Das Gerichtsverfahren in Klagenfurt ist tief in die Neuzeit hinein durch das Nebeneinanderbestehen zweier Instanzen, Stadtrecht und Stadtgericht, gekennzeichnet. Das erste bietet in Zusammensetzung und Verfahren das Bild eines deutschen mittelalterlichen Gerichtes, das zweite ist stark vom gemeinen Rechte beeinflußt. Die vorliegende Arbeit umspannt einen Zeitraum von rund 250 Jahren, beginnend mit dem Zeitpunkte, von dem an Gerichtsprotokolle erhalten sind, bis zu den Josephinischen Justizreformen. Sie will das Eindringen des gemeinen Rechtes in das deutschrechtliche Gerichtsverfahren einer Kleinstadt und die Verarbeitung dieser Lehren schildern. Klagenfurt ist in zweifacher Hinsicht hiefür geeignet: einerseits erfolgte die Rezeption des römisch-kanonischen Prozesses in den österreichischen Alpenländern und besonders in Kärnten allmählich gegenüber einem zähen Widerstande des einheimischen Gerichtsbrauches, so daß sich die mittelalterlichen Verfahrensformen lange in großer Reinheit erhielten. Anderseits sind für Klagenfurt wenn auch nicht lückenlose, so doch ausreichende Quellen vorhanden, während die Archive der wichtigsten Gerichte in Kärnten, des Landrechtes und der Landeshauptmannschaft, verlorengingen. Das Fehlen beinahe jeglicher Nachrichten und die Ungeklärtheit wichtiger Fragen (z.B. des Verhältnisses zwischen Land- und Hoftaiding) verbot hingegen, den Beginn der Darstellung früher anzusetzen.
In erster Linie wurden die Klagenfurter Archive (Stadt Klagenfurt, Kärntner Landesarchiv, Geschichtsverein für Kärnten) benützt. Das Wiener Staatsarchiv lieferte einige wertvolle Nachrichten. Die im Grazer Landesregierungsarchiv erliegenden Prozeßakten konnten nur zum geringen Teile verwertet werden, obwohl die Grazer Regierung seit 1564 die oberste Instanz für die Klagenfurter Zivilgerichte war. Die Appellationsakten sind nicht erhalten, die Restitutionsakten infolge der Registrierungsweise der Regierung beinahe unbenutzbar. Es sind zwar die Akten in den Repertorien der verschiedenen Unterabteilungen (Gutachten, Expedita, Expeditum, Copeyen, vgl. Inventar des steiermärkischen Statthaltereiarchives in Graz, Wien 1918, 27) innerhalb der einzelnen Monate des betreffenden Jahres unter den Namen der beteiligten Parteien zu finden, doch fehlt jeder Hinweis, aus welchem Gebiete sie stammen. Infolgedessen konnten nur jene Akten bearbeitet werden, die bekannte Klagenfurter [Seite: S. VI] [=> Seite] Parteien betreffen. Dagegen war es möglich, für die Theresianische Zeit eine Anzahl Akten allgemeinen Inhaltes auszubeuten.
Der Schlußabschnitt soll das Verhältnis des Klagenfurter Verfahrens zum deutschrechtlichen und zum gemeinen Zivilprozesse und besonders zur Entwicklung des Rechtsganges in den Alpenländern der innerösterreichischen (Steiermark, Kärnten, Krain) und niederösterreichischen Gruppe (diese Länder sowie Nieder- und Oberösterreich) klarlegen. Dieser Versuch wurde dadurch erschwert, daß schon dem mittelalterlichen Verfahren Süddeutschlands nicht annähernd jene Bearbeitung zuteil wurde wie dem Gebiete des Sachsenspiegelrechtes und auch in zusammenfassenden Werken die süddeutschen Verhältnisse meistens nur stiefmütterlich behandelt wurden. Für die Neuzeit fehlt den österreichischen Alpenländern (mit Ausnahme einiger älterer Arbeiten von Schenk, Chorinsky, Menger, die sich meistens mit Einzelfragen befassen) eine wissenschaftliche Behandlung des Zivilprozesses bis zu den Josephinischen Reformen völlig. Es mußte daher weitgehend auf die vorhandenen Prozeßordnungen und das zeitgenössische Schrifttum zurückgegriffen werden. Ich hoffe damit in gewisser Beziehung einen allerdings dürftigen Ersatz für die fehlende zusammenfassende Darstellung des Rechtsganges in den niederösterreichischen Ländern während der Neuzeit bis zur allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 zu geben.
Ersparnisgründe nötigten im übrigen zur äußersten Beschränkung bei Angabe der benützten Quellen. Es wurden im allgemeinen aus den Protokollen nur die jeweils ältesten Belegstellen und auch sie nur mit dem Datum und nicht der Band- und Blattzahl angeführt. Eine allfällige Überprüfung ist trotzdem möglich, da auch in späterer Zeit die Anzahl der Rechtsstreite nicht so groß war, daß man nicht an Hand dieser Angabe die fragliche Stelle finden kann.
Die wichtige gereimte Schilderung des Stadtrechtsverfahrens wurde von mir mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften in Wien unter dem Titel "Das Klagenfurter Stadtrecht in Reimen" (Archiv f. vaterl. Geschichte u. Topographie, Jhg. 22, Klagenfurt 1927) mit Erläuterungen herausgegeben. Meine "Darstellungen des Kärntner Rechtes und Rechtsganges" (ebendort, Jhg. 24/25, Festgabe für Dr. Martin Wutte, Klagenfurt 1936) geben einen Überblick über die Schilderungen des einheimischen Rechtsganges während des hier behandelten Zeitraumes.
Betont muß werden, daß das Klagenfurter Gerichtsverfahren in keiner Weise von slawischen Rechtsgedanken beeinflußt wurde, obwohl es sich um eine Grenzstadt im gemischtsprachigen Gebiete handelte. Die slowenische Bevölkerung beherrschte — so wie heute — die deutsche Sprache. Nur einmal (A 103, Bl. 117, 1631) wird erwähnt, daß sich der Beklagte "windisch" verantwortete. Es ist [Seite: S. VII] [=> Seite] dies ein neuer Beweis für den rein deutschen Charakter des Kärntner Rechts- und Kulturlebens im späteren Mittelalter.
Allen jenen, die meine Arbeit gefördert haben, danke ich auf das herzlichste, vor allem dem verstorbenen Herrn Landesarchivdirektor i. P. Dr. Jaksch-Wartenhorst in Klagenfurt, dem Anreger dieser Arbeit und meinem väterlichen Freunde, seinem Nachfolger Herrn Hofrat Dr. Wutte, den Herren des Grazer Landesregierungsarchives und der Innsbrucker Universitätsbibliothek, dem seinerzeitigen Verwalter des Klagenfurter Stadtarchives Herrn Kanzleirat Lebmacher.
Die Drucklegung wurde durch eine Unterstützung der Stadtgemeinde Klagenfurt ermöglicht, der dafür mein wärmster Dank gebührt.
Innsbruck, März 1937.
Fasz. | (ohne Zusatz z.B. 116/2) Schublade 116, Faszikel 2, des Kärntner Landesarchivs. |
Finsterwalder | Finsterwalder, Practicarum observationum ad consuetudines Archiducatus Austriae superioris accomodatarum libri quattuor, Salzburg 1719. [DRWSigle] [BSB-Digitalisat Ausgabe Salzburg 1687] |
Forma | Forma practicandi (in vierzig Fragen). |
Fröauff | [Philipp Ernst von] Fröauff, Observationes der Kärntnerischen Landt Practic. |
Gail | Gail, Practicarum observationum libri duo, 1647. [[BSB-Digitalisat Ausgabe München 1673] |
GB. | Kärntner Gerichtsbeschreibungen, herausg. v. Wutte (Archiv für vaterl. Geschichte u. Topographie, Jhg. 20/21), Klagenfurt 1913. |
Gierke U. | Gierke, Untersuchungen z. deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, herausg. von Otto v. Gierke. |
Gobler | Gobler, Der gerichtliche Process ..., Frankfurt 1549. [Digitalisat der Ausgabe 1536] |
G.R.A. | Reg. Landesregierungsarchiv in Graz, Regierungsakten. |
Greneck | Greneck, Theatrum jurisdictionis Austriacae, Wien 1752. |
Groß | Groß, Beweistheorie im kanonischen Prozeß, Bd. 1, Wien 1867, Bd. 2, Innsbruck 1880. |
GV. | Archiv des Geschichtsvereines für Kärnten. |
Holl Obs. | Observationen (Hollenburger Sammelband, GV. Hs. 11/36). |
Hs. | Handschrift. |
I.G.S. | Josephs des Zweyten Gesetze und Verfassungen im Justizfache, Prag und Wien 1786 ff. |
Jus.stat. | Observationis (!) super Jus. stat. Carinthie (GV. Hs. 11/36). |
Kleinfeller | Kleinfeller, Geschichtliche Entwicklung des Tatsacheneides in Deutschland, Berlin 1891. |
König | König, Prozess und Practica (Umarbeitung v. Gregorius), 1599. |
Kr. | Landesschrannen-Ordnung dess Hertzogthumbs Crain v. 1577 (Neudruck, Laibach 1688). |
Kraus | Kraus, Des Erzherzogthums Khärndten . . . Landts Recht Proces unnd gerichtliche Verfahrung (GV. Hs. 6/33). |
L. | ... Laybach New Reformierte Gerichts-Ordnung v. 1586 (Neudruck, Graz 1666). |
LA. | Kärntner Landesarchiv. |
L.u.AP. | Protokolle des Kärntner Landtages und großen Ausschusses (LA., seit 1662). |
Lg. | Lanndtsgebreich in Steyer und Kärndten (GV. Hs. 3/12). |
LP. | Protokolle des Kärntner Landtages und großen Ausschusses. |
Lro. | Kärntner Landrechtsordnung von 1577 (Graz 1578). |
Luschin1 | Luschin, österr. Reichsgeschichte, Bamberg 1896. |
Luschin2 | Luschin, österr. Reichsgeschichte, 1. Bd., Bamberg 1914. |
Mayer-Homberg | Mayer-Homberg, Beweis und Wahrscheinlichkeit nach älterem deutschem Recht, Marburg 1921. |
Meibom | v. Meibom, Deutsches Pfandrecht, Marburg 1867. |
Menger | Menger, Zulässigkeit neuen tatsächlichen Vorbringens in den höheren Instanzen, Wien 1873. |
Mynsinger | Mynsinger, Singularum observationum libri quattuor, 1563. |
Oe. I | Gerichts Ordnung des Lanndsrechten des . . . Ertzhertzogthumbs Oesterreich vnder der Enns, 1540. |
Oe. II | Gerichts Ordnung des Lanndtsrechten des . . . Ertzhertzogthumbs Oesterreich vnder der Enns, 1557. |
Ordnung | Ordnung und gebrauch, so bey der . . . Landtshaubtmannschaft in Khärndten observiert wirdt (GV. A. Hs. 1230). |
Perneder | Perneder, Gerichtlicher Prozess, Ingolstadt 1549. |
Planck I | [Digitalisat nicht frei zugänglich] Planck, Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1, Braunschweig 1879. |
Planck II | [Digitalisat nicht frei zugänglich] Planck, Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2, Braunschweig 1879. |
Planck, BF. | Planck, Recht zur Beweisführung (Zeitschrift für das deutsche Recht, 10). |
Planck, BU. | Planck, Lehre vom Beweisurteil, Göttingen 1848. |
Planitz | Planitz, Die Vermögensvollstreckung im deutschen mittelalterlichen Recht, Bd. 1, Die Pfändung, Leipzig 1912. |
Planitz, Arrest | Planitz, Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, Leipzig 1922. |
Rampichl | Rampichl(er), Tribunal seu Judicium humanuni communibus legibus et stylo curiae huius Archi-Ducatus Carinthiae accomodatum, Klagenfurt 1715. |
RB. | Ständisches Registraturbuch (LA.). |
Rechbach | Rechbach, Observationes ad Stylum Curiae Graecensis, Graz 1680.[Ausgabe 1719] |
Rechbach Appendix | Rechbach, Appendix (zu Rechbach), Graz 1682. |
Reutter | Reutter, Viginti quinque tabulae juridicae, quibus accesserunt variae differentiae juris communis et Austriaci, Regensburg 1674. |
RO. | Rechtsordnung ... Khärndten ... (vgl. III, § 1). |
RP. | Ratsprotokoll der ständischen Verordneten (LA., seit 1695). |
Rw. | Kärntner Rechtswörterbuch (GV. Hs. 11/39). |
Schenk, ZP. | Schenk, Übersicht der österreichischen Gesetzgebung über Zivilprozeßrecht bis Schluß des XVI. Jh., Wien 1864. |
Schenk, SP. | Schenk, Der österreichische summarische Prozeß, Wien 1864. |
Schmidt | Schmidt, Lehrbuch des deutschen Zivilprozesses, 2. Auf., Leipzig 1906. |
Schröder | Schröder und Freiherr v. Künssberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7. Aufl., Berlin und Leipzig 1932. |
Schwarzenthaler | Schwarzenthaler, Tractatus Judiciarii ordinis, Frankfurt 1592. |
Schwartz | Schwartz, Vierhundert Jahre deutscher Zivilprozeß, 1898. |
Schwsp. | Laßberg Schwabenspiegel, Ausgabe von Laßberg, 1840. |
Sohm | Sohm, Die litis contestatio in ihrer Entwicklung vom früheren Mittelalter bis zur Gegenwart, München u. Leipzig 1914. |
Ssp. | Sachsenspiegel Landrecht, Ausgabe von Homeyer, 3. Aufl., 1861. |
W.St.J.Oe.A. | Wiener Staatsarchiv, Innerösterreichische Akten. |
ZRG. | Zeitschrift für Rechtsgeschichte (1861 ff.) vom 14. Bd. an Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, germ. Abt. |
Verweisungen auf Paragraphe und Anmerkungen ohne Zusatz beziehen sich auf den gleichen Abschnitt, bei anderen Verweisungen ist der betreffende Abschnitt in römischen Ziffern angeführt.
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I. Das Stadtgericht bis zum Jahre 1588 | 1-10 |
§ 1. Quellen | 1 |
§ 2. Allgemeines | 1-2 |
§ 3. Das Verfahren bis zur Endentscheidung | 3-5 |
§ 4. Rechtsmittel und Rechtsmittelverfahren | 5-7 |
§ 5. Besondere Verfahrensarten | 7 |
§ 6. Die Zwangsvollstreckung | 7-8 |
§ 7. Konkursverfahren und Konkursrecht | 8-10 |
II. Das Stadtrecht bis zum Jahre 1588 | 11-14 |
§ 1. Quellen | 11 |
§ 2. Allgemeines | 11 |
§ 3. Verfahren bis zum Endurteile | 11-13 |
§ 4. Rechtsmittel und Rechtsmittelverfahren | 13 |
§ 5. Die Zwangsvollstreckung | 13 |
§ 6. Abkommen und Wiederaufleben des Stadtrechtsverfahrens | 13-14 |
III. Das Stadtgericht vom Jahre 1588 bis zum Jahre 1680 | 14-33 |
§ 1. Ouellen | 14-15 |
§ 2. Allgemeines | 15-16 |
§ 3. Das Prozeßverfahren bis zum Beweisabschied oder Kontumazerkenntnis | 16-19 |
§ 4. Beweisverfahren und Endabschied | 19-20 |
§ 5. Rechtsmittel und Rechtsmittelverfahren | 20-24 |
§ 6. Abgekürzte Verfahrensarten | 24-25 |
§ 7. Das Zwischenverfahren bis zur Zwangsvollstreckung | 25-26 |
§ 8. Die Zwangsvollstreckung | 26-29 |
§ 9. Das Arrestverfahren | 29-30 |
§ 10. Das Konkursverfahren | 30-33 |
IV. Das Stadtrecht vom Jahre 1588 bis zum Jahre 1680 | 33-44 |
§ 1. Quellen | 33 |
§ 2. Allgemeines | 33-34 |
§ 3. Das Verfahren bis zum Urteile | 35-37 |
§ 4. Rechtsmittel und Rechtsmittelverfahren | 37-39 |
§ 5. Kostenbestimmung | 39 |
§ 6. Das Zwangsvollstreckungsverfahren | 39-42 |
§ 7. Aufhebung des Canto-rechtes und Ende des Stadtrechtsverfahrens | 42-44 |
V. Das Stadtgericht von 1680 bis zu den Reformen Josefs II. | 44-51 |
§ 1. Quellen | 44 |
§ 2. Allgemeines | 44-45 |
§ 3. Das Verfahren bis zur Entscheidung erster Instanz | 45-47 |
§ 4. Das Rechtsmittelverfahren | 47-48 |
§ 5. Das Zwischenverfahren nach der Entscheidung erster Instanz und die Zwangsvollstreckung | 48-50 |
§ 6. Das Konkursverfahren | 50 |
§ 7. Die Justizreformen Josefs II. und das Ende des Stadtgerichtes | 51 |
VI. Zusammenfassung | 51-68 |
§ 1. Einleitung | 51-52 |
§ 2. Das Stadtrechtsverfahren in seiner Stellung zum deutsch-mittelalterlichen und zum gemeinen Prozesse | 52-55 |
§ 3. Das Stadtgerichtsverfahren in seiner Stellung zum deutsch-mittelalterlichen und zum gemeinen Prozesse | 55-58 |
§ 4. Die gemeinsamen Einrichtungen des Stadtrechtes und Stadtgerichtes in ihrem Verhältnisse zum deutschmittelalterlichen und gemeinen Prozesse | 58-66 |
§ 5. Herkunft des Stadtrechtes und Stadtgerichtes, ihr gegenseitiges Verhältnis, die weitere Entwicklung des Verfahrens, Gesamtbild | 66-68 |
Anmerkungen | 69-123 |
Sachverzeichnis | 124 |
Das älteste städtische Ratsprotokoll (A 2) enthält eine Sammlung von Abschieden aus den Jahren 1533 bis 1553. Weiterhin sind Protokolle der Stadtgerichtsverhandlungen für die Zeit vom 30. Juni 1563 bis 14. Jänner 1564 und vom 2. März 1571 (mit Ausnahme des Jahres 1580 beinahe geschlossen) bis Ende 1587 erhalten. Hiezu kommen vereinzelte Nachrichten in den Ausschußprotokollen des Landesarchives. Über das Verfahren bei der Landeshauptmannschaft gibt art. 26 des Berichtes Ampfingers (siehe II, § 1) einige Andeutungen.
Die Besetzung des Stadtgerichtes erfolgt durch den Stadtrichter als Vorsitzenden, 6 bis 13 Beisitzer, entnommen aus den Mitgliedern des inneren und äußeren Rates, und den Stadtschreiber. Die Abschiede ergehen im Namen von Richter und Rat der Stadt Klagenfurt (Protokolle seit 1533). Erstmals am 17. Juli 1582 taucht die Bezeichnung "ersamer Magistrat" auf.
Zuständig ist das Stadtgericht für alle Arten von Zivilklagen. Es ist die erste Instanz gegenüber allen in der Stadt ansässigen Nichtadeligen weltlichen Standes — soweit sie nicht als Untertanen der Grundobrigkeit unterstehen —1.1 und in allen Streitigkeiten über in der Stadt gelegene unbewegliche Güter, ausgenommen jene, die Eigentum von Mitgliedern der Landstände oder anderen Adeligen sind (Ratsprotokolle seit 1533). Die niederen Landschaftsangestellten wurden durch einen zwischen den Verordneten1.2 und der Stadt am 10. Jänner 1581 abgeschlossenen Vergleich in allen gerichtlichen Handlungen, außer bei Verfehlungen im Dienste oder bei der Arbeit, dem Stadtgerichte unterworfen.1.3
Privilegien, Klagen gegen Fremde anzubringen, außer wenn diese Vermögen in Klagenfurt hatten, gab es nicht. Der Gerichtsstand der Widerklage wird (wie im Landrechte bis zur Landrechtsordnung von 1577, vgl. Ampfinger art. 36) ausdrücklich abgelehnt (9. Jänner 1541, 31. Mai 1573). Dagegen sind Vereinbarungen, in denen sich die Parteien unter Festsetzung einer Peen der Zuständigkeit des Stadtgerichtes oder dem Schiedssprüche von Richter und Rat unterwerfen, nicht selten (21. September 1549, 30. Juni 1563 usw.).[Seite: S. 2] [=> Seite]
Die Bürger (nicht auch sonstige Inwohner) konnten es ablehnen, vor dem Stadtgerichte zu verhandeln, und die Zuständigkeit des Stadtrechtes in Anspruch nehmen. Derartige Exzeptionen wurden seitens des Stadtgerichtes stets zugelassen.1.4
Geringfügige Sachen (anscheinend bis zu 10 fl.) konnte, wenn der Beklagte geständig war, der Stadtrichter allein entscheiden.1.5
Als Parteien erscheinen nicht nur physische, sondern auch juristische Personen (Gotteshäuser, Spital, Handwerksbruderschaften), diese vertreten durch ihre Kirch- oder Zechpröpste. Unmündige werden durch ihre Vormünder (Gerhaben) vertreten, Konkursanten allenfalls durch Versprecher (siehe § 7).1.6
Erteilungen von Prozeßvollmachten (in schriftlicher Form) sind nachweisbar (17. November 1541 usw.), ebenso Advokaten (Landschrannenprokuratoren) als Bevollmächtigte oder Rechtsbeistände der persönlich erscheinenden Partei. Konnte eine Partei ohne ihr Verschulden sich nicht rechtzeitig einen Rechtsbeistand beschaffen, so war dies ein Grund zur Verlegung der Verhandlung (z.B. 30. März 1577).
Die Nachrichten über Prozeßkautionen sind spärlich. Am 21. November 1579 müssen bei einer Mehrzahl von Klägern die Auswärtigen Haftungsübernahme für die allfälligen Prozeßkosten geloben, am 7. November 1585 wird zwischen Ortsansässigen das Verlangen des Klägers auf Kautionsleistung, als beim Stadtgerichte nicht üblich, abgelehnt. Stillhalten während des Prozesses durch Parteienvereinbarung wird erwähnt (14. Mai, 13. Juli 1585).
Auf ehafte (echte) Not weist ein Vermerk vom 11. September 1549 hin, wonach der Kläger zur Rechtfertigung seines Verbotes (vgl. § 6 a. E.) am dritten Tage seine Klage hätte einbringen müssen. Seine ihn daran hindernde "Leibesschwachheit" wird als "ehaft" anerkannt.
Die Landstände haben die Oberaufsicht über das Stadtgericht, seitdem ihnen Maximilian I. am 24. April 1518 Klagenfurt geschenkt hatte1.7, und üben sie durch die Verordneten oder ihren Vorsitzenden, den ständischen Burggrafen, aus. Eingriffe kommen kommen selten vor.1.8
Die Beendigung eines Rechtstreites durch Vergleich ist nachweisbar.1.9
Was die Prozeßkosten anlangt, so hat der obsiegende Teil1.10 frühestens nach Rechtskraft der Hauptentscheidung oder auch erst im Vollstreckungsverfahren seinen Schadenzedel (Taxzedel) einzubringen, der dem Gegner zu seinen Einwendungen zugestellt wird.1.11 Dann erfolgt die Taxierung, gegen die Appellation zulässig ist.1.12 [Seite: S. 3] [=> Seite]
Der Einbringung der Klage hatte ein gütliches Ersuchen vorauszugehen (16. März 1541 usw.). Erwähnt werden nur schriftliche Ersuchen, doch sind mündliche jedenfalls zulässig gewesen.
Die Klage konnte mündlich oder schriftlich eingebracht werden. Im ersten Falle wurde der Gegner durch den Gerichtsdiener namens der Klagspartei vorgefordert (14. Oktober 1572 usw.). Bei Nichterscheinen des Beklagten mußte ein neuer Termin geworben werden, doch hatte er dem Kläger die Kosten der nutzlosen Tagsatzung zu ersetzen.1.13 Bei grober Widersetzlichkeit (mehrfaches Nichterscheinen) wurden auch Haftstrafen angewendet, um ihn zum Erscheinen zu zwingen (20. November 1575, 23. März 1577), dagegen ist ein Erkenntnis in der Hauptsache gegen den Beklagten vor Streiteinlassung nicht nachweisbar und fehlen Nachrichten über Straffolgen bei Nichterscheinen des Klägers.
Der Gerichtsbrauch schwankte, ob Beklagter die Einbringung einer schriftlichen Klage verlangen könne. In verwickelten Fällen und bei größeren Streitbeträgen wurde derartigen Anträgen öfters Folge gegeben.1.14
Der Beklagte ist zur sofortigen Antwort bei mündlicher Klage nicht verpflichtet, sondern kann Bedacht begehren, der vom Gerichte in der Dauer von 3 bis 14 Tagen bewilligt wird.1.15 Bei Anerkenntnis erfolgt der richterliche Befehl, das Begehren binnen vierzehn Tagen zu erfüllen. Für diesen Leistungsbefehl wird vorwiegend der Ausdruck "Geschäft" gebraucht.1.16 Die Bestreitung geschieht entweder durch Exzeptionen (Anm. 25) oder in der Hauptsache.1.17 Wird die Exzeption abgewiesen, so hat der Beklagte sofort hauptsächlich zu antworten, widrigenfalls Haftstrafen verhängt werden.1.18 Sind Beweiserhebungen notwendig, so muß wie im schriftlichen Verfahren die zum Beweise zugelassene Partei ihren Weisungsanzug dem Gegner übermitteln.1.19
Bei schriftlicher Einbringung wird die Klagsschrift dem Gegner mit dem Auftrage übersandt, seine Verantwortung einzubringen.1.20 Bleibt die erste Aufforderung erfolglos, so ergeht ein neuerlicher Auftrag.1.21 Daß unbedingt drei Geschäfte zur Einbringung der Verantwortung erlassen werden müssen, ist nicht nachweisbar, ebensowenig ein Kontumazerkenntnis vor Streiteinlassung.1.22
Die Verantwortung wird dem Kläger zu seiner Gegenäußerung, diese wieder dem Beklagten übersandt.1.23 Meistens erfolgen beiderseits je drei Schriften.1.24 Bei Nichteinbringung ergeht eine neue Aufforderung (Frist 8 oder 3 Tage, 6. August 1563, 1. Jänner 1564 usw.). Erfolgt dann die Einbringung nicht und gewährt der Gegner keine Fristerstreckung, so kann die betreffende Schrift nicht mehr eingebracht werden (25. Oktober 1575). Weitere Säumnisfolgen sind [Seite: S. 4] [=> Seite] nicht nachweisbar. Strafandrohungen für den Fall der Nichteinbringung kommen vor (19. August 1581). Enthalten die gewechselten Schriften Dinge, welche nicht zur Sache gehören, oder Beleidigungen, so kann das Gericht sie zurückstellen und eine neue Frist erteilen (z.B. 2. September 1575). Wird die eingebrachte Exzeption abgewiesen,1.25 so trägt das Gericht dem Beklagten auf, hauptsächlich zu antworten, und findet der Schriftenwechsel in der vorerwähnten Weise statt (3. November 1573, 5. Jänner 1574 usw.).
Ist Beweisführung notwendig, so wird auf Grund des Vorbringens einem der Streitteile aufgetragen, Weisung zu führen. Wird das Klagsvorbringen bestritten, so hat Kläger zu beweisen, Einwendungen (z.B. jene der erfolgten Zahlung) der Beklagte.1.26 Dem Gegner wird vorbehalten, seine Gegenweisung einzubringen.1.27
Die zur Weisung zugelassene Partei hat binnen 14 Tagen einen Schriftsatz (Anzug) einzubringen.1.28 Bei nicht rechtzeitiger Einbringung werden auf Verlangen des Gegners neuerliche Fristen erteilt.1.29 Wird die Weisung dann nicht geführt, so kann der Gegner ihre Deserterkennung beantragen, worauf der Abschied als Kontumazerkenntnis ergeht (4. August 1550, 16. Mai 1571). Der Anzug des Beweisführers hat — zumindest wenn es sich um Zeugenbeweise handelt — die Weisartikel zu enthalten, auf welche die Zeugen zu vernehmen sind.1.30 Er wird dem Gegner übersandt, der seine allfällige "Notdurft" und im Falle eines Zeugenverhörs seine Fragstücke (an die Zeugen zu richtende Fragen) einbringen muß.1.31 Bringt er eine Exzeption vor (z.B. Ablehnung eines Zeugen), so wird vorerst — allenfalls nach vorausgegangenem Schriftwechsel (z.B. 10. Mai 1578) — über sie entschieden.1.32 Die gesamte Weisung auf einmal zu führen, ist nicht unbedingt erforderlich, sondern kann man sich die Einbringung von Additionalanzügen vorbehalten (13. November 1573, 16. März 1588).
Beim Zeugenbeweise übergibt das Gericht dem Beweisführer die Zeugenladungen und die Verständigung des Gegners. Die Vereidigung der Zeugen hat zu unterbleiben, wenn der Gegner den Eid erläßt (5. Juni 1574). Amtspersonen haben über ihre Wahrnehmungen unbeeidet auszusagen. Die Zeugen werden dann — offensichtlich in Abwesenheit der Parteien — über die Weisartikel und allenfalls vorliegende Fragstücke einvernommen und ihre Aussage verschlossen aufbewahrt (21. Juli 1579 usw.). Vernehmung ohne ordentlichen Anzug und Fragstücke (2. Dezember 1572, 7. März 1581) oder ohne ordentlichen Beweisabschied (4. März 1552) ist ungültig. Zur Vernehmung auswärtiger Zeugen stellt das Gericht dem Beweisführer Ersuchschreiben (Compaßbriefe) an das zuständige Gericht aus, denen die Weisartikel beigeschlossen sind (6. Jänner 1577, 10. November 1582). Eine bestimmte Fallfrist zur Durchführung ist beim Beweise durch Zeugen nicht nachweisbar, bei [Seite: S. 5] [=> Seite] Urkunden fällt sie mit jener zur Einbringung des Weisungsanzuges zusammen.
