgebung und Praxis allmählich übernommen wurden. Es erscheint daher notwendig, die prozeßrechtlichen Einrichtungen des Reichskammergerichtes, soweit diese die Advokatur und Prokuratur berühren, kurz zu skizzieren.

Das Reichskammergericht übernahm den römisch - kanonistischen Prozeß und mit ihm auch die Einrichtungen der Advokatur und Prokuratur. Die Funktionen dieser beiden Berufe waren offenbar Ende des 15. Jahrhunderts bereits so fest ausgebildet, daß keine einzige Kammergerichtsordnung deren Begriffsdefinition und Abgrenzung für notwendig hielt. Dennoch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Advokatur und Prokuratur zwei getrennte Berufe waren, was schon daraus erhellt, daß der Reichstagsabschied von Freiburg (1498) den Grundsatz der Unvereinbarkeit derselben aufstellte, welcher sich allerdings in der Praxis nicht durchzusetzen vermochte. Wenn auch die Gesetzgebung über diesen wichtigen Punkt schweigt, so läßt sich doch aus den Ausführungen der geläufigsten Prozeßlehrbücher dieser ZeitN.33.1 sowie auch [Seite 34] aus sonstigen UrkundenN.34.1 mit voller Deutlichkeit erkennen, worin sich Prokuratur und Advokatur beim Reichskammergericht unterschieden. Dieser Unterschied geht auf eine deutschrechtliche Einrichtung zurück, welche in den Reichskammergerichtsordnungen Eingang gefunden und sich daselbst trotz ihrer absoluten Zwecklosigkeit mit großer Zähigkeit bis zur Auflösung dieses Gerichtes erhalten hat: es ist dies die feierliche Gerichtssitzung (die sogenannte Audienz), bei welcher sämtliche Kammergerichtsmitglieder anwesend sein sollten. Alle Eingaben, welche von den Rechtsbeiständen verfaßt wurden, mußten in einer derartigen Sitzung, in der man unschwer das Abbild der altgermanischen Gerichtsversammlung erkennen kann, mit bestimmten formelhaften Wendungen überreicht werden. Das Recht, bei einer solchen Gerichtssitzung zu erscheinen und Eingaben zu überreichen, war ausschließlich dem Prokurator gewährt. Damit hängt zusammen, daß dieser auch alle Eingaben signieren mußte. Faßt man die feierliche Sitzung als eine germanische Gerichtsversammlung auf, so erscheint der Prokurator als nichts anderes als der deutschrechtliche Fürsprech. Allerdings ist dessen mündliche Tätigkeit zu einem inhaltsleeren Formalakt, welcher die Mündlichkeit gewissermaßen nur symbolisiert, herabgesunken. Außer der formelhaften Ansprache bei Überreichung der Akten, welche allerdings hie und da von sehr gewandten Prokuratoren zu kurzen spitzigen Ausfällen auf den Gegner benützt wurde, hatte der Kammergerichtsprozeß keinen Raum für mündliche Betätigung des Prokurators. Nicht einmal bei der Einvernahme der Zeugen durfte er intervenieren, ein Umstand, der wesentlich zu der berüchtigten Weitläufigkeit des Verfahrens vor dem Kammergericht beigetragen hat, da infolgedessen alle nur möglichen Fragen, welche an einen Zeugen zu stellen waren, im vorhinein schriftlich fixiert werden mußten. Die Abfassung der Prozeßschriften, welche zufolge der Teilung in „positiones“ und der eben erwähnten Rücksichtnahme auf alle Eventualitäten bei Einvernahme der Zeugen sehr weitwendig wurden, war Sache der Advokaten. Diesen oblag auch der Verkehr mit den Parteien und die Einholung der nötigen Information.N.34.2

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß eigentlich nur die Prokuratoren in unmittelbare Berührung mit dem Gericht traten, was wiederum zur [Seite 35] Folge hatte, daß sich die Gerichtsordnungen hauptsächlich mit diesen befaßten. Vor allem wurden feste Bestimmungen über die Zulassung zur Prokuratur geschaffen. Diese setzte nach der Kammergerichtsordnung vom Jahre 1555 Universitätsstudium und Erlangung eines akademischen Grades voraus. Ferner wurde die Ablegung einer Prüfung vor dem Kammerrichter gefordert. Später wurde auch noch eine zweijährige Vorbereitungspraxis verlangt. Die Dauer des Universitätsstudiums war nicht vorgeschrieben, betrug aber in der Regel fünf Jahre. Erfüllte ein Kandidat diese Bedingungen, so wurde er zunächst zur Advokatur beim Reichskammergericht zugelassen und konnte sodann nach einiger Zeit zum Prokurator ernannt werden. Die Zahl der Prokuratoren war fest bestimmt. Bezüglich der Advokaten bestand nur die Bestimmung, daß immer mindestens zwölf vorhanden sein sollten. Im übrigen gab es keine Beschränkung der Zahl. Die zugelassenen Advokaten und Prokuratoren hatten einen Eid zu schwören, laut welchem sie in umständlicher Weise gelobten, die Pflichten gegen ihre Partei und gegenüber dem Gericht getreulich zu erfüllen und ein ehrbares Leben zu führen. Der Eid der Advokaten ist etwas kürzer gefaßt als jener der Prokuratoren, woraus man gleichfalls erkennen kann, daß der Prokurator als die wichtigere Persönlichkeit angesehen wurde. Erwägt man, daß letztere in gleicher Weise wie erstere Universitätsstudien gemacht haben mußten, daß also nicht wie dem alten Fürsprech gegenüber der Advokat seine höhere Bildung für sich in die Wagschale werfen konnte, so kommt man zum Schlusse, daß bei dem Reichskammergericht nur der Prokurator als Vollanwalt anzusehen ist, während der Advokat eine Art Hilfsperson, einen Anwalt zweiter Kategorie darstellt. Denn es ist klar, daß der Prokurator nach seiner genossenen Vorbildung in gleicher Weise wie der Advokat Prozeßschriften verfassen konnte, daß aber umgekehrt der Advokat nicht in der Lage war, derartige Prozeßschriften zu signieren oder zu überreichen. Bei dieser Sachlage ist auch begreiflich, wieso sich das Verbot der Unvereinbarkeit der Prokuratur mit der Advokatur nicht aufrechthalten ließ. Nur eine Beschränkung, welche der Reichstagsabschied vom Jahre 1530 vorschrieb, setzte sich durch, daß nämlich ein Prokurator nur in jenen Sachen advozieren dürfe, in welchen er auch prokuriert. Dagegen durfte er die advokatorischen Arbeiten in Sachen, welche ein anderer Prokurator führte, nicht leisten. Daß die überragende Stellung des Prokurators gegenüber dem Advokaten nach und nach dazu führte, letzteren in wirtschaftliche Abhängigkeit von ersterem zu bringen, versteht sich eigentlich von selbst. Bestätigt wird dies durch einen Reichstagsabschied vom Jahre 1757, in welchem berichtet wird, daß die Prokuratoren oft junge Advokaten annahmen, denen sie für ihre Arbeiten wenig oder nichts gaben.N.35.1 [Seite 36]

Ein Anwaltszwang bestand beim Reichskammergericht strenggenommen nicht. Jede Partei konnte selbst ihre Sache führen, nur war vorgeschrieben, daß der Beklagte einen Prokurator beiziehen müsse. Kammerprokuratoren durften im allgemeinen vor anderen Gerichten nicht auftreten, doch konnte zugunsten von jungen und wenig beschäftigten Prokuratoren vom Gericht eine Ausnahme gemacht werden. Die Kammeradvokaten unterlagen einer derartigen Beschränkung nicht.

Der Fiskus wurde durch einen kaiserlichen Kammerprokurator, dem als Hilfskraft und Vertreter der advocatus fisci beigegeben war, vertreten. Demselben war jede Privatpraxis untersagt, im übrigen stand er aber den sonstigen Prokuratoren vollkommen gleich.

Die Höhe des Honorars für Advokaten und Prokuratoren war der freien Vereinbarung überlassen.N.36.1

In Streitfällen war das Reichskammergericht zur Festsetzung des Honorars zuständig. Arme Parteien mußten von den Prokuratoren kostenlos vertreten werden.

Das Reichskammergericht hatte über die Prokuratoren und Advokaten eine geradezu schrankenlose Disziplinargewalt. Es konnte Verweise erteilen, Geldstrafen verhängen, auf bestimmte Zeit suspendieren, vom Amt entlassen, ja sogar Freiheitsstrafen (Hausarrest oder „Thurn“) verhängen. Und alle diese Strafen konnten nicht nur wegen Verfehlungen gegen die Standespflichten, sondern auch wegen Ungeschicklichkeit oder Unfleiß zur Anwendung gebracht werden. Faktisch hat allerdings das Reichskammergericht von seiner Strafbefugnis nur selten Gebrauch gemacht, da die Kammergerichtsprokuratoren — wenigstens im 16. Jahrhundert — in sehr hohem Ansehen standen. So urteilt der Kammergerichtsprokurator Haas, welcher Ende des 18. Jahrhunderts über die Vergangenheit seines Standes schreibt: „Es hat unter den Kammergerichtsadvokaten und Prokuratoren an gelehrten und brauchbaren Männern nie gefehlt. Sie waren sehr geachtet und bei Auswärtigen in vieler Konsideration. Edelleute aus den besten Häusern drängten sich dazu, der unsterbliche Hugo Grotius bezeugte Lust, zu Speyer Advokat zu werden. Selbst Assessoren stiegen von ihren erhabenen Richterstühlen und wurden Advokaten. Sie bezeugten den Prokuratoren Achtung, ließen ihre Söhne Prokuratoren werden und verheirateten ihre Töchter an selbige; Reichsstände vertrauten ihnen Kanzler- und Geheimratsstellen.“N.36.2 Diesem Bericht, welcher den Tatsachen vollkommen entspricht, wäre noch hinzuzufügen, daß die Prokuratoren von den hochgestellten [Seite 37] Klienten, welche bei dem Reichskammergericht Streitigkeiten anhängig hatten, vielfach im 16. Jahrhundert zu diplomatischen Missionen verwendet wurden, was zweifellos gleichfalls zur Erhöhung ihres Ansehens beigetragen hat. Diese Tatsache beweist übrigens die schon früher aufgestellte Behauptung, daß Advokatur und Diplomatie sehr nahe verwandt sind. Wie einflußreich und geachtet die Prokuratoren waren, erhellt auch daraus, daß sie imstande waren, im Jahre 1557 durchzusetzen, daß das Reichskammergericht seine Urteile begründete, was bis dahin niemals geschehen war.

Daß in der Prokuratur zahlreiche Hilfskräfte beschäftigt wurden, versteht sich wohl von selbst. Die weitwendigen Schreibarbeiten, das Fehlen geeigneter Vervielfältigungsmittel, das schwerfällige Verkehrs- und Zustellungswesen bedingten geradezu eine größere Anzahl von Mitarbeitern. Von diesem Hilfspersonal, zu dem die Registratoren, Protokollisten und Skribenten gehörten, wäre wohl kaum nötig zu reden, hätte nicht eine Gruppe derselben Eingang in das österreichische Rechtsleben gefunden: die Sollizitatoren. Aufgabe derselben war es, die Erledigung von Akten zu betreiben. Es war dies nicht nur wegen des schleppenden Geschäftsganges des Reichskammergerichtes notwendig; sondern insbesonders deshalb, weil diesem eine Einlaufstelle fehlte, infolgedessen auch keine Gewähr dafür gegeben war, daß die Akten in der ungefähren Reihenfolge ihres Einlangens erledigt wurden. Es hing vielmehr von dem guten Willen des Referenten ab, wann er irgendeinen Akt vornahm und erledigte. Da sich bekanntlich die Prozesse beim Reichskammergericht stets durch mehrere Jahre, oft aber auch durch Jahrzehnte hinzogen, war es durchaus kein Leichtes, herauszubekommen, wo sich der Akt jeweilig befand und den Referenten dazu zu bringen, den Akt zur Beschlußfassung in die nächste Audienz mitzunehmen. Dazu gehörte zweifellos nebst guten Verkehrsformen viel Geschicklichkeit und auch einige juristische Gewandtheit, mußte doch dem betreffenden Richter die Überzeugung beigebracht werden, daß die Erledigung der gestellten Anträge notwendig sei. Ja sogar eine gewisse Fixigkeit, welche das gemächliche Prozeßverfahren beim Reichskammergericht sonst gewiß nicht verlangte, war zu diesem Geschäfte notwendig. Es konnte nämlich über jeden Antrag nur durch Beschluß entschieden werden, welcher in einer Audienz gefaßt wurde. (Es sind dies die sogenannten Rezesse.) Da nun im Jahre nur wenige Audienzen stattfanden und die Kammerrichter kein übermäßiger Fleiß plagte, so entstand naturgemäß ein scharfer Wettbewerb zwischen den einzelnen Prozeßparteien bzw. ihren Vertretern, um die Ansetzung ihrer Angelegenheiten für die nächste Gerichtssitzung zu erwirken.

Der Stand der Sollizitatoren erfreute sich eines gewiß nicht unerheblichen Ansehens. Seine Mitglieder zählten zu den „Kammergerichtsverwandten“ und genossen als solche manche Privilegien. Allerdings [Seite 38] trug dieser Beruf seiner ganzen Anlage nach von allem Anfang an den Keim sittlichen Verfalls in sich. Nicht immer gelang das Betreiben der Rechtsstreitigkeiten mit einwandfreien Mitteln. Es mußte dann und wann zur Bestechung gegritfen werden. Bestechungsgelder korrumpieren aber nicht nur den Empfänger, sondern mit der Zeit auch den Geber. Sittengeschichtlich interessant ist, daß nicht nur Bestechung mit Geld geübt wurde, auch Verführungskünste wurden angewendet, zu welchem Zwecke sich eigene weibliche Sollizitatoren herausbildeten!

Bei der großen Ämterreform, welche Kaiser Maximilian im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts in den österreichischen Erbländern vornahm, wirkten die Einrichtungen beim Reichskammergericht vorbildlich für die Neuschöpfungen auf dem Gebiete des Justizwesens. Das niederösterreichische Hofgericht, auch Kammergericht genannt, wurde nach den gleichen Prinzipien organisiert wie das Reichskammergericht Es hatte ja die Aufgabe, mit letzterem zu konkurrieren. Dieses Gericht hatte allerdings keine lange Lebensdauer, es verschwand bereits vor dem Jahre 1510. Aber Prokuratoren und Advokaten erscheinen seit dieser Zeit in Österreich fest eingebürgert und haben ungefähr die gleichen Funktionen und Pflichten wie jene beim Reichskammergericht.“N.38.1

In den zahlreichen im Laufe des 16. Jahrhunderts auf österreichischem Boden entstehenden Gesetzgebungswerken wird der Prokuratur und Advokatur vielfach Erwähnung getan. Doch erscheinen beide Einrichtungen bereits als etwas so selbstverständliches, daß man sich mit einer Begriffsbestimmung oder Fixierung des Wirkungskreises beider Berufe gar nicht abgibt. So enthält z. B. die Ordnung des Landrechtes des Erzherzogtums ob der Enns vom 10. September 1535 Bestimmungen über den Eid der Prokuratoren, ihre Belohnung und über ihre Vollmacht (die sogenannte Gewalt).N.38.2

In einem anderen, für dieses Kronland allerdings weitaus später (1609) erlassenen Gesetz, welches das Landtafelwesen ordnet, ist unter anderem im 13. Kapitel „von den Advocaten, Hoffprocuratoribus und Supplicationsschreibern“ die Rede.N.38.3 [Seite 39]

Aber nicht nur in den österreichischen Erblanden, wo Kaiser Maximilian in bewußter Anlehnung an die Reichsinstitutionen Reformen einführte, faßte die Advokatur und Prokuratur festen Fuß, sondern auch in den Ländern der böhmischen Krone.N.39.1 Die Beheimische Landesordnung vom Jahre 1565 enthält ein eigenes Kapitel (mit dem Buchstaben V bezeichnet), welches die Überschrift führt „Von den Procuratoribus, Advocaten und Wort Rednern“. Dieses Kapitel, welches aus sieben Abschnitten besteht, macht keinen Unterschied zwischen Prokuratoren und Advokaten. Es spricht vielmehr von beiden als etwas vollkommen bekanntem.N.39.2 Der wesentliche Inhalt dieser Gesetzesstelle ist krimineller Natur. Es werden die strafrechtlich zu ahndenden Delikte des Anwaltes besprochen. Zunächst wird ausführlich eine höchst seltsame Verfehlung behandelt. Es wird verboten, daß die Prokuratoren zweier Streitteile einander versprechen, den Nutzen, welchen sie aus der Sache ziehen, zu teilen (II). Das Gesetz vermeint, daß zufolge derartiger Vereinbarungen Prozesse unnützer Weise geführt und verschleppt werden, nennt dies einen schelmischen Handel und verfügt, daß ein Advokat oder Prokurator, der bei einem solchen betroffen wird, „an seinem Hals zu straffen“ sei. Die gleiche drakonische Strafe wird auf Prävarikation gesetzt (III). Unter Strafsanktion — jedoch ohne Angabe der Strafart und Strafhöhe — steht auch ungebührliches Verhalten gegen das Gericht und gegen die Kollegen.N.39.3 Endlich wird mit Strafe bedroht, wenn Prökuratoren oder Advokaten Parteien zur Prozeßverschleppung aufreizen. Merkwürdigerweise wird mit diesem Delikt auf eine Stufe gestellt, wenn der Prokurator seinen Klienten dazu verpflichtet, keinen außergerichtlichen Vergleich mit Umgehung seiner Person zu schließen (VI). Außer diesen Strafbestimmungen enthält aber das genannte Gesetz auch eine nicht uninteressante Gebührenordnung. Wenn ein Prokurator nicht auf Jahrgeld gesetzt ist, so gebühren ihm für einen Prozeß von 100 Schock Groschen: „so er nit weniger nehmen wolt“ dritthalb Schock Groschen. Der gleiche [Seite 40] Prozentsatz ist bei Rechtsstreitigkeiten bis 1000 Schock Groschen einzuhalten. Darüber hinaus ist eine Steigerung des Honorars unzulässig, jedoch ist erlaubt, in diesem Fall dem Prokurator Geschenke an Wildbret, Vögel oder Fischen zu machen. In Strafsachen, welche „Trew vnd Ehr“ oder den „Halß vnd das Leben“ betreffen, belief sich die Gebühr des Prokurators im Gewinnfalle auf 10, im Verlustfalle auf 5 Schock Groschen. Bei Ehrenbeleidigungen belief sich das Honorar auf 1 Schock Groschen (IV). Eine noch echt feudale Bestimmung ist es, daß den Prokuratoren untersagt wird, allzuviel Rechtshändel zu übernehmen. Das Gesetz hält es für notwendig, ausdrücklich hinzuzufügen, daß ein Prokurator, der sich durch Arbeitsüberlastung eines Säumnisses schuldig macht, keinen Anspruch auf Honorar besitzt (VII). Auffallenderweise kennt dieses Gesetz noch kein Armenrecht, das beim Reichskammergericht bereits voll in Geltung stand, sondern es spricht nur den Wunsch aus, daß arme Witwen und Waisen kostenlos vertreten werden mögen. „So aber einer wegen deß andern auß guter Freundschafft jhm seine Sache im Rechten führen will, solches wird jedermänniglich gestattet, vnd vergönnet, sonderlich aber, wann einer solches thun will, wegen armer Witwen vnd Waysen, daß er jhre Sachen jhme wolt trewlich lassen befohlen seyn, vnd darumb keine Gaben vnd Geschenck nehmen, wirdt darumb insonderheit gelobet vnd gepreiset!“N.40.1 (IV.)

