Allgemeine Gerichtsordnung 1781 :: Transkription Speer 2013

Allgemeine Gerichtsordnung 1781 :: Transkription Speer 2013

[Editorial]

Quelle dieser Transkription ist das Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, auf das auch die Links der Seiten gerichtet sind:
Allgemeine Gerichtsordnung für Böheim, Mähren, Schlesien, Österreich ob, und unter der Ennß, Steyermarkt, Kärnten Krain, Görz, Gradiska, Triest, Tyrol, und die Vorlanden
Autor / Hrsg.: Joseph <Heiliges Römisches Reich, Kaiser, II.>
Verlagsort: Wien | Erscheinungsjahr: 1781 | Verlag: von Trattner
Signatur: J.austr. 13
Permalink: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10542679-3

Ausgabe in der Justizgesetzsammlung (JGS 13).

Das von Gerhard Köbler für seine Transkription benutzte Exemplar der UB Innsbruck trägt zwar den gleichen Druckvermerk, es handelt sich aber, wie zahlreiche Abweichungen in der Schreibweise und Zeichensetzung zeigen, um einen anderen Druck. Welchem die "Priorität" zuzuschreiben ist, bedürfte eingehender Untersuchungen und spielt für den Zweck dieser Transkription auch keine Rolle. Ein vergleichbares Problem zeigt sich bei dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch von 1811.

Bei der Transkription sind die übergeschriebenen "e" zur Kennzeichnung von Umlauten in die Umlaute selbst umgewandelt worden. Das gilt auch für groß geschriebene Umlaute, denen das "e" angefügt wurde und hat hauptsächlich den Grund, dass die originale Schreibweise mit Einschub eines Sonderzeichens die Zeichenkette des Wortes gravierend verändern würde, so dass es durch Suchmaschinen nicht mehr gefunden würde.

[Benutzungsvermerk]

Bei der Transkription ist jedes Kapitel und jeder Paragraph mit einem sogenannten "Anker" versehen worden, der es erlaubt, den betreffenden Paragraphen bzw. das Kapitel über einen Hyperlink anzusteuern. Dieser hätte etwa diese Form: <a href="http://.../AGO_1781#333">§ 333</a>

Des weiteren ist in die Datei ein vom Deutschen Rechtswörterbuch (DRW) bereitgestelltes Programm eingebaut, das es dem Benutzer ermöglicht, durch Doppelklick mit der Maus auf ein beliebiges Wort dessen Vorkommen im Wörterbuch bzw. dessen Textarchiv nachzuschlagen.

[Titelseite] Allgemeine Gerichtsordnung für Böheim, Mähren, Schlesien, Österreich
ob, und unter der Ennß, Steyermarkt, Kärnten
Krain, Görz, Gradiska, Triest, Tyrol, und
die Vorlanden.

Wird verkauft ungebunden das Stück auf Schreibpapier für 18. Kreuzer, und auf Druckpapier für 12. Kreuzer.

WIEN,
gedruckt bey Johann Thomas Edlen von Trattnern,
kaiserl. königl. Hofbuchdruckern und Buchhändlern.

1781.[Seite ungezählt 7]

[Vorrede]

Wir Joseph der Zweyte, von Gottes Gnaden erwählter römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, König in Germanien, zu Jerusalem, Ungarn, Böheim, Dalmatien, Croatien, Slavonien, Galizien und Lodomerien; Erzherzog zu Österreich; Herzog zu Burgund, zu Lotharingen, zu Steyer, zu Kärnten, und zu Krain; Herzog zu Toscana, Großfürst zu Siebenbürgen; Markgraf zu Mähren; Herzog zu Braband, zu Limburg, zu Luzemburg, und zu Geldern, zu Würtemberg, zu Ober- und Nieder-Schlesien, zu Mayland, zu Mantua, zu Parma, Placenz, Guastalla, Auschwitz, und Zator; zu Calabrien, zu Barr, zu Monferrat, und zu Teschen, Fürst zu Schwaben, und zu Charleville, gefürsteter Graf zu Habsburg, zu Flandern, zu Tyrol, zu Hennegau, zu Kyburg, zu Görz, und zu Gradisca; Markgraf des heiligen römischen Reichs, zu Burgau, zu Ober- und Nieder-Lausnitz, zu Pont à Mousson, und zu Nomeny, Graf zu Namur, zu Provinz, zu Vaudemont, zu [Seite ungezählt 8] Blankenberg, zu Zütphen, zu Saarwerden, zu Salm, und zu Falkenstein, Herr auf der Windischen Mark, und zu Mecheln etc. etc.

Entbieten allen Unsern in Böheim, Mähren, Schlesien, Österreich unter, und ob der Ennß, Steyermarkt, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Triest, Tyrol, und den Vorlanden dermalen, und künftig bestehenden Gerichtsbehörden, dann Unsern gesammten in Rechtsstreit im eigenen, oder fremden Namen verflochtenen Unterthanen, derselben Rechtsfreunden, und Sachwaltern Unsere Landesfürstl. Gnade, und geben euch zu vernehmen.

In gnädigster Erwegung, daß die reine Justitzpflege nicht bloß von der Güte der bürgerlichen Gesetzen, sondern auch von vorsichtiger Auswahl jener Wege abhange, in welchen dem Richter, ohne daß er seine Bestimmung verfehle, die Mittel zu Entdeckung der Wahrheit vorzulegen sind, haben Wir zu Erreichung dieses Endzweckes, und um in Unsern gesammten deutschen Erblanden eine Einförmigkeit einzuführen, jene Bearbeitung vollenden lassen, welche Unsere vielgeliebteste Frau Mutter Weiland Kaiserin Königin Majestät unvergeßlichen Andenkens in den letzten Jahren Ihrer glorwürdigsten [Seite ungezählt 9] Regierung einzuleiten geruhet haben: Und da Wir dieselbe Unsern Absichten gemäß befunden;

Als machen Wir Euch diese allgemeine Gerichtsordnung mit dem Landesfürstlichen Befehle kund, daß jeder, welcher in Eingangs gedachten Unsern Landen mit erstem Jänner 1782 anzufangen, Recht zu suchen, oder zu sprechen, oder einen Spruch zur Exekuzion zu bringen hat, sich nach der Vorschrift dieser allgemeinen Gerichtsordnung achten, auch der Richter einer Verjährung, widrigem Gebrauche, oder wie immer gearteten Auslegung nicht statt geben, sondern in zweifelhaften Fällen Unsere Entschliessung einholen solle: massen Wir alle vorige Gesetze, unter was für Benennungen sie immer ergangen wären, in soweit sie einen Gegenstand gegenwärtiger allgemeinen Gerichtsordnung betreffen, als aufgehoben anmit erklären.

Nur wollen Wir derzeit von Beobachtung gegenwärtiger Gerichtsordnung die annoch bestehende Berggerichte, dann die Merkantil- und Militarjustitzbehörden enthoben haben, wegen welchen Unsere weitere höchste Entschliessung Euch seiner Zeit bedeutet werden wird.

Hieran geschiehet Unser ernstlicher Willen und Meynung.[Seite ungezählt 10]

Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien den 1ten Monatstag May 1781 Unserer Reiche des Römischen im 17ten, und der Erbländischen im ersten Jahre.
Joseph.
L.S.
Henricus Comes à Blümegen,
Regis Boh Supus amp; Acis Aæ Primus Cancus.
Heinrich Graf von Auersperg.
Maria Joseph Graf v. Auersperg.
Ad Mandatum Sacæ Cæso.
Reg. Apost. Maj. propr.
Bernhard v. Zencker. [Seite ungezählt 11]

Inhalt.

[Abschnitt]Seite
Erstes Kapitel. Von dem gerichtlichen Verfahren überhaupt. 1
Zweytes Kapitel. Von dem mündlichen Verfahren. 7
Drittes Kapitel. Von dem schriftlichen Verfahren. 14
Viertes Kapitel. Von Vertretungen. 25
Fünftes Kapitel. Von der Widerklage. 27
Sechstes Kapitel. Von der Befügniß, und Schuldigkeit zu klagen, und sich zu vertheidigen. [27]
Siebentes Kapitel. Von dem eigentlichen Aufforderungsprozesse. 29
Achtes Kapitel. Von der Aufforderung bey einem vorzunehmenden Baue. 31
Neuntes Kapitel. Von dem Konkursprozesse. 32
Zehntes Kapitel. Von dem Rechnungsprozesse. 45
Eilftes Kapitel. Von dem Beweise. 47
Zwölftes Kapitel. Von dem Beweise durch Eingeständniß. 48
Dreyzehntes Kapitel. Von dem Beweise durch briefliche Urkunden. 49
Vierzehntes Kapitel. Von dem ordentlichen Beweise durch Zeugen. 61
Fünfzehntes Kapitel. Von dem Beweise zum ewigen Gedächtniße. 77
Sechzehntes Kapitel. Von dem summarischen Beweise durch Zeugen. 80
Siebenzehntes Kapitel. Von dem Beweise durch Kunstverständige. 82
Achtzehntes Kapitel. Von dem Beweise durch den Haupteid. 88
Neunzehntes Kapitel. Von dem Erfüllungs- und Ableinungseide.  92
Zwanzigstes Kapitel. Von dem Schätzungseide. 93
Ein und zwanzigstes Kapitel. Von der eidlichen Angabe. 95
[Seite ungezählt 12] Zwey und zwanzigstes Kapitel. Von den Eiden insgemein. 95
Drey und zwanzigstes Kapitel. Von Inrotulirung der Akten.  101
Vier und zwanzigstes Kapitel. Von den Urtheilen. 104
Fünf und zwanzigstes Kapitel. Von der Appellazion, und Revision, dann der Nullitätsklage. 107
Sechs und zwanzigstes Kapitel. Von Versuchung der Güte. 113
Sieben und zwanzigstes Kapitel. Von Schiedrichtern.  114
Acht und zwanzigstes Kapitel. Von dem Arreste. 116
Neun und zwanzigstes Kapitel. Vom Verbote auf fahrende Güter. 119
Dreyßigstes Kapitel. Von Sequestrazionen, und anderen mittlerweiligen Vorkehrungen. 123
Ein und dreyßigstes Kapitel. Von der Exekuzion. 125
Zwey und dreyßigstes Kapitel. Von Stillständen, und von Behandlung der Gläubiger. 149
Drey und dreyßigstes Kapitel. Von Abtretung der Güter.  152
Vier und dreyßigstes Kapitel. Von der Einsetzung in den vorigen Stand. 156
Fünf und dreyßigstes Kapitel. Von den Ferien. 158
Sechs und dreyßigstes Kapitel. Von der Zustellung der gerichtlichen Verordnungen. 161
Sieben und dreyßigstes Kapitel. Von Gerichtsunkösten. 166
Acht und dreyßigstes Kapitel. Von den Advokaten. 170
Neun und dreyßigstes Kapitel. Von dem Richter. 180

[Seite 1]

Erstes Kapitel. Von dem gerichtlichen Verfahren überhaupt.

§. 1.

Der Richter soll nur auf eine vorläufige Klage, und niemals von Amtswegen verfahren, ausgenommen, da er hiezu durch die Gesetze angewiesen wird.

§. 2.

Jedem Theile sind insgemein, und ausser den in dieser Gerichtsordnung ausdrücklich ausgenommenen Fällen zwo Reden, und nicht mehr zu gestatten: nämlich dem Kläger die Klage, und Replik, dem Beklagten aber die Einrede und Duplik. [Seite 2]

§. 3.

Der Kläger soll in der Klage das Faktum, woraus er sich ein Recht erwachsen zu seyn glaubet, vollständig mit allen Umständen, welche zu Bewährung seines Rechts dienlich seyn können, in der Zeitordnung anbringen.

§. 4.

In der nämlichen Klage sollen mehrere Gegenstände einer Rechtsführung nur damals angebracht werden därfen, wenn sie unter sich einen Zusammenhang haben.

§. 5.

Der Beklagte hat in der Einrede alle von dem Kläger angebrachte Umstände, und zwar jeden insbesondere in eben jener Ordnung, in welcher sie erzählet worden sind, ohne Zweydeutigkeit zu beantworten: daher soll die Beyrückung einer allgemeinen Verneinungsklausel verboten, und ohne Wirkung seyn.

§. 6.

Nach dieser Beantwortung hat der Beklagte in der Einrede das Faktum allenfalls zu ergänzen, [Seite 3] und jene Umstände, die der Kläger verschwiegen, oder anders, als sie sich verhalten, angebracht haben därfte, in der gehörigen Zeitordnung nachzutragen.

§. 7.

Endlich soll der Beklagte alle Einwendungen, womit er sich wider den Kläger auf eine Zeit, oder auf immer schützen zu können glaubet, (exceptiones dilatorias, & peremtorias) zugleich, und zwar jene um ersten anführen, welche aus einem Faktum entspringen.

§. 8.

Der Kläger hat in der Klage, und der Beklagte in der Einrede sein Begehren so genau als möglich, zu bestimmen.

§. 9.

In der Replik soll der Kläger die von dem Beklagten in der Einrede angeführten Umstände auf eben jene Weise, wie oben im 5. §. vorgeschrieben worden ist, beantworten; von seiner Klage aber weder etwas widerholen, noch andere neue Umstände anführen, als um die Einwendungen des Beklagten zu widerlegen.[Seite 4]

§. 10.

Der Beklagte hat in der Duplik die neuen Umstände, welche der Kläger in der Replik allenfalls angebracht hat, nach der im 5. §. gegebenen Vorschrift zu beantworten; es ist ihm aber nicht erlaubet, neue Umstände anzuführen.

§. 11.

Würde ein Theil einige Umstände des Faktums, welche der Gegner für sich angeführet hat, in der darauf folgenden Rede nicht ausdrücklich, und zwar insbesondere widersprechen, so wären solche bey Erledigung des Prozesses für wahr zu halten.

§. 12.

Das Faktum soll jederzeit in seiner Zeitordnung rein ohne Einmengung eines Vernunftschlusses, oder einer Rechtsstelle erzählet, die Beweismittel aber an brieflichen Urkunden, nöthigen Vollmachten, Eiden, Zeugenschaften, oder sonstigen Beweisarten sogleich angeführet, und beygeschlossen, auch wenn sich die Parthey auf Zeugenschaften gründet, der Namen, Zunamen, [Seite 5] Stand, die Bedienung, und die Wohnung der Zeugen angezeiget werden.

§. 13.

Beide Theile sowohl, als ihre Rechtsfreunde haben sich in ihren Reden der landesüblichen Sprache zu gebrauchen, und aller Weitläufigkeiten, Widerholungen, und Anzüglichkeiten zu enthalten.

§. 14.

Die Schriften sollen unter der bey jedem Gerichte gewöhnlichen Aufschrift, und Unterschrift überreichet: da wo im Gerichtsorte eigene angenommene Rechtsfreunde bestehen, von einem zu dem Gerichtsstande berechtigten Rechtsfreunde unterfertiget werden. In denselben ist auch von aussen nebst dem Namen, und Karakter beider streitenden Theile der Gegenstand des Streites anzuzeigen.

§. 15.

Insgemein ist schriftlich: in folgenden dreyen Fällen aber mündlich zu verfahren: a) auf dem Lande. b) in geringschätzigen Sachen, wo der [Seite 6] Gegenstand des Streites die Summe von 25 fl. nicht übersteiget, c) in Rechtshändeln, die aus einer bloß mit Worten zugefügten Unbild entstehen. Jedoch stehet beiden Theilen frey, durch gemeinschaftliches Einverständniß von diesen beiden gesetzmäßigen Verfahrungsarten abzuweichen, und sich selbst das eigentliche Verfahren auszuwählen, worüber sich dann jeder Theil in seiner ersten Rede auszudrücken hat, in welcher auch die Weisartikel, falls sich ein Theil auf Zeugen berufen will, sogleich beyzubringen sind.

§. 16.

Der Richter soll daher über jede Klage, wo der Gegenstand nach dem Gesetze zu einem mündlichen Verfahren geeignet ist, wie auch, wo der Kläger in der Klage, oder der Beklagte in der Einrede um die Einleitung eines mündlichen Verfahrens bittet, jedesmal eine Tagsatzung anordnen, bey welcher sich die Parthey entweder dem Antrage ihres Gegners in Verhandlung der mündlichen Nothdurft, oder der Vorschrift des Gesetzes in Mitbringung der schriftlichen Rede zu fügen, [Seite 7] der Richter aber entweder nach dem getroffenen gemeinschaftlichen Einverständnisse der Partheyen, oder, da dieses nicht bewirket worden, nach Vorschrift des Gesetzes die weitere Verfahrungsart einzuleiten haben wird.

Zweytes Kapitel. Von dem mündlichen Verfahren.

§. 17.

In den zu dem mündlichen Verfahren geeigneten dreyen Fällen hängt es von Willkur des Klägers ab, ob er seine Klage mündlich, oder schriftlich anbringen wolle.

§. 18.

Die mündlichen Klagen sind nach der bey jedem Gerichte bestehenden Verfassung in dem hiezu bestimmten Gerichtsorte von einer eigenen Gerichtsperson in ein eigenes Protokoll schriftlich aufzunehmen, wohin der Kläger jene briefliche Urkunden, auf die er den Beweis seiner Klage gründen will, in Abschrift einzulegen hat, [Seite 8] welche sodann samt einem Auszuge der Klage dem Beklagten bey seiner Vorforderung zuzustellen sind.

§. 19.

Wenn mündlich verfahren wird, soll der Richter über die Klage den Partheyen Tag, Stunde, und Ort zum Erscheinen bestimmen, das ist eine Tagsatzung anordnen.

§. 20.

Wenn bey einer auf dem Lande, oder über eine mündliche Klage angeordneten Tagsatzung beide Theile, und zwar ohne Vertretung eines Rechtsfreundes erscheinen, soll der Richter alles, was zur verläßlichen Erörterung des Faktums, und der beiden Theilen zustatten kommenden Beweise gehört, in das Klare setzen, vorzüglich aber erheben a) was Kläger eigentlich in der Hauptsache, und in den Nebenverbindlichkeiten begehre: b) ob Kläger, und Beklagter sich selbst zu vertreten berechtiget seyen: c) ob Beklagter seiner Gerichtsbarkeit unterstehe. [Seite 9]

§. 21.

Der Kläger ist nicht befugt bey der mündlichen Nothdurftshandlung das Klagerecht (genus actionis) und die aus selbem gestellte Bitte abzuändern, wenn er seine Klage schriftlich eingereichet; wohl aber, wenn er sie nur mündlich angebracht hätte.

§. 22.

Über die bedeutlich vernommene Klage hat der Beklagte jeden Umstand in der Ordnung, in welcher er in der Klage vorgetragen worden ist, verläßlich zu beantworten.

§. 23.

Würde der Beklagte keine deutliche Antwort geben, so wäre der Umstand, wie ihn der Kläger vorgebracht hat, für wahr zu halten.

§. 24.

Nebst dieser Beantwortung stehet dem Beklagten bevor, jene Umstände, welche der Kläger verschwiegen, oder anders, als sie sich verhalten, vorgebracht haben därfte: sodann seine Einwendungen sowohl wider die Hauptsache, als wider [Seite 10] die Nebenverbindlichkeiten, wider alle Beweismittel des Klägers, und derselben Rechtsgültigkeit: und endlich seinen allfälligen Beweis, und Gegenbeweis anzubringen.

§. 25.

Die brieflichen Urkunden, worauf er diesen Beweis, und Gegenbeweis gründen will, soll er binnen der Hälfte jener Zeit, welche zwischen dem Tage der ihm zugestellten Klage, bis zum Tage der Tagsatzung zu laufen hat, dem Kläger gehörig mittheilen lassen: widrigens ist, falls dieser hierauf nicht freywillig Rede und Antwort geben wollte, die Tagsatzung zu erstrecken, und der Beklagte dem Kläger die Erstreckungskosten zu vergüten schuldig.

§. 26.

Über die Einrede des Beklagten ist der Kläger zur Replik, oder Schlußrede zuzulassen, und zwar hat derselbe gleich anfangs die von dem Beklagten beygebrachten neuen Umstände; sodann die von ihm gemachten Einwendungen zu beantworten; seine Einwendungen wider die gegentheiligen [Seite 11] Beweismittel anzubringen, und jene Umstände, welche zu Widerlegung der gegentheiligen Einwendungen dienen, samt dem Beweise derselben anzuführen.

§. 27.

Endlich ist der Beklagte mit seiner Duplik, oder Gegenschlußrede zu hören: in dieser soll er die von dem Kläger allenfalls beygebrachten neuen Umstände beantworten, und wider die angeführten Beweismittel derselben seine Einwendungen vorbringen.

§. 28.

Über die mündlichen Nothdurften soll ein verläßliches, umständliches, nach den vorgekommenen Nothdurftshandlungen genau verfaßtes Protokoll geführet, solches auch, wenn eine, oder beide Partheyen besonders darum bitten, ihnen zur Unterfertigung zugestellet, auch sonst denselben jederzeit unverweigerlich in Abschrift ausgefolget werden. [Seite 12]

§. 29.

Falls bey der Tagsatzung ein Theil ausbliebe, soll dem Erscheinenden in Betref des Faktums, so weit es den Gegenstand der Klage nicht überschreitet, auch ohne Beweis voller Glauben beygemessen, und darüber erkannt werden, was Rechtens ist. Es wollte dann die persönlich anwesende Parthey freywillig dem Gegner das Ausbleiben nachsehen, und in die Erstreckung der Tagsatzung einwilligen.

§. 30.

Falls bey der Tagsatzung beide Theile ausblieben, soll keine Erkanntniß geschöpfet, sondern lediglich auf eines, oder des anderen Theils Anlangen eine neuerliche Tagsatzung angeordnet werden, bey welcher für den Fall, daß von der einen, oder der anderen Seite Rechtsfreunde einschritten, dieselben sich zu rechtfertigen haben, daß ihr Ausbleiben bey der ersten Tagsatzung ohne ihr Verschulden, und mit ausdrücklicher Einwilligung ihrer Partheyen geschehen sey. [Seite 13]

§. 31.

Wenn ein unvorgesehener, und unvermeidlicher Zufall, wodurch eine Parthey von der Erscheinung verhindert würde, vor, oder bey der Tagsatzung gehörig dargethan wird, soll die Tagsatzung erstrecket werden.

§. 32.

Wenn aber die Partheyen erscheinen, soll die Tagsatzung ohne hinlängliche Ursachen, welche dem Erstreckungsbescheide jederzeit beyzusetzen ist, niemals erstrecket werden, daher die Partheyen vorläufig umständlich zu vernehmen sind, um sowohl die Zeit der Erstreckung, als auch jenes, was der eine, oder der andere Theil noch zu leisten, oder beyzubringen hat, bestimmen zu können.

§. 33.

Wenn auf eines, oder des anderen Theils Ausbleiben der Richter in Folge des 29. §., was Rechtens ist, erkannt hat, die ausgebliebene Parthey aber ihr Ausbleiben durch Darthuung eines unvorgesehenen, und unvermeidlichen Zufalls zu rechtfertigen vermeinte, hat dieselbe binnen der [Seite 14] zur Appellazion festgesetzten Frist eine förmliche gehörig belegte Rechtfertigungsschrift zu überreichen, und ihre Behelfe umständlich vorzulegen, widrigens soll dieselbe damit nicht mehr gehöret werden; der Richter hat hierüber jedesmal den Gegentheil zu vernehmen, und über die Frage, ob von der geschöpften Erkanntniß abzugehen, und eine neuerliche Verhandlung in der Hauptsache einzuleiten sey, was Rechtens ist, zu erkennen.

Drittes Kapitel. Von dem schriftlichen Verfahren.

§. 34.

In dem schriftlichen Verfahren soll der Richter die Klage dem Beklagten um seine Einrede verbescheiden, und ihm die Frist bestimmen, binnen welcher er sie zu erstatten hat.

§. 35.