Außerhalb des Beweisverfahrens wird einmal eine Zeugenvernehmung als Weisung ad perpetuam rei memoriam zugelassen (6. Februar 1573), da ein Zeuge schwer krank war, obwohl der Prozeß noch gar nicht begonnen hatte. Neun Jahre später wird im Laufe des Prozesses die Eröffnung dieser Weisung bewilligt (9. Oktober 1582).
Als Beweismittel werden Urkunden, Zeugen und Augenschein genannt. Als Urkunden werden Schuldbriefe, Urbare, Ratsprotokolle und Akten erwähnt.1.33 Augenschein ist bei Besitzstörungs- und Servitutsstreitigkeiten nachweisbar (1. Jänner 1563, 6. Dezember 1579, 14. Juni 1583). Zum Zeugenbeweis wird auch die Vernehmung des Gegners gerechnet.1.34 Auch sie erfolgt unter Zugrundelegung eines Weisungsanzuges (10. April 1551 usw.) und kann sich der Gegner seiner Vernehmung durch Beweisführung seinerseits entziehen (8. März 1575).
Zwischen Beweismittel und Beweisart steht der Beweis durch Abrechnung, "Raitung", hauptsächlich, wenn sich der Kläger zur Dartuung seiner Ansprüche auf gute Raitung beruft. Im Beweisbeschlusse wird den Parteien aufgetragen, miteinander abzuraten, worauf der weitere Abschied erfolgt.1.35
Was die Beweisregeln anlangt, so wird gewöhnlich eine Mehrheit von Zeugen angeboten.1.36 Mehr läßt sich nicht feststellen, da die Protokolle bei ungenügendem Beweiserfolge nur die Formel enthalten, Kläger habe sein "Berühmen" nicht genugsam erwiesen (17. Dezember 1575, 4. April 1582).
Nach Vollführung der Weisung hat der Gegner seine allfällige Gegenweisung binnen 14 Tagen einzubringen.1.37 Bei Verzug werden neuerliche Termine gewährt (4. Dezember 1574). Dann erfolgt auf Antrag bei einer Tagsatzung die Weisungseröffnung und die Erteilung der Abschriften an die Parteien.1.38 Daraufhin sind die Schlußschriften, und zwar je eine, einzubringen.1.39 Ist dann von beiden oder bei Säumnis auch nur von einer Partei die Schlußschrift eingebracht worden (17. April 1574, 8. Juli 1578), so werden sie auf Antrag samt den übrigen Aktenstücken verlesen und ergeht der Abschied.1.40 Wird der Abschied ohne Beweisführung gefällt, also bei Rechtsfragen, so wird eine kurze Begründung beigefügt (z.B. 16. August 1572, 27. November 1573).
Als Entscheidungsform findet sich der Bescheid bei liquiden Schuldbriefen (vgl. § 5),1.41 bei Zahlungsbefehlen auf Grund Geständnisses und in Gewaltsachen (1. Februar 1575).1.42
Ordentliche Rechtsmittel sind Appellation und Beschwerde. Im allgemeinen gilt die Regel, daß gegen Abschiede appelliert werden muß, gegen Bescheide nur Beschwerde zulässig ist (23. August 1575, 2. März 1577 usw.). Das Stadtgericht erklärt aber die Appellation gegen einen als Bescheid ergangenen Beweisbeschluß für zulässig (15. Dezember 1582) und wird die dagegen gerichtete Beschwerde von den Verordneten abgewiesen, nachdem der Rat in seinem Berichte mehrere ähnliche Fälle angeführt hatte.
Der Instanzenzug ging zuerst an die Verordneten, dann an die nö. Regierung in Wien (Abschied der Verordneten vom 10. Jänner 1535, Ampfinger art. 36), seit 1563 an jene in Graz.1.43
Das Appellationsverfahren ist vorerst äußerst einfach. Binnen 14 Tagen nach Eröffnung des Abschiedes ist die Appellation zu heben, binnen 14 Tagen muß sie "geführt", das heißt von den Verordneten erledigt zurückgebracht oder eine Fristerstreckung (Schub) erwirkt werden, widrigenfalls sie auf Antrag des Gegners für desert erkannt wird.1.44 Ein Bedacht für die Parteien, ob sie appellieren wollen, ist ursprünglich nicht nachweisbar.1.45 Die Hebung der Appellation scheint darin bestanden zu haben, daß der Appellant den angefochtenen Abschied samt den sonstigen Aktenstücken in Abschrift beim Stadtgerichte behebt und den Verordneten zur Überprüfung vorlegt. Apostelbriefe werden vorerst nicht erwähnt.
Späterhin hat der Verurteilte regelmäßig Anspruch auf Bedacht.1.46 Dann wird auf Anrufen eine Tagsatzung zur Hebung (Aufrichtung) erteilt. Eine bestimmte Frist für das Begehren um Aufrichtung ist nicht nachweisbar, wahrscheinlich wurde es mit der Erklärung zur Appellation verbunden.1.47 Aus einer Appellation an die Regierung ergibt sich, daß die zusammengerichteten Akten samt einem Vorlageberichte (Apostelbrief) dem Appellationswerber zur Weiterbeförderung übermittelt wurden.1.48
Die Appellation wurde von den Verordneten schriftlich erledigt, vom Appellanten an das Stadtgericht gebracht und bei einer Tagsatzung eröffnet.1.49 Der beschwerte Teil hat nun zehn Tage Bedacht (16. März 1583) und muß zehn Tage nach der Erklärung die Appellation heben (10. März 1584). Das weitere Verfahren deckt sich mit dem bei der Appellation gegen Abschiede erster Instanz.1.50
Bestimmte Fristen zur Einbringung der Beschwerde sind nicht nachweisbar. Sie hat keine aufschiebende Wirkung, sondern muß Einstellung des Verfahrens von den Verordneten erwirkt werden (22. März 1577). Das Stadtgericht hat sich zur Beschwerde zu äußern (15. Dezember 1582).
Eine Revision ist nicht nachweisbar, dagegen wurde in drei Fällen um Restitution bei der nö. Regierung geworben, von der das Gesuch dem Landesfürsten zur Entscheidung vorzulegen war (19. Jänner 1585). Das Stadtgericht hatte über das Ansuchen einen Bericht zu erstatten (10. März 1585), zu dem die Gegenseite ihre Einwendungen gegen die Wiedereinsetzung binnen 14 Tagen [Seite: S. 7] [=> Seite] einbringen mußte (26. November 1588). Auch das Restitutionsansuchen hatte keine aufschiebende Wirkung (30. Juli 1585).1.51
Gegenüber Schuldbriefen, die "lauter", "richtig", "unconditioniert", "unvermailigt" oder "liquidiert", also ordnungsmäßig ausgestellt und ohne äußere Mängel sind, können keine Gegenansprüche geltend gemacht werden.52 Die Klage erfolgt regelmäßig mündlich (20. Jänner 1573 usw.). Nach "gebräuchlicher Fürforderung" (13. November 1573) zur Verhandlung ergeht — wenn nicht etwa gegen die Rechtsbeständigkeit des Geschäftes oder die Echtheit der Urkunde Einwendungen erhoben werden (z.B. 3 Dezember 1575) — in Bescheidform das Geschäft auf Zahlung binnen 14 Tagen, auf das die 8- und 3tägigen folgen.1.53 Ein allfälliger Prozeß wird mündlich durchgeführt.1.54 Appellation des Beklagten ist nicht zulässig, wohl aber Beschwerde (2. März 1579, 18. März 1581).
Ein Mandatverfahren läßt sich nur in einem Falle nachweisen. Es wird auf Grund einer Verschreibung der nicht erschienene Gegner zur Zahlung verschaffen (1. September 1579). Das zweite Geschäft erfolgte in Gegenwart des Beklagten (20. Oktober 1579).
Bei Klagen von Ausländern (Landesfremden) besteht eine kürzere Frist zur Einbringung der Verantwortung (8 Tage, 14. August 1574). Vor allem wird aber bei ihren Klagen, sowohl bei Schuldbriefen als auch sonst, nur ein Leistungsbefehl auf 3 Tage erlassen, worauf dann sofort die Exekution folgt.1.55
Im Zahlungsgeschäfte (Anm. 16), sonst im Abschiede wird der verlierenden Partei1.56 die Erfüllung innerhalb einer bestimmten Frist aufgetragen.1.57 Bleibt die Erfüllung aus, so erfolgen neuerliche Leistungsaufträge (Geschäfte) meistens auf 8 Tage.1.58 Daß ursprünglich schon nach Ablauf der zweiten Leistungsfrist Zwangsvollstreckung in das Vermögen möglich war, ist unwahrscheinlich, da schon am 20. März 1552 drei Leistungsaufträge (Abschiede genannt) in der gleichen Rechtssache nachweisbar sind. Später müssen jedenfalls drei Leistungsaufträge (Geschäfte) auf 14, 8 und 3 Tage ergehen.1.59 Ausnahmsweise begegnen weitere Leistungsfristen (3 Tage, 14. April 1573, 12. Juli 1581).
Ebenso mannigfaltig wie die Fristen sind die Mittel der Zwangsvollstreckung. Vorerst überwiegen Geld- und Haftstrafen. Geldstrafen (Peen), zuweilen in recht beträchtlicher Höhe (20 fl., 50 fl., 10 Dukaten), werden manchmal schon für Zuwiderhandeln gegen den ersten Leistungsauftrag angedroht.1.60 Haftstrafen (Leistung, Verschaffung aufs Rathaus, auf den [Seite: S. 8] [=> Seite] Turm) haben das gleiche Anwendungsgebiet (10. Juli, 18. Dezember 1574 usw.). Im allgemeinen werden Strafen erst nach Erfolglosigkeit eines Leistungsauftrages, und zwar zuerst Geld-, dann Haftstrafen angedroht.1.61
Die Vollstreckung in das Vermögen ist vorerst seltener, wird aber später das vorherrschende Exekutionsmittel. Sie wird nach fruchtlosem Ablauf der dritten Leistungsfrist durch die Bewilligung der Aufweisung (Pfändung) eingeleitet.1.62 Als weitere Schritte werden die Schätzung der aufgewiesenen Güter (30. Mai 1552, 18. Juli 1573 usw.) und die Einantwortung (24. Oktober 1587) oder der Ansatz (15. Juni 1549) erwähnt. Bei Liegenschaften, die dem Gläubiger schon in dem eingeklagten Schuldbriefe verschrieben waren, bildete die Einantwortung den ersten Exekutionsschritt.1.63
Zur Sicherung gefährdeter Ansprüche kann auf Anrufen ein Verbot (Aufhaltung, Arrestierung) über Vermögensstücke (19. September 1539, 10. Jänner 1550 usw.), allenfalls auch Personalarrest (11. September 1549) erlassen werden. Dieses Sicherungsmittel ist gegenüber einem angesessenen Gegner unzulässig (28. Jänner 1576). Der Sicherungswerber hatte das Zutreffen der Verbotsgründe nachzuweisen1.64 und wurde durch Abschied über die Zulässigkeit des Verbotes entschieden.1.65
Die Konkurseröffnung erfolgt durch Ausschreibung eines "offenen" (14. Dezember 1548) Ediktes über das Vermögen des Schuldners.1.66 Konkurseröffnung über das Vermögen lebender Schuldner ist früh nachweisbar (9. August 1550, 10. September 1563 usw.), doch dürfte auch in Kärnten der Ausgangspunkt der Verlassenschaftskonkurs gewesen sein. An lebende Schuldner erfolgt vor Konkursverhängung (nötigenfalls mehrmals) die Aufforderung, ihre Schulden zu bezahlen und hiefür Vorschläge zu machen.1.67 Als Konkurseröffnungsgrund wird mehrfach das Vorhandensein allzu vieler Schulden erwähnt, ohne daß zwischen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung genau unterschieden wird.
Lebt der Gemeinschuldner, so kommt es meistens zu keiner Vertreterbestellung. Er bleibt im Verfahren Prozeßpartei und hat als solche die Gläubigerforderungen gegebenenfalls zu bestreiten (27. August 1550, 18. Dezember 1574). Nur wenn er dem Verfahren nicht zuwarten kann (und wohl auch aus anderen Gründen), werden zwei Versprecher bestellt, denen das vorhandene Vermögen nach Inventaraufnahme übergeben wird (12. Jänner 1575, 29. Jänner 1586). Bei Verlassenschaften oblag die Vermögensobsorge ursprünglich anscheinend dem Stadtgerichte selbst, da die Bestellung von Versprechern erstmals am 19. Juni 1574 erfolgte. Sie werden ins Gelübde genommen (21. Februar 1584) und obliegt ihnen neben [Seite: S. 9] [=> Seite] der Vermögensverwaltung auch die Ausübung der Parteistellung des Gemeinschuldners, besonders die Erstattung von Einreden gegen die angemeldeten Forderungen (6. Februar 1576 usw.).
Welche Rechtsmittel gegen die Konkurseröffnung zustanden, ist nicht ersichtlich. Die Aufhebung eines Ediktes durch den Burggrafen, da eine dritte Person sich zur Zahlung aller Schulden verpflichtet hatte, wird erwähnt (4. April 1573).
Die Ausschreibung des Ediktes erfolgte gewöhnlich in den größeren Orten Kärntens.1.68 Die Durchführung oblag dem Stadtschreiber (10. März 1572, 6. März 1573). Im Edikte wird der Termin bestimmt, bis zu dem Forderungen anzumelden sind (Ediktstag).1.69
Die Anmeldung erfolgte mündlich (30. Oktober 1584) oder schriftlich (31. Mai 1542 usw.), gewöhnlich unter Vorlage der Urkunden oder unter Beibringung eines Auszuges. Dem Stadtschreiber ist ein Einschreibgeld zu entrichten (20. Februar 1573). Vereinzelt kann ein zweiter Ediktstag zur Anmeldungseinbringung abgehalten werden (7. August 1579). In späterer Zeit wird meistens entweder beim Ediktstage selbst (z.B. 24. April 1574) oder außerhalb (z.B. 8. August 1572) ein zweiter Tag (Termin) anberaumt, an dem die Gläubiger die Beweise für ihre Forderungen, Probationen genannt, einzubringen haben, so daß dieser Termin auch ausdrücklich Probationstag genannt wird.1.70 Die eingebrachten Probationen und die Einreden der Versprecher (vgl. Anm. 70) werden den Gläubigern übermittelt, damit diese zur Priorität der einzelnen Forderungen ihre Notdurft einbringen können (4. Dezember 1574, 14. Juli 1576). Die Bestreitung der Rangordnung ist also Sache der Gläubiger, nicht des Schuldners.
Hierauf erfolgt der Ediktsabschied, der die Feststellung und Reihung der Forderungen sowie die Aufteilung des Vermögens auf die einzelnen Gläubiger enthält.1.71 Gegen den Abschied ist Appellation in gebräuchlicher Zeit an die Verordneten und weiterhin an die Regierung möglich (26. April 1577 usw.). Nach Rechtskraft erfolgt die Aufteilung des Vermögens (8. Juli 1579, 21. Februar 1584).
Dies ist der in den 70er und 80er Jahren des 16. Jahrhunderts nachweisbare Vorgang. Früher war das Verfahren anscheinend etwas anders gestaltet.1.72 Der Abschied erfolgte am ersten oder zweiten Ediktstage und stellte für die streitigen Forderungen nur Beweisthema und Beweisrolle fest. Er konnte infolgedessen auch nicht die endgültige Vermögensaufteilung enthalten, die vermutlich mittels gesonderter Erkenntnisse erfolgte. Der Rechtsmittelzug wies schon die spätere Gestaltung auf (27. August 1550).
Über die Verteilung des Massevermögens1.73 sind einige Nachrichten erhalten. Die Fahrnis wurde geschätzt (7. Juli 1584) [Seite: S. 10] [=> Seite] und im Ediktsabschiede den Gläubigern gemäß den liquidierten Forderungen verhältnismäßig zugewiesen. Die Verwertung war ihre Angelegenheit.1.74 Teilweise anders gestaltete sich das Verfahren bei Liegenschaften. Eine Schätzung findet auch hier statt (22. Oktober 1575 usw.). Dann werden entweder im Ediktsabschiede einzelne Gläubiger in der Höhe ihrer Forderung auf die Liegenschaft gewiesen und sie ihnen nach Rechtskraft eingeantwortet1.75 oder sie wird einem einzelnen Gläubiger (zuweilen einer dritten Person) unter der Bedingung übereignet, daß er die im Range vorausgehenden Gläubiger entsprechend ihren Forderungen befriedige (21. Juli 1576) oder die ganzen Schulden bezahle (9. Juli 1577). Daneben findet sich (erstmals 27. August 1550) die Liegenschaftsversteigerung, die sich in den meisten folgenden Konkursen nachweisen läßt (27. April 1571 usw.). Sie wird meistens als Vergantung, Ausrufung im Canto, oder Cantorecht bezeichnet und erfolgt (durch längere Zeit hindurch) auf der "ordentlichen Stätte".1.76 Der Zuschlag wurde jenem erteilt, der am letzten Tage das Meiste über den Schätzwert (26. Februar 1577) bot.1.77 Im allgemeinen wurde nur ein Cantorecht abgehalten, doch konnte es vom Rate bei unbefriedigendem Ergebnisse verschoben werden (4. Juli 1581, 4. Juli 1586). Die Zahlung des Meistbotes hatte meistens am nächsten Tage zu erfolgen.1.78 Dann wird dem Ersteher vom Rate ein Kaufbrief ausgestellt. Anscheinend galt die Zwangsversteigerung als letztes Auskunftsmittel. In zwei Fällen wird vorerst Zuweisung des Hauses an die Gläubiger versucht und erst nach Ediktsabschied die Verteilung beschlossen.1.79
Als Strafe gegen den Gemeinschuldner wird Aufsagung des Bürgerrechtes, verbunden mit Stadtverweis, verhängt.1.80
Eine feste Klasseneinteilung besteht nach den erhaltenen sechs Ediktsabschieden nicht. Ein Vorrang für öffentliche Abgaben ist nur einmal feststellbar (27. August 1550). Sie werden hier anscheinend im gleichen Range wie die Pfandforderungen befriedigt. Die Gerichtskosten des Konkurses stehen zweimal an erster (21. Februar, 7. April 1584), einmal unter Hypothekarforderungen an zweiter Stelle (16. März 1583). Dann folgen die vertragsmäßigen Pfandrechte dem Alter nach (27. August 1550 usw.), hierauf die Ansprüche der Witwe auf Grund ihres Heiratsbriefes, wobei zwischen eingebrachtem Heiratsgut einerseits, Morgengabe und Widerlage anderseits nicht unterschieden wird.1.81 Ein Vorzugsrecht genießen auch die Lidlohnforderungen der Dienstboten.1.82 Die übrigen "gemeinen Schulden" werden anteilsmäßig befriedigt.1.83 [Seite: S. 11] [=> Seite]
Als Quellen kommen vor allem die Stadtgerichtsprotokolle in Betracht, die auch die Vorgänge im Stadtrechte enthalten. Zum Vergleiche mit dem Landrechte wurden der Bericht Ampfingers vom Jahre 1544 über das gerichtliche Verfahren in Kärnten und die Umarbeitung des landrechtlichen Teiles dieser Arbeit2.1 herangezogen, in vereinzelten Fällen auch die Landrechtsordnung von 1577 und die Darstellung des Landschrannenadvokaten Kraus (siehe IV, § 1).
Die Zusammensetzung des Stadtrechtes erfolgt aus den Mitgliedern des äußeren und inneren Rates unter dem Vorsitze des Stadtrichters. Die Zahl der Beisitzer schwankt zwischen mindestens 7 und 14. Klagen können im Stadtrechte sowohl um Schuld (Geldforderungen), Gut (Fahrnisse) als auch um Liegenschaften und Rechte eingebracht werden. Die persönliche Zuständigkeit ist auf Bürger als Beklagte beschränkt (24. März 1536, 24. Jänner 1537 usw.).
Persönliches Erscheinen (wie im Landrechte, Ampfinger art. 2) ist nicht notwendig. Vollmachtserteilungen können nur vor dem Stadtrechte mit Vergreifung des Gerichtsstabes erfolgen (13. November, 13. Dezember 1573). Als gesetzliche Vertreter erscheinen Vormünder (Gerhaben, 8. Oktober 1551) und bei Handwerksbruderschaften die Zechleute (11. April 1576). Die Beiziehung von und die Vertretung durch Advokaten ist sehr häufig (30. Juni 1563 usw.). Prozeßbeendigung durch gerichtlichen Vergleich ist nachweisbar (7. März 1572).
Die Nachrichten über die Expens (Prozeßkosten, unter Umständen Schadenersatz) sind dürftig. Es ist nicht zu entnehmen, ob wie im Landrechte (Ampfinger art. 23) bei Klagsabweisung der Beklagte ursprünglich keinen Anspruch auf Kostenersatz hatte. Kostenersatzpflicht für einzelne durch Verschulden einer Partei notwendig gewordene Prozeßschritte ist nachweisbar.2.2.
Der Klage hat ein — schriftliches oder mündliches — gütliches Ersuchen vorauszugehen (16. März 1541, 20. Februar 1573). Die Klage (im ältesten Protokoll A 2 ständig "rechtliche Klage" genannt) enthält eine kurze Darstellung des Sachverhaltes, das Begehren mit der allfälligen "Entgeltnus" (Schadenersatz und Buße) und die Angabe, mit welcher Art von Beweismitteln Kläger [Seite: S. 12] [=> Seite] im Bestreitungsfalle weisen will.2.3 Ob die Klage nur schriftlich eingebracht werden kann (Ampfinger art. 6) oder mündliche Einbringung und Protokollierung zulässig ist, läßt sich nicht nachweisen. Man unterscheidet Klagen zu Tagen (24. März 1536 usw.) und auf ein Geschäft (26. Februar 1543 usw.). Bei der ersten Art muß in vier verschiedenen Stadtrechten geklagt werden. Wenn der Beklagte sich auch das vierte Mal nicht verantwortet, wird Behebnus erteilt.2.4. Beim ersten Tage wird dem Kläger Gerichtszeugbrief und Ladung des Beklagten zuerkannt (11. Dezember 1576). Eine weitere Verständigung des Beklagten ergeht nicht und kann Kläger die weiteren drei Tage an den nächsten stattfindenden Stadtrechten (in jedem Rechte je einen) klagen oder auch ein oder mehrere Stadtrechte hindurch nichts unternehmen (stillehalten). Er muß aber immer darauf gefaßt sein, daß der Gegner an einem der Rechtstage erscheint und die Tage durch Urteil aberkennen läßt, so daß er neu klagen muß (z.B. 8. März 1571, vgl. Ampfinger art. 7).
Klagen auf ein Geschäft sind nur bei Forderungen auf Lidlohn oder aus landschadenbündigen Schuldbriefen zulässig;2.5 bei ihnen ergeht an den Beklagten der Auftrag, binnen 14 Tagen zu zahlen oder die Klage im nächsten Stadtrechte zu verantworten (vgl. Lro. art. 23, 24).
Die Verantwortung des Beklagten erfolgt entweder mit Exzeptionen2.6 oder hauptsächlich.2.7 Als eine besondere Art der Verantwortung wird bei dinglichen Klagen das Recht erwähnt, den Vormann als Schermer zu stellen, der an Stelle des Beklagten in den Prozeß eintritt (15. Oktober 1575 usw.).2.8 Vor der Verantwortung Bedacht auf das nächste Stadtrecht zu nehmen, ist gestattet (z.B. 15. Oktober 1577). Im Falle von Behinderungen können Stillstände (Schübe) erlangt werden.2.9 Für die Verantwortung gilt der Grundsatz der Formstrenge. Will man sich mit einer Exzeption verteidigen, so darf man sich nicht zur "Antwort", sondern nur zu "Recht" anbieten, sonst ist man mit allen Exzeptionen abgeschnitten (30. Juni 1563, Ampfinger art. 10). Wird die Exzeption abgewiesen, muß der Beklagte sofort in der Hauptsache antworten (20. Oktober 1573, Ampfinger art. 10). Der Kläger hat auf die Einwendungen des Beklagten zu erwidern und sind auf jeder Seite bis zu drei Reden nachweisbar (29. August 1572, 2. Juni 1576). Schließlich machen beide Parteien den Urteilsvorschlag, sie "setzen zu Recht" (29. August 1572). Der Beweisbeschluß oder die Endentscheidung ergehen als Urteil2.10 in der Weise, daß nach dem Rechtssatze ein Mitglied des Rates des Urteiles angefragt wird, das es dann (meistens nach Bedachtnahme auf das nächste Stadtrecht) ausspricht.2.11 Die Klagsabweisung aus formellen Gründen (Aberkennung der Tage) hat Kostenfolgen, hindert jedoch die Neueinbringung nicht (29. August 1572). Eine Spezialisierung des Beweissatzes in der Richtung einer [Seite: S. 13] [=> Seite] genauen Bezeichnung dessen, was die Partei weisen soll, ist nicht ersichtlich (30. Juni 1563, 15. Oktober 1575).
Bestimmte Regeln, wem der Beweis aufzutragen ist, werden nicht erwähnt. Über den Umstand des erfolgten gütlichen Ersuchens und der Ladung ist Kläger beweispflichtig (20. Februar 1573). Wird ein Streitteil zur Weisung zugelassen, so hat er in der Zeit bis zum nächsten Stadtrecht seinen Weisungsanzug einzubringen der — falls darin Zeugenvernehmungen beantragt werden — dem Gegner zur Einbringung von Fragstücken auf die Weisartikel des Anzuges übermittelt wird.2.12 Nachrichten über die Art und Weise der Beweisführung fehlen. Dem Gegenteil wird — anscheinend auch ohne Antrag — bei Fällung des Beweisurteils die Gegenweisung vorbehalten.2.13 Die Führung einer ergänzenden Weisung durch Einbringung eines Additionalanzuges war möglich.2.14
Haben die Parteien erklärt, mit ihrer Weisung geschlossen zu haben, verzichtet eine Partei oder wird sie ihr aberkannt (22. Juni 1571, 15. Oktober 1575), so erfolgt die Eröffnung der Weisungen und auf Verlangen Abschriftenerteilung. Beide Parteien haben dann bis zum nächsten Stadtrecht ihre Schlußschriften einzubringen, die noch in diesem verlesen werden, worauf der Rechtssatz der Parteien und das Urteil folgt (22. Juli 1571, 16. Mar 1572 usw.).
Die Nachrichten über die Appellation sind spärlich.2.15 Sie ist bei sonstiger Aberkennung bis zum nächsten Stadtrechte zu führen (21. August, 10. September 1576). Die Abgrenzung der Appellation von dem anderen ordentlichen Rechtsmittel, der Beschwerde, ist schwankend.2.16 Der Rechtszug ging wie im Stadtgerichte an den verordneten Ausschuß und von hier an die nö. Regierung (12. Dezember 1579, 18. November 1581, Ampfinger art. 36). Restitution wegen einer Weisung wird erwähnt (5. März 1574), ob sie von den Verordneten oder dem Landesfürsten erteilt wurde, ist nicht ersichtlich.
Hierüber ist aus den Ratsprotokollen nichts ersichtlich.
Unter der Bevölkerung scheint das schwerfällige Verfahren nicht beliebt gewesen zu sein. Die Anzahl der abgehaltenen Stadtrechte sinkt ständig.2.17 Nach dem 18. November 1581 wurde überhaupt kein Stadtrecht mehr abgehalten. Am 10. Juni 1586 beschloß jedoch der Rat, die Stadtrechte wiederum anzufangen und die Verordneten von dieser Absicht in Kenntnis zu setzen. Die Stände verhielten sich zustimmend und enthält die vom großen Ausschusse [Seite: S. 14] [=> Seite] entworfene Bürgermeister- und Stadtrichterinstruktion den Auftrag an Bürgermeister, Richter und Rat, die Stadtrechte, wie sie von alters her gebräuchlich und üblich gewesen, alsbald wiederum anzustellen und "continue" zu observieren.2.18 Diesen Weisungen entsprechend wurde am 23. Februar 1588 das erste "renovierte" Stadtrecht abgehalten.
Als Quellen für diesen Zeitabschnitt kommen in erster Linie die Stadtgerichtsprotokolle in Betracht. Von 1600 an werden sie getrennt für die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters und des Stadtrichters geführt. Bis 1650 sind sie halbwegs geschlossen, späterhin nur mehr für die Jahre 1661, 1668, 1675 bis 1677 erhalten. Im Landesarchive haben die lückenhaft vorhandenen Verordnetenprotokolle sowie die Registraturbücher (erhalten für 1624, 1635 und von 1639 an) vereinzelte Nachrichten. Wertvolles Material liefern die Faszikel 82/1-7, 83/1-3, 126/1-4, 128/1 dieses Archives, deren Inhalt Appellations-, Restitutions- und vereinzelt auch Beschwerdeakten bilden. In einigen Fällen konnten auch Restitutionsakten des Grazer Regierungsarchives verwendet werden.
