[[Faksimile] Die humanistische Strömung der Wissenschaften, die im unaufhaltsamen Siegeslauf alsbald das Rechtsleben ergriff und mit sich fortriß, nicht minder die Zersetzung der mittelalterlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung hatten im Zeitalter der Renaissance einen Umschwung aller Lebensverhältnisse hervorgerufen. Als ideale und reale Faktoren der Rechtsbildung mußten diese Triebkräfte der kulturellen Bewegung wie in anderen Territorien, so auch in den altösterr. Ländern das Bedürfnis nach einer landesfürstliche Gesetzgebung wachrufen, dessen Befriedigung teils in einzelnen Ordnungen und Generalmandaten (sogenannte Generalien), teils in umfassenden Gesetzeswerken gesucht ward.
Legislative Erzeugnisse der letzteren Art, die im Sturm und Drang der Rezeption eine Grenzberichtigung der Geltungssphären des heimischen Gewohnheitsrechtes und der eingedrungenen fremden Rechte anstreben, zugleich aber auch als Spiegel des geltenden Rechtes den Gehalt des durch Satzungen und landständische Privilegien sowie durch die Spruchpraxis der Gerichte erheblich bereicherten Rechtsstoffes in sich aufnehmen, pflegt man vorzugsweise als Landesordnungen zu bezeichnen. Zweck und Inhalt derselben scheidet sie genau von anderen, gleichfalls als Landesordnung benannten Festsetzungen, d. i. den ersten Polizeiordnungen, sodann den ephemeren Statuten des revolutionären Ständeregiments, die in einzelnen altösterr. Ländern alsbald nach dem Tode Kaiser Maximilians I. aufgetaucht waren.
Zeitlich wie örtlich verschiedene Bedürfnisse ließen die äußeren Linien für die der Landesordnung einzugliedernden Stoffgebiete bald enger, bald weiter ziehen; bisweilen will es den Anschein gewinnen, als ob ein fester Anlageplan von vornherein noch gar nicht bestanden hätte. Um so deutlicher lassen sich dafür am Gegenstande der Darstellung jene Abwandlungen verfolgen, denen das Recht während der Übergangszeit unterlegen war.
Den Kern der Landesordnung bildet wohl allerwärts das Landrecht — als Zeiger in das Landrechtsbuch ist der erste Entwurf einer Landesordnung für Österr. unter der Enns abgefaßt. Indessen trat gar bald unter dem zersetzenden Einflusse der romanistischen Doktrin eine Differenzierung des materiellen und formellen Rechtes ein. Noch sind zunächst die Prozeßordnungen des Streitverfahrens für einzelne Gerichte erlassen und nach diesen (als Hofrechts- und Landrechtsordnungen) benannt; nur allmählich löste sich das materielle Strafrecht in den Landgerichtsordnungen von den dasselbe umschließenden Prozeßvorschriften ab.
Das Lehnrecht, zur Zeit der Rechtsbücher ein ebenbürtiger Genosse des Landrechtes, hatte seit dem Verschwinden der vasallitischen Heeresdienste seine öffentlich-rechtliche Bedeutung vollends eingebüßt und damit zugleich seinen inneren Halt verloren. Nur in den beiden Erzherzogtümern, wo die Lehnsgnaden und viele Lehnsgeneralien einen ergiebigen Behandlungsstoff darboten, wurden noch Bearbeitungen dieses Rechtszweiges behufs Aufnahme in die Landesordnung unternommen.
Außerhalb des Bereiches der Landesordnung stehen die nunmehr im Sinne einer Stärkung des landesfürstliche Einflusses reformierten Stadt- und Marktrechte, denen auch in Hinkunft der Privilegiencharakter bewahrt blieb.
Die vom Gedanken des Gemeinwohles beherrschte Polizei, dieses unförmliche, aber lebenskräftige Gebilde der humanistischen Ära, ward bei ihrem ersten Auftreten mit der Landesordnung geradezu identifiziert. Polizeiliche Normen sind denn auch zumeist in den Landesordnung anzutreffen. Die niederösterreichische Ländergruppe bildet insofern eine Ausnahme, als hier in Anlehnung an die Reichsgesetzgebung die P. O. 1 VI 1542 zustande kam, deren Erneuerung 15 X 1552 zugleich die Bestimmungen der bereits am 1 IV 1527 erlassenen "Neuen Polizei und Ordnung der Handwerker und Dienstvolkes der niederösterreichischen Lande" aufnahm. In Österr. unter der Enns hatten die zur Beratung der Landesordnung berufenen Ausschüsse an den späteren Umarbeitungen und Ergänzungen der P. O. mitgewirkt und die im 17. Jahrhundert von der P. O. abgespaltete Vormundschaftsordnung bildet hinwiederum einen Bestandteil der L. O.
Als ein wichtiger Gegenstand der Regelung durch die Landesordnung sind die Bestimmungen über die Rechtsstellung der Obrigkeiten und der übrigen, einer Jurisdiktionsbefugnis entbehrenden Herrengewalten zu bezeichnen, indem nicht nur die hofrechtlichen Verhältnisse der bäuerlichen Untertanen und Holden zu ihren Landgerichts-, Grund-, Dorf-, Vogt-, Berg- und Zehntherren, sondern auch die vielfach verworrenen Kompetenzen dieser patrimonialen Gewalten einer Regelung erheischten.
Wo das Bestreben der Stände dahin gerichtet war, der Landesordnung auch die Landesfreiheiten einzugliedern, wurde mit Vorliebe der Ausdruck Landtafel gebraucht.
Hingegen versteht man unter Landhandfesten den Inbegriff der die landständische Verfassung bildenden Freiheitsbriefe, die von den Landesfürsten bei der Erbhuldigung beschworen und sodann in Urkundenform bestätigt worden sind. Nur urkundlich erteilte oder konfirmierte Privilegien, nicht auch die, wenngleich schriftlich fixierten Entschließungen des Landesfürsten zählen zu den ständischen Freiheiten im strikten Sinne, weil den bloßen Resolutionen der zur Durchführung erforderliche Vollzugsbefehl an die zuständigen Verwaltungsorgane mangelt. Insofern bereits die landständischen Privilegien polizeiliche, land- und lehnrechtliche Bestimmungen enthielten, überdies auch ganze Prozeßordnungen in den Landhandfesten Aufnahme fanden, weisen diese eine entfernte Verwandtschaft mit den Landesordnung auf.
Unter Mitwirkung oder doch mit Zustimmung der Stände entstanden, tragen die Landesordnung vermöge ihres territorialen Geltungsbereiches formell [Faksimile] allwärts ein partikulares Gepräge. Gleichwohl sind Teile derselben als Mittel zur Erzielung einer materiellen Rechtsgemeinschaft zwischen mehreren Ländern verwendet worden. Die Anbahnung einer allgemeinen österr. Gesetzgebung durch die große Kaiserin hat die Periode der Landesordnung zum Abschluß gebracht.