Auch die mährische Landesordnung vom Jahre 1535 widmet ein Kapitel den Prokuratoren (Kapitel 42) und spricht insbesonders vom Eid und den Pflichten des königlichen Prokurators (Kapitel 33).N.40.2

Auf dem Gebiete der Strafrechtspflege macht sich gleichfalls der Einfluß der Reichskammergerichtsordnung geltend. Das Verfahren, wie es in der peinlichen Halsgerichtsordnung von Kaiser Karl V. (1532) festgelegt wurde, weist eine unverkennbare Verwandtschaft mit dem Kammergerichtsprozeß auf. Hier wie dort eine übertriebene Schriftlichkeit und dann als Schlußpunkt eine rein formale mündliche Verhandlung, welche Komödie im Strafverfahren „endlicher Gerichtstag“ heißt. Die Mitwirkung von Advokaten und Prokuratoren ist nahezu die gleiche wie im Zivilprozeß und beschränkt sich im wesentlichen auf das Verfassen umfangreicher Eingaben. Nur wird im Strafprozeß nicht ein Vertretungsmonopol wie im Zivilprozeß geschaffen. Wohl erklärt die Carolina (Artikel 88), daß die Rechtsgelehrten die besten Verteidiger seien, sie [Seite 41] läßt aber auch Laien zu, indem sie dem Angeklagten das Recht erteilt, den Fürsprecher aus den Schöffen „oder sunst“ zu nehmen. In Österreich findet zwar der schriftliche Strafprozeß nicht ohne weiteres Anklang, noch die steirische Gerichtsordnung vom 24. Dezember 1534 kennt einen Richttag mit mündlicher Verhandlung.N.41.1 Auf die Dauer konnte sich jedoch die Mündlichkeit nicht behaupten und infolgedessen wird auch auf dem Gebiet des Strafrechtes noch im Laufe des 16. Jahrhunderts der redende ungelehrte Fürsprecher von dem schreibenden, wissenschaftlich gebildeten Advokaten nahezu gänzlich verdrängt.

Nur bei den untersten Gerichten behauptete sich das Vorsprechertum noch durch längere Zeit. Doch auch hier mußte es sich mehrfache Modifikationen gefallen lassen, welche den Einfluß der römisch-rechtlichen Advokatur deutlich erkennen lassen. Vor allem wird es als eine Ungehörigkeit empfunden, wenn der Vorsprecher auch am Urteil teilnimmt, woran nach deutschrechtlicher Auffassung nichts gelegen war. Ulrich Tengler tadelt diese Übung in seinem Laienspiegel (1532) als Mißbrauch.N.41.2 Vielfach erscheint der Vorsprecher, an dem das Volksrechtsbewußtsein mit großer Zähigkeit festhält, nicht mehr als Vertreter der Partei in einem individuellen Falle, sondern als Organ der Gemeinde, welcher er von Zeit zu Zeit das geltende Recht kündet (sogenannte Rechtsöffnungen). Die im 16. und auch noch im 17. Jahrhundert gehaltenen Taidinge haben diesen Zweck. Häufig wird der Vorsprech in dieser Funktion zu einem öffentlich besoldeten Beamten. So z. B. in Döbling, Breitenau, DietmannsdorfN.41.3 Derartige Beamte werden nach und nach auch zu Geschäften verwendet, welche dem ursprünglichen Vorsprechertum gänzlich fremd waren. In St. Ruprecht an der Raab besorgte der Gerichtsredner die Pfändung schadenden Viehs und hatte das Recht auf die halbe Buße.N.41.4 In Hocheppen (Tirol) bediente sich die Gemeinde des Vorsprechers bei Ausweisung von verdächtigen Personen.N.41.5 In Sterzing hatte der Stand der Redner die Entnahme von Sand und Stein aus dem Vallerbache zu genehmigen.N.41.6 Nach dem Landrecht von Raschenberg müssen Verträge und Vergleiche vor den Prokuratoren geschlossen werden.N.41.7 Indirekt zeigen diese Beispiele wohl deutlich, daß der Vorsprecher in seiner ursprünglichen Funktion als Parteienvertreter durch den Advokaten überflüssig gemacht worden ist.

Wenn auch sowohl die Advokatur als die Prokuratur in den österreichischen Ländern Eingang fand, so konnte daselbst die scharfe [Seite 42] Trennung der Funktionen, wie sie beim Reichskammergericht stets in Übung blieb, nicht aufrechterhalten werden. Offenbar waren es wirtschaftliche Gründe, welche die strenge Zweiteilung nicht aufkommen ließen. Beim Reichskammergericht kam die Belastung mit den Kosten zweier Vertreter nicht wesentlich in Betracht, da die Prozeßgegenstände in der Regel sehr bedeutend und die Prozeßparteien große Herren oder mächtige Korporationen waren. Die Prozesse des Alltags jedoch, die bei den österreichischen Gerichten jedenfalls die überwiegende Mehrheit bildeten, konnten eine derartige Doppelbelastung nicht vertragen. Die Forderung nach Vertretung durch einen Prokurator und einen Advokaten kam infolgedessen bald aus der Übung. Das hatte zur Folge, daß die Advokaten auch die Funktionen der Prokuratoren an sich rissen. Damit war ein Sinken des Niveaus der letzteren verbunden. Die Advokatur blieb nämlich zufolge ihrer Entstehungsgeschichte und Tradition stets ein gelehrter Beruf, der die Absolvierung der Hochschule, ja sogar das Doktorat voraussetzte.N.42.1 Der Prokurator hingegen näherte sich nach und nach immer mehr dem alten Fürsprecher, mit welchem er ja vieles gemeinsam hatte. Da für letzteren juridische Bildung kein unerläßliches Erfordernis war, so entfiel dies allmählich auch für den Prokurator und es nannte sich nun auch jeder Fürsprech, der irgendwelche Brocken lateinischer Bildung aufgeschnappt hatte, Prokurator.

Dadurch, daß die Erwerbung der Advokatur in Österreich von der Erlangung eines akademischen Grades abhängig war, ist die Entwicklung derselben mit jener der österreichischen Universitäten eng verflochten, aus welchem Grunde deren Geschichte für das Verständnis des Werdeganges der Advokatur von erheblicher Bedeutung ist.

Im Anfang des 16. Jahrhunderts nahm die juridische Fakultät in Wien einen gewaltigen Aufschwung, welcher durch Berufung einiger namhafter Lehrer des römischen Rechtes bedingt war. Hieher gehören Jeronimus Balbus aus Venedig (1493), Joanes Silvius aus Padua (1497), Wolfgang Pacheimer aus Gmunden (1500), Johann Angerer aus Rosenberg (1505) und Petrus Tannhauser aus Nürnberg (1510), sämtliche Doktoren des römischen Rechtes. Diesen schlossen sich dann als jüngerer Nachwuchs Philipp Gundel, Georg Gienger und Viktor Gamp an.N.41.2 Alle die Genannten übten nicht nur eine überaus befruchtende Lehrtätigkeit aus, sie waren auch als Praktiker tätig, was nicht nur durch die bereits erwähnte Organisation der Universitäten, sondern [Seite 43] auch durch wirtschaftliche Momente bedingt war. Die Gehalte der Universitätslehrer waren nämlich sehr nieder bemessen. Man rechnete offenbar mit der damals für Professoren allgemein üblichen Ämterkumulierung. Die Theologieprofessoren hatten fast durchwegs irgendwelche, meist recht einträgliche Pfründen, die weltlichen Professoren der juridischen Fakultät waren, wenn sie nicht zu höheren Richterstellen berufen wurden, auf das „Prokurieren“ angewiesen.N.43.1

Es ist demnach gewiß gerechtfertigt, die angeführten Rechtsgelehrten auch als Advokaten — wohl die ältesten weltlichen, die Österreich gehabt hat — in Anspruch zu nehmen. Denn zweifellos haben dieselben — wenigstens zeitweilig — die Advokatur ausgeübt. Sicher ist dies von Dr. Viktor Gamp, welcher in dem Prozeß gegen die aufrührerischen Stände, welcher im Jahre 1522 in Wiener-Neustadt sich abspielte, mutvoll die Verteidigung führte. Es war dies kein ungefährliches Unternehmen in einer Zeit, da die germanische Rechtsanschauung noch immer stark lebendig war, daß der Rechtsbeistand die Sache seiner Klienten für gerecht halten, sich also sozusagen mit derselben identifizieren müsse. Denn jener hochpolitische Prozeß bildete den Schlußpunkt der aufständischen Bewegung, welche nach dem Tode Maximilians dessen Reformen beseitigen wollte, jedoch von Ferdinand I. erfolgreich bekämpft und unterdrückt wurde.N.43.2

Philipp Gundel bekleidete nebst anderen Ämtern auch jenes des Fiskaladvokaten von Niederösterreich.N.43.3

Mit Beginn der Religionskriege trat ein jäher Verfall der österreichischen Rechtsfakultäten ein. Der wissenschaftliche Geist aber, den sie in ihrer kurzen Glanzzeit zu Anfang des 16. Jahrhunderts verbreitet hatten, lebte noch weiter. Adelige und Patrizier ignorierten einfach die zurückgehenden österreichischen Universitäten und schickten ihre Söhne an die aufblühenden Hochschulen von Tübingen, Leipzig, Wittenberg und Rostock.N.43.4 Dadurch blieb noch durch längere Zeit das geistige Niveau der praktischen juristischen Berufe, insbesonders der Advokatur auf einer respektablen Höhe und verhinderte, daß dieses verhältnismäßig junge, auf fremdem Boden erwachsene Institut wieder entwurzelt wurde. Mit dem Erstarken der militärischen Macht des Landesherrn jedoch und dem damit verbundenen Anwachsen der Gegenreformation wurde die geistige Unabhängigkeit des Advokatenstandes gebrochen. Bereits im Jahre 1548 wurde das Studium an den ausländischen Universitäten verboten und den im Ausland weilenden Studenten die Rückkehr binnen zwei Monaten aufgetragen. Im Jahre 1551 faßten an [Seite 44] der Wiener Universität die Jesuiten Fuß, welche in Kürze die Zensur hinsichtlich sämtlicher Lehrgegenstände verlangten und bald auch durchsetzten. Am 1. März 1594 endlich wurde verordnet, daß alle Doktoren, welche in Wien der Advokatur oblagen, sich der Universität und juridischen Fakultät zu inkorporieren haben.N.44.1 Dadurch wurden die Advokaten der Universitätsdisziplin, d. h. mit anderen Worten der jesuitischen Beaufsichtigung unterstellt. Diese geistige Bevormundung hat bewirkt, daß die österreichische Advokatur den mächtigen Aufschwung, den die Jurisprudenz in Deutschland in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nahm, nicht mehr mitmachte. Anderseits verhinderte die jesuitische Lehrmethode einen allzu tiefen Fall der Advokatur, wie er sonst an vielen Orten Deutschlands in dieser Zeit zu beklagen war. Denn es lag im jesuitischen Erziehungssystem, als Ersatz für die höchsten Probleme, von deren Untersuchung die Studentenschaft möglichst fern gehalten wurde, eine gründliche Bildung für das praktische Leben zu geben. Speziell der artistischen Fakultät, welche noch immer eine Vorschule für die juridische war, kam diese Tendenz sehr zustatten. Es wurde eine neue pädagogisch wertvollere Lehrweise eingeführt, welche nebst einem gediegeneren Unterricht in den Lehrfächern, welche etwa unserer heutigen Mittelschulbildung entsprechen, auch einen nicht geringen Grad von Weltgewandtheit und Menschenkenntnis übermittelte. So repräsentieren sich die österreichischen Advokaten um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts als ein ehrbarer Stand von gediegener mittlerer Bildung mit einer recht kräftigen, allerdings schon zur Routine erstarrenden Tradition, stark bürgerlich-philiströs angehaucht und etwas eng in ihrem geistigen Gesichtskreis. Im gesellschaftlichen Rang wurden sie von der höheren Beamtenschaft, mit welcher sie noch zur Zeit Maximilians nahezu gleichgestellt waren, überholt. Sie rangierten nunmehr neben der mittleren Beamtenschaft, jedoch noch immer an der Spitze des Bürgertums. Aus dem Gesagten erhellt, daß die vielfachen bitteren, ja harten Urteile, welche von hervorragenden Zeitgenossen des 16. Jahrhunderts über die Advokatur in Deutschland gefällt wurden, auf die österreichischen Advokaten nur in abgeschwächtem Maße zutreffen. Hingegen haben letztere nur sehr geringen Anteil an den geistigen Höchstleistungen der deutschen Rechtsbeistandschaft genommen und auch sehr wenig von diesen profitiert. Doch waren in dieser Periode die Wechselbeziehungen zwischen Österreich und den übrigen Teilen Deutschlands noch lebhaft genug, um die Anführung zeitgenössischer Ansichten für und gegen die damalige deutsche Advokatur sowie die Skizzierung ihrer wissenschaftlichen Betätigung zu rechtfertigen.

Hutten, Melanchthon, Fichard und Hegendorfinus warfen den Juristen und insbesonders den Advokaten Bestechlichkeit, Habsucht, Servilität [Seite 45] und Rabulisterei vor. So sagt z. B. Melanchthon: „Bei der Stumpfheit der Richter dringen in die Gerichtsstellen die findigsten Rabulisten als Sachwalter ein, die aus einem Prozeß den andern herleiten, ihre Klienten schinden, die Städte plündern und die unwissenden Richter zum Spotte machen. Sie haben sich mit den Gesetzen selbst nicht beschäftigt, sondern aus den Formeln geriebener Prokuratoren ihre Kenntnis geschöpft, und daher versteht sich von selbst, daß sie von der Pest der verderbtesten Schriftstellerei angesteckt sind.“N.45.1

Ulrich von Hutten donnert im Dialog „Prädones“ gegen die Advokaten als die zweitschlimmste Art von Räubern (die schlimmsten sind die Priester), die im Rate der Fürsten und Großen sitzen, den Adel seines Einflusses berauben und erst etwas zu bedeuten glauben, wenn sie einer schlechten Sache zum Siege verhelfen können, denn einer guten, meinen sie, sei keine Kunst.N.45.2

Luther: Juristen sollen nicht Rabulae, Zungendrescher noch Procuratoren sein, sondern Rechtsverständige, die daraus Ratschlag stellen und des Rechtens berichten, was Recht ist; nicht procurirn und für Gericht einem seine Sache führen und Wort speien, fürnemlich Doktores; als nur Advokaten seyn, so da richten, was in Rechten begründet ist“N.45.3

Melchior von Ossa (1506—1557), Professor des römischen Rechtes, kaiserlicher Rat und Hofrichter in Leipzig, schreibt in seinem sogenannten „Testament“, welches aber in Wirklichkeit eine für den Kurfürsten August von Sachsen bestimmte Denkschrift ist: „Aber noch eine größere Beschwerung des Landes ist, daß man so viel ungelehrte, unverständige Procuratoren uffen Land und in der Stadt leidet, daß Handwerksleute, die verderben, aber nicht arbeiten wollen, Kirchner und andere Gesindlein, das die Arbeit flieht, sich unterstehen, zu procurieren und der Rechte nicht allein keinen Verstand haben, sondern einesteils auch nicht schreiben und lesen können, hetzen die einfältigen Bürger und Bauersleute ineinander, hindern gütliche Verträge, haben auch einsteils ihre Leute in die Schenck und Bierhäuser umbhergehen, die Leute zu Zank wider ihre Erbherren anreizen und danach zu den elenden Leuten weisen. Dieses sind in Wahrheit die Frösch, von denen Origenes sagt, bei denen nichts ist, denn unnütz Quäcken und Schreien, und bringen doch solche Gesellen viel Gelds von den armen Untertanen. Darumb sollte gut sein, daß man Advocaten und Procuratoribus, die sich solcher Unart unterstünden, in die Würffel griffe und mein gnädigster Herr die unverständigen ungelehrten Procuratores im Lande gänzlich abschaffte. Denn die bringen durch ihren boshaftigen Unverstand Schaden und kein Frommen.“N.45.4 [Seite 46]

In einem Spottgedicht von Thomas Murner, das den Titel „ein Loch durchn Brief reden“ führt, heißt es u. a.:
Denn lauff ich zu dem Advocaten,
Der dient uns, dieweil wir Guldin hatten;
Da er uns ausgelaert die Taschen,
Nahm er uns am Herd die Aschen.
Deshalb frumb redlich bidermann
Mit Gelt ein Brieff durchreden kann.

Wiederholt wurde die Geschichte vom geprellten Advokaten dichterisch behandelt, welcher seinem beklagten Klienten rät, bei der Gerichtsverhandlung nur „ble“ zu sagen. Erfolgreich wendet letzterer diese Taktik an; die Klage wird abgewiesen, weil man den Beklagten für wahnsinnig hält. Nunmehr verlangt der Advokat das Honorar für seinen guten Rat. Der Klient zahlt aber nichts und setzt der Honorarklage gleichfalls sein stereotypes, wirkungsvolles „ble“ entgegen. Dieser Stoff, aus dem so recht die Abneigung des Volkes gegen die Advokatur herausklingt, ist u. a. von Hans Sachs bearbeitet worden.

Auf einem Bild von Hans Holbein überrascht der Tod einen Fürsprecher gerade in dem Augenblick, wo er von seinem Klienten Geld nimmt. Nach der ganzen Anlage des Bildes sollte wohl die Bestechlichkeit des Fürsprechers (das heißt nach der damals noch bestehenden, allerdings bereits veralteten Rechtsanschauung die Übernahme einer Vertretung gegen Geld) gegeißelt werden.N.46.1

Deutlicher redet ein allerdings aus einer früheren Periode stammender Holzschnitt aus dem Spiegel des menschlichen Lebens von Rodericus Zamorensis (1479). Das Bild zeigt einen Advokaten in pelzverbrämtem Talar, der von einer Partei mit der rechten und von der anderen Partei mit der linken Hand Geld nimmt.N.46.2

Unter einem Holzschnitt von J. Amman, betitelt Der Procurator, aus der Bilderserie „Beschreibung aller Stände“ (1568) stehen folgende Verse:
Ich procurir vor dem Gericht
und offt eine böse sach verficht
durch falsche List und renck
durch auffzüg, aufsatz und einklenck
damit ich’s Recht aufziehen thu:
Schlecht aber zuletzt unglück zu
daß meine Partei liegt unterm Gaul
hab ich doch offt gfüllt beutl und maul.N.46.3

Die Kirche, welcher durch die Advokaten namhafte Teile der Rechtspflege als rein weltlich entrissen wurden, rächte sich dafür dadurch, [Seite 47] daß sie bissige Ausfälle gegen den Advokatenstand in religiöses Gewand kleidete und so ins Volk hinausgehen ließ. So erfuhr z. B. die Legende vom hl. Ivo, welcher Advokat gewesen und vielen Armen zu ihrem Rechte verholfen hatte, eine boshafte Zudichtung. Derselbe soll nämlich, als er zufolge seiner Guttaten in den Himmel kam, die Leiter hinter sich hinaufgezogen haben, damit kein Advokat ferner hinaufsteigen könne. In diese Kategorie von Ausfällen gehört auch die Scherzfrage: Wenn Gott und Satan miteinander einen Prozeß hätten, wer von den beiden würde ihn gewinnen? Antwort: Satan, weil er sämtliche Advokaten auf seiner Seite hätte.