Für das Verfahren bei der Landeshauptmannschaft kommt die "Rechtsordnung ... nach Wellicher bey dem Schronengericht und anderen dess Landts Instanzien procediert werden solle ...", der ständische Entwurf vom Jahre 1629 (GV. Hs. 5/30), in Betracht. Art. 59 sollte das Verfahren bei der Landeshauptmannschaft und den anderen Instanzen mit Ausnahme des Landrechtes regeln und blieb im landesfürstlichen Gegenentwurfe von 1638 (Fasz. 184/8, W.St.J.Oe.A. Kärnten, Fasz. 40) sowie dem neuen ständischen Entwürfe von 1668 vollkommen unverändert (Fasz. 185/1). Er kann ohne weiteres als Quelle des geltenden Rechtes benützt werden, da der bestehende Rechtszustand im wesentlichen aufrechterhalten werden sollte.3.1
Die erste zusammenhängende Darstellung des Verfahrens bei der Landeshauptmannschaft, die "Ordnung und gebrauch ...", stammt aus späterer Zeit (vgl. Darst. 131). Auch die "Lanndtsgebreich" (Darst. 130 f.), die "Hollenburger Observationen" (Darst. 131) und die "Observationis (!) super Jus stat. Carinthie" (Darst. 132) geben wertvolle Nachrichten über das Gerichtsverfahren. In einzelnen Fällen werden auch [Seite: S. 15] [=> Seite] die Darstellungen, die zeitlich der nächsten Periode angehören (vgl. V, § 1), herangezogen.
Die Zusammensetzung des Stadtgerichtes erfuhr eine Änderung durch die Einführung des Bürgermeisteramtes, die auf Ansuchen der Bürgerschaft am 24. September 1587 der große Ausschuß bewilligte (AP. 1587). Nach der Amtsinstruktion3.2 hatte in Zivilstreitigkeiten der Bürgermeister über die Klagen um Erb, Eigen und im Burgfried liegende Güter inner- und außerhalb des Stadtrechtes zu richten, der Stadtrichter3.3 über die Klagen um "gemeine" Schulden, die nicht auf Liegenschaften verpfändet waren. Das galt auch für die Exekutionen, doch hielt sich diese künstliche Aufteilung nicht. Es zeigte sich vielmehr das Bestreben, alle größeren und verwickelteren Streitigkeiten (auch in Schuldensachen) vor dem Bürgermeister durchzuführen,3.4 und ist nach der Aufweisung kein weiterer Exekutionsschritt vor dem Stadtrichter nachweisbar (Protokolle seit 1606). Die geringere Bedeutung des vom Stadtrichter abgehaltenen Ratstages drückt sich in der schwächeren Besetzung (meist nur 4 oder 5 Beisitzer) und darin aus, daß das mündliche Verfahren vorherrscht. Eine wichtige Rolle spielt der Stadtschreiber, der kein Rechtsgelehrter ist und bis zur Bestellung ständiger Rechtsberater (siehe vor Anm. 14) wohl der geistige Urheber der Prozeßentscheidungen gewesen sein dürfte.3.5
Die Zuständigkeit des Stadtgerichtes erfuhr keine wesentliche Änderung.3.6 Die Landschaftsbeamten (Offiziere genannt) unterstehen ihm nicht (RB. 29. August 1639), außer im Falle der Delegierung (29. Juli 1596, 17. März 1626) oder wenn es sich um städtische Liegenschaften handelt (16. April 1618). Dieser Standpunkt wird von den Verordneten im Dekrete vom 1. Oktober 1648 und dem mit der Stadt am 17. Februar 1660 abgeschlossenen Vergleiche festgehalten.3.7
Fremde können vor dem Stadtgericht geklagt werden, wenn sie in Klagenfurt Waren haben oder am Orte anwesend sind.3.8 Bei Entlassungen aus dem Gemeindeverbande wird in den Abschiedsbriefen zur Aufrechterhaltung der gerichtlichen Zuständigkeit bestimmt, daß die Abziehenden inner Jahr und Tag im Stadtgerichte bezüglich hiesiger Sachen beklagt werden können und sie für die hiesigen Sachen Gewaltsträger, allenfalls auch Kaution bestellen müssen (12. Oktober 1596 usw.).
Das Recht der Bürger, als Beklagte die Zuständigkeit des Stadtrechtes anzurufen, blieb aufrecht. Die Stellungnahme des Stadtgerichtes schwankte.3.9 Im allgemeinen zogen die Parteien die Klage vor dem Stadtgerichte vor und erklärten öfters, die Stadtrechtsklage fallen zu lassen und im Gerichte zu prozedieren, [Seite: S. 16] [=> Seite] wogegen niemals eine Einwendung erhoben wurde (3. Jänner 1589, 16. Februar 1590 usw.). Auch nach einem Beschlusse des Magistrates vom 15. März 1639, daß Klagen über 10 fl. auf das Stadtrecht verwiesen werden sollen, sind derartige Exzeptionen vorerst selten.3.10 Sie häufen sich, als ab 1670 nach mehrjähriger Pause wieder Stadtrechte abgehalten werden. Es wird ihnen — ausgenommen bei Zahlungsunfähigkeit des Beklagten (Prozeß gegen Rudolph, 1675) — stets Folge gegeben.3.11
Die Prozeßfähigkeit zeigt keine Änderungen.3.12 Die Bestellung von "curatores ad lites" stand dem Stadtgerichte zu (RB. 20. November 1637). Beim Tode eines Abwesenden erklären die ernannten curatores ad lites, daß sie nicht weiter tätig sein können, da sie nicht curatores bonorum seien (16 Jänner 1618).
Vollmachtserteilungen erfolgen wie in der Vorperiode schriftlich oder mündlich durch Ergreifung des Gerichtsstabes vor dem Rate.3.13 In größeren Prozessen sind Rechtsbeistände (Landschrannenprokuratoren, Stadtschreiber, Landschrannenschreiber und Sekretäre der Landeshauptmannschaft) die Regel (Protokolle seit 1588). Der Umstand, nicht mit einem Prokurator versehen zu sein, oder dessen Verhinderung gilt als Vertagungsgrund (9. März 1612 usw.). Die Stadt selbst besoldet seit dem 7. Juli 1603 ständig zwei Landschrannenprokuratoren, damit diese den Stadtrechten beiwohnen und sich auch sonst in Rechtssachen zur Verfügung stellen. Dies trug zweifelsohne zur Angleichung des städtischen Verfahrens an das bei der Landschranne und der Landeshauptmannschaft bei. Stärkere Verwendung lateinischer Fachausdrücke und Anführungen aus juridischen Schriftstellern lassen sich gegen 1600 nachweisen.3.14
Prozeßkautionen werden gegenüber landesfremden Klägern verlangt und auch auferlegt (19. Jänner 1600 usw.). Nicht ansässige Beklagte können veranlaßt werden, Sicherheit dafür zu leisten, daß sie sich vor Prozeßaustragung nicht aus der Stadt entfernen.1.15 Die Verordneten üben wie bisher die Oberaufsicht über die Tätigkeit des Stadtgerichtes aus. Eingriffe in das Verfahren sind im allgemeinen nicht nachweisbar, dagegen dringen sie des öfteren auf dessen Beschleunigung.3.16
Wie in der Vorperiode hat jeder Klage ein gütliches Ersuchen vorauszugehen, widrigenfalls der Beklagte exzipieren kann.3.17 Bei mündlicher Klage ergeht an den Gegner die Aufforderung, vor Gericht zu erscheinen, um anzuhören, was Kläger gegen ihn vorbringe. Die Vorladung hat anscheinend der Kläger — durch den Gerichtsboten — zu besorgen.1.18 Bei Anerkenntnis wird [Seite: S. 17] [=> Seite] sofort der Leistungsauftrag auf 14 Tage erlassen, was der Hauptvorteil der mündlichen Klage ist. Dagegen scheinen Kontumazerkenntnisse gegen den Beklagten, bevor dieser sich in den Prozeß eingelassen hatte, ursprünglich unzulässig gewesen zu sein: sie lassen sich erst spät bei mindestens dreimaligem Nichterscheinen nachweisen.3.19
Sich Bedacht bis zum nächsten Ratstage zu nehmen, ist gestattet (z.B. 17. Juni 1589). Üblich ist die Einbringung von mündlichen Klagen bei Lidlohnstreitigkeiten und Schuldbriefen.3.20 Sie sind häufig im Verfahren vor dem Stadtrichter. Der mundliche Prozeß behauptete sich durch die ganze Periode neben dem schriftlichen und dem Mandatverfahren (z.B. noch 17. April und 26. Oktober 1668). Er stimmt mit dem schriftlichen Prozesse in der Art der Verantwortung und dem Beweisverfahren samt darauffolgendem Schriftenwechsel vollkommen überein, ebenso in Zahl und Art der dem Abschiede folgenden Leistungsaufträge,3.21 so daß auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.
Mehrere Entscheidungen gehen dahin, daß bei verwickelter Rechtslage, größeren Beträgen und anscheinend auch dann, wenn das Ersuchen schriftlich erfolgt war, eine schriftliche Klage eingebracht werden muß.3.22 Sie wird wie früher dem Gegner zur Verantwortung innerhalb 14 Tagen übersandt.3.23 Beim dritten Geschäfte wird Fällung eines Kontumazerkenntnisses (Abschied oder Erkanntnus genannt) angedroht.3.24 Vereinzelt wird dem Beklagten nach den drei "stadtgebräuchigen" Geschäften noch eine weitere Frist "zum Überfluß" zur Einbringung seiner Verantwortung erteilt (z.B. 9. Mai 1595). Um 1610 ist dies aber eine ständige Einrichtung geworden.3.25
Bringt der Beklagte innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Fristen eine Exzeption3.26 oder hauptsächliche Verantwortung3.27 ein, so wird diese dem Gegner zu seiner Ablainung (ferneren Notdurft, Replik, neuerlichen Schrift) übersandt.3.28 Dann folgt die Antwort (andere Schrift, Duplik) des Beklagten,3.29 hierauf das schließliche Anrufen (schließliche Notdurft) des Klägers und die schließliche Notdurft des Beklagten (30. August 1590, 3. August 1598 usw.). Die übliche und gleichzeitig Höchstzahl der von jeder Seite einzubringenden Schriften ist demnach drei (vgl. Lg. art. 96). Bei weniger wichtigen Prozessen sind es auch nur zwei.3.30 Vereinzelt findet sich auch nur je eine Schrift (Klezko-Khnor, 1600, Fasz. 82/1).
Bei allen Schriften gelten die oben erwähnten Fristen von 14, 8 und 3 Tagen (3. Juni, 8. August 1598 usw.). Später sind auch peremptorische und superperemptorische Verordnungen (z.B. 4. April 1618) nachweisbar. Bringt der Kläger eine dieser Schriften trotz Fristablauf nicht ein, so erfolgt das Erkenntnis auf Grund des beiderseits Vorgebrachten.3.31 Wird die erhobene Exzeption abgewiesen, so [Seite: S. 18] [=> Seite] ist die hauptsächliche Verantwortung nicht innerhalb 14, sondern 8 Tagen einzubringen (23. April 1599); erfolgt sie nicht, so sind die Schlußschriften zu erstatten (14. Juni 1595). Das Erkenntnis nach Abführung des Schriftenwechsels lautet auf Beweiszulassung, Stattgebung oder Ablehnung der Exzeption und allenfalls Entscheidung in der Hauptsache. Wird einer dilatorischen Einwendung Folge gegeben, so kann gleich neuerlich geklagt werden (21 September 1598, 31. Jänner 1668).
Neben diesem Verfahren entwickelt sich das Mandatverfahren. Sein Anwendungsgebiet ist anfangs auf Forderungen beschränkt, die ausreichend bescheinigt sind.3.32 Späterhin begegnen jedoch Mandate bei Geldschulden jeder Art und auch bei sonstigen vertretbaren Sachen (Getreide, 8. November 1619), besonders bei Schuldbriefen (27. Jänner 1601 usw.). Der Vorgang spielt sich in der Weise ab, daß auf "Anrufen" dem Beklagten zuerst mit 14-, dann mit 8- und 3tägiger Fristsetzung aufgetragen wird, zu zahlen oder seine Einwendungen einzubringen.3.33 Geschieht dies nicht, so wird auf neuerliches Anrufen die Aufweisung (Behebnus) erteilt.3.34 Werden Einwendungen eingebracht, so geht der weitere Prozeß in den üblichen Formen des schriftlichen Verfahrens vonstatten (5. März 1590, 11. Juli 1598 usw.).
Seit ungefähr 1619 zeigt sich die Neigung, an Stelle des umständlichen Schriftenwechsels eine mündliche Verhandlung, Verhör genannt, abzuhalten, vor allem bei Streitigkeiten über Nebenfragen, sogenannten "Inzidenzstreitigkeiten"3.35), bald aber auch in der Hauptsache selbst.3.36 Daneben wird an Stelle der schriftlichen Klage wiederum die mündliche zugelassen. Diese Bestrebungen stießen allerdings auf Widerstand. Vor allem wehrten sich die Beklagten gegen die dadurch drohende Verfahrensabkürzung. Die Stellungnahme der Verordneten war schwankend.3.37 Am 17. März 1626 wird ein (anscheinend an diesem Tage gefaßter) Beschluß des Magistrates erwähnt, "die vilfeltigen bey diser stöll zuvor nicht gebreuchliche mündliche verhören abzustellen und in allen etwass wichtigen casibus ein procesl mit vier schrifften schließen zulassen". Der Gerichtsbrauch war aber trotzdem nicht einheitlich3.38 und setzte sich Ende der 30er Jahre des 17. Jahrhunderts die Einschaltung eines mündlichen Verhöres in das schriftliche Verfahren endgültig durch, wahrscheinlich in Anlehnung an den Gerichtsbrauch bei der Landeshauptmannschaft.3.39 Nach dem 14. Jänner 1639 sind weder im Mandatverfahren Behebnuserteilungen, noch im schriftlichen Verfahren Kontumazabschiede ohne mündliches Verhör nachweisbar.
Der nunmehrige Vorgang ist dadurch gekennzeichnet, daß der Beklagte in seinen Einwendungen ein Verhör verlangt (28. Jänner, 19. November 1632 usw.) oder der Kläger darum anruft (z.B. 6. März 1629). Im allgemeinen wird das erstemal für den Beklagten [Seite: S. 19] [=> Seite] das Verhör nicht peremptorisch angeordnet, so daß bei Nichterscheinen neuerliche Ladung erfolgen muß.3.40 Zur Fällung eines Kontumazerkenntnisses ist jedenfalls peremptorische Anberaumung erforderlich.3.41
Der Streitteil, dem Weisung aufgetragen wurde,3.42 hatte innerhalb der im Abschied vorgeschriebenen Frist (meistens 14 oder auch 8 Tage) mit seinem Weisungsanzug einzukommen.3.43 Urkunden sind dem Anzüge beizuschließen (Capler-Gottfrid, 1661, Fasz. 82/5). Beim Beweise durch Zeugen hatte der Anzug ihre genaue Benennung und die Weisartikel, über die sie zu vernehmen sind, zu enthalten. Die Artikel müssen dem Klagsinhalte genau entsprechen.3.44 Der Anzug wird dann — unter Beischluß der allfälligen Urkundenabschriften — dem Gegner zugestellt, der beim Zeugenbeweis seine Fragstücke einzubringen hat.4.45 Innerhalb dieser Fristen waren auch allfällige Exzeptionen gegen den Weisungsanzug einzubringen.3.46 Die Exzeption wird dem Weisungsführer zur Gegenäußerung geschickt (20. November 1609) und dann — allenfalls nach Durchführung eines weiteren Schriftenwechsels — darüber entschieden (9. Februar 1594, 11. Dezember 1609). Eine Fallfrist für die Abhaltung des Zeugenverhöres ist nicht nachweisbar.
Die Vorladung der Zeugen ergeht von Amts wegen (19. September 1588 usw.), doch hat für die Zustellung der Zeugenführer zu sorgen (20. Juni 1614). Nichterschienene werden peremptorisch geladen (29. Jänner 1644). Der Gegner ist von der Vernehmung zu verständigen (z.B. 5. Mai 1588). Bei auswärtigen Zeugen werden dem Beweisführer Kompaßschreiben an die zuständigen Gerichte mit dem Ersuchen um Vernehmung übergeben, denen Anzug und Fragstücke beizuschließen sind (RB. 9. November 1650).
Es ist zulässig, sich im Hauptweisungsanzuge einen Additionalanzug vorzubehalten, der vor Abführung des Beweisverfahrens über den Hauptanzug einzubringen ist und bei dem sich der Vorgang wiederholt (Prozeß Capler-Gottfrid, a.a.O.). Hat der Beweisführer mit seiner Weisung geschlossen,3.47 so hat der Gegner mit der Gegenweisung einzukommen.3.48 In dem Punkte, ob nach Weisungsschluß noch Beweise aufgenommen werden können, schwankt der Gerichtsbrauch.3.49
Auch dieses Verfahren erleidet Abänderungen. Die Weisungsfrist, innerhalb welcher der Anzug eingebracht und dem Gegner übersandt werden muß, erfährt eine Erweiterung auf 6 Wochen 3 Tage.3.50 Dafür findet keine weitere Fristgewährung, sondern auf Anrufen des Gegners Deserterkennung der Weisung oder Gegenweisung statt.3.51 Innerhalb einer gleich langen Frist muß die Weisung vollführt sein. Bei Zeugenvernehmungen genügt es, binnen der Frist die Vernehmung vom Gerichte zu begehren, welchem [Seite: S. 20] [=> Seite] Schritte zwei Aufträge an den Gegner, seine Fragstücke binnen 14 und dann 8 Tagen einzubringen, vorausgegangen sein müssen (6. März 1668, ebenso Ordnung Bl. 177). Die Entscheidung, ob die Weisung desert ist, oder über eingebrachte Exzeptionen ergeht in einem Verhöre.3.52 Die Vornahme des Zeugenverhöres, die Eröffnung der Weisung und Abschriftenerteilung erfolgt wie bisher (12. November 1588 usw.).
Die Beweismittel wiesen keine Änderung auf. Gelegentlich werden Präsumptionen erwähnt (Capler-Gottfrid, a.a.O., Schlußschrift Caplers, 1661 oder 1662). Beim Beweise durch Vernehmung des Gegners als Zeugen wird auch jetzt daran festgehalten, daß daneben kein anderes Beweismittel zulässig ist.3.53 Erscheint auf mehrfache Ladung der zur Eidesablegung Verpflichtete nicht oder verweigert er die Ablegung, so gilt er als geständig.3.54 Die Annäherung dieses Beweismittels an den gemeinrechtlichen zugeschobenen Eid äußert sich darin, daß ein Zurückschieben des Eides zulässig ist.3.55 Gegenüber diesem Beweissystem bleibt ursprünglich kein Raum für einen vom Richter auferlegten notwendigen Eid. Der erste dahinzielende Antrag wird abgewiesen.3.56 Die Verordneten ließen aber jedenfalls zu Ende der Periode das iuramentum suppletorium zu (Guetsold-Stocker, 9. September 1680, Fasz. 82/7, vgl. Anm. 57).
Der Beweis durch Raitung ist weiterhin üblich (z.B. 25. Juli 1588, 9. Mai 1620). Er erfolgt vor Gerichtskommissären, die Parteien haben sich über die einzelnen Posten zu äußern und entscheidet über die strittig gebliebenen das Gericht (Abschied vom 23. März 1600, Künstl-Wirt, Fasz. 82/1).
Inwieweit die gemeinrechtlichen Beweisregeln galten, ist nicht recht ersichtlich, da sich Akten und Protokolle meistens mit der Wendung begnügen, daß genugsam oder nicht genugsam erwiesen worden sei (13. November, 11. Dezember 1612 usw.). Anzunehmen ist, daß gegen Ende der Periode — allenfalls mit Ausnahme der Unzulässigkeit des iuramentum suppletorium — die gemeinrechtliche Beweislehre volle Gültigkeit hatte.3.57
Nach Abführung des Beweisverfahrens, Eröffnung der Weisung und Abschriftenerteilung hat jede Partei eine Schlußschrift innerhalb 14 Tagen einzubringen.3.58 Bei beharrlicher Nichteinbringung erfolgte endlich der Abschied über das Eingekommene.3.59 Zur Eröffnung müssen beide Teile geladen werden.3.60 Vereinzelt ist in der ersten Hälfte dieser Periode noch die Androhung und Verhängung von Geldstrafen zur Erzwingung einzelner Prozeßschritte nachweisbar (z.B. 27. Oktober 1592, 4. August 1620).
Die ordentlichen Rechtsmittel sind wie bisher die Appellation3.61 und die Beschwerde. Appellationen sind vor allem [Seite: S. 21] [=> Seite] zulässig gegen Endabschiede und Beweisbeschlüsse. Die Abgrenzung gegenüber der Beschwerde ist nicht vollkommen fest.3.62 Im allgemeinen ist gegen Bescheide nur Beschwerde möglich. Sie ist daher das Rechtsmittel des Beklagten bei liquiden Schuldbriefen,3.63 beider Parteien bei richterlichen Verfügungen im Laufe des Prozesses3.64 und der Zwangsvollstreckung.3.65 Sie kann jedenfalls gegen alle gerichtlichen Verfügungen ergriffen werden, die inappellabel sind.
Im Appellationsverfahren hat die Anmeldung entweder sofort mündlich nach Abschiedseröffnung (z.B. 14. Februar 1618) oder schriftlich innerhalb 10 Tagen3.66 zu erfolgen. Ein besonderes Verfahren über die Zulassung läßt sich vorerst nicht nachweisen. Späterhin erfolgt die Entscheidung über die Zulassung bei mündlicher Anmeldung sofort (27. August 1618 usw.). Die schriftliche Anmeldung wird dem Gegner zur Äußerung übersandt (4. August 1619 usw.). Will er sie nicht zulassen, so hat er eine Exzeptionsschrift einzubringen (z.B. 4. August 1636). Im Falle einer Exzeption erfolgt ursprünglich ein Schriftenwechsel,3.67 in späterer Zeit hat der Appellationswerber um ein Entscheidungsverhör über die Zulässigkeit einzukommen.3.68 Die Entscheidung im Verhöre ist anscheinend endgültig.3.69
Die Aufrichtung der Appellation besteht in der nach Ladung beider Parteien erfolgenden Zusammenrichtung der Akten und der Aushändigung des Apostelbriefes für die Verordneten.3.70 Erscheint der Appellationswerber zur Aufrichtung nicht, so ist die Appellation desert (z.B. 22. August 1614). Kommt der Gegner nicht, so wird ursprünglich sofort in seiner Abwesenheit aufgerichtet (22. September 1588). Späterhin ergehen mehrmalige Ladungen und kommt es anscheinend erst beim dritten Nichterscheinen zu einer Aufrichtung ex offo (z.B. 29. August 1614, 26. Mai 1623). Die Aufrichtung hat — mindestens später — nach Stadtgebrauch innerhalb von 6 Wochen 3 Tagen nach der Anmeldung zu erfolgen.3.71 Wurde in erster Instanz schriftlich verfahren, so ist die Aufrichtung sehr einfach. Es werden die von den Parteien eingebrachten Schriften samt den übrigen Prozeßakten (Zeugenvernehmungen, Urkunden, Abschied) zusammengestellt und samt dem Apostelbrief dem Appellanten übergeben.3.72 Neuerungen, so der Beischluß von Urkunden, die nicht in erster Instanz verwendet worden waren, sind unzulässig.3.73 Diese Vereinfachung der Appellationsaufrichtung war wohl der Hauptgrund für das Stadtgericht, in verwickelten Fällen, bei denen man mit Appellation rechnen mußte, schriftliche "Verfahrung" aufzutragen.
Wurde bei rein mündlichem Verfahren appelliert (ein allerdings seltener Fall, der nur eintrat, wenn ohne Beweisverfahren auf Klage und Antwort ein Enderkenntnis gefällt oder gegen den Beweisabschied ein Rechtsmittel ergriffen wurde), so wurde ursprünglich nur der Abschied mit einem Apostelbrief vorgelegt.3.74 Seit ungefähr [Seite: S. 22] [=> Seite] 1600 konnten die Parteien nach erfolgter Appellationsanmeldung ihren Standpunkt in Schriften niederlegen.3.75 Die Zahl der von jeder Partei einzubringenden Schriften richtet sich nach jener der "Reden", die sie in erster Instanz gehabt hatten, eine Überschreitung ist unzulässig.3.76 Zuerst brachte der Appellant seine erste Appellationsschrift ein, die dem Gegner mit dem Auftrage, seine Schrift binnen 14 Tagen einzureichen, übermittelt wurde.3.77 Der Vorgang wiederholt sich bei den weiteren Schriften. Sind endlich sämtliche eingebracht oder einzelne aberkannt, so findet auf Anrufen des Appellanten die Aufrichtung in der üblichen Weise statt.3.78
Die Frist von 6 Wochen 3 Tagen zwischen Anmeldung und Aufrichtung wurde beim Verfahren mittels Schriftenwechsels nur in den seltensten Fällen eingehalten.3.79 Anscheinend galt für jede Schrift einschließlich der Übersendung an den Gegner (zumindest in späterer Zeit) eine eigene Fallfrist von 6 Wochen 3 Tagen.3.80 Das Neuerungsverbot gab eine bequeme Handhabe, das Verfahren zu verlängern. Man entdeckte im gegnerischen Schriftsatze Neuerungen und verlangte mittels schriftlicher Exzeption deren Abänderung, worüber entschieden werden mußte.3.81 Dadurch erreichte man auf jeden Fall eine bedeutende Verlängerung der Einbringungsfrist für den eigenen Schriftsatz und schob die Appellationsaufrichtung hinaus. Dies erklärt den langen Zeitraum, der meistens zwischen Abschied und Aufrichtung lag.3.82 Als in erster Instanz auch bei schriftlichem Verfahren die Einschiebung eines Verhöres üblich wird, kommen in einfachen Fällen Appellationen ohne Appellationsschriften, aber mit Beischluß von Protokollauszügen über das Parteivorbringen vor (Järitz-Großegger, 1649, Fasz. 82/5).
Nach Aufrichtung wird der Apostelbrief samt Akten dem Appellanten zur Vorlage an die Verordneten übergeben, was als Hebung der Dingnus bezeichnet wird (vgl. Anm. 61). Der Apostelbrief wurde auf eine Fallfrist von 14 Tagen ausgestellt, binnen welcher der Appellationswerber die Erledigung oder einen Schub der Verordneten beizubringen hatte.3.83 Der (schriftliche) Schub lautete dahin, daß die Verordneten wegen ihrer Amtsgeschäfte die Sache nicht entscheiden konnten, und enthielt eine Fristverlängerung auf 8 Wochen von der Ausstellung an (Fasz. 82/1 ff.). Vor Ablauf dieser Frist mußte Appellant gegebenenfalls einen neuen Schub erwirken.3.84 Bei nicht fristgemäßer Beibringung der Entscheidung oder des Schubes an das Stadtgericht erfolgt auf Verlangen des Gegners die Deserterkennung der Appellation.3.85
Die Appellationserledigung durch die Verordneten erfolgte ursprünglich ohne mündliche Verhandlung.3.86 Der Appellant hatte dann den ganzen Akt dem Stadtgerichte zu übergeben. Dieses ordnete eine Tagsatzung an, bei der die Eröffnung auch in Abwesenheit des Gegners erfolgte (6. Februar 1618 usw.). Der weitere Rechtszug ging an die nö. (seit 1620 i. ö.) Regierung nach [Seite: S. 23] [=> Seite] Graz.3.87 Vorgang und Fristen bei der Anmeldung und Aufrichtung decken sich mit der Appellation an die Verordneten, wenn vor dem Stadtgerichte schriftlich prozessiert worden war.3.88 Der Apostelbrief wurde auf 6 Wochen ausgestellt und lauten die Schübe auf 16 Wochen (Fasz. 128/1).