Diese Frist hat der Richter auf 30 Tage zu bestimmen, wenn der Beklagte sich im Orte, [Seite 15] des Gerichts befindet; auf 45 Tage, wenn er sich in der Provinz: auf 60 Tage, wenn er sich in den deutschen Erblanden aufhält; und auf 90 Tage, wenn er außer der deutschen Erblanden wohnhaft ist.

§. 36.

Würde der Beklagte binnen der bestimmten Frist die Einrede nicht erstatten, soll dem Kläger in Betref des Faktums auch ohne weiterem Beweis voller Glauben beygemessen; die Akten auf Anlangen inrotuliret; und darüber, was Rechtens ist, erkannt werden.

§. 37.

Wenn der Beklagte seine Einrede binnen der bestimmten Frist nicht erstatten könnte, soll er längstens 3 Tage vor Ausgang derselben eine weitere Frist ansuchen: die Ursachen, welche ihn dazu nöthigen, wie auch die Zeit, die zur Beyschaffung seiner Behelfe erforderlich ist, anzeigen, und standhaft darthun. [Seite 16]

§. 38.

Dem Richter wird die Macht eingeraumet, die gebetene weitere Frist, jedoch nur damals zu ertheilen, wenn er die angebrachten Behelfe genau untersuchet, und standhaft befunden haben wird. Die eigentliche Bestimmung der Frist hat der Richter nach dem Verhältnisse der angezeigten, und erwiesenen Nothwendigkeit dergestalt abzumessen, daß die gesetzmäßig bestimmte Frist niemals überschritten werde, es möge gleich diese weitere Frist auf das erste, oder auf ein wiederholtes Gesuch ertheilet werden. Sobald der Beklagte eine solche Frist ansuchte, welche die gesetzmäßige überschreiten würde, soll dieselbe nicht anders, als nach vorläufiger ordnungsmässiger Einvernehmung des Klägers verwilliget, oder abgeschlagen werden.

§. 39.

Bis zu dem um die Inrotulirung der Akten erfolgten Anlangen stehet dem Beklagten bevor, seine Einrede auch nach Verstreichung der aufgesetzten Frist zu überreichen, vom Tage des [Seite 17] diesfälligen Anlangens aber ist die Einrede nicht mehr anzunehmen, und ein gleiches auch bey den übrigen Satzschriften zu beobachten.

§. 40.

Glaubte der Beklagte, daß dem Richter, bey welchem geklaget wird, die Gerichtsbarkeit nicht gebühre, entweder, weil die Streitsache, oder er Beklagter für seine Person dessen Gerichtsbarkeit nicht unterstehe, oder weil eben diese, oder eine mit dieser zusammenhangende Streitsache, das ist, welche aus dem nämlichen Faktum entsprungen ist, schon bey einem andern Richter anhängig ist, so soll er längstens vor Verfließung der Hälfte der ihm zur Einrede bestimmten Frist diese Einwendung anbringen, widrigens damit nicht mehr gehöret werden. Der Richter aber hat darüber nach Einvernehmung des Gegners zu erkennen.

§. 41.

Wenn diese Einwendung verworfen wird, hat der Beklagte von dem Tage des ergangenen Spruches anzurechnen noch die erste ganze Frist zur Erstattung seiner Einrede. [Seite 18]

§. 42.

Alle übrige Einwendungen soll der Beklagte in seiner Einrede zugleich anbringen, widrigens damit nicht mehr gehöret werden.

§. 43.

Wenn nun die Einrede in gehöriger Zeit eingereichet worden ist, soll sie der Richter dem Kläger um seine Replik verbescheiden, und die Frist bestimmen, binnen welcher sie erstattet werden solle.

§. 44.

Die Frist zur Erstattung der Replik soll ohne Unterschied des Aufenthaltsortes des Klägers auf 14. Tage gegeben werden: wenn aber der Kläger seine Replik binnen der bestimmten Frist nicht erstatten könnte, soll er längstens 3 Tage vor Ausgang derselben eine weitere Frist ansuchen, die Ursachen, welche ihn dazu nöthigen, wie auch die Zeit, die zur Beyschaffung seiner Behelfe erforderlich ist, anzeigen, und standhaft darthun.

§. 45.

Dem Richter wird die Macht eingeraumet die gebetene Frist, jedoch nur damals zu ertheilen, [Seite 19] wenn er die angebrachten Behelfe genau untersuchet, und standhaft befunden haben wird. Die eigentliche Bestimmung der Frist hat der Richter nach dem Verhältnisse der angezeigten, und erwiesenen Nothwendigkeit dergestalt abzumessen, daß die gesetzmässig bestimmte Frist der 14. Tage niemals überschritten werde, es möge gleich diese weitere Frist auf das erste, oder auf ein wiederholtes Gesuch ertheilet werden. Sobald der Kläger eine solche Frist ansuchte, welche die gesetzmässige überschreiten würde, soll dieselbe nicht anders, als nach vorläufiger ordnungsmässiger Einvernehmung des Beklagten verwilliget, oder abgeschlagen werden.

§. 46.

Würde der Kläger seine Replik binnen der bestimmten Frist nicht erstatten, sollen die Akten auf eines, oder des andern Theils Anlangen inrotuliret, die in der Einrede zur Ergänzung des Faktums, oder zur Begründung seiner Einwendungen angeführten Umstände für wahr gehalten, und über die bereits eingebrachten Nothdurften erkannt werden, was Rechtens ist.[Seite 20]

§. 47.

Der Kläger ist nicht befugt in der Replik neue Umstände oder Beweismittel beyzubringen, ausgenommen zur Widerlegung des Faktums, und der Einwendungen, welche der Beklagte in der Einrede angebracht hat. Hätte der Kläger aber dennoch andere beygebracht, so soll bey Schöpfung des Spruchs darauf keine Rücksicht getragen werden.

§. 48.

Wenn jedoch er Kläger durch Beybringung standhafter Behelfen, oder in Ermanglung derselben durch einen Eid darzuthun im Stande ist, daß er die in seiner Replik angebrachten Neuerungen in seiner Klage nicht geflissentlich verschwiegen habe, wären ihm diese Neuerungen in der Replik zu gestatten. Zu dem Ende hat er vor Erstattung seiner Replik die Bewilligung der Beybringung dieser Neuerungen bey dem Richter mittels eines besondern Anbringens anzusuchen, worüber nach Vernehmung des Beklagten von dem Richter ohne Gestattung eines Umtriebes erkannt werden soll, was Rechtens ist.[Seite 21]

§. 49.

Dem Kläger ist niemals zu erlauben, daß er das in seiner ersten Klage gestellte Begehren in seiner Wesenheit, das ist in Ansehung des Gegenstandes, und Klagerechtes (genus actionis) ändere, sondern nur, daß er nach Erstattung der dem Beklagten verursachten Kosten davon abstehe, und allenfalls eine neue Klage einreiche.

§. 50.

Die Replik ist dem Beklagten um seine Duplik zu verbescheiden, und zugleich die Frist zu bestimmen, binnen welcher sie erstattet werden soll.

§. 51.

Die Frist zur Erstattung der Duplik soll ohne Unterschied des Aufenthaltsortes des Beklagten auf 14 Tage gegeben werden; wollte aber der Beklagte zur Erstattung der Duplik aus gegründeten Ursachen eine weitere Frist anverlangen, soll sich derselbe bey Ansuchung: der Richter aber bey Ertheilung dieser Frist nach jenem achten, was wegen Ertheilung der weitern Fristen [Seite 22] zur Erstattung der Replik in dem 44. und 45. §. vorgesehen worden ist.

§. 52.

Würde der Beklagte seine Duplik binnen der bestimmten Frist nicht erstatten, sollen die Akten auf eines, oder des andern Theils Anlangen inrotuliret, die von dem Kläger in Folge dieser Gerichtsordnung in der Replik beygebrachten neuen Umstände des Faktums für wahr gehalten, und über die bereits eingebrachten Nothdurften erkannt werden, was Rechtens ist.

§. 53.

Wenn der Kläger in der Replik neue Umstände, oder Beweise beygebracht hat, stehet dem Beklagten frey zur Entkräftung derselben auch neue Geschichtsumstände, und Beweismittel in der Duplik anzuführen, sonst aber nicht. Hätte er dennoch andere beygebracht, so soll bey Schöpfung des Spruches keine Rücksicht darauf getragen werden. [Seite 23]

§. 54.

Wenn jedoch er Beklagter durch Beybringung standhafter Behelfe, oder in Ermanglung derselben durch seinen Eid darzuthun im Stande ist, daß er die in seiner Duplik angebrachten Neuerungen in seiner Einrede nicht geflissentlich verschwiegen habe, wären ihm solche Neuerungen in der Duplik zu gestatten. Zu dem Ende hat er vor Einreichung gedachter Duplik die Bewilligung der Beybringung dieser Neuerungen bey dem Richter mittels eines besondern Anbringens anzusuchen; worüber nach Vernehmung des Klägers von dem Richter ohne Gestattung eines Umtriebes erkannt werden soll, was Rechtens ist.

§. 55.

Wenn der Beklagte in Folge des 53. und 54. §. in seiner Duplik neue Umstände, oder Beweismittel angebracht hätte, ist den Partheyen eine Schluß- und Gegenschlußschrift zu gestatten: in Bestimmung der Fristen, wie bey der Replik, und Duplik verordnet worden ist, zu verfahren. [Seite 24]

§. 56.

In der Schluß- und Gegenschlußschrift soll lediglich über jenes, was in der Duplik vorgekommen ist, gehandelt, alle Weitläufigkeiten, und Wiederholungen dessen, was in den vorigen Schriften bereits angebracht worden, vermieden werden.

§. 57.

In der Schlußschrift können zwar von dem Kläger neue Umstände, und Beweismittel, jedoch einzig, und allein solche angebracht werden, welche unmittelbar zur Entkräftung der in der Duplik beygebrachten Neuerungen gehörig sind. Hingegen ist in der Gegenschlußschrift unter keinerley Vorwande die Anbringung neuer Umstände, und Beweise zu gestatten. [Seite 25]

Viertes Kapitel. Von Vertretungen.

§. 58.

Wer befugt zu seyn glaubt, von einem Dritten die Vertretung zu begehren, der soll es sogleich, und zwar der Kläger vor Einreichung seiner Klage, der Beklagte aber vor Verstreichung der Hälfte der zur Erstattung der Einrede ihm ertheilten ersten Frist anbringen, widrigens der Dritte die Vertretung zu leisten nicht mehr schuldig seyn.

§. 59.

Falls der angegangene Vertreter sich zur Vertretung gutwillig einverstünde, hängt es von der Willkur des Vertretungswerbers ab, ob er mit demselben einverständlich, und zugleich den Prozeß führen, oder aber dessen Führung dem Vertreter allein ohne seine Einschreitung überlassen wolle; jedoch soll er in diesem lezten Falle dem Vertreter gegen dessen Empfangsscheine alle Behelfe, die er hat, zu übergeben schuldig seyn. [Seite 26]

§. 60.

Den allfälligen Streit über die Frage, ob die Vertretung statt habe, oder nicht? sollen der Vertretungswerber, und der vorgeschüzte Vertreter besonders abführen. Dadurch aber soll der Hauptprozeß nur in so weit gehemmet werden, als der Vertretungswerber auf Betreibung seines Gegners darzuthun vermag, daß er die Vertretungssache der Ordnung nach eingeleitet habe, und gehörig fortsetze.

§. 61.

Wenn sich bey Ausgang der Vertretungssache äußerte, daß die Vertretung muthwillig, und nur zum Aufzuge angesuchet worden sey, soll dem Gegentheile in der Hauptsache wegen alles durch diesen Aufzug etwa entstandenen Schadens seine Entschädigung zu verlangen bevorstehen. [Seite 27]

Fünftes Kapitel. Von der Widerklage.

§. 62.

Wenn der Beklagte berechtiget zu seyn glaubt wider den Kläger zu klagen, stehet ihm frey diese seine Widerklage bey eben dem Richter, bey welchem er geklaget wird, einzureichen, und zwar so lange, bis über die Klage selbst ein Endurtheil ergangen ist. Doch soll er seine Widerklage besonders einreichen, und nicht befugt seyn, sie mit seiner Einrede zu vermengen.

Sechstes Kapitel. Von der Befügniß, und Schuldigkeit zu klagen, und sich zu vertheidigen.

§. 63.

Jeder, welchen die Gesetze der Verwaltung seines Vermögens nicht eingeschränkt haben, ist befugt sein Recht wider jedermann gerichtlich einzuklagen, und zu vertheidigen. [Seite 28]

§. 64.

Das Recht derjenigen, welchen die Gesetze der Verwaltung ihres Vermögens nicht anvertrauet, oder wieder abgenommen haben, ist von jenen einzuklagen, oder zu vertheidigen, welche die Gesetze hiezu bestellet haben; und ist daher von jenem, welcher sein Recht selbst einzuklagen, oder zu vertheidigen nicht befugt ist, keine Schrift anzunehmen, sondern dieselbe sogleich zu verwerfen, die Ursache der Verwerfung aber in dem Bescheide auszudrücken.

§. 65.

Niemand ist berechtiget den Gegner zur Einklagung seines Rechts zu verhalten, ausgenommen in den dreyen folgenden Aufforderungsfällen: erstens: da sich sein Gegner gerühmet hat, wider ihn ein Recht zu haben, zweytens: da er einen Bau vorhat. Drittens: da an einer Konkursmasse eine Forderung zu stellen ist. [Seite 29]

Siebentes Kapitel. Von dem eigentlichen Aufforderungsprozesse. (Provocatio ex lege diffamari.)

§. 66.

Wenn jemand sich gerühmet hat, daß ihm wider einen Dritten ein Recht gebühre, stehet diesem letzteren frey, ihn bey seinem eigenen des Aufforderers Gerichtsstande zu belangen, und zu bitten, daß ersterem sein Recht auszuführen aufgetragen, in Ermanglung dessen aber das ewige Stillschweigen diesfalls aufgeleget werde.

§. 67.

Der Aufforderer soll den Gegenstand des Streites, und das Recht, dessen sich der Aufgeforderte gerühmet hat, genau beschreiben, auch die rechtlichen Behelfe, wodurch er die von dem Aufgeforderten geschehene Berühmung, falls sie widersprochen würde, darzuthun vermeinte, gehörig beybringen. [Seite 30]

§. 68.

Über eine solche Aufforderung soll der Richter dem Aufgeforderten auftragen, daß er die ihm angeschuldete Berühmung beantworten, allenfalls seine Klage einbringen, oder gewärtigen solle, daß ihm diesfalls das ewige Stillschweigen aufgetragen werde.

§. 69.

Dem Aufgeforderten sind hiezu eben jene Fristen zu bestimmen, welche in Folge des 35. §. einem Beklagten zur Erstattung seiner Einrede zu bestimmen sind.

§. 70.

Bringt nun der Aufgeforderte entweder über die ihm angeschuldete Berühmung seine Beantwortung, oder aber seine Klage in der gehörigen Zeit ein, so ist darüber im ersten Falle, wie mit einer jeden andern Einrede: im zweyten Falle aber, wie mit einer jeden andern Klage zu verfahren.

§. 71.

Bringt er aber weder eins, noch das andere ein, so soll ihm der Richter auf Anlangen des Aufforderers [Seite 31] sogleich das ewige Stillschweigen auferlegen, den Gegenstand aber, wessentwegen es geschieht, klar ausdrücken.

Achtes Kapitel. Von der Aufforderung bey einem vorzunehmenden Baue.

§. 72.

Wer einen Bau vorhat, der ist befugt, bey der Gerichtsbarkeit, welcher der Grund, worauf gebauet werden soll, unterstehet, diejenigen, gegen derer Widersprüche er sich sicher zu stellen gedenket, anzugehen, und gegen dem, daß der Riß des Baues zweyfach eingeleget werde, zu bitten; daß denselben aufgetragen werde, ihre Rechte dawider auszuführen, oder zu gewärtigen, daß ihnen diesfalls das ewige Stillschweigen auferleget, dem Aufforderer aber gestattet werde, den Bau nach dem eingelegten Riße vorzunehmen. Ein Riß ist bey der Gerichtsbarkeit aufzubehalten, der andere aber einem der Aufgeforderten, [Seite 32] damit ihn einer dem anderen mittheile, zustellen zu lassen. Im übrigen ist, wie in dem eigentlichen Aufforderungsprozesse zu verfahren.

Neuntes Kapitel. Von dem Konkursprozesse.

§. 73.

Die Eröfnung des Konkurses geschiehet durch das Edikt, welches zur Einberufung der Gläubiger ausgefertiget wird, daher ist der Konkurs in Rücksicht der hieraus entstehenden Rechtswirkungen vom Tage der öffentlichen Kundmachung des gedachten Ediktes für eröfnet zu halten. Dieserwegen soll die Konkursinstanz diese Kundmachung mit möglichster Beförderung einleiten, und den eigentlichen Tag der geschehenen Kundmachung genau anmerken.

§. 74.

Nachdem der Konkurs eröfnet, das ist, gehörig kundgemachet worden ist, soll wider den Verschuldeten bey keiner Gerichtsstelle mehr gültig [Seite 33] verfahren, sondern alle da oder dort anhängige Streitsachen zu dem Gerichte verwiesen werden, bey welchem der Konkurs anhängig ist. Nur der Fiskus kann bey seinem Gerichtsstande ungeachtet des bey einer andern Gerichtsstelle eröffneten Konkurses seine Forderungen doch wider den Vertreter der Masse erweisen.

§. 75.

Da ein Konkurs eröffnet wird, soll der Richter zugleich a) einen Vertreter der Masse (Curatorem ad lites) aufstellen. Nur auf dem Lande, da die Gläubiger sich einhellig zur Liquidirung vor dem Gerichtshalter einverstehen, kann dieser mit den Gläubigern selbst die Liquidirung vornehmen, doch so, daß derselbe zuvorderst das ganze Geschäft durch Vergleich abzuthun sich alles Fleißes bestreben, sonst aber der Ordnung nach verfahren soll. b) Eben mit der Eröfnung des Konkurses soll der Richter das Vermögen des Verschuldeten zugleich in die Sperre nehmen, beschreiben, und schätzen lassen, wie auch c) nach Vernehmung, und Einwilligung der bekannten, [Seite 34] und im Orte des Gerichtes anwesenden Gläubiger, oder auch, wenn es die Noth erheischete, von Amtswegen einen Verwalter des Vermögens (Curatorem bonorum) bestellen, und endlich d) alle, welche eine Forderung an den Verschuldeten haben, durch ein öffentliches Edikt vorladen, und ihnen auftragen, daß sie ihre Forderungen bis an einen zu bestimmenden Tag anmelden sollen, widrigens sie von dem vorhandenen Vermögen, in soweit es die Gläubiger, die sich melden werden, erschöpfen, abgewiesen seyn würden.

§.  76.

Den Tag bis an welchen die Gläubiger ihre Forderungen anzumelden haben, soll der Richter nach Beschaffenheit der Umstände bestimmen, doch niemals weiter hinaus, als auf 6 Monate, und auf keine kürzere Zeit, als auf 30 Tage, doch jederzeit mit Einschluß der Ferien.

§. 77.

Das Edikt soll, wie es an jedem Orte Herkommens ist, angeschlagen, und kundgemachet: die vorgemerkten Gläubiger aber besonders [Seite 35] vorgeladen, und jedem derselben die Vorforderung so zugestellet werden, wie einem Beklagten nach Maßgab seiner Anwesenheit, oder Abwesenheit die erste Klage zugestellet werden muß.

§. 78.

Gleich nach Empfang des Dekretes soll der aufgestellte Vertreter mit den bekannten Gläubigern liquidiren, und mit den übrigen nach dem Maaße, als sie sich anmelden. Wenn er vor Verstreichung der zur Anmeldung gesetzten Frist mit allen vollständig liquidiret hätte, wäre bey Bestimmung seiner Belohnung besondere Rücksicht auf seinen Fleiß zu tragen.

§. 79.

Die Gläubiger sollen ihre Anmeldungen in der Gestalt einer förmlichen Klage einreichen: darüber aber soll sowohl bey dem Gerichtsprotokolle, als von dem Vertreter selbst eine genaue Vormerkung gehalten, daraus seiner Zeit ein verläßliches Verzeichniß verfasset, und dieses mit den Akten zur Abfassung der Klassifikazion eingeleget werden. [Seite 36]

§. 80.

Über jede solche Anmeldung ist, wie über jede andere Klage zu verfahren: es hat aber in dieser jeder Gläubiger nicht allein die Richtigkeit seiner Forderung, sondern auch das Recht, kraft dessen er in diese, oder jene Klasse gesetzet zu werden begehret, zu erweisen, und auszuführen.

§. 81.

Nachdem über alle Anmeldungen, welche bis zur Verstreichung der in dem Edikte bestimmten Frist eingekommen sind, das Verfahren geschlossen, und die Akten inrotuliret sind, soll über jede Anmeldung in Betref der Richtigkeit der Forderung der Spruch insbesondere geschöpfet; zugleich aber die Klassifikazion der sammentlichen angemeldeten Gläubigern abgefasset, und gehörig kundgemachet werden.

§. 82.

Wider den in Betref der Richtigkeit der Forderung geschöpften Spruch stehet dem Gläubiger sowohl, als dem Vertreter, falls ein, oder anderer beschweret zu seyn glaubet, der Weg der [Seite 37] Appellazion offen; wider die Klassifikazion aber soll nicht appelliret werden, sondern jenen klassifizirten Gläubigern, welche vermeinen, daß sie in eine bessere Klasse hätten gesetzet werden sollen: oder welche einem andern sein Vorrecht zu bestreiten gedenken, ist in der Klassifikazion vorzubehalten ihre Klage binnen 30 Tagen einzureichen.

§. 83.

Jene, welche bis an den in dem Edikte bestimmten Tag ihre Forderungen nicht angemeldet haben, sind nicht mehr anzuhören, wenn ihnen auch ein Kompensazionsrecht gebührte; oder wenn sie auch ein eigenthumliches Gut von der Masse zu fordern hätten; oder wenn ihre Forderung auch auf ein liegendes Gut des Verschuldeten vorgemerket wäre. Folglich, wenn sie in die Masse schuldig wären, müßten sie ungeachtet des Kompensazions, Eigenthums, oder Pfandrechtes, so ihnen sonst zu statten gekommen wäre, ihre Schuld abtragen. Daher ist in der Klassifikazion zu erklären, daß alle ohne Ausnahme, welche sich nicht angemeldet haben, abgewiesen seyn. [Seite 38]

§. 84.

Jener, welcher zu einer Vorrechtsklage berechtiget zu seyn glaubet, hat bey Verlust dieses Rechtes binnen 30 Tagen vom Tage der kundgemachten Klassifikazion wider alle diejenigen, welche er diesfalls ansprechen will, seine Vorrechtsklage einzureichen, und zu gleicher Zeit, jedoch mit einer besondern Bittschrift zur Aufstellung eines gemeinschaftlichen Rechtsfreundes um eine Tagsatzung anzulangen.

§. 85.

Wenn er seine Vorrechtsklage binnen der bestimmten Frist nicht einreichen könnte, soll er längstens 3 Tage vor Ausgang derselben eine weitere Frist ansuchen, und ist sowohl bey Ansuchung, als bey Ertheilung dieser Frist jenes zu beobachten, was in den 37. und 38. §. in Rücksicht der Fristen zur Erstattung der Einrede vorgesehen worden ist.

§. 86.

Bey der Tagsatzung sollen die Beklagten einen gemeinschaftlichen Rechtsfreund benennen. [Seite 39] Wenn sie aber hierinn uneinig wären, soll jener, auf welchen die mehrern Stimmen der Anwesenden ausfallen, dazu bestellet werden, und wenn sie keinen namhaft machten, hat der Richter auf ihre Gefahr einen zu bestellen.

§. 87.