Eine recht widerliche Mischung religiöser Vorstellungen mit brutalem Humor stellt der Anschlag dar, welchen man nach Weißler an dem Hause eines sterbenden Advokaten angeheftet fand:
Ihr Herrn Advokaten und liebe Gesellen!
Hat jemand in der Höllen etwas zu bestellen,
Der stelle sich morgen in meiner Wohnung ein.
Um 3 Uhr wird die Abfahrt sein.N.47.1

Nach allen diesen Äußerungen kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die Advokatur des 16. Jahrhunderts gewiß vielfach Grund zu Klagen bot, anderseits darf man aber nicht übersehen, daß diese Epoche das Übergangszeitalter von der feudalistischen zur kapitalistischen Wirtschaftsordnung darstellt und daß die Tätigkeit des Advokaten, welcher ein typischer Repräsentant des erwachenden Geldwirtschafts- und Kreditverkehres ist, von den älteren, bisher herrschenden Ständen der Geistlichkeit und des Adels nicht verstanden und daher auch nicht gewürdigt wurde. Ähnlich wie im taciteischen Rom wird der Vorwurf der Bestechlichkeit laut, worunter aber eigentlich meistens gar nichts anderes verstanden wird, als daß sich der Anwalt für seine Tätigkeit bezahlen läßt. Auch Neid über die glänzende Karriere, welche die Juristen im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts machten, spricht aus mancher unfreundlichen Kritik. Als aber gegen Ende des 16. Jahrhunderts die juristischen Berufe durch allzu großen Zufluß minder erträglich wurden, da ergoß sich wieder aus diesem Grund Spott über dieselben. So schreibt der Militärschriftsteller Wallhausen: „Du hat Pfaffen und Doctores genug in der Welt, denn heutigen Tags alle Winkel so voll trefflich gelehrter Leute stecken, daß auch gelehrte Doctores mit so geringen armseeligen Diensten sich behelfen, damit vor Jahren kein Stiefelschmierer sich contentieren ließ.“N.47.2

Mögen die zeitgenössischen Urteile über die Advokatur des 16. Jahrhunderts hart und übertrieben erscheinen, mag man sogar die Advokaten entgegen der herrschenden Anschauung ihrer Zeit als Träger des Fortschrittes [Seite 48] ansehen, welche ein barbarisches, obsolet gewordenes Recht zerstörten und dem Verkehr freie Bahn schufen; in einem hat sich die deutsche Rechtsanwaltschaft schwer versündigt: Sie hatte kein Verständnis und kein Herz für die gewaltige soziale Bewegung, welche im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts einsetzte und welche in der Geschichte unter dem Schlagwort „Bauernkriege“ zusammengefaßt wird. Für die neu erwachenden Bedürfnisse der Massen und die Ungerechtigkeit der auf der Bauernschaft drückenden Lasten hatten die Advokaten nicht das geringste Verständnis. Dies war allerdings mehr ein intellektueller als moralischer Defekt. Denn nicht so sehr Habsucht und Strebertum waren es, welche die Advokaten und mit ihnen auch alle übrigen juristischen Stände die Bauernbewegung übersehen ließen, sondern vielmehr die übertriebene einseitige Überschätzung der Antike, welche der Humanismus gebracht hatte. Das römische Recht spricht nicht von den Schädlichkeiten der Leibeigenschaft, folglich waren diese für den humanistisch gebildeten Juristen nicht vorhanden. Das Volk allerdings fragte nicht viel nach den Gründen, warum sich die Juristen um seine Leiden nicht kümmerten und verfolgte dieselben mit einem wütenden Haß. Dieser richtete sich ganz besonders gegen die Advokaten, weil es mit ihnen am meisten in Berührung kam. Dazu kommt noch, daß abträgliche Äußerungen gegen dieselben weitaus ungefährlicher waren als gegen römische Juristen in höheren Beamtenstellen. (Letzteren dürfte es auch ganz angenehm gewesen sein, daß der Advokatenstand zum Blitzableiter für die Schäden wurde, welche das römisch-rechtliche System unvermeidlich mit sich brachte.) In unzähligen Flugblättern wurde von den Bauern die gänzliche Abschaffung der Advokaten verlangt. So schreibt etwa Eberling von Günzberg (1521): „Kein Jurist, kein Fürsprecher soll fürhin sein. Welcher selbst nit kann reden, der nehme den nächsten Mitbürger.“N.48.1 Ja die Abschaffung der Doktoren wurde geradezu zu einem offiziellen Postulat der aufständischen Bauern. Natürlich waren diese nicht imstande, die Ausbreitung der römischrechtlich gebildeten Advokatur zu hindern, da dieselbe allzu sehr den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Zeit entsprach. Aber Vertrauen und Achtung der Massen vermochten die neuen Parteienvertreter nicht zu erringen, wie sich, abgesehen von den bereits angeführten Aussprüchen einzelner Schriftsteller, aus den beißenden, auf die Advokatur gemünzten Sprichwörtern ergibt, welche allem Anschein nach in dieser Periode entstanden sind. Z. B.:
Advokaten und Soldaten
Sind des Teufels Spielkameraden.
Advokaten — Schadvokaten.
[Seite 49] Ein Advokat und ein Wagenrad wollen geschmiert sein.
Der beste Advokat, der schlechteste Nachbar.N.49.1
Reden ohne heiser werden,
Saufen ohne einen Rausch bekommen
Und lügen ohne sich zu schämen
Das ist das Tun der Advokaten.N.49.2
Ärzte und Advokaten haben den Sarg und Bettelstab erfunden.
Der Arzt hat Geld, der Jurist Gold,
Den armen Priestern ist niemand hold.
(Zeigt deutlich die kirchliche Agitation!)
Junger Anwalt macht den Prozeß alt und die Tasche kalt.
Besser wohlfeiler Akkord als teures Advokatenwort.
Advokaten leben nicht von Prozessen, sondern von der Elle, womit sie sie messen.
Advokaten lieben Dukaten.
Advokaten und Maler können leicht blau aus schwarz und schwarz aus blau machen.
An eines Advokaten Tür muß man nicht mit einem eisernen Hammer klopfen.
Den Bauer erkennt man an der Gabel,
Den Advokaten am Schnabel.
Der Advokaten Beutel und der Hölle Rachen sprechen nie: Es ist genug. (Kirchliche Agitation!)
Mit Advokaten rechten
Heißt mit dem Teufel fechten.
Sieht der Advokat den Lohn,
So trägst du den Sieg davon.
Soll dich ein Advokat beraten,
So sei nicht sparsam mit Dukaten.
Vor Advokaten und Bettelbrot
Behüte uns der liebe Herrgott.
Wenn Advokaten reden von Vergleich
Dann sind die Klienten arm und sie sind reich.
[Seite 50] Wenn der Advokat tut, was sein Gewissen befiehlt, so glaubt der Blinde, was seine Augen sehen.
Advokaten — Teufelsbraten.
Advokaten und Ärzte leben gut von anderer Schaden.
Durch ein Advokatengewissen kann man mit einem Fuder Heu fahren.N.50.1

Es hat sich in der Folge an den Advokaten schwer gerächt, daß sie keine Fühlung mit dem Volke hatten. Dadurch mangelte ihnen die innere Kraft, sich ihrer allmählichen Depossedierung erfolgreich zu widersetzen. Die herrschenden Klassen hatten nämlich anfangs des 16. Jahrhunderts die Advokatur außerordentlich begünstigt, sie wurde nahezu wie im alten Rom zur Pflanzschule für die höchsten Ämter. Aber als ein genügend geschulter Beamtenkörper geschaffen war, fing man an, die Advokaten, welche dem sich ausbreitenden Absolutismus lästig wurden, herabzudrücken, bei welchem Streben die animose Stimmung, welche gegen die Advokaten im Volke herrschte, geschickt benutzt wurde.

Betrachtet man die wissenschaftlichen Leistungen der damaligen deutschen Advokaten, welche einen objektiveren Maßstab abgeben als die durch mannigfaltige Interessen und Wünsche getrübten Urteile der Zeitgenossen, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Rechtsanwaltschaft weder so unmoralisch war, wie sie von der einen Seite gezeichnet, noch so unwissend, wie von der anderen Seite behauptet wird. Zahlreiche Advokaten waren gleichzeitig Universitätsprofessoren oder sonst fachschriftstellerisch hervorragend tätig. In dieser Beziehung sind beispielsweise zu nennen:

Nikolaus Freigius (Frey) seit 1537 Prokurator und Advokat am fürstlichen Hofgericht in Ensisheim, später Syndikus der Stadt Frankfurt. Derselbe gab unter anderem eine Sammlung von Urkunden und Prozeßschriften heraus, welche in weiten Kreisen benützt wurden.

Franz Prosch, besonders dadurch bemerkenswert, daß er im Jahre 1533 die hochangesehene Stelle eines Beisitzers beim Reichskammergericht mit der Advokatur vertauschte, welche er in Straßburg ausübte. Seine „Isagoge in juris civilis Studium“ (1553) zeigt von einer außerordentlich hohen moralischen Auffassung seines Berufes.

Konrad Lagus war Professor in Wittenberg (seit 1522) und gleichzeitig angesehener Advokat.

Ähnlich in Stellung, Bedeutung und Wirksamkeit waren ferner nachstehende Advokaten:
Johann Appel (1486—1536), Johann Fichard (1512—1581), Nikolaus Varenbühler (1519—1604), Virgilius Pingitzer (1541—1619), Georg Obrecht [Seite 51] (1547—1612), Jakob Schultes (1571—1629), Valentin Wilhelm Förster (1574—1620), Christoph Besold (1577—1638), Johann Georg Besold (1580—1625) u. a. m.N.51.1

Auch in der schönen Literatur hat sich die Advokatur bemerkbar gemacht. So stammt z. B. von Fichard die satirische Kampfschrift „Das Jesuitenhütlein“.

Daß die Berufsmoral der Advokatur durchaus nicht auf einer geringen Stufe stand, läßt sich daraus erschließen, daß die aus Italien importierten Kautelarwerke, welche unter dem Vorwand, die Parteien vor Rechtsnachteilen zu bewahren, die bösartigsten Tricks lehrten (etwa die Kautelen des Bartolus Caepolla), in den Bearbeitungen deutscher Advokaten eine wesentliche Milderung erfuhren. (So in der Kautelensammlung Fichards und in der Schrift des Wilhelm Hieronymus Brückner: „De strategematibus advocatorum“.)N.51.2 Bei der blinden Überschätzung der römischen Jurisprudenz sind derartige selbständig vorgenommene Änderungen und Milderungen gewiß ethisch hoch anzuschlagen.

Weit höher aber als das Verdienst der angeführten Männer ist es der Advokatur anzurechnen, daß es einer der Ihren war, welcher als erster gegen den um sich greifenden Hexenwahn anzukämpfen wagte. Kornelius Agrippa von Nettesheim, welcher in seiner Schrift „de occulta philosophia“ bereits im Jahre 1531 gegen den so verderblich wirkenden Aberglauben der Hexerei zu Felde zog, war Generaladvokat in Metz. Wenn man erwägt, welche bedeutende Selbständigkeit des Urteiles und welche Kühnheit dazu gehörte, sich der mit ungeheurer suggestiver Gewalt wütenden geistigen Epidemie des Hexenglaubens entgegenzustellen, so wird man wohl die Behauptung gerechtfertigt finden, daß diese geistige Großtat eines Advokaten die Schwächen und Fehler, die man seinem Stande anlasten kann, reichlich sühnt. Agrippa hat — was ihm speziell als Advokaten zu besonderem Ruhm gereicht — seine Anschauung nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch verfochten, indem er die Verteidigung einer der Hexerei angeklagten Bäuerin mit großem Geschick führte. Dadurch machte er sich selbst — was er bei den herrschenden Rechtsanschauungen unbedingt voraussehen mußte — verdächtig, wurde auch tatsächlich gefangengenommen und saß ein Jahr lang in Haft. Damit hat er den Mut der Überzeugung, die höchste sittliche Eigenschaft des Advokaten, machtvoll dokumentiert.N.51.3 [Seite 52]

III. Die ältere österreichische Advokatur.

Am 27. März 1638 wurde die erste österreichische Advokatenordnung erlassen.N.52.1 Sie galt zwar nur für das landmarschallische Gericht in Wien und enthielt zu einem namhaften Teil rein prozessuale Vorschriften, welche mit der Advokatur nur höchst indirekt in Beziehung stehen. Nichtsdestoweniger muß dieses Gesetz als Markstein in der Geschichte der österreichischen Advokatur angesehen werden. Schon der Umstand allein, daß man einer Summe verschiedenartigster Bestimmungen den Titel Advokatenordnung gab, beweist, daß sich die Advokatur bereits zu einem Stande ausgebildet hat, der schon seine festen Regeln, Rechte und Pflichten besitzt. Damit erscheint einerseits der Rezeptionsprozeß endgiltig abgeschlossen, anderseits kann man von diesem Zeitpunkte an eine selbständige, gewissermaßen lokal gefärbte Entwicklung der österreichischen Advokatur verfolgen. Zahlreiche Gesetze erfließen nunmehr in verhältnismäßig kurzen Intervallen, welche sich mit der Advokatur befassen, einige von ihnen sind sogar gleichfalls Advokatenordnungen genannt.N.52.2 Wenn auch diese Gesetze manche Abweichungen sowohl nach Kronländern als nach Gerichten aufweisen, so haben sie doch, und zwar für einen Zeitraum von ungefähr 100 Jahren — etwa bis zur Thronbesteigung der Kaiserin Maria Theresia —, so viel Ähnlichkeiten mit der ersten Advokatenordnung, daß es verlohnt, sich mit dieser etwas genauer zu befassen. Sie vermittelt am besten das [Seite 53] Verständnis für die Organisation sowie des Rechts- und Pflichtenkreises der altösterreichischen Advokatur.

Die Advokatenordnung wendet sich, wie aus deren Einleitung hervorgeht, an die Advokaten, Prokuratoren und Sollizitatoren, ohne irgendwelche Abgrenzung zwischen diesen drei Berufen vorzunehmen, doch läßt sich immerhin aus dem Wortlaut des Gesetzes erschließen, daß die Sollizitatur der Advokatur und Prokuratur nicht gleichgestellt, sondern letzteren untergeordnet war.N.53.1 Als ausdrücklicher Zweck des Gesetzes wird die Bekämpfung von Winkelschreibem und sonstigen „heimlichen Praktikanten“ angegeben, denen die Unordnung, die sich im Gerichtsverfahren eingeschlichen hat, zur Last gelegt wird.

Infolgedessen wird zunächst genau die Zulassung zur Advokatur beim landmarschallischen Gericht geregelt. Es wird eine zweijährige Praxis bei demselben (1.) und eine Prüfung, welche vor dem Landesschreiber „auszustehen“ ist, verlangt. (2.) Ferner muß der angehende Advokat einen Eid leisten und sich in das Advokatenbuch eintragen lassen. (3.) Nach Erfüllung aller dieser Erfordernisse wird aber der Kandidat erst Advokat zweiter Ordnung, welcher nur berechtigt ist, in den sogenannten causis extraordinariis, welche ungefähr mit unseren außerstreitigen Angelegenheiten identisch sind, zu advozieren. Um in Streitsachen, den sogenannten causis ordinariis, intervenieren zu können, erfordert es noch einer besonderen Ernennung. Punkt 4. der Advokatenordnung besagt, daß es diesbezüglich „bei dem alten Herkommen und Zahl“ verbleiben solle, nämlich „daß deren jederzeit Sechs sein sollen, welche nach abgelegtem Eyd in denen Lands-Rechten an öffentlichen GerichtsTägen ihre Stelle an der Schrancken zubetretten haben“.

Es folgt sohin eine Aufzählung der wichtigsten Standespflichten. Sämtlichen Advokaten, mögen sie nun in causis ordinariis oder extraordinariis zugelassen sein, wird ausdrücklich eingeschärft, nur gerechte Sachen zu übernehmen und sich hievon sorgsam vor Übernahme der Vertretung zu überzeugen; Verschleppungen von Angelegenheiten werden streng untersagt. Von der Übernahme allzu vieler Kausen wird abgemahnt und werden auf durch Arbeitsüberlastung hervorgerufene Säumnisse nebst Schadenersatz auch Geld- und Arreststrafen gesetzt. (5. und 6.)N.53.2 Ferner hat sich jeder Advokat „des schädlichen Pacti de Quota Litis oder [Seite 54] anderer dergleichen Vorgedinge“ bei „großer und scharffer Straff“ zu enthalten. (7.) Desgleichen soll sich „kein Advocat unterstehen beiden Parteien zu einer Zeit, in einerley Sachen, oder auch mit Erfolg derzeit in denen Sachen, worinnen er vorhero einem Theil gedient, hernach dem andern, es sei gleich in eben dieser, oder einer anderen dieser anhängenden darzu gehörigen Sache zu dienen; im widrigen selbiger ohne Gnad mit der auf die Praevaricatores gesetzten Straffe bestrafft werden solle“. (8.)N.54.1 Endlich wird den Advokaten aufgetragen, mündlich und schriftlich den schuldigen Respekt vor dem Gericht zu wahren und sich auch dem Prozeßgegner gegenüber „aller Hitzigkeit, Jnjurierung, Retorsionen und dergleichen“ zu enthalten. (11.)

Während die bisher angeführten Standesvorschriften hauptsächlich dem Interesse der Allgemeinheit galten, kann in der Vorschrift, welche Advokaten und Prokuratoren verbietet, „einem Winkelschreiber, Schriftensteller oder fremden Sollicitator das geringste Memoriale zuunterschreyben noch ihnen in dergleichen Fällen die geringste Beyhülfe zuleisten“ (17.), der erste Ansatz zur Wahrung der Standesinteressen erblickt werden. Außerordentlich hart erscheint die Strafe für Zuwiderhandelnde gegen diese Gesetzesstelle. Der Winkelschreiber wird eingesperrt, der Advokat, welcher eine Eingabe eines solchen signiert hat, „nach Befund der Sache mit Niederlegung der Advokatur oder anderer scharffer Straff“ belegt.

Die restlichen Bestimmungen dieses Gesetzes sind prozeßrechtlicher Natur. Von denselben könnte höchstens noch eine gleichzeitig auch als Standesregel angesehen werden, nämlich jene, in welcher den Advokaten eingeschärft wird, „die unnotwendigen und zu Zeiten mutwilligen und gefährlichen Auffzüge, hervorgesuchte Jncidentzen als Recognocierungs- und Edirungs-Disputaten und Strittigkeiten abzuschneiden“. (15.)