Eine eigentümliche Erscheinung in der ersten Hälfte dieses Zeitraumes ist der Versuch, durch sogenannte "Rührschriften" der Appellationsinstanz den eigenen Standpunkt vor Augen zu führen. Dies war vor allem bei Appellationen in schriftlichen Prozessen zweckmäßig, da hier die Parteien keine Gelegenheit hatten, zum Abschiede und seiner Begründung Stellung zu nehmen. Diese auch "Supplicieren" betitelten Schriftstücke beginnen mit der Bitte um alsbaldige Erledigung der eingebrachten Appellation und knüpfen daran eine ausführliche Darstellung des beiderseitigen Standpunktes.3.89
Gegen das Überhandnehmen des Schriftwesens und die dadurch bewirkte Verlängerung des Appellationsverfahrens machte sich in Kärnten eine Gegenströmung bemerkbar. RO. art. 59 sieht vor, daß in Zukunft bei den Gerichts- und Grundherrschaften am Lande der Appellant anstatt schriftlicher Appellationsaufrichtung innerhalb 6 Wochen nach Eröffnung des Abschiedes seine Beschwerde einbringen und um mündliches Verhör bei der Landeshauptmannschaft anrufen müsse. Wurde auch der Entwurf nie Gesetz, so setzte sich diese Bestimmung doch durch.3.90 Das erste Verhör in einer Appellationssache gegen einen Stadtgerichtsabschied ist am 13. April 1638 aus den Registraturbüchern nachweisbar.3.91 Dann folgen diese Verhöre "loco scriptae appellationis" rasch aufeinander in allen Arten von Rechtsstreitigkeiten. Besonders häufig werden sie seit den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts.3.92 Daneben besteht aber die schriftliche Verfahrensart bei Appellationen in größeren Prozessen fort (z.B. Capler-Gottfrid, 1662, Fasz. 82/5). Vielleicht damit im Zusammenhange steht eine Aufforderung der i. ö. Regierung (10. Dezember 1628, Fasz. 128/1), in Zukunft Appellationen an die dritte Instanz durch die Verordneten vorlegen zu lassen. Dieses Verlangen wurde zwar fallen gelassen, als der Magistrat am 13. Jänner 1629 nachwies, daß ein derartiger Vorgang nie gebräuchlich war. Nach Einbürgerung der Appellationsverhöre erfolgt jedoch die Aufrichtung der Appellation an die dritte Instanz ständig bei den Verordneten.3.93
Das Verfahren bei der Beschwerde ist naturgemäß stets ein schriftliches geblieben. Eine Fallfrist läßt sich nicht nachweisen. Die Verordneten fordern Bericht vom Stadtgericht ab.3.94 und erfolgt nach dessen Einbringung die Entscheidung. Aufschiebende Wirkung hatte die Beschwerde nicht, sondern mußte man von den Verordneten einen Einstellungsbefehl erwirken.3.95 Der weitere Rechtszug ging ebenfalls an die Regierung (z.B. 10. Mai 1595). [Seite: S. 24] [=> Seite]
Revisionen sind nur durch eine kurze Bemerkung bezeugt (13. Juni 1634), die eine "revisio actorum" nach einem bis in die dritte Instanz durchgeführten Prozesse erwähnt, ohne nähere Anhaltspunkte für das Verfahren zu geben. Andere Quellen gewähren ein deutliches Bild vom Wesen dieses Rechtsmittels, das in einer nochmaligen außerordentlichen Überprüfung des Prozeßstoffes besteht.3.96
Sehr häufig wird dagegen die Restitution erwähnt, die ebenfalls im General von 1623 (Anm. 96) gesetzliche Regelung fand. Zu Beginn der Periode erteilen die Verordneten Restitutionen für Verfahrenshandlungen im Stadtgerichte.3.97 Nach Erlassung des Generals sind keine Restitutionen durch die Verordneten vorgekommen. Das Anwendungsgebiet der "restitutio in integrum" wird im General (Punkt 6) dahin abgegrenzt, daß Restitution wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes, Arglist, Furcht, Betruges, Ungeschicklichkeit oder Fahrlässigkeit des Prokurators oder Gerhaben nicht erteilt werden soll, da hier "ordinaria remedia" ausreichten, außer wenn der Restitutionswerber nachweise, daß sie in diesem Falle nicht genügen.3.98 Auf prozessualem Gebiete sind also Restitutionen unbeschränkt zulässig und geht dies auch aus den Akten hervor.3.99
Die Frist zur Einbringung beträgt in Prozessen nach dem General (P. 1) 6 Monate von der Entscheidung an, gegen die man restituiert werden will. Was das Verfahren anlangt, so wird das Gesuch unmittelbar bei Hof eingebracht,3.100 neu aufgefundene Urkunden sind beizuschließen und ist nachzuweisen, daß sie erst jetzt aufgefunden wurden (General P. 5). Es ergeht dann vom Hofe (i. ö. geheime Stelle) ein Befehl zur Erstattung eines Berichtes samt Gutachten an die Regierung, von dieser an die Verordneten und weiter an das Stadtgericht.3.101 Der Restitutionswerber hat darauf zu achten, daß der Bericht des Gegners samt dem Gutachten der unteren Instanzen innerhalb 3 Monaten erstattet wird (General P. 1). Das Stadtgericht hat den Gegner vor Einbringung des Gutachtens einzuvernehmen.3.102 Wird keine Äußerung eingebracht, so erstattet der Magistrat sein Gutachten ex offo (8. März 1633). Es folgen die Gutachten der Verordneten und der Regierung, worauf die Entscheidung vom Hofe (der geheimen Stelle) gefällt wird.3.103 Ausschlaggebend ist, wie aus den Grazer Akten hervorgeht, das Regierungsgutachten und beschränkt sich die Tätigkeit der geheimen Stelle meistens auf ein reines "placet". Auch dieses außerordentliche Rechtsmittel wurde von säumigen Schuldnern gern zur Verzögerung des Verfahrens benützt, wobei besonders die Aussicht auf Exekutionsaufschub gelockt haben dürfte.3.104
Das Verfahren bei Schuldbriefen hat sich nicht geändert. [Seite: S. 25] [=> Seite] Es ist das Hauptgebiet der mündlichen Klage.3.105 Aufrechnung ist im allgemeinen unzulässig.3.106 Bei Erhebung von Einwendungen kommt es allenfalls auch zu einem Schriftenwechsel (z.B. 24. Juli 1612 13. Februar 1618), wohl aber nur, wenn die Klage im Mandatverfahren erfolgte. Späterhin wird auch über schriftliche Einwendungen in einem Verhör entschieden (17. April 1668).
Auch bei Klagen von Fremden überwiegt das mündliche Verfahren. Schon die erste Ladung ergeht peremptorisch (17. Juli 1609, 4. Juni 1635). Es erfolgt nur ein Leistungsgeschäft auf 3 Tage (24 August 1591 usw.) und dann sofort die Behebnuserteilung.3.107 Auch die Frist zur Aufweisung (8 Tage, 13. März 1607) und zur Ablösung (3 Tage, 19. August 1614) ist verkürzt. In Wechselklagen, die übrigens sehr selten vorkommen, gilt kein besonderes Verfahren (5. Jänner 1591).
Die Bemessung der Kosten (Expenstaxierung) erfolgt wie bisher in einem abgesonderten Verfahren, wobei auch der Schaden unter die Kosten gerechnet wird. Der siegende Teil hat seine Expens (Schadenzedl) nach endgültiger Beendigung des Hauptprozesses, somit nach Befriedigung der Hauptsache oder nach Einantwortung, bei Klagsabweisung nach deren Rechtskraft einzubringen.3.108 Die Expens wird dem Gegner zur Einbringung von Einwendungen übersandt. Es finden sich die üblichen Fristen von 14, 8, 3 Tagen, später peremptorische und superperemptorische Aufträge (22. Juni 1593 usw.). Neben Einreden gegen die Höhe begegnen auch Exzeptionen gegen die Verpflichtung zum Kostenersatze überhaupt.3.109 Die Entscheidung erfolgt ursprünglich durch Abschied (Taxierung, Taxierungserkenntnis), ohne mündliches Verfahren (17. Juni 1597 usw.). Appellation in den Formen des schriftlichen Verfahrens ist zulässig.3.110 Auf die Taxierung folgen die üblichen drei Zahlungsgeschäfte, später sind auch peremptorische und superperemptorische Geschäfte nachweisbar (z.B. 15. Mai 1619) und begegnen an Stelle der Geschäfte die Warnungen auf 14 und 8 Tage (8. August 1675).
Auf den Abschied oder das gerichtliche Geständnis im mündlichen Verfahren erfolgen — mit Ausnahme des Mandatverfahrens, bei dem nach dem dritten Geschäfte ohne weiteres die Behebnus erteilt wird (Anm. 34) — zu Beginn der Periode die drei üblichen "unconditionierten" (Domenig-Perner, 1620, Fasz. 126/4) Leistungsgeschäfte auf 14, 8 und 3 Tage.3.111 Ein weiteres Geschäft "zum Überfluss" kommt vereinzelt vor (z.B. 21. August 1590). Um 1612 wird dies aber zur Regel.3.112 In vielen Fällen ergehen noch superperemptorische Geschäfte.3.113 Für sie bürgert sich der Name peremptorische und superperemptorische Verordnung ein (21. April 1617, 2. Juli 1619 usw.). [Seite: S. 26] [=> Seite]
Erstmals am 9. Februar 1635 taucht hiefür die Bezeichnung Warnung auf.3.114 Inwieweit Zusammenhänge mit der gleichzeitigen Einfügung des Verhöres in das schriftliche Verfahren bestehen, läßt sich nicht feststellen. Die Leistungsfrist in den Warnungen beträgt erstmals 14, dann 8 Tage.3.115 Zumeist wird schon nach zwei Warnungen die Behebnus (§ 8) erteilt (29. März 1639 usw.). Der Aufweisung vom 20. März 1668 gehen aber nachweisbar drei Warnungen auf 14, 8 und 3 Tage voraus. Die drei Geschäfte, die der peremptorischen und superperemptorischen Verordnung vorausgingen, verschwinden und erfolgen gleich die Warnungen.3.116 Damit hat sich das Zwischenverfahren jenem bei der Landeshauptmannschaft angeglichen, bei der dem Abschiede die Warnungen auf 14 und 8 Tage und die Aufweisung folgen (Ordnung Bl. 177 f.).
Zu Beginn dieses Zeitabschnittes kommen neben der Zwangsvollstreckung in das Vermögen auch noch die anderen Exekutionsarten häufig vor, so Androhung und Verhängung einer Geldstrafe (Peen),3.117 später jedoch nur mehr in Ausnahmsfällen, so z.B. gegen Vormünder (17. März 1600, 15. Mai 1643) und nur als vorläufiges Zwangsmittel, bei dessen erfolgloser Anwendung Aufweisung bewilligt wird. Die Geldstrafe behauptet sich jedoch in Fällen, bei denen Vermögensexekution nicht zum Ziele führen würde (gegenüber Ausländern 21. Februar 1592, Räumung einer Wohnung 30. Juni 1606, eines Ackers 9. Juni 1595).
Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen beginnt mit der Erteilung der Aufweisung.3.118 Daneben findet sich "Fronbote erteilt", öfters mit dem Zusatz "zur Aufweisung" (17. Juli 1590 usw.) und bald — wohl im Anschlüsse an den Sprachgebrauch des Stadtrechtes — "Behebnus" mit oder ohne den Beisatz "zur Aufweisung". Diese Bezeichnung wird unterschiedslos neben den älteren Ausdrücken verwendet.3.119
Behebnus konnte ursprünglich nur im versammelten Rate bewilligt werden, doch wurde mit Beschluß vom 17. März 1608 der Stadtrichter ermächtigt, für jene Geldforderungen, die vor ihm geklagt worden waren, mit Zuziehung von 2 oder 3 Ratsmitgliedern die Behebnus zu erteilen.3.120 Bevor die warnungsweisen Geschäfte gebräuchlich waren, wird auf das Begehren um Aufweisung öfters dem Verpflichteten noch eine kurze Frist zur Erfüllung gewährt (13. Februar 1588 usw.). Der Fronbote schreitet bei der Aufweisung ein und meldet schriftlich oder mündlich dem Stadtgerichte, auf welche Gegenstände der betreibende Gläubiger gewiesen hat.3.121 Für den Bericht ist die Bezeichnung "Relation" üblich (9. Juli 1595 usw.). Er wird von Amts wegen dem Verpflichteten entweder zur Nachricht (4. September 1618) oder schon mit der Aufforderung zugeschickt, innerhalb stadtgebräuchlicher Zeit (14 Tage) die [Seite: S. 27] [=> Seite] aufgewiesenen Stücke abzulösen.3.122 Später gilt allgemein eine längere Ablösungsfrist von 6 Wochen 3 Tagen.3.123 Wird nicht abgelöst, so erfolgt auf Antrag des Betreibenden die Schätzung der aufgewiesenen Stücke durch vom Gericht bestimmte Schätzleute.3.124 Sie wird dem Stadtgerichte übermittelt und werden vereinzelt schon jetzt die Parteien von ihrem Ergebnisse verständigt (3. April 1599). Im allgemeinen erfolgt jedoch die Zusendung der Schätzung an den Schuldner erst gleichzeitig mit dem Anbot, der gerichtlichen Aufforderung, die geschätzten Stücke gegen Zahlung der Hauptsache und Kosten binnen 14 Tagen abzulösen, widrigenfalls die Einantwortung erfolge.3.125 Der nächste Schritt ist das Begehren um Einantwortung (27. Oktober 1592 usw.) oder Ansatz (22. Dezember 1593 usw.). Diese Bezeichnungen werden unterschiedslos verwendet (24. September 1612, Ansatz- oder Einantwortungsbrief). Gegen Ende des 16. Jahrhunderts taucht für den Einantwortungsbeschluß die dem Stadtrechte entlehnte Bezeichnung Stadtscherm(b) auf.3.126 Bis zur Einantwortung konnte der Schuldner die Pfandstücke einlösen (7. Jänner 1620) und blieben sie in seinem Besitze, wobei ihm allerdings jede Verfügung bei Strafe untersagt war (15. September 1593).
Abweichungen ergeben sich bei der Aufweisung auf Geldsummen oder Forderungen, da hier die Schätzung und das Anbot in Wegfall kommen (8. Dezember 1612, 14. November 1617). Bei Spolienklagen (Klagen wegen Besitzentziehung) bestand die Vollstreckung in der Einantwortung des Streitgegenstandes (9. April 1647, 17. August 1649). Bei Faustpfändern entfällt die Aufweisung und erfolgen Schätzung, Anbot und Einantwortung anscheinend sogar ohne Durchführung eines Prozeßverfahrens.3.127
Der Verpflichtete konnte vor der Einantwortung seine allfälligen Einwendungen (Exzeption, Protestation, später auch Widersetzlichkeit) einbringen (15. Oktober 1599 usw.). Daran knüpft sich ein schriftliches Verfahren mit den üblichen Fristen (z.B. 15. Oktober 1599), später werden derartige Einwendungen in Verhören entschieden.3.128 Dritte Personen konnten nach vorangehendem gütlichem Ersuchen (9. Oktober 1635) entweder, wenn sie ein besseres Recht zu haben glaubten, auf die Priorität, sonst auf das Übermaß (den über die Forderung des Betreibenden samt Anhang hinausgehenden Wert der Pfandstücke) einreden. Ursprünglich war die Einrede in die Priorität noch nach der Einantwortung zulässig,3.129 späterhin mußte sie vorher erfolgen.3.130 Die Einrede wurde dem betreibenden Gläubiger zur Äußerung übersandt und fand darüber ein Schriftenwechsel (2 oder 3 Schriften) statt (23. Oktober 1599 usw.). Später erfolgte die Entscheidung durch Verhör (vgl. Anm. 35). Die Nachrichten darüber, welche Ansprüche Priorität hatten, sind dürftig.3.131 [Seite: S. 28] [=> Seite]
Die Einantwortung schafft ursprünglich einen endgültigen Rechtszustand nur zwischen dem Betreibenden und dem Verpflichteten. Sie gibt dem Gläubiger den Besitz und die volle Verfügungsgewalt über die Pfandstücke (Text der ältesten Ansatzbriefe vom 5. Juni und 7. Oktober 1598). Doch geht die Einantwortung nur so weit, als Hauptsache, Zinsen, Kosten und Schaden ausmachen.3.132 Sie schützt nicht gegen Ansprüche von Gläubigern, die ein besseres Recht zu den Gütern haben. Diese können innerhalb Jahr und Tag ihre Ansprüche durch Einrede, nachher durch Klage geltend machen (siehe Anm. 129 und Lg. art. 10, 69). Der betreibende Gläubiger wird also bei Grundeigentum erst durch den Ablauf der Verjährungsfrist von 30 Jahren und 1 Tag völlig geschützt.3.133
Diesem unsicheren Zustande wurde bald abgeholfen. Als für die Einantwortung im Stadtgerichte die Bezeichnung Stadtscherm üblich wurde (Anm. 126), begann man ihr auch die Wirkung des stadtrechtlichen Stadtschermes, der jegliche Ansprüche dritter Personen ausschließt, beizulegen. Wann sich diese Auffassung durchgesetzt hat, ist nicht genau ersichtlich, da die Protokolle nur sehr selten vollständige Texte der erteilten Einantwortungen enthalten.3.134 Daß diese Wirkung dem im Stadtgerichte erteilten Stadtscherme zugeschrieben wurde, beweisen die folgenden Reformversuche, die andernfalls nicht verständlich wären. Der stadtgerichtliche Stadtscherm war für Dritte in Wirklichkeit nicht allzu gefährlich, weil wohl jedermann von größeren Prozessen und Exekutionen gegen seine Mitbürger Kenntnis hatte und rechtzeitig in die Priorität einreden konnte.
Immerhin setzten bald Gegenmaßnahmen ein. Man erwog, das Vollstreckungsverfahren nach der Behebnus in das Stadtrecht zu verlegen (23. März 1615, Stadtrechtsprotokoll A 31). Durch Beschluß der Verordneten vom 29. Juli 1619 wurde tatsächlich den betreibenden Gläubigern aufgetragen, die Relation über die Aufweisung und die weiteren Exekutionsschritte im Stadtrechte durchzuführen.3.135 Langen Bestand hatte diese Einrichtung nicht. Die Regierung wies anläßlich einer Beschwerde den Magistrat an, dem Betreibenden die Güter ohne die Verpflichtung, im Stadtrechte Pfand vorzutragen, einzuantworten (28. Juli 1623, Mikhez-Perner, Fasz. 126/4). Von dieser Entscheidung an wird niemals mehr nach durchgeführtem Prozesse im Stadtgerichte im Stadtrechte Pfand vorgetragen, die Einantwortungen werden vielmehr (später zweifellos mit endgültiger Wirkung gegen Dritte) im Stadtgerichte erteilt.3.136
Ungefähr zur gleichen Zeit vollzieht sich eine durchgreifende Änderung in der Reihenfolge der Exekutionsschritte. Ebenso wie im Stadtrechte sind, beginnend um 1620, im Stadtgerichte beim Vorhandensein mehrerer Gläubiger Kommissionen zur Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Gläubigern untereinander und mit dem Schuldner nachweisbar (12. April 4. August [Seite: S. 29] [=> Seite] 1622) Das Verfahren scheint sich bewährt zu haben und lag der Gedanke nahe, mit dieser Auseinandersetzung die Schätzung der aufgewiesenen Güter, die bisher vor der Einantwortung geschah, zu verbinden. Seit 1629 kommt die gesonderte Schätzung in Wegfall und findet sich bei allen Exekutionen nach der Einantwortung eine Rait- Schätz- und Abtailcommission.3.137 Das Schema Relation — Aufforderung zur Ablösung — Schätzung — Anbot — Einantwortung ändert sich in Relation — Aufforderung zur Ablösung — Einantwortung — Schätzung und Abteilung. Für die Kommission hat zuerst der Betreibende, dann der Verpflichtete eine gleiche Anzahl von Mitgliedern (2 oder 3) zu benennen, der Magistrat bestellt dann den Obmann.3.138 Die Aufgabe der Kommission war die Feststellung der Gläubigerforderungen und ihrer Reihenfolge, die Schätzung der gepfändeten Gegenstände und ihre Aufteilung (bei teilbaren in Natur, bei unteilbaren zu ideellen Teilen) nach der ziffermäßigen Forderungshöhe auf die einzelnen Gläubiger. Sie hat ihre Entscheidung dem Magistrat zur Genehmigung vorzulegen.3.139
Der Arrest (Verbot) kann beim Zusammentreffen dreier Bedingungen begehrt werden: Liquidität des Anspruches,3.140, Zahlungsunfähigkeit des Gegners3.141 und daß die Einbringlichkeit der Forderung andernfalls — besonders durch erschwerte Prozeßführung — gefährdet wäre (9. Dezember 1597, 15. November 1661). In den erhaltenen Fällen werden die Erfordernisse meistens nur einzeln angeführt. Besonders gegenüber Fremden scheint die Bedingung der Zahlungsunfähigkeit nicht strenge verlangt worden zu sein.3.142 Der Arrest wird nicht nur bei Geldforderungen, sondern auch bei dinglichen Ansprüchen an Fahrnissen (10. Dezember 1601) und Liegenschaften (Sämitzs Erben-Strußniggs Gerhaben, 1606, Fasz. 126/4) angewendet.
Der Antragsteller erklärt unter Angabe des Arrestgrundes, auf bestimmte, namhaft zu machende Güter einen Arrest zu schlagen.3.143 Der Bewilligung muß anscheinend auf jeden Fall die Justifizierung folgen. Sie geschieht ursprünglich in der Weise, daß der Antragsteller binnen drei Tagen seine schriftlichen Belege über die Arrestvoraussetzungen einbringt, widrigenfalls der Arrest auf Verlangen des Gegners "relaxiert" wird.3.144 Die Arrestationsschrift samt Belegen wird dem Gegner zur Einbringung seiner Einwendungen übersandt.3.145 Dann ergeht auf Arrestationsschrift und Ablehnung oder "in contumaciam" das Erkenntnis.3.146 Nach rechtzeitiger Einbringung der Justifizierung liefen für den Antragsteller keine weiteren Notfristen. Nach 1600 ist die Justifizierung im mündlichen Verhöre möglich.3.147 Der Antragsteller muß darauf dringen, daß die Justifizierungstagsatzung bei sonstiger Relaxierung [Seite: S. 30] [=> Seite] innerhalb 6 Wochen 3 Tagen stattfindet.3.148 Das mündliche Verfahren verdrängt schließlich das schriftliche vollkommen.
Neben dem Realarrest (auf Geld, Waren, Forderungen) kommt gegenüber Fremden und Nichtbürgern auch Personalarrest in der gemilderten Form zur Anwendung, daß ihnen bei Pön das Verlassen der Stadt untersagt wird (30. Juni 1592, 26. Juni 1613). Die Wirkung des Arrestes ist ein Verfügungsverbot (z.B. Sämitzs Erben-Strußniggs Gerhaben, a.a.O.), aber anscheinend kein Pfandrecht.3.149 Ursprünglich ist die endgültige Entscheidung im Arrestprozesse gleichzeitig Erkenntnis in der Hauptsache.3.150 Anschließend ergehen die "unconditionierten" Zahlungsgeschäfte auf 14, 8 und 3 Tage sowie die Behebnus und kann Einantwortung verlangt werden (Domenig-Perner, a.a.O., 9. März 1618). Daneben zeigt sich später eine Trennung von Arrest- und Hauptprozeß, indem die Entscheidung im Arrestverfahren nur bis zur Austragung der Hauptsache Wirksamkeit hat, und ist dies zu Ende der Periode die Regel.3.151 Die verwendeten Fachausdrücke sind lange noch deutsch, so wird "Verbot" erst um 1600 durch "Arrest" verdrängt. Der Ausdruck "Relaxierung" begegnet erstmals am 24. Oktober 1595, während die übliche Bezeichnung "Arrest hat nicht statt" sich noch spät findet (15. November 1661). Neben Justifizieren wird "Ausfindigmachen" gebraucht, und zwar in der Zusammenstellung "justifizieren oder ausfindig machen" (24. Oktober 1595).
Die Ansätze zu einer Art Vorkonkurs werden weiterentwickelt.3.152 Vollkommen ausgebildet ist das Verfahren im Falle Siegfried Schickh. Es wird wegen Überschuldung — anscheinend von Amts wegen — auf 5. September 1617 ein Handelstag ausgeschrieben, an dem die Gläubiger mit ihren Anmeldungen und Liquidierungen gehört und diese dann dem Schuldner zur Erstattung von Einreden übersandt werden, worauf wieder die Gläubiger mit ihren "Ablainungen" verfahren und schließlich am 16. August 1619 das "Prioritätserkenntnis" wie im Konkursverfahren erfolgt, gegen das Appellation zulässig ist.3.153 Auch ein außergerichtlicher Ausgleich wird erwähnt, bei dem der Schuldner mit seinen Gläubigern akkordiert (18. Mai 1618). Eine bedeutende Rolle spielen vom Landesfürsten bewilligte Moratorien, die mehrfach sowohl vor als nach Konkurseröffnung erwähnt werden (z.B. 9 Juli 1596 14. Juni 1598).
Die Eröffnung des Konkurses (Ediktausschreibung) erfolgt wie früher von Amts wegen oder auf Verlangen der Gläubiger.3.154 Anläßlich der Wiederbelebung des Stadtrechtsverfahrens versuchte man, die Konkurse in dieses Verfahren, wohl wegen dessen Öffentlichkeit, zu verlegen. Ein Beschluß läßt sich nicht nachweisen, doch findet in den nächsten Jahren nicht nur das Verfahren bei neuen [Seite: S. 31] [=> Seite] Konkursen dort statt, sondern werden auch bereits früher im Stadtgerichte eröffnete Edikte im Stadtrechte zu Ende geführt.3.155 Bald begegnen aber wieder einzelne Verfahrensschritte in den Stadtgerichtsprotokollen3.156 und lassen sich nach dem Jahre 1598 (mit Ausnahme der Ausrufung von Liegenschaften im Canto, IV, § 6) keine Ediktshandlungen im Stadtrechte nachweisen. Eröffnungsgrund ist Überschuldung und das Vorhandensein mehrerer Gläubiger.3.157
Die Ausschreibung des Ediktes, nach dem das ganze Verfahren seinen Namen führt und in der ein Cridatag (Ediktstag) bestimmt wird, erfolgt wie bisher (Str. V. 166 f., 24. April 1591 usw.), ebenso die Bestellung der Versprecher bei herrenlosen Verlassenschaften.3.158 Die Aufgabe der Versprecher ist einerseits die Verwaltung der ihnen überantworteten (15. Jänner 1596 usw.) Güter des Gemeinschuldners, anderseits die Vertretung der Konkursmasse nach außen. Sie vereinigen den Wirkungskreis des gemeinrechtlichen "curator bonorum" und "curator litis". Sie treiben die Schulden ein, verwahren die Fahrnisse, verwalten und verpachten die Liegenschaften.3.159 Sie haben auf die Anmeldungen und Probationen der Gläubiger die Einreden zu erstatten und die schließliche Notdurft einzubringen, wozu ihnen die geschäftlichen Aufzeichnungen des Schuldners zur Verfügung gestellt werden (10. November 1590 usw.). Die Zahl der Versprecher beträgt 2 oder 3 (3. Jänner 1589 usw.). Sie werden vereidet und hiebei ihr Pflichtenkreis mit dem Ausdruck zusammengefaßt, "den Erben und Gläubigern zu dienen, Recht zu nehmen und zu geben" (3. Jänner 1589). Für ihre Tätigkeit werden sie entlohnt (z.B. Edikt Schadenpökh, a.a.O.). Späterhin begegnet nur mehr ein Versprecher, der meistens als curator bezeichnet wird (17. Februar 1645 usw.).
Der nächste Schritt im Verfahren ist die mündliche oder schriftliche Anmeldung der Gläubigerforderungen am Ediktstage. Das vom Stadtschreiber zusammengestellte Anmeldungslibell wird den Versprechern oder, falls keine bestellt sind, dem Schuldner zur Erhebung von Einreden übersandt.3.160 Nach einzelnen Nachrichten sind der Anmeldung die Belege (Probationen) beizuschließen.3.161 In den meisten Fällen ist jedoch ein eigener Probationstag nachweisbar (14. März 1588 usw.). Auf die Anmeldungen haben die Versprecher (der Gemeinschuldner oder seine Erben) Einreden zu erstatten.3.162 Die Bezeichnung Probationstag wurde für zwei Einrichtungen verwendet, für den Termin, bis zu dem die Probationen zu erfolgen hatten, wenn die Belege nicht schon mit der Anmeldung beigebracht worden waren, und für jene Frist, die den Gläubigern im Falle der Bestreitung ihrer Anmeldungen zum weiteren Beweise gesetzt wurde.3.163 Im späteren Gerichtsbrauche beziehen sich die Bezeichnungen "endliche Notdurft und Probation, schließlicher Probationstag, peremptorischer Probationstag [Seite: S. 32] [=> Seite] (4. August 1605, 24. Februar 1612 usw.)" wohl auf den Probationstag der zweiten Art.
Im Falle der Bestreitung der Forderungen erfolgt ursprünglich die Probationstagsatzung (der zweiten Art) zur Beweisaufnahme (14. März 1588 usw.). In späterer Zeit sind im Rahmen des Ediktverfahrens Prozesse mit Weisung, Gegenweisung und Schlußschriften nachweisbar.3.164 Die Versprecher (der Schuldner) haben mit der Priorität der einzelnen Forderungen nichts zu tun, dagegen begegnet öfters der Vermerk, daß die Gläubiger um die Priorität disputiert haben (8. Jänner 1627 usw.).
Hierauf ergeht der Ediktsabschied (Ediktserkenntnus, prioritetliche Erkenntnis), in dem über den Bestand und die Reihung der Forderungen entschieden wird.3.165 Gegen den Abschied konnte Appellation an die Verordneten ergriffen werden, die sich in der im schriftlichen Prozesse erster Instanz üblichen Weise abspielte (Edikt Präßberger, Apostelbrief vom 7. September 1588, Fasz. 82/1, usw.). Gegen Ende der Periode ist die Abwicklung des Konkursverfahrens zum Teil in die Hand von Kommissionen gelegt (z.B. 15. Jänner 1644), doch erfolgt die Verabschiedung nach wie vor durch den Magistrat (3. Februar 1645, 24. Mai 1661). Die Universalität des Konkurses, die jede Einzelexekution unmöglich macht, zeigt sich in der Abweisung eines Begehrens auf Aufweisung mit der Begründung, daß bereits ein Edikt ausgeschrieben sei (12. Juni 1668). Dagegen umfaßt der Konkurs nur das im Klagenfurter Gerichtssprengel gelegene Vermögen des Schuldners (13. November 1612).