Mehr als zwei Jahrhunderte hindurch hatte im Lande unter der Enns der Kodifikationsgedanke die gesamte juristische Literatur, soweit diese überhaupt dem Provinzialrechte zugewendet war, in seinen Bannkreis gezogen. Hielt nun allerdings das äußere Gelingen des geplanten Monumentalwerkes dem gewaltigen Aufgebot geistigen Schaffens nicht ganz die Wagschale — drei Redaktionen des 16. Jahrhunderts sind Entwürfe geblieben, eine vierte kam über die ersten Ansätze nicht hinaus und nur Bruchstücke der Kompilation des 17. Jahrhunderts erlangten Gesetzeskraft — so besitzen gleichwohl jene Arbeiten als Erkenntnisquellen des Rechtszustandes einer Zeit, die das Bindeglied zwischen dem Mittelalter und der Theresianischen Epoche abgibt, zumal für die Entwicklung der Institute des Privat-, Straf- und Prozeßrechtes, einen hohen dogmengeschichtlichen Wert.
Kaum geringer ist aber die rechtsgeschichtliche Bedeutung der Kodifikationsbestrebungen zu veranschlagen; liefern doch die Triebfedern derselben das treue Spiegelbild jener Entwicklungsmomente, die der Zeit ihres Auftretens eine eigenartige juristische Signatur verliehen hatten: die erstarkte landesfürstliche Gewalt behauptet im Ringen mit der politischen und religiösen Bewegung des ständischen Adels die Oberhand und beginnt vermittels ihrer neugeschaffenen Beamtenkollegien zielbewußt in alle Zweige der Verwaltung einzugreifen; das Absterben des Feudalwesens führt einen geänderten Betrieb der Landwirtschaft herbei, der die rechtliche und ökonomische Lage der Bauernschaft gefährdet; die fortschreitende Romanisierung am Sitze der Zentral- und Mittelbehörden sowie einer von Staats wegen reorganisierten Universität veranlaßt immer weitere Kreise zur Aneignung rechtsgelehrter Bildung; das gerichtliche Verfahren geht unter den geänderten Anschauungen seiner Träger einer schrittweise Umgestaltung entgegen; die plötzliche Entwertung des Geldes und die hiedurch hervorgerufene Preissteigerung aller Waren ermöglicht dem Wucher eine bedrohliche Ausbreitung; die neue Methode der Rechtswissenschaft beeinflußt sichtlich die Gesetzgebung; der Wanderzug der Studentenscharen nach entlegenen Hochschulen erweitert den Gesichtskreis; die verheerenden Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges brechen die Widerstandskraft der Stände und führen im Verein mit der, nicht zum mindesten durch die Anerkennung der gesetzlichen Hypotheken des römischen Rechtes verschuldeten Rechtsunsicherheit den Tiefstand des Kredits herbei.
Der Anstoß zur Abfassung einer Landesordnung ging von den beiden oberen politischen Ständen aus, die in der Kodifikation des Landrechts sowie in der Unanfechtbarkeit der Erkenntnisse ihrer mit Standesgenossen besetzten Gerichtsinstanz einen Schutzwall gegen das Eindringen der fremden Rechte erblickten. Während des langen Stillstandes der Landsrechte in den wirrnisvollen Tagen Kaiser Friedrichs III., so klagt die Landschaft im Mainzer Libelle (8 IV 1499), seien viele löbliche Gewohnheiten und gute Ordnungen aus dem Gedächtnisse der Landleute geschwunden; der Kaiser wolle daher durch seine Räte im Vereine mit Abgeordneten der Stände die notdürftigsten und trefflichsten Artikel des Landrechts in einem Buche abfassen und zur Sanktion vorlegen lassen. Zugleich baten die Stände unter Berufung auf die Privilegien des Erzhauses um Abschaffung des Rechtszuges von den Urteilen des landmarschallischen Gerichtes. Vor Zeiten habe ein Freund dem anderen seine Worte treulich und kürzlich vorgebracht, wie dies in umliegenden Königreichen und Landen noch geschehe; wenn nun aber die Stände mit Supplizierungen und Appellationen in die kaiserlichen Gerichte geführt werden, so müßten sie mit schweren Unkosten die Doktores erlangen. Nach dem Verfahren und Urteile fingen die Kosten und Zehrungen erst recht an, so daß keiner seines Handels Ende erreiche. — Der König versprach zwar Abhilfe; indessen ein neuerlicher fünfjähriger Stillstand der Landsrechte infolge von Zerwürfnissen im Schoße des landmarschallischen Gerichtes zwang die Rechtssuchenden, das zum Teil mit Gelehrten besetzte Hofgericht zu Wiener-Neustadt anzurufen, woselbst durch die Einführung eines Verfahrens mit drei Schriften dem Eindringen des römisch-kanonischen Prozesses die Wege bereits geöffnet waren (Nürnberger Libell 21 IV 1501; niederösterreichischen Regimentsordnung 25 II 1502).
Aber auch das ersehnte Landrechtsbuch kam unter Kaiser Maximilian I. nicht zustande; als im Jahr 1509 das Verlangen nach einer Landesgesetzgebung abermals laut wurde, da trat bereits in der Formulierung des Begehrens der eingerissene Verfall des Gewohnheitsrechtes überaus charakteristisch zu Tage:
Item, das sein kais. maj. genediclich vergunnen und seiner maj. rete zusambt ainerlandschaft person darzu ordne, die ain gemain landleufign landsgebrauch wie die recht und landgericht im land gehaltn und gehandelt werdn sulln in geschrift verfassn und aufrichtn, dadurch die undertan dits furstentumbs so durch die doctores und procuratores und durch einfüerung der gelertn geschribn recht swerlich in irrung und schaden gefurt nicht also verderbt werdn; wo aber die kais. maj. seiner gnaden reten darzu nicht müssigen mecht, alsdann solhen geschriben landsbrauch und ordnung gemeiner landschaft genediclich zugeben und vergunnen aufzurichten.
Der Kaiser stimmte dem gestellten Anliegen mit der Bemerkung zu, daß er ohnedem in allen seinen Landen die Rechte und Landsgebräuche reformieren wolle.
Nach dem [noch kein Digitalisat HS] Genter Libelle (4 III 1509), welches diese Verhandlungen beurkundet, ist also des [Faksimile] Landes Recht, wie der mittelalterliche Urkundenstil das Herkommen zu bezeichnen pflegte, bereits zum reformbedürftigen Landsgebrauch herabgesunken; die gelehrten geschriebenen Rechte sollen fortan im geschriebenen Landesbrauch ihr Seitenstück finden.
Zur Ausführung gelangten hingegen zwei Satzungen von Landgerichtsartikeln, die ausgesprochenermaßen eine Regelung des Kompetenzkreises der Landgerichte gegenüber der Kompetenz jener Obrigkeiten (den mit Jurisdiktionsbefugnissen ausgestatteten Herrengewalten) bezweckten, die der Landgerichtsbarkeit entbehrten. Schon im Genter Libell wurde auf Ansuchen der Landschaft bewilligt, daß zwei Abgesandte vom Hofe und etliche Verordnete der Länder sowohl die Landrichter als auch "andere so Pantaidingbücher haben" (worunter die Inhaber der Niedergerichtsbarkeit gemeint sind) zu sich erfordern, Einsichtnahme in die Weistümer pflegen und nach Gutbedünken eine Ordnung aufrichten mögen, die unmittelbar durch das Regiment namens des Kaisers zu vollziehen sein werde. Nachdem diese Zusage im Augsburger Libell für Österr. unter der Enns (10 IV 1510) wiederholt worden war, setzte noch zu Augsburg eine Kommission (der auch Abgeordnete des Landes ob der Enns angehörten) 32 Landgerichtsartikel fest, die sodann durch ein gemeinsames Zirkularschreiben der Verordneten unter und ob der Enns sowie durch Generalmandat des Regiments kundgemacht wurden. Ein abermaliger Befehl zur Befolgung der Artikel erfolgte für Österr. unter der Enns auf Bitten der Stände (Ldtg. Absch. 8 III 1514) durch ein Generale vom 27 IV 1514.