Die übrigen Prozeßvorschriften charakterisieren sich, soweit sie sich überhaupt auf Advokaten beziehen, lediglich als sitzungspolizeiliche Anordnungen, welche einen zum Teil schuljungenhaft anmuten würden, wenn sie nicht mitunter mit geradezu exorbitant hohen Geldstrafen verbunden wären.

Es wird den Advokaten eingeschärft, sauber, gut leserlich und un-korrigiert zu schreiben (9.) und pünktlich und fleißig bei den Gerichtssitzungen zu erscheinen. Unentschuldigtes Ausbleiben wird mit einem Dukaten Strafe geahndet. (14. und 16.) Die gleiche Strafe ist auch zu verhängen, wenn es der Advokat vergißt, bereits seiner ersten Prozeßschrift die Vollmacht seiner Partei beizulegen. (10.) Endlich soll sich [Seite 55] kein Sollizitator „unterstehen, in die Cancellos oder Schreibstuben des Expeditors, Concipisten und auch der Cantzellisten hineinzugehen“. (20.)

Die Disziplinargewalt über Advokaten, Prokuratoren und Sollizitatoren steht dem landmarschallischen Gerichte zu, welches nebst den bereits angeführten Strafarten auch Suspendierung vom Amte verhängen kann. (22.) Wie schon erwähnt, lassen sich aus der Advokatenordnung vom Jahre 1638 die Grundlinien der Organisation der Advokatur deutlich erkennen. Nur die Frage des Verhältnisses von Advokatur und Prokuratur bleibt ungelöst. Allerdings bietet die Advokatenordnung insoweit einen Anhaltspunkt, als an den meisten Stellen derselben ausschließlich von Advokaten die Rede ist und nur an wenigen Stellen von Advokaten, Prokuratoren und Sollizitatoren gesprochen wird. Daraus könnte man schließen, daß der Advokat seine beiden Berufsrivalen bereits erheblich überragte und für den ganzen Prozeßbetrieb die wichtigste Persönlichkeit war. Diese Anschauung findet eine Stütze in der gemeinrechtlichen Literatur des 17. Jahrhunderts, nach welcher sich der Advokat vom Prokurator im wesentlichen nur mehr durch sein größeres Wissen und sein höheres soziales Ansehen unterscheidet So schreibt z. B. Jakob Bonrich (1643) in einer Instruktion an seinen Sohn über den Unterschied zwischen Advokat und Prokurator: „Advocatus dignitatem habet, procurator nullam. In advocatis requiritur juris scientia, procuratores, saepe idiotae ac Latinae linguae imperiti, apud judices inferiores causas agentes.“ Einen ähnlichen Gedanken führt Kaspar Manzius in seinem „Tractatus de advocatis, procuratoribus et defensoribus“ (1659) aus: „Advocati non privatim aliena negotia, uti procuratores, mandato domini gerunt, sed publice jus dicunt... Procurator tantum communes et vulgares operas praestat veluti administer domini, advocatus veluti antistes justitiae jurisque tutor et vindex adeoque non tam clientis quam juris minister est.“N.55.1

Das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen Advokatur und Prokuratur, welches in der österreichischen Gesetzgebung vorkommt, findet sich in der Kammergerichtsordnung zu Innsbruck vom 10. Juni 1641.N.55.2 Daselbst wird im 9. Titel, welcher die Überschrift „De juramento Advocatorum et Procuratorum“ führt, der Wortlaut des Advokaten- und Prokuratoreneides angeführt. Diese beiden haben zwar die gleiche Formulierung, doch erhält der Prokuratoreneid noch einen charakteristischen Zusatz. Der Advokat wird aufgefordert zu geloben, einen Eid zu Gott und den Heiligen zu schwören, „daß er der fürstlichen Durchlaucht gehorsam, treu und gewertig sein, ihrer fürstlichen Durchlaucht Ehr, Nutz und Frommen allzeit betrachten und fördern, derselben Schaden und Nothdurft nach seinem Vermögen wenden, auch zuförderst [Seite 56] der alt katholischen Religion des Gehorsams beständiglich anhängig sein und bleiben, die Parteien, dero Sachen er sich annimmt, mit gantz und rechten treuen meynen, in solchen Sachen nach seinem besten Verstand, den Parteien zu gut Fleiß handeln, raten, schreiben und darinnen wissentlich keinerlei Falsch, Gefährde, noch Unrecht brauchen, auch mit den Partheien keinerlei Geding oder verwart, ein Theil der Sachen, der er Advokat ist, zu raten, auch heimlichkeit oder Behülf, so er von den Parteien empfangen oder Unterrichtung der Sachen, die von ihme selbst erachtet, einer Partei zu schaden niemand offenbare, das Gericht und Gerichtspersonen ehren, fördern und Ehrbarkeit für Gericht brauchen, von Lästerung bei Poen nach Ermäßigung der Regierung sich enthalten, auch Parteien über Sold, der nach Ordnung gebührt, mit Mehrung oder ander Geding beschweren oder ersehen, und ob des Lohns halben zwischen ihm und den Parteien Jrrung oder Speen entstünden, es Oberösterreichischen Regierung entscheiden lassen und darbey verbleiben und sich der Sach, so er angenommen, ohne endliche Ursach nicht entschlagen, sondern bis zu Ende des Rechtens handeln ohne Gefährde“.

Die Prokuratoren müssen überdies schwören, daß sie „keinen gefährlichen Schub und Dilation suchen, noch begehren, noch dies die Parteien zu tun und weisen wollen“. Ferner muß der Prokurator den sogenannten Calumnieneid leisten. Mit diesem schwört er „in sein und der Parteien Seel, daß er glaube, eine gute Sache zu haben, daß er kein unnotdürftigen gefährlichen Schub begehren, und so offt er in Rechten gefragt werde, die Wahrheit nicht verhalten: daß sich der Theil in solchen Sachen keiner falschen Zeugnis noch Beweistum gebrauchen wolle, auch in dieser Sache jemands andern, dann denen das Recht zuläßt, ichtwas geben oder verheißen, damit er das Urtheil erlangen oder erhalten möge, alles treulich und ohne Gefährde“.

Endlich wird der Prokurator noch zur Ablegung des Malitieneides verhalten, laut welchem er beschwören muß, daß er nichts „aus Gefährden oder böser Meinung“ Vorbringen und begehren werde.

Für den Advokaten sind diese beiden Eide nicht vorgesehen.

Aus den angeführten Schwurformeln geht hervor, daß die Prokuratoren zumindest in Tirol und den übrigen Teil Vorderösterreichs noch eine Zeitlang den Prozeßbetrieb in ihren Händen hatten, der ähnlich wie beim Reichskammergericht durch Überreichung der schriftlichen Eingaben in den Gerichtssitzungen bewirkt wurde.

Diese Unterscheidung, welche offenbar noch ein Nachklang der maximilianischen Gerichtsreform ist, die sich in Tirol mit größerer Zähigkeit als in den übrigen österreichischen Ländern erhalten hat, scheint die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht überdauert zu haben. Kein österreichisches Gesetz aus dieser Periode gestattet auch nur einen Rückschluß auf das Vorhandensein einer Funktionsteilung zwischen [Seite 57] Advokatur und Prokuratur. Wenn ein so angesehener gemeinrechtlicher Schriftsteller wie Samuel Stryk in seiner Disputatio de privilegiis advocatorum (1668) konstatierte: „Hodie Advocatos non tantum scriptis, sed etiam et verbis partes in judicio adjuvare satis quotidiana demonstrat experientia, quamquam hoc potius procuratorum sit, illud advocatorum“, so wird diese Feststellung auch für Österreich ihre Richtigkeit haben.

Was die Vorbildung der Advokaten anlangt, so sehen wir, daß sich der Staat nicht mehr mit der Erlangung eines akademischen Grades allein, der allerdings noch immer Voraussetzung zur Erlangung der Advokatur blieb, begnügte. Vielmehr wurde bereits eine Rechtspraxis, welche bei einem Advokaten zu absolvieren war und eine eigene Advokatenprüfung gefordert. Diese Erfordernisse waren um so notwendiger, als die Hochschulen starr daran festhielten, ausschließlich römisches Recht zu lehren, das heimische Recht aber kein Gegenstand der wissenschaftlichen Behandlung war.N.57.1 Interessant ist, daß die Wiener juridische Fakultät den Fehler in der Ausbildung der jungen Juristen ganz deutlich erkannte, wie aus einem im November 1631 über die Mängel des Gerichtswesens erstatteten Gutachten, das von einem Dr. Jakob Scholz gezeichnet ist, deutlich hervorgeht. In demselben heißt es unter anderem: „Nochmals muß man den Übelstand erwähnen, daß die neu eintretenden Advokaten und Praktikanten den Gerichtsgebrauch nicht wissen und höchstens bei den Doctoribus, bei welchen sie Schreiber gewesen, etwas weniges begriffen und eine rechte Hauptschrift gar nicht machen können.“N.57.2 Die Universität brachte aber nicht den Mut und die Selbstüberwindung auf, ihren längst veralteten Studienplan zu reformieren. Auch ein Versuch, welchen die niederösterreichische Regierung am 3. September 1648 unternahm, um die Prüfungsvorschriften an der juridischen Fakultät in Wien zu verbessern, scheint keinen dauernden Erfolg gehabt zu haben.

In einer an den juridischen Dekan gerichteten Zuschrift von dem genannten Tage beklagt sich die Regierung, daß viele der vorgeschlagenen Advokaten untauglich sind, keine Schriften aufzusetzen wissen und auch sonst in Reden unverständig und unbescheiden seien.

Es wird darauf anbefohlen, keine „untauglichen subjecta in moribus et doctrina“ vorzuschlagen, bei den Prüfungen zur Advokatur bei der niederösterreichischen Regierung nachstehende Punkte zu observieren:
1. Soll die Prüfung nicht vor dem Dekan allein, sondern mindestens im Beisein von zwei bis drei Doktoren stattfinden.
2. Wird die Vorlage des Geburtsbriefes verlangt.
3. Die Kommission soll keinen „infamen noch praevaricatorem“ zulassen.
4. ebensowenig einen „illiteratum aut in lingua latina minus exercitatum“. [Seite 58]
5. Es wird ein akademischer Grad an der juridischen Fakultät gefordert.
6. Es ist zu „beobachten, daß ein jeder sich ein ganzes Jahr bei einem Berühmbten Aduocaten mit sein deß Decani vorwissen auffgehallten vndt denn vblichen Gerichts- und Landsgebrauch inmittelst ergriffen, auch mit sollicitirn und schrifftenstellen exercirt, nicht weniger dessen unvertächtigen Schein furzeweisen hat, wann gleich Einer oder der Ander in theoria singulariter excellirn würdte“.
7. „Soll ein jeder Doctor so angenohmben zusein Begehrt, vorhero mit glaubwürdiger Kundschaft erweißen, daß er über obgedachte Puncta ein Jahr bey den Nidern Gerichten würcklich aduocirt, vndt quo ad mores aut patrocinium einen gueten Nahmen aldort erworben.“
8. Soll „künftiges bey Regierung keiner, der nit in facultate ist, zur Aduocatur zugelassen werdten“.N.58.1

Aus der Advokatenordnung im Zusammenhalt mit dem eben angeführten Prüfungsvorschriften läßt sich das Alter erschließen, welches ein beim hofmarschallischen Gericht, bzw. der österreichischen Regierung zugelassener Advokat mindestens haben mußte. Nach einer Bestimmung aus dem Jahre 1617 konnte die artistische Fakultät frühestens mit 18 Jahren absolviert werden.N.58.2 Das juridische Studium umfaßte 5 Jahre. Schlägt man noch die vorgeschriebene Rechtspraxis dazu, so ergibt sich, daß man bei der niederösterreichischen Regierung mit 24 Jahren, bei dem landmarschallischen Gericht mit 25 Jahren die Advokatur ausüben konnte. Dieses Alter ist allem Anschein nach auch bei allen übrigen höheren Gerichten in Österreich für die Zulassung zur Advokatur gefordert worden.

Aus der Advokatenordnung und den angeführten Bestimmungen des Statutenbuches der Wiener Universität ist ferner zu entnehmen, daß die Advokatur bei dem landmarschallischen Gericht und bei der niederösterreichischen Regierung lokalisiert und daß zumindest bezüglich der strittigen Sachen eine geschlossene Zahl festgesetzt war.N.58.3 Dasselbe System wurde nach und nach bei allen höheren Gerichten der Monarchie eingeführt. So wurden beim Reichshofrat nach der Reichshofratsordnung vom 16. März 1654 24 Advokaten zugelassen.N.58.4

Am 14. Dezember 1652 wird die Zahl der Advokaten bei der Hofkanzlei mit 12, jene der Prokuratoren mit 8 bestimmt. Gleichzeitig werden für die „praegerischen Instanzien“ 12 Advokaten und 8 Prokuratoren bestellt.N.58.5 [Seite 59]

Bemerkenswert ist, daß zur Zeit der Erlassung dieses Gesetzes die fixierte Zahl der Advokaten und Prokuratoren offenbar nicht komplett war, weil ausdrücklich verordnet wird, bis zu den genannten Zahlen neue Bewerber, soferne sie qualifiziert sind, zuzulassen.

Für die mährischen Gerichte werden im Jahre 1654 6 deutsche und 6 böhmische Landesadvokaten festgesetzt.N.59.1 Hingegen war bei den niederen Gerichten die Zahl der Advokaten nicht beschränkt, es herrschte kein wie immer gearteter Lokalisierungszwang. Noch legitimierte die akademische Würde als solche, um bei jedem beliebigen niederen Gericht als Advokat auftreten zu können.

Freilich wird dieser Grundsatz mitunter durchbrochen und es läßt sich beobachten, daß hie und da Niedergerichte Advokaten zur Parteienvertretung nicht zulassen, da sie von denselben eine Verschleppung der Rechtssachen befürchten. Eine derartige advokatenfeindliche Tendenz scheint besonders in Steiermark vorhanden gewesen zu sein. So verordnet z. B. ein Weistum aus Weiz aus dem 17. Jahrhundert, daß ohne erhebliche Ursache kein Doktor der Rechte noch andere fremde Redner zugelassen werden sollen, weil dadurch die Bürger nur „in lange Rechtsfirungen geleidet werden, in Massen solches von Alter hero also gebreichig gewest“.N.59.2 Desgleichen verbot das Bozner Marktprivileg vom Jahre 1635 die Zulassung von Advokaten bei Rechtsstreitigkeiten.N.59.3

Lokalisierungszwang und geschlossene Zahl haben nahezu automatisch auch Advokatenzwang zur Folge. Tatsächlich herrschte auch ein solcher — wenn auch nicht überall rechtlich, so doch faktisch — bei den höheren Gerichten. Bereits eine kaiserliche Entschließung vom 11. Oktober 1641 ordnete an, daß sowohl bei der Regierung als beim landmarschallischen Gerichte eingereichte Gesuche nicht eher zu erledigen sind, als bis sie von einem Advokaten unterschrieben werden.N.59.4 Ebenso werden in einem kaiserlichen Reskript vom 7. Mai 1650 die Gerichte angewiesen, nur Eingaben anzunehmen, welche von einem geschworenen Advokaten unterfertigt sind.N.59.5 Ein kaiserliches Reskript vom 25. Juni 1684 gebietet, daß Eingaben, welche an den Hof oder die böhmische Hofkanzlei gerichtet werden, von einem Advokaten zu unterschreiben sind.N.59.6 In ähnlicher Weise wird in einem Edikt vom 18. Dezember 1687 für Eingaben an den Hof die Unterschrift eines Advokaten verlangt, welche Bestimmung am 21. März 1689 neuerlich eingeschärft wird.N.59.7 [Seite 60]

Die Standespflichten der Advokaten wurden in allen Kronländern der Monarchie nahezu in der gleichen Weise umschrieben wie in der Advokatenordnung vom Jahre 1638. Die höheren Gerichte übten auch das disziplinäre Aufsichtsrecht über die bei ihnen zugelassenen Advokaten aus. Bei den niederen Gerichten ist ein derartiges Recht nicht bezeugt, die hier tätigen Advokaten waren in Disziplinarsachen, wie alle akademischen Bürger, der Jurisdiktion der Universität unterworfen. Die Disziplinarstrafmittel wraren überall fast identisch. Geldstrafen, Suspension und Niederlegung der Advokatur fehlen in keinem das Disziplinarrecht betreffenden Gesetz. Auch Freiheitsstrafe ist ein sehr häufig angedrohtes Disziplinarstrafmittel.N.60.1

Das Tätigkeitsgebiet der Advokaten war so wie in der vorangegangenen Periode hauptsächlich das Zivilrecht. Mit Strafsachen befaßten sich dieselben noch immer nicht besonders gern und waren auch im Strafverfahren nur in beschränkter Weise zugelassen. So bestimmt z. B. die niederösterreichische Landesgerichtsordnung vom 30. Dezember 1656, Art. 20, daß dem Beschuldigten nur in besonders schwierigen Fällen gestattet ist, „zur Darstellung seiner Unschuld“ einen Anwalt beizuziehen. Aber selbst der zugelassene Advokat befindet sich in einer unwürdigen Stellung, denn er muß schwören, „daß er dem Gefangenen nicht etwas Böses so zur Unterdrückung der Wahrheit gereicht, an die Hand geben, sondern allein auf dies sehen wolle, ob vielleicht der Gefangene etwas zu seiner Entschuldigung oder Ringerung der Straff Dienstliche anzuzeigen oder auszuführen unterlassen hätte“.N.60.2

Ein neues Tätigkeitsgebiet, das die frühere Zeit nicht kannte, fing sich für die Advokaten zu erschließen an, nämlich die Intervention im politisch-administrativen Verfahren, welches durch die immer weiterschreitende Ausgestaltung der Zentralstellen und Mittelbehörden aufzukommen begann. Der Regierung war aber der steigende Einfluß, welchen dadurch die Advokaten zu gewinnen drohten, unangenehm und suchte daher der Advokatur dieses neue Tätigkeitsfeld abzugraben, indem sie ein neues Institut, das der öffentlichen Agenten, schuf, dessen spezielle Aufgabe die Parteienvertretung in politisch-administrativen Angelegenheiten sein sollte.

Die Organisation der Agentur wurde in der Reichshofratsordnung vom 16. März 1654N.60.3 festgelegt. Sie ist völlig analog jener der Adokaten bei den höheren Gerichten. Abgesehen von der Stätte ihrer Wirksamkeit unterscheidet sich die Agentur in keiner Weise von der Advokatur. So kann es einen nicht wundernehmen, daß auch bald die Tätigkeit der Advokaten und Agenten ineinander zu verschmelzen begann. Bei [Seite 61] diesem Zusammenstoß erwies sich, obgleich die Agentur mit allerhand Privilegien ausgestattet wurde — stand doch ein Agent im Rang den Kammergerichtsprokuratoren gleich und hatte den Anspruch auf den Titel „fürnehm“ —, die Advokatur als das stärkere und lebensfähigere Institut. Sie war — allerdings erst im Laufe einer längeren Zeit — imstande, alle Funktionen der Agentur allmählich an sich zu ziehen und letztere überflüssig zu machen.