Die Verteilung des Massevermögens erfolgt derart, daß Fahrnisse und Forderungen wie bisher den Gläubigern nach vorgenommener Schätzung zugewiesen werden.3.166 Bei den Liegenschaften begegnen die mannigfachsten Verwertungsarten: Einantwortung an einen Dritten um den Schätzwert mit der Verpflichtung, die an die Priorität erkannten Gläubiger zu bezahlen (13. April 1612), Zuweisung an die Gläubiger,3.167 vor allem aber Ausrufung im Canto (2. Mai 1588, 15. Oktober 1591 usw.). Diese fand stets im Stadtrechte statt, auch als der sonstige Ediktsprozeß längst wieder im Stadtgerichte abgewickelt wurde. Nach Abschaffung des Cantorechtes (vgl. IV, § 7) mußte man auf die anderen Verwertungsarten zurückgreifen.3.168 Als Strafe für den Konkursanten wird vereinzelt die Aufkündigung des Bürgerrechtes und die Verweisung aus dem Burgfrieden verhängt (5. Juni 1612).
Über das materielle Konkursrecht gibt eine Reihe von Entscheidungen Aufschluß.3.169 Eine feste Klasseneinteilung gibt es nicht. An erster Stelle stehen die Forderungen der Stadt aus öffentlichen Abgaben und Gerichtskosten. Dann folgen der Reihe nach die Belohnung für die Tätigkeit des Stadtschreibers, des Ratsdieners, der Versprecher, die Ärztekosten, Apothekerkosten, [Seite: S. 33] [=> Seite] anvertraute Gelder, Lidlohnforderungen, Begräbniskosten, Hauszins, Bauaufwendungen. Ganz fest ist jedoch diese Reihenfolge nicht. Die nächste Stelle nehmen die Schuldbriefe dem Alter nach ein. Hiebei ist der nicht erwähnte, da als selbstverständlich aufgefaßte Umstand zu berücksichtigen, daß sie üblicherweise eine Spezialverpfändung oder die Landschadenbundklausel enthielten. Sehr umstritten ist die Stellung der Frau hinsichtlich des Heiratsgutes.3.170 Eine Einantwortung als Vorzugspost wird nur in einem Falle erwähnt.3.171 Eine grundsätzliche Regelung erfolgte am 16. August 1619, als der Rat beschloß, in allen Edikterkenntnissen die landschadenbündigen Schuldbriefe den anderen gemeinen Schuldbriefen, wenn diese auch älteren Datums seien, "wegen des Privilegs" in der Priorität vorzusetzen. Es dürfte dies die Bekräftigung einer strittig gewordenen älteren Übung gewesen sein.
Die unverbrieften Forderungen hatten Anspruch auf quotenmäßige Befriedigung, doch gingen sie mit Ausnahme des Ediktes Perschnigg und Steinacher (Anm. 169) leer aus. Das Vorzugsrecht der privilegierten Forderungen galt nach allen erhaltenen Abschieden nur für die Hauptsache (vgl. außerhalb des Konkurses Anm. 131).
Als Quellen kommen vor allem 9 Stadtrechtsprotokolle (1588 bis 1623, 1627 bis 1644) in Betracht, ferner das "Klagenfurter Stadtrecht in Reimen", entstanden zwischen 1606 und 1617. Daran reihen sich eine Sammlung von Stadtrechtsakten (Stadtarchiv Fasz. 33) und ein umfangreicher Akt im Landesarchive (Fasz. 118/8) mit wertvollen Nachrichten (vgl. Anm. 53). Das Verfahren im Landrechte behandeln "des Ertzhertzogthumbs Khärndten neu aufgerichte Landtrechtsordnung im 1577 jahr" (gedruckt Graz 1578), der Entwurf für eine Rechtsordnung vom Jahre 1629 und die folgenden Entwürfe (vgl. III, § 1) und der "... Lanndts Recht Proces ..." des Landschaftsadvokaten Johann Kraus4.1 Für die spätere Zeit ist die Darstellung bei Rampichl (Tribunal, 127-172, vgl. V, § 1) von Bedeutung.
Das Wiederaufleben der Stadtrechte im Jahre 1588 und die Nichtregelung einzelner Verfahrensschritte in der Landrechtsordnung veranlaßten eine Reihe von Satzungen über Art und Zeit der [Seite: S. 34] [=> Seite] Appellationsführung in Konkurssachen, die Abhaltung der Versteigerungen im Stadtrechte, die Form des gütlichen Ersuchens, die Art der Vollmachtserteilung zwischen Ehegatten.4.2
In der Besetzung des Stadtrechtes trat keine Änderung ein, ebensowenig in der Zuständigkeit. Klagen unter 10 fl. konnten nicht im Stadtrechte eingebracht werden (Str. V. 7 ff., 75 ff.). Das Stadtrecht dient auch zur Amortisation verlorener Urkunden, die an vier Rechtstagen öffentlich ausgerufen werden müssen (14. Dezember 1609, 11. Jänner 1610, Lro. art. 40), zur Aufforderung, Ansprüche geltend zu machen (Sprung-Pucher, 1606, Fasz. 82/1), und zur Berufung unbekannter Schulden (26. Jänner 1615).4.3 Persönliches Erscheinen ist nicht notwendig, der Gewaltsam wird entweder schriftlich oder durch Ergreifung des Gerichtsstabes übertragen.4.4 Ein "Curator in litem" oder "ad lites" wird erwähnt (22. März 1610 usw.). Ehafte Not muß durch einen Scheinboten gemeldet werden. Es handelt sich in allen aus den Protokollen ersichtlichen Fällen um Krankheit (13. März 1590 usw.). Die Zustellung hat dort zu erfolgen, "wo einer wohnt und der Rauch aufgeht" (5. Jänner 1643). Nach Ableben eines Streitteiles werden die Rechtsnachfolger oder die für den Nachlaß bestellten Kuratoren zum Prozeßeintritte aufgefordert (14. Oktober 1591 usw., vgl. Lro. art. 17). In diesen Zusammenhang gehören gerichtliche Anfragen (auf Antrag) an Erbberechtigte, ob sie erben wollen oder nicht (16. Oktober 1591, 7. September 1593). Im Falle einer Schermverkündigung (Berufung auf den Rechtsvorgänger, z.B. 28. Mai 1590, vgl. Lro. art. 32) wird dem Schermer zugeschrieben, im nächsten Stadtrechte zu erscheinen. Fristerstreckung ist möglich (6. August 1590). Tritt er in den Prozeß nicht ein, so muß ihn Beklagter bei sonstiger Behebnus weiterführen (30. Jänner 1590 usw.).
Als allgemeine Regel für das Verfahren gelten die Vorschriften der Landrechtsordnung (Str. V. 1 ff.). Sie werden öfters als geltendes Recht erwähnt (24. Juli 1589 usw.). Fachausdrücke oder Anführungen aus dem gemeinen Rechte sind nicht häufig.4.5 Wichtig für das Verfahren war die vom Rate am 7. Juli 1603 mit zwei Landschrannenadvokaten (Georg Zechner und Anton Prätorius) getroffene Abmachung, worin diese sich gegen eine Bestallung von 10 Talern jährlich verpflichteten, den Stadtrechten ordentlich beizuwohnen und auch sonst der Stadt mit Rat und Dienst beizuspringen. Diese Einrichtung war, wie spätere Nachrichten (19. März 1607 usw.) beweisen, eine ständige. Sehr hinderlich für das Stadtrechtsverfahren war die geringe Anzahl der jährlich abgehaltenen Stadtrechte, meistens nur 3 oder 4 (von 1598 bis 1601 überhaupt keines), zuweilen nur 1 oder 2, nur in fünf Jahren werden je 6, einmal (1643) 8 Stadtrechte abgehalten.[Seite: S. 35] [=> Seite]
Das gütliche Ersuchen hat, wie im Landrechte, bei allen Klagen zu erfolgen, und zwar entweder mündlich durch zwei Beschickleute oder schriftlich mindestens 8 Tage vor dem Stadtrechte, in dem die Klage eingebracht werden soll.4.6 Die Klage erfolgt in der Regel schriftlich, bei einer mündlichen Klage wird gelegentlich deren schriftliche Einbringung anbefohlen (14. März 1588). Das Begehren hat sich genau an das gütliche Ersuchen anzuschließen.4.7 Auf die Klage werden dem Kläger durch Umfrage unter allen Beisitzern der Gerichtszeugbrief des ersten Tages und die Ladung an den Beklagten erteilt.4.8 Der Kläger muß zu vier Gerichtstagen erscheinen und seine Klage vorbringen (seinen 1., 2., 3. und 4. Tag klagen), bevor der Beklagte verpflichtet ist, in Antwort einzutreten (8. September 1588 usw., Lro. art. 9). Der Kläger muß jederzeit auf die Verantwortung des Beklagten gefaßt sein; ihm werden, wenn der Beklagte in Antwort eintritt und er nicht verhandelt, die Tage aberkannt und muß er von neuem gütlich ersuchen und klagen.4.9
Verhandelt Beklagter auch am vierten Tage nicht, so wird dem Kläger "Behebnus" erteilt, die in Kraft tritt, falls der Gegner nicht bis zu Tagesende in Antwort eintritt (29. November 1588 usw., Kraus 5). Die Verpflichtung, von einer Fortsetzung des Prozesses den Gegner zu verständigen, wenn vorher einverständlich das Verfahren unbesucht geblieben war, besteht wie früher (14. Dezember 1593 usw.). Wenn ein Streitteil am Erscheinen verhindert ist, kann er einen Stillstand von den Verordneten erbitten, der jeweils auf ein Stadtrecht erteilt wird.4.10
Bei landschadenbündigen Schuldbriefen und Lidlohnforderungen ergeht wie bisher auf die Klage an den Beklagten ein Geschäft, dem Kläger binnen 8 oder 14 Tagen zu zahlen oder im nächsten Stadtrechte, dessen Zeitpunkt gleichzeitig bekanntgegeben wird, auf die Klage zu antworten.4.11 Geschieht dies nicht, so wird im gleichen Stadtrechte Behebnus erteilt.4.12
Die Verantwortung des Beklagten erfolgt entweder durch Exzeptionen oder hauptsächlich.4.13 Der Grundsatz der Formstrenge zeigt sich darin, daß, wer Exzeptionen einwenden will, sich nicht zur Antwort, sondern nur zu Recht andingen darf, widrigenfalls er hauptsächlich antworten muß.4.14 Nach Anhörung des Vorbringens — auf jeder Seite im allgemeinen zwei, höchstens drei Reden, deren letzte einen Urteilsvorschlag mit der Bezeichnung "Rechtssatz" enthält4.15 — wird ein Beisitzer des Urteiles angefragt, das entweder über die Exzeption oder schon in der Hauptsache entscheidet oder schließlich einer Partei Weisung auferlegt (1. August 1588 usw., Lro. art. 16). Überhaupt ergehen ursprünglich sämtliche Entscheidungen über widersprechende Parteienbehauptungen in der [Seite: S. 36] [=> Seite] Weise, daß der Richter einen Beisitzer des Urteil es anfragt und dieser es ausspricht.4.16
Bei einseitigem Parteienvorbringen im Zuge des Verfahrens (Erteilung der Gerichtszeugbriefe bei der Klage zum ersten Tage, Behebnus, erstem Scherm, Anbot, Stadtscherm) ergeht keine Urteilsanfrage, sondern wird durch eine Umfrage unter allen Beisitzern entschieden, wofür die Bezeichnung "hat Frag und Urtl gebracht von den Beisitzern" üblich ist.4.17 Vereinzelt vorher, häufig seit 1607 wird bei Erkenntnissen in Fragen prozessualer Natur und bei Nebenentscheidungen überhaupt von der Urteilsform abgewichen. Die Bezeichnung ist ursprünglich wechselnd,4.18 späterhin bürgert sich der Ausdruck "Bescheid" ein.4.19
Jene Partei, der Weisung aufgetragen wird,4.20 hat spätestens bis zum nächsten Stadtrechte einen Weisungsanzug — der beim Zeugenbeweise die Weisartikel, auf welche die Zeugen zu vernehmen sind, enthalten muß (8. September 1593) — einzubringen und dem Gegner zu übermitteln (24. Juli 1589 usw.), widrigenfalls die Weisung für desert erkannt wird.4.21 Im Landrecht erfolgt die Aberkennung der Weisung auf Verlangen des Gegners nach mündlichem Verhör und hat entweder Entbrechung des Beklagten "heut und zu tagen" von der Klage, also endgültige Aberkennung des Anspruches, oder Behebnuserteilung zur Folge (Lro. art. 13). Dies gilt auch im Stadtrechte.4.22 Gegen den Anzug kann der Gegner entweder exzipieren4.23 oder seine Fragstücke bis zum nächsten Stadtrechte nach Zusendung des Anzuges einbringen (12. Mai 1614, Lro. art. 13, Abs. 3).
Der Beweis kann seit der neuen Landrechtsordnung (Lro. art. 6, 13) gleichzeitig mit Urkunden und Zeugen geführt werden. Die Vorstellung der Zeugen erfolgt regelmäßig im nächsten Stadtrechte.4.24 Beweisverfahren und Beweismittel weisen im allgemeinen keine Abweichung vom Stadtgerichte auf.4.25 Wenn die Vernehmung des Gegners als Zeugen angeboten wird, ist ursprünglich ein Zurückschieben des Eides unzulässig.4.26 Der Beweisführer ist nicht verpflichtet, alle Beweismittel in einem Anzüge anzubieten, sondern sind Additionalanzüge bis zum Höchstausmaße von vier Anzügen nachweisbar (12. November 1592 usw.). Spätestens nach Erklärung des Beweisführers, mit seiner Weisung geschlossen zu haben, muß der Gegner zur Gegenweisung greifen.4.27 Das Verfahren deckt sich vollkommen mit jenem bei der Weisung.
Nach Abführung der Weisung und allfälligen Gegenweisung erfolgt in einem Stadtrechte auf Antrag die Eröffnung der Weisung und Erteilung von Abschriften (5. Dezember 1593, Lro. art. 15). Dann sind die Schlußschriften (je eine) bis zum nächsten Stadtrecht einzubringen.4.28 In diesem werden Weisung und Gegenweisung verlesen, die Parteien setzen zu Recht und ergeht das Urteil (z.B. 28. Jänner 1592). Daß Kläger bis zum Eintritt des [Seite: S. 37] [=> Seite] Beklagten in das Verfahren von der Klage fällt, kommt mehrfach vor (3. Jänner 1589 usw.). Auch noch im Beweisverfahren ist Fallen von der Klage ohne Zustimmung des Gegners möglich (24. Juli 1589 usw.).
Das Urteil als Endentscheidung lautete auf die Verurteilung des Beklagten (z.B. 8. September 1593), endgültige Abweisung (heut und zu Tagen Entbrechung, z.B. 28. Jänner 1592) oder derzeitige Abweisung (Fällung der Tage, Abnehmung, Entratung). Diese erfolgt nach art. 5 und 12 Lro. bei Verstößen gegen die Vorschriften über gütliches Ersuchen und Zustellung (soweit sie wesentlich sind), bei Nichterscheinen des Klägers, wenn Beklagter in Antwort eintreten will, und bei Formmängeln der Klage. Das gilt auch im Stadtrechte (Str. V. 35 ff., 23. Jänner 1588, usw.).
Wird vom Rechtsprecher das Urteil ausgesprochen, so muß der beschwerte Teil entweder (allenfalls nach Bedenkzeit) noch in währendem Rechte appellieren oder begehren, daß die anderen Beisitzer befragt werden.4.29 Im ersten Falle wird nicht mehr weitergefragt, im zweiten entscheidet dann Stimmenmehrheit und kann kein Teil appellieren.4.30 Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde im Stadtrechte der gleiche Vorgang eingehalten, da das gereimte Stadtrecht keine Abweichung erwähnt. Ein Nachweis läßt sich jedoch nicht erbringen, da die Satzung vom 23. Mai 1588 (Stadtr. 22) offensichtlich nur die Appellation in Konkurssachen regelt (vgl. Stadtr. Anm 54).4.31
Nach Appellationsanmeldung wurde vorerst durch Urteil, späterhin auch durch Bescheid (z.B. 22. März 1610) darüber erkannt, ob die Appellation zuzulassen sei. Unzulässig war sie für den Beklagten gegen landschadenbündige Schuldbriefe, wohl mit Rücksicht auf die Landschadenbundformel,4.32 weiters, wenn das Urteil auf Grund einer Vorschrift der Landrechtsordnung oder einer Satzung, also "nach wissentlicher Ordnung" gefällt wurde, in welchem Falle nur Beschwerde ergriffen werden konnte (28. Jänner 1591 usw.). Jedenfalls erfuhr das Anwendungsgebiet der Beschwerde dadurch eine Erweiterung, daß später viele Entscheidungen in Bescheidform ergingen, wogegen nur Beschwerde zulässig war,4.33 über die Art des Verfahrens bei der Beschwerde fehlt jegliche Nachricht.
Bei der Appellation wickelte sich der weitere Vorgang in der Weise ab, daß abwechselnd Kläger und Beklagter ihre gerichtlichen Vorträge (Reden) schriftlich niederzulegen und dem Gegner zu übersenden hatten.4.34 Der Schriftenwechsel sollte so rasch geschehen, daß die Aufrichtung der Appellation (Zusammenrichtung der Akten und Ausstellung des Apostelbriefes, RO. art. 47) spätestens im nächsten Stadtrechte erfolgte (24. Juli 1589, vgl. RO. [Seite: S. 38] [=> Seite] art. 47). Sind jedoch beide Parteien einverstanden, so kann die Aufrichtung in der Weise verschoben werden, daß von Stadtrecht zu Stadtrecht erklärt wird, man werde zwischen hin und nächstem Stadtrechte die Appellation aufrichten (z.B. 13. August 1612). Später gilt eine Frist von 6 Wochen (6 Wochen 3 Tagen).4.35 Bei Säumnis in der Einbringung sollte, wenn es der Appellant war, Deserterklärung der Appellation, sonst Aufrichtung ex offo erfolgen (17. Juni 1630). Es wurde aber öfters erst dann eine Frist zur Aufrichtung bestimmt (7. Februar 1596, 13. August 1596).
Der Instanzenzug blieb unverändert. Die Bestimmung, daß binnen 6 Wochen nach Appellationshebung entweder die Entscheidung oder ein jeweils auf 6 Wochen (Lro. art. 43) zu erteilender Schub gebracht werden müsse (Lro. art. 16, Abs. 1), wurde streng eingehalten und wurden auch bei geringen Verzögerungen Deserterkenntnisse mit Erfolg begehrt (24. Juli 1589 usw.). Schübe werden von den Verordneten ohne weiteres erteilt (20. Jänner 1589 usw.). Kommt die Appellationserledigung innerhalb der ersten sechs Wochen ein, so erfolgt die Eröffnung ohne Verständigung des Gegners im nächsten Stadtrechte, sonst wird der Gegner vom Einlangen und vom Eröffnungstermine in Kenntnis gesetzt (Lro. art. 16, 27. Jänner 1592).
Gegenüber der Entscheidung des Stadtrechtes über eine Widersetzung im Exekutionsverfahren (Hasenberger-Goldbergerin, Bescheid vom 14. November 1679, Fasz. 92/7) fand vor den Verordneten ein Verhör wegen Nullität statt (14. November 1679). Ebenso wurde über die Zulässigkeit der weiteren Appellation durch Verhör vor den Verordneten entschieden (3. Jänner 1680). Ob auch gegenüber Stadtrechtsurteilen Appellationserledigung durch Verhör stattfand, ist fraglich.4.36 Die Appellation an die Regierung als dritte Instanz weist keine Besonderheiten auf. Selbstverständlich entfällt ein neuerlicher Schriftenwechsel und werden einfach die vorhandenen Akten dem Apostelbrief beigeschlossen.4.37
Revision als außerordentliches Rechtsmittel wird gegen ein in allen Instanzen bestätigtes Stadtrechturteil erwähnt (22. Februar 1589). Die Befugnis zur Restitution wird zu Beginn der Periode auch von den Verordneten in Anspruch genommen, soweit ersichtlich jedoch nur für Prozeßhandlungen (vgl. Str. V. 113 ff.). Das vorläufig erledigte Ansuchen des Restitutionswerbers wird dem Gegner zu seiner Äußerung mitgeteilt, dann hat der Magistrat sein Gutachten einzubringen. Das Restitutionsgesuch hindert Behebnuserteilung und weitere Exekution nicht, sondern muß ein Schub erteilt werden (28. Mai 1590). Von den vier in den Protokollen ausführlicher erwähnten Restitutionsgesuchen zu Beginn dieses Zeitraumes wurden drei durch die Verordneten (z.B. 26. Juli 1605) und nur eines durch die Regierung (6. August 1590) entschieden. Durch das kaiserliche General von 1623 (vgl. III, § 5) fand die [Seite: S. 39] [=> Seite] Befugnis der Verordneten zur Restitutionserteilung ihr Ende. Die wenigen späterhin im Stadtrechte nachweisbaren Restitutionen (z.B. 8. August 1642) wurden vom Landesfürsten erteilt. Das Verfahren deckt sich mit dem im Stadtgerichte.
Die Taxierung der Expens erfolgte — wenn einem Teile im Urteile Expensen zuerkannt wurden — regelmäßig nach Rechtskraft der Klagsabweisung (28. Mai 1590 usw.) oder nach Erteilung des Stadtscherms.4.38 Wurde Exekution für die Kosten allein geführt oder wurden die Kosten — wie es späterhin möglich war — schon vor Erteilung des Stadtscherms taxiert (RO. art. 52), so führt die neue Expens die Bezeichnung Superexpens.4.39 Die Taxierung erfolgte in der Weise, daß der Sieger im Stadtrechte erklärte, seine Expens bis zum nächsten Rechte einzubringen (28. Mai 1590 usw.). Er mußte dann spätestens 8 Tage vor dem Stadtrechte den Expens-(Schaden-)Zedl samt Abschriften sämtlicher eingebrachten Schriften (12. Dezember 1616) einbringen, sonst war der Anspruch erloschen (28. Jänner 1592). Im Stadtrechte selbst wird dann die Taxierung begehrt (8. August 1611) und erfolgt deren Eröffnung im nächsten Rechte.4.40 Die rechtskräftig festgestellten Kosten mußten (zumindest später) innerhalb 6 Wochen 3 Tagen (14. Oktober 1630) bezahlt werden, widrigenfalls die Exekution in der üblichen Weise erfolgte (4. September 1593 usw.).
Durch die Behebnuserteilung, das Urteil oder die Taxierung der Expens erhält der Sieger das Recht, sofort mit dem Fronboten auf die Güter des Gegners aufzuweisen (20. Februar 1589 usw., Lro. art. 18, Str. V. 141 ff.). Der Fronbote hat die Aufweisung im Beisein der Partei oder ihres Stellvertreters durchzuführen, und zwar, wenn auf ein benanntes Stück geklagt war, auf dieses und zur Deckung der Kosten und des Schadens auf weitere Sachen, bei anderen Forderungen auf für Hauptsache samt Anhang ausreichende Güter, wobei aber jedes Übermaß vermieden werden soll.4.41 Der Gläubiger stellt dann im nächsten Stadtrechte den Fronboten vor und läßt ihn Relation über die aufgewiesenen Güter tun, worauf er einen Gerichtszeugbrief des ersten Scherms erhält, in dem zugesichert wird, "ihn zu den Stadtrechten zu schützen".4.42 Daraufhin muß der Gläubiger die Pfandstücke in vier Stadtrechten (sie brauchen nicht aufeinanderzufolgen) öffentlich ausrufen lassen (Pfandfürtragen, 24. Juli 1589 usw.). Der Schuldner kann das Pfand lösen. Andere Gläubiger können ihre Ansprüche einredeweise auf die Priorität, den gleichen Rang oder das Übermaß geltend machen.4.43 Daraus entstehende Prozesse hindern die Fortführung des Pfandfürtragens nicht und wird allenfalls der Stadtscherm [Seite: S. 40] [=> Seite] unbenommen der Einreden erteilt (1. Dezember 1597, 3. März 1614, RO. art. 51).
Löst der Schuldner bis zum vierten Tage Pfandfürtragen die Pfandstücke nicht, so wird an diesem Tage dem Betreibenden das Anbot erkannt, d.h. dem Schuldner werden die gepfändeten Gegenstände zur Ablösung binnen 14 Tagen angeboten.4.44 Wird nicht abgelöst, so kann die betreibende Partei im Stadtrechte nach Verlesung des Anbotes verlangen, daß ihr der Stadtscherm erteilt wird. Mit dessen Erteilung erhält der Gläubiger volles Eigentum an den in Betracht kommenden Gütern. "Es kann von diesen Gütern ihn kein Mensch mit Recht abhalten (Kraus 10).4.45 Es folgt dann die wirkliche Einantwortung (Ansetzung) der Güter durch den Fronboten. Um sie kann jederzeit angesucht werden und verstreichen oft zwischen Stadtscherm und ihrer in Urteilsform erfolgenden Erteilung mehrere Jahre (14. Dezember 1593 usw.). Widersetzte sich der Verpflichtete der Exekution, so wurde darüber vom Stadtrechte, und zwar zumindest in späterer Zeit durch Bescheid entschieden (Hasenberger-Goldbergerin, 14. Juni 1679, Fasz. 82/7).
Das Unvollkommene dieses Verfahrens ist offensichtlich. Einerseits keine Feststellung des Wertes und daher (mit Ausnahme der bedeutungslosen Vorschrift, daß man nicht zu viel aufweisen dürfe) kein Schutz gegen einen Gläubiger, der sich auf mehr Stücke als notwendig den Stadtscherm erteilen läßt, wobei er erst im Falle einer Veräußerung den Mehrerlös herausgeben muß. Anderseits kein Mittel, bei Vorhandensein mehrerer Gläubiger rasch durch amtswegige Versilberung der Pfandstücke Zahlung der einzelnen Forderungen zu erlangen, da der nachstehende Gläubiger erst abwarten muß, ob und wann sein Vormann das Pfand veräußert.
Diesen Übelständen versuchte man auf zweierlei Weise abzuhelfen. Die eine steht im Zusammenhang mit der zeitweiligen Zuständigkeit des Stadtrechtes im Konkursverfahren. Es wurde (auch wenn das Konkursverfahren sich sonst im Stadtgerichte abspielte) die diesem Verfahren eigentümliche Art der Versilberung des unbeweglichen Massevermögens durch Versteigerung, das Cantorecht, ins Stadtrecht verlegt.4.46 Die erhaltenen Cantorufe und Zuschlagserteilungen zeigen, daß der Cantoruf in der Ratsstube und auf beiden Stadtplätzen dreimal, und zwar in verschiedenen Stadtrechten erging, die Bewertung der Stücke genannt wurde und der Fronbote sie jedermann öffentlich anbot.4.47 Ein Mindestgebot gab es nicht, dagegen wurde vom Betreibenden der Preis, um den er es bewerte (22. August 1642), oder jener, um den er es selbst behalten wolle (10. Dezember 1635), genannt.4.48 Nach Erlag des Meistbotes wurde vom Rate der Kaufbrief ausgestellt und die Liegenschaft eingeantwortet (23. August 1606, 10. Dezember 1635). Das Meistbot wird unter die Gläubiger nach der Priorität verteilt (z.B. [Seite: S. 41] [=> Seite] 23. August 1606). Verschiebungen und Zufristungen kommen auch im Zuge des Cantorechtes vor (7. Dezember 1593, 5. Februar 1596).
Bald wurde das Cantorecht nicht nur im Konkursverfahren verwendet, sondern jedem betreibenden Gläubiger gestattet, nach der Schätzung im Stadtgerichte oder sogar nach dem Stadtscherm um Cantorecht einzukommen. In dieser Richtung ergeht — ohne daß etwa mehrere Gläubiger vorhanden sein müssen — eine ganze Anzahl von Versteigerungsbewilligungen (zumeist nicht in Urteilsform), auch wenn schon der Stadtscherm im Stadtrechte oder die Einantwortung im Stadtgerichte erteilt war.4.49 Das Recht des Betreibenden auf Ausruf im Canto blieb allerdings nicht unangefochten, besonders seit die später zu erwähnende Schätzung in das Verfahren eingefügt worden war. Zu wiederholten Malen wurde von den Verpflichteten eingewendet, daß der Cantoausruf unzulässig sei, wenn schon der Stadtscherm (die Einantwortung im Stadtgerichte) erteilt worden war, der Betreibende um eine Rait-, Schätz- und Abteilungscommission angesucht oder sie stattgefunden hatte.4.50
Auch in anderer Richtung wurde der Versuch unternommen, das Exekutionsverfahren auszubauen, und zwar zugunsten der Schuldner, während das Cantorecht die Gläubiger begünstigte. Man knüpfte an eine Ergänzung des landrechtlichen Exekutionsverfahrens an. In der landesfürstlichen Proposition für das Jahr 1606 war der Mißbrauch gerügt worden, daß sich Gläubiger für geringfügige Forderungen den Landscherm auf viel wertvollere Stücke erteilen ließen. Der Landtag beschloß, es beim Landscherm mit der Beschränkung bleiben zu lassen, daß man zwar aufweisen könne, wie man wolle, aber keinem Creditor, er habe eingeredet oder den Landscherm erhalten, von den aufgewiesenen Gütern "nach der gebreuchigen Schazung"4.51 mehr passiert werden solle, als sich seine Forderung an Hauptsumme, Interesse, Kosten und Schaden erstrecke. Werde wegen der Kosten keine Einigung erzielt, so müsse sich der Gläubiger ungeachtet seines Landscherms die Mäßigung (durch das Gericht) gefallen lassen. Was nach Vergnügung der Gläubiger von den geschätzten Gütern übrig bleibe, solle "dem Debitori widerumben volgen und verbleiblich sein". Die landesfürstliche Resolution vom 19. Februar 1606 genehmigte diesen Beschluß und wurde dadurch der Schätzung nach erlangtem Landscherm, der gerichtlichen Kostenbestimmung und dem Rechte des Schuldners, den Überschuß herauszubekommen, eine gesetzliche Grundlage gegeben (LA. Fasz. 211/2).4.52
Im Stadtrecht wird erstmals am 27. November 1617 anläßlich eines Ansuchens um Erteilung des Stadtscherms erwähnt, daß jede Partei zwei Schätzcommissäre bestellt habe. Am 7. Juni 1621 geht von Abteilungscommission die Rede. Diese Rait-Schätz-Abteilungscommission bildet nun die Regel (7. Juni 1621, 7. März 1622 usw.). Allerdings dauerte es einige Zeit, bis sich ein fester [Seite: S. 42] [=> Seite] Gerichtsbrauch entwickelte. Die Schätzung findet zuerst anscheinend noch vor dem Stadtscherm statt (27. November 1617, 29. November 1621) und wird mehrmals nur von einer Abteilungscommission gesprochen (z.B. 7. Juni 1621). Über die Einzelheiten des Verfahrens fehlen Nachrichten, doch war die Entscheidung über die Priorität der einzelnen Forderungen dem Stadtrechte selbst vorbehalten (7. Juni 1621, 31. März 1637). Dem Gegner wird zur Benennung der Kommissäre Frist bis zum nächsten Stadtrechte erteilt (15. November 1632) und kommt es allenfalls auch zu einer neuen Fristerteilung (14. Februar 1633), sonst erfolgt die Bestellung durch das Gericht (15. Oktober 1629). Gegen die Schätzung konnte eine Überschätzung begehrt werden, die als endgültige Wertfestsetzung galt (z.B. 7. März 1642).