Neuerliche Beschwerden der Prälaten, Ritter und Städte am Wiener Landtag über die Eingriffe der Landgerichtsherren führten unter persönlicher Vermittlung des Kaisers zu einem Vergleiche zwischen dem Herrenstande einerseits und den übrigen Ständen andererseits, dessen Inhalt sich als textliche Erweiterung und teilweise Reduktion der Augsburger Artikel darstellt. Die über die Handlung errichtete und vom Kaiser besiegelte Urkunde trägt das Datum des 21 VIII 1514 und wurde mit der Überschrift "Hirine sein die artikel der 1andgerioht des fürstentumb 0sterreich durch die rom. kai. maj. etc. aufgericht" im Drucke verbreitet (Mayer, Wiens Buchdruckergeschichte I, S. 30). Der Ausdruck "Landgerichtsordnung" für diese Artikel scheint erst zu Zeiten Ferdinands I. aufgekommen zu sein.
Das bedeutsame Zugeständnis, wonach das Fürstentum Österr. unter der Enns in ihren Landsrechten vor Appellation gefreit sein solle ([noch kein Digitalisat HS] Augsburger Libell für die 5 nieder-österreichischen Lande), wurde noch im letzten Lebensjahre des Kaisers erweitert, indem dieser nicht aus Gerechtigkeit, sondern aus Gnaden auch das Rechtsmittel der Supplikation von den Urteilen des landmarschallischen Gerichtes abschaffte und sich nur vorbehielt, jährlich drei Supplikationen anzunehmen, um damit die Beisitzer in Fleiß guter Urteile und Rechtes zu erhalten (Innsbrucker Libell für Österr. unter der Enns 24 V 1518).
Die Verhandlungen wegen Errichtung einer Landesordnung wurden nach dem Tode des Kaisers und zwar noch vor dem ersten Teilungsvertrage zwischen den Enkeln Maximilians I. aufgenommen. Im Wormser Libelle vom 24 II 1521 billigte König Karl V. das Begehren der Stände, die trefflichsten Artikel der Landesfreiheiten, des alten Herkommens und der Gebräuche in einem Buche abzufassen, und versprach, darüber mit seinem künftigen Hofrate handeln zu lassen. Eröffnete die Erledigung des Gravamens die Aussicht, daß auch die Freiheitsbriefe der Landschaft in der neuen Landesordnung Aufnahme finden würden, so stand allerdings noch keineswegs fest, welchen Urkunden im einzelnen die Konfirmation und Anerkennung als ständische Privilegien zuteil werden sollte. Nach der anderen Richtung aber nahm der König zurück, was bereits sein Großvater gewährt hatte: die Appellation von den Landsrechten an den Hofrat als Regierung, oder in deren Ermanglung die Supplizierung an den Landesfürsten, behielt sich Karl vor aus Gründen, die er den Ständen mitteilen wolle, falls seine Entschließung angegriffen werden sollte.
Gleich seinem Bruder sagte auch Erzherzog Ferdinand die Verfassung der Landsbräuche in einem Buche zu; die Bitte um Abschaffung der Supplikation und Appellation von den Landsrechten, damit die Parteien nicht unnötig in den Gerichten umgeführt, durch Verlängerungen der Prokuratoren verarmen und das Recht zu fürchten verursacht würden, beantwortete er damit, daß er zwar die Aufzüge der Prokuratoren abzustellen versprach, im übrigen aber auf die Appellationsordnung verwies, welche bereits am Tage nach der landesfürstliche Resolution publiziert wurde (Wiener Libell 26 VIII 1524). Der Kampf um die Appellation, unter Maximilian im Zeichen der Abwehr des fremden Rechtes begonnen, gewann nunmehr eine veränderte Bedeutung: die Einrichtung des Instanzenzuges sollte als Mittel zur Festigung der Staatsgewalt dienen. Umsonst beriefen sich die Stände auf das alte Herkommen und die Eigenschaft der Landsrechte als des Landesfürsten "persönliches Hofgericht" (Grav. 24 I 1526), schrieben die Einführung des unbeliebten Rechtsmittels den Einflüsterungen ihrer Mißgönner zu (Repl. 16 II 1526); nur so viel konnten sie erwirken, daß die Landschaft Mann für Mann gefragt werden sollte, was einem jeden gefällig sein will, die Appellation oder Supplikation (undatierte Resol., wohl Landtag Allerheiligen 1526). Die Landschaft entschied sich 1528 für die Beibehaltung der Appellation, jedoch nur bis zur Aufrichtung der L. O.; und gerade dieser Vorbehalt dürfte nicht wenig zum Scheitern des ausgearbeiteten Entwurfes beigetragen haben.
An eine Aufnahme der Landesfreiheiten in das Landrechtsbuch konnte wohl angesichts der scharfen Hervorkehrung landesfürstlicher Prärogativen, die in allen Regierungshandlungen aus der ersten Herrscherperiode Ferdinands I. hervortritt, nicht gedacht [Faksimile] werden; hatte doch der Erzherzog von vornherein den politischen Tendenzen begegnet, welche sich an die Bezeichnung des Kodifikationswerkes als Landtafel hätten anknüpfen lassen: "von wegen einer guten Ordnung in rechtlichen Sachen ist nicht von Nöten, dieselbe eine Landtafel zu nennen". (Resol. 26 II 1526.) Als endlich von den vorgelegten 13 Freiheitsbriefen nur drei die Bestätigung erhielten (Resol. 21 III 1528), war übrigens derartigen Bestrebungen vorläufig jede Aussicht auf Erfolg benommen.
Am 13 I 1528 befand sich bereits der als "Zeiger in das Landrechtsbuch" betitelte Entwurf in den Händen der landesfürstliche Kommissarien. In drei Bücher gegliedert, handelt dieser von den Gerichtspersonen, dem Verfahren im landmarschallischen Gerichte und dem Privatrechte. Die das erste Buch einleitende Vorrede ergeht sich in rechtsphilosophischen Erörterungen, berührt aber auch staatsrechtliche Fragen:
Dieweil dann wir und ain jeder erzherzog zu 0esterreich aus vorberuerten unserer vorfordern wohlthaten und hoch erdienten privilegien unsere gericht und recht frei haben, deßhalben uns volkhumenlich und nach notturfften und gelegenhait unserer land und leut geburt inen recht zu setzen und zu machen, die dem gotlichen gesetzt der natur und vernunft gemäß sein — demnach haben wir nit allain als stathalter des heiligen römischen reichs aus kaiserlichem gewalt sonder auch als regierender erzherzog herr und landsfurst zu Österreich aus furstlicher macht mit unserer treffenlichen ordenlichen hofräthe, auch landleuten und underthonen der edlen unser lieben getrewen n. herrn ritter und knechten, das ist der zwaier stand des adls beruerts erzherzogthůmbs Österreich under der Ennß, zeitigem rat vorbetrachten und guetem wissen und willen das puech mit etwo vil notturftigen gesetzten artikln und ordnungen als ain angefangne furgeschribne tafel, so pillich wie von altervheer das landrecht genennt wierdet, zu begreifen und zu verfassen bestellt, dasselb aigentlich ersehen vernumen aufgericht gefertigt und gesezt.