Bezüglich des Honorars bestanden keine anderen Beschränkungen als das Verbot der quota litis und sonstiger im vorhinein getroffener Abmachungen (Vorgeding) sowie die Standesregel, die Partei mit keiner „hohen und übermäßigen Bestallung“ zu beschweren.N.61.1 Gebührenordnungen, wie sie die frühere Periode kannte,N.61.2 scheinen sich nicht behauptet zu haben und außer Kraft gekommen zu sein. Freie Einschätzung der advokatorischen Leistungen zunächst durch den Advokaten selbst und im Streitfalle durch das Gericht ist offenbar die Regel geworden. Nur so erklären sich die späterhin mehrfach auftauchenden Bestimmungen, daß dem Richter das Recht eingeräumt wird, die Kostenansätze des Advokaten zu mäßigen.N.61.3

Der skizzierte Rechtszustand der Advokatur, wie er zur Zeit der ersten Advokatenordnung herrschte, blieb nahezu ein Jahrhundert lang stationär. Zwar erflossen eine größere Anzahl kaiserlicher Reskripte und sonstiger Verordnungen, welche die Advokatur betreffen. Aber dieselben bringen keine wesentlichen Änderungen, sie sind vielmehr nur als ein Ausfluß der Reglementierungssucht zu betrachten, welche der damals aufkommenden militärisch-bürokratischen Sinnesart entsprangen. Diesbezüglich ist zu beachten, daß in dieser Periode Österreich seine meisten und erfolgreichsten Kriege (Dreißigjähriger Krieg, Türkenkriege und Spanischer Erbfolgekrieg) führte und hiebei die ersten Grundlagen des modernen Militarismus schuf. In Nachahmung und Anlehnung an den militärischen Apparat trat auch eine straffere Organisation der Zivilbehörden ein. Aus der Verbindung nun von Heeresmacht, Schlachtenerfolg und Beamtenorganisation entstand jener militärisch-bürokratische Geist, welcher eine Mischung von Strammheit, Ordnungssinn, Faulheit, Pedanterie und Eigendünkel ist. Dieser Geist spiegelt sich unverkennbar auch in allen jenen Verfügungen wieder, welche die Advokatur betreffen. Charakteristisch ist, daß in nicht weniger als acht Verordnungen den Advokaten pünktliches Erscheinen bei Gericht zur [Seite 62] Pflicht gemacht wird.N.62.1 Ein Edikt vom 29. November 1684 schafft sogar ein Kontrollorgan, welches die pünktliche und regelmäßige Anwesenheit der Advokaten bei gewissen wichtigeren Gerichtssitzungen zu beaufsichtigen hatte.N.62.2

Nicht minder bezeichnend ist es, daß viele gesetzliche Bestimmungen Kürze des Ausdruckes den Advokaten vorschreiben. Schon die Kammergerichtsordnung zu Innsbruck vom Jahre 1641 verlangt, daß sich der Advokat sowohl schriftlich als mündlich „züchtig, kurz und mit dienstlichen Worten“ ausdrückt.N.62.3 In einem kaiserlichen Reskript für Schlesien vom 5. Jänner 1714 wird sogar für schlechten Stil Amtsenthebung angedroht.N.62.4 Diese drakonische Strafbestimmung atmet so recht den militärischen Geist, den man auch sonst in der Schärfe der Disziplinarstrafen wiederfindet, so kehrt die Leibesstrafe, welche die erste Advokatenordnung und die zu gleicher Zeit erflossenen Gesetze nicht mehr ausdrücklich erwähnen, mehrfach, und zwar für verhältnismäßig geringe Verfehlungen wieder.

In der Gerichtsordnung für das hofmarschallische Gericht vom 28. März 1681N.62.5 wird Leibesstrafe für den Fall angedroht, daß ein Advokat seine Partei durch Unfleiß schädigt (§ 20). Und eine Resolution vom 21. Oktober 1669N.62.6 setzt Leibesstrafe sogar auf das mutwillige Ergreifen einer Appellation.

Diese Gesetzesstelle zeigt auch deutlich das Erstarken eines selbstbewußt und bequem gewordenen Beamtentums, das geneigt ist, in den Rechtsmitteln eine Behelligung und eine persönliche Beleidigung der amtierenden Person zu erblicken und in dem Advokaten nichts anderes als den Erzeuger des arbeitsverursachenden Einlaufes sieht. Scharfe [Seite 63] Strafdrohungen gegen mutwilliges Prozessieren kehren denn auch fortwährend wieder.N.63.1

Die gerechtfertigtsten aller Anordnungen, welche die Behörden gegen die Advokaten erließen, waren wohl jene, welche sich gegen die ungebührliche Verschleppung der Prozesse (in der damaligen Rechtssprache „Aufzüge“ genannt) richteten. Aus den vielfachen diesbezüglichen Verordnungen kann man erschließen, daß die Advokaten äußerst erfinderisch im Ersinnen neuartiger Tricks zur Hinausziehung von Rechtsstreitigkeiten waren. Die Schwerfälligkeit des Prozeßbetriebes und die Faulheit der Beamtenschaft erleichterte allerdings sehr dieses Treiben und läßt es auch in einem milderen Licht erscheinen. Es kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß einen wesentlichen Teil der Schuld an der langsamen Prozeßführung den Richterstand trifft. Amüsant ist diesbezüglich zu lesen, was Kemmerich in seinen „Kulturkuriosa“ darüber berichtet, wie die Stadt Frankfurt eine Angelegenheit, die beim Wiener Reichshofrat schwebte, betrieb. Der Fleiß des Referenten mußte geradezu mit klingender Münze erkauft werden.N.63.2

Ein Edikt vom 5. Jänner 1688 spricht ganz unverhohlen davon, daß bei der niederösterreichischen Regierung eine ziemliche Anzahl alter Prozesse unerledigt seit vielen Jahren liege, weil sie nicht sollizitiert worden sind. Es ergeht eine Aufforderung an die Advokaten, binnen zwei Monaten zu erklären, ob die Prozesse weitergeführt werden, widrigenfalls überhaupt in der betreffenden Rechtssache keine Erledigung ergehen wird.N.63.3 Selbst aus den gegen die Advokaten gerichteten Verfügungen läßt sich indirekt auf Faulheit und Nachlässigkeit des Richterpersonals schließen, insbesonders kann man erkennen, daß eine große Unordnung in den Akten geherrscht haben muß und sich die Richter vielfach gar nicht erinnern konnten, was sie in einem Falle bereits veranlaßt hatten. Derartige Zustände forderten geradezu gewisse Winkelzüge der Advokaten — so die Wiederholung von Anträgen, über die bereits einmal entschieden war — heraus. An anderen Verschleppungsmanövern war wiederum die durch den Rückgang der Wissenschaft immer mehr versumpfte Routine schuld, welche durch die Kraft der Gewohnheit wirkend, dem einzelnen das Verwerfliche dieser Prozeßtaktik gar nicht zum Bewußtsein kommen ließ. Vielschreiberei gehörte sozusagen zum Handwerk. Der Musterprozeß, welcher in dem beliebten Handbuch „Der teutsche Advokat“ (1691) abgedruckt ist, umfaßt, obwohl es sich [Seite 64] nur um einen einfachen, ausschließlich auf Urkundenbeweise gestützten Bürgschaftsprozeß handelt, 160 Druckseiten.N.64.1 Immerhin scheinen, abgesehen von den durch die Gewohnheit sozusagen bereits sanktionierten Übelständen, von den Advokaten mitunter auch manche bösartige Kunstgriffe zur Verlängerung von Rechtsstreitigkeiten angewendet worden zu sein, so daß man den gegen diese Taktik gerichteten Verordnungen die innere Berechtigung nicht absprechen kann.N.64.2 Der immer mehr sich breit machende bürokratische Eigendünkel spiegelt sich besonders deutlich in jenen Verordnungen wieder, mit welchen Rangordnung, Titulatur, Kleidung und andere Äußerlichkeiten mit einer für unser Empfinden geradezu lächerlichen Pedanterie geregelt werden. Es erfließt eine eigene kaiserliche Resolution (19. Feber 1709), in welcher den mährischen Landesadvokaten eingeschärft wird, vor dem Landrecht in schwarzer Kleidung und mit Mäntel, welche jedoch keine Flügel haben dürfen, zu erscheinen.N.64.3 Es wird auch genau festgestellt, daß den Advokaten der Magistrat der Stadt Brünn im Range vorgeht, während umgekehrt die sogenannten Ratsverwandten ihnen im Range nachstehen. Bezüglich der Titel enthält der Codex Austriacus eine eigene Abhandlung.N.64.4 In dieser wird ausgeführt, daß nur Doktoren in kaiserlichen Diensten Anspruch auf den Titel „Edel und Gestreng“ haben. Andere Doktoren müssen sich mit der Ansprache „Edel und Hochgelehrt“ begnügen. Getadelt wird die Anwendung des Wortes „gnädig“. Desgleichen wird den Doktoren die Anwendung eines roten Siegels, welches [Seite 65] Privileg der obersten Stände ist, verwiesen, sie haben grün zu siegeln, während der unter ihnen stehende Bürgerstand sich eines gelben Siegels bedienen muß. Noch schärfer zeigt sich diese Gesetz gewordene Etiquette in mehreren Polizeiordnungen, aus denen man auch gleichzeitig entnehmen kann, wie das immer mächtiger werdende Beamtentum die Advokatur in ihrer sozialen Stellung herabdrückte. Die Polizeiordnung vom 28. September 1671N.65.1 teilt die Bevölkerung insbesonders in Hinblick auf den Kleiderluxus in fünf Klassen. Die Doktoren gehören ebenso wie die höheren Hofbeamten und der Stadtrichter von Wien in die I. Klasse. Den Mitgliedern dieser Klasse war unter anderem das Tragen von Edelmarder, Samtkleidern und mit Samt gefütterter Mäntel gestattet, was den übrigen Klassen verboten war. Vergleichsweise sei angeführt, daß in die II. Klasse Nobilitierte ohne Landgüter, Sekretäre, welche keine Doktoren sind, öffentliche Notare, Richter und Bürgermeister mittlerer Städte gehören. Zur III. Klasse zählen unter anderem die „vornehmen bürgerlichen Handelsleuth“ wie auch andere vornehme Bürger, welche kein Handwerk betreiben, Künstler und Sollizitatoren.

Bereits in der Polizeiordnung vom 31. März 1688N.65.2 die sich gleichfalls mit dem Kleiderluxus befaßt, sind die doctores juris aus der I. Klasse ausgeschieden. Die II. Klasse wird nunmehr in zwei Glieder geteilt, und werden die Doktoren dem ersten Gliede zugewiesen. Charakteristisch ist, daß in diese Klasse, zu welcher noch immer die höheren Hof- und Staatsbediensteten zählen, auch der kaiserliche Leibtanz- und Fechtmeister gehört.

Am 12. Februar 1694 wurde eine Kopfsteuer eingeführt, bei welcher die doctores juris erst in die VIII. Klasse mit einer Steuer von 50 fl. eingereiht wurden. Bei dieser Klassifikation kamen in die I. Klasse fürstliche Personen mit einer Steuer von 1000 fl., denen sodann Grafen, Freiherren und Ritter mit Stufen von 500, 300 und 150 fl. folgten.N.65.3

In dem Gesetz vom 7. September 1718,N.65.4 welches die Taxen regelt, die bei Antritt eines Amtes zu entrichten sind, erscheinen die Advokaten abermals zurückgerückt. Allerdings macht dieses Gesetz außerordentlich viele Abstufungen. Immerhin ist es bezeichnend, daß die Kammerprokuratoren und die bei den höheren Instanzen zugelassenen Anwälte — also die Oberschichte der Advokatur — in eine Klasse (XIII.) mit den staatlichen Buchhalterei- und Kanzleibeamten bis zum Expeditor hinab, kaiserlichen Forst- und Gestütmeistern und den kaiserlichen, in höherer Besoldung stehenden Musikern gestellt werden. Die übrigen Advokaten rangieren sogar noch eine Stufe tiefer. [Seite 66]

Dieses Sinken des sozialen Ansehens der Advokatur hat nicht nur in dem Erstarken des Beamtentums allein seinen Grund. Es hängt auch, teilweise wenigstens, mit dem Stagnieren der Rechtswissenschaft zusammen. Der unheilvolle Einfluß und die unerbittliche Zensur, welche die Jesuiten über das ganze Universitätsleben ausübten, hat es bewirkt, daß die juridische Fakultät vollständig verödete. Selbst ein so kirchenfreundlicher Schriftsteller wie Kink muß zugeben, daß im Laufe des 17. Jahrhunderts kein Jurist von namhafter Bedeutung aus der Wiener Universität hervorgegangen ist.N.66.1 Man muß es den Advokaten zubilligen, daß sie bei diesen traurigen Verhältnissen zu retten versuchten, was zu retten war, insbesonders trachteten sie, durch Privatkollegien Kenntnis des österreichischen Rechtes zu übermitteln. Die Universität lehrte nämlich, an ihrer Tradition unentwegt festhaltend, nur römisches Recht. Da nun diese Privatkollegien den geistlichen Machthabern offenbar nicht gefielen, weil sie eine Stätte selbständigen Denkens zu werden drohten, wurden sie im Jahre 1674 verboten.N.66.2 Noch ein halbes Jahrhundert später herrschten in Wien die gleichen Zustände. So schreibt Küchelbecker im Jahre 1730: „Auch in der Jurisprudenz muß man nach der alten einfältigen Leyer der Canonisten und Civilisten forttantzen und beyleibe keine neue Meinungen auch nicht einmal exercitiana statuieren, wo man sich nicht einen Schwarm Jesuiten auff den Halß laden will.“N.66.3 Es kann einen daher nicht wundernehmen, daß die Advokaten dieser Periode fachschriftstellerisch kaum etwas anderes produzierten als Handbücher für den täglichen Gebrauch. In dieser Beziehung ist etwa zu nennen Adam Josef Greneck, niederösterreichischer Hof- und Kammerprokurator, der ein Buch „De Jurisdictione hodierna ad Praxim austriacam infra onasum“ (1733) herausgab.N.66.4 Alle Schriften, welche über dieses enge Thema hinausgingen, standen so ganz im Banne des jesuitischen Gedankenkreises, daß man sie nicht ernsthaft als wissenschaftliche Arbeiten ansehen kann. Nur zur Illustration sei angeführt, daß ein gewisser Dr. Volpert Mozel, welcher Kammerprokurator in Innsbruck war, 1637 eine Instruktion zur Verfolgung von Hexen ausarbeitete und sodann nach ihm Christoph Fröhlich v. Fröhlichsburg, Professor und Advokat in Innsbruck, im Jahre 1696 ein Werk „Nemesis Romano Austriaco Tyrolensis“ verfaßte, in welchem eifrig das Vorkommen von Hexen verfochten und deren besonders strenge Bestrafung verlangt wird. Dieses Machwerk erscheint um so bornierter, als damals bereits die namhaftesten Kampfschriften gegen Hexenwahn und Hexenverfolgung erschienen waren.N.66.5 [Seite 67]

Der wissenschaftliche Stillstand der Hochschulen, mit dem außerdem eine unsagbare Verrohung der studentischen Sitten Hand in Hand ging, brachte es mit sich, daß die obersten Stände der Universität den Rücken kehrten. Dieselben erhielten mit kaiserlichem Privileg vom 29. März 1694 eine neuartige Hochschule, die sogenannte Akademie.N.67.1 Der Lehrplan dieser Schule wich wesentlich von jenem der Universität ab. Statt Lateinisch trat Französisch in den Vordergrund des Sprachenunterrichtes. In der Rechtswissenschaft wurde auf die neu aufkommenden, von der Universität gänzlich vernachlässigten Disziplinen des Staats- und Völkerrechtes Rücksicht genommen. Auch sonst modernisierte man vielfach die Studienordnung. Außerdem wurde Wert auf die Hebung der Umgangsformen, welche an den Universitäten vollständig verwildert waren, gelegt. Die Akademie nahm sofort erfolgreich den Wettbewerb mit der alten Hochschule auf. Alles, was sich nur irgendwie zur Gesellschaft zählte, schickte seine Söhne auf jene, so daß sie in kurzer Zeit die wichtigste Vorschule für den höheren Staatsdienst und die ausschließliche für die Diplomatie wurde. Dadurch büßte die Universität und namentlich deren juridische Fakultät viel von ihrem alten Ansehen ein. Aber auch den praktischen juridischen Berufen, die Universitätsstudium zur Vorbedingung hatten, widerfuhr dasselbe Schicksal. Nicht nur, daß dieselben vollständig verbürgerlichten, was sie nach den Anschauungen jener Zeit gesellschaftlich herabdrückte, auch ihr Tätigkeitsfeld verringerte sich. Bis nun war es theoretisch immerhin möglich gewesen, daß ein Doktor juris, was immer er für einen praktischen Beruf ausübte, zu irgendeinem hohen Staatsamt oder einer diplomatischen Mission berufen wurde, nunmehr war dies ein Ding der Unmöglichkeit. Allerdings ging auch vorher in Österreich die höhere Beamtenkarriere in der Regel nicht über die Advokatur. Aber ausgeschlossen war dies immerhin nicht. Eine Reihe von Adelsgeschlechtern haben Advokaten, welche in Staatsdienst traten und ihren Weg machten, zu Ahnherren.N.67.2 Mitunter führte die Laufbahn des Advokaten auch über die Professur, wie z. B. bei Dr. Josef Ferdinand Holzer.N.67.3

Über die moralischen Qualitäten der Advokatur dieser Periode besitzen wir im Gegensatz zur vorausgegangenen Epoche nur verhältnismäßig spärliche Zeugnisse aus der schönen Literatur. Der Advokat ist offenbar nicht mehr eine so markante und interessante Persönlichkeit wie früher, er hat sich der Gesellschaft bereits eingefügt und fällt [Seite 68] infolgedessen nicht mehr so auf. Das dürfte wohl der hauptsächlichste Grund für seine schriftstellerische Vernachlässigung sein. Ein einziger Autor befaßt sich eingehend mit der österreichischen Advokatur, es ist dies der Wiener Hofprediger Abraham a Sancta Clara.N.68.1 Seine Aussprüche erscheinen um so wertvoller, als dieser geistvolle Mönch Klarheit und Schärfe des Blicks mit einem sehr beachtenswerten Streben nach Objektivität verbindet. Wohl trübt auch ihm manchmal die Berufszugehörigkeit das Urteil und mancher Ausfall geht auf das Streben, einen Witz zu machen, zurück. Aber diese Übertreibungen sind leicht als solche erkennbar und verdienen trotz derselben die Schilderungen, welche Abraham a Sancta Clara von der Advokatur seiner Zeit entwarf (Wende des 17. und 18. Jahrhunderts), eine ausführliche Wiedergabe. Im Jahre 1699 gab dieser ein Buch „Etwas für alle“ heraus.N.68.2 Dasselbe setzt sich zur Aufgabe, alle Stände zu beschreiben, und werden nacheinander der Geistliche, Regent, Rat, Beamte, Advokat, Soldat, Schiffer, Arzt, Apotheker, Wundarzt, Zahnarzt, Kaufmann und verschiedene Gewerbe behandelt. Die Reihenfolge ist offenbar mit Bedacht gewählt und kann man aus ihr erkennen, daß der Advokat, wenn auch hinter der Beamtenschaft, so doch noch immer an der Spitze der bürgerlichen Berufe steht. Das Kapitel, welches vom Advokaten handelt, trägt das Motto :
Schweigt, weil der Erdenmist
Nicht wert des Zankes ist.