Die Vorrechtsklage ist dem gemeinschaftlichen Rechtsfreunde zuzustellen, und darüber, wie über jede andere Klage zu verfahren, ausgenommen, daß die erste Frist zur Erstattung der Einrede nur auf 14 Tage zu bestimmen ist.

§. 88.

Der Verwalter des Vermögens soll die seiner Verwaltung anvertrauten Güter, wie ein guter Hausvater besorgen, alle Baarschaften, und Kostbarkeiten, wenn die Gläubiger sich nicht ausdrücklich erklären, dieselben in seinen Händen lassen zu wollen, in die gerichtliche Verwahrung geben; die Forderungen der Masse gütlich, oder gerichtlich einbringen; jene Güter aber, welche dem Verderben unterliegen, und jene, derer Unterhalt viel kostet, und keinen Nutzen schaffet, bey [Seite 40] Zeiten jedoch gerichtlich feilbieten lassen; dergestalt, daß wenn ein derley Gut ohne Gefahr eines Schadens bis zur zweyten, oder dritten Feilbietung nicht zurückgehalten werden könnte, dasselbe auch bey der ersten Feilbietung unter der Schätzung zu verkaufen wäre.

§. 89.

Gleich nach Verstreichung der zur Anmeldung bestimmten Frist soll der Vertreter der Masse wider sammentliche Gläubiger um eine Tagsatzung bitten; diese aber sollen bey der Tagsatzung den immittels aufgestellten Verwalter des Vermögens bestättigen, oder einen andern durch die Mehrheit der Stimmen wählen.

§. 90.

Bey eben dieser Tagsatzung sollen die Gläubiger einen Ausschuß aus ihnen ebenfalls durch die Mehrheit der Stimmen erwählen, bey welchem der Verwalter des Vermögens sich in schweren Fällen Raths zu erholen, und ihm jährlich Rechnung zu legen haben wird. [Seite 41]

§ 91.

Wollten die Gläubiger keinen Verwalter, oder auch keinen Ausschuß wählen, oder es erschiene bey der Tagsatzung keiner derselben, so hat der Richter einen auf ihre Gefahr zu bestellen; wären aber die Stimmen der Anwesenden gleich, so soll der Richter einen der in Vorschlag gebrachten nach seinem Ermessen bestättigen.

§. 92.

Der bestättigte, oder erwählte Verwalter soll ohne Zeitverlust die gerichtliche Feilbietung des noch vorhandenen Vermögens besorgen.

§. 93.

Was weder bey der ersten, noch bey einer zweyten Feilbietung wenigstens um die Schätzung an den Mann gebracht werden kann, dieses soll bis nach der verfaßten Klassifikazion, und ausgetragenen Vorrechte aufbewahret werden. Nach diesem aber soll alles Vermögen, was noch vorhanden ist, folglich auch die allfälligen Schuldscheine, und Forderungen der Masse (wenn die Gläubiger, welche vorläufig zu vernehmen sind, [Seite 42] solche nicht übernehmen sollten) dem Meistbietenden, ohne auf eine Schätzung zu sehen, verkaufet werden.

§. 94.

Wer aus der Masse ein liegendes Gut auf was immer für eine rechtliche Art an sich gebracht hat, dem soll der Richter die Urkunde darüber, welche um an das Eigenthum gebracht zu werden erforderlich ist, ertheilen.

§. 95.

Sobald das Vermögen dermassen berichtiget ist, daß mit demselben die Zahlung ganz, oder zum Theile geleistet werden kann, soll im ersten Falle ohne weiters; im zweyten aber auf Begehren der Gläubiger von dem Verwalter des Vermögens die Vertheilung desselben nach Maaßgabe des Vorrechtes eines jeden Gläubigers verfasset, mit allen Beylagen dem Ausschusse übergeben, und dessen jeder Gläubiger gerichtlich erinneret werden. Jedoch sollen jene Gläubiger, welchen unstreitig ein Vorrecht gebühret, auch ohne gedachte Vertheilung abzuwarten, so bald möglich, abgefertiget werden. [Seite 43]

§. 96.

Jedem Gläubiger stehet frey die Vertheilung bey dem Ausschusse einzusehen, zu untersuchen, und dawider seine allfällige Einwendungen gerichtlich anzubringen; doch soll er es binnen 14 Tagen nach gedachter Erinnerung thun, widrigens damit nicht mehr gehöret werden; die wider die Vertheilung angebrachten Einwendungen aber sind über vorläufige Einvernehmung jener Gläubiger, die sie betreffen, zu entscheiden.

§. 97.

Wenn binnen 14 Tagen wider die Vertheilung keine Einwendungen gemacht, oder nachdem diese entschieden worden sind, hat der Ausschuß die Vertheilung unter seiner Fertigung zu Gerichtshanden zu erlegen, woselbst sie zurückzuhalten; dem Verwalter der Masse aber hievon eine Abschrift mit der Auflage zuzustellen ist, daß er hienach den sich meldenden Gläubigern die Bezahlung unverzüglich leisten soll. [Seite 44]

§. 98.

Der Verwalter des Vermögens hat jedem Gläubiger den auf ihn berechneten Betrag gegen Quittung abzuführen: Von jenen Gläubigern, welche ihre Forderungen ganz erhalten, die Zurückstellung der Schuldscheine, und Aushändigung aller Liquidirungsakten vorläufig abzufordern: bey jenen Gläubigern aber, welche ihre Forderungen nur zum Theile erhalten, den Betrag der geleisteten Zahlung auf dem Originalschuldscheine genau anzumerken, und nach eingelegtem Gegenscheine abzuschreiben: Für jene Gläubiger endlich, welche sich ihrer Zahlung halber binnen 3 Monaten nicht anmelden, den auf sie ausgemessenen Betrag, jedoch für jeden insbesondere in die gerichtliche Verwahrung zu geben.

§. 99.

Über die Abfertigung der Gläubiger hat der Verwalter gemeinschaftlich mit dem Ausschuße 3 Monate, nachdem ihm die Abschrift der Vertheilung in Folge des 97. §. zugefertiget worden ist, seinen ausführlichen Bericht an den Richter zu [Seite 45] erstatten, und diesem Berichte die von jedem Gläubiger ausgestellte Quittung, zurückgestellten Schuldscheine, und ausgehändigten Akten, dann die Erlagsscheine über die allenfalls in die gerichtliche Verwahrung gegebenen Beträge anzuschließen: der Richter aber soll diesen Bericht genau durchgehen, und wenn die Abfertigung der Gläubiger der zurückbehaltenen Originalvertheilung gemäß, und sonst in allen richtig befunden wird, den Konkurs als beendiget erklären.

Zehentes Kapitel. Von dem Rechnungsprozesse.

§. 100.

Wenn jemanden Rechnung geleget worden ist, soll ihm auf Anlangen des Rechnungslegers aufgetragen werden, solche genehm zu halten, oder zu bemängeln: hiezu hat ihm der Richter eine den Umständen angemessene Frist nach Vernehmung beider Theile zu bestimmen. [Seite 46]

§. 101.

Wenn bis zur Verstreichung der bestimmten Frist keine Mängel erstattet worden, ist die Rechnung für begenehmiget zu halten.

§. 102.

Jeder Mangel ist besonders mit fortlaufenden Numern zu stellen, und bey jedem genau anzumerken, aus was für einem Grunde er gestellet werde.

§. 103.

Über die Mängel sind die Erläuterungen, sodann die fernern Mängel, und darüber die endlichen Erläuterungen zu erstatten. Für die Erläuterungen sind die Fristen der Einrede, für die fernere Mängel jene der Replik, und für die endlichen Erläuterungen jene der Duplik zu bestimmen. [Seite 47]

Eilftes Kapitel. Von dem Beweise.

§. 104.

Wer ein Faktum angeführet hat, er sey Kläger, oder Beklagter, der ist schuldig, es zu erweisen: widrigens ist bey Erledigung des Prozesses dasselbe, in soweit es von dem Gegentheile widersprochen worden ist, für wahr nicht zu halten.

§. 105.

Vemuthungen, welchen insbesondere durch das Gesetz keine Kraft beygeleget wird, sind für keinen Beweis anzusehen.

§. 106.

Der Richter ist außer jenen Fällen, welche in dieser Gerichtsordnung ausdrücklich vorgesehen sind, nicht befugt, weder den Partheyen einen Beweis, noch nach schon geführter Weisung einen mehreren Beweis aufzulegen. [Seite 48]

Zwölftes Kapitel. Von dem Beweise durch Eingeständniß.

§. 107.

Wenn die Parthey selbst einen Umstand des von dem Gegentheile angeführten Faktums gerichtlich eingestehet, ist dieser Umstand in eben diesem Prozesse für vollkommen erwiesen zu halten.

§. 108.

Was von einem zur Vertretung begwalteten Rechtsfreunde: sonstigen Sachwalter: Gerhaben, oder Kurator im Namen der von ihm vertretenen Parthey in Ansehung des Faktums gerichtlich eingestanden wird, ist in eben diesem Prozesse ebenfalls für wahr zu halten.

§. 109.

Wenn von mehrern Streitgenossen ein Theil etwas gerichtlich eingestanden hat, kann sein Eingeständniß nur ihm, dem andern aber nicht nachtheilig seyn. [Seite 49]

§. 110.

Ein außergerichtliches Geständniß befreyet den Gegner von dem Beweise nicht: ausgenommen, wenn von dem Bekenner das Geständniß auf Befragen Jemands geschehen ist, von dem er wußte, daß ihm daran gelegen sey die Wahrheit zu erfahren.

Dreyzehntes Kapitel. Von dem Beweise durch briefliche Urkunden.

§. 111.

Den öffentlichen Urkunden ist in Ansehung des Faktums, worüber sie errichtet worden sind, voller Glauben beyzumessen.

§. 112.

Für öffentliche Urkunden sind zu halten a) jene Schriften, welche landtäfliche, gerichtliche, und andere landesfürstliche, oder ständische beeidigte, und zur Ausstellung derley Urkunden eigends berechtigte Beamte in Amtssachen: b) eine [Seite 50] Obrigkeit, oder ihre zur Ausübung der obrigkeitlichen Handlungen beeidigte, und zur Ausstellung derley Urkunden eigends berechtigte Diener ebenfalls in Amtssachen errichten: c) die von den in Auswärtigen Landen zur Ausstellung öffentlicher Amtsurkunden eigends berechtigten Personen errichteten, und mit der in jedem Lande üblichen Legalisirung versehenen Schriften: d) die Wechselprotesten der gehörig aufgenommenen Notarien: e) die Bücher der gehörig aufgenommenen Sensalen, wenn sie in der vorgeschriebenen Form geführet worden sind: f) die Tauf- Trauungs- und Todenbücher der Pfarrer.

§. 113.

Den brieflichen Urkunden, welche Jemand errichtet hat, ist wider ihn Glauben beyzumessen.

§. 114.

Derley Privaturkunden, wenn sie mit jenen Zierlichkeiten versehen sind, welche allenfalls durch besondere Gesetze für eine, oder für die andere erforderet werden, soll wider denjenigen Glauben beygemessen werden, der sie als Aussteller auch [Seite 51] nur eigenhändig unterschrieben hat; den Schuldverschreibungen jedoch soll in Ansehung der künftigen Fälle nur dann Glauben beygemessen werden, wenn sie der Aussteller eigenhändig geschrieben, und gefertiget hat, oder aber wenn dieselben neben der Fertigung des Ausstellers auch von zweyen Zeugen mitgefertiget worden sind.

§. 115.

Wenn eine Urkunde aus mehreren Bogen besteht, sollen alle mit einem Faden, oder mit einer Schnur zusammen geheftet, beide Ende mit hartem Siegelwachse festgemacht, und das Pettschaft des Ausstellers darauf gedruckt seyn, widrigens verdienet der Bogen, welcher hat unterschoben werden können, keinen Glauben.

§. 116.

Wenn der Aussteller einer Privaturkunde nicht fähig ist, sie zu unterschreiben, soll dieselbe von zweyen Zeugen, wovon einer den Namen des Ausstellers zu unterschreiben hat, gefertiget werden. [Seite 52]

§. 117.

Niemand soll eine Urkunde als Zeug unterschreiben, dem nicht durch den Aussteller bekannt geworden ist, daß die ausgestellte Urkunde seinem Willen gemäß sey.

§. 118.

Einer einseitig errichteten Privaturkunde ist zum Vortheile desjenigen, der sie errichtet hat, kein Glauben beyzumessen.

§. 119.

Doch sollen die Bücher der berechtigten Handelsleute, worunter auch die Fabrikanten verstanden werden, einen halben Beweis ausmachen, wenn sie mit folgenden Erfordernissen versehen sind, a) sollen die einkommenden Posten aus dem Strazzenbuch, und Journal in das Handlungsbuch entweder von dem Kaufmann mit eigener Hand, oder durch einen absonderlich hiezu gehaltenen vertrauten, der Handlungsbücher verständigen Bedienten, ohne einige Abänderung, oder Korrektur eingetragen, und solches Handlungsbuch nicht von unterschiedlichen Handen zu einer Zeit [Seite 53] geschrieben seyn, b) soll das Handlungsbuch ordentlich alles enthalten, was dem Kaufmann zur Last, und was ihm zu Gutem kömmt. c) Es soll das Jahr, und den Tag, wie auch die Personen, denen, und durch welche geborget worden ist, klar ausdrücken, d) es soll die in solches Buch eingetragene Post eine zur Handlung, und in ein dergleichen Buch gehörige Sache, und nichts, was nicht zur Handlung gehörig ist, darinn geschrieben seyn; e) es soll das Buch in deutscher, wälscher, französischer, oder in der üblichen Landessprache geführet worden seyn. f) Nebst dem soll der Kaufmann von gutem Rufe seyn: folglich, wenn er falliret hätte, müßte seine Unschuld vollständig erwiesen worden seyn.

§. 120.

Dieser den gesetzmäßig geführten Handlungsbüchern beygelegte halbe Beweis ist nur auf ein Jahr, und 6 Wochen gültig; daher soll nach Verlauf eines Jahres der Kaufmann einen Auszug seiner ausständigen Forderungen verfassen, und den Schuldner zur Unterschreibung desselben [Seite 54] angehen; im Weigerungsfalle ihn längstens binnen 6 Wochen gerichtlich belangen: widrigens soll das Handlungsbuch zu keinem Beweise dienen.

§. 121.

Die Wirkung eines halben Beweises haben auch die Bücher der Handwerker, wenn sie mit folgenden Erfordernissen versehen sind. a) Es muß der Handwerker von gutem Rufe seyn, folglich, wenn er falliret hätte, müßte dessen Unschuld vollständig erwiesen worden seyn. Nebst dem soll er b) ein ordentliches Tagebuch halten, c) in dasselbe alles, was ihm zur Last, und zu Gutem kömmt, eingetragen, d) das Jahr, und den Tag, wie auch die Personen, welche die Arbeit bestellet, dann denen, und durch welche sie geliefert worden ist, klar ausgedrücket haben, e) endlich soll die in das Tagebuch eingetragene Post dahin gehörig seyn, folglich von einer gelieferten Arbeit herrühren. Übrigens ist in Ansehung der Zeit, binnen welcher die Bücher der Handwerker die Wirkung eines halben Beweises haben, eben jenes zu [Seite 55] beobachten, was in dem vorgehenden §. wegen der Bücher der Kaufleute vorgeschrieben worden ist.

§. 122.

Die Urkunden sind nicht Auszugsweise, sondern ganz mitzutheilen, folglich wenn sie aus einem Buche, (worunter hierorts jenes, was mehrere verschiedene, und nicht blos zusammenhangende verbindliche Handlungen enthält, verstanden wird) wären gezogen worden, müßte die ganze Stelle, welche den Gegenstand des Streits betrift, zugestellet werden.

§. 123.

Wer briefliche Urkunden angeführet hat, der ist schuldig seinem Gegentheile die genaue, und bedachtsame Einsicht der Originalien außergerichtlich zu gestatten, falls dieser solche binnen der Hälfte der ihm zur Erstattung seiner Satzschrift anberaumten Frist verlanget. Nach Verlauf dieser Hälfte aber sind die Originalien für unbedenklich zu halten. [Seite 56]

§. 124.

Jene Originalien, welchen keine sichtbare Bedenken (vitium visibile) ausgestellet worden, sind lediglich dem Besitzer in Händen beyzulassen: die andern aber haben beide Theile zu versiegeln, um sie bey der künftigen gerichtlichen Rekognoszirung in dem nämlichen Stande, in welchem sie bey der außergerichtlichen Einsicht befunden worden, ohne alle Abänderung vorlegen zu können.

§. 125.

Sowohl in diesem Falle, da bey der außergerichtlich vorgenommenen Einsicht bedenkliche Originalien gefunden, und versiegelt worden sind, als auch, wenn die außergerichtliche Einsicht wäre verweigeret worden; ist derjenige, wider welchen die brieflichen Urkunden angeführet worden sind, berechtiget, derer gerichtliche Einsicht anzusuchen, doch soll er es längstens 3 Tage nach Verstreichung der Hälfte der zur Erstattung seiner Satzschrift ihm anberaumten Frist thun, widrigens wären die Originalien ohne weiters für unbedenklich zu halten. [Seite 57]

§. 126.

Hierüber hat der Richter zu diesem Ende eine Tagsatzung auf eine ganz kurze Zeit anzuordnen. Wenn hiebey derjenige, welcher die Originalien vorzuweisen hat, sie nicht vorwiese, wären sie weder bey Inrotulirung der Akten zu legen, noch bey Erledigung des Prozesses in Betrachtung zu ziehen: wenn aber der Gegentheil bey der Tagsatzung nicht erschiene, wären sie für unbedenklich zu halten.

§. 127.

Über die genommene Einsicht hat der Richter in der Erledigung der Bittschrift, worüber die Tagsatzung angeordnet worden war, genau, und deutlich auszudrücken, welche Originalien unbedenklich, und welche bedenklich angegeben worden sind; sammentliche Originalien aber sind dem Vorweiser derselben in Handen beyzulassen, ausgenommen, wenn der Gegentheil den gerichtlichen Erlag einiger bedenklichen Originalien bis zur Entscheidung des Hauptprozesses verlangete. [Seite 58]

§. 128.

In diesem Falle haben beide Theile, ohne die Hauptsache des Prozesses zu berühren, lediglich über die Frage, ob das betreffende Original bey Gerichtshanden aufzubewahren sey, die Nothdurften zu verhandeln, der Richter aber hat die Urkunde bis zu der diesfalls erfolgenden richterlichen Entscheidung zurückzuhalten, und dann über die weitere gerichtliche Aufbewahrung, was Rechtens ist, zu erkennen.

§. 129.

Wenn derjenige, welcher die Einsicht der Originalien verlanget hat, daran keine sichtbare Bedenken wahrnähme, oder den Erlag der Bedenklichen nicht begehrte, oder der Vorweiser erbietig wäre, die als bedenklich angegebenen Originalien bis zur Entscheidung der Hauptsache in gerichtlicher Verwahrung zu lassen: in diesen dreyen Fällen hätten die Partheyen bey der Tagsatzung keine Nothdurften zu handeln, sondern solche in ihren Satzschriften anzubringen, in allen Fällen aber hat derjenige, welcher eine [Seite 59] Urkunde angeführet hat, deren Original als bedenklich angegeben worden ist, dafür zu sorgen, daß dieses Original bey Inrotulirung der Akten eingeleget werde, widrigens wäre bey Erledigung des Prozesses das Bedenken für richtig zu halten.

§. 130.

Hätte jemand ohne Verschulden seines Gegners eine Urkunde verlohren, so müßte er deren Inhalt durch andere Wege rechtlich erweisen; wäre er aber durch Verschulden des Gegentheils derselben verlustiget worden, und deren Inhalt von keinem Theile auf eine andere Weise zu erproben, soll ihm gestattet werden denselben zu beschwören.

§. 131.

Wenn eine Urkunde unleserlich wird, ist der Innhaber, wie auch jeder, welcher daran Theil zu nehmen hat, berechtiget, sie gerichtlich erneuern zu lassen. Doch sollen alle diejenigen, wider welche sie zum Beweise dienen soll, dazu vorgeforderet werden. [Seite 60]

§. 132.

Haben sie dawieder nichts einzuwenden, so soll die Urkunde erneuert werden, und diese erneuerte Urkunde wider sie die Kraft eines Originals haben. Wenn sie aber dawider Einwendungen machten, wären diese vorläufig zu entscheiden.

§. 133.

Wenn jemand widerspricht, daß die beygebrachte Urkunde seine Handschrift sey, liegt dem Gegentheile ob, ihn durch Vergleichung der Urkunde mit dessen bekannter Handschrift, oder in andere Wege, allenfalls auch durch Auftragung des Eides zu überweisen.

§. 134.

Da behauptet wird, daß die beygebrachte Urkunde die Handschrift eines Verstorbenen sey, und jener, wider welchen sie angeführet wird, es widerspricht, liegt dem Beweisführer ob, sein Vorgeben durch Vergleichung der Handschriften, allenfalls durch Auftragung des Eides, oder in andere Wege zu erweisen. [Seite 61]

§. 135.

Wie viel Glauben die Vergleichung der Handschriften verdiene, wird nach Beschaffenheit der Umstände zu ermessen seyn.

Vierzehentes Kapitel. Von dem ordentlichen Beweise durch Zeugen.

§. 136.

Niemand soll einen Beweis durch Zeugen antreten, er sey ihm dann durch Urtheil aufgetragen worden.

§. 137.

Zu einem vollständigen Beweise, da dieser lediglich durch Zeugen geführt werden will, wird die einstimmige Aussage zweyer unbedenklicher Zeugen erforderet; wenn jedoch auch andere obschon für sich allein nicht hinlängliche Beweismittel beygebracht worden sind, kann auch die Aussage eines unbedenklichen, oder auch eines, oder mehrerer bedenklichen Zeugen den Beweis ergänzen. [Seite 62] Nicht minder kann auch durch mehrere bedenkliche Zeugen ein vollständiger Beweis hergestellet werden. In solchen Fällen wird der Richter die Vollständigkeit des Beweises nach genauer Überlegung aller Umstände zu beurtheilen haben.

§. 138.

Wenn der von einem, oder dem andern Theile angetragene Beweis durch Zeugen entweder allein, oder mit Hülfe der sonst beygebrachten andern Beweismitteln für vollständig zu halten wäre, und die zu erweisenden Umstände die Sache entschieden, soll ihm jederzeit der Beweis durch Urtheil aufgetragen werden.

§. 139.

In diesem Urtheile ist jenes, so zu erweisen kömmt, genau zu bestimmen. Desgleichen hat der Richter deutlich auszudrücken, welche der namhaft gemachten Zeugen zur Zeugenschaft zuzulassen, und welche verworfen, nicht minder über welche Weisartikel die Zeugen zu vernehmen, und welche dagegen in die Weisung nicht einzumengen seyen: wobey der Richter nur jene Zeugen, die [Seite 63] entweder gemäß des folgenden §. verwerflich, oder über keine andere, als unerhebliche Weisartikel vorgeschlagen worden sind, hindann zu weisen, und nur jene Weisartikel, welche unerheblich sind, hinweg zu lassen; bey den Weisartikeln aber in dem Urtheile allein die Numern des zugelassenen, oder verworfenen Artikels auszudrücken hat.

§. 140.

Ganz verwerflich, und auf Einwendung des Gegentheils zum Zeugeneide niemals zuzulassen sind folgende: a) jene, welche wegen ihrer Leibs- oder Gemüthsbeschaffenheit die ungezweifelte Wahrheit nicht können erfahren haben, oder solche ungezweifelt nicht können an den Tag legen, folglich auch Kinder unter 14 Jahren; b) alle, welche eines landgerichtlichen Verbrechens, so aus Betrug, (das ist, um Jemanden, ohne daß er es wisse, in Schaden zu bringen) oder aus Gewinnsucht entstanden, schuldig erkannt worden sind, ausgenommen jene Handlungen, zu denen sie als Zeugen gebraucht worden, bevor dieselbe in die landgerichtliche Untersuchung verfallen sind. [Seite 64]

§. 141.