Die einzige Spur eines Arrestverfahrens ist ein Antrag auf Arrestverhängung, der unter anderen Gründen deshalb abgewiesen wurde, weil der Hauptprozeß nicht im Stadtrechte anhängig war (14. Oktober 1602).
Während vorher eine Einflußnahme der Stände auf das Stadtrechtsverfahren nicht nachweisbar ist, greifen sie im Jahre 1643 in entscheidender Weise ein. Veranlaßt wurde ihr Einschreiten durch eine Eingabe der Bürgerswitwe Elisabeth Hutter. Ein gewisser Clemens Carrer hatte gegen den Nachlaß ihres Mannes im Stadtrechte Einantwortung und dann Schätzung durch die Rait-, Schätz-und Abteilungscommission erlangt, bei der dessen Hausanteil mit ungefähr 560 fl. bewertet worden war. Auf seine Beschwerde erfolgte Überschätzung mit einem Ergebnisse von 640 (nach Angabe der Hutter sogar von über 680) fl. Da dies dem Gläubiger zu viel war, wartete er ab, bis eine gewisse Appollonia Anitschin im Stadtrechte auf den Stadtscherm procedierte, und redete ihr in die Priorität ein. Anitschin brachte dann den Hausanteil zur Versteigerung, wobei ein Betrag von 300 fl. erzielt wurde (Stadtrechtsprotokoll 23. August 1642). Auf die Eingabe forderten die Verordneten vom Magistrate eine Äußerung darüber ab, ob die Stadt ein Privilegium habe, daß nach Stadtscherm und Schätzung der Ansetzer sich auf das Cantorecht berufen könne, da das Stadtrecht sich doch ganz nach dem Landrechte richte, dies aber dort nicht üblich sei. Der Bericht des Bürgermeisters vom 3. Juli 1643 betonte, daß zwar kein Privilegium vorhanden, aber das Cantorecht jedenfalls von den Verordneten stillschweigend gebilligt worden sei, da mehrere Cantorechtsbeispiele vorlägen. Er begründete die Notwendigkeit dieses Verfahrens damit, daß durch hohe Schätzungen die Kläger oft zu Schaden kämen. Die Verordneten überließen die Entscheidung dem Landtage. Dieser verfügte am 28. Juli 1643 die Abschaffung des Cantorechtes mit der [Seite: S. 43] [=> Seite] Begründung, daß die minderen Instanzen kein anderes Recht als die höheren hätten und sich nach deren Gerichtsbrauch richten müssen (LP. 1643). Am selben Tage erging (RB. 1643, 1. Bd.) ein Dekret an den Stadtmagistrat, das eine ausführliche Begründung der Maßregel enthielt. Danach war das Cantorecht weder bei der Landschranne noch der Landeshauptmannschaft oder den anderen Städten und Märkten gebräuchlich4.54 und hielt man sich dort an Rait-, Schätz- und Abteilungskommissionen. Diese wurden für das Verfahren nach erlangtem Stadtscherm sowohl im Stadtrecht wie im Stadtgericht für zwingend erklärt und wurde als einziges Rechtsmittel die Überschätzung zugelassen. Um allzu hohe Schätzungen zu vermeiden, solle der Magistrat den Kommissionen sachkundige Handwerksmeister beiziehen. Der Magistrat scheint nur widerstrebend dieser Verfügung nachgekommen zu sein, da deren Befolgung am 7. November (RB. 1643, 2. Bd.) neuerlich eingeschärft werden mußte.
In den folgenden Jahrzehnten nahm die Verwendung des Stadtrechtsverfahrens noch weiter ab, so daß in den Jahren 1661 bis 1670 wegen Mangels an Prozessen kein Stadtrecht abgehalten wurde, obwohl der Magistrat (wie er in einem Berichte aus dem Jahre 1679 ausführt) stets die Stadtrechte anstellte und die Anstellung auf der gewöhnlichen Tafel verzeichnen ließ. Nach dem Jahre 1670 kamen aber die Stadtrechte plötzlich wieder in Mode, anscheinend hauptsächlich deshalb, weil der Advokat Dr. Sauer die Vorschrift, daß ein Bürger stets ins Stadtrecht exzipieren könne (vgl. § 2), entdeckte, dadurch zahlreiche Klagsabweisungen im Stadtgerichte erwirkte und die Kläger zur langwierigen Prozeßführung im Stadtrechte zwang. Dies scheint eine Mißstimmung unter der Bevölkerung hervorgerufen zu haben. Ein Memorial vom 5. April 1673 darüber, was die Verordnetenstelle noch vorzunehmen habe, beschäftigte sich eingehend mit den Stadtrechten und sprach sich gegen deren Abhaltung aus. Die Verordneten forderten daraufhin am 5. Mai 1673 sofortige Einstellung der Stadtrechte oder Bericht über deren "fundamenta". Nach Einlangen des Berichtes wurde mit Dekret vom 10. Juli 1674 dem Magistrat die Verabschiedung zweier behängender Prozesse im "Summarirecht" und die Einhaltung dieses Verfahrens in allen weiteren Prozessen aufgetragen, doch scheint die letztere Maßregel nicht durchgeführt worden zu sein. Aus dem Jahre 1678 sind Gutachten der beiden Advokaten v. Willenberg und Eißner erhalten. Beide sprechen sich über das Stadtrecht ungünstig aus.4.55 Nach mehreren vorläufigen Verfügungen der Verordneten erging am 23. Jänner 1680 die endgültige Resolution der Stände. Sie gestattete die Abhaltung der Stadtrechte auch für die Zukunft, doch wurde dem Kläger freigestellt, entweder im Stadtrechte oder Summarirecht zu klagen. Im Stadtrechtsprozesse solle ein Monat für einen Tag in Rechten gehalten und das Stadtrecht monatlich an [Seite: S. 44] [=> Seite] bestimmten Tagen abgehalten werden. Aus dem Formular der Stadtschermerteilung habe der Zusatz, daß der Landesfürst und seine untergeordneten Instanzen den Ansetzer schirmen sollen, zu entfallen.
Tatsächlich wurde durch diese Verfügung das Stadtrechtsverfahren beseitigt. Keine Spur in den Protokollen oder Akten deutet darauf hin, daß es noch weiterbestand, als ihm 1680 seine letzte künstliche Stütze — die Möglichkeit, durch Berufung auf das Stadtrecht sich dem Summariverfahren zu entziehen und den Prozeß zu verlängern — entzogen wurde.
Das Material für diese Periode ist spärlich. Die städtischen Protokolle sind nur für die Jahre 1723 und 1724 und dann (mit Lücken) als Ratsprotokolle ab 1760, als Verhörsprotokolle ab 1772 erhalten. Im Landesarchive ist eine Anzahl von Akten (Fasz. 82/7, 83/1-2, 83/8, 84/1, 254/1, 4-13, 255/3) vorhanden. Die ständischen Registraturbücher, die Ausschuß- und Verordnetenprotokolle enthalten einiges. Es müssen daher die Schilderungen über das Gerichtswesen bei der Landeshauptmannschaft herangezogen werden, was unbedenklich ist, da sich das Stadtgerichtsverfahren bereits zu Ende der Vorperiode an das bei der Landeshauptmannschaft angeglichen hatte. Als solche Darstellungen kommen die Observationen von Fröauff und das Tribunal von Rampichl in Betracht. Auch das Kärntner Rechtswörterbuch liefert verschiedene Nachrichten.5.1 Für die spätere Zeit sind die Hauptquellen der "Vorschlag einer verbesserten Landesrechts-Ordnung in dem Erzherzogtum Kärnten"5.2 und die "Schilderung des Erzherzogtums Kärntens vor und während der Regierung weiland Kaiserin Maria Theresia" des Landeshauptmannes Vinzenz Grafen Rosenberg (GV. Hs. 7/34), die im ursprünglichen Entwürfe 1777 entstand und dann vom Verfasser umgearbeitet wurde.
Die Zuständigkeit des Stadtgerichtes erfuhr durch das Absterben des Stadtrechtes eine bedeutende Erweiterung.5.3 Im übrigen sind wenig Änderungen nachweisbar.5.4 Zuständigkeitsstreitigkeiten mit dem ständischen Bauzahlmeisteramte wegen der Gerichtsbarkeit über die auf Landschaftsgrund stehenden Häuser, deren Einkünfte die Stände 1625 dem Bürgerspital gewidmet hatten, [Seite: S. 45] [=> Seite] endeten zuungunsten der Stadt (RB. 9. März 1708, vgl. Fasz. 116/2, 116/3). Dagegen bestätigten die Verordneten zweimal die städtische Gerichtsbarkeit über die niederen Landschaftsangestellten.5.5 Streitigkeiten mit dem Stadtpfarramte entschieden die Verordneten schließlich dahin, daß dem Stadtpfarrer die Gerichtsbarkeit am Grunde in seiner Eigenschaft als Grundobrigkeit verblieb, während die Personaljurisdiktion über die dort wohnenden Bürger dem Stadtgerichte zustand (16. März 1696, Fasz. 122/9). Gegen die Erlassung der Wechselordnung vom 20. Mai 1722, die im 1. Titel, § 1, alle Wechselstreitigkeiten einem Wechselgerichte unterstellte, protestierte am 27. April 1723 der Magistrat bei den Verordneten.5.6 Eine Einschränkung der Tätigkeit des Rates ergab sich aus der immer häufiger werdenden Anwendung von Kommissionen (28. Juli 1760 usw.). In Konkurssachen wurden sie auf Befehl des landesfürstlichen Kommissärs Grafen Villana-Perlas zwingend eingeführt (9. Juni 1760). Die Zusammensetzung des Stadtgerichtes blieb unverändert. Nur zeigt sich eine schwächere Besetzung (selten mehr als vier oder fünf Beisitzer) und scheint immer der Bürgermeister den Vorsitz geführt zu haben. Wichtig ist, daß an Stelle des Stadtschreibers ein rechtskundiger Stadtsyndikus tritt (1724 ff.). Auch die Oberaufsicht der Verordneten über das Stadtgericht erfuhr keine Veränderung.5.7 Eine Prozeßkaution wird nur einmal erwähnt.5.8 Ein allgemeines iuramentum calumniae blieb dem Kärntner Gerichtsbrauche fremd (Rampichl 105). Die Vertretung durch Anwälte (Prokuratoren, späterhin Advokaten) ist sehr häufig.
Im ordentlichen Verfahren hat der Klage mit Ausnahme der possessorischen Klagen und bei Interdikten (Rampichl 174) ein gütliches Ersuchen vorauszugehen.5.9 Die schriftliche Klage wird dem Gegner mit 14tägiger Auflage zur Zahlung oder Bedenkeneinbringung übersandt, worauf die weiteren Compellierungsauflagen (Compellen, Auflagen) mit 8 und 3 Tagen Termin ergehen.5.10 Nach fruchtlosem Fristablauf muß der Kläger um Anberaumung eines Verhöres einkommen (8. Jänner 1723 usw.). Das gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Verantwortung einbringt, da dann der Kläger ein Verhör zur Entscheidung über diese Einwendung zu verlangen hat.5.11 Das Verhör wird vereinzelt schon das erstemal peremptorisch ausgeschrieben (22. Mai 1723, 9. Juli 1763 usw.), im allgemeinen jedoch erst das zweitemal.5.12 Die gebräuchliche Wendung ist, daß das Verhör "sub poena praeclusi et contumacia" anberaumt wird (9. und 16. Juli 1763 usw., z.B. 28. November, 11. Dezember 1779). Beim peremptorischen Verhöre erfolgen (auch wenn der Gegner ausbleibt) längere Ausführungen des Klägers und gegebenenfalls des Beklagten sowie [Seite: S. 46] [=> Seite] beiderseits die Stellung eines Abschiedsvorschlages, der als "Schluß" bezeichnet wird (z.B. 8. November 1779). Es ergeht dann entweder der Abschied in der Hauptsache5.13 oder der Beweisabschied. Auf eine Verpflichtung des erscheinenden Streitteiles, seine Behauptungen erweisen zu müssen (also ein Eremodizialverfahren), deutet nichts hin (ebenso Vorschlag a.a.O., 2. Tl., art. 1, § 14).5.14
Der spätere Gerichtsbrauch ermöglicht es, die Compellen zu vermeiden, und schafft so eine abgekürzte Verfahrensart. Der Ausgangspunkt dürfte darin liegen, daß zur Feststellung der Liquidität von Forderungen, die bei Konkurstagsatzungen, Verlassenschaftsabhandlungen oder Rait-, Schätz- und Abteilungskommissionen bestritten werden, gleich um ein Verhör geworben werden kann (10. September, 4. November 1763 usw.). Daran anknüpfend entwickelt sich anscheinend die Übung, daß überhaupt bei allen jenen Ansprüchen, die (wenn auch nur außergerichtlich) bestritten werden, ohne förmliche Klagseinbringung die Anberaumung eines Verhöres verlangt werden kann.5.15 Der gleiche Vorgang wird auch bei Aufforderungsklagen eingehalten5.16 und hat sich auf diese Weise wieder ein — mit Ausnahme des Antrages — rein mündliches Verfahren entwickelt, während sonst von der mündlichen Klage und der Mandatsklage der Vorperiode nur Spuren erhalten sind.5.17 Auch die anderen besonderen Verfahrensarten haben sich nicht erhalten. Schuldbriefe (z.B. Schiechl-Järitz, 1683, Fasz. 254/13) und Wechsel (Anm. 6) werden im ordentlichen Verfahren erledigt. Prozesse mit Schriftenwechsel scheinen in späterer Zeit selten vorgekommen zu sein (z.B. 9. Juni 1760). Die Verteidigung des Beklagten erfolgt nach wie vor mit Exzeptionen oder in der Hauptsache. Ob peremptorische Exzeptionen tatsächlich bis zum Endabschiede eingewendet werden konnten (Rampichl 100), ist für das Stadtgericht zweifelhaft.
Wurde auf Weisung erkannt,5.18 so ist vorerst der Weisungsanzug zu legen. Er wird dem Gegner zur Einbringung seiner allfälligen Bedenken zugesendet, sonst wird bei Zeugenbeweis das Examen ex offo angeordnet.5.19 Die Einbringung des Anzuges hat bei der Landeshauptmannschaft und wohl auch beim Stadtgericht innerhalb 6 Wochen 3 Tagen, von der Zulassung zur Weisung an gerechnet, zu erfolgen, 5.20 dann muß binnen weiteren 6 Wochen 3 Tagen vom Gegner die Einbringung von Bedenken mit 14- und 8tägigem Termine und auch noch die ex-offo-Ausfertigung des Zeugenexamens oder — wenn er Einwendungen erhebt — die Anberaumung eines Entscheidungsverhöres ausgewirkt werden.5.21 Bei Nichteinhaltung dieser Fristen kann der Gegner ein Verhör zur Deserterkennung der Weisung verlangen.5.22 Von der Auswirkung des Examens an laufen für den Beweisführer keine Notfristen.
Was die Beweismittel anlangt, so wurde gleich zu Beginn der Periode die Zulässigkeit des vom Richter auferlegten ergänzenden [Seite: S. 47] [=> Seite] Parteieneides, zu dem sich die Parteien meistens von vornherein anbieten, mehrfach anerkannt.5.23 Der Beweis durch den Gegner als Zeugen ist noch immer nachweisbar (Graf Goëß-Kriegl, Weisungsanzug Kriegls vom 14. März 1759, Fasz. 83/9). Rampichl (159, 174 f.) verweist für die Beweisregeln auf seinen allgemeinen Teil, in dem er die gemeinrechtliche Lehrmeinung wiedergibt (106 bis 117). Auch die Entscheidung der Verordneten im Prozesse Guetsold-Stocker, a.a.O. ("semiplene probiert, daher zum juramentum suppletorium zugelassen"), spricht deutlich für die allgemeine Gültigkeit der gemeinrechtlichen Beweisvorschriften.
Nach Eröffnung der Weisung sind die Schlußschriften einzubringen und erfolgt dann der Abschied.5.24 Bezüglich Ersatz und Feststellung der Expensen hat sich nichts geändert.5.25 Gegen den Unfug, daß für jede Prozeßhandlung mehrfache Fristen gegeben wurden, wendete sich eine kaiserliche Resolution vom 18. Oktober 1749 (Patentsammlung, LA.), wonach in Zukunft sämtliche Termine peremptorisch sind und ihre Dauer nach Entfernung, Beschaffenheit der Sachen und Parteien (z.B. Krankheit) abgestuft wird, jedoch Verlängerung möglich ist. Diese Neuerung ist im Klagenfurter Stadtgerichte überhaupt nicht durchgedrungen, bei der Landeshauptmannschaft erst infolge der Hauptentschließung.
Das Anwendungsgebiet der Appellation ist unverändert. Über die Beschwerde fehlen jegliche Nachrichten. Der Instanzenzug geht nach wie vor vom Magistrat an die Verordneten und dann an die i. ö. Regierung.5.26 Erst durch das Patent vom 18. April 1782, J.G. S. 45, wurde das inner- und oberösterreichische Appellationsgericht als allgemeine zweite Instanz eingeführt.
Hinsichtlich des Verfahrens ist in der zweiten Instanz der Grundsatz der Mündlichkeit beinahe vollkommen durchgedrungen, so daß nahezu immer die Appellationen im Verhöre entschieden werden.5.27 Wird der Appellant von seinem Gegner zur Appellation nicht gutwillig zugelassen, so erfolgt in der ersten Hälfte dieser Periode die Entscheidung über die Zulässigkeit durch Verhör beim Stadtgericht.5.28 Die Appellation an die i. ö. Regierung ist immer schriftlich und sind je zwei Appellationsschriften bei den Verordneten einzubringen (Hagenlocher-Frankenberger, 1691-1692, Fasz. 254/10). Der Vorgang deckt sich mit jenem am Schlüsse der Vorperiode (Guetsold-Stocker, 28. Februar 1682, Fasz. 82/7, usw.). Dem Appellanten wird mit dem rotulierten Akte ein Apostelbrief an die Regierung mitgegeben, wonach die Appellation inner sechs Wochen erledigt zurückzubringen oder ein Schub zu legen ist.5.29
Eine Zurückdrängung des Stadtgerichtsverfahrens, über deren Zeitpunkt nichts Näheres bekannt ist, ergibt sich aus dem Stadtratsprotokolle vom 19. Dezember 1760, wonach die Appellation ohne [Seite: S. 48] [=> Seite] vorläufige Zu- oder Aberkennung an die Verordneten weiterzuleiten war, weil sie an die Verordneten "sub titulo reformatorii" gehe.5.30 Das mündliche Appellationsverfahren bei den Verordneten erhielt sich bis zum Ende des behandelten Zeitraumes.5.31 Bedeutende Änderungen lassen sich gegen Ende der fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts für das Verfahren dritter Instanz nachweisen.5.32 Die Appellationsschriften sind auf je eine herabgesetzt (Graf Goëß-Kriegl 1759, Fasz. 83/8, usw.). Das Neuerungsverbot wird zweckmäßiger gestaltet.5.33 Die Fristbestimmung in den Apostelbriefen für die Erledigung der Appellation und infolgedessen die SchÜberteilung entfällt. Seitens der Regierung werden die "rationes decidendi" von den Verordneten abgefordert (Graf Goëß-Kriegl, a.a.O.) und später von Amts wegen zusammen mit dem Aktenrotel dem Appellanten zur Vorlage an die Regierung übergeben.5.34 Die Kollationierung der Appellationsschriften erfolgt nunmehr immer auf Verlangen des Appellationsgegners.5.35
Eine Revision im Stadtgerichtsverfahren ist nicht nachweisbar. Dagegen sind die Nachrichten über die Restitution verhältnismäßig reichlich. Das Verfahren blieb im allgemeinen unverändert (Woratitsch-Bernardin, 1681, Fasz. 254/5, usw.). Die Einstellung erfolgte erstmals auf 2 Monate oder 6 Wochen und wird nötigenfalls erneuert (mehrmalige Erneuerungen auf je 14 Tage, Rechbach-Jerizische Creditoren 1689, Fasz. 254/13). Die endgültige Entscheidung über die Restitutionserteilung erfolgte nach der Auflösung der i. ö. geheimen Stelle im Jahre 1749 durch das im selben Jahre geschaffene Judicium revisorium. Die Befugnis der Regierung, ad appellandum zu restituieren, bestand weiter.5.36 Derartige Restitutionen wurden späterhin ex offo ohne Einhaltung des früher üblichen Verfahrens erteilt, wozu die Regierung schon früher berechtigt gewesen wäre (Rechbach 42).5.37
Wurde nicht innerhalb 10 Tagen appelliert, so ergehen auf den Abschied (Vergleich, Anerkenntnis) über Antrag die Warnungsauflagen zur Erfüllung.5.38 Nach ergebnislosem Fristablauf erfolgt das Begehren um Erteilung der Aufweisung oder, wie sie öfters genannt wird, "executio ex primo decreto".5.39 Über das Ergebnis hat der Fronbote dem Magistrate Relation zu tun.5.40 Innerhalb der nächsten 6 Wochen und 3 Tage können andere Gläubiger auf die Priorität oder das Übermaß einreden,5.41 nachher nur mehr auf das Übermaß (10. Februar 1763, Vorschlag a.a.O., § 8). Innerhalb der gleichen Frist kann der Schuldner das Pfand (wenn es nicht die ersiegte Hauptsache ist) ablösen (Fröauff a.a.O., Rampichl a.a.O.). Nach Fristablauf steht dem Betreibenden das Recht zu, die Einantwortung, auch "executio ex secundo [Seite: S. 49] [=> Seite] decreto" genannt, zu verlangen,5.42 worüber dann durch den Fronboten Bericht zu erstatten ist und im Falle einer Widersetzlichkeit ein Verhör stattfindet (Bericht Dr. Hellers a.a.O., 9. Dezember 1760, usw.). Die Einantwortung gibt volles Eigentum, so weit die Forderung reicht.5.43 Daß Einreden erhoben wurden und darüber ein Prozeß schwebt, hindert die Einantwortung nicht, da der betreibende Gläubiger für die Einreder mit Exekution führt und nur seine Expensen einen Vorzug vor den anderen Gläubigern haben (Fröauff a.a.O., vgl. die Exekutionen bei Rotts Erben-Wunder, Fasz. 254/11).
Nach der Einantwortung folgt als letzter Schritt die Rait-, Schätz- und Abteilungscommission, deren Anordnung auch gleichzeitig mit dem Ansuchen um Einantwortung begehrt werden kann (16. April 1723 usw.). Der Kommission obliegt die Feststellung der Forderungen (besonders Taxierung der Kosten) und der ihnen gebührenden Rangordnung, die Schätzung der Pfandstücke und ihre Aufteilung unter die einzelnen Gläubiger.5.44 Bei der Einantwortung von Häusern läßt sich jeder einzelne Gläubiger auf einen bestimmten Hausteil ansetzen, wobei ihm als Zeichen des erfolgten Ansatzes die Schlüssel übergeben werden.5.45 Als bevorrechtete Forderung gelten die öffentlichen Abgaben (Herrenforderungen), Versatz und anvertraute Güter, vertragsmäßige Pfandrechte und die Dotalansprüche der Ehegattin.5.46 Dann werden die Forderungen des Betreibenden (falls ihm nicht infolge eines vertragsmäßigen Pfandrechtes ein besserer Rang zusteht) und der Einreder auf das Übermaß, schließlich allenfalls jene der nur anmeldenden, aber nicht einredenden Gläubiger befriedigt.5.47 Zugewiesen wird in der Weise, daß die Gläubiger in der ihnen zuerkannten Rangordnung den Aufgriff auf die vorhandenen Vermögensstücke ausüben. Bei Geld und Schuldbriefen entfällt die Schätzung und Ablösung, bei Faustpfändern die Einantwortung (Vorschlag a.a.O., § 14). Zur Erzwingung persönlicher Leistungen sind Geldstrafen (Penalauflagen genannt) nachweisbar und haben der Abforderung der Strafe mehrfache (meistens dreimalige) Androhungen vorauszugehen (18. Oktober 1723 usw.).
Verletzt die Exekutionsführung Rechte Dritter, so können sie wegen Nullität des Verfahrens ein Verhör bei den Verordneten erwirken.5.48 Vom gewöhnlichen Verfahrensgange wird öfters abgewichen. So treten Verpflichtete ihre Güter freiwillig den Betreibenden mit der Verpflichtung ab, den Wertüberschuß herauszugeben (Juri-Appoth, 27. August 1685, Fasz. 254/6, usw.), oder es verlangt der Schuldner die Anordnung einer Rait-, Schätz- und Abteilungscommission mit Einberufung sämtlicher Gläubiger (26. September 1772).
Das Arrestverfahren weist gegenüber dem Rechtszustande am Ende der Vorperiode keine Veränderungen auf (vgl. Vorschlag, [Seite: S. 50] [=> Seite] 3. Tl., art. 4). Zur Justifikation muß innerhalb 6 Wochen 3 Tagen ein Verhör geworben werden.5.49 Die Relaxierung eines Arrestes kann nur nach Abhaltung eines Verhöres erfolgen (z.B. 23. Juli 1763). Das Verfahren in der Hauptsache ist von dem in der Arrestsache vollkommen getrennt und teilt auch nicht den Gerichtsstand.5.50
Das Konkursverfahren vollzieht sich im wesentlichen in der gleichen Weise wie vorher. Neu ist die Einführung einer ständigen Kommission im Jahre 1760 (vgl. § 2).5.51 Der Masseverwalter (es wird nur mehr einer bestellt) wird als Curator des Vermögens ("über weiland Gregor Frankenberger hinterlassenes Vermögen", Kaufbrief vom 8. Juli 1686, Fasz. 254/10), der Creditmassa (22. Mai 1772) und genauer als curator bonorum et ad lites (Auftrag des Magistrates vom 22. Juni 1686, a.a.O.) bezeichnet. Seine Stellung ist die eines Vertreters der Erben und Creditoren und handelt er in ihrem Namen (Kaufbrief vom 8. Juli 1686, a.a.O.). Es kommen auch konkursähnliche Vorgänge vor.5.52
Über das materielle Konkursrecht gibt die magistratliche Abhandlung vom 29. Mai 1686 in der Ediktsache Verlassenschaft Frankenberger (a.a.O.) näheren Aufschluß. Es werden die Herrenforderungen des Magistrates, die Massekosten (einschließlich Entlohnung des Curators), die Begräbniskosten, die Sprüche des mütterlichen Erbes aus erster Ehe, die Ansprüche der zweiten Frau laut Heiratsbrief auf Heiratsgut, Widerlage, Paraphernalgut, Morgengabe und halbe Fahrnis, ein Schuldbrief samt Interesse, ein Lidlohn, wiederum ein Schuldbrief,5.53 sowie eine alte Erbschaftsforderung in die Priorität gesetzt, der Rest den anderen Konkursgläubigern verhältnismäßig zugewiesen. Der Hauptbestandteil des Vermögens, das Haus, war vom Curator mit Zustimmung des Magistrates freihändig verkauft worden, als Mindestpreis hatte der Magistrat die Erzielung des inventarischen Schätzwertes verlangt, der 800 fl. betrug; verkauft wurde es um 833 fl. Auch das Handwerkzeug sollte der Curator bestmöglichst freihändig verkaufen. Die Zuweisung erfolgte bei den nicht veräußerten Sachen entsprechend dem Schätzungsergebnisse. Die Stadtforderung und die Inventurskosten wurden auf Hauskaufschilling und Fahrnisse, die Pfandgläubiger auf den Hauskaufschilling, die Kurrentgläubiger auf die restliche Ladenware und das Geschirr gewiesen.5.54
Am 25. Februar 1763 erfolgt die öffentliche Versteigerung eines den Gläubigern bereits im Zuge des Konkursverfahrens eingeantworteten Hauses. So kommt das Cantorecht als freiwillige Versteigerung wiederum zum Vorschein. [Seite: S. 51] [=> Seite]
Weder das Verfahren noch die Zuständigkeit oder die Zusammensetzung des Stadtgerichtes hatten innerhalb dieser Periode wesentliche Änderungen erfahren. Vollkommenen Wandel schafften dagegen die Justizreformen Josefs II. An die Stelle des gewohnheitsrechtlichen Prozesses trat mit 1. Juni 1782 das Verfahren nach den Vorschriften der allgemeinen Gerichtsordnung vom 1. Mai 1781, J.G. S. 13, das Konkursverfahren wurde durch die allgemeine Konkursordnung vom 1. Mai 1781, J.G. S. 14, die Zuständigkeit im Rechtsmittelverfahren durch das Patent vom 18. April 1782, J.G. S. 45, und im allgemeinen durch die Jurisdiktionsnorm für Kärnten vom 11. Februar 1784, J.G. S. 238, geregelt.5.55 Ein Hofdekret vom 18. September 1783 befahl, Vorschläge zur Neugestaltung des Stadtmagistrates zu erstatten.5.56 Nach längeren Verhandlungen wurde schließlich am 17. Juli 17845.57 vom i. ö. GÜbernium bestimmt, daß der Magistrat aus dem Bürgermeister, vier Räten und einem Sekretär zu bestehen habe. Die Bewerber um diese Stellen sollten von Seite der politischen Behörde unter dem Vorsitze eines Kreishauptmannes und unter Zuziehung eines Appellationsrates als Vertreter des i. ö. Appellationsgerichtes geprüft werden. Aus jenen, die ein Wahlfähigkeitszeugnis erhielten, hatte dann ein von der Bürgerschaft zu wählender 24gliedriger Ausschuß die Wahl vorzunehmen. Der Bürgermeister war jeweils auf vier Jahre zu wählen. Er und die Räte waren von der politischen Behörde zu bestätigen, die Räte jedoch nicht auf eine bestimmte Anzahl von Jahren. Der Magistrat hatte in einem Senate sowohl die Geschäfte "in politicis" wie "in justitialibus" zu führen und unter der Bezeichnung Wechselgericht auch als solches tätig zu sein. Jede andere persönliche Gerichtsbarkeit über Nichtadelige war aufgehoben, so daß der neue Magistrat mit dieser Ausnahme für sämtliche Bewohner des Stadtgebietes zuständig war. Der obenerwähnte Ausschuß wurde am 20. August 1784 gewählt und fand nach Wahl und Bestätigung des Bürgermeisters und der Räte am 12. März 1785 die Vereidigung des neuen Magistrates statt.