Ist auch der Landrechtszeiger von den Lehren der fremden Rechte vielfach geleitet, so will er doch die Richter vor dem Einflusse derselben möglichst bewahren.
Landmarschall und Beisitzer sollen außerhalb des Landrechtsbuches auf andere geschriebene Rechte nicht achten, es sei denn in Fällen, die weder im Gesetz selbst noch in den Gewohnheiten des Erzherzogtums begründet sind, und auch nur insoweit, als "sie die Ehrbarkeit und Billigkeit gleichen Rechtes und die Ursache der Vernunft weiset und bewegt".
In markigen Worten tritt die Vorrede zum dritten Buche dem Gebaren der Halbgelehrten entgegen; die bemerkenswerte Stelle beweist zugleich, daß die populäre Literatur auch im Stammlande der Monarchie Eingang fand.
Wiewol wir bedenkhen, wie die rechtgelerten so vor zeiten die recht ainßthails in teutscher zungen ausgezogen albeg dem fuesstapfen irer lernung nachgetretten, damit si nit gesehen wuerden aus dem weeg irer puecher zu geen, aber wenig aufsehen gehabt unserer zeiten regierung schikhlichait; und geschichten, derselben iebung, gemainer gebrauch und erforschung der händl — dann unser wesen und gepreüch der römischen zeit wesen und handlung, denen das geschriben recht aufgesezt worden, ganz ungleich ungemäß und verr davon sein — deshalben wöllen wir sagen von thailung der güeter disem unserm fürstenthumb gemäß und ob dieselb ains thails ab dem weg der geschribnen recht wiche, wolle si niemant beschenen, sonder die sachen unserer notturft gleichmässig mit dem trewisten versteen.
Als echtes Kind des Humanismus erweist sich der Entwurf durch das allerwärts hervortretende Bestreben nach Worttreue der Übersetzung und Reinheit des sprachlichen Ausdrucks, wobei allerdings der Mangel einer deutschen Rechtsterminologie erkünstelte Wortbildungen veranlaßt (Erfinder für Inventar, unterredliches Urteil für Interlokut, Besitzer eines guten Glaubens u. a. m.). Auch die Vorsprecher, Redner, Vögte und Gewaltträger der Parteien werden ermahnt, recht gemein deutsch zu reden und zu schreiben und nicht die lateinischen Worte zu den deutschen zu ziehen.
Die gestellte Aufgabe der Fixierung des Landsbrauches hat der Entwurf allerdings nicht in befriedigender Weise gelöst; immerhin aber bleibt der Landrechtszeiger für seine Zeit ein bedeutendes Werk vermöge des edlen Geistes, der ihn beseelt, sowie des philosophischen Zuges, der in vielfachen Motivierungen hervortritt. Auf die späteren Kodifikationsarbeiten hat der Landrechtszeiger in zunehmendem Grade Einfluß geübt: die Redaktion der Landesordnung durch Reichart Strein nahm bereits auf ihn Bedacht; in ausgiebigem Maße hat denselben die Kompilation der vier Doktoren benutzt, wie die vielfachen Entlehnungen mehrerer Titel des Tractatus de iuribus incorporalibus (Tit. 9 bis 12, 15 und 16) aus dem Entwurfe beweisen. Noch im 17. Jahrhundert handschriftlich verbreitet und in eine neue Ordnung gebracht (Landsbräuch in Österreich under der Enns gestelt und geordnet 1605, in 14 Bücher zerlegt), wird das Werk auch im 18. Jahrhundert in amtlichen Schriftstücken bezogen.
Die bald nach Überreichung des Elaborates eingetretenen weltgeschichtlichen Ereignisse verzögerten die Erklärung des Königs über den Entwurf, bis 15 XII 1584 die Resolution erfloß, der zufolge durch etliche verständige und der Landsbräuche erfahrene Landleute und daneben in mehrerer Zahl durch gelehrte, erfahrene, geübte Personen von Ausländern oder anderen österreichischen Landen die artikelweise Beratung (unter besonderer Bedachtnahme, daß der landesfürstlichen Obrigkeit und dem [Faksimile] Kammergute, aber auch den Freiheiten, billigen Gebräuchen und altem Herkommen der Landschaft kein Abbruch geschehe) vorgenommen werden sollte. Der König behielt sich in gleicher Weise wie bei Aufrichtung der tirolischen Landesordnung bevor, das Gesetzbuch, welches "Landrechtsbuch" und nicht "Landtafel" heißen solle, nach Wohlgefallen zu mehren und zu mindern, dies auch mit Rat und Wissen der Landschaft in Hinkunft zu tun.
An der Appellation von den Erkenntnissen der Landsrechte hielt Ferdinand fest; als die Stände auf die Abmachungen des Jahres 1528 hinwiesen, sprach er die Erwartung aus, daß die Landschaft schon um des Beispieles willen, das anderen Erblanden gegeben werde, gutwillig von ihrem Vorhaben abstehen möchte (Resol. 27 I 1535). Es war nun ein feiner Zug, daß der ständische Adel in seiner Erwiderung das Prinzip der Peersgerichtsbarkeit, um dessen willen die obere Instanz vom Könige preisgegeben werden sollte, durch den Hinweis auf die landesherrliche Verordnungsgewalt zu decken suchte. Das Landrechtsbuch — dies war der Sinn der Argumentation — werde nach dem Wohlgefallen des Königs eingerichtet werden und klares Recht schaffen, mithin sei die Appellation überflüssig; zweifelhafte Normen aber zu erläutern, stehe auf Anrufen der Landschaft dem Landesherrn oder dessen Regierung zu (Dupl. 4 III 1535). Vom Erfolge waren diese Ausführungen allerdings nicht begleitet. Mehr als zwei Jahre verstrichen, bis die endliche Resolution das Schicksal des Landrechtszeigers besiegelte, indem sie verfügte:
das von ihrer maj. wegen etlich verständig und der landsgebreüch erfahrnen landleüth und daneben etlich und nicht in münder anzahl der geschribnen rechten erfahrn und geiebt persohnen von außlendern oder inlendern geordnet, und ihnen auferlegt wurde, die übersechung und erkhundigung gelegenheit des lands aigenschaft und weßens und gebreüch notturftige bewegnus und beratschlagung thun, ain begreifung und verfaßung aines landrechtsbuechs thun (Resol. 25 IX 1537).
Zur Erkundung und Sichtung der Landesbräuche, die als Vorarbeit des Kodifikationswerkes dienen sollte, wurde bei der niederösterreichischen Regierung ein Konsuetudinarienbuch angelegt, das aber bald, seinen Zwecken untreu, zur bloßen Normaliensammlung herabsank. Ungleich höher sind die im amtlichen Auftrag unternommenen Arbeiten eines Bernhard Walther zu veranschlagen, der "sein reiches, auf den Universitäten zu Pavia und Bologna erworbenes Wissen in den berühmten goldenen Traktaten zum Schutze des altösterreichischen Gewohnheitsrechtes liebevoll verwendete", und daher mit gutem Fuge als "Vater der österreichischen Jurisprudenz" bezeichnet worden ist.