Eben also sind verwerfliche Zeugen: a) alle Blutsverwandte in auf- und absteigender Linie; b) Mann und Frau c) jene, welche in der nämlichen Sache dem Zeugenführer als Rechtsfreunde bestellet waren, oder noch sind; d) jene, welche aus dem Prozesse einen unmittelbaren, oder mittelbaren Nutzen, oder Schaden zu erwarten haben. Doch können die in diesem §. benannten Zeugen zu Ergänzung des Beweises in allen jenen Fällen zugelassen werden, in welchen der Beweisführer selbst zu dem Erfüllungseid zugelassen werden würde.

§. 142.

Bedenklich, aber nicht verwerflich sind: a) die Geschwisterkinder, und jene, die dem Zeugenführer in der Seitenlinie noch näher mit Blutsfreundschaft verwandt sind; b) jene, die ihm im nemlichen Grade verschwägert sind; c) ein Dienstboth für seinen Dienstherrn, oder für seine Dienstfrau, so lange er in Diensten ist; d) ein Jud für einen Juden wider einen Christen; e) jene, die das zwanzigste Jahr ihres Alters noch nicht zurückgeleget [Seite 65] haben; f) jene, die zwar zwanzig Jahre alt sind, jedoch über jenes aussagen sollen, was sich ereignet hat, bevor sie solches Alter erreichet hatten; g) jene, welche mit dem Gegentheile in grosser Feindschaft leben; h) alle, welche eines landgerichtlichen Verbrechens, das nicht aus einem Betrug, oder Gewinnsucht entstanden, schuldig erkannt worden sind.

§. 143.

Jene, welche wegen eines landgerichtlichen Verbrechens in die peinliche Untersuchung verfallen sind, ihre Unschuld aber vollständig erwiesen haben, sind unbedenklich; wenn sie aber nur aus Mangel hinlänglicher Beweise wären losgesprochen, und entlassen worden, bleiben sie bedenklich.

§. 144.

Wie viel Glauben einem bedenklichen Zeugen beyzumessen sey, hat der Richter nach genauer Überlegung aller Umstände zu beurtheilen.

§. 145.

Jener, welchem der Beweis durch Zeugen aufgetragen worden ist, soll, wenn kein Theil sich [Seite 66] wider die gerichtliche Erkänntniß beschweret hat, drey Tage nach Verstreichung der zur Beschwerführung bestimmten Frist den Beweis antreten, widrigens solcher erloschen seyn.

§. 146.

Zu dem Ende soll er seine Weisartikel einreichen, dabey die Zeugen benennen, bey jedem anmerken, über welche Weisartikel er zu vernehmen sey, und endlich bitten, daß zur Zeugenverhör Tag, Stunde, und Ort benannt werde.

§. 147.

Die Weisartikel sind auf jenes, so zu erweisen ist, eigentlich, und deutlich, in möglichster Kürze zu richten, darinnen aber keine zur Sache nicht dienliche Umstände anzuführen, und keine Artikel über die Rechte, oder Schuldigkeiten der Partheyen, sondern blos über die Geschichtsumstände zu stellen.

§. 148.

Jeder Artikel soll nur einen Umstand in sich begreiffen. [Seite 67]

§. 149.

Über die Weisartikel sind keine neue, oder sogenannte Addizionalweisartikel anzunehmen, folglich ist keine Addizionalweisung zu gestatten.

§. 150.

Wenn die vorgeschüzten Zeugen der Gerichtsbarkeit des Richters, bey welchem der Prozeß geführet wird, unmittelbar unterworfen sind, soll er eine Tagsatzung zur Zeugenverhöre auf eine den Umständen angemessene Frist, längstens aber auf 30. Tage anordnen, und zwar ohne Unterscheide, ob er selbst, oder durch einen Abgeordneten die Zeugen zu vernehmen hat.

§. 151.

Diese Tagsatzung ist samt den Weisartikeln dem Gegentheile binnen dreyen Tagen in Abschrift zuzustellen; darüber stehet diesem frey, seine besondere Fragstüke bey der Tagsatzung einzulegen; hätte er sie aber nicht eingeleget, so wären die Zeugen gleichwohl zu verhören, und keine mehr von ihm anzunehmen. [Seite 68]

§. 152.

Allgemeine Fragstücke sollen keine andere gestellet werden, als folgende: a) wie Zeuge mit Namen, und Zunamen heisse; b) wie alt er sey; c) wessen Standes, Handthierung, oder Karakters er sey; d) ob er dem Zeugenführer mit Blutsfreundschaft, oder Schwägerschaft verwandt sey; e) wie nahe; f) ob er wider den Gegentheil grosse Feindschaft hege; g) in was diese bestehe; h) ob er bey diesem Prozesse einen Nutzen zu hoffen, oder einen Schaden zu fürchten habe; i) in was ein oder anderes bestehe; k) ob ihm wegen seines Zeugnißes nichts versprochen, oder gegeben worden sey; l) was, und von wem?

§. 153.

Wären keine Fragstücke übergeben worden, so soll jener, welcher die Zeugen abzuhören hat, obige allgemeine Fragstücke jedem Zeugen von Amtswegen stellen, und bey jedem Weisartikel, welchen ein Zeuge bejahet, ihn fragen: woher er es wisse? sich aber mit einer dunkeln Antwort: als Zeuge wisse es selbst, u. d. g. nicht begnügen. [Seite 69]

§. 154.

Auf die klare Ursache des Wissens (ratio scientiae) soll gedrungen werden, wenn auch Fragstüke wären übergeben worden: Und ein Zeuge, welcher über einen Umstand keine angegeben hat, verdienet darüber keinen Glauben.

§. 155.

Wenn die Zeugen der Gerichtsbarkeit des Richters, bey welchem der Prozeß abgeführet wird, unmittelbar nicht unterworfen sind, so hat er über die mit den Weisartikeln eingereichte Bittschrift einen Befehl, oder ein Ersuchschreiben an jenen Richter, unter dessen Gerichtsbarkeit die Zeugen stehen, dahin zu verwilligen, daß die Zeugenverhör vorgenommen, und ihre Aussagen eingeschikt werden, mit dem Versprechen, daß die Unkösten werden vergütet werden; daher soll der Zeugenführer mit der Bittschrift seine Weisartikel so vielmal einreichen, als Richter sind, welche die verschiedenen Zeugen zu verhören haben. [Seite 70]

§. 156.

Diese Verwilligung ist samt einer Abschrift der Weisartikel dem Gegentheile binnen 3. Tagen zuzustellen, dieser aber hat hierauf längstens binnen 14. Tagen seine Fragstüke einzulegen, welche dem Befehle, oder Ersuchschreiben samt den Weisartikeln beygeschlossen werden sollen.

§. 157.

Hätte er in erstgemeldter Zeit keine Fragstücke eingeleget, so wäre der Befehl, oder das Ersuchschreiben, ohne weiters zu warten, mit den Weisartikeln, und den im §. 152. hieoben einkommenden von Amtswegen zustellenden Fragstücken an seinen Bestimmungsort zu befördern.

§. 158.

Jener Richter, welchem der Befehl, oder das Ersuchschreiben zugekommen ist, soll ohne die Partheyen selbst, wenn sie von dem Gerichtsorte entfernet sind, vorzuladen, die Zeugen von Amtswegen vorfordern, ihre Aussagen aufnehmen, und diese dem Richter, bey welchem der [Seite 71] Prozeß anhängig ist, unverzüglich einschicken; doch stehet den Partheyen frey, bey der Beeidigung der Zeugen selbst, oder durch einen Sachwalter zu erscheinen.

§. 159.

Wenn die Verhör in jenen Fällen, wo die Zeugen der Gerichtsbarkeit des nämlichen Richters unterworfen sind, binnen 14 Tagen, von dem abgelegten Zeugeneide anzurechnen, nicht vollendet würde, oder auch in Rücksicht deren einer andern Gerichtsbarkeit unterworfenen Zeugen ein Saumsal unterlaufen sollte, hat es der Zeugenführer dem Gerichte, bey welchem der Prozeß geführet wird, anzuzeigen, und dieser durch eine poenfällige Auflage, oder durch eine Anzeige an den Obern dessen, der die Zeugen zu verhören hat, die Beförderung der Verhör zu veranlassen.

§. 160.

Jeder, welcher zur Zeugenschaft von seinem vorgesetzten Richter vorgefordert wird, soll sein [Seite 72] Zeugniß ablegen, und hiezu nöthigen Falls durch Geld- oder Leibesstrafen angehalten werden.

§. 161.

Jeder Zeuge, der nicht durch ausdrückliches landesfürstliches Privilegium von Beschwörung der Zeugenschaft befreyet ist, soll vor der Verhör nach vorläufiger Meineideserinnerung, einen Eid ablegen, daß er über jenes, worüber er befraget werden wird, ohne Gemüthshinterhaltung, oder zweydeutigen Verstand, Niemanden zu Liebe, oder zu Leid die reine Wahrheit aussagen, nichts verschweigen, und seine Aussagen Niemanden entdecken wolle, bevor sie nicht vom Gerichte selbst werden kundgemacht worden seyn.

§. 162.

Die Meineidserinnerung wird der Bescheidenheit des Richters überlassen, welcher sie nach der Beschaffenheit der Personen einzurichten haben wird.

§. 163.

Währender Ablegung des Eides soll der Schwörende den Daum, und die zwey ersten Finger [Seite 73] der rechten Hand in die Höhe halten, er sey ein Geistlicher, oder ein Weltlicher, eine Manns- oder Weibsperson.

§. 164.

Niemand soll anders schwören, als so wahr mir Gott helfe; Nur bey den Juden soll der bisher üblich gewesene Eid ferner beobachtet werden.

§. 165.

Jeder Zeuge ist in Abwesenheit der Partheyen, und der Mitzeugen zu verhören; die Aussagen aber sind, so viel möglich, mit ihren eigenen Worten niederzuschreiben, und jedem nach geendigten Aussagen solche zum Lesen zu geben, oder ihm wenigstens vorzulesen, und unterschreiben zu lassen. Wäre der Zeuge des Schreibens unkündig, so hätte er seine Aussagen mit dem Kreuzzeichen zu bemerken, und sie von einem Namensunterschreiber anstatt seiner unterschreiben zu lassen.

§. 166.

Wenn ein Zeuge währender Vorlesung etwas an seiner Aussage änderte, oder derselben etwas [Seite 74] hinzusetzte, so wäre es am Ende eben mit dessen eigenen Worten anzumerken: In der Aussage selbst aber soll weder etwas abgeändert, noch hinzu gesetzet werden.

§. 167.

Jenen Zeugen, welche sich im Orte selbst, wo die Verhör vorgenommen wird, aufhalten, ist gar nichts zu reichen, ausgenommen wenn sie Arbeitsleute wären, in welchem Falle ihnen ihre Zeitversaumniß nach dem Ermessen des Richters zu vergüten ist; Jenen aber, welche daselbst nicht wohnen, soll die Fuhr, wenn ihr Stand, oder Leibesbeschaffenheit eine erfordert, bezahlet, und mässige Taggelder, welche der Richter, der die Verhör vornimmt, zu bestimmen hat, von dem Zeugenführer gereichet werden.

§. 168.

Die Zeugen sollen bey Gerichte ihre Aussagen ablegen, jedoch wird der Bescheidenheit des Richters überlassen, welche Zeugen er Krankheitshalber, oder aus anderen erheblichen Ursachen in ihren Wohnungen abhören lassen wolle. [Seite 75]

§. 169.

Wenn einem Theile der Beweis durch Zeugen aufgetragen wird, soll dem Gegentheile der Gegenbeweis, wenn er einen erheblichen angetragen hat, vorbehalten werden: doch soll er ihn binnen 14 Tagen vom Tage der ihm zugestellten Weisartikeln antreten, widrigens solcher nicht mehr statt haben.

§. 170.

In Ansehung des Gegenbeweises ist eben so, wie mit dem Beweise selbst zu verfahren.

§. 171.

Wenn alle in den Weisartikeln benannte Zeugen verhört, und deren Aussagen eingebracht worden sind, soll es in einem bey Gerichte öffentlich anzuschlagenden Tagzettel eingetragen werden, und beeden Theilen freystehen, davon Abschriften zu erheben; auf diese aber soll von der Kanzley der Tag angemerket werden, an welchem sie zu erheben gewesen. [Seite 76]

§. 172.

Der Zeugenführer ist zwar befugt, ohne weitere Verfahrung zu bitten, daß die Akten inrotuliret, und darüber erkannt werde; doch stehet ihm auch frey, eine Beweisschrift zu verfassen, er soll sie aber binnen 14. Tagen von dem Tage, als die Zeugenaussagen zu erheben waren, einreichen, widrigens diese nicht mehr angenommen werden.

§. 173.

Wenn der Zeugenführer eine Beweisschrift in gehöriger Zeit eingereichet hat, soll diese dem Gegentheile um seine Einrede zugestellet werden, diese aber hat er binnen 14 Tagen zu erstatten; auch in jenem Falle, da der Zeugenführer keine Beweisschrift eingereicht hätte, stehet dem Gegentheile frey zu Ausführung der Behelfen, welche er aus der Weisung zu haben glaubt, eine Schrift zu überreichen: darüber ist der Zeugenführer weiters nicht zu vernehmen: doch soll diese Schrift binnen vierzehen Tagen nach Verlauf der dem [Seite 77]Zeugenführer zu seiner Beweisschrift anberaumt gewesenen Frist anzurechnen, eingereichet werden.

§. 174.

In keiner dieser Schriften soll ein Geschichtsumstand, oder ein Beweismittel angeführet werden, welches vor dem ergangenen Urtheile nicht beygebracht worden ist, widrigens soll auf eine solche Neuerung nicht die mindeste Rücksicht getragen werden.

§. 175.

Über gedachte zwey Schriften ist keine mehr zu gestatten.

Fünfzehentes Kapitel. Von dem Beweise zum ewigen Gedächtniße.

§. 176.

Wer wider Jemanden ein Recht hat, wenn es auch nur bedingnißweise wäre, ohne von selbem einen schriftlichen Beweis in Handen zu haben, der ist befugt, jedoch auf seine Unkosten, [Seite 78] von ihme die Ausstellung einer schriftlichen Urkunde zu fordern.

§. 177.

Wenn sich dieser weigerte, das verlangte schriftliche Beweisthum auszustellen, wäre der Gegentheil berechtiget, eine Klage einzureichen, und sein Begehren seinem Rechte gemäß zu stellen.

§. 178.

Wenn jemand von wem immer eine Klage besorgt, wider welche er erhebliche Einwendungen, jedoch ohne schriftlichen Beweise hat, der ist befugt darüber von demselben ein schriftliches Beweisthum zu fordern, und wenn er sich dessen weigert, ihn hierwegen gerichtlich zu belangen.

§. 179.

Jeder, der aus was immer für einer Ursache mit Grund besorgen kann, daß ihm ein zu künftiger Behauptung, oder Vertheidigung seines Rechts tauglicher Zeuge entgehen därfte, ist berechtiget, diesen Zeugen währendem Prozesse, oder auch ehe derselbe anhängig gemacht worden, zum ewigen Gedächtniße abhören zu lassen. [Seite 79]

§. 180.

Der Beweis zum ewigen Gedächtniße ist bey jenem Richter anhängig zu machen, bey welchem das Recht verfochten werden müßte, zu dessen Behauptung, oder Vertheidigung dieser Beweis geführet werden will.

§. 181.

Wenn der Beweis zum ewigen Gedächtniße geführet wird, sollen die Weisartikel dem Gegentheile zur Verfassung seiner Fragstücke zwar zugestellet, und wie im vorigen Kapitel verordnet worden ist, verfahren werden; wenn es jedoch die Zeit nicht zuließe, könnten die Zeugen auch über die Weisartikel allein verhöret werden. Doch soll der Richter die allgemeinen Fragstücke von Amtswegen stellen, und auf die Ursache des Wissens bey jedem Weisartikel dringen. [Seite 80]

Sechzehntes Kapitel. Von dem summarischen Beweise durch Zeugen.

§. 182.

Wenn ein Theil über einen, oder mehrere Geschichtsumstände von den Zeugen schriftliche Zeugniße in dem Prozesse beygebracht, der Gegner aber in die Beschwörung der Zeugniße eingewilliget, und sich seines Rechts, Fragstücke zu stellen, begeben hat, soll nicht auf eine förmliche Weisung, sondern auf die Beschwörung der Zeugniße gesprochen werden.

§. 183.

Da auf die Beschwörung der beygebrachten Zeugniße gesprochen worden ist, soll der Beweisführer drey Tage, nachdem der Spruch in die Rechtskräften erwachsen ist, um eine Tagsatzung zur Ablegung des Eides anlangen, widrigens der Beweis erloschen seyn. [Seite 81]

§. 184.

Zur Tagsatzung sind zwar beide Theile, und die Zeugen vorzufordern; wenn jedoch auch ein, oder beide Theile ausblieben, wäre der Eid nichts destoweniger aufzunehmen.

§. 185.

Wenn aber die Zeugen bey der Tagsatzung nicht erschienen, sollen sie hiezu durch Geld- oder Leibesstrafen angehalten werden; dahero wenn sie nicht freywillig vor dem Richter, bey welchem die Sache anhängig ist, ihre Zeugniße beschwören wollten, hätte der Beweisführer die Tagsatzung bey jenem Richter anzusuchen, unter dessen Gerichtsbarkeit sie stehen.

§. 186.

Wenn ein Zeuge vor der eidlichen Bestättigung seines ausgestellten Zeugnißes stürbe, wäre es in keinem Falle für beschworen zu halten, ausgenommen wenn der Zeuge sich hiezu gerichtlich angebothen: der Gegentheil aber die Ablegung desselben durch die ergriffene Appellazion, oder sonst verzögeret hätte. [Seite 82]

Siebenzehntes Kapitel. Von dem Beweise durch Kunstverständige.

§. 187.

Der Beweis durch Kunstverständige (unter denen nur jene begriffen werden, welche hinlängliche Fähigkeit besitzen, die Beschaffenheit der betreffenden Sache zu beurtheilen) soll nicht geführet werden, er sey dann durch einen Spruch, oder eine gerichtliche Verordnung veranlasset worden: der Richter soll ihn aber nicht veranlassen, als wenn es erforderlich ist, folglich nachdem er von der Streitsache eine hinlängliche Kanntniß erlanget hat.

§. 188.

Wenn zu besorgen wäre, daß die Streitsache ihre Gestalt ändere, bevor als der Richter von derselben eine hinlängliche Kanntniß erlange, ware dieser Beweis auf Ansuchen eines, oder des andern Theiles, auch ohne Gewärtigung eines Spruchs, oder Verordnung des Richters zu veranlassen. [Seite 83]

§. 189.

Wenn dieser Beweis durch eine gerichtliche Erkanntniß veranlaßt worden ist, und kein Theil dawider sich beschweret hat, soll auf Anlangen eines, oder des andern Theiles zur Beaugenscheinigung der Streitsache Tag, Stunde und Ort bestimmet, die Kunstverständigen, wie auch, falls nicht der Richter selbst den Augenschein vornähme, ein, oder zwey Gerichtsabgeordnete hiezu ernannt werden. Wenn jedoch in einem Orte schon beständige Kunstverständige bestellet sind, soll der Richter keine andere ernennen.

§. 190.

Da aber dieser Beweis durch eine Verordnung veranlasset wird, soll zugleich die Tagsatzung hiezu bestimmet, dann die Kunstverständigen, und allfälligen Gerichtsabgeordnete ernannt werden.

§. 191.

Zu diesem Beweise soll kein Kunstverständiger gebraucht werden, dessen Zeugniß in eben dieser Streitsache verwerflich, oder auch nur bedenklich wäre; hätte der Richter einen solchen [Seite 84] Kunstverständigen ernannt, so stünde jedem Theile frey ihn zu verwerfen, und um die Ernennung eines andern zu bitten. Doch soll er es binnen der Hälfte der anberaumten Augenscheinstagsatzung thun, widrigens ist er damit nicht mehr zu hören.

§. 192.

Ist nun ein Kunstverständiger von einem, oder dem andern Theile verworfen, und eine hinlängliche Ursache dazu glaubwürdig beygebracht worden, soll der Richter anstatt dessen einen andern ohne weiters ernennen; dessen aber der Gegentheil gehörig erinneret werden.

§. 193.

Da die Augenscheinstagsatzung angeordnet wird, soll der Richter zugleich zu Bestreitung der Unkösten einen verhältnißmässigen Betrag bestimmen, und diesen, falls sich der Beweisführer mit dem Richter, und den Kunstverständigen nicht von selbst verstünde, von dem Beweisführer beytreiben, und den Augenschein vornehmen, oder vornehmen lassen, wenn auch ein, oder beide Theile ausblieben. [Seite 85]

§. 194.

Vor dem Augenscheine soll der Richter, oder dessen Abgeordneter jene Kunstverständige, welche schon überhaupt beeidet sind, ihres Eides umständlich erinnern: von den unbeeidigten aber den Eid aufnehmen, daß sie die Streitsache genau in Augenschein nehmen, und die Eigenschaft, welche der Richter zu wissen nöthig hat, wahrhaft, und deutlich anzeigen wollen.

§. 195.

Bey dem Augenscheine stehet beiden Theilen frey, den Kunstverständigen jene Erinnerungen zu machen, so sie nöthig finden.

§. 196.

Zu einem vollständigen Beweise durch Kunstverständige wird die einhellige Aussage zweyer Kunstverständigen über jede zu erweisende Eigenschaft der Streitsache erfordert; wären sie uneinig, so soll der Richter, oder dessen Abgeordneter einen Dritten zuziehen, und ihn nach obiger Vorschrift beeidigen, oder seines bereits abgelegten Eides erinnern. [Seite 86]

§. 197.

Jene Meinung, welcher dieser Dritte beypflichtet, soll für wahr gehalten werden; wenn er aber keiner beypflichtete, soll der Augenschein mit Zuziehung anderer Kunstverständigen wiederholet werden.

§. 198.

Die Kunstverständigen sollen bald möglichst, und zwar immer, ehe die Partheyen von dem Augenschein auseinander gehen, ihren Befund schriftlich abfassen, und unter ihrer Fertigung dem Richter, oder seinen Abgeordneten übergeben, oder sie sollen ihn mündlich vortragen, der Richter aber, oder dessen Abgeordneter über diesen Vortrag ein umständliches, verläßliches Protokoll führen, und es von den Kunstverständigen fertigen lassen; in ein, so anderem Falle ist der Befund der Kunstverständigen, der jedoch nur über die Beschaffenheit der Streitsache abzufassen, und worinnen von dem Rechte der Partheyen mit keinem Worte zu erwehnen ist, dem Richter ungesaumt zu überreichen. [Seite 87]

§. 199.

Der Richter, oder dessen Abgeordneter soll den Befund der Kunstverständigen den Partheyen alsogleich, und ehe als sie von dem Augenschein auseinander gehen, vorlesen, und wenn eine Dunkelheit, oder sonstiger Mangel vorgefallen wäre, die Verbesserung sogleich veranstalten.

§. 200.

Der Befund der Kunstverständigen soll sodann vom Gerichte den Partheyen in Abschrift ertheilet werden, ihnen über die Beschaffenheit der Streitsache zu einem vollständigen Beweis dienen, und dawider keine Überbeschau statt finden.

§. 201.

Die Schäzungen (das ist: der Beweis des Werths, denn eine Sache hat,) sollen auf gleiche Art vorgenommen werden, folglich soll wider eine gehörig vorgenommene Schäzung keine Überschäzung statt haben; die Schätzleute aber sollen bey ihrem abgelegten Eide den wahren Werth anzeigen, welchen die zu schäzende Sache nach genauer Überlegung aller Umstände nach ihrer Meinung hat, [Seite 88] und sich an das in einigen Ländern zur Richtschnur vorgeschrieben gewesene Schäzungspatent, in so weit es den Werth der Sachen bestimmet, nicht binden.