Das Klagenfurter Stadtrecht und Stadtgericht soll nun in Zusammenhang mit dem Zivilprozess der geschilderten Zeit gebracht werden. Zwei Aufgaben sind zu lösen: Vorerst, welche Bestandteile des Rechtsganges deutschrechtlichen und welche gemeinrechtlichen (römisch-kanonischen) Ursprunges sind, weiters, welche Stellung das Klagenfurter Gerichtsverfahren im Rahmen des Zivilprozesses der [Seite: S. 52] [=> Seite] altösterreichischen Alpenländer (ausgenommen Tirol und Vorarlberg, die gesonderte Entwicklungen haben) einnimmt. Hiebei sind natürlich in erster Linie Kärnten und dann Steiermark als das Hauptland der innerösterreichischen Ländergruppe (Steiermark, Kärnten, Krain)6.1 zum Vergleich heranzuziehen. Zu diesem Zwecke werden zuerst die dem Stadtrechte und Stadtgerichte eigentümlichen, dann die beiden Gerichten gemeinsamen Einrichtungen behandelt. Eine Erörterung der Herkunft von Stadtrecht und Stadtgericht, ihrer Stellung zueinander und der Entwicklung des Verfahrens bildet den Schluß.
Die Zusammensetzung des Stadtrechtes aus einem Richter und mindestens sieben Beisitzern (vgl. Ampfinger art. 3, Kraus Bl. 3, Rechbach 71 und für das steirische Recht St. III art. 5, Abs. 5) stimmt mit dem mittelalterlichen Rechtsbrauche überein (Planck I 109, Schröder 179, Anm. 21, 609). Ebenso ist die strenge Scheidung zwischen Richter und Urteiler überliefertes deutsches Rechtsgut.6.3 Was die Zuständigkeit anlangt, so ist das Stadtrecht entsprechend der im Spätmittelalter allgemeinen Kompetenzregelung nach Personen (Schröder 655) das bürgerliche Standesgericht, und zwar auch für das bürgerliche Gut (vgl. Werunsky 71).
Die eine der beiden Klagsarten, die Klage zu Tagen, ist deutschrechtlichen Ursprunges. Sowohl das germanische wie das mittelalterliche deutsche Recht verlangen für das Ladungsungehorsamsverfahren mehrmalige erfolglose Ladung des Beklagten oder Abhaltung von drei bis vier Gerichtstagen.6.4 Der Unterschied in der Zählung erklärt sich daraus, daß in manchen Rechten der Gerichtstag, an dem die Klage eingebracht wurde, mitzurechnen war, in anderen nicht.6.5 Das Klagenfurter Stadtrecht und das Kärntner Landrecht schließen sich der zweiten Zählweise an.6.6 Auch die einzelnen Verfahrensabschnitte verleugnen ihren deutschrechtlichen Ursprung nicht. Es ergeht (wie in Steier, St. Lr. Lr. 60, vgl. St. III art. 29, 32) nur eine einmalige Ladung. Dies erklärt sich aus der Auffassung des Stadtrechtes als eines öffentlichen Taidings.6.7 In das Mittelalter zurück reicht die Vorschrift, für jeden Tag einen Gerichtszeugbrief zu lösen,6.8 und die Möglichkeit für den Beklagten, sich an jedem Rechtstage zu verantworten.6.9
Die Klage auf ein Geschäft ist aus zwei Wurzeln entstanden. Bei Lidlohnforderungen handelt es sich um ein Mahnverfahren. Eine abgekürzte Verfahrensart für derartige Forderungen allerdings nur von Fremden (Gästen) kennt schon St. Lr. art. 145 (vgl. Wiener Str. art. 45). Dagegen scheint die Ausdehnung dieses Verfahrens und die Umbildung in ein Mahnverfahren eine Kärntner Sonderbildung [Seite: S. 53] [=> Seite] zu sein.6.10 Bei landschadenbündigen Schuldbriefen handelt es sich um ein Exekutivverfahren.6.11 Das ursprüngliche Recht des Gläubigers auf eigenmächtige Befriedigung an der Schuldnerhabe6.12 ist allerdings dahin abgewandelt, daß bei Schuldverschreibungen, die mit einer besonderen Formel ausgestattet sind, ein abgekürztes Verfahren stattfindet und die Verteidigungsmöglichkeit des Schuldners beschränkt ist.6.13 Diese rein deutschrechtliche Einrichtung wurde allerdings von der späteren Jurisprudenz (Rampichl 173, Beckmann 270, 531) als das "instrumentum guarentigiatum" des italienischen Rechtsbrauches aufgefaßt.6.14
Deutscher Prägung ist der Vorgang beim Urteile, sowohl bei Beiurteilen, wie z.B. beim Beweisurteile, als auch dem Endurteile (im Bestreitungs- und im Säumnisfalle). Auf die Frage des Vorsitzenden erfolgt der Urteilsvorschlag beider, im Säumnisfalle eines Streitteiles.6.15 Daran schließt sich — gewöhnlich nach Besprechung mit den anderen Beisitzern (vgl. Planck I 254 f., Erberg obs. 3) — die Urteilsfindung durch den vom Vorsitzenden befragten Rechtsprecher und — falls nicht gedingt wird — die Urteilsfolge der übrigen Beisitzer. Das stimmt vollkommen mit dem mittelalterlichen Gerichtsbrauche überein.6.16
Im Rechtsmittelverfahren weist die Bezeichnung Dingnus (Anm. II, 15, IV, 29)6.17 auf den Zusammenhang mit dem mittelalterlichen Geding, Dingnus des bairisch-österreichischen Rechtsgebietes, hin. Über das Wesen der bairischen Dingnus herrschen vollkommen entgegengesetzte Auffassungen.6.18 Die Dingnus Kärntens zeigt jedenfalls deutlich ihren Ursprung aus der Urteilsschelte6.19 des mittelalterlichen Rechtes, allerdings nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern als Rechtszug an ein höheres Gericht. Dies beweist die eigentümliche Beschränkung der Zulässigkeit des Dingens. Es muß gedingt werden, sobald der zuerst befragte Beisitzer sein Urteil ausgesprochen (also es gefunden) hat. Wird weiter abgefragt, entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das deckt sich mit der Auffassung einiger mittelalterlichen Rechtsquellen.6.20 Im innerösterreichischen Rechtsgebiete muß also gegen das Urteil des Rechtsprechers gedingt werden, bevor der nächstfolgende Beisitzer sein Urteil abgegeben hat.6.21
Die Zwangsvollstreckung weist rein deutschrechtliche Grundzüge auf.6.22 Sie ist obrigkeitlicher Akt (so schon St. Lr. art. 6, 11) und hat jede Spur der außergerichtlichen Privatpfändung abgestreift.6.23 Als Träger des Verfahrens scheint aber im Sprachgebrauche noch immer der Gläubiger auf.6.24 Eine Leistungsfrist wird dem Schuldner nicht gewährt.6.25 Er hat auch im Gegensatze zu den meisten mittelalterlichen Rechtsquellen (Planitz 526 ff., Meibom 55 ff.) keinen Einfluß auf die Pfandwahl.6.28 Die Aufweisung ist unter dieser Bezeichnung dem mittelalterlichen Rechte Innerösterreichs bekannt.6.27 Eine Pfandwegnahme (Besitzentziehung) ist mit [Seite: S. 54] [=> Seite] ihr nach Kärntner Recht nicht verbunden.6.28 Die Relation6.29 und der erste Scherm6.30 haben im Steirer und Krainer Rechte kein Gegenstück.6.31
Das viermalige Pfandfürtragen dient zwei Zwecken: der Schuldner hat die Möglichkeit, die Pfänder zu lösen, dritte Personen können ihre Ansprüche darauf geltend machen.6.32 Es deckt sich dieser Schritt mit dem Pfandaufgebote des mittelalterlichen deutschen Rechtes (Planitz 627 ff., Meibom 81 ff.), wenn man als Zweck des Aufgebotes neben der von Planitz betonten richterlichen Kontrolle auch die "Proklamation" (Meibom 83) erblickt.6.33 Die Einreden dritter dinglich Berechtigter lassen sich schon im steirischen Gerichtsbrauche des Mittelalters nachweisen (vgl. Anm. 32), so daß ihr deutschrechtlicher Ursprung außer Zweifel steht.6.34 Der vierte6.35 Tag des Pfandfürtragens dient dazu, vom Gerichte das Anbot an den Beklagten zu erwirken, inner 14 Tagen die gepfändeten Güter zu lösen. Dies ist das mittelalterliche Einlösungsanbot (Planitz 637 ff., Meibom 85 f.).
Der Stadtscherm beinhaltet die Eigentumsübertragung der gepfändeten Sache an den Gläubiger und die endgültige Friedewirkung. Das Kärntner Recht hielt demnach am Pfandverfalle (Planitz 642 ff.) mit der auffallenden Eigentümlichkeit fest, daß die mit dieser Verwertungsart sonst stets verbundene Schätzung (Planitz 646 ff.) fehlt. Infolgedessen war auch die Verpflichtung des Gläubigers, den Mehrwert herauszugeben (Anm. IV, 45, vgl. Planitz 648 f., 658 f.), bis er die Pfandstücke veräußerte, wirkungslos. Die tatsächliche Einantwortung (Ansatz) der Pfänder hat ursprünglich keine rechtliche Bedeutung. Erst verhältnismäßig spät wurde durch die Einführung der Schätzung die Angleichung an Steiermark vollzogen.6.36 Sie liegt in der Zeit nach dem Pfandverfalle und ist der Einantwortung verbunden.
Zeitweise spielt in das Vollstreckungsverfahren bei Liegenschaften das Cantorecht hinein, das dem Pfandverkauf im Gerichte entspricht (Planitz 681 f.). Verkäufer ist der Gläubiger, nicht das Gericht (Planitz 680, 688) und ist der Verkauf ein einseitiges Gläubigerrecht, das sich aus dem ihm durch Erteilung des Stadtscherms zustehenden Eigentumsrechte ergibt (Anm. IV, 49).
Das Vollstreckungsverfahren kennzeichnet sich durch eine Auflösung in eine überreiche Anzahl von Einzelschritten [Pfändung, gerichtliches Aufgebot, Einlösungsanbot6.37, Pfandverfall6.38] und durch eine eigentümliche Mischung von altertümlichen (Festhalten am Pfandverfall, Fehlen der in den Pfandverfallsgebieten sonst stets nachweisbaren Schätzung) und neuen, durch Gerichtsbrauch entstandenen Bestandteilen (Verfahrensöffentlichkeit, Einredemöglichkeit, Entwicklung des Versteigerungsgedankens).
Das Stadtrechtsverfahren als solches weist eine große Anzahl altertümlicher Formeln, die in das Mittelalter zurückgehen, auf [Seite: S. 55] [=> Seite] (vgl. die Formeln bei Kraus, Hs. 517 und Rampichl). Ein Überrest der Formstrenge hat sich bei der Klagsbestreitung erhalten.6.39 Der Grundsatz des Parteienbetriebes (vgl. Planck I 169 ff.) beherrscht — wie aus dem Aufbau des Verfahrens hervorgeht — den Prozeßgang. Dagegen ist die Mündlichkeit stark zurückgedrängt (vgl. Planck I 133 ff.). Die Klagseinbringung erfolgt in der Regel schriftlich und tritt auch im weiteren Verfahren die Protokollierung stark hervor.6.40 Die mündlichen Schlußreden nach dem Beweisverfahren sind durch Schlußschriften völlig verdrängt.6.41 Im allgemeinen hat aber das Stadtrecht mit großer Zähigkeit an dem aus dem Mittelalter überlieferten Verfahren festgehalten.
Für die Zusammensetzung ist eine bestimmte Anzahl von Beisitzern nicht erforderlich, Spuren der Tätigkeit des Stadtrichters als Einzelrichter sind nachweisbar (I, § 2). Die Zuständigkeit umfaßt auch die Inwohner und sogar allenfalls Fremde. Für die Form der Klage (ob schriftlich oder mündlich) ist neben der Höhe des Streitwertes der Umstand entscheidend, ob voraussichtlich Beweisaufnahmen notwendig sind und mit einem Beweismittelverfahren gerechnet werden muß.6.43
Die mündliche Klage beginnt mit der Vorforderung des Gegners durch den Fronboten, die — nötigenfalls unter Strafdrohung — wiederholt wird.6.44 Kontumazerkenntnisse sind erst spät nachweisbar.6.45 Auf Klagsvortrag und Verantwortung ergeht dann bei Anerkenntnis der Leistungsauftrag des Gerichtes ohne Fällung eines Erkenntnisses,6.46 sonst Abschied in der Hauptsache oder Zulassung zur Weisung. Dieses Verfahren deckt sich nicht ganz mit dem älteren steirischen Gerichtsgebrauch. Hier ist die Klage schriftlich zu verfassen und ergeht gleich das erstemal peremptorische Ladung zur mündlichen "Verfahrung" (Forma Frage 4, 12). Der Unterschied läßt sich daraus erklären, daß im Stadtgericht der Beklagte bei der Fürforderung vom Klagsinhalte nicht unterrichtet wurde und sich daher auch nach dem Klagsvortrage Bedacht nehmen konnte, ob er die Klage bestreiten wolle oder nicht.6.47 Jedenfalls ist es nicht notwendig, gemeinrechtliche Einflüsse anzunehmen.
Die schriftliche Klage wird dem Gegner zur Äußerung übermittelt. Wahrscheinlich schon ursprünglich war eine dreimalige Aufforderung zur Verantwortungseinbringung üblich. Im Bestreitungsfalle wurden meistens drei Schriften gewechselt, worauf ohne Anberaumung einer Tagsatzung Endentscheidung oder Beweiserkenntnis folgte. Diese Prozeßart zeigt Ähnlichkeit mit dem gemeinrechtlichen Verfahren.6.48 Sie geht sogar weiter, da sie jegliche mündliche Verhandlung beseitigt.6.49 Die Entscheidung (sei [Seite: S. 56] [=> Seite] es Bescheid oder Abschied) kommt als Mehrheitsbeschluß der Beisitzer zustande.6.50
Das Verfahren bei Schuldbriefen (auch bei landschadenbündigen) ist das übliche, doch ist die Möglichkeit von Einwendungen beschränkt und Appellation unzulässig.6.51
Dagegen stellt der Fremdenprozeß6.52 eine besondere Verfahrensart dar, die durch raschere Abwicklung gekennzeichnet ist, unabhängig davon, ob der Fremde in der Kläger- oder Beklagtenrolle auftritt. Als Gast (Fremder) gilt jeder, der außerhalb des Landes gesessen ist, was gegenüber dem Mittelalter einen Fortschritt bedeutet.6.53 Die Fristen sind verhältnismäßig lang.6.54 Der Fremdenprozeß ist rein deutschrechtlich und weist keine wesentlichen Unterschiede gegenüber Steiermark und Österreich auf.6.55
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts nimmt das Mandat- oder Mahnverfahren stark zu (Text bei III, 32). Sein Ursprung ist deutschrechtlich (Skedl, Mahnverfahren, 1891, 3 ff., Planitz 251 ff.), was sich besonders in den Ausdrücken äußert. Gerade in Kärnten lag eine Anknüpfung an das land- und stadtrechtliche Verfahren bei landschadenbündigen Schuldbriefen nahe. Die Erlassung des Zahlungsbefehles (Geschäftes) erfolgt ohne Einvernahme des Schuldners und wohl auch ohne richterliche Prüfung.6.56 Das Geschäft enthält die mit Präklusivwirkung versehene Aufforderung zur Einbringung von Einwendungen (Skedl 23 ff., 36 ff., Planitz 253 ff.), beinhaltet also eine Fristsetzung und keine Ladung (Skedl 37 f., 51 f., vgl. Briegleb EP. 111 ff.). Die Einbringung von Einwendungen setzt anscheinend das Mandat außer Kraft. Da auch Strafandrohungen in den Geschäften im allgemeinen nicht vorkommen, ist eine Ähnlichkeit mit den Reskripten des späteren gemeinen Rechtes unleugbar (vgl. Skedl 65 ff., 84 f.).6.57 Daß dem Schuldner eine dreimalige Aufforderung zugeht, ist wohl eine örtliche Sonderbildung.
Vielleicht eine bewußte Maßnahme gegen die gerade beim Mandatverfahren auf die Spitze getriebene Schriftlichkeit ist die Einschiebung eines Verhöres in den schriftlichen Prozeß.6.58 Sie hat dem mündlichen Verfahren mindestens teilweise seinen gebührenden Platz zurückerobert.
Von den Rechtsmitteln ist die Appellation stark gemeinrechtlich beeinflußt, vor allem in der zehntägigen Frist zur Appellationsanmeldung. Ursprünglich mußte anscheinend die Appellation sofort angemeldet werden, worauf 10 Tage für die Hebung offenstanden. Dies deutet auf einen Übergangszustand hin, in dem ein Zusammenwerfen der deutschrechtlichen sofortigen Anmeldungspflicht mit der Interpositionsfrist des römisch-kanonischen Prozesses,6.59 stattfand. Alle weiteren Fristen sind partikularrechtlich gestaltet, die beiden Abschnitte "introducendae" und "prosequendae appellationis" in einem zusammengezogen.6.60 Die im 17. Jahrhundert an Stelle der schriftlichen Appellationserledigung [Seite: S. 57] [=> Seite] tretenden Verhöre sind in Zweckmäßigkeitserwägungen begründet und haben möglicherweise ihr Vorbild im steirischen Gerichtsbrauche.6.61
Für das Zwangsvollstreckungsverfahren ist es von Bedeutung, daß der Abschied als Enderkenntnis im Gegensatze zum Stadtrechtsurteile noch nicht die Befugnis zur Exekution gibt, sondern erst — wie im Mittelalter — das richterliche Gebot, ihn zu erfüllen.6.62
Das sich nach Abschied oder Anerkenntnis einschiebende Zwischenverfahren zeigt durch die Dreizahl der Geschäfte und die deutschen Ausdrücke seinen Ursprung.6.63 Die Einschränkung auf zwei Warnungen deckt sich mit dem Verfahren bei der Landeshauptmannschaft (Anm. V, 38) und dem Gerichtsgebrauche in Steiermark.6.64
Das Exekutionsverfahren bei der Zwangsvollstreckung in das Vermögen hat eine Fülle sonderrechtlicher Unterabschnitte6.65 In den Grundzügen stimmt es mit der steirischen Praxis überein, besonders auch darin, daß die Schätzung ursprünglich vor der Einantwortung stattfindet.6.66 Die Verfahrensgrundsätze (Anbotszwang, Pfandverfall, Einredemöglichkeit) entsprechen jenen des Stadtrechtes, doch sind einige bedeutsame Unterschiede nachweisbar.
Vor allem ist, besonders zu Beginn der behandelten Periode, die Exekution durch mittelbaren Zwang sehr verbreitet. Die Schätzung ist im Stadtgerichtsverfahren, das nicht durch gesetzliche Vorschriften gehemmt ist, schon früh nachweisbar. Die Einantwortung gibt bis gegen 1600 dem Betreibenden noch kein Eigentum.6.67 Von den einzelnen Exekutionsschritten weist die Widersetzlichkeit deutlich auf die mittelalterliche Pfandwehr hin.6.68 Die Einredemöglichkeit ist ursprünglich weiter ausgedehnt als im Stadtrechte, jedoch durch mangelnde Verfahrensöffentlichkeit erschwert, wogegen sich verschiedene Reformversuche richten (siehe im Text bei III, 135).
Die Verlegung der Schätzung hinter die Einantwortung und ihre Verknüpfung mit der Aufteilung der Pfandstücke auf die einzelnen Gläubiger vollzieht sich entsprechend der Entwicklung im Stadtrechtsverfahren und beruht auf Zweckmäßigkeitsgründen. Das deutschrechtliche Wesen des Verfahrens wird dadurch nicht berührt.6.69 Ebenso ist die später übliche Bezeichnung der beiden Hauptabschnitte, Aufweisung und Einantwortung, als "executio ex primo" und "ex secundo decreto" eine äußerliche Angleichung an die gemeinrechtliche Gerichtssprache.6.70
Ursprünglich herrscht eine große Mannigfaltigkeit der Exekukutionsmittel. Wenn auch das gemeine Recht Geld- und Haftstrafen kennt (Wetzell 641 ff.), so ist ihr Vorherrschen in Klagenfurt eher aus der richterlichen Zwangsgewalt abzuleiten (vgl. Planitz 105 f., 114, Anm. 46). Sie sind Mittel, den Schuldner zu einer Zeit, [Seite: S. 58] [=> Seite] als noch unmittelbare Vermögensvollstreckung unzulässig ist, zur Erfüllung zu nötigen, also Zwangsmittel im Urteilsungehorsamsverfahren (Planitz 100 f.). Damit stimmt überein, daß sie in den Hintergrund treten, sobald sich die Zwangsvollstreckung in das Vermögen entfaltet.
Das Arrestverfahren6.71 deckt sich im wesentlichen mit jenem der anderen österreichischen Länder6.72 und der gemeinrechtlichen Praxis Deutschlands,6.73 doch weist es mehrere Anklänge an seinen deutschrechtlichen Ursprung auf. Der Sprachgebrauch ist bis gegen 1600 deutsch.6.74 Gegenüber Fremden wird das Erfordernis der Zahlungsunfähigkeit nicht streng beobachtet (vgl. Planitz ZRG. 52, 87 ff.). Spuren des Generalarrestes sind nachweisbar.6.75. Der Arrest ist zwar in erster Linie Sicherungsmittel, doch sind Hinweise auf seine ursprüngliche Verwendung als Befriedigungsmittel nachweisbar (vgl. Planitz, Arrest 70 ff., 80 ff.). Denn bis gegen 1620 ist bei Geldforderungen das Arrestverfahren gleichzeitig Verfahren in der Hauptsache (Text bei III, 150), was mit dem deutschen mittelalterlichen Rechte übereinstimmt.6.76 Allerdings hat sich in diesem Punkte der Gerichtsbrauch in Kärnten6.77 bedeutend rascher der gemeinrechtlichen Übung angeschlossen als in Steiermark und Österreich.6.78
Zusammenfassend zeigt das Stadtgericht gegenüber dem Stadtrechte6.79 eine größere Anzahl von Verfahrensarten, ein völliges Zurücktreten der Formstrenge und einen in Wandlung begriffenen Rechtsgang. Der Grundsatz des Parteienbetriebes herrscht auch hier unbeschränkt, die Mündlichkeit ist zeitweise stark zurückgedrängt.
Bei der Partei- und Prozeßfähigkeit läßt sich bei beiden Gerichten gegenüber dem gemeinen Rechte (Wetzell 91 ff.) keine besondere Abweichung feststellen. Stellvertretung6.80 ist schon zu Beginn des behandelten Zeitraumes möglich. Das Stadtgericht läßt stets schriftliche6.81 außergerichtliche Vollmachtserteilung zu, wogegen das Stadtrecht bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts am Erfordernisse der Vollmachtserteilung vor Gericht mittels Ergreifung des Gerichtstabes festhält.6.82
Der Parteienwechsel in der Beklagtenrolle auf Grund der Gewährleistung durch Eintritt des Schermers in den Prozeß ist nach deutschrechtlichen Grundsätzen geordnet.6.83. Eine Nebenintervention im Sinne der gemeinrechtlichen Übung (Wetzell 47 ff.) ist in Klagenfurt nicht nachweisbar, ebensowenig eine Spur davon, daß die "laudatio auctoris" eine prozeßhindernde Einrede sei (Gillis 83 ff., 88 f.). Sehr beschränkt ist das Anwendungsgebiet des Voreides der Parteien, da ein [Seite: S. 59] [=> Seite] "iuramentum calumniae" nur in Ausnahmsfällen vorkommt.6.84 Das Kautionswesen entspricht im wesentlichen der Ausbildung dieser Einrichtung im gemeinen Rechte.6.85 Bezüglich der Prozeßkosten ist es fraglich, ob sich der Grundsatz der Kostenersatzpflicht seitens der unterlegenen Partei zu Beginn der Periode im Stadtrechte durchgesetzt hatte,6.86 später war dies zweifelsohne der Fall.6.87 Das Verfahren bei der Kostenbestimmung deckt sich mit dem in den anderen österreichischen Ländern.6.88
Im Rechtsgange selbst ist der erste noch außergerichtliche Schritt, das gütliche Ersuchen, eine Sonderbildung des österreichischen Rechtsgebietes.6.89 Ihr ist wohl ein hohes Alter zuzusprechen.6.90 Bei der Klage ist in Kärnten — wie in den anderen Ländern der österreichischen Gruppe — die gemeinrechtliche Artikulierung niemals durchgedrungen.6.91
Die Verteidigung des Beklagten mittels Exzeption oder in der Hauptsache weist bei Stadtrecht und Stadtgericht keinen Unterschied auf. Die Bezeichnung Exzeption findet sich in der Kärntner Rechtssprache schon bei Ampfinger (art. 10) und in den ersten ausführlicher erhaltenen Protokollen (Anm. I, 25, II, 6). Es lassen sich aber zwei Eigentümlichkeiten feststellen. Vor allem ist in Kärnten die Verpflichtung der Kumulierung oder das sogenannte Eventualprinzip6.92 in der Weise ausgebildet, daß sämtliche Exzeptionen (ob sie gemeinrechtlich als dilatorische oder peremptorische aufzufassen wären) gemeinsam einzubringen sind (Anm. I, 25, II, 6, III, 26, IV, 13). Kärnten steht darin im niederösterreichischen Rechtsgebiete allein6.93 und lassen sich ähnliche Vorschriften nur vereinzelt in deutschen Partikularrechten nachweisen.6.94 Zur Erklärung muß die zweite Eigentümlichkeit herangezogen werden. Bis spät ins 17. Jahrhundert fehlt die Unterteilung der Exzeptionen in dilatorische und peremptorische6.95 und deckt sich der Exzeptionsbegriff keineswegs mit der gemeinrechtlichen Lehre. Ein Reihe von Einwendungen werden nicht als Exzeptionen aufgefaßt6.96 und gibt Lro. art. 12, Abs. 6, als Beispiele von Exzeptionen nur solche Einreden, die nach mittelalterlichem deutschem Rechte zur Antwortsverweigerung berechtigen würden.6.97 Dies weist darauf hin, daß sich im Kärntner Gerichtsbrauche unter dem fremden Namen der Exzeption die Antwortverweigerung des deutsch-mittelalterlichen Prozesses verbirgt.6.98
Die Litiskontestation6.99 ist kein ausgeprägter, förmlicher Prozeßabschnitt und wird als einseitiger Prozeßakt des Beklagten aufgefaßt.6.100 Auch hier läßt sich in Kärnten eine Eigentümlichkeit feststellen. Entgegen der theoretisch richtigen Auffassung und der gemeinrechtlichen Übung6.101 umfaßt die Litiskontestation bis ins 17. Jahrhundert die Verteidigung mit Exzeptionen und die Verantwortung in der Hauptsache.6.102 Es verbirgt sich also unter einer fremdländischen Bezeichnung eine deutsche Einrichtung, der, [Seite: S. 60] [=> Seite] sei es durch Ablehnung der Verantwortung (Antrag auf Prozeßabweisung), sei es durch Antwort (Antrag auf Sachabweisung), bewirkte Eintritt des Beklagten in das Verfahren6.103 Infolgedessen hat die Litiskontestation auch nicht die umfassende Bedeutung, die ihr im gemeinen Rechte als dem den Prozeß in zwei Teile trennenden Einschnitt (Planck BU. 139 ff., 177) zukommt. Das Kärntner Verfahren hält vielmehr an der Dreiteilung des mittelalterlichen deutschen Prozesses (Verhandlung über die Antwortpflicht des Beklagten, Parteienbehauptungen in der Sache selbst, Beweisverfahren) fest, wobei besonders der Prozeßabschnitt des Beweiserkenntnisses hervortritt.6.104
Die bedeutendste sachliche Wirkung der gemeinrechtlichen Litiskontestation, die Unterbrechung der Verjährung, tritt in Kärnten schon mit Klagseinbringung ein.6.105 Verfahrensrechtlich lassen sich so gut wie keine Wirkungen der Kriegsbefestigung feststellen. Sie ist ein leerer Sammelbegriff. Ihr wird weder in der Landrechtsordnung noch in den späteren Entwürfen ein besonderer Artikel gewidmet oder ihrer Wirkungen Erwähnung getan.6.106 Am meisten zeigt sich dies bei der Klagsänderung. Sie steht mit der Litiskontestation in keinerlei Zusammenhang. Es sind vielmehr andere Umstände für ihre Unzulässigkeit maßgebend: der Kläger muß bereits in der Klage angeben, welche Beweisart er wählt (Text bei II, 3, und Anm. IV, 7), die Klage hat dem gütlichen Ersuchen gleichlautend zu sein (Text bei IV, 7), Neuerungen im Weisungsverfahren (Anm. IV, 23) sind unzulässig. Infolgedessen ist für eine Klagsänderung von der Zustellung der Klage oder ihrem Vortrage bei der Verhandlung an kein Raum6.107 und bleibt der Kläger an Beweisgegenstand und Beweisform gebunden.6.108 Die Bindung an die einmal gewählte Beweisform wurde allerdings nach und nach fallen gelassen (Anm. I, 34, Text bei IV, 26), dagegen blieb der Grundsatz, daß die Klage dem gütlichen Ersuchen entsprechen müsse, anscheinend bis zu den Justizreformen Josefs II. aufrecht.6.109 Die Folgen waren für den Kläger nicht allzu schlimm. Entdeckte er im Stadtrechtsverfahren den Fehler, bevor sich Beklagter in Antwort eingelassen hatte, so bot die Vorschrift, daß bei Nichtverhandeln des Klägers die Tage aberkannt wurden (Text bei II, 5, und IV, 9), die Möglichkeit, einer Sachentscheidung aus dem Wege zu gehen. Ähnliches galt wohl auch im Stadtgerichte (Anm. III, 19). Daraus hat sich anscheinend bald ein Recht der Klagspartei auf Fallenlassen der Klage entwickelt, das sogar zeitweise noch im Beweisverfahren galt (IV, § 3 a.E., vgl. auch Anm. V, 22) und nur Kostenfolgen hatte.6.110
Immerhin fand schließlich auch in Kärnten die Gleichsetzung der hauptsächlichen Antwort mit der Litiskontestation statt und wurden dieser die gemeinrechtlich üblichen Wirkungen zugeschrieben.6.111 Dagegen läßt sich die spezielle Litiskontestation [Seite: S. 61] [=> Seite] des sächsischen und späteren gemeinen Rechtes6.112 in Kärnten als Zwangsvorschrift nicht nachweisen, wenn auch spezielle Bestreitung der Klagstatsachen vorkommt (Anm. I, 17, III, 27).