Der Autor kommt zunächst auf die rechtschaffenen Advokaten zu sprechen und sagt von ihnen: „Wer die Advokaten im Feuer vergleicht mit einer Salamandra, der tut recht: Salamandra sind sie, denn gleich wie dieses Tier mitten in dem Feuer und Flammen unversehrt bleibt, also läßt sich auch der rechtschaffene Advokat wegen der Justiz durch keine Verfolgung überwinden. Wer die Advokaten im Wasser vergleicht, mit einem Delphin, der tut recht. Delphine sind sie, denn gleich wie dieser Leut auf seinen Rücken nimmt und aus den gefährlichen Meereswellen zum Gestade hinaussalviert, also helfen die guten und wohlerfahrenen Advokaten auch manchem aus den größten Gefahren.“ Es wird sodann unter Zitierung der Bibel darauf verwiesen, daß die Himmelskönigin Advokatin der Kirche sei und daß Christus als Fürsprecher der sündigen Menschheit beim himmlischen Vater angesehen wird. Advocatum habemus apud Patrem Jesum Christum. Aus diesen Bezeichnungen wird sodann die Würde der Advokatur [Seite 69] abgeleitet. Dann heißt es weiter: „Advokaten und Rechtsgelehrte machen mit ihrem scharfen Witz und ansehnlicher Lehr oft schwere Händel leicht und gering, daß sie einen guten Ausgang nehmen. Advokaten und Rechtsgelehrte können mehrmalen mit ihrem hohen Verstand, großer Doktrin und Wissenschaft krumpe Händel grad machen. (Ist an dieser Stelle offenbar nicht ironisch gemeint)

Advokaten und Rechtsgelehrte machen gar viele oft verwickelte und obskure Händel mit ihrer so stattlichen Wissenschaft mit so scheinbaren Proben (gleich augenscheinlichen Beweisen) und Argumenten so klar, daß ein jeder die Wahrheit handgreiflich erkennt.

Ansehnliche Advokaten und Rechtsgelehrte können mit ihrer wohlgegründeten Szienz und guten Manieren auch gar getrennte und entzweite Gemüter vereinigen.

Gute Advokaten und Rechtsgelehrte können mit ihrer Doktrin und Wohlredenheit, den, der durch gewissenloses Reden verschwärzt worden ist, wieder in einen weißen und unschuldigen Stand setzen.

Advokaten stehen armen Witwen und Waisen bei. Sie vertreiben Grillen und Mucken, welche sich mancher wegen seiner Rechtshändel macht.

In Summa die Rechtsgelehrten sind rechtschaffene Leute und ist eine große Litanei der Heiligen, welche das Advokatenamt auf Erden vertreten haben.

Weil aber selten eine Wiesen ohne Scherhaufen, selten ein Markt ohne Diebe, selten ein Wein ohne Gleger, selten ein Garten ohne Brennessel, selten ein Sommer ohne Mucken, selten ein großer Geldschatz ohne falsche Münze, selten ein Buch ohne Eselsohren, selten ein Apfelbaum ohne Wurmstich, selten ein Fest ohne Stockfisch, selten ein Wald ohne Gimpel, selten ein Garn ohne Knopf, selten ein Acker ohne Distel, selten ein Kirchtag ohne Raufhandel: also ist auch selten ein Stand und Profession ohne böse Leut’. Daher auch unter den Advokaten ebenfalls gewissenlose und tadelhafte Gesellen anzutreffen sind.

Etliche sind wie ein Wagen, der immerzu will geschmiert werden.

Etliche sind wie eine Wiegen, die alle Zeit bald hin bald her wankt.

Etliche sind wie ein Hagel, der sich nur einfindet, wenn es kühl hergeht.

Etliche sind wie ein Hügel, der nichts anderes ist, als eine hoffärtige aufgebäumte Erden.

Etliche sind wie ein Aal, welcher Fisch nur das trübe Wasser liebt.

Etliche sind wie ein Öl, so alle Zeit will oben schwimmen.

Etliche sind wie ein Lax, denn kein Fisch macht seltsamere Sprünge als dieser.

Etliche sind wie ein Lux, sie schauen aber nur auf Geld und Schenkungen.“ [Seite 70]

Ähnliche Ausführungen finden sich auch in Abraham a Sancta Claras Schrift „Merk’s Wien!N.70.1 (1679). In diesem Büchlein wird den an der Pest Verstorbenen ein Nachruf gehalten, was Gelegenheit gibt, über die Berufe der Verblichenen zu sprechen. Unter anderem wird ausgeführt: „Was ist schöner als ein Rechtsgelehrter zu sein und einen Advokaten abzugeben, obschon manche bissige Worte brauchen und sich in die Schneiderzunft eindringen, verstehe Ehrabschneider, besonders den Advokaten mit so wohl häßlichem als hassendem Schimpf diesen wahllos Nachklang aufbringen, daß sie nämlich ihre Satzungen und Leges können ziehen wie die Schuster das Leder und verhalten sich zwei Advokaten wie die Wäscherinnen mit der nassen Leinwand, eine reibt hin, die andere her, bis kein Tropfen mehr drinnen bleibt, also jene mit ihren widrigen Argumenten und Documenten manchen dergestalt ausreiben, daß ihm der Säckel staubt. Ich widerspreche es nicht, daß nicht auch gewissenlose Advokaten zu finden seien, welche aus Mißbrauch der Wissenschaft mit ihrer verschmitzten Lehr aus einem Flöhhuster fein meisterlich einen Rechtshandel schmieden ... Zu wissen ist aber, daß einen oder des anderen geübte Privatbosheit und geübter Mutwillen der wertesten Juristenzahl nichts beimesse.“

Auch in dem Hauptwerk Abraham a Sancta Claras „Judas der Erzschelm“ (1693) wird an einer Stelle sehr ausführlich über die Advokaten gesprochen. Ein aus der Kirche kommender Geistlicher trifft einen ihm bekannten Anwalt, den er fragt, ob er in der Kirche bei der Predigt gewesen sei. Der Advokat verneint dies mit leisem Spott, indem er darauf hinweist, daß er sowohl durch seine Arbeit als durch seine gesellschaftlichen Verpflichtungen daran gehindert war. Nun wird ein Gespräch wiedergegeben, das zwei Bürger miteinander führen, welche diese kurze Rücksprache mitangehört haben. Sie drücken zunächst ihr Bedauern darüber aus, daß der Advokat der Predigt nicht beigewohnt hat, weil sich diese fast ausschließlich mit seinem Stand befaßt habe. Sie geben den Inhalt derselben wieder: „Gar viele stehen freimütig von dem Rechtsführen ab, weil so viel Unkosten aufgehen, damit sie nicht gar hiedurch an den Bettelstab geraten. Lazarus liegt vier Tage im Grab, Lazarus stinkt vier Tage im Grab, bis ihn endlich Christus erweckt. Vier Tage gehen hin, aber mein Recht, sagt mancher, bleibt schön liegen nit nur vier Tage, nit nur vier Wochen, nit nur vier Monate, sondern schon vier Jahre. Vier Jahre stinkt er schon, foetet, das kann ja keinem wohl schmecken. Unter der Zeit läuft die Bestellung des Advokaten gleichwohl fort, unter der Zeit muß ich immer dem Doktor spendieren, sein Schreiber, der bis an den Hals gestudierte Maulaff will auch beschenkt werden. Oh Gott, wann nur einmal dieser Lazarus erweckt würde. Mein lieber Mensch, du mußt glauben, daß [Seite 71] der Doktor an dir eine gute Melkkuh hat, du mußt wissen, daß des Advokaten sein Beutel mit dem deinigen in nahender Verwandtschaft ist; ja Bruder, du mußt denken, wenn du schon gern von ihm los wärest, daß er herentgegen von dir nit gern los wäre (zwar ist er los genug). Brauchst du ihn nit, so braucht er dich, daß er dein Recht so langsam zu einem gewünschten Ende bringt. Er will es nit über das Knie brechen, damit fein der Handel ganz bleibe. Eilen tut nicht gut, sagte der Schneck, der sieben Jahre über die Brucken gekrochen und gleichwohl gestolpert. Aus dem Langsam wächst ihm sein Interesse. Aber ist das recht? Ein Recht führt er wohl, aber nit recht, denn was er in vier Wochen hätte können zu einem Ausgang bringen und selbiges erst in vier Jahren vollendet, so ist unterdessen deine Ausgabe sein Diebstahl, wenn es durch seine Bosheit oder Fahrlässigkeit also protegiert worden.N.71.1

Über die juristische und speziell advokatorische Karriere gibt eine Ansprache, die Abraham a Sancta Clara in einer Predigt einer aufgedonnerten Kleidernärrin zuteil werden läßt, lehrreichen Aufschluß: „Ist dein Vater Advokat oder falscher Christ, der vom Schmieren, Hantieren so viel gesammelt, daß er dich so höflich kleiden kann ? Es kann sein, daß dein Vater ist ein hergelaufenes Studentlein, bei dem lieben Pompernickel auferzogen, promoviert für ein Präzeptorlein, dem das Glück mehr als das Recht favorisiert, das ein wenig Jura gehört und endlich eines Doctors reiche Tochter er heuratet hat, benebens gute Landsleute hat, welche ihm von einem Schreiberamt zu dem anderen promovieret, von einer Juristenpraktik zur anderen geholfen haben und endlich zu einem falschen Zungendrescher gemacht, begnügt sich mit unterschiedlichen Parteien, die er ohne Messer geschoren.“N.71.2

Die alte Feindschaft der Kirche wider die Advokatur klingt deutlich aus den letztangeführten Stellen hervor. Um so höher ist das Lob zu werten, welches ihr der Autor fast gegen seinen Willen zollt. Die Annahme ist daher nicht unbegründet, daß sich die Moralität des Standes im Laufe des 17. Jahrhunderts allmählich gehoben und daß bereits gegen Ende desselben die Advokatur namentlich bei dem Bürgerstande sich Vertrauen zu gewinnen gewußt hat. Diesen Entwicklungsgang hat die Regierung als eine Gefahr für sich selbst empfunden und daraus erklären sich die Maßnahmen gegen Ende des 17. und anfangs des 18. Jahrhunderts, welche bezwecken, daß Studium einzudämmen und die Zahl der Advokaten zu beschränken. Natürlich wurden damals, wie das ja immer und überall geschieht, diese Schritte mit Hinweis auf das allgemeine Wohl beschönigt, doch kann man sich über die wahre Natur dieser Maßnahmen kaum im Zweifel sein, Am 1. Jänner 1693 erging ein Verbot, mittellose Schüler zum Universitätsstudium zuzulassen. Am [Seite 72] 27. Mai 1699 erfolgt sodann eine Verordnung, daß Promotionen an der juridischen Fakultät nur alle fünf Jahre vorgenommen und jedesmal höchstens fünf Kandidaten promoviert werden dürfen; außerdem erfordert jede einzelne Promotion die Zustimmung des Kaisers.N.72.1 Endlich wurden enorme Promotionstaxen eingeführt (2500 fl.). Trotz dieser Beschränkungen, durch welche die Zahl der Juristen gewiß äußerst reduziert wurde, fand es die Regierung für notwendig, angeblich wegen des Überhandnehmens der Zahl der Advokaten am 14. Dezember 1736N.72.2 für die Advokatur als solche und nicht nur für die bei den höheren Stellen zugelassene die geschlossene Zahl einzuführen. Das betreffende Gesetz begründet diese Maßregel in nachstehender Weise: „Zumal man beobachtet, daß, quoad fontem Mali, der immer anwachsende Pruritus litigandi größtenteils von der überhäuften Menge der Advokaten, welche sämtliche von Prozeßführen leben wollen, seinen Ursprung nahm: Als seye Jhrer kaiserlichen Majestät Befehl, Willen und Meinung, daß mit Erteilung des Stalli Advocandi bei allen Gerichtsstellen auf das behutsamste umgegangen und nicht nur der dermalige Numerus Advocatorum auf keinerlei Weis vermehrt, sondern im Gegenspiel auch dieser, wie es immer am füglichsten geschehen kann, nach und nach reducieret, und bis er in seine rechte Proportion kommet, nur jederzeit die änderte Apertur ersetzet, auch von ihrer Regierung, ein ausführlicher gutachtlicher Bericht, vor das künftig bei den niedern und höheren Tribunalien eine gewisse Zahl der Advokaten festzustellen und wie hoch dieselbe zu setzen seye, ehemöglichst erstattet werde.“N.72.3 Der Unnabhängigkeitssinn der Advokaten war bereits zu sehr gebeugt, um die Kraft zu einem aktiven Widerstand gegen diese gehässigen Maßregeln aufzubringen, wie ihn etwa die französische Anwaltschaft geleistet hat, als ihre Rechte in ähnlicher Weise bedroht wurden.N.72.4 Hingegen war der passive Widerstand ein recht erheblicher. Er schwächte nicht nur die erlassenen Verfügungen in der Praxis wesentlich ab, sondern verhinderte auch, was wohl am wichtigsten ist, eine weitere Entrechtung und soziale Herabdrückung des Standes. Es ist dies keine allzu gering zu wertende Leistung, wenn man erwägt, daß zur selben Zeit in Preußen, das damals ungefähr auf der gleichen Stufe der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung wie Österreich stand, im Jahre 1713 zwei Drittel aller Advokaten durch eine brutale Regierungsmaßnahme ohne jeden Rechtsgrund ihres Amtes entsetzt und die übriggebliebenen zur Zahlung eines sehr erheblichen Betrages an die Rekrutenkasse gezwungen wurden, welchem [Seite 73] Gewaltakt im Jahre 1725 noch die völlige Auflösung der Prokuratur nachfolgte.N.73.1 Aber auch in den mittleren deutschen Staaten war die Lage der Advokaten schlechter, insbesonders ihr soziales Ansehen geringer als in Österreich, wenn man der Klage des allerdings überempfindlichen Wittenberger Pandektisten Leyser Glauben schenken darf, welcher sich im Jahre 1732 lebhaft darüber beschwert, daß die Advokaten bei öffentlichen Anlässen äußerst geringschätzig behandelt und ihnen Plätze neben Schreibern, Geldwechslern und dergleichen minder geachteten Berufen angewiesen werden.N.73.2

Die abwärtsgleitende Bewegung der Advokatur hatte mit dem Gesetz vom 14. Dezember 1736 ihren Tiefstand erreicht. Von da ab läßt sich wieder ein allmählicher Aufstieg der Rechtsanwaltschaft beobachten. Es ist dies einerseits auf das Erstarken des Bürgertums, dem nunmehr die Advokatur ausschließlich zuzuzählen ist, zurückzuführen und gründet sich anderseits auf das stets fühlbarer werdende Bedürfnis der einzelnen Personen, sich gegen die immer mehr anwachsende, in das Privatleben eingreifende Macht des Staates zur Wehr zu setzen, wobei sich der Advokat als der geeignetste Helfer erweist. Durch die Reformen, welche nach der Thronbesteigung der Kaiserin Maria Theresia einsetzten, verdichtete sich die staatliche Tätigkeit ganz erheblich: Alles wird gemessen, gezählt, reglementiert. Kein Wunder, wenn die Reibungsflächen wachsen. Die erweiterten staatlichen Aufgaben erforderten auch naturgemäß einen erheblich größeren Beamtenkörper. Die anschwellende Zahl entpersönlichte aber die Tätigkeit des einzelnen Beamten und drückte auf sein soziales Ansehen. Der individualistisch gebliebene Advokat begann sich wieder über die Beamtenschaft zu erheben. Charakteristisch ist, daß mit Patent vom 18. Februar 1769 den Advokaten ausdrücklich untersagt werden mußte, Beamte zu beschenken.N.73.3 Es war dies nicht etwa ein abstrakt ausgedachtes Verbot, sondern richtete sich gegen eine damals einreißende Gepflogenheit.N.73.4 Derartige Sitten können sich aber nur dort ausbilden, wo die Advokatur wirtschaftlich und sozial höher steht als das Beamtentum.

Einen schlagenden Beweis für das Vertrauen und das Ansehen, welches die Advokaten bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts bei der Bevölkerung und bei den Gerichten errungen haben, liefert die [Seite 74] kaiserliche Pragmatik vom 23. Jänner 1753, welche bestimmt, daß in einem Konkurs „ohne besondere Ursache den Advokaten, Prokuratoren und Rechtsfreunden nebst dem Curatore ad Lites die Verwaltung des verschuldeten Vermögens nicht zugleich anvertraut, sondern den Prokuratoren bloß allein die Cura litium, die Curatel und Administrierung der Güter andern wohl verhaltenen und genugsam angesehenen Bürgern“ aufgetragen werden wolle. Diese Bestimmung wurde in der Vormundschaftsordnung vom 3. Februar 1755, Art. 17, neuerlich eingeschärft und auch auf Kuratelen ausgedehnt.N.74.1 Offenbar hatte die erste Verfügung nicht die gewünschte Wirkung und vertrauten nach wie vor Gläubiger und Gerichte am liebsten Advokaten die Verwaltung von Konkursmassen an.

So sehr auch indirekt die theresianischen Reformen die Advokatur beeinflußt haben, so wenig änderten die Verfügungen, welche die Advokatur direkt betreffen, deren Wesen und Struktur. Alle diesbezüglichen Verordnungen atmen noch den mittelalterlichen Geist der vorangegangenen Epoche. In unverhüllter Deutlichkeit zeigen dies die Strafbestimmung über die Prävarikation, welche die peinliche Gerichtsordnung vom Jahre 1768 enthält: „Wenn ein Rechtsfreund oder Sachwalter seinem Eide und Pflichten zuwider die Heimlichkeiten seiner Partei der Gegenpartei verrät, der letzteren heimlichen Rat zum Nachteil seiner Partei erteilt, oder wohl gar in Verfassung der Satzschriften die Rechtsbehelfe seiner Partei zu Gunsten des Gegenteils hintan läßt, begeht gegen den, der sich seiner Treu und Ehrlichkeit anvertraut hat, eine schändliche Verrätherey. Gegen einen solchen Verräter soll nebst der schuldigen Schadenersetzung nach Schwere des Verbrechens mit der Lebensstrafe, bei sich äußernden mildernden Umständen aber willkürlich mit Arrest, Landesverweis oder Abschaffung und empfindlicher Leibesstrafe verfahren werden“ (Theresiana, II. Teil, Art. 69, § 1—2).