§. 202.

Kein gerichtlicher Augenschein soll ohne gegründeter Ursache vorgenommen, im Fall der Vornehmung aber hiezu jedesmal zwey Kunstverständige zugezogen, und hiebey nach obiger Vorschrift vorgegangen werden.

Achtzehntes Kapitel. Von dem Beweise durch den Haupteid. (Juramentum litis decisivum.)

§. 203.

Jene Parthey, welche die Streitsache zu vergleichen berechtiget wäre, ist auch befugt dem Gegner den Haupteid über jene Geschichtsumstände, welche dieser widersprochen hat, aufzutragen. [Seite 89]

§. 204.

Wenn jener, dem der Haupteid ist aufgetragen worden, sich erboten hat, sein Gewissen mit einem Gegenbeweise zu vertreten, ist er hiezu durch Urtheil zuzulassen; falls jedoch dieser Beweis nicht rechtsbeständig ausfiele, so könnte er den aufgetragenen Eid nicht mehr annehmen.

§. 205.

Hätte er sich in dem Prozesse nicht angeboten, sein Gewissen mit einem Gegenbeweise zu vertreten, so wäre er zu verurtheilen, den Eid anzunehmen, oder ihn dem Gegner zurükzuschieben. Der zurükgeschobene Eid aber muß ohne alle Ausnahme angenommen werden.

§. 206.

Jener, welcher den Haupteid angenommen hat, ist nur schuldig, die von Gegenseits beygebrachten Umstände seines Wissens, und Erinnerns eidlich zu widersprechen; wenn er aber die von ihm selbst vorgegebenen Umstände zu beschwören hätte, müßte er den Eid ohne allen Beysatz ablegen. [Seite 90]

§. 207.

Demjenigen, welcher in eigenen Namen Prozeß führet, kann der Haupteid sowohl über eigene, als über fremde Handlungen aufgetragen werden: jenem aber, welcher nicht in eigenem Namen, sondern für einen dritten Prozeß führet, kann nur über seine eigene Handlungen der Haupteid aufgetragen werden.

§. 208.

Der Richter soll in dem Urtheile die Eidesformel genau bestimmen, und, wenn jene Umstände, worüber ein Theil dem andern den Haupteid auftragen will, offenbar zur Sache nicht gehörig sind, soll er darauf keine Rucksicht tragen, sondern sie auslassen, wenn auch der Gegentheil den Eid ohne Widerrede angenommen hätte.

§. 209.

Jener, welcher den Haupteid anzunehmen, oder zurükzuschieben schuldig erkannt worden ist, soll sich diesfalls binnen 3 Tagen, nachdem das Urtheil in die Rechtskräfte erwachsen ist, oder wenn der Spruch in letzter Instanz ergangen ist, [Seite 91] binnen vierzehen Tagen vom Tage des zugestellten Spruchs bey Gerichte schriftlich erklären, widrigens ist der Eid für zurükgeschoben zu halten.

§. 210.

Erkläret er sich nun, den Eid anzunehmen, so ist darüber zur Ablegung desselben eine Tagsatzung anzuordnen, bey welcher er den Eid so gewiß abzulegen hat, als im widrigen er dazu nicht mehr zuzulassen, sondern das Widerspiel dessen, was er zu beschwören gehabt hätte, für wahr zu halten wäre.

§. 211.

Hätte er aber den Eid zurückgeschoben, oder die diesfällige Erklärung in der vorgeschriebenen Zeit nicht eingereicht, so soll der Gegentheil binnen den folgenden 3 Tagen zur Ablegung des ausdrücklich, oder stillschweigend zurückgeschobenen Eides um eine Tagsatzung anlangen, und bey derselben den Eid ablegen: widrigens wäre das Widerspiel dessen, was er zu beschwören gehabt hätte, für wahr zu halten. [Seite 92]

Neunzehnetes Kapitel. Von dem Erfüllungs- und Ableinungseide. (Juramentum suppletorium, & purgatorium)

§. 212.

Wenn ein Theil über einen erheblichen, die Streitsache entscheidenden Umstand zwar keine vollständige, doch eine halbe, oder mehr als eine halbe Probe beygebracht, und sich erboten hat, diesen Umstand eidlich zu bestättigen, kann ihm der Erfüllungseid aufgetragen, folglich gestattet werden, den Beweis mit seinem Eide zu ergänzen.

§. 213.

Hätte er sich hiezu weder erboten, noch dem Gegentheile (wie oben verordnet worden ist) den Haupteid aufgetragen, so wäre der vorgegebene Umstand, ohne dem Gegentheil einen Ableinungseid aufzutragen, für wahr nicht zu halten. [Seite 93]

Zwanzigstes Kapitel. Von dem Schätzungseide. (Juramentum in litem.)

§. 214.

Wenn jemand a) dem andern widerrechtlich Gewalt anthut; b) eine Sache veräussert, verderben, oder sonst Schaden nehmen läßt, da er wohl weis, daß sie einem Dritten zugehöre, oder doch von einem Dritten werde angesprochen werden; c) jenes in der bestimmten Zeit nicht übergiebt, liefert, oder verrichtet, welches er zu übergeben, zu liefern, oder zu verrichten schuldig zu seyn wohl weis; in diesen Fällen ist der Gegner zuzulassen, seinen Schaden zu beschwören.

§. 215.

Dieser ist befugt, alles dasjenige einzurechnen, was ihm insbesondere daran liegt, sein Recht in der gehörigen Zeit nicht erhalten zu haben, es möge solches in einem zugegangenen Schaden, oder entgangenen Nutzen bestehen. [Seite 94]

§. 216.

Wenn er diesen seinen Schaden zu hoch schäzte, soll ihn der Richter in dem Urtheile nach Billigkeit, doch immer mit mehrerer Rucksicht auf den Beschädigten mässigen, und den Kläger zulassen, den gemässigten Betrag zu beschwören.

§. 217.

Wenn jemand erwiesen hat, daß er zu fordern habe, über den Betrag seiner Forderung aber keinen hinlänglichen Beweis beygebracht, und vermög der Natur des Geschäftes keinen hinlänglichen Beweis hat beyschaffen können, soll er zugelassen werden, den Betrag seiner Forderung mit seinem Eide zu erweisen.

§. 218.

Wenn er sich aber einen genugsamen Beweis hätte beyschaffen können, soll er zwar auch zum Eide zugelassen werden, doch soll der Richter in dem Urtheile den Betrag seiner Forderung nach genauer Überlegung aller Umstände nach Billigkeit, doch immer mit mehrerer Ruksicht auf den Gegentheil mässigen. [Seite 95]

Ein und zwanzigstes Kapitel.Von der eidlichen Angabe. (Juramentum manifestationis.)

§. 219.

Wenn jemand schuldig ist, ein Vermögen, oder Schulden anzugeben, so soll er auf Begehren des Gegners die Richtigkeit seiner Angabe beschwören.

§. 220.

Jene, die von einer besorglichen Vertuschung muthmaßlich Wissenschaft haben därften, sollen auf Begehren des Klägers alles, was ihnen von diesem Vermögen bekannt ist, angeben, und ihre Angabe eidlich bestärken.

Zwey und zwanzigstes Kapitel. Von den Eiden insgemein.

§. 221.

Bey Ablegung eines Eides sollen keine andere Feyerlichkeiten, und keine andere Ausdrüke [Seite 95] gebraucht werden, als jene, welche im 14. Kapitel §. 163. und 164. verordnet worden sind.

§. 222.

Jener, welcher berechtiget wäre, die Streitsache zu verschenken, ist auch befugt den Eid zu erlassen.

§. 223.

Ein gerichtlicher Eid kann niemals durch einen Sachwalter gültig abgeleget, sondern muß jederzeit in Person abgeschworen werden.

§. 224.

Jener, welcher einen Beweis, oder Gegenbeweis durch seinen Eid herzustellen hat, muß ihn drey Tage, nachdem der Spruch in die Rechtskräften erwachsen ist, oder wenn das Urtheil in lezter Instanz ergangen ist, binnen 14 Tagen vom Tage des zugestellten Spruchs antreten, widrigens ist der Beweis, oder Gegenbeweis erloschen.

§. 225.

Wenn er also abwesend wäre, und ohne zu großen Unkösten, oder Ungelegenheit zur Ablegung [Seite 97] des Eides nicht erscheinen könnte, soll er durch seinen Sachwalter in der bestimmten Zeit um ein Ersuchschreiben anlangen an die Obrigkeit des Orts, wo er sich befindet, daß sie nach der einzuschließenden Eidesformel den Eid aufnehmen, und solche zurücksenden wolle.

§. 226.

Dem Gegentheile stehet zwar frey, daselbst zur Anhörung des Eides selbst zu erscheinen, oder hiezu Jemanden zu bestellen: Wenn es aber nicht geschehen wäre, soll der Eid auch in seiner Abwesenheit aufgenommen, und dieses dem Ersuchschreiben beygerücket werden.

§. 227.

Wenn es unthunlich wäre, den Eid durch ein Ersuchschreiben aufnehmen zu lassen, so wäre es genug, wenn derjenige, welcher den Eid abzulegen hat, die Eidesformel eigenhändig unterschriebe, und bestättigte; doch hätte er den Eid abzulegen, sobald die Hinderniß aufhören würde; Nur hätte man sich in einem solchen Falle an die [Seite 98] oben §. 224. bestimmte Frist nicht so genau zu binden.

§. 228.

Die Einsendung der also gearteten Eidesformel hat, in solang die Hinderniß der Eidesablegung fürdauret, die Wirkung des abgelegten Eides, und tritt der betreffende Theil in die ihm aus der Erkanntniß zugehenden Rechte ein. Nur stehet dem Gegentheile bevor, nach Beschaffenheit der Umstände die Sicherstellung für jene Zeit zu fordern, wenn der Eid nach bereits behobenem Hinderniß dennoch nicht abgeschworen würde.

§. 229.

Von jenen, welche Krankheits- oder Alters halber zur Ablegung des Eides vor Gericht nicht erscheinen können, ist der Eid in ihren Wohnungen durch einen, oder zwey Abgeordnete aufzunehmen.

§. 230.

Der Gegentheil ist zu Anhörung des Eides vorzuladen, wenn er aber in der bestimmten Zeit nicht erschiene, wäre der Eid ohne weiters von Amtswegen aufzunehmen. [Seite 99]

§. 231.

Wenn ein Theil vor abgelegtem Eide neue Beweis- oder Gegenbeweismittel ausfindig gemacht hätte, und durch Beybringung standhafter Behelfe, oder in Ermanglung derselben durch seinen Eid darzuthun vermögend wäre, daß er dieselben während dem Prozesse nicht geflissentlich verschwiegen habe, in diesem Falle ist der Gegentheil nicht zum Eide, sondern er zur Führung seines Beweises, oder Gegenbeweises zuzulassen.

§. 232.

Wenn er aber mit einem hinlänglichen Beweise, oder Gegenbeweise nicht aufkäme, wäre der Eid von dem Gegentheile nicht mehr zu fordern, sondern für abgeschworen zu halten.

§. 233.

Wenn Jemand vor Ablegung eines ihm zuerkannten Eides stürbe, wär solcher Eid, falls er sich hiezu gerichtlich angeboten, und die Ablegung desselben weder durch die ergriffene Appellazion, noch sonst verzögert hat, für abgeschworen, zu halten. [Seite 100]

§. 234.

Glaubt Jemand erweisen zu können, daß sein Gegner einen falschen Eid abgeleget habe, soll er dem peinlichen Richter alle seine Beweismittel übergeben, und dieser nach Beschaffenheit der Umstände von Amtswegen die Untersuchung vornehmen.

§. 235.

Wird nun der Beschuldigte eines falschen Eides überwiesen, oder geständig, soll er alles, was er durch seinen Eid behauptet hat, sammt Schäden, und Unkosten wieder gutmachen.

§. 236.

Wenn die Zeugen auch geständig wären, einen falschen Eid abgeleget zu haben, hätte doch jener Theil, welcher auf ihre Zeugenschaft den Prozeß behauptet hat , nichts gut zu machen; doch stehet dem Sachfälligen bevor, seine Erholung wider einen solchen eines falschen Eides geständigen Zeugen zu suchen.

§. 237.

Falls sie aber eines falschen Eides überwiesen wurden, und mit Ausschließung ihrer Zeugniße [Seite 101] die übrigen Beweismittel nicht wenigstens eine halbe Probe ausgemacht hätten, müßte er die behauptete Sache dem Gegentheile wieder erstatten; da aber die übrigen Beweismittel noch eine halbe Probe ausmachten, wäre zu verfahren, wie oben von dem Erfüllungseide verordnet worden ist. Wohlverstanden jedoch, daß jener, der einen Zeugen zu einem falschen Eide verleitet, nicht nur zur vollkommenen Entschädigung des Gegentheils verhalten, sondern annoch insbesondere nach den peinlichen Gesetzen bestrafet werden soll.

Drey und zwanzigstes Kapitel. Von Inrotulirung der Akten.

§. 238.

Wenn alle Satzschriften eingebracht worden sind, soll die letzte dem Gegentheile zur Einsicht verbeschieden, und beiden Theilen der achte Tag zu Inrotulirung der Akten bestimmet werden.

§. 239.

Hat ein Theil seine Satzschrift in der gehörigen Zeit nicht eingebracht, so soll der Gegentheil [Seite 102] längstens drey Tage nach verfallener Frist um die Inrotulirung der Akten anlangen, der Richter aber hierüber den achten Tag beiden Theilen hiezu bestimmen.

§. 240.

Jede Gerichtsstelle soll eine Gerichtsperson bestellen, in deren Gegenwart jede Inrotulirung der Akten geschehe. Diese Gerichtsperson hat über die angeordneten Inrotulirungen ein genaues Protokoll zu führen.

§. 241.

Jeder Theil hat die ihm zugestellten gegentheiligen Schriften, und Beylagen einzulegen, und ist nicht schuldig, andere legen zu lassen; kein Theil aber ist verbunden, die Originalien zu legen, ausgenommen, wenn der Gegentheil demselben sichtbare Mängel ausgestellet hätte.

§. 242.

Die Zeit zu Inrotulirung der Akten ist jene, zu welcher das Gericht gehalten zu werden pflegt; wenn ein Theil in einer Stunde, nachdem das Gericht angefangen hat, nicht zugegen wäre, soll der [Seite 103] Anwesende mit der zu den Inrotulirungen bestellten Gerichtsperson die Inrotulirung vornehmen, und seine eigene Satzschriften, und Beylagen einzulegen befugt seyn.

§. 243.

Wenn beide Theile ohne Einreichung einer von den Partheyen selbst gefertigten Erklärung über die Ursache der nicht vor sich gehenden Inrotulirung ausblieben, soll dieses Ausbleiben von der zur Inrotulirung bestimmten Gerichtsperson dem Richter angezeiget, beide Theile mit einer angemessenen Strafe angesehen, und den darauf folgenden dritten Tag bey doppelter Strafe die lnrotulirung vorgenommen werden.

§ 244.

Über die Satzschriften, und deren sämmtlichen Beylagen soll ein verläßliches Verzeichnis, (Rotulus, Directorium) verfasset, dieses aber von den Partheyen, und gedachter Gerichtsperson gefertiget werden; doch mag jede Parthey dieses Verzeichniß zu Hause verfassen, und in Bereitschaft halten. [Seite 104]

§. 245.

Wenn sich bey der Inrotulirung über die Legung einer Urkunde ein Streit ergäbe, soll die streitige Urkunde zwar geleget, zugleich aber der Widerspruch des Gegentheils angemerket werden.

§. 246.

In jenen Fällen, in welchen der Richter nicht selbst bey der Inrotulirung zugegen ist, soll ihm die dazu bestellte Gerichtsperson die inrotulirten Akten unverzüglich übergeben.

Vier und zwanzigstes Kapitel. Von den Urtheilen. (Sententia)

§. 247.

Jeder Richter hat die Streitsache nach Möglichkeit zu beschleunigen, und durch Urtheil zu entscheiden.

§. 248.

In jedem Urtheile sind alle Theilnehmende, so wie sie bey dem schriftlichen Verfahren in den unterfertigten Satzschriften, oder ausgestellten [Seite 105] Vollmachten einkommen, oder in dem mündlichen Verfahren bey der Tagsatzung persönlich, oder mittels eines Bevollmächtigten erschienen sind, so auszudrücken, und zu benennen, daß künftig kein Zweifel entstehen könne, wer darinnen begriffen sey; doch ist es bey protokollirten Handlungsgesellschaften genug, wenn jene Benennung, welche sie führen, und protokolliret ist, gebraucht wird. Nach Benennung der Partheyen ist auch der Gegenstand, worüber der Streit geführet worden, in dem Urtheile auf eine genaue, und deutlich bestimmte Art auszudrücken: der Spruch selbst soll dem Begehren der Partheyen gemäß, verständlich und klar abgefasset, in selbem aber von den Beweggründen, die den Richter zu dessen Abfassung bestimmet haben, nichts erwähnet werden.

§. 249.

Wenn durch ein Urtheil einem Theile etwas zur Beendigung des Streits aufgetragen wird, z. B. ein Beweis, ein Eid, und dergleichen, soll der Richter in dem Urtheile ausdrücken, binnen welcher Zeit derselbe hiezu, in Folge Unserer [Seite 106] Gesetze, das nöthige vorzukehren habe, wie auch den Nachtheil, der ihm sonst bevorstehet.

§. 250.

Kein Spruch ist den Partheyen öffentlich vorzulesen, und kund zu machen, sondern es soll jeder Richter die geschöpften Sprüche den Partheyen zu eigenen Händen, oder zu Händen ihrer Sachwalter zustellen lassen. Doch hat die Zustellung eines Spruchs allen Partheyen, die er angehet, an dem nämlichen Tage zu geschehen.

§. 251.

Über jeden Spruch, worüber eine weitere Beschwerführung offen stehet, sollen den Partheyen auf Anlangen, und zwar längstens drey Tage nach zugestellten Spruche die Beweggründe des ergangenen Urtheils mit Beziehung auf die abgeführten Akten, nicht aber die bey der Berathschlagung etwa ausgefallenen besonderen Meinungen hinausgegeben werden. [Seite 107]

Fünf und zwanzigstes Kapitel. Von der Appellazion, und Revision, dann der Nullitätsklage.

§. 252.

Wer durch einen Spruch beschwert zu seyn glaubet, dem stehet frey, binnen 14 Tagen vom Tage des zugestellten Spruchs dawider zu appelliren, ausgenommen in folgenden Fällen: a) wider ein Beyurtheil, wodurch der Hauptsache kein Nachtheil zuwächst; b) wider einen Spruch, wodurch wechselseitige Beschimpfungen aufgehoben worden sind.

§. 253.

Die Appellazionsanmeldung, und die Appellazionsbeschwerden sind zugleich bey jenem Richter einzureichen, der den Spruch, wider welchen appelliret wird, geschöpfet hat: die Appellazionsbeschwerden hat die Parthey jedesmal offen zu überreichen. [Seite 108]

§. 254.

Wenn die Parthey aus gar erheblichen, und erwiesenen Ursachen ihre Appellazionsbeschwerden binnen 14 Tagen nicht einreichen könnte, wäre der Richter erster Instanz berechtiget, ihr auf Anlangen eine weitere 14 tägige Frist zu ertheilen; doch soll er diese erhebliche Ursachen samt dem Beweise derselben in dem Einbegleitungsberichte anführen.

§. 255.

Über die Appellazionsanmeldung hat der Richter die Gegenparthey mit einer Appellazionseinrede, welche jedoch binnen 14 Tagen zu überreichen, und nach derer Verlauf nicht mehr anzunehmen ist, zu vernehmen.

§. 256.

Der Richter erster Instanz hat die Appellazionsanmeldung, die Beschwerden, die Appellazionseinrede, und sämmtliche Prozeßakten, welche immittels in guter Ordnung bey Gerichte aufzubehalten, und in den Fällen des beschehenen mündlichen Verfahrens gehörig zu inrotuliren sind, wie auch seine Beweggründe mit seinem [Seite 109] Einbegleitungsberichte ohne Verzug an den obern Richter zu befördern, dieser aber die Sache, sobald möglich, zu entscheiden.

§. 257.

In der Appellazionsbeschwerde soll weder ein anderer Geschichtsumstand, noch ein anderes Beweismittel angeführet werden, als jene, worüber bey der ersten Instanz gesprochen worden ist; wenn dennoch dawider gehandelt würde, soll auf eine solche Neuerung keine Rucksicht getragen werden.

§. 258.

Wenn das Urtheil mehrere Punkte enthält, soll der Appellazionswerber jene klar ausdrüken, wodurch er beschwert zu seyn glaubet, jene aber, wider welche er sich nicht ausdrüklich beschweret hat, erwachsen in die Rechtskräfte, und können nicht mehr abgeändert werden.

§. 259.

Über jene Punkte, wider welche nicht ausdrüklich appelliret worden ist, soll nach verstrichener Appellazionsfrist auf Begehren des Obsiegers sogleich die Exekuzion ertheilet; in Ansehung jener [Seite 110] aber, wider welche die Appellazion angemeldet worden ist, bis zu erfolgendem Appellazionsurtheile mit aller Exekuzion innengehalten werden; sollte jedoch die Streitsache also beschaffen seyn, daß der in erster Instanz obsiegende Theil bis zu erfolgendem Appellazionsurtheile einer Sicherstellung, Bedeckung, oder andern gerichtlichen Vorkehrung bedürfte, soll ihm diese vom dem Richter auf Anlangen ertheilet werden.

§. 260.

Eben auf diese Art soll es auch mit der Revision gehalten werden, jedoch ist diese nicht zuzulassen, wenn der Spruch erster Instanz von dem Appellazionsgerichte bestättiget worden ist; folglich wenn der Spruch theils bestättiget, theils abgeändert worden ist, kann nur wider jene Punkte revidiret werden, welche abgeändert worden sind.

§. 261.

Jene Vorkehrungen, welche in Folge des 259. §. währender Appellazion allenfalls vorgenommen worden sind, sollen währender Revision ohne Abänderung bleiben: wenn jedoch der [Seite 111] Revisionswerber obsiegete, hätte ihm der Gegentheil allen dadurch erweislich verursachten Schaden gutzumachen.

§. 262.

Wenn ein Theil zu behaupten vermeinte, daß der geschöpfte Spruch eine offenbare Nullität enthalte, stehet ihm bevor, eine Nullitätsbeschwerde anzubringen; doch soll in jedem Falle, wo der weitere Appellazions- oder Revisionszug offen stehet, mit dieser Beschwerde zugleich die Appellazion, oder Revision ergriffen, und auch die diesfällige Beschwerden zur nemlichen Zeit angebracht werden.

§. 263.

Die Nullitätsbeschwerde ist binnen der zur Appellazion bestimmten Frist bey dem untern Richter anzubringen, und hierüber jenes, was wegen der Appellazionsbeschwerden verordnet worden, zu beobachten.

§. 264.

Der obere Richter hat über die an ihn gelangenden Akten zuförderst die Nullitätsbeschwerde zu beurtheilen, und wenn er diese erwiesen, und [Seite 112] gegründet fände, sich in Schöpfung eines Urtheils in der Hauptsache nicht einzulassen, sondern das Urtheil des untern Richters zu kassiren, und ein neuerliches, ordnungsmässiges Verfahren auzuordnen, beynebens aber dem untern Richter jedesmal den Ersatz der durch die hierwegen erfolgte Verzögerung beiden Theilen erweislich verursachten Schäden, und Unkösten aufzutragen.

§. 265.