Bernhard Walther zu Waltersweil, auf Dierpach und Mittlfron (aus einem Schweizer Geschlechte, dessen Genealogie 1350 mit Gerhard Walther anhebt, der 1380 in österreichische Dienste trat), wurde zu Leipzig geboren, kam 1537 nach Bologna, wo er 1539 als Prokurator der deutschen Nation tätig war, erwarb 22 II 1541 zu Pavia den Doktorsgrad, trat alsbald der Juristenfakultät an der Wiener Universität bei, wo er als Professor, Prokurator der sächsischen Nation (1542 bis 1544) und Superintendent (1546-1548) wirkte. Am 7 II 1547 erfolgte seine Ernennung zum Rate, Ende 1556 zum Kanzler der niederösterreichischen Regierung; nach dem Tode Kaiser Ferdinands begab er sich als Kanzler der innerösterreichischen Regierung (installiert 16 I 1565) in die Dienste des Erzherzogs Karl, dessen geheimer Rat er war, und starb 1584.
Von den Werken Walthers (vgl. Aschbach Gesch. der Wiener Universität III, S. 295) kommen für die Geschichte der Kodifikation vor allem die im 18. Jahrhundert zum Aureus juris Austriaci tractatus vereinigten (und mit Hinweglassung der Zitate als Anhang zu Suttingers Consuetudines Austriacae inkorrekt gedruckten) Abhandlungen in Betracht, denen sich das nur handschriftlich überlieferte Fragment eines Lehntraktates und in enger Anlehnung an den 1. Traktat der Druckausgabe eine Darstellung der Sippbäume zugesellt.
War es lediglich ein seltsames Spiel des Zufalles, daß gerade einem Sachsen von Geburt der große Wurf gelang, mit sicherem Blicke die Linien abzustecken, innerhalb deren dem ererbten Rechte ein unbestrittener Boden gewahrt bleiben sollte, und mit juristischer Beherrschung des Stoffes die Überwindung des Dualismus im Rechte anzubahnen? Wie dem immer sein mag, Walther hat durch seine dem österreichischen Rechte gewidmeten Schriften den Beweis erbracht, daß er mit gewissenhaftem Ernst und hingebendem Eifer jede Gelegenheit wahrnahm, welche die Erforschung des heimischen Gewohnheitsrechtes zu fördern geeignet war, und daß er dieses mit dem rezipierten Rechte zu einer konzisen Darstellung des geltenden Rechtes insoweit zu verschmelzen suchte, als nicht bereits einzelne Materien im Landrechtszeiger eine entsprechende Behandlung gefunden hatten. Form und Inhalt wirkten zusammen, den in zahllosen Handschriften verbreiteten Traktaten für Jahrhunderte hinaus ein hohes Ansehen und einen großen Einfluß auf die Gesetzgebung und Rechtssprechung zu sichern; insbesondere hat die hier unternommene wissenschaftliche Verarbeitung des österreichischen Rechtes bewirkt, daß der Landesbrauch dem Schicksale völliger Vergessenheit zu einer Zeit entrissen ward, da bereits der lebedige Sinn für volkstümliche Rechtsbildung abzusterben und das Gewohnheitsrecht einer völligen Erstarrung anheimzufallen drohte. Das Maß der Beteiligung des Landuntermarschalls Ludwig Kirchberger an den Arbeiten Walthers ist noch nicht völlig klargestellt.
Hatten die Waltherschen Traktate die Aussichten auf das Zustandekommen einer Landesordnung mächtig gefördert, so darf die Landrechtsordnung vom 18 II 1557 bereits als ein vielverheißender Beginn des Kodifikationswerkes selbst betrachtet werden. Als der Landrechtszeiger vom Könige abgelehnt worden war, behalf sich das landmarschallische Gericht zunächst mit einer Zusammenstellung von Ordnungen dieses Gerichtes und der niederösterreichischen Regierung, [Faksimile] welche vom Landschreiber Kaspar Strasser unternommen, am 12 IV 1540 als "Gerichtsordnung des Landsrechten des hochlöblichen Erzherzogtums Osterreich unter der Enns" publiziert und mit Genehmigung der Regierung in Druck gelegt wurde. Das Verfahren vor der niederösterreichischen Regierung hatte um 1552 in den ungedruckten Traktaten Bernhard Walthers über den sogenannten Ordinariprozeß in Hofrechten (d. i. den zu Reminiscere, Corporis Christi und Martini mit je 5 - 6 Verhandlungstagen [iuridicae] abgehaltenen Gerichtsperioden) und Extraordinariprozeß eine wissenschaftliche Darstellung gefunden. Unabhängig von diesen Vorläufern kam die beim landmarschallischen Gerichte ausgearbeitete, sodann bei der niederösterreichischen Regierung beratschlagte Landrechtsordnung 1557 zustande, in der nach dem gewiß kompetenten Urteile der Stände der Prozeß "in seiner ganzen Substanz sowohl den Rechten als der Billigkeit gemäß in eine solche wohlfundierte stattliche Ordnung abgeteilt, die ... schlecht Korrektur und Reformierung ... bedürfen wird" (Grav. Schrift 11 II 1613). Noch Johann Bapt. Suttinger hat in seinen 0bservationes practicae (1. Aufl. 1650) diese Landrechtsordnung seiner Darstellung zu Grunde gelegt. Die einschneidendsten Neuerungen des landrechtlichen Prozesses (Kompetenz der Landrechte bei Justizverweigerung der Grundherren, Beteiligung des Landmarschalls bezw. Landuntermarschalls an der Abstimmung, Einschränkung des Arrestes, Androhung von Pönfallen und Gefängnis im summarischen Verfahren, Abschaffung der mündlichen Verhöre) sind bereits durch eine Ordnung vom 20 XI 1554 eingeführt worden.
Hatten die Landgerichtsartikel vom J. 1514 nur eine Auseinandersetzung der ständischen Jurisdiktionsbefugnisse hinsichtlich der Beteiligung am Strafverfahren bezweckt, so trat bald nach dem Tode Kaiser Maximilians I. der Gedanke an eine umfassende Reform der Strafrechtspflege hervor. Schon im [noch kein Digitalisat HS] Wormser Libell (24 II 1521) erklärte König Karl V. den Ständen, die beim Vollzug der L. G. O. erscheinenden Mängel reformieren zu wollen. Indessen war es den Ständen um Neuerungen im landgerichtlichen Verfahren gar nicht zu tun; sie begehrten vielmehr des Malefizrechts halber, auch was Bann und Acht betrifft, beim alten Brauch belassen zu werden, worauf Erzherzog Ferdinand ihnen zusicherte, daß es bei der L. G. O. Kaiser Maximilians verbleiben solle. Diejenigen, welche Stock und Galgen oder Landgericht, aber Acht und Bann nicht besäßen, hätten ohne urkundliche Befreiung über das Blut nicht zu richten (Res. 27 VIII 1524).