Das Säumnisverfahren gegen den Beklagten vor Streiteinlassung,6.113 also das Ladungsungehorsamsverfahren im Stadtrechte, entspricht dem, das sich in den meisten deutschen Rechtsgebieten des Spätmittelalters für den Schuldprozeß ausgebildet hatte. Es ist nicht mehr Straf-, sondern Sachurteil6.114 mit Sicherungen für den Schuldner, die im gütlichen Ersuchen, in den mehrfachen Gerichtstagen, der Notwendigkeit, gleich beim ersten Gerichtstage den Klagsgegenstand zu bezeichnen, bestehen (vgl. Planitz 433 f.). An diesem Kontumazverfahren im engeren Sinne haben Stadt- und Landrecht wie eine Reihe anderer deutscher Rechtsgebiete gegenüber dem gemeinen Rechte festgehalten und niemals das Eremodizialprinzip angenommen, nach dem auch bei Ungehorsam des Gegners der Kläger zum Beweise der Klagstatsachen verhalten wird.6.115 Beim Kläger kennt das Stadtrecht bei Säumnis vor Streiteinlassung nur die Möglichkeit der Tagefällung, also die Entbindung von der Instanz unter Kostenersatzpflicht. Ihn treffen Kontumaznachteile, nicht Kontumazfolgen.6.116 Bei Säumnis nach der hauptsächlichen Verantwortung, also regelmäßig im Verfahren nach dem Beweisurteil, erfolgt stets die Endentscheidung auf Grundlage dessen, was seitens der Streitteile eingekommen ist. Es gilt also das Eremodizialprinzip in der Weise, daß Nichtvornahme einer Prozeßhandlung nur den Ausschluß von dieser Handlung, demnach Teilversäumnis zur Folge hat.6.117
Im Stadtgerichte entspricht das Säumnisverfahren nach Antwort in der Hauptsache ganz jenem im Stadtrechte, nur daß — entsprechend dem Stadtgerichtsverfahren überhaupt — mehrfache Fristen vorkommen. Dagegen ist ein Kontumazerkenntnis vor diesem Verfahrensabschnitt erst in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts nachweisbar. Der Gedanke liegt nahe, hierin eine Annäherung an die gemeinrechtliche Praxis (vgl. Anm. 115) zu erblicken, zumal da die ursprünglich im Stadtgericht häufige Anwendung von Zwangsmitteln auch in verschiedenen Gebieten des gemeinen Rechtes — zumindest wahlweise — vorkommt.6.118 Dem widerspricht jedoch der Umstand, daß — sobald im Stadtgerichte Säumniserkenntnisse vor dem Beweisabschied nachweisbar sind — diese Kontumazerkenntnisse im engeren Sinne ohne Eremodizialverfahren sind (Anm. III, 19, 24).6.119 Die Erklärung liegt aller Wahrscheinlichkeit nach darin, daß das Stadtgericht ursprünglich auf der Zwangsgewalt des Richters beruhte und dieser zwar den Ungehorsam gegen seinen Ladungsbefehl bestrafen, nicht aber Entscheidungen fällen konnte, solange sich Beklagter nicht in den Streit eingelassen hatte.6.120 [Seite: S. 62] [=> Seite]
In engem Zusammenhang mit dem Säumnisverfahren steht die Einrichtung der ehaften (echten) Not.6.121 Ihr deutschrechtlicher Ursprung zeigt sich besonders in der Beschränkung auf wenige, genau festgesetzte Einzeltatbestände.6.122 Die echte Not muß durch einen Scheinboten6.123 gemeldet werden, der entweder durch Eid in die Seele des Auftraggebers oder durch ein Schreiben, in dem dieser bei seinem Eide die Unmöglichkeit des Erscheinens anzeigt, zu beweisen hat.6.124 Echte Not verhindert Säumniserkenntnis, zwingt aber nicht zur Vollmachtserteilung.6.125 Inwieweit in späterer Zeit eine Entwicklung zum Begriffe der höheren Gewalt stattfand, ist nicht ersichtlich.6.126
Was das Beweisrecht anlangt, so steht das steirische Landrecht, das auch in Kärnten gegolten hat (Bischoff 65, Darst. 128), zwar gegenüber den deutschrechtlichen Beweisregeln des Frühmittelalters6.127 bereits auf einer höheren Entwicklungsstufe, hält aber an der Einseitigkeit der Beweisrolle fest (art. 45, 50).6.128 Das Beweissystem der Klagenfurter Gerichte und des Landrechtes zu Beginn der behandelten Periode ist eine Weiterentwicklung dieses Beweisrechtes. Der Parteieneid ist verschwunden, die drei ursprünglich miteinander unvereinbaren (Anm. II, 3) Beweisarten, Zeugen, Urkunden und eidliche Vernehmung des Gegners, sind voll ausgebildet,6.129 der Gegenbeweis ist unbeschränkt zulässig.6.130 Inwieweit diese Entwicklung sich selbständig vollzog oder durch das kanonische und gemeine Recht beeinflußt wurde, ist im einzelnen schwer festzustellen. Der Unvereinbarkeit der drei Beweisarten liegt zweifelsohne eine (deutschrechtliche) Sonderbildung zugrunde.6.131 Die von den Zeugen verlangten persönlichen Erfordernisse (Anm. III, 46) lassen sich ebensogut mit den Bestimmungen des mittelalterlichen deutschen (Planck II 47 ff., BF. 214 ff.) wie mit jenen des gemeinen Rechtes (Endemann, Bew. 203 ff., Wetzell 206 ff.) vereinen. Am deutlichsten zeigt sich die deutschrechtliche Grundlage bei der Vernehmung des Gegners. Sie wird als eine Abart des Zeugenbeweises aufgefaßt und ist daneben jeder andere Beweis unzulässig.6.132 Ist die Bezeichnung als Zeuge außerhalb Kärntens nur vereinzelt nachweisbar,6.133 so entspricht die Erscheinung als solche dem spätmittelalterlichen Rechtszustande, wonach das Wissen des Beklagten ein für den Kläger verwertbares Beweismittel ist.6.134 Daraus erklärt sich, daß der Eid vom Gegner nicht zurückgeschoben werden kann.6.135
Es ist aufschlußreich, den Kampf des gemeinen Rechtes mit diesen deutschrechtlichen Grundsätzen, besonders beim Parteieneid, zu betrachten. Die Theorie des notwendigen und des Schiedseides6.136 konnte nur schwer Boden gewinnen. Der notwendige Eid steht im Widerspruch zu dem in Kärnten geltenden Grundsatze der Parteienwillkür auf dem Gebiete des Beweisrechtes — natürlich im Rahmen der zulässigen Beweismittel — und der Unvereinbarkeit [Seite: S. 63] [=> Seite] verschiedener Beweisarten. Der Schiedseid war mit Rücksicht auf die Möglichkeit, den Gegner als Zeugen zu führen, überflüssig. Die Kenntnis der römisch-kanonischen Beweislehre führte — da die Vernehmung des Gegners als Zeugen ins Belieben des Klägers gesetzt war — dazu, darin den gemeinrechtlich zugeschobenen (Schieds-)Eid zu erblicken,6.137 und wurde daher um die Mitte des 17. Jahrhunderts anerkannt, daß der vom Gegner verlangte Eid zurückgeschoben werden kann (Anm. III, 55, und IV, 26). Länger brauchte es, um den notwendigen Eid durchzusetzen. Es gelang dies allem Anscheine nach dadurch, daß man von der beweisführenden Partei Anbot zum "iuramentum suppletorium" verlangte.6.138 Gegen 1700 ist jedenfalls auf dem Gebiete der Beweismittel die gemeinrechtliche Lehre vollkommen durchgedrungen.6.139
Eine Einrichtung des Beweisrechtes ist noch zu erörtern: die Möglichkeit für den Beweisgegner, sich seiner Einvernahme als Zeuge durch Führung eines Gegenbeweises zu entziehen. Dies ist bereits um 1575 nachweisbar (Text nach I, 34, Anm. III, 55) und entspricht der Gewissensvertretung des sächsischen Rechtes, die sich später auch im gemeinen Rechte durchsetzte.6.140 Die Entwicklung in Kärnten scheint sich jedoch selbständig vollzogen zu haben.6.141
Ob die Beweisregeln durch das gemeine Recht beeinflußt waren, läßt sich schwer beantworten, da weder die Landrechtsordnung noch die späteren Entwürfe Vorschriften enthalten und man daher auf dürftige Bemerkungen in den "Lanndtsgebreich" und den Protokollen angewiesen ist (Text bei I, 36, und III, 57, Anm. IV, 25). Die Notwendigkeit von mindestens zwei Zeugen beim Zeugenbeweise (vgl. Lg. art. 25) beruht kaum auf gemeinrechtlichen Lehren,6.142 da dies auch die Mindestzahl des deutschen Rechtes und gerade in Kärnten schon während des Mittelalters nachweisbar ist.6.143 Daß Gerichtsurkunden vollen Beweis liefern, wird als selbstverständlich nirgends erwähnt (vgl. Planck II 180 ff.). Bei Privaturkunden ist neben dem Petschaft eigene Unterschrift oder Bestätigung durch zwei Zeugen erforderlich.6.144 Gemeinrechtliche Anschauungen dürften nur für die Beweiskraft der Handelsbücher — sie liefern halben Beweis und sind durch Zeugenvernehmung zu ergänzen (Anm. I, 36, III, 57) — ausschlaggebend gewesen sein.6.145 Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts sind allerdings die gemeinrechtlichen Beweisregeln wohl schon in allen Punkten durchgedrungen.6.146 Die Beweislast trifft den Behauptenden, was der gemeinrechtlichen Übung entspricht.6.147
Beweisurteil im Stadtrecht und Beweisabschied (Beweisbescheid) im Stadtgerichte sind nach deutschrechtlicher Auffassung das Gericht bindende, der Rechtskraft fähige Entscheidungen, die einen deutlichen Prozeßeinschnitt bilden.6.148 Das Beweiserkenntnis ist die Voraussetzung der Beweisführung, ohne dieses [Seite: S. 64] [=> Seite] Beweis anzutreten ist nicht gestattet (Anm. III, 43, vgl. Lg. art. 86), wobei Ausnahmen nur bei Urkunden möglich sind (Anm. I, 19). Eine Antizipation der Beweisführung wie im gemeinrechtlichen Prozesse ist also unzulässig.6.149 Der Inhalt des Beweiserkenntnisses ist meistens dürftig. Notwendig ist nur der Ausspruch über die Zuteilung der Beweislast.6.150 Außer zu Beginn und am Ende des behandelten Zeitraumes überwiegt der generelle Beweissatz.6.151 Der Gegenbeweis ist natürlich unbedingt zulässig. Eine Bezeichnung der Beweismittel fehlt, da hiefür volle Parteienfreiheit gilt.6.152 Das Beweiserkenntnis enthält auch keine Beweisfrist, da diese gewohnheitsrechtlich geregelt ist.6.153
Die Art und Weise der Beweisführung bewegte sich, seit Protokolle erhalten sind, ganz in den Formen der gemeinrechtlichen Praxis.6.154 Auch die Schlußschriften nach Durchführung der Weisung beruhen auf gemeinrechtlichen Anschauungen.6.155 Beim Enderkenntnis entspricht die kurze Begründung im Falle einer vorausgehenden Beweisführung, nämlich daß entweder genugsam oder nicht genugsam gewiesen wurde, dem späteren deutschmittelalterlichen Rechte, das auch nur in Ausnahmsfällen eine ausführliche Beweisprüfung kennt.6.156
Im Rechtsmittelverfahren deuten die Fristen für die Appellationserledigung auf den deutschrechtlichen Ursprung hin, da sie den mittelalterlichen Fristen für das Dingen inner und außer Landes entsprechen6.157 und im entschiedenen Gegensatze zu den entsprechenden Terminen des römisch-kanonischen Prozesses stehen.6.158 In die gleiche Richtung zeigen die Notwendigkeit der Schuberteilung durch die Oberinstanz bei nicht rechtzeitiger Erledigung6.159 und vor allem das Neuerungsverbot. In Klagenfurt wie im ganzen inner- und niederösterreichischen Rechtsgebiete hat sich die Grundregel des gemeinen Prozesses, daß im Appellationsverfahren Neues vorgebracht werden kann,6.160 nicht durchgesetzt, sondern sich das deutschrechtliche Neuerungsverbot behauptet.6.161 Dagegen entspricht der Vorgang bei der Appellations-aufrichtung, besonders der Apostelbrief, und das weitere Verfahren dem gemeinen Rechte,6.162 wenn auch Schriftlichkeit des Urteilsschelteverfahrens sich im späteren deutschmittelalterlichen Prozesse findet (Planck I 291, 295). Erwähnung verdient jedoch die sonderrechtliche Art der Appellationsaufrichtung, wenn in erster Instanz mündlich verhandelt worden war.6.163
Von den übrigen Rechtsmitteln ist die Beschwerde offensichtlich eine Schöpfung des Gerichtsgebrauches. Sie hängt in gewissem Sinne mit der Regel des kanonischen Rechtes zusammen, wonach gegen jede Entscheidung appelliert werden kann,6.164 unterscheidet sich aber von der Appellation durch die eigene Bezeichnung und dadurch, daß sie weder aufschiebende Wirkung hat, noch dem Gegner Gelegenheit zur Äußerung gibt.6.165 Die Revision [Seite: S. 65] [=> Seite] ist dagegen gemeinrechtlichen Ursprunges und weist keine Sonderheiten auf.6.166 Das gilt auch von der Restitution,6.167 deren Anwendungsgebiet mit Rücksicht auf das Neuerungsverbot sehr bedeutend ist.6.168
Klagenfurt besaß schon in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ein ausgebildetes Konkursverfahren mit gerichtlicher Beschlagnahme des gesamten schuldnerischen Vermögens, Verlautbarung der bevorstehenden Verteilung auf eine Weise, die den Gläubigern Gelegenheit zur Anspruchsanmeldung gibt, und Vermögensverteilung auf die Gläubiger unter gerichtlicher Leitung.6.169 Wenn auch ältere Nachrichten fehlen, so spricht vieles dafür, daß sich die Entwicklung auf rein deutschrechtlicher Grundlage, unbeeinflußt von dem in Italien ausgebildeten Konkursprozeß, vollzog.6.170 Vor allem ist die Entwicklung im wesentlichen zu einer Zeit abgeschlossen, in der Einflüsse fremden Rechtes sonst wenig nachweisbar sind. Dann zeigen die ältesten Prioritätserkenntnisse, besonders hinsichtlich der Forderungsreihung, große Ähnlichkeit mit den älteren Konkursordnungen Augsburgs und Ulms, die zweifellos frei von gemeinrechtlichen Einflüssen sind.6.171 Die Bezeichnungen sind im wesentlichen deutsch (vgl. Stobbe 287). Auch der Umstand, daß Konkurseröffnung auf Antrag des Schuldners unbekannt ist, widerspricht der gemeinrechtlichen Lehre und deutet auf selbständige Entwicklung hin.6.172 Bei den Versprechern beweist schon der Name6.173 den deutschrechtlichen Ursprung. Sie vereinigen die gemeinrechtlich getrennte Tätigkeit des "curator bonorum" und "curator ad litem" (vgl. Skedl 42 ff.) und werden bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts als Vertreter des Schuldners und nicht der Gläubiger aufgefaßt.6.174 Der Grundsatz der öffentlichen Verlautbarung findet sich — wenn man auch von der Öffentlichkeit des Pfandfürtragens absieht — in der Form des Aufgebotes bei der Schranne schon im mittelalterlichen innerösterreichen Rechte (vgl. Anm. IV, 3) und wird die Verwendung des Aufgebotes für das Konkursverfahren ausdrücklich bezeugt6.175 Von hier ist nur ein Schritt zur Aufschlagung des Ediktes (vgl. Stobbe 36 ff.).
Späterhin hat allerdings ein Eindringen gemeinrechtlicher Rechtsgedanken stattgefunden, das sich in der Rechtssprache und besonders im materiellen Konkursrechte äußert.6.176 Im allgemeinen weist das Konkursrecht in Klagenfurt keine bedeutenden Unterschiede gegenüber dem Rechtszustand in Kärnten6.177 und den anderen österreichischen Ländern auf,6.178 mit einer Ausnahme, dem Cantorecht.6.179
Wie schon betont, hat Kärnten wie die anderen Länder der inner- und niederösterreichischen Gruppe am Pfandverfall festgehalten. Wie man nun in Klagenfurt, zuerst im Konkurs-, späterhin im Zwangsvollstreckungsverfahren, zur Versteigerung von Liegenschaften gelangte, liegt völlig im Dunkeln. Sicher ist [Seite: S. 66] [=> Seite] nur, daß sich die Entwicklung auf gewohnheitsrechtlichem Wege vollzog und eine Beeinflussung durch auswärtiges Recht kaum anzunehmen ist.6.180
Beim Vergleiche beider Gerichte drängt sich unwillkürlich die Frage nach Herkunft und Alter auf. Quellenmäßig läßt sie sich nicht beantworten, da keine mittelalterliche Urkunde einen Hinweis auf das städtische Gerichtsverfahren enthält. Der Ausdruck "Stadtrecht" als technische Bezeichnung für eine Gerichtsart ist unbekannt.6.181 Auch aus dem Klagenfurter Stadtrechtsprivileg von 1338 und dem Rechtshilfevertrag der Städte St. Veit, Völkermarkt und Klagenfurt vom 28. Jänner 1386 läßt sich nichts entnehmen.6.182 Es muß daher versucht werden, aus der Art der Zusammensetzung und des Verfahrens Rückschlüsse auf Alter und Herkunft der beiden Gerichte zu ziehen.
Alle Umstände deuten darauf hin, daß dem Stadtrechtsverfahren ein höheres Alter zuzuschreiben ist. Vor allem zeigt es bedeutend größere Ähnlichkeit mit dem mittelalterlichen Rechtsgange und weist — besonders auch im Vollstreckungsverfahren — ein geschlossenes System auf, das sich während des behandelten Zeitraumes nur wenig ändert. Das Stadtgerichtsverfahren ist bis gegen das Ende des 17. Jahrhunderts einer ständigen Wandlung unterworfen und den Einflüssen des gemeinrechtlichen Prozesses stark ausgesetzt. Das Stadtrechtsverfahren ist ferner wie das im Landrechte ausgebildet, welches zweifelsohne gegenüber der Landeshauptmannschaft eine ältere Verfahrensart darstellt.6.183 Sehr bezeichnend ist, daß das Stadtgerichtsverfahren ursprünglich keine unmittelbare Exekution kennt, sondern sich mit mittelbaren Zwangsmitteln begnügen muß und dem Stadtrechtsprozesse als gütliches Verfahren gegenübergestellt wird, wenn es auch zu Beginn des behandelten Zeitraumes schon ein Prozeßverfahren ist.6.184 Es läßt sich daher kaum bezweifeln, daß das Stadtrecht die ältere Gerichtsart darstellt.
Schwieriger ist die Frage der Entstehung beider Gerichtsformen zu beantworten. Die Verhältnisse beim Stadtrechte liegen bedeutend klarer. Es ist seiner Zusammensetzung, Zuständigkeit und Verfahrensart nach ein mittelalterliches, durch Exemtion entstandenes, auf Bürger im engeren Sinne beschränktes Stadtgericht.6.185 Verwickelter ist die Sachlage beim Stadtgerichte. Ihm stand wohl seit jeher die Strafgerichtsbarkeit zu.6.186 Dagegen scheint sich der Ausbau der Zuständigkeit in Zivilsachen in mehreren Stufen vollzogen zu haben. In erster Linie kommt hier der Fremdenprozeß, das Gastgericht, in Betracht. Das Stadtrecht, das nur an wenigen, lange vorher verlautbarten Tagen zusammentrat, bot nicht die Möglichkeit einer raschen Durchführung, wie sie das Fremdenrecht [Seite: S. 67] [=> Seite] erforderte. So mußten im Falle des Gastgerichtes die Ratsmitglieder zu außerordentlichen Sitzungen zusammentreten und den Rechtsstreit unter Absehung von den Formvorschriften in kürzerer Frist erledigen.6.187 Sobald nicht nur die Bürger, sondern auch die sonstigen Inwohner der städtischen Zivilgerichtsbarkeit unterstanden,6.188 drängte sich wohl unwillkürlich der Gedanke auf, Prozesse gegen diese Bevölkerungsklasse (bei denen es sich vielfach um geringfügige Streitigkeiten handelte) außerhalb des Stadtrechtes in einem abgekürzten Verfahren bei außerordentlichen Ratssitzungen zu erledigen.6.189
Mit der allmählich zunehmenden Bedeutung des Stadtgerichtsverfahrens6.190 — sie wurde wohl auch dadurch gefördert, daß sich Bürger freiwillig diesem rascher arbeitenden Gerichte unterwarfen — kehrte sich für die bürgerliche Bevölkerung im engeren Sinne die Zuständigkeitsregelung geradezu um. Wollte der Bürger sich dem Stadtgerichte nicht unterwerfen, so mußte er den ihm gebührenden Gerichtsstand vor dem Stadtrechte ausdrücklich in Anspruch nehmen. Damit ist die Vorherrschaft des Stadtgerichtes eigentlich schon entschieden.6.191
Worauf stützte sich die Zuständigkeit des in der Form des Stadtgerichtes zusammentretenden Rates (besonders gegenüber den Vollbürgern)? Das Stadtgerichtsverfahren zu Beginn des hier behandelten Zeitraumes gibt bedeutsame Fingerzeige. Es fällt vor allem auf, daß hier im Gegensatze zum Stadtrechtsverfahren Versäumungserkenntnis gegenüber dem nichterscheinenden Beklagten und unmittelbare Zwangsvollstreckung in das schuldnerische Vermögen ursprünglich nicht nachweisbar sind, sondern vielmehr der Ausbleibende mit Strafen zur Erscheinung, der Nichterfüllende auf gleiche Weise zur Leistung gezwungen wird. Der Schlüssel zur Lösung dieser Frage liegt in der Zwangsgewalt des Richters. Erscheint der Beklagte nicht oder leistet er dem Erkenntnisse keine Folge, so verletzt er dadurch das richterliche Gebot, das ihm Erscheinen (Erfüllung) auferlegte, und wird straffällig.6.192
Der weitere Verlauf zeigt ein immer stärkeres Zurückdrängen des Stadtrechtes und die Ausbildung des Stadtgerichtsverfahrens, besonders auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung. Gegen 1600 ist diese Entwicklung im wesentlichen zum Abschlüsse gekommen und das Mandatverfahren unter fühlbarer Beeinflussung durch das gemeine Recht ausgebildet. Nun setzt gegen die übertriebene Schriftlichkeit und Fristenhäufung eine kräftige Gegenströmung ein, die zur Einschiebung von Verhören in das schriftliche Verfahren führt.6.193 Nach der Verdrängung des Stadtrechtes bleibt das Gerichtsverfahren bis zu den Josephinischen Justizreformen im wesentlichen unverändert.
Wenn auch die allgemeine Gerichtsordnung von 1781, beeinflußt vom Gerichtsbrauche der böhmisch-mährischen Ländergruppe [Seite: S. 68] [=> Seite], sich stärker an gemeinrechtliche Lehren anlehnt und besonders in der Frage der Mündlichkeit einen Rückschritt gegenüber dem bisherigen Verfahren in Innerösterreich mit sich bringt,6.194 so behält sie doch die Hauptgrundsätze des früheren Verfahrens, die formale Ordnung und das Eventualprinzip,6.195 bei, bedeutet also keinen Bruch mit der Vergangenheit.
Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Die äußere Form des Prozesses bewahrt ihre deutschrechtliche Prägung, gemeinrechtliche Einflüsse machen sich vorerst hauptsächlich in der zunehmenden Schriftlichkeit und der Behandlung einzelner Verfahrensschritte geltend, besonders jener, die im alten Rechte nicht eingehend geregelt waren. Hiebei leistet das Stadtrecht, das an den gesetzlich festgelegten Vorschriften des Landrechtes einen festen Anhaltspunkt hat, bedeutend stärkeren Widerstand als das Stadtgericht mit seinem rein gewohnheitsrechtlichen Verfahrensgange. Das weitere Vordringen des gemeinen Rechtes vollzieht sich im Wege einer Durchsetzung der alten Prozeßformen mit fremdem Geiste. Immerhin ist die Arbeit mehr als eines Jahrhunderts notwendig, um die Rezeption durchzuführen, wofür das Beweisrecht ein bezeichnendes Beispiel liefert. Vollständig war der Sieg des fremden Rechtes niemals. Wichtige deutschrechtliche Grundsätze, wie z.B. hinsichtlich der Säumnisfolgen, des Neuerungsverbotes im Rechtsmittelverfahren, des Fehlens einer Appellationssumme, hielten stand, daneben schafft der Gerichtsbrauch selbständig neue Formen, wie das Mandatverfahren, das Cantorecht, die auf deutschen Rechtsgedanken beruhen, und gelingt es, der Mündlichkeit wieder eine gebührende Stellung im Rechtsgange zu verschaffen. Dagegen sterben allerdings die zu reiner Formelhaftigkeit herabgesunkenen, gleichsam erstarrten Formen des Stadtrechtsprozesses ab. Die im deutschen Rechtsbewußtsein wurzelnde und vom gemeinen Rechte begünstigte Fristenhäufung wird allerdings nicht überwunden. Hier schafft erst die allgemeine Gerichtsordnung Wandel, die in ihrem auf naturrechtlichen Anschauungen beruhenden Grundsatze der völligen Parteienfreiheit mit dem Wesen des Kärntner Gerichtsverfahrens übereinstimmt.
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