Auf gleiche Art soll der obere Richter verfahren, wenn zwar eine Nullitätsbeschwerde von der Parthey nicht angebracht, die Nullität aber von ihm bey Erledigung der Appellazions, oder Revisionssache von Amtswegen bemerket worden wäre.

§. 266.

Sollte dagegen die Nullitätsbeschwerde unstatthaft befunden werden, hat der obere Richter die zugleich an ihn gelangte Appellazions- oder Revisionssache, der Ordnung nach, zu erledigen, die Nullitätsbeschwerde zu verwerfen, und wenn selbe als muthwillig erkannt würde, den Beschwerführer mit gemessener Strafe anzusehen. [Seite 113]

§. 267.

Wenn ein Bescheid, oder eine Verordnung wider diese Gerichtsordnung ergienge, welche lediglich die Form des Prozesses beträfe, soll der beschwerte Theil nicht appelliren, oder revidiren, wohl aber den Vorfall bey dem obern Richter binnen 14. Tagen vom Tage des ergangenen Bescheides, oder Verordnung also gewiß anzeigen, widrigens mit einer diesfälligen Beschwerde nicht weiters gehöret werden: der obere Richter hat die Sache von Amtswegen zu untersuchen, und den untern Richter, beschaffenen Umständen nach zur Verantwortung zu ziehen.

Sechs und zwanzigstes Kapitel. Von Versuchung der Güte.

§. 268.

Jedem Theile stehet frey, wehrenden Prozesse einen Vergleich gerichtlich, oder aussergerichtlich vorzuschlagen, doch soll der Prozeß dadurch ohne eine von der Gegenpartey selbst vorläufig [Seite 114] beygebrachte schriftliche Erklärung, niemals im mindesten gehemmet werden, sondern seinen ungehinderten Lauf haben.

§. 269.

Dem Richter stehet zwar frey, sich zur Stiftung eines gütlichen Vergleichs mit Anstand, und Bescheidenheit zu verwenden, jedoch soll derselbe nicht an die Partheyen durch ungestümmes Zureden zum Vergleich dringen, vielweniger aber sein richterliches Ansehen miteinmengen; wenn ein Theil den Vergleich schriftlich, oder mündlich ausschlüge, ohne weiters die Unterhandlung abbrechen, und überhaupt darob seyn, damit hiedurch keine gerichtliche Handlung gehemmet werde.

Sieben und zwanzigstes Kapitel. Von Schiedrichtern.

§. 270.

Den streitenden Partheyen stehet frey, sich auf einen Schiedrichter zu vergleichen, doch soll ein solcher Vergleich nicht gültig seyn, er sey dann [Seite 115]schriftlich errichtet worden, sodann aber kann kein Theil ohne Einwilligung des andern davon zurüktreten.

§. 271.

Niemand ist schuldig das Amt eines Schiedrichters über sich zu nehmen; wer es aber angenommen hat, ist schuldig die Streitsache zu entscheiden.

§ 272.

Der Schiedrichter soll die Ordnung, über welche die Partheyen einig geworden sind, beobachten; wenn sie aber ihm keine vorgeschrieben hätten, wäre er an diese Gerichtsordnung gebunden.

§. 273.

Wenn die Partheyen ausdrüklich es bey dem Ausspruche des Schiedrichters bewenden zu lassen bedungen, und sich aller Beschwerführung begeben haben, sind sie schuldig, dessen Ausspruch zu vollziehen, und soll kein Theil, ausser dem Falle eines offenbaren Betruges, dawider gehöret werden. [Seite 116]

§. 274

Hätten sie sich aber der Beschwerführungen ausdrüklich nicht begeben, so stünde jedem Theile frey, nach dem ergangenen Ausspruche die Streitsache bey dem ordentlichen Richter anhängig zu machen, und ohne Rucksicht auf den Ausspruch des Schiedrichters abzuführen. Doch soll er es binnen 14 Tagen nach dem zugestellten Ausspruche anbringen, widrigens nicht mehr gehöret werden.

Acht und zwanzigstes Kapitel. Von dem Arreste.

§. 275.

Vor der Entscheidung des Prozesses kann zwar keine Exekuzion ertheilet werden,  doch hat der Arrest vorsichtsweise wider jene statt, welche wegen der schuldigen Zahlung der Flucht verdächtig sind.

§.276.

Wenn in solchem Falle der Arrestswerber solche Urkunden beybringt, welche, falls sie von [Seite 117] dem Gegentheile für richtig erkannt würden, seine Forderung vollständig erwiesen, soll der gebettene Arrest ohne weiters verwilliget werden.

§. 277.

Hätte aber ein solcher Arrestswerber keine hinlängliche Beweismittel beygebracht, so soll der Arrest nur damals verwilliget werden, wenn der Arrestswerber genugsame Sicherheit leistet, um dem zu arrestirenden wegen des Schimpfes, und der Schäden Genugthuung zu verschaffen.

§. 278.

Ein solcher Arrest kann nur bey jenem Richter verhänget werden, bey welchem derjenige, wider den der Arrest angesuchet worden, belanget werden kann; ausgenommen er wäre im Begrife flüchtigen Fuß zu setzen, oder schon auf der Flucht begriffen.

§. 279.

Ob jener, wider welchen der Arrest verhänget worden, in seiner Wohnung zu arrestiren, oder in den gewöhnlichen Arrest zu überbringen sey, oder auf welche Art sonst man sich seiner Person zu versichern habe, wird der Bescheidenheit des [Seite 118] Richters überlassen; doch hat jener, welcher den gewöhnlichen Arrest vermeiden will, die Unkösten von Zeit zu Zeit vorzuschiessen.

§. 280.

Wenn immer der arrestirte dem Arrestswerber für seine Forderung Sicherheit leistet, soll der Arrest aufgehoben werden, und zwar, wenn diese Sicherheit auch nur auf den Fall geleistet würde, da der arrestirte entweichen, oder sich verborgen halten würde. Wo übrigens, wenn über die Zulänglichkeit der angebottenen Sicherheit ein Zweifel entstünde, die Sache von dem Richter, nach Vernehmung beider Theile, auf das schleunigste, allenfalls mittels Anordnung einer Tagsatzung ausgemacht werden soll.

§. 281.

Falls der Arrestswerber mit dem Arrestsgesuche zugleich eine förmliche Klage eingereichet hat, soll die Streitsache unverzüglich, und wenn es möglich ist, binnen 3 Tagen entschieden werden; wenn aber keine förmliche Klage zugleich eingereichet worden wäre, hätte der Arrestswerber auch [Seite 119] ohne Betreiben des Arrestirten diese binnen 14 Tagen einzureichen.

§. 282.

Wäre diese Klage in der gehörigen Zeit nicht eingereichet worden, so müßte der Arrest auf Anlangen des Arrestirten ohne weiters sogleich aufgehoben, und dem Arrestirten eine billige Genugthuung für den erlittenen Schimpf, und Schaden ausgemessen werden, welches auch statt haben soll, wenn die Forderung des Arrestswerbers ungegründet erkannt wird.

Neun und zwanzigstes Kapitel. Vom Verbote auf fahrende Güter.

§. 283.

Auf eine ähnliche Art soll der Gläubiger auch befugt seyn, die seinem Schuldner zugehörigen, in den Händen eines Dritten befindlichen fahrenden Güter mit Verbote zu belegen: doch nur alsdenn, wenn der Gläubiger bey seinem Schuldner wegen Abgang anderer hinlänglicher Zahlungsmittel in Gefahr stehet. [Seite 120]

§. 284.

Wenn ein solcher Verbotswerber solche Urkunden beybringt, welche, falls sie von dem Gegentheile für richtig erkannt würden, seine Forderung vollständig erwiesen, soll der Verbot ohne weiters verwilliget werden.

§. 285.

Hätte er aber keine hinlängliche Beweismittel beygebracht, soll der Verbot nur damals verwilliget werden, wenn er Verbotswerber genugsame Sicherheit leistet, um dem Beklagten wegen des Schimpfes, und Schadens Genugthuung zu verschaffen.

§. 286.

Der Verbot ist bey jenem Richter anzusuchen, unter welchem der Beklagte stehet, oder bey welchem er zu belangen wäre, wenn er sich im Orte befände, wo die Güter angehalten worden.

§. 287

Durch den verwilligten Verbot ist jenem, welcher die in Verbot gezogenen Güter in Händen hat, zu erinnern, daß er davon, bey eigener [Seite 121] Dafürhaftung nichts ausfolgen lasse; und dieser ist schuldig, wenn er auch einer andern Gerichtsbarkeit unterstünde, dem Verbote, ohne von seiner sonstigen Behörde einen weitern Auftrag zu erwarten, Folge zu leisten, sobald er ihm gehörig zugestellet worden ist.

§. 288

Wären die in Verbot gezogenen Güter dem Verderben unterworfen, oder es kostete derer Unterhalt zu viel, so sollen sie auf eines, oder des andern Theils Anlangen, nach vorläufiger Schätzung, dem Meistbietenden verkaufet, und das erlöste Geld in die gerichtliche Verwahrung genommen werden.

§. 289.

Wenn immer der Beklagte dem Verbotswerber für seine Forderung genugsame Sicherheit leistet, soll der Verbot auf dessen Anlangen aufgehoben werden; Wo übrigens, falls sich ein Streit ergäbe, ob die angebotene Sicherheit annehmlich sey, diese Frage auf das schleunigste allenfalls bey einer Tagsatzung zu entscheiden ist. [Seite 122]

§. 290.

Falls der Verbotswerber mit dem Verbotsgesuche eine förmliche Klage eingereichet hat, soll die Streitsache unverzüglich, und wenn es möglich ist, binnen 3 Tagen entschieden werden; Wenn er aber keine förmliche Klage zugleich eingereichet hätte, soll er sie auch ohne Betreiben des Gegners binnen 14 Tagen einreichen.

§. 291.

Wenn diese Klage in der gehörigen Zeit nicht eingereichet würde, wäre der Verbot auf Anlangen des Gegentheils sogleich aufzuheben, und dem Gegentheile eine billige Genugthuung für den erlittenen Schimpf, und Schaden auszumessen; welches auch statt haben soll, wenn die Forderung des Verbotswerbers ungegründet erkannt wird. [Seite 123]

Dreyßigstes Kapitel. Von Sequestrazionen, und anderen mittlerweiligen Vorkehrungen.

§. 292.

Wenn zwischen dem Kläger, und Beklagten streitig ist, welchem Theile der Besitz einer Sache, oder Gerechtsame gebühre, und kein Theil sein Recht zum Besitze sogleich erweisen kann, soll auf Begehren eines, oder des andern Theiles die Sequestrazion, oder da es thunlich ist, die Erlegung der streitigen Sache zu Gerichtshanden verwilliget werden.

§. 293.

Da der Kläger eine Sache, oder Gerechtsame ansprüchig machet, in deren Besitze der Beklagte sich befindet, und eine Gefahr erweislich macht, daß der Beklagte solche währendem Prozesse veräußern, verderben, oder Schaden nehmen lassen därfte, stehet demselben, gegen Darbietung hinlänglicher Sicherheit für den dem Beklagten etwa erwachsenden Schaden bevor, um die [Seite 126] Sequestrazion anzulangen, worüber sogleich eine Tagsatzung anberaumet, der Beklagte mit seinen Behelfen gehöret, und bey erwiesener Gefahr, gegen Leistung hinlänglicher Sicherheit, die Sequestrazion verwilliget werden soll.

§. 294.

Nachdem die Sequestrazion verwilliget worden ist, sollen beide Theile binnen 14 Tagen nach der ergangenen diesfälligen Verordnung, oder zugestellten Erkanntniß sich über den aufzustellenden Sequester vergleichen, und ihn währenden gedachten 14 Tagen dem Gerichte vorschlagen.

§. 295.

Hätten sie sich darüber nicht verglichen, und entweder gar keinen, oder jeder Theil einen andern in Vorschlag gebracht, soll der Richter einen auf ihre gemeinsame Gefahr aufstellen.

§. 296.

Der Sequester soll jederzeit von dem Gerichte mit einem Anstellungsdekret versehen, und in diesem angewiesen werden, die sequestrirte Sache, oder Gerechtsame als ein guter Hauswirth zu besorgen, [Seite 125] und die Nutzungen da zu erlegen, wo es der Richter zur Sicherheit, und nach Vernehmung beider Theile verordnen wird.

§. 297.

Der Sequester soll längstens 30 Tage nach Verfliessung jeden Jahres seine Rechnung bey Gerichte einreichen, der Richter aber hat diese beiden Theilen zu Händen des Klägers, falls sich die Partheyen eines andern nicht verglichen hätten, zur Genehmhaltung oder Bemänglung zustellen zu lassen, wo sodann, wie mit einer jeden andern Rechnung zu verfahren ist.

Ein und dreyßigstes Kapitel. Von der Exekuzion.

§. 298.

Die Exekuzion soll nicht ertheilet werden, als über einen richterlichen Spruch, oder gerichtlichen Vertrag. Sollte jedoch die Klage sich auf eine Urkunde gründen, welche in Folge gegenwärtigen Gesetzes vollkommenen Glauben [Seite 126]verdienet, soll auf eine ganz kurze Frist eine Tagsatzung, und zwar mit dem Anhang, daß Beklagter auf Ausbleiben der Schuld geständig gehalten werden würde, anberaumet, und der Beklagte über die Klage vernommen werden. Ist nun der Beklagte der Schuld geständig, so ist von dem Richter ohne weiters auf die Exekuzion zu erkennen; sollte aber Beklagter Einwendungen beybringen, worüber sogleich der Endspruch erfolgen könnte, so ist von beiden Theilen ohne weiters die Nothdurftshandlung aufzunehmen, und was Rechtens ist, zu erkennen; wo endlich in jenem Falle, daß Beklagter zwar die Urkunde anerkännte, aber solche Einwendungen beybrächte, worüber der Endspruch nicht sogleich geschöpfet werden könnte, die Sache in das rechtliche Verfahren einzuleiten, inmittels aber dem Kläger, soweit er nicht etwa bereits hinlänglich bedecket wäre, die Exekuzion bis zur Sicherstellung zu ertheilen ist.

§. 299.

Die Frist, binnen welcher der Schuldige seiner Schuldigkeit ein Genügen leisten soll, ist [Seite 127] jederzeit in dem Spruche, oder Vertrage auszudrücken.

§. 300.

Bey einem Vertrage hängt die Bestimmung dieser Frist lediglich von der Willkur der Partheyen ab. In einem Spruche aber soll sie auf 14 Tage bestimmet werden: Nur die zwey Fälle ausgenommen, da jemand eine Handlung zu unterlassen, oder eine Arbeit zu verrichten schuldig ist; denn im ersten Falle ist dem Schuldigen gar keine Frist zu geben: im zweyten aber hat der Richter die Frist nach Erforderniß der Arbeit zu bestimmen.

§. 301.

Nach Verfließung der bestimmten Frist stehet es in der Willkur des Klägers, die Exekuzion anzusuchen, und diese soll ihm ertheilet werden, wie folget:

§. 302.

Wenn der Beklagte schuldig ist, dem Kläger ein liegendes Gut einzuräumen, soll der Richter auf dessen Anlangen verwilligen, daß der Kläger [Seite 128] an das Eigenthum gebracht, und zu dem Ende der Spruch, oder der Vertrag der Landtafel, oder dem Stadt- oder Grundbuche, wie es jeden Ortes gebräuchig ist, einverleibet, und daß dem Kläger der Besitz des Gutes eingeräumet werde.

§. 303.

Die Obrigkeit, unter welcher das Gut gelegen ist, soll gedachte Verwilligung, welche derselben von dem Richter mittels Befehls, oder Ersuchschreibens zur nämlichen Zeit, und unmittelbar zuzustellen ist, gegen Entrichtung der gesetzmäßigen Gebühr ohne weiters in Erfüllung bringen, folglich auch dem Kläger den Besitz des Guts werkthätig mit den tauglichsten Zwangsmitteln einräumen.

§. 304.

Ist der Beklagte dem Kläger auf sein liegendes Gut ein dingliches Recht einzuräumen schuldig, so hat der Richter auf dessen Anlangen zu verwilligen, daß der Spruch, oder Vertrag, wie es jeden Ortes üblich ist, der Landtafel, oder dem Stadt- oder Grundbuche einverleibet werde; die [Seite 129] Obrigkeit aber, unter welcher das Gut gelegen ist, hat diese Verwilligung gegen Entrichtung der gesetzmäßigen Gebühr ebenfalls ohne weiters in Erfüllung zu bringen.

§. 305.

Wenn der Beklagte schuldig erkannt worden ist, dem Kläger ein bestimmtes fahrendes Gut (rem mobilem in specie) zu übergeben, soll der Richter auf dessen Anlangen dem Gerichtsbedienten auftragen, daß er es dem Beklagten abnehme, und dem Kläger gegen dessen Empfangsschein übergebe.

§. 306.

Wäre dieses Gut in die Hände eines Dritten gekommen, so stehet dem Kläger frey, ihn nach Maßgabe der bürgerlichen Gesetze darum zu belangen; oder wider den Beklagten den erweislichen Werth der Sache, und seinen Schaden einzuklagen, welches auch statt haben soll, wenn das Gut nicht mehr vorhanden wäre. [Seite 130]

§. 307.

Ist der Beklagte schuldig erkannt worden, dem Kläger ein unbestimmtes fahrendes Gut (rem mobilem in genere), zu liefern, und er Beklagter besitzet ein solches Gut, so soll der Richter auf Anlangen des Klägers dem Gerichtsbedienten auftragen, daß er dem Beklagten eben so viel abnehme, als dem Kläger gebühret, und es ihm gegen dessen Empfangsschein zustelle.

§. 308.

Besäße der Beklagte kein solches Gut, so soll der Richter dem Kläger verwilligen, daß er es auf die für beide Theile unschädlichste Art kaufe, und seinen Schaden wider den Beklagten erhole; oder aber den erweislichen Werth der Sache, und seinen Schaden gegen den Beklagten einklage.

§. 309.

Wenn der Beklagte dem Kläger eine Arbeit (factum) schuldig ist, und diese von einem Dritten zu Stand gebracht werden kann, soll der Richter dem Kläger verwilligen, daß er sie durch einen Dritten auf die für beide Theile unschädlichste [Seite 131] Art zu Stand bringen lasse, und seinen Schaden wider den Beklagten erhole, oder aber den erweislichen Werth der Arbeit, und seinen Schaden gegen den Beklagten einklage.

§. 310.

Kann aber die Arbeit von einem Dritten nicht zu Stand gebracht werden, so soll der Richter auf Anlangen des Klägers den Beklagten durch Geld- oder Leibesstrafen zwingen, daß er seiner Schuldigkeit ein Genügen leiste; doch stehet dem Kläger frey, falls er auf die Arbeit nicht dringen wollte, wider den Beklagten den Werth der Arbeit, und seinen Schaden einzuklagen.

§. 311.

Wenn der Beklagte schuldig ist, dem Kläger eine Summe Geldes zu zahlen, hat dieser in seinem Exekuzionsgesuche jene Güter des Beklagten namhaft zu machen, woraus er seine Befriedigung zu erholen Willens ist.

§. 312.

Wollte er auf die Besoldung des Beklagten greifen, so soll der Richter ihm diese, in so weit sich [Seite 132] seine Forderung erstrecket, erfolgen zu lassen bewilligen; diese Erfolglassungsverwilligung, welche von dem Richter der betreffenden Kasse unmittelbar, und zu gleicher Zeit zuzustellen ist, soll bey der gehörigen Kasse eingeleget, daselbst vorgemerket, und dem Kläger die gedachte Besoldung zu jeder Verfallzeit erfolget werden.

§. 313.

So weit Besoldungen, oder Pensionen nicht durch ausdrückliche Gesetze entweder gänzlich, oder zum Theil von der Exekuzion befreyet sind, können dieselben auch ganz in die Exekuzion gezogen werden.

§. 314.

So weit der Kläger eine Forderung, die der Beklagte wegen eines Darlehens, hinterlegten Geldes (depositi), oder aus einer andern Ursache an einen Privaten zu stellen hat, an Zahlungsstatt annehmen wollte, soll der Richter ihm diese nach Maaße seiner eigenen Forderung einantworten, und dem Gerichtsbedienten auftragen, daß er von dem Beklagten den [Seite 133] allenfälligen Schuldschein abnehme, und dem Kläger, falls gedachter Schuldschein nicht mehr, als die Forderung des Klägers beträgt, übergebe, oder daß er, wenn er mehr beträgt, die geschehene Einantwortung darauf anmerke, und ihn dem Beklagten zurückstelle.

§. 315.

Wenn diese eingeantwortete Forderung auf ein liegendes Gut versichert wäre, soll die Obrigkeit, unter welcher das Gut gelegen ist, gedachte Einantwortung, welche von dem Richter der Obrigkeit mittels Befehls, oder Ersuchschreibens zu gleicher Zeit, und unmittelbar zuzustellen ist, gegen Entrichtung der gesetzmäßigen Gebühr, auf Begehren des Klägers bey der Landtafel oder bey dem Stadt- oder Grundbuche, wie es jeden Orts gebräuchig ist, vormerken lassen.

§. 316.

Der Kläger soll die Einantwortung dem Schuldner des Beklagten in glaubwürdiger Abschrift zustellen zu lassen, widrigens keine [Seite 134] Erholung wider ihn zu suchen haben, wenn er vorher seine Schuld abgetragen hätte.

§. 317.

Der Beklagte hat für die Richtigkeit der eingeantworteten Forderung zu haften, ausgenommen, wenn sie streitig gemacht worden wäre, und der Kläger hätte von ihm die Vertretung nicht angesuchet.

§. 318.

Der Beklagte hat auch für die Einbringlichkeit der eingeantworteten Forderung zu haften, ausgenommen, wenn der Kläger säumig gewesen wäre, solche einzubringen.

§. 319.

Wenn die eingeantwortete Forderung streitig gemacht wird, oder wenn der Kläger nach erhaltener Pfändung bey seinem neuen Schuldner nicht hinlängliche Güter zu seiner Bedeckung und Befriedigung findet, stehet ihm frey, auf andere Güter seines ersten Schuldners zu greifen. [Seite 135]

§. 320.

Wenn der Kläger auf Früchte, oder Gefälle die Exekuzion führen will, soll der Richter auf dessen Anlangen ihm hierauf das Pfandrecht ertheilen, und verwilligen, daß zu dem Ende der Spruch, oder Vertrag, falls die Früchte eines liegenden Gutes in die Exekuzion gezogen werden wollen, bey der Landtafel, oder bey dem Stadt- oder Grundbuche vorgemerket, dann daß ein Sequester zur Einhebung dieser Früchte, oder Gefälle aufgestellet werde. Die Obrigkeit aber, unter welcher das Gut gelegen ist, und welcher die Vormerkungsbewilligung von dem Richter durch Befehl, oder Ersuchschreiben zugleich, und unmittelbar zuzustellen, ist, soll die verwilligte Vormerkung gegen Entrichtung der gesetzmäßigen Gebühr ohne weiters vornehmen lassen.

§. 321.

Wenn jedoch diese Früchte, oder Einkünfte in einem gewissen Betrage Geldes bestünden, z. B. in Zinnsen von einem Kapital, u. d. gl. wären sie dem Kläger, ohne einen Sequester [Seite 136] aufzustellen, nach dem Maaße seiner Forderung sogleich einzuantworten, und über die von dem Richter an die betreffende Kasse, oder Auszahler dieses Geldes unmittelbar, und zu gleicher Zeit zu geschehen habende Zustellung der ergangenen Einantwortungsverordnung, gegen seiner Quittung, zu erfolgen.

§. 322.