Eine erwünschte Handhabe zur Stärkung des landesfürstlichen Einflusses lieferte die von den Ausschüssen vorgetragene Bitte, der Erzherzog wolle zur Verringerung der Auslagen für Züchtiger und Blutrichter in Wien und Krems Blutrichter (die später sogenannten Bannrichter), Ankläger, Schrannenschreiber und Züchtiger mit Besoldung unterhalten, die der Landgerichtsinhaber, wie dies in Steiermark üblich sei, gegen eine Taxe erfordern könne (Grav. 24 I 1526). Dem Gravamen wurde durch das Versprechen Rechnung getragen, daß der Hofrat mit dem Züchtiger und anderen zugehörigen Personen eine Ordnung aufrichten werde, wie er dies im Lande Steier getan habe; auch solle in Malefizsachen eine Ordnung vorgenommen werden, zu deren Verfassung auch etliche Landleute zu verordnen seien (Antw. 17 II 1526, wiederholt am Landtag Allerheiligen 1526). Auf eine Erinnerung der Stände an das Erbieten des Königs (Grav. 13 I 1528) bemerkte dieser, ihm sei ein Landgerichtsbüchel (die Artikel des Jahres 1514) vorgetragen worden, in dem irrige und mißverständliche Artikel enthalten seien; er habe deshalb Personen verordnet, um Artikel zu entwerfen, wie es solcher Landgerichtshandlungen wegen allerwärts gehalten werden solle (Antw. 21 III 1528).
Die angekündigte Kommission wurde bei der Regierung zu Wien tatsächlich abgehalten, sie bestand aus zwei Regimentsräten, zwei Beisitzern des Landrechts und zwei Verordneten des Wiener Stadtrats. Die Frucht ihrer Beratung bildete ein Gutachten über die ordnungsmäßige Besetzung der Landgerichte, das in erster Linie die Aufstellung von vier Malefizrichtern empfahl, in zweiter Linie aber anregte, daß die Landgerichte die gefangenen Täter in etliche Städte zur Aburteilung einzuliefern hätten. Mit Bezug auf diesen Ratschlag begehrten die Stände die Ausarbeitung eines Entwurfes durch die Regierung unter Zuziehung ständischer Mitglieder (Grav. 1530). Indessen begnügte sich die Landschaft, als an sie die Aufforderung zur Wahl und Abordnung von sechs Landleuten erging (Res. 15 XII 1534), mit der Bitte, daß an der L. G. O. ohne ihr Wissen und Willen nichts geändert werde; im Punkte der Organisation und Erhaltung des Malefizgerichtes möge der König als Herr und Landesfürst selbst Wandel schaffen, wogegen die Vorbringung allfälliger Beschwerden vorbehalten wurde. (Repl. 18 I 1535.) Der König gab sich mit dieser Antwort, die ihm für seine Reformpläne freie Hand gab, zufrieden (Res. 27 I 1535).
Bei Überprüfung des Kommissionsgutachtens verwarf die Regierung den Vorschlag wegen Bestellung von vier Malefizrichtern und entschied sich einhellig für den anderen Weg, auf dem nichts Geringeres als eine staatliche Revindikation der hohen Gerichtsbarkeit zu winken schien. Die ganze Rechtsprechung in Malefizsachen sollte, entsprechend den Vierteln des Landes, auf vier Stadtgerichte (Wiener-Neustadt, St. Pölten, Krems und Stein, Wien) beschränkt werden. In diese Städte hätten die bisher mit der Blutgerichtsbarkeit ausgestatteten Stadt- und Marktgerichte (denen fortan Bann und Acht nicht mehr zu erteilen wäre), ferner die Landgerichte ihre Gefangenen mit den Indizien einzuliefern, damit die Bürger über diese Recht ergehen lassen.
Auf diesen Grundgedanken beruht der ausgearbeitete Entwurf eines Malefizrechtes in seinem ersten Teile, der die Besetzung und Unterhaltung der Malefizgerichte behandelt. Der zweite Teil dieses beachtenswerten Aktenstückes regelt das [Faksimile] Anklageverfahren, die Verhaftung, das Asylrecht, das Verfahren gegen Flüchtige und den Zeugniszwang; der dritte Teil das Verfahren aus Denunziation und Inquisition sowie die peinliche Frage; der vierte und letzte Teil endlich Urteil, Begnadigung, Appellation, Gerichtskosten, Behandlung des Vermögens von Selbstmördern und des gestohlenen Gutes, Verbrechen und Strafe, Kirchtagsbehütung, Aktenversendung. Die Art. 33-44, 48-52 der C. C. C. sind im Entwurfe wörtlich aufgenommen, auch sonst macht sich der Einfluß des Reichsgesetzes bemerklich. Zu erwähnen wäre, daß die zur Strafrechtspflege berufenen Stadtgerichte in zweifelhaften Fällen den Rat von drei Verordneten einzuholen haben, die namens des Königs in der Weise bestellt werden, daß die Regierung und die Universität je einen Doktor der Rechte, der Stadtrat hingegen ein Mitglied seines Körpers entsendet.
Bei Vorlage des Entwurfes an den König bemerkte die Regierung, daß die meisten Artikel auch den anderen niederösterreichischen Ländern dienlich sein könnten, zumal die eingelangten Ratschläge nur Maß und Ordnung gäben, wie es zwischen den Landleuten und Landgerichten zu halten sei, nicht aber, wie man ordentlich gegen einen Täter verfahren solle. Der König übergab den Entwurf den am Landtag versammelten Ständen zur Abgabe eines Gutachtens, das indessen nicht erstattet wurde.
Der Entwurf, welcher (ebenso wie die beiden abschriftlich vorhandenen Aktenstücke) undatiert ist, fällt in die Zeit, da Ferdinand I. noch römischer König war, somit vor den 24 II 1556. Sollte der Auftrag der niederösterreichischen Regierung an alle Landgerichte zur umgehenden Vorlage eines Verzeichnisses der Gefangenen und ihres Deliktes (10 V 1555) durch die Ausarbeitung des Entwurfes veranlaßt worden sein, dann wäre für die genauere Bestimmung der Abfassungszeit ein sicherer Anhaltspunkt gewonnen.
Eine Anregung des Landeshauptmannes in Kärnten, Christoph Frhrn. v. Tannhausen, die Beratschlagung und Verfassung einer richtigen Landgerichtsordnung einzuleiten, veranlaßte den Erzherzog Maximilian zu einem Befehle an die Regierung und Kammer, in jedem der niederösterreichischen Länder, sofern hiegegen kein Bedenken obwalte, eine solche Beratung mit Zugrundelegung des für Österreich unter der Enns ausgearbeiteten Regierungsentwurfes zu pflegen (20 V 1562). Auch dieser Auftrag scheint erfolglos geblieben zu sein.
Die Anzeige der niederösterreichischen Regierung, daß wegen Begnadigung von Todschlägern sowie der Todschlagssühne, dann wegen der Indizien zur Auslieferung des Beschuldigten an das Landgericht öfters Irrungen entständen (14 IX 1539), führte nach dem Gutachten des Hofrates (8 X 1539) zu einer ohne Befragen der Stände erlassenen Deklaration (14 X 1539), die sodann in der reformierten Landgerichtsordnung vom 12 I 1540, einer Republikation der Artikel vom J. 1514, Aufnahme fand.