Wenn auch die übrigen die Advokatur betreffenden Gesetze nicht so kraß sind, mitunter sogar gewisse Milderungen bringen, so bleibt doch die Gesamttendenz die gleiche wie in der früheren Periode, ja die Rechtswirksamkeit mancher dieser alten Verfügungen wird bisweilen ausdrücklich in Erinnerung gebracht. Ein Patent für das Königreich Böhmen vom 26. August 1751 wendet sich gegen mutwilliges Prozessieren und führt bei jenen Gerichten, bei denen nicht schon besondere Mutwillensstrafen von früher bestehen, eine neue Strafe ein. Dem Richter wird das Recht eingeräumt, über die mutwillig prozeßführende Partei und ihren Rechtsfreund eine Geldstrafe bis zu 12 % des Streitgegenstandes zu verhängen, welche Strafe zu gleichen Teilen von Anwalt und Partei zu tragen ist. Außerdem besteht für den Advokaten die Verpflichtung zu Kosten- und Schadenersatz.N.74.2 Auch die bereits zitierte [Seite 75] Vormundschaftsordnung vom 3. Februar 1755 enthält eine Warnung an die Advokaten wegen mutwilligen Prozeßführens (Art. 16).N.75.1 Mit demselben Thema befaßt sich das Hofreskript für alle Erbländer vom 6. Juni 1761N.75.2 und die Verordnung vom 1. Oktober 1763.N.75.3 Letztere ist auch deshalb interessant, weil in derselben nebst dem Ausdruck Advokat auch die Bezeichnung Vorsprecher noch angewendet wird. Eine Trennung der Funktionen läßt sich allerdings trotz der Verschiedenheit der Worte aus der zitierten Gesetzesstelle nicht herauslesen. Es scheint also nur eine sprachliche Reminiszenz vorzuliegen. Die Theresianischen Gesetze lieben überhaupt Tautologien; so ist an mehreren Stellen von Advokaten und Rechtsfreunden die Rede, worunter immer nur ein und derselbe Beruf verstanden wird.

Eine Verordnung vom 4. April 1755 schärfte ein, daß niemand zur Advokatur zugelassen werde, der sich nicht durch ein Zeugnis über die erfolgreiche Absolvierung einer erbländischen Universität (Wien, Prag, Innsbruck, Freiburg) ausweisen könne.N.75.4 Aus der Verordnung kann man erkennen, daß die Klage über die Überfüllung der juridischen Fakultäten ein leeres Gerede war, denn offenbar war die Praxis noch immer zumindest auf dem flachen Lande geneigt, Personen als Advokaten zuzulassen, welche nicht über eine entsprechende Universitätsvorbildung verfügten. Daß nicht nur keine Überfüllung des Anwaltstandes vorlag, daß vielmehr die Zahl der Advokaten offensichtlich nicht zur vollen Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung ausreichte, ergibt sich überdies aus dem blühenden Winkelschreiberwesen. Sittengeschichtlich beachtenswert in dieser Beziehung ist eine Verordnung vom 23. Oktober 1756:N.75.5 „Da verschiedene unförmlich verfaßte Hofgesuche meistens von den am Stephanstore stehenden Winkelschreibern aufgesetzt zu werden pflegen, welche Winkelschreiber den nach Wien kommenden armen Leuten aufpassen, ihnen das Geld abschwatzen und selbigen solche ungeschickte Memorialen und Gesuche verfassen, da doch bekanntermaßen zum Beßten derselben armen Leute einige Hofagenten, welche ihnen ihr Anbringen umsonst zu verfassen und solche zu unterschreiben haben, von Amts wegen bestellt sind: So sind derlei Winkelschreiber, wenn sie tauglich sind, als Müßiggänger zu Rekruten zu stellen und abzugeben, die übrigen aber als Untaugliche eine Zeitlang mit Arrest zu züchtigen.“

Auch eine Verordnung für Böhmen vom 27. Dezember 1776N.75.6 richtet sich gegen die Winkelschreiber. [Seite 76]

Wichtiger als die bisher angeführten Bestimmungen sind jedoch für die Advokatur die Reformen geworden, welche auf dem Gebiet des Schulwesens und insbesonders auf jenem der juristischen Studien durchgeführt wurden. Diese haben wesentlich dazu beigetragen, die Advokatur zu modernisieren. Die völlig versumpfte juristische Fakultät erhielt im Jahre 1753 durch staatliches Eingreifen — aus eigener Kraft war sie zu keiner Tat mehr fähig — eine gänzlich geänderte Studienordnung. Der Lehrplan wurde danach abgestuft, welchen Beruf der Student künftig zu ergreifen beabsichtige. Derjenige, welcher Notar, Sollizitator, Grundbuchsführer, Markt- oder Stadtschreiber zu werden wünschte, bedurfte nur ein zweijähriges Studium (1. Jahr: Institutionen und Naturrecht. 2. Jahr: erbländisches Recht. Beide Jahre: Digesten). Nach Absolvierung der Universitätsstudien mußte der Kandidat zwei Jahre Praxis bei einem Agenten, Advokaten oder Grundbuchsführer nehmen, nach deren Verlauf er sich mit dem Zeugnis über Wohlverhalten und Fleiß beim Studiendirektor der Universität stellen mußte, von welchem er sodann im Beisein weiterer vier Examinatoren einer theoretischen und praktischen Prüfung unterzogen wurde.

Diejenigen, welche bei einem Hofjustiztribunal im Expeditionsprotokoll und Archivdienst verwendet werden wollten, mußten drei Jahre lang die Universität besuchen, worauf in gleicher Weise wie bei der erstgenannten Gruppe eine zweijährige Praxis und Prüfung folgte.

Für Advokaten endlich, Landesgerichtsverwalter, Feldauditoren, Stadtsyndizi, Hofrichter, Räte oder Professoren im Justizfach war ein fünfjähriges Universitätsstudium vorgeschrieben. Der Studiengang, welcher seit Beginn der Reformen mehrfache Zusätze erhielt, wurde im Jahre 1775 in nachstehender Weise festgesetzt:
1. Jahr: Naturrecht, Geschichte des römischen Rechtes, Institutionen.
2. Jahr: Pandekten nebst Zusätzen aus dem Codex Theresianus und dem jus germanicum.
3. Jahr: Kirchenrecht, geistliches Staatsrecht und Geschichte des Kirchenrechtes.
4. Jahr: Deutsches Staatsrecht mit Zusätzen über das erbländische Recht. Ferner sechs Monate allgemeines Staats- und Völkerrecht und vier Monate Lehnsrecht.
5. Jahr: Reichsgeschichte mit Rücksicht auf die österreichische Spezialgeschichte und Verfassung der europäischen Staaten.

Über diesen Stoff mußten drei Prüfungen (schon damals Rigorosen genannt) abgelegt werden.N.76.1 Die teuere, mit dem althergebrachten, umständlichen Zeremoniell umgebene Graduierung — die sogenannte promotio more majorum — wurde zwar beibehalten, daneben aber eine neue, einfachere Form der Promovierung eingeführt, die weniger kostete [Seite 77] und die nicht auf eine bestimmte Zeit noch auf eine bestimmte Kandidatenzahl beschränkt war.

Bezüglich der Advokatenprüfung wurde am 10. November 1759N.77.1 angeordnet, daß sie vor einer Kommission, welche aus zwei oder drei Räten zu bestehen habe, „ex Praxis Civili et Criminali“ vorzunehmen sei, „jedoch nur aus den Hauptsachen; maßen ein Anfänger in Praxi unmöglich soviel als einer, der schon zehn und mehr Jahre practicieret, wissen kann.“ Wenn der Kandidat die Prüfung besteht, so wird er als Advokat bei den „niederen Instanzien“ zugelassen. Wer jedoch als Anwärter für die Advokatur bei den oberen Instanzen auftritt, muß sich einem neuerlichen schärferen Examen unterziehen. Die zitierte Verordnung hebt hauptsächlich hervor, daß die Zulassung zur Advokatenprüfung von einer Rechtspraxis von bestimmter Dauer nicht abhängig zu machen ist, sondern daß sich jeder derselben unterziehen kann, der sich „getraut, das Examen auszustehen“. Vorsichtsweise wird unter einem erwähnt, daß das Prinzip der geschlossenen Zahl dadurch nicht berührt werde.N.77.2

Wenn es nunmehr zufolge Abganges einer obligaten Rechtspraxis theoretisch möglich war, daß ein Kandidat sämtliche Erfordernisse zur Erlangung der Advokatur bereits vor Erlangung der Großjährigkeit erfüllte, so ist doch kaum anzunehmen, daß tatsächlich jemals ein Advokat unter 24 Jahren zugelassen wurde. Die Advokatur wurde doch als ein Amt betrachtet, und von den Anwärtern auf den höheren staatlichen Justizdienst erfahren wir, daß sie verpflichtet waren, nach Absolvierung ihrer theoretischen Studien bis zum vollendeten 24. Lebensjahr eine Vorbereitungspraxis, und zwar entweder beim Dikasterium, einem Kreisamt oder auch bei einem geschickten Advokaten abzulegen.N.77.3

Aus den angeführten Studienvorschriften erhellt, daß nach wie vor für die Advokatur die weitestgehende wissenschaftliche Vorbereitung von allen juristischen Berufen gefordert wurde. Dagegen wirkt es einigermaßen überraschend, daß auch noch für die Sollizitatur ein ganz respektables Maß rechtstheoretischer Kenntnisse verlangt wurde. [Seite 78] Es ist dies um so verwunderlicher, als die Gesetze, welche nach Erlassung der ersten Advokatenordnung die Sollizitatur erwähnen, dies nur gelegentlich und meist in einer wegwerfenden, verächtlichen Weise tun. So verlangt z. B. die Advokaten- und Gerichtsordnung vom 24. Dezember 1714, daß die Advokaten persönlich bei den Kollationierungstagsatzungen erscheinen und nicht zu denselben ihre Sollizitatoren oder ihre Schreiberjungen schicken sollen.N.78.1 Die Gerichtsordnung vom 31. März 1724 beklagt es, daß häufig Advokaten Eingaben von Sollizitatoren und Winkelschreibern mit ihrer Unterschrift versehen und fügt hinzu, wenn ein Sollizitator oder Winkelschreiber ohne Vorwissen eines Advokaten dessen Unterschrift auf eine Eingabe setzt, mit Arrest zu bestrafen, eventuell als Fälscher (Falsarius) zu behandeln sei.N.78.2

Das Ansehen der Sollizitatur ist seit Erlassung dieser beiden Gesetze gewiß nicht gestiegen. Wenn sich nun die Studienreformen eingehend mit ihr befassen, so ist darin der Versuch zu erblicken, diesen Beruf neuerdings auf eine höhere Stufe zu heben. Dieses Bestreben ist allerdings völlig mißglückt. Mit der fortwährenden Ausbreitung und besseren Ausbildung des staatlichen Unterbeamtentums wurde die echte Sollizitatur ihrem innersten Wesen nach überflüssig. So kommt es, daß sie bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allmählich von selbst verschwindet.N.78.3 Nur der Name blieb als gänzlich bedeutungsloser Titel zurück, den sich jeder beliebige Advokatursschreiber ohne jede Vorbildung und sonstige Voraussetzungen beilegen konnte.

In ähnlicher Weise wie die Sollizitatur erlischt auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Prokuratur. Für die deutschrechtliche Funktion des Fürsprechers, in dessen Tätigkeit jene des Prokurators allmählich aufgegangen war, gab es in dem aufkommenden Beamtenstaat keinen Platz mehr. Ihr Schwinden,N.78.4 das nicht einmal einen besonderen Gesetzgebungsakt erforderte, wurde um so weniger empfunden, als ja die Advokaten seit langem sämtliche Funktionen der Prokuratoren gleichfalls ausübten. Auch von ihr blieb nichts als der Name übrig, den bis auf den heutigen Tag der Advokat des Staates führt.