Wenn der Kläger auf ein liegendes Gut die Exekuzion führen wollte, soll der Richter ihm auf sein Anlangen hierauf das Pfandrecht ertheilen, und verwilligen, daß der Spruch, oder Vertrag zu dem Ende der Landtafel; oder dem Stadt- oder Grundbuche, wie es jeden Orts gebräuchig ist, einverleibet werde; die Obrigkeit aber, unter welcher das Gut gelegen ist, soll gedachte Verwilligung, welche derselben von dem Richter mittels Befehls, oder Ersuchschreibens zugleich, und unmittelbar zuzustellen ist, gegen Entrichtung der gesetzmäßigen Gebühr, sogleich in Erfüllung bringen. [Seite 137]

§. 323.

Nach geschehener Einverleibung, und dadurch wirklich erlangtem Pfandrechte ist der Kläger befugt, die Schätzung bey dem Richter, unter welchem die Landtafel, oder das Stadt- oder Grundbuch stehet, sogleich anzusuchen; Dieser soll sie auch alsobald verwilligen, und nach Maßgabe des 17. Kapitels vornehmen lassen.

§. 324.

Wenn kein Theil 30 Tage nach der zu erheben gewesenen Schätzung (welches von der Kanzley darauf anzumerken ist) die Feilbietung angesuchet hat, ist der Kläger schuldig, das Gut um die Schätzung zu übernehmen, und der Beklagte es ihm dafür zu überlassen.

§. 325.

Hat der Kläger und Übernehmer des Guts sodann den Kaufschilling, oder Schätzungsbetrag richtig gestellet, so soll ihm das Gut, wie oben im 302. und 303. §. verordnet worden ist, eingeantwortet werden. [Seite 138]

§. 326.

Hätte binnen 30 Tagen der eine, oder der andere Theil die Feilbietung angesuchet, so soll diese sogleich verwilliget, dazu drey Termine, jeder von 30 Tagen mit ausdrücklicher Benennung des Tages, der Stunde, und des Ortes angesetzet, und der Beysatz beygerucket werden, daß, wenn das Gut weder bey dem ersten, noch bey dem zweyten Termin um den Schätzungsbetrag, oder darüber an den Mann gebracht werden könnte, es bey dem Dritten auch unter der Schätzung verkaufet werden würde.

§. 327.

Bey der Feilbietung größerer Landgüter wird dem Ermessen des Richters überlassen, ob er den ersten Termin auch bis auf 90 Tage anberaumen wolle, bey allen übrigen aber wird ihm freygestellet, die Fristen um etliche Tage früher, oder später zu bestimmen; nur soll die für alle drey ausgemessene Zeit niemals merklich überschritten werden. [Seite 139]

§. 328.

In den Feilbietungsedikten soll deutlich ausgedrückt werden, a) die Bedingnisse, unter welchen das Gut verkaufet werden wird; b) daß der Meistbietende die auf dem Gute haftenden Schulden, in soweit sich der zu bietende Preis erstrecken wird, übernehmen müsse, wenn die Gläubiger ihr Geld vor der allenfalls vorgesehenen Aufkündung nicht annehmen wollten.

§. 329.

Die Feilbietungsedikte sind längstens drey Tage, nachdem die Feilbietung verwilliget worden ist, nach der jeden Orts hergebrachten Gewohnheit kund zu machen.

§. 330.

Die Schätzung des Gutes, die darauf haftenden Beschwerden, und die Bedingnisse, unter welchen es verkaufet werden wird, soll der Richter in seiner Kanzley bereit halten, und den Kauflustigen die Einsicht, wie auch Abschriften davon zu nehmen gestatten. [Seite 140]

§. 331.

Die Versteigerung selbst (licitatio) soll auf dem Lande in Gegenwart wenigstens einer Gerichtsperson, und eines Schreibers: in Städten und Märkten aber wenigstens zweyer Gerichtspersonen, und eines Schreibers vorgenommen werden.

§. 332.

Meldeten sich bey einem, oder dem anderen Termine keine Kauflustige, so ist es lediglich auf dem Edikte anzumerken, und die Kundmachung zu wiederholen.

§. 333.

Meldeten sich aber ein- oder mehrere Kauflustige, so ist ihnen vorläufig die Schätzung des Guts, die allenfalls darauf haftenden Beschwerden, die Bedingnisse, unter welchen es verkaufet wird, deutlich anzuzeigen, sodann mit der Versteigerung der Anfang zu machen.

§. 334.

Wenn ein Anbot gemacht, und mit dem Mehrbieten innengehalten wird, soll der höchste Anbot zum erstenmale öfters ausgerufen; ob [Seite 141] Niemand mehr geben wolle, gefraget; auf weiters Stillschweigen zum zweytenmale gleichfalls öfters wiederholet; und so oft jemand mehr geboten hat, und mit dem Mehrbieten innen gehalten wird, von neuem angefangen werden.

§. 335.

Wenn ein- oder mehrere Kauflustige währender Versteigerung eine Frist zur Überlegung begehrten, soll ihnen solche auf ungefähr eine Viertelstunde gewähret werden; doch öfters nicht als einmal.

§. 336.

Wenn der höchste Anbot zum zweytenmale ausgerufen worden ist, und Niemand mehr bieten will, soll dieser Anbot noch durch fünf Minuten ausgerufen, und gefraget werden, ob Niemand mehr geben wolle; wenn auch damals kein höherer Anbot geschiehet, soll die Versteigerung mit dem Worte zum drittenmale geschlossen, und das Gut dem Meistbietenden gelassen werden, wenn er auch der einzige Kauflustige gewesen wäre, und auch nichts über die Schätzung, ja bey dem [Seite 142] dritten Termine auch einen Preis unter der Schätzung geboten hätte.

§. 337.

Bey der Versteigerung soll weder den Blutsverwandten, noch den Gläubigern des Schuldners vor einem fremden Käufer einiger Vorzug gebühren; eben also weder denselben, noch dem Schuldner selbst nach geschlossener Versteigerung einiges Recht zustehen, kraft dessen der Meistbietende das erstandene Gut abzutreten schuldig wäre.

§. 338.

Die bedungenen Zahlungsfristen soll der Meistbietende genau beobachten, widrigens ist das Gut auf Anlangen des Gläubigers sowohl, als des Schuldners ohne neue Schätzung, und mit Anberaumung einer einzigen Frist auch unter der Schätzung auf seine Gefahr, und Unkösten feil zu bieten, und zu versteigern. Wenn er jedoch vor der Stunde, welche zur Versteigerung bestimmet ist, die ruckständigen Währungen, und aufgelaufenen Unkösten baar erlegete, so wären solche anzunehmen, und mit der Versteigerung nicht vorzugehen. [Seite 143]

§. 339.

Das erstandene Gut ist dem Meistbietenden in das Eigenthum nicht ehe zu übergeben, als nachdem er den ganzen Kaufschilling erleget, oder für die bedungenen Zahlungsfristen hinlängliche Sicherheit gegeben, oder sich mit den Theilnehmern dieserwegen sonst verstanden hat.

§. 340.

Wenn der Kläger auf das fahrende Gut des Schuldners die Exekuzion führen will, soll er jene Güter zugleich anzeigen, worauf er greifen will, und weder auf die unentbehrlichen Leibeskleider, noch auf die nöthigsten Werkzeuge, womit ein derley Schuldner sich täglich die Nahrung für sich, und seine Familie verschaffen kann, die Exekuzion zu führen befugt seyn; auf das übrige nöthige Hausgeräth aber, dann auf jenes, so der Schuldner zu seiner Berufsarbeit bedarf, oder dessen Abgang ihm zum besondern Schaden, oder dessen Veräußerung zum Schimpfe gereichen würde, soll die Exekuzion nicht gestattet werden, als wegen Abgang anderer Zahlungsmittel. [Seite 144]

§. 341.

Auf dieses Gesuch soll der Richter die gerichtliche Pfändung (Captio pignorum) verwilligen, diese dem Gerichtsbedienten auftragen, und ihm die gehörige Anweisung geben, falls der Kläger wider den vorgehenden §. die Auswahl der zu pfändenden Güter gemacht hätte.

§. 342.

Der Gerichtsbediente, welcher die Pfändung vorzunehmen hat, soll bey eigener Dafürhaftung alsobald, als ihm die Auflage zugestellet wird, sich mit dem Kläger, oder dessen Gewaltsträger zu dem Beklagten begeben, ihm eine Abschrift der verwilligten Pfändung zustellen, und die zu pfändenden Güter genau beschreiben. Wodurch der Kläger auf solche ein wirkliches Pfandrecht erlanget.

§. 343.

Der Gerichtsbediente soll die gepfändeten Güter auf Verlangen des Klägers, und auf dessen Gefahr einem Dritten in die Verwahrung geben, oder, wenn es kostbare, und leicht zu übertragende Sachen wären, in die gerichtliche Verwahrung [Seite 145] bringen, sonst ist es genug, wenn er sie bey dem Beklagten selbst versperret, und die Sperre durch Aufdrückung des Gerichtsinsigels auf deren Behältniß versichert, ja wenn der Kläger nichts anderes verlanget, können auch die gepfändeten Güter, z. B. Pferde, Kühe, u. d. g. dem Beklagten zur Besorgung, und auch zum Gebrauche mittlerweile gelassen werden.

§. 344.

Träfe der Gerichtsbediente weder den Beklagten, noch jemanden andern an, welcher ihm die zu pfändenden Güter vorweisen wollte, so hat er es alsogleich dem Richter mündlich anzuzeigen, dieser aber ihm, falls er es nöthig fände, unverzüglich den Schlosser, und die Wache zu verwilligen, und mit Zuziehung derselben ist sodann die Pfändung ungesaumt vorzunehmen.

§. 345.

Wenn der Beklagte, oder jemand anderer sich der Exekuzion mit Gewalt zu widersetzen unterstünde, soll der Gerichtsbediente zwar zu keinen Thätigkeiten den Anlaß geben, einen solchen Frevler jedoch [Seite 146] dem Gerichte unverzüglich anzeigen; dieses aber alsogleich die nöthigen Zwangsmittel vorkehren, und einen solchen Verächter der richterlichen Gewalt zur erspiegelnden Strafe ziehen.

§. 346.

Nach vollendeter Pfändung soll der Gerichtsbediente über seine Verrichtung dem Gerichte Bericht erstatten, und die Beschreibung der gepfändeten Güter einreichen; diese hat der Richter in seiner Kanzlei aufzubewahren, und den Partheyen davon auf Begehren Abschriften ertheilen zu lassen.

§. 347.

Wegen der Schätzung, Einanwortung, Feilbietung, und Versteigerung der gepfändeten fahrenden Güter ist eben jenes zu beobachten, was in Betref der liegenden Güter verordnet worden ist, nur sollen die Feilbietungsfristen lediglich von 14 zu 14 Tagen seyn; desgleichen ist der Richter nicht schuldig, weder den höchsten Anbot durch fünf Minuten ausrufen zu lassen, noch den Kauflustigen eine Bedenkzeit auf eine Viertel Stunde, wie oben in dem 335. und 336. §. verordnet worden [Seite 147] ist, zu gestatten, sondern er ist befugt, diese beide lezte Fristen nach seinem Ermessen zu verkürzen, wenn die Sache, welche versteigert wird, von keinem gar grossen Werthe ist.

§. 348.

Fänden sich bey dem Beklagten, da die gerichtliche Pfändung vorgenommen werden will, keine, oder doch zur Bedeckung des Klägers nicht hinlängliche Güter, so hat der Gerichtsbediente über die vorgefundenen, und gepfändeten Güter dem Kläger ein Zeugniß sogleich auszustellen, und wenn der Kläger hierüber wegen eines Abgangs klagte, soll der Richter dem Beklagten die Namhaftmachung aller seiner Güter binnen 3 Tagen bey wirklichem Arreste auftragen. Nach fruchtlos verstrichenen 3 Tagen aber den Arrest auf ferners Anlangen des Klägers verwilligen, und solchen, wie es jeden Orts gebräuchig ist, vornehmen lassen.

§. 349.

Jene Einkünfte, welche der Beklagte lebenslänglich zu geniessen hat, sind für ein hinlängliches [Seite 148] Gut zur Bedeckung des Klägers anzusehen, und befreyen den Beklagten vom Arreste, wenn der Kläger davon seine Befriedigung binnen 3 Jahren erhalten kann, oder wenn er sich darauf hat anweisen lassen.

§. 350.

Wenn immer die Besoldung eines landesfürstlichen, ständischen, oder städtischen Beamten in die Exekuzion gezogen wird, soll davon die Anzeige seinem Vorgesezten unverzüglich gemacht werden.

§. 351.

Niemand soll über ein Jahr Schulden halber im Arreste angehalten werden, ausgenommen der Schuldner hätte den Gläubiger durch falsche Vorspieglungen zum Leihen verleitet, oder sonst arglistig gehandelt, in welchem Falle der Richter von Amtswegen zu verfahren, und eine der Arglist angemessene Strafe zu verhängen haben wird.

§. 352.

Alle Verordnungen, wodurch die Exekuzion verwilliget, und ertheilet wird, sollen mit dem Amtsinsigel bekräftiget werden. [Seite 149]

Zwey und dreyßigstes Kapitel. Von Stillständen, und von Behandlung der Gläubiger. (Moratorium, et pactum praejudiciale.)

§. 353.

Künftighin ist einem Stillstande (moratorium) nicht mehr statt zu geben.

§. 354.

Es soll auch eine Behandlung der Gläubiger, wornach sie einen Theil ihrer Forderungen nachzulassen verurtheilet werden, (pactum praejudiciale) nicht statt haben, ausgenommen, wenn ein Dritter den über Abzug des gebettenen Nachlasses verbleibenden Schuldenrest zu zahlen übernimmt, und die übernommene Zahlung den Gläubigern vortheilhafter ist, als jene, so sie aus dem Vermögen des Schuldners hoffen können.

§. 355.

Wer auf eine solche Art die Schulden eines andern übernommen hat, der ist schuldig den [Seite 150] Gläubigern nach Inhalt der getroffenen Behandlung die Zahlung zu leisten, oder wegen der versprochenen künftigen Zahlung annehmliche Sicherheit zu verschaffen.

§. 356.

Jene Gläubiger, denen ein Vorrecht gebühret, oder welche mit einem Pfandrecht bedecket sind, und sich lediglich an ihrem Pfande halten wollen, sind nicht schuldig, sich in die Behandlung einzulassen: die übrigen aber sollen den mehreren Stimmen beyzutreten schuldig seyn.

§. 357.

Die Mehrheit der Stimmen ist nicht nach der Anzahl der Personen, sondern nach dem Betrage der Forderungen zu rechnen; wenn jedoch die Forderungen derjenigen, welche den Nachlaß eingestehen wollen, und jener, welche sich dessen weigern, gleich wären, soll in diesem Falle auf die Anzahl der Personen gesehen werden.

§. 358.

Bevor gesprochen wird, ob jemand den mehreren Stimmen beyzutreten schuldig sey, müssen [Seite 151] diese mehrere Stimmen ihre Forderungen rechtsbeständig erweisen.

§. 359.

Die Behandlung der Gläubiger ist bey jenem Richter anzusuchen, welchem der Schuldner für seine Person untergeben ist.

§. 360.

Sobald die Behandlung der Gläubiger angesucht wird, soll der Richter die sämtlichen Gläubiger mittels offentlicher Kundmachung von Amtswegen vorfordern; in Rucksicht des Vermögenstandes aber auf Verlangen auch eines einzigen Gläubigers alles jenes vorkehren, was nach einem eröfneten Konkurse vorzukehren verordnet worden ist.

§. 361.

Wenn die Gläubiger auf eine solche Art, oder sonst mit ihren Schuldnern sich verglichen hätten, und der Schuldner eines Betruges überwiesen, geständig oder verdächtig wäre, soll der Richter, ungeachtet eines solchen Vergleiches, von Amtswegen wider ihn verfahren, und ihn zur verdienten Strafe ziehen. Nur in jenem Falle könnte er mit [Seite 152] der Untersuchung, und Bestrafung verschonet bleiben, wenn der Vergleich dadurch vereitelt, und die Gläubiger in einem gar zu großen Schaden gezogen würden.

Drey und dreyßigstes Kapitel. Von Abtretung der Güter. (Cessio bonorum.)

§. 362.

Jener, welcher durch Unglücksfälle, folglich ohne sein Verschulden in die Zahlungsunvermögenheit verfällt, der ist befugt, zu begehren, daß gegen Abtretung seines sämtlichen Vermögens an die Gläubiger, a) er von der Personalexekuzion frey gesprochen werde; b) ihm an Leibskleidern, Bettern, und Hausgeräthschaften so viel gelassen werde, als ihm für sich, Weib, und unversorgte Kinder unentbehrlich ist; endlichen c) ihm die Beylassung des höchst nöthigen Unterhalts von zwey- bis sechs Groschen täglich auf die [Seite 153] Person ebenfalls für sich, Weib, und unversorgte Kinder verwilliget werde.

§. 363.

Den Unterhalt ist der Schuldner nur wider folgende Gläubiger zu begehren befugt, und zwar in der Ordnung, in welcher sie folgen: a) wider jene, die aus einer bloß milden Handlung des Schuldners fordern, z. B. ein Beschänkter; b) wider die Blutsverwandte in auf- und absteigender Linie; c) wider eine Ehegattinn, mit welcher der Schuldner in einer friedlichen Ehe, oder aus ihrer Schuld von ihr geschieden lebt, d) wider ein, und zweybändige Brüder, und Schwestern.

§. 364.

Wenn jedoch die Blutsverwandten in auf- und absteigender Linie, die Ehegattinn, die Brüder, oder die Schwestern selbst Noth leiden müßten, wie auch wenn der Schuldner sich selbst den Unterhalt verdienen könnte (welches der Richter nach Überlegung aller Umstände zu beurtheilen hat) in diesen Fällen wäre er Schuldner nicht befugt, die Beylassung des Unterhalts von ihnen zu fordern. [Seite 154]

§. 365.

Jener, welcher seine Güter abzutreten willens ist, soll, sobald die Zahlungsunvermögenheit bekannt wird, alle seine Schuldner, und sein sämtliches Vermögen verzeichnen, beide Verzeichnisse dem Richter, dessen Gerichtsbarkeit er untergeben ist, mit einem wider seine Gläubiger gestellten Anbringen überreichen, und in diesem jenes bitten, was er zu begehren befugt zu seyn glaubet.

§. 366.

Hierüber ist eine Tagsatzung anzuordnen, und dabey über das Begehren des Bittstellers zu erkennen: doch soll ihm nicht die mindeste Weitläuftigkeit gestattet werden.

§. 367.

Jeder, welcher sein Vermögen abzutreten anträgt, ist schuldig, den eingelegten Vermögens- und Schuldenstand auf Verlangen auch eines einzigen Gläubigers eidlich zu bestättigen, wie auch eidlich zu versprechen, dass er seine Schulden nach Möglichkeit bezahlen werde, wenn er Gelegenheit [Seite 155] überkömmt, zu besseren Zahlungsmitteln zu gelangen.

§. 368.

Von dem nach der Abtretung erworbenen Vermögen ist ein solcher ohne Verschulden in die Unvermögenheit gerathener Schuldner befugt, so viel zurückzubehalten, als ihm zum nöthigen Unterhalt für sich, Weib, und unversorgte Kinder unentbehrlich ist: dieses jedoch nur in Ansehung der alten Gläubiger, denen er seine Güter abgetreten hatte.

§. 369.

Wenn ein Schuldner flüchtigen Fuß setzte; sich verborgen hielte; keinen wahren Unglücksfall darthun könnte; als ihm die Zahlungsunvermögenheit schon bekannt war, einige Gläubiger gezahlet, bedecket, neue Schulden gemacht, seinen Vermögens- und Schuldenstand nicht aufrichtig geoffenbaret, oder sonst arglistig gehandelt hätte, in jedem dieser Fälle wäre wider ihn von Amtswegen, auch gestalten Dingen nach, peinlich zu verfahren. [Seite 156]

§. 370.

Sobald jemand seine Zahlungsunvermögenheit angegeben hat, ist, wie es oben im 9 Kapitel verordnet worden, der Konkurs zu eröffnen.

Vier und dreyßigstes Kapitel. Von der Einsetzung in den vorigen Stand. (Restitutio in integrum.)

§. 371.

Wer wegen einer Verkürzung, die er von einer unternommenen verbindlichen Handlung erlitten hat, in den vorigen Stand eingesetzet zu werden begehren könne, ist aus unsern bürgerlichen Gesetzen selbst abzunehmen.

§. 372.

Vermög dieser Gerichtsordnung aber gebühret dieses Recht dem Verkürzten in folgenden zweyen Fällen; a) wenn eine Fallfrist (terminus peremtorius) ohne dessen Verschulden verstrichen ist; b) wenn wider ihn ein Spruch ergangen ist, und er nach solchem erhebliche [Seite 157] Beweismittel gefunden hat, die er vorhin nicht wissen, oder doch nicht finden konnte.

§. 373.

Im ersten Falle hat er die Einsetzung in den vorigen Stand binnen 14 Tagen nach Verstreichung der Fallfrist anzusuchen, widrigens ist er damit nicht mehr zu hören; Im zweyten Falle aber ist er befugt, sie zu begehren, so lang sein Recht nicht verjähret ist.

§. 374.

Wer berechtigt ist, wider einem Dritten seine Schadloshaltung zu begehren, und bey ihm sich erholen kann, der ist dessen ungeachtet befugt, die Einsetzung in den vorigen Stand anzusuchen.

§. 375.

Die Einsetzung in den vorigen Stand ist bey jenem Richter anzusuchen, bey welchem der Prozeß abgeführet worden, oder allenfalls auch noch anhängig ist; Dieser aber hat nach Vernehmung der Partheyen, wie in einer anderen Privatsache zu erkennen. [Seite 158]

Fünf und dreyßigstes Kapitel. Von den Ferien.

§. 376.

An den Sonn- und gebottenen Feyertägen; von dem Weynachtstage bis an den Tag der heiligen drey Könige; von dem Palmsonntage bis an den Ostermontag an den drey Bettagen in der Kreuzwoche: vom Fronleichnamstage bis an den folgenden Donnerstag sollen bey Gerichte Ferien gehalten werden.

§. 377.

In den Ferien soll keine Tagsatzung vorgenommen werden, ausgenommen in jenen Fällen, da der Richter findet, daß ein- oder der andere Theil durch den Verzug Schaden, oder Gefahr eines Schadens leiden würde.

§. 378.

Jene Schriften, derer Fristen durch diese Gerichtsordnung bestimmet sind, sollen auch währenden Ferien, jedoch ausser den Sonn, und gebottenen Feyertägen eingereichet werden, jene aber, [Seite 159] deren Fristen der Richter zu bestimmen hat, in der bestimmten Zeit.

§. 379.

In jene Fristen, welche mehr als auf 14 Tage bestimmet werden, sollen die Ferien jederzeit miteingerechnet werden, nicht aber auch in jene, welche nur 14 Tage, oder weniger betragen; doch kann der Richter in diesem Falle die Frist in Ansehung der dazwischen einfallenden Ferien auf eine kürzere Zeit bestimmen

§. 380.

Den Tag der einzureichenden Schriften soll der Richter niemals auf einen Ferialtag ansetzen, ausgenommen wenn der Verzug einem, oder dem andern Theile Schaden, oder Gefahr zuziehen könnte; es stehet aber jedem Theile frey, seine Schriften vor Verstreichung der erhaltenen Frist auch in Ferien, jedoch ausser der Sonn- und gebottenen Feyertägen einzugeben. [Seite 160]

§. 381.

Mit den übrigen gerichtlichen Handlungen ist es in Ferien so zu halten, wie es oben von Einreichung der Schriften ist verordnet worden.

§. 382.

Da jemand eine Summe Geldes zu zahlen schuldig erkannt worden ist, kann auch wehrenden Ferien, jedoch ausser den Sonn- und gebottenen Feyertägen die Pfändung angesuchet, und vorgenommen werden; doch ist nach dieser, und dadurch dem Kläger verschafter Sicherheit mit der weitern Exekuzion die Verstreichung der Ferien abzuwarten.