Sofort nach dem Tode Kaiser Ferdinands I. wurden die seit langen Jahren abgebrochenen Landtagsverhandlungen wegen Errichtung einer Landesordnung wieder aufgenommen, kamen aber zunächst über die Frage der Konstituierung des aus ständischen Deputierten und kaiserlichen Kommissarien zu bildenden Ausschusses nicht hinaus, bis endlich (zirka Mitte 1571) der Landmarschall Hans Wilhelm Freiherr v. Roggendorf mit kaiserlicher Genehmigung den niederösterreichischen Regimentsrat Dr. Wolfgang Püdler (geb. Wien, studierte 1549 zu Padua, 1553 Professor des kanonischen Rechtes, wiederholt Dekan und Rektor, übte neben dem Lehramte die Advokatur aus, 1567 niederösterreichischer Regimentsrat, 1588 Hofkammerrat, † 7 III 1595) zur Abfassung eines Entwurfes veranlaßte, den er am 19 XII 1573 dem Landmarschall mit ausführlichem Berichte vorlegte. Das als "Landtaffel oder landsordnung des hochlöblichen erzherzogbhumbs Österreich under der Ennß 1573" bezeichnete Elaborat handelt in vier Büchern vom gerichtlichen Prozesse, den Kontrakten, dem Erbrechte und von allerlei Sachen, welche auf dem Lande am meisten gewöhnlich und bräuchig, auch etlichen davon herrührenden strafmäßigen Handlungen". Die zu jener Zeit in Verhandlung gestandene Landgerichtsordnung sollte nach dem Vorschlage Püdlers seinem Werke als 5. Buch angegliedert werden. Das Buch vom gerichtlichen Verfahren nahm die Bestimmungen der Landrechtsordnung 1557 nicht auf, sondern wollte sie nur ergänzen; die besonderen Rechte und Freiheiten der Stände wurden dem Verfasser nicht mitgeteilt, blieben daher unberücksichtigt; das Lehenrecht erbot sich Püdler auf Verlangen noch zu bearbeiten.
Die Erkenntnis, daß das Gewohnheitsrecht aus der Rechtsüberzeugung des Volkes seine verbindende Kraft ableite, ist dem Verfasser so vollständig abhanden gekommen, daß er die fortdauernde Geltung des Landsbrauches entweder durch ausdrückliche Konfirmation des Landesfürsten oder durch Immemorialpräskription (daher der oft gebrauchte Ausdruck "überuralter Landsbrauch") stützen zu müssen glaubte. Diese Anschauungsweise entsprach der Idee des Hofbibliothekars Hugo Blotius, im Vereine mit Püdler das ius consuetudinarium Austriacum durch Vergleichung der in den italienischen Munizipien und mehreren deutschen Städten geltenden Rechte zu ergänzen (Schreiben vom 23 I 1576, Kink, Rechtslehre, S. 41f.).
Die vier Bücher der Landesordnung bergen nach Versicherung ihres Autors die vornehmsten Traktate aller Juristerei und sind nichts anderes als ein gewünschter Summarbegriff des ganzen kaiserlichen Rechtes und der hierländischen Landsbräuche. Nicht nach Gutbedünken oder "auf einen gefaßten Wahn" habe er das Werk gestellt, sondern aus den geschriebenen weltlichen und geistlichen Rechten, derselben Glossen, Skribenten, Konsulenten, Dezidenten, Traktaten und Repertorien (zirka 60 Bücher) gezogen, daneben etliche deutsche Bücher, Landesordnungen, Gerichtsordnungen und Statuten, ferner das [Faksimile] Generalienbuch bei der niederösterreichischen Kanzlei und das Konsuetudinarium bei der niederösterreichischen Regierung, endlich die Kirchbergerschen oder Waltherschen Traktate gebraucht. Als getreuer Schüler der Universität zu Padua stand der gelehrte Verfasser ganz unter dem Einflusse der italienischen Rechtslehre und ihrer wenig erfreulichen analytischen Methode (mos Italicus): nachdem er für jeden Titel durch Überlesung der einschlägigen Literatur die "Invention" bekommen hatte, stellte er die Materie "in etliche Fragstuckh und Circumstanz" und verzeichnete daneben die Allegationen. Der dem Elaborate anhaftende doktrinäre Charakter, die pedantische Schwerfälligkeit der Diktion und die breite erklügelte Kasuistik ließen das fleißige Werk nach dem Urteile der Stände zwar als gute Vorarbeit erscheinen, machten aber dessen Überarbeitung erforderlich.
Auf Begehren der Stände arbeitete Püdler auch den Lehntraktat in 206 Titeln aus, den er 1577 vorlegte. Noch im nämlichen Jahre überreichte er auch die Allegationen zu diesem Traktate, denen ein Verzeichnis von 32 "Authores und Skribenten, so zu diesem Buche gebraucht wurden" folgt; die deutschrechtliche Literatur ist durch Göden, Gobler, Perneder, Schürff und Zasius vertreten. Der Lehentraktat galt bis zur Durchführung der Allodialisierung im Lande unter der Enns als Erkenntnisquelle des Gewohnheitsrechtes und wurde, lediglich durch neuere Lehengesetze vermehrt, von J. J. Woller als eigene Arbeit der Kaiserin Maria Theresia gewidmet (gedruckt 1779 und 1795).
Über die Landtafel erstatteten der Landmarschall und seine "Mitgeordneten" 1576 ihre Bedenken dem L. T der einen Ausschuß zur Abhörung des Gutachtens erwählte, 1577 aber die Beratung dem landmarschallischen Gerichte neben Reichart Strein, Dr. Püdler und einem beizuordnenden Regimentsrate übertrug. Überhäufung der Funktionäre mit Amtsgeschäften hinderten ihre Tätigkeit, wogegen Püdler 1581 einen abgekürzten Entwurf übergab.
Infolge einer energischen Anmahnung des Kaisers hatten die Stände 1583 einem neu gewählten Ausschusse die Vollmacht erteilt, "auf kais. Ratifikation zu schließen". Die Mitglieder des Kollegiums beschäftigte vor allem die bei Lösung des Organisationsproblems der J. 1510 und 1514 noch nicht geregelte Kompetenz der Niedergerichte. Im Mittelpunkte des Interessenkreises stand nunmehr die Frage, ob und welche obrigkeitlichen Befugnisse den Grund-, Vogt- und Dorfherrn, den Städten und Märkten zustünden. Wie der um 1584 entstandene Bericht über die Jurisdiktionen (in gänzlich verstümmeltem Drucke bei Suttinger Obs. Austr. 1718, S. 1033 ff.) zeigt, ward nicht mehr, wie in den Tagen Kaiser Maximilians I., der sichere Weg einer gütlichen Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten betreten; juristische Polemik vermochte den schwierigen Fragenkomplex nicht zu bewältigen.
Mit der Reduktion des Püdlerschen Elaborates betrauten die Ausschüsse den Regimentsrat Dr. Melchior Hofmayr (Österreicher, der 1551 als mag. phil. zu Padua die Rechte studierte, 1555 Professor der Rechte zu Wien, wiederholt Prokurator der österreichischen Nation und Rektor, daneben die Advokatur betreibend, zirka 1567 niederösterreichischer Kammerprokurator, 1576 niederösterreichischer Regimentsrat, 1584 Reichshofrat und in den Reichsritterstand erhoben, († 1586), der an der Vollendung seiner Arbeit durch schwere Krankheit, die seinen Tod herbeiführte, gehindert war.
Dem erhaltenen Aufsatze zufolge sollte unter dem Titel "Landtafel des Erzherzogtums Österreich unter der Enns" in drei Teilen von den Personen, von allerlei Kontrakten und anderen Handlungen, endlich von den Aktionen oder Klagen gehandelt werden. Vom ersten Teile sind 6 kurze Bücher (von der Obrigkeit, der Grund-, Vogt-, Markt- und dorfgerichtlichen Obrigkeit, endlich den Vormundschaften) vorhanden, welche die steirische Landrechtsreformation 1574 und den Bericht über die Jurisdiktionen benutzen. Der zweite Teil weist nur drei Titel des ersten Buches aus (vom Kaufe; Einstandsrechte und Scherm; Bestandrechte) und stellt sich als Rezension der Püdlerschen Arbeit dar.