Fußnoten
N.20.1.
Vgl. Luschin, Österreichische Geschichte, S. 11.
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N.21.1.
Vgl. Luschin, Grundriß der österreichischen Reichsgeschichte, S. 25. Bei diesem Anlaß sei angeführt, daß von dem Worte placitum (Gerichtsversammlung) das Zeitwort placitare gebildet wurde, von welchem wiederum das Wort plaidieren abgeleitet ist.
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N.22.1.
Dieses Landrecht ist in zwei Fassungen erhalten. Der angeführte Wortlaut stammt aus der sogenannten Harrach’schen Fassung. Nach der anderen, der sogenannten Ludewig’schen Fassung lautet die genannte Gesetzesstelle (Abs. X): „Es soll der Landes Herr khain fragen haben, wann das ist nicht recht. Jrre nyemant haht, den soll dess clagen in offener Schranne mit vorsprechen und soll man den das richten als recht ist und nach Landes Gewohnheit.“
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N.23.1.
„Und der rihter mae ez im gebieten mit rehte, daz er armer liute wort umbe süst spreche“ (Schwabenspiegel, Kap. 72, § 4).
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N.23.2. ↑ (Zurück)
N.23.3.
Art. 74: „Welch vorsprech des selben euch überwunden wirt, das um gedingten lon einis mannis oder einis weibis wort spricht, uberzeiget man sich des, er sol rechtlos und erbilos bleiben in allin stetin, und im nimant im keines rechtes nicht gehilfen.“
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N.24.1.
Bereits der Schwabenspiegel anerkennt dies (Kap. 72): „Nu suln wir sprechen von den ratgeben. Ist ein man also wise (rechtskundig), daz er den liuten guten rat geben kann, unt bittet in ein man, daz er im rate umbe sine sache: er ist im nicht schuldig, rat ze geben umbe sus (umsonst); er nimmt sin gut wol rehte dar umbe.“
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N.25.1.
Franz Heinemann, Der Richter und die Rechtspflege in der deutschen Vergangenheit, S. 71; Luschin, S. 127. Occultus Erfordensis (Nik. v. Bibra) schildert in seinem satirischen "carmen historicum“ (1282/83) das Leben Heinrichs v. Kirchberg, der nach langjährigem Studium auf ausländischen Universitäten als Doctor decretorum nach Deutschland heimkehrte, um hier das viel bewegte und viel beschäftigte Leben eines Sachwalters und Rechtskonsulenten zu beginnen (vgl. R. Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, S. 93).
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N.25.2. ↑ (Zurück)
N.25.3. ↑ (Zurück)
N.26.1.
So verordnet z. B. Schwabenspiegel, Kap. 72 : „Er (der Vorsprecher) sol ouch niemans wort sprechen wan der da reht habe. Und seit im sin Gewizzen, daz er unreht hat, er sol sin wort niht sprechen. So hat daz unser lantrecht. Gebiutet imz der rihter, so muz er sin wort sprechen, daz sagen wir niht, daz ez reht si: ez ist ein gewonheit.“
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N.27.1. ↑ (Zurück)
N.27.2.
Rechtsgeschichtlich interessant ist, daß sich die französischen Advokaten dieser Gebührenordnung nicht unterwarfen, wodurch sie sich ihre Unabhängigkeit wahrten und sich großes Ansehen erwarben (vgl. Dr. Julius Kann, Neuorganisation oder Reform der Advokatur, S. 6).
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N.28.1.
„Procuratores sine advocatis causas vel negotia non assumant nec etiam prosequantur; sed sui officii finibus sint contenti“ (cap. 14), Weißler, S. 114.
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N.28.2. ↑ (Zurück)
N.28.3. ↑ (Zurück)
N.28.4.
Hieher gehören die „Summa introductoria supra officio advocationis in foro ecclesiastico“ von Bonagnida aus Aretino (1249) und insbesonders das „Speculum judiciale“ von Durantis (1270).
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N.29.1. ↑ (Zurück)
N.29.2.
Friedjung, Kaiser Karl IV., S. 129.
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N.29.3. ↑ (Zurück)
N.29.4.
Ungefähr gleichbedeutend mit unserer philosophischen Fakultät.
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N.29.5. ↑ (Zurück)
N.30.1. ↑ (Zurück)
N.31.1. ↑ (Zurück)
N.31.2.
Justizkodex von de Luca, S. 89; Stintzing, S. 67.
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N.31.3. ↑ (Zurück)
N.32.1.
Mayer, Geschichte Österreichs, S. 511.
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N.32.2.
Heinemann, Der Richter und die Rechtspflege in der deutschen Vergangenheit, S. 73; auch Stintzing, S. 67.
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N.32.3.
Kap. 32, § 9.
↑ (Zurück)
N.32.4. ↑ (Zurück)
N.33.1.
Geiler von Kaisersberg (1510) definiert Prokuratur und Advokatur in nachstehender Weise: „Advocatus heißt in tütsch ein Fürsprech oder Ratgeb, den man bericht zu einer Sache, daz er darinn rathen sol, procurator heißt auch ein Fürsprech und ist der, der redt uff Angaben des Advokaten“ (zit.bei Weißler, S. 170).
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N.34.1.
Z. B. Beschwerdeschrift einiger Stände beim Reichskammergericht aus dem Jahre 1556; In derselben wird um eine Erhöhung der Advokatengebühren gebeten, „dieweil die Advocaten viel mehr labores wie die Procuratoren haben, als mit anhörung der Partheyen, lesen, nachlesen, concipieren und zwifachen oder weiteren mundiren, jtem mit Missionen an den Clienten, Unterhaltung eines Substituten“ (zit. bei Weißler, S. 124).
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N.34.2.
Man sieht, die Entwicklung der Prokuratur und Advokatur geht auf deutschem Boden geradezu einen entgegengesetzten Gang wie auf französischem. Dort blieb in Aufrechterhaltung der römischen Tradition der Advokat stets der Gerichtsredner, während auf deutschem Boden der Advokat ein Mann der Feder wurde. (Homme de plume sagen die Franzosen im Gegensatz zu homme de parole.)
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N.35.1. ↑ (Zurück)
N.36.1.
Erst im Visitationsabschied vom Jahre 1713 wurde für die Prokuratoren eine Gebührenordnung aufgestellt. Für die Advokaten galt aber auch noch weiterhin die freie Honorarvereinbarung (vgl. Weißler, S. 132)
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N.36.2.
Haas, Etwas über den Kammergerichtsbescheid vom 13. Mai 1785 oder Verbesserungsvorschläge, wie selbiger mit älteren Gesetzen zu verbinden. Wetzlar, 1786 (zit. bei Weißler, S. 151)
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N.38.1.
Der Titel, den die Wiener Advokaten bis zum Umsturz führten, geht vermutlich auf das maximilianische Hofgericht zurück. Die Advokaten bei demselben hießen offenbar Hofgerichtsadvokaten, eine Bezeichnung, die vielfach auf deutschem Boden vorkommt. Dieser Titel wurde sodann ins Lateinische mit aulae et judiciorum advocatus übersetzt. (So wird z. B. im Codex Austriacus anläßlich der Aufzählung der Wiener Universitätsrektoren [II. Teil, S. 442] Dr. Georgius Leonardus Weiler [1691] genannt.) Eine schlechte Rückübersetzung dürfte sodann aus dem Hofgerichtsadvokaten den Hof- und Gerichtsadvokaten gemacht haben. Anders ist dieser an sich sinnlose Titel nicht zu erklären.
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N.38.2.
Vgl. D. Ignaz de Luca, Justizkodex, S. 93. — Diese Bestimmungen kehren nahezu unverändert in der oberösterr. Landrechtsordnung vom 28. Jänner 1627 wieder (vgl. Codex Ferdinandeo-Leopoldino-Josephino-Carolinus, S. 712).
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N.38.3.
De Luca, Justizkodex, S. 182.
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N.39.1.
Die Zweiteilung des Anwaltstandes fand nach Körner (Über das Wesen der Advokatur, S. 23) auch in der Verschiedenheit der Worte, welche die tschechische Sprache für die Advokaten höherer und niederer Kategorie prägte, seinen Ausdruck. Erstere hießen primluvči, mluvči, letztere poručnik rozepře.
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N.39.2.
Die einzige Unterscheidung, welche aber nur ganz nebenher erwähnt wird, ist die in solche Prokuratoren, welche ein festes Jahrgeld beziehen, und solche, bei denen das nicht der Fall ist. Die Sitte, Jahrgelder den Prokuratoren auszuwerfen, deutet auf eine Beeinflussung durch das Reichskammergericht. Hier war es durch die notorisch lange Dauer der Prozesse vielfach zur Gepflogenheit geworden, die Anwälte auf ein festes Jahrespauschale zu setzen.
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N.39.3.
Charakteristisch ist die betreffende Gesetzesstelle für die bei Gericht herrschenden Umgangsformen: „Die Procuratores vnd andere Leut, die im Rechten reden, sollen für dem Landrechten vnd auch für den andern Rechten dieses Königsreichs, mit aller Reverentz vnd Ehrerbietung sich verhalten, vnd außerhalb dess was zu der Action gehöret, nichts vnnötiges reden vnd ein Procurator den andern nicht berüren oder zu einem Zorn reytzen“ (V).
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N.40.1.
Die angeführten Bestimmungen werden im wesentlichen auch von der „vernewerten“ Landesordnung (1627) übernommen, wo unter B 48—60 von den Prokuratoren gesprochen wird. Aus einer im Jahre 1721 veranstalteten Sammlung (herausgegeben von dem Wiener Buchhändler Georg Lehmann) des deutschen Stadtrechtes in Böhmen und Mähren kann man übrigens entnehmen, daß der skizzierte Rechtszustand auch damals noch keine erhebliche Änderung erfahren hat. Die einzige einigermaßen auffallende Neuerung besteht darin, daß ausdrücklich hervorgehoben wird, Weibern sei das Prokurieren verboten (B. XXXVI).
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N.40.2.
De Luca, Justizkodex, S. 93.
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N.41.1.
Dr. Frydmann, Handbuch der Verteidigung, S. 99.
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N.41.2. ↑ (Zurück)
N.41.3. ↑ (Zurück)
N.41.4. ↑ (Zurück)
N.41.5. ↑ (Zurück)
N.41.6. ↑ (Zurück)
N.41.7. ↑ (Zurück)
N.42.1.
Diese gewohnheitsmäßige, eigentlich schon seit Beginn des 16. Jahrhunderts feststehende Tatsache wurde bereits im Jahre 1561 gesetzlich festgelegt (Vgl. C. A., S. 608. Anläßlich einer gleichen Resolution vom 13. Juni 1626 wird auf diese ältere Bestimmung verwiesen.)
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N.41.2.
Kink, Geschichte der Wiener Universität, S. 223; Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, S. 24.
↑ (Zurück)
N.43.1.
Kink, Geschichte der Wiener Universität, S. 343.
↑ (Zurück)
N.43.2.
Richard Kralik und Hans Schütter, Geschichte Wiens, S. 211 ff.; Luschin, Grundriß der österreichischen Geschichte, S. 77.
↑ (Zurück)
N.43.3. ↑ (Zurück)
N.43.4.
G. Wolf, Zur Geschichte der Wiener Universität, S. 2.
↑ (Zurück)
N.44.1.
Statutenbuch der Wiener Universität Nr. 75; Kink, S. 343.
↑ (Zurück)
N.45.1.
Stintzing, S. 69 u. 73
↑ (Zurück)
N.45.2. ↑ (Zurück)
N.45.3.
Tischreden, Bd. 62 der Erlanger Ausgabe von Luthers Werken, S. 280.
↑ (Zurück)
N.45.4.
Stintzing, S. 74.
↑ (Zurück)
N.46.1.
Franz Heinemann, Richter und Rechtspflege, S. 75.
↑ (Zurück)
N.46.2.
Franz Heinemann, Richter und Rechtspflege, S. 58 u. 59.
↑ (Zurück)
N.46.3.
Franz Heinemann, Richter und Rechtspflege, S. 74.
↑ (Zurück)
N.47.1. ↑ (Zurück)
N.47.2.
Georg Liebe, Zur Geschichte deutschen Wesens, S. 77.
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N.48.1.
Stintzing, S. 268.
↑ (Zurück)
N.49.1.
Karl Simrock, Deutsche Sprichwörter, S. 67. (Allerdings wendet sich die Spruchweisheit des Volkes gegen alle gelehrten Berufe, so kommt der Arzt nicht besser weg als der Anwalt; z. B.: Neuer Arzt, neuer Kirchhof.)
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N.49.2.
Heinemann, S. 93.
↑ (Zurück)
N.50.1.
Rudolf Eckart, Stand und Beruf im Volksmund. (Göttingen ohne Datum.)
↑ (Zurück)
N.51.1.
Stintzing, S. 173, 253, 287, 296, 572, 586, 672, 687, 692, 698 u. 715.
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N.51.2. ↑ (Zurück)
N.51.3.
Soldau, Geschichte der Hexenprozesse, II. Bd., S. 1.
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N.52.1. ↑ (Zurück)
N.52.2.
Z. B. Advokatenordnung bey dem Wienerschen Stadtmagistrat vom 12. März 1688 (C. A., S. 35 ff.), Advokatenordnung bei dem Wienerschen Stadt- und Landgericht vom 4. Mai 1700 (C. A., S. 41), Gerichts- und Advokatenordnung vom 5. Dezember 1705, von der niederösterreichischen Regierung erlassen (C. A., 2. Teil, S. 494), Gerichts- und Advokatenordnung vom 13. Juli 1709 (C. A., 3. Teil, S. 596), Advokaten- und Gerichtsordnung vom 24. Dezember 1710 (C. A., 3. Teil, S. 622), Advokaten- und Gerichtsordnung vom 24. Dezember 1714, erlassen von der niederösterreichischen Regierung (C. A., 3. Teil, S. 773), Advokatenordnung vom 11. Dezember 1724 (C. A., II. Suppl., S. 252), Advokatenordnung vom 11. März 1729, betreffend das landmarschallische Gericht (C. A., II. Suppl., S. 522), Advokaten- und Gerichtsordnung für Niederösterreich vom 20. Dezember 1731 (C. A., II. Suppl., S. 743).
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N.53.1.
So wird in Punkt 13. verfügt, daß „zur Verhütung allerlei Unordnung die Advokaten die Prozesse selbsten und nicht durch ihre Sollizitatoren collationieren“.
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N.53.2.
5. Es werden alle und jede Advocaten absonderlich ermahnt: Ehe sie eine Causam oder Action annehmen, selbige wohl und reiflich zu überlegen und zu examinieren und gäntzlich dahin zu trachten, daß Sie die Partei in einiges kostbarliches oder Weitläufftigkeit unnotwendigerweise bei unausbleiblicher Straff nicht anführen; und wenn je die Sach zum Prozeß gediegen würde, Sie darinnen einige Moram oder Verzug nicht gebrauchen sollen.
6. Soll sich keiner mit überflüssigen Actionen, als denen er füglich vorstehen kann, überladen und da ein oder der andere Advokat, wegen seiner überhäuften Geschäfte jemanden ichtwas verabsäumen würde, soll er nicht allein zu genügsamer Erstattung des verursachten Schadens angehalten, sondern nach Gestalt der Sachen mit Arrest und Geldstraff belegt werden.
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N.54.1.
In der Carolina ist die Prävarikation mit Pranger, Halseisen, Rutenhieben und Landesverweisung bedroht. (Weißler, S. 255.)
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N.55.1. ↑ (Zurück)
N.55.2. ↑ (Zurück)
N.57.1.
Kink, S. 389.
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N.57.2.
Kink, l. c.
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N.58.1.
Statutenbuch der Wiener Universität Nr. 90 und auch Codex Austriacus, S. 608.
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N.58.2.
Kink, S. 349.
↑ (Zurück)
N.58.3.
Bei der niederösterreichischen Regierung war sogar die Zahl der in den extra-qrdinariis causis zugelassenen Advokaten auf 36 beschränkt. In ordinariis causis waren nur 12 zugelassen.
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N.58.4.
Schröder und Oberer, Sammlung.
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N.58.5.
De Luca, Justizkodex, S. 240, und Codex Ferdinandeo-Leopoldino-Josephino-Carolinus, S. 299.
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N.59.1.
D’Elvert, Von den Rechtsbeiständen.
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N.59.2. ↑ (Zurück)
N.59.3.
De Luca, Justizkodex, S. 213.
↑ (Zurück)
N.59.4. ↑ (Zurück)
N.59.5.
Codex Ferdinandeo-Carolinus, S. 274.
↑ (Zurück)
N.59.6.
L. c. S. 477.
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N.59.7. ↑ (Zurück)
N.60.1.
Weißler, S. 280 und auch D’Elverts Schrift von den Rechtsbeiständen.
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N.60.2. ↑ (Zurück)
N.60.3.
Schröder- und Oberer - Sammlung, auch Weißler, S.276 u. 277.
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N.61.1. ↑ (Zurück)
N.61.2.
Z. B. Böhmische Landesordnung vom Jahre 1565 und oberösterreichische Landesgerichtsordnung vom 28. Jänner 1627 (Codex Ferdinandeo-Carolinus, S. 131).
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N.61.3.
Z. B. § 16 der Advokatenordnung bei dem Wienerischen Stadt- und Landgericht vom 4. Mai 1700 (C. A., S. 43). In gleicher Weise läßt die Obrist-Hofmarschallische Gerichtsordnung vom 13. Juli 1714 eine Moderierung der Kosten zu (C. A., III. Teil, S. 750).
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N.62.1.
Advokatenordnung bei dem Wienerischen Stadtmagistrat vom 12. März 1688, § 12; Edikte vom 7. August 1669, vom 23. März 1681, vom 10. März 1688, vom 9. März 1689 und vom 23. Juni 1722; Advokaten- und Gerichtsordnung vom 23. Juli 1709 und Advokatenordnung vom 11. März 1729 für das landmarschallische Gericht. Wer einen angesetzten Termin, heißt es in der letztzitierten Verordnung, um mehr als eine halbe Stunde übersehen, hat sechs Taler Strafe zu bezahlen (C. A., S. 35, II. Suppl., S. 96; 522 und III. Teil, S. 596).
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N.62.2.
Dieses Edikt wird sodann nochmals am 24. Dezember 1694 in Erinnerung gebracht (C. A., III. Teil, S. 773).
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N.62.3. ↑ (Zurück)
N.62.4.
In diesem Reskript heißt es unter anderem : „Bei dieser Gelegenheit soll ernstlich nochmals erinnert werden, daß dieselben (nämlich die Advokaten) sich von ihrer angewohnten weitläuffigen, mit unnötigen Tautologien und Wiederholungen angeführten, den Richter und die Partei nur irremachenden und dahero gleich a Judice Primae Instantiae hinausgebenden Schriften also gewiß enthalten sollen als ... (folgt Strafandrohung), (Codex Ferdinandeo-Carolinus, S. 712). Seltsam mutet einen das Verlangen einer Behörde nach gutem Stil an, die selbst solche Satzungetüme schreibt!
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N.62.5. ↑ (Zurück)
N.62.6. ↑ (Zurück)
N.63.1.
Z. B. Gesetz vom 27. Juli 1655, vom 19. August 1698, vom 31. März 1724, vom 30. Juni 1736 und vom 22. September 1717. (C. A., III. Teil, S. 154, 400, 400, 897; II. Suppl., S. 174; III. Teil, S. 904.) Die letztzitierte Gesetzesstelle setzt auf das erste mutwillige Rechtsmittel die Strafe des Verweises, auf das zweite Suspension und auf das dritte Niederlegung der Advokatur !!
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N.63.2.
Max Kemmerich, Kultuskuriosa, S. 33.
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N.63.3. ↑ (Zurück)
N.64.1. ↑ (Zurück)
N.64.2.
Z. B. Gerichtsordnung vom 28. März 1681 für das hofmarschall’sche Gericht, C. A., S. 25. Diese enthält eine Reihe prozessualer Bestimmungen, welche der Beschleunigung der Prozeßführung dienen sollen. Einleitungsweise wird die Erlassung derselben damit begründet, daß wohl bekannt sei, „daß in diesem Herzogtum Österreich unter der Enns die Rechts-Stritt nicht allein von Jahr zu Jahr sich vermehren, sondern auch dieselben durch die von denen litigierens-begierigen Partheyen, und ihren Advokaten muthwillig suchenden Auffzüg (ungehindert solcher abzuschneiden bishero unterschiedliche Mittel, aber mit wenigem Effekt, vorgekehrt worden) auf viel Jahr hinausgezogen werden, also daß offtermahls die Kläger, ob sie schon ein gut Recht haben, gleich wohl das End nicht alle Zeit erleben können, und darbei mehrerentheils all ihr Vermögen beisetzen müssen“. Verfügungen zur Bekämpfung der Aufzüge kommen ferner in nachstehenden Gesetzen vor: Edikt vom 22. März 1657, C. A., S. 18; Edikt vom 18. Dezember 1687, C.A., S. 30; Gerichtsordnung für das bischöfliche Consistorium in Wien (ohne Datum, jedoch vermutlich nach dem Jahre 1677 erlassen), C. A., S. 430; Gerichts- und Advokatenordnung vom 5. Dezember 1705, C. A., II. Teil, S. 494; Obrist-Hofmarschallische Gerichtsordnung vom 13. Juli 1714, § 23, C. A., S. III. Teil, S. 750; Advokaten- und Gerichtsordnung bei der niederösterreichischen Regierung vom 24. Dezember 1714, § 10, C. A., III. Teil, S. 773; Gerichtordnung wider die Protractiones vom 31. März 1724, C. A. II. Suppl., S. 174; Advokatenordnung vom 20. Dezember 1731, C. A., II. Suppl., S. 743.
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N.64.3. ↑ (Zurück)
N.64.4.
C. A., II. Teil, S. 335. Dieselbe ist nicht datiert und folgt einer Verordnung vom Jahre 1675.
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N.65.1. ↑ (Zurück)
N.65.2. ↑ (Zurück)
N.65.3. ↑ (Zurück)
N.65.4. ↑ (Zurück)
N.66.1.
Kink, S. 388.
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N.66.2.
Kink, S. 395.
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N.66.3.
Kemmerich, Kulturkuriosa, II. Bd., S. 129.
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N.66.4. ↑ (Zurück)
N.66.5.
Soldau, Geschichte der Hexenprozesse, S. 92 u. 214.
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N.67.1. ↑ (Zurück)
N.67.2.
So (nach D’Elvert) die Grafen von Walldorf, Freiherren v. Hausperski, Wunschwitz, Zablatzky, Mayerswald.
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N.67.3.
Nach Stintzing (III. Bd., S. 323) wurde derselbe 1706 zu Landshut geboren, erlangte 1730 zu Wien das Doktorat, wurde gleich darauf Hof- und Gerichtsadvokat, 1739 Professor des römischen Rechtes in Wien, 17S2 Rektor und 1759 Hofrat bei der Obersten Justizstelle.
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N.68.1.
Die reichsdeutsche Literatur dieser Zeit über die Advokatur weist im wesentlichen nur Schmähschriften, die nicht ernst zu nehmen sind, auf, wie etwa Hotermanns Schrift „Von den Bubenstücken der Advokaten“ („De nequitia advocatorum“) 1679 und Kaspar Zieglers Buch aus dem gleichen Jahre: „Der nunmehr ans Licht gestellte Rabulist oder Zungendrescher“ (Weißler, S. 250 u. 251).
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N.68.2.
Abraham a Sancta Clara, Werke, V. Bd.
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N.70.1.
Abraham a Sancta Clara, Werke, II. Bd., S. 132ff.
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N.71.1.
Abraham a Sancta Clara, Werke, II. Bd.: Judas der Erzschelm, 23. Kap.
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N.71.2.
Abraham a Sancta Clara, Predigten, II. Teil, S. 127 u. 134.
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N.72.1.
Kink, S. 401.
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N.72.2.
C. A., II. Suppl., S. 916.
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N.72.3.
C. A., II. Suppl., S. 916.
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N.72.4.
Der Versuch der französischen Könige, das Plaidierrecht der Advokaten einzuschränken, führte im Jahre 1659 zu einem allgemeinen Advokatenstreik (vgl. Dr. Kann, Neuorganisation oder Reform der Advocatur, S. 7).
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N.73.1. ↑ (Zurück)
N.73.2.
Prischl, Advokatur und Anwaltschaft, S. 150, auch Weißler, S. 260.
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N.73.3.
Sammlung der Theresianischen Gesetze Nr. 1089.
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N.73.4.
Aus dem Hofdekret vom 19. Dezember 1749 und den Hofreskripten vom 29. Oktober 1751 und vom 3. Jänner 1752 geht die Übung, Beamte zum neuen Jahr zu beschenken, deutlich hervor. Trotz strenger Untersagung erhielt sich diese Unsitte noch durch einige Zeit. Die gesetzlichen Verbote wurden dadurch umgangen, daß man nicht den Beamten selbst, sondern deren Frauen Geschenke machte. Erst durch ein Hofdekret vom 25. Juni 1784 (Josefinische Sammlung, VII. Bd., S. 951) wurde dieser Unfug abgestellt.
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N.74.1.
Theresianische Sammlung Nr. 312.
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N.74.2.
L. c. Nr. 146.
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N.75.1.
Theresianische Sammlung Nr. 312.
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N.75.2.
L. c. Nr. 586.
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N.75.3.
L. c. Nr. 721.
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N.75.4.
L. c. Nr. 391.
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N.75.5.
L. c. Nr. 464.
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N.75.6.
L. c. Nr. 1854.
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N.76.1.
Kink, S. 467, 468, 479, 519 u. 522.
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N.77.1.
C. A., IV. Suppl., S. 71.
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N.77.2.
Aus einer Allerhöchsten Resolution, welche über einen am 20. November 1772 erstatteten Vortrag erfloß, kann man entnehmen, in welcher Weise faktisch das Prinzip der geschlossenen Zahl in Österreich durchgeführt war: In Böhmen gab es 12 Landesadvokaten und 18 Prokuratoren (laut Reskript vom 14. September 1652), in Mähren 12 Landesadvokaten, von denen 6 der deutschen und 6 der böhmischen Sprachen kundig sein sollten (laut Resolution vom 22. April 1654). In Schlesien waren zu Teschen 6, Weidenau 8, Troppau 10 und Bielitz 6 Advokaten tätig. Steiermark zählte 30, Kärnten 18 Advokaten. In Nieder- und Oberösterreich, Krain, Görz und Gradiska bestand keine fest fixierte Zahl. Über die Zahl der Tiroler Advokaten fehlen nähere Angaben.
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N.77.3.
Verordnung für die k. k. Erbländer vom 12. April 1753, Theresianische Sammlung Nr. 261.
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N.78.1.
C. A., IV. Teil, S. 773.
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N.78.2.
C. A., II. Suppl., S. 174 ff.
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N.78.3.
Seit 1785 kommt keine Ernennung zum Sollizitator mehr vor.
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N.78.4.
Zum letzten Male werden Prokuratoren in einer am 14. September 1784 erlassenen Instruktion erwähnt.
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