§. 383.

In den übrigen Fällen, welche in dem Kapitel von der Exekuzion benannt werden, kann auch in den Ferien die Exekuzion angesuchet, und geführet werden: nur hat der Richter, da er die Frist bestimmet, binnen welcher jemand eine Arbeit verrichten soll, auf die Ferien, und nach Beschaffenheit der Personen, auf die Schnitt- und Weinlesezeit die gehörige Ruksicht zu tragen. [Seite 161]

Sechs und dreyßigstes Kapitel. Von Zustellung der gerichtlichen Verordnungen.

§. 384.

Wer immer in einer Streitsache die erste Beschwerschrift einreichet, der soll in derselben seine Wohnung, falls sie nicht schon allgemein bekannt wäre, namhaft machen; widrigens ist der Bittsteller, ohne Ertheilung des sonst ordnungsmässigen Bescheides darauf zu weisen.

§. 385.

Die erste Verordnung, die in einer Streitsache ergehet, ist jederzeit dem Beklagten zu eigenen Handen zuzustellen; in Betref der übrigen aber ist es genug, wenn sie den Hausleuten zugestellet werden.

§. 386.

Wenn von Seite des Beklagten mehrere Streitgenossen sind, soll die erste Verordnung samt der Schrift, und deren Beylagen jenem, welcher der erste in selber benannt ist, den übrigen ein [Seite 162] Rathschlag davon (das ist die Rubrik mit der ergangenen Verordnung) zugestellet werden, diesen stehet es frey, die Schrift, und Beylagen bey jenem einzusehen, welchem sie zugestellet worden sind.

§. 387.

Wenn ein Theil wehrenden Prozesse seine Wohnung ändern wollte, soll er dem Gegner seine künftige Wohnung bey Zeiten gerichtlich erinnern lassen; widrigens soll die gerichtliche Verordnung bey dem Gerichtsorte angeschlagen werden, und diese Anschlagung eben von jener Wirkung seyn, als wenn die Zustellung geschehen wäre; doch hat in solchem Falle der Gerichtsdiener die zu der gerichtlichen Verordnung gehörigen Beylagen zurükzuhalten, und auf Anmelden jenem, welchem sie hätten zugestellet werden sollen, zu übergeben.

§. 383.

Wenn an Seite eines, oder des andern Theils mehrere Streitgenossene sind, sollen sie dem Gegner jenen namhaft machen, welchem die weitern gerichtlichen Verordnungen zuzustellen sind; [Seite 163] widrigens sind sie lediglich jenem zuzustellen, welcher in der ersten Schrift der erste benannt ist.

§. 389.

Wenn ein- oder der andere Theil im Orte des Gerichtes nicht wohnhaft ist, soll er, und zwar der Kläger gleich in der ersten Schrift: der Beklagte aber vor Verstreichung der darüber zur Einrede angesezten Frist jemanden, welchem die gerichtliche Verordnungen zuzustellen sind, daselbst bestellen, und ihn dem Gegner namhaft machen; widrigens hat er die Zustellungsunkösten zu tragen, und in keinem Falle eine Vergütung zu hoffen; doch hat diese Unkösten derjenige, der die zuzustellende Verordnung erwirket hat, immittels vorzuschiessen.

§. 390.

Wenn der Kläger ausser der Erblande wohnhaft, oder doch dessen Wohnort in den Erblanden nicht bekannt wäre, soll er einen Sachwalter im Orte des Gerichts namhaft machen, widrigens ist der Kläger ohne Ertheilung des sonst ordnungsmässigen Bescheides darauf zu weisen. [Seite 164]

§. 391.

Wenn der Beklagte ausser der Erblande sein Wohnort hat, oder dieses unbekannt ist, soll zu dessen Vertretung auf seine Gefahr, und Unkösten ein Kurator bestellet, und dieses ihm durch ein öfentliches Edikt zu dem Ende kundgemacht werden, damit er allenfalls einen andern Sachwalter bestelle.

§. 392.

Wenn jedoch dessen Wohnort ausser der Erblande bekannt wäre, soll nebst der im vorhergehenden §. vorgeschriebenen öffentlichen Kundmachung die wider ihn eingereichte Klage mit der gehörigen Aufschrift der Post aufgegeben, und über die Aufgabe ein Schein beygebracht werden.

§. 393.

Wenn ein, oder der andere Theil einen Sachwalter bestellet hat, ist die Zustellung der gerichtlichen Verordnungen zu dessen Handen solange gültig, bis ein anderer namhaft gemacht worden ist. [Seite 165]

§. 394.

Jede Schrift, welche dem Gegentheile zugestellet werden muß, ist doppelt, und zwar einmal mit allen Beylagen einzureichen, und jene mit den Beylagen zu verbescheiden.

§. 395.

Der Richter soll die erledigte Schrift dem Gerichtsdiener, sobald es möglich ist, übergeben lassen, dieser aber soll sie mit allen Beylagen sogleich zustellen; auf die Abschrift den Zustellungsschein jedesmal nach der von Seite des Richters zu geschehen habenden Einrückung der ergangenen Verordnung ausstellen, und gedachte Abschrift dem Bittsteller auf Anmelden zurückgeben, welcher dadurch die geschehene Zustellung bey weiterm Anlangen darzuthun haben wird.

§. 396.

Wenn die Verordnung mehreren Streitgenossenen zuzustellen ist, soll der Bittsteller die Rubrik der Schrift so oft beylegen, als Streitgenossene sind, und auf jede das Wohnort der Parthey anmerken; der Richter hat die ergangene [Seite 166] Verordnung beyzusetzen, und durch den Gerichtsdiener die Zustellung zu besorgen.

§. 397.

Wenn Zeugen vorzufordern sind, ist selben weder die Schrift, noch ein Rathschlag zuzustellen, sondern ihnen nur im Namen des Gerichts überhaupt aufzutragen, daß sie zur bestimmten Zeit zur Ablegung einer Zeugenschaft erscheinen sollen.

Sieben und dreyßigstes Kapitel. Von Gerichtsunkösten.

§. 398.

Jener, der in dem abgeführten Rechtsstreit sachfällig geworden, hat dem Gegentheile jedesmal die aufgelaufenen Gerichtsunkosten zu vergüten, ausgenommen, wenn der Richter aus erheblichen Ursachen die Gerichtsunkösten zwischen beiden Theilen aufzuheben fände: Jedoch ist der Richter in folgenden Fällen hiezu nicht berechtiget: a) wenn der Sachfällige seine eigene Handlung, worauf die Entscheidung der Sache [Seite 167] beruhete, widersprochen hat, und deren überwiesen worden ist; b) wenn der Sachfällige wider den klaren Buchstaben des Gesetzes gestritten hat; c) wenn er in der Hauptsache gar keine Red, und Antwort gegeben hat; d) wenn er wider einen Spruch der ersten Instanz die Appellazion ergriffen hat, und in zweyter Instanz ebenfalls sachfällig geworden ist; in welchem letzten Falle der Sachfällige die Appellazionsunkösten jederzeit zu tragen hat.

§. 399.

Eben also ist in dem Ersatze der Unkösten jener zu verurtheilen, der vor der Erkänntniß von dem Prozesse abgestanden ist.

§. 400.

Dagegen kann jener, der einmal einen Spruch für sich hat, von dem obern Richter in die Gerichtskosten nie verurtheilet werden.

§. 401.

Wenn ein Theil in einem Nebenstreite nach obiger Ausmessung die Gerichtsunkösten zu tragen [Seite 168] hat, muß er auch in dem Spruche, der darüber ergeht, dazu verurtheilet werden.

§. 402.

Der Richter soll jederzeit die Gerichtsunkosten ausdrücklich aufheben, oder demjenigen, welchem sie zu ersetzen sind, zuerkennen.

§. 403.

Da die Gerichtsunkosten einem Theile zuerkannt werden, muss sie der Richter in dem Spruche selbst mäßigen; dahero sollen die Partheyen bey Verlust derselben ein Verzeichniß darüber den Akten jederzeit beylegen.

§. 404.

Für die Schriften, welche eine Parthey selbst, oder ein Advokat in eigener Sache verfertiget hat, ist die nämliche Gebühr anzurechnen, als wenn sie von einem Dritten wären verfasset worden.

§. 405.

Nur für jene Reise soll die Erstattung der Unkosten statt haben, welche in Anbetracht der Streitsache nach Ermessen des Richters nöthig gewesen, [Seite 169] oder auf Befehl des Richters vorgenommen worden ist.

§. 406.

Wenn der Kläger in der Provinz, wo der Prozeß geführet werden will, nicht kundbar sattsam bemittelt ist, soll er mit der ersten Klage dem Beklagten annehmliche Sicherheit für die Gerichtsunkosten bestellen, oder zu schwören sich erbieten, daß er diese nicht schaffen könne. Widrigens soll die Klag nicht angenommen, sondern er hierauf gewiesen werden.

§. 407.

Erstgedachten Eid hat der Kläger, wenn er ihm von dem Beklagten nicht erlassen wird, allerdings abzulegen.

§. 408.

Wenn der Beklagte befugt zu seyn glaubt, eine mehrere Sicherheit zu begehren, soll ihm solches zwar freystehen, doch soll die Hauptsache durch diesen Nebenstreit niemals gehemmet werden. [Seite 170]

§. 409.

Wenn der Richter in dem abgeführten Prozesse, oder in der ergriffenen Appellazion, oder Revision bey einer, oder anderer Parthey eine offenbare Widerrechtlichkeit, und besondern Muthwillen bemerkte, hat derselbe die betreffende Parthey, und ihren bestellten Rechtsfreund mit einer angemessenen Strafe an Gelde, oder Leibe anzusehen.

Acht und dreyßigstes Kapitel. Von den Advokaten

§. 410.

Niemand soll zum Advokaten angenommen werden, als jene, welche auf einer erbländischen Universität das Doktorat erlanget haben, ausgenommen bey den Ortsgerichten auf dem Lande, wo jene, welche auf einer erbländischen Universität über ihre Wissenschaft in den Rechten geprüfet worden, und darüber die vorgeschriebenen Zeugniße beybringen, zur Advokatur können gelassen [Seite 171] werden, doch nur in Abgang graduirter Advokaten.

§. 411.

Jener, welcher zum Advokaten angenommen zu werden verlanget, hat sich bey der im Lande aufgestellten Appellazionsstelle dieserwegen zu melden, und nebst dem Zeugniße der erbländischen Universität, die ihn geprüfet hat, auch ein weiters Zeugniß eines bereits angenommenen Advokaten über dessen in Rechtssachen eingeholte Erfahrung, und hiebey bezeigten Fleiß, Geschicklichkeit, und Rechtschaffenheit beyzubringen, wo sodann die Appellazionsstelle ihn sowohl über die Theorie, als Anwendung der Gerichtsordnung, und sämmtlicher Landesgesetze auf das schärfste prüfen: dessen Sitten, und Rechtschaffenheit genau untersuchen: und wenn sie ihn tauglich findet, zur Advokatur zulassen solle, ohne auf eine Anzahl, oder auf einen Unterscheid der Gerichten zu sehen.

§. 412.

Wenn ein Advokat um die Vertretung angegangen wird, soll selber zuförderst erwegen, ob [Seite 172] der Rechtshandel gerecht, und billig, und dahero zur Vertretung geeignet sey: zu diesem Ende soll er vor Übernehmung der Vertretung untersuchen, und zwar, Falls seine Parthey als Kläger auftritt, a) was selbe in der Hauptsache, und Nebenverbindlichkeiten fordere; b) wie sie die Klage, und jeden Umstand der selben zu erweisen vermögend sey; c) ob über diesen, oder jenen Umstand schriftliche Beweise vorhanden; d) wo sich dieselben befinden; e) wer bey diesem, oder jenem Umstand zugegen gewesen; f) welche Umstände die Parthey zu beschwören erbietig sey; und g) über welchen allenfalls dem Gegentheil ein Eid aufgetragen werden soll.

§. 413.

Eben also soll der Advokat, wenn die seine Vertretung ansuchende Parthey als Beklagter aufzutreten hat, vorzüglich die Klage wohl untersuchen, die dagegen streitenden Einwendungen, soweit sie aus dem Faktum entspringen, wohl erwägen, und auf die Behelfe, wodurch die [Seite 173] Umstände der Einwendungen erwiesen werden wollen, nachforschen.

§. 414.

In beiden Fällen soll der Advokat eine umständliche Geschichte über den eigentlichen Rechtshandel, und über die von seiner Parthey entdekten Umstände (species facti) aufsetzen, selbe von der Parthey, Falls sie des Schreibens kündig, fertigen lassen, eine Abschrift hievon unter seiner Fertigung der Parthey auf ihr Verlangen hinausgeben, und selbe dem Richter auf jedesmaliges Begehren, doch solchergestalten vorzuweisen verbunden seyn, daß, wenn selbe dem Gegentheile nicht mitgetheilet worden, hierauf bey Erledigung des Prozesses keine Rucksicht zu tragen sey.

§. 415

Der Advokat soll sodann nach Beschaffenheit der Umstände vorzüglich weiters untersuchen, a) ob nicht etwa mehrere an der Klage Theil zu nehmen haben; b) ob nicht einige davon unter der Kuratel stehen; c) auf welche Art vorläufig die benöthigten Urkunden, und Behelfe beyzuschaffen [Seite 174] seyen; d) unter wessen Gerichtsbarkeit der Beklagte stehe; e) ob nicht die Klage wider mehrere zu stellen; f) ob nicht einige davon unter der Kuratel stehen; g) ob nicht von Jemanden die Vertretung zu begehren sey; h) ob nicht bis zu Austrag der Sache anderweite rechtliche Vorsichten zu treffen seyen.

§. 416.

Wenn der Advokat sich entschlossen hat; die Vertretung anzunehmen, soll er sich sogleich mit einer schriftlichen Gewalt, und Vollmacht versehen, welche von jeder einzelnen Parthey eigenhändig zu unterfertigen ist: Diese Gewalt, und Vollmacht soll der Advokat nicht annehmen, es sey denn in selber einerseits ein Substitut ernannt, oder die Befugniß einen andern zu substituiren ertheilet, andererseits diese Vollmacht auch auf die Erben des Gewaltgebers gerichtet; wann jedoch hierinnfalls etwas unterlassen würde, soll in dem ersten Falle keine Schrift, ausgenommen in wichtigern Fällen, und wo der Verzug mit einer Gefahr verknüpfet ist, [Seite 175] angenommen, und auch dann von dem Advokaten wenigstens bis zur zweyten Schrift eine Vollmacht nach obiger Vorschrift beygebracht werden: Im zweyten Falle dagegen soll nach dem allfälligen Absterben des Gewaltgebers der Prozeß gleichwohl unaufgehalten fortgesetzet werden; welches auch bey jedem Gewaltgeber in Prozeßsachen zu beobachten ist.

§. 417.

In dem rechtlichen Verfahren hat sich der Advokat genauest nach gegenwärtiger Gerichtsordnung zu benehmen, seine Schriften aber rein, leserlich, und ohne übertriebene Ausdehnung zu überreichen.

§. 418.

Bey den Inrotulirungen der Akten sollen die Advokaten selbst erscheinen, und sich diesfalls nicht auf jemanden andern verlassen.

§. 419.

Ein Advokat soll eine zum vertreten angenomme Streitsache vor dem Ende derselben ohne erhebliche Ursache nicht verlassen, und wenn [Seite 176] er hiezu aus erheblichen Ursachen veranlaßt würde, soll er der Parthey gerichtlich aufkünden, und dennoch von dem Tage der zugestellten Aufkündung die Parthey noch so lange zu vertreten schuldig seyn, als die Frist fortdaurete, die ihr zu Einreichung einer Einrede gestattet würde, es wäre dann, daß die Parthey sich eher einen andern Rechtsfreund bestellet hätte.

§. 420.

Wenn die Parthey selbst keinen Substituten ernennet hätte, soll der bestellte Advokat dem Gegentheile einen namhaft machen, dieser aber die Sache ununterbrochen fortsetzen, wenn der erste Advokat stürbe, austräte, oder sonst verhindert würde, bis die Parthey selbst einen andern Advokaten bestellt haben wird.

§. 421.

Ein Advokat soll nicht beiden Theilen zur nämlichen Zeit in einerley Rechtsstreit dienen, auch der Parthey nicht in einer Sache die Vertretung leisten, in welcher er vorhin dem Gegentheile gedienet hätte. [Seite 177]

§. 422.

Die Advokaten sollen sich in bereits resolvirten, und entschiedenen Sachen keiner Absprünge, oder neuerlichen Behelligungen gebrauchen.

§. 423.

Kein Advokat soll sich auf den Fall, da er den Prozeß gewinnen würde, eine besondere bestimmte Belohnung voraus bedingen, ein solches Beding wäre nicht nur unkräftig, sondern jener Advokat noch besonders zu strafen, welcher es eingegangen hätte.

§. 424.

Jeder Advokat soll bey Überreichung der letzten Schrift, wie auch bey der Appellazions- oder Revisionsschrift seine Gebühren verzeichnen, und dieses Verzeichniß den Akten beylegen; und eben also am Ende der Tagsatzung, worüber eine Erkanntniß erfolget, die Anforderung seiner Gebühren beybringen, und entweder schriftlich, oder mündlich zum Protokolle anzeigen. [Seite 178]

§. 425.

So oft der Richter den Sachfälligen in den Ersatz der Unkösten zu verfällen hat, soll er die angesetzten Gebühren des Gegentheiligen Advokatens wider den Sachfälligen in dem Spruche selbst mäßigen; jene Gebühren aber, welche eine Parthey ihrem Advokaten zu entrichten hat, soll der Richter nur damals mäßigen, wann die Parthey solche Mäßigung verlanget.

§. 426.

Die Arbeit der Advokaten ist niemals nach der Anzahl der Bogen ihrer Schriften, noch auch nach der Anzahl der Tagsatzungen, sondern nach dem wesentlichen Verdienste zu schätzen, was immer diesfalls zwischen dem Advokaten, und der Parthey bedungen worden wäre.

§. 427.

In dieser Bestimmung sollen von dem Richter folgende Rücksichten beobachtet werden; a) ob der Advokat zu Herbeischaffung der Behelfe, und sonstiger Vorbereitung, auch gründlicher Belegung seiner Satzschriften besondere Mühe angewendet [Seite 179] habe: b) ob aus dem Innhalt der verfaßten Schrift ein ausnehmender Fleiß, und ganz vorzügliche Geschicklichkeit hervorleuchte: c) ob er den Prozeß mit möglicher Genauigkeit, und Beförderung abgeführet habe: d) ob er sich hiebey durchaus in Folge dieser Gerichtsordnung benommen habe: e) ob nicht der Vermögensstand der Parthey eine genauere Mäßigung fordere.

§. 428.

Wenn von einem Advokaten Prozesse angenommen werden, in welchen ein offenbares Unrecht vertheidiget werden will, es sey solches aus Unwissenheit, oder aus Gewinnsucht geschehen, hat diejenige Stelle, bey welcher derley Prozesse entschieden werden, einen solchen Advokaten der Appellazionsstelle anzuzeigen: diese aber hat alsdenn nach Maaß des Verbrechens entweder mit einer angemessenen Geldstrafe vorzugehen, oder einen solchen Advokaten von der Advokatur auf eine Zeit, oder auf immer auszuschließen. [Seite 180]

§. 429.

Wenn der politischen Stelle von einem Advokaten ein Gebrechen bekannt würde, das auf dessen sittliches Betragen, und redliche Behandlung Beziehung nähme, oder wenn sie erführe, daß der Advokat viele Schulden mache, soll von selber sogleich an die Appellazionsstelle die Anzeige geschehen, welche den Schuldigen auf eine Zeitlang, oder falls an selben bey widerholten Bestrafungen keine Besserung bemerket würde, auf immer von der Advokatur auszuschliessen hat.

Neun und dreyßigstes Kapitel. Von dem Richter.

§. 430.

Jene, welche als Richter bey einer Gerichtsstelle angestellet zu werden suchen, sollen mit den gewöhnlichen Zeugnissen darthun, daß sie über die hinlängliche Fähigkeit in der Rechtswissenschaft auf einer erbländischen Universität geprüfet worden. [Seite 181]

§. 431.

Beynebens sollen sowohl diese, als auch alle jene, die als Stadt- oder Marktschreiber eine Richterstelle ansuchen, sich einer scharfen Prüfung aus den Landesgesetzen, und der gegenwärtigen Gerichtsordnung in jener Art unterziehen, welche nach Beschaffenheit der Umstände für jede Gerichtsstelle bestimmet ist, ausgenommen, sie hätten schon öffentliche, und wiederholte Proben ihrer Fähigkeit, und Erfahrenheit in eben diesen Landesgesetzen an den Tag geleget.

§. 432.

Diejenigen, a) über derer Vermögen ein Konkurs eröfnet worden ist, wenn sie ihre Unschuld nicht vollständig erwiesen haben, b) jene, welche als Verschwender gerichtlich erkläret worden sind, sind unfähig ein richterliches Amt zu erlangen,und wenn sie eines begleiten, sollen sie entlassen werden.

§. 433.

Jenen, welche in eine peinliche Untersuchung verfallen, wird die Ausübung ihres Amts [Seite 182] wehrender Untersuchung verbothen, und wenn sie eines landgerichtlichen Verbrechens schuldig erkannt worden, sind sie auch eben dadurch des Richteramtes entsetzet.

§. 434.

Kein Richter soll von seinem Dienste etwas anders genießen, als die ihm ausgeworfene bestimmte Besoldung, und bey vorfallender Reise die Fuhr, Verköstung, und wo es üblich ist, die ausgemessenen Taggelder; folglich sollen jene, welche derzeit in Ansehung ihres richterlichen Amtes noch einige Taxen, oder andere Nebeneinkünfte zu genießen haben, es ihrer unmittelbar vorgesetzten Obrigkeit bey sonstiger Entlassung von ihrem Dienste, binnen Jahresfrist anmelden, diese aber hat ihnen dafür eine verhältnißmässige Besoldung zu bestimmen, oder Falls dieses in ihrer Macht nicht stünde, es der vorgesetzten Obrigkeit anzuzeigen.

§. 435.

Jeder Richter soll von Annehmung alles Geschenkes sich enthalten, widrigens die in unsern [Seite 183] Civilrechten vorgesehene Strafen unnachsichtlich zu gewarten haben.

§. 436.

Jeder Richter soll zu Ende des Jahrs ein Verzeichniß aller Prozesse, welche bey ihm über ein Jahr lang anhängig, und noch nicht zu Ende gebracht worden sind, an die ihm vorgesetzte Stelle überreichen, wie auch die Anzahl der währendem Jahre erledigt, und anhängig gemachten Streitsachen anzeigen.

§. 437.

Die Richter sollen verfahren, und sprechen nach dem wahren, und allgemeinen Verstande der Worte dieses Gesetzes, und unter keinem erdenklichen Vorwande eines Unterschiedes zwischen den Worten, und dem Sinne des Gesetzes, einer von der Schärfe der Rechte unterschiedenen Billigkeit, oder eines widrigen Gebrauchs u. d. g. von der klaren Vorschrift dieser Gerichtsordnung abweichen; nur dann, wenn ein Fall ihm vorkäme, der zwar in dieser Gerichtsordnung nicht entschieden wäre, aber mit einem andern in selber entschiedenen Falle [Seite 184] eine vollkommene Ähnlichkeit hätte, ist dem Richter gestattet, den nicht ausgedrükten Fall nach jener Vorschrift zu entscheiden, die für den ausgedrükten Fall bestimmet ist; sollte aber über den Verstand des Gesetzes ein gegründeter Zweifel vorfallen, so wird solcher nach Hof anzuzeigen, und die Entschliessung darüber einzuholen seyn; würde aber ein Richter die Streitsachen wider diese Ordnung verzögern, oder die Partheyen sonst beschweren, so hätte er für allen Schaden zu haften.