Die Umgestaltung der Landesordnung 1573 zu "einer kurzen Landvest, der bayrischen, tirolischen oder steirischen gleich" gelangte nunmehr in die Hände des Reichart Strein Freiherrn v.Schwarzenau und Hertenstein (geb.1537), der bereits 1565 der Beratungskommission angehörte und die Fragmente Hormayrs mit seinen Notizen versah. Zu Bologna und Straßburg hatte Strein die Bildungselemente der italienischen und französischen Rechtsschule in sich aufgenommen und im vertrauten Verkehr mit seinem Lehrer und nachmaligen Freunde Hotomanus die Empfänglichkeit für antiquarische Studien erworben, die das öffentliche Wirken des großen Staatsmannes, Juristen und Historiographen kennzeichnet. Als geheimer Rat der Kaiser Maximilian II. und Rudolf II. sowie des Erzherzogs Matthias stand er bei Hof in hohem Ansehen und wurde wiederholt mit wichtigen diplomatischen Sendungen betraut; 1571-1581 fungierte er als Präsident der Hofkammer und starb 8 XI 1600. Vermöge seiner überragenden Begabung wußte er den Bestrebungen des protestantischen Adels im Lande, zumal des von ihm geführten Herrenstandes, in ebenso wirksamer als besonnener Weise Ausdruck zu verleihen.
Mit seinem Namen ist die Landhandfeste des Erzherzogtums Österreich unter der Enns verknüpft, deren Abfassung Strein auf Begehren der Stände zugesagt hatte (Strein an Stände 11 II 1588). Gelang es, für die an Kühnheit der Konzeption und Reichhaltigkeit des Inhaltes die Parallelarbeiten der innerösterreichischen Länder überragende Sammlung ständischer Freiheiten die landesfürstliche Konfirmation zu erwirken, dann konnte die langersehnte "Landtafel" in der Tat zur Wahrheit werden. Die Zeitverhältnisse, unter denen das Werk in Angriff genommen ward, schienen erfolgverheißend; [Faksimile] waren doch die Steirer 1593 am Ziele ihrer Wünsche angelangt. Mit dem noch vor Fertigstellung der Reinschrift eingetretenen Tode Streins mußte die Hoffnung auf Erlangung der kaiserlichen Bestätigung für die Landhandfeste schwinden; sie wurde vernichtet durch die Aufnahme, welche die, wesentlich aus der Landhandfeste und den Erläuterungen Streins geschöpfte große Gravaminaschrift der vier Stände unter und ob der Enns vom 11 II 1613 in ihren politischen Beschwerdepunkten gefunden hatte (Resol. 8 III 1613).
Die Landhandfeste hätte in sechs Bücher zerfallen sollen; über die den Büchern einzuverleibenden Urkunden geben verschiedene Verzeichnisse Aufschluß. Das erste Buch behandelt die Privilegien, welche die Stände angehen, aber teils beim Landesfürsten, teils in anderen Händen sich befinden, und enthält nebst einer vorangeschickten Abhandlung von den Freiheiten vornehmlich die Hausprivilegien, aber auch die Georgenberger Handfeste der Steirer, die sich im Besitze Streins befand Die Vorrede sowie die den Urkunden beigegebenen Erläuterungen zeigen, daß Strein von dem Streben erfüllt war, längst antiquierten Urkunden Seiten abzugewinnen, die das Ansehen und den Einfluß der Stände zu heben vermochten. Das zweite Buch umfaßt die im Besitze der Landschaft befindlichen Originalprivilegien, das dritte der "Stände Spezialsachen" und Resolutionen "so vim privilegii auf sich haben", das vierte die Schadlosbriefe; das fünfte handelt von der Erbhuldigung, das sechste betrifft Urkunden, die keine ständischen Freiheiten enthalten.
Strein beabsichtigte, ein Manuskript für den Handgebrauch im ständischen Archiv, ein zweites für die Druckausgabe und ein im Schriftcharakter der Originale auf Pergament herzustellendes Exemplar der Privilegienabschriften zur Erwirkung der kaiserlichen Bestätigung herstellen zu lassen. Die Besiegelung des konfirmierten Libells wäre seiner Meinung nach mittels bloßen Wachses zu erbitten gewesen, da die Erfahrung mit dem österreichischen Landrechte lehre, daß goldene Bullen der Gefahr des Verlustes und zwar nicht nur des Siegels, sondern auch der Urkunde selbst ausgesetzt seien.
Die Landhandfeste ist nur in den beiden ersten Büchern fertiggestellt worden. In diesem Zustande präsentiert sich nicht nur die noch zu Lebzeiten Streins 1598 hergestellte Handschrift, sondern auch das 1603 von seinem Sekretär Philipp Renner den Ständen überreichte Exemplar, das nur durch die Aufnahme weniger Urkunden vermehrt erscheint.
Auf Anregung einer 1611 zur Visitation des ständischen Archivs eingesetzten Kommission wurde bei der Landschaft ein Privilegienbuch angelegt, das jedoch bereits 1634 in Verlust geraten war. Zu einer Drucklegung der unterennsischen Landhandfeste ist es niemals gekommen.
Bedauerlicherweise sollte auch die unter der Prinzipaldirektion Streins revidierte Landtafel vom gleichen Geschicke betroffen werden. Nach dem Anlageplane wäre dieselbe in drei Teile zerfallen, von denen der erste der Landesordnung, der zweite dem Landrechte, der dritte dem Prozesse 2. Instanz zugedacht worden ist. Die Zusammenordnung und Revision des ersten Buches sollte bei der Regierung und Kammer, die Verfassung des dritten Teiles bei der Regierung erfolgen. Das Landrechtsbuch wurde in sechs Bücher gegliedert (1. von den Gerichtspersonen und dem Zivilprozesse, 2. von Kontrakten, 3. vom testamentarischen, 4. vom Intestaterbrechte, 5. den jura incorporalia und dem Lehnrechte, 6. dem materiellen und formellen Strafrechte). Da das letzte Buch einer gesonderten Beratung unterlag, bildete die Redaktion der übrigen Bücher den Gegenstand der unter den Auspizien Streins zustande gekommenen Kompilation.
Die Ausarbeitung des Werkes ist das Verdienst des Dr. Johann Bapt. Linsmayr zu Weinzierl (studierte 1564 zu Padua, um 1565 zu Pavia, wurde Professor der Pandekten in Wien, Rat des Kaisers und Erzherzogs Ferdinand, Landrechtsbeisitzer, dann Hofkammerrat, 1580 in die Landschaft aufgenommen, 1608 Freiherr mit dem Prädikate "von Greiffenberg", † 1609), der von den Ständen 30 I 1587 zur Fertigstellung der Landesordnung in Unterordnung unter Strein berufen ward, obwohl die Ritterschaft (Dezember 1586) seiner Zuziehung mit der Begründung entgegengetreten war, daß die Rechtsgelehrten zu diesem Werke wenig Lust hätten und durch sie schwerlich eine Förderung zu erhoffen sei.
Nachdem Strein anfangs 1590 das erste Buch des von Linsmayr bearbeiteten Landrechtes den Ständen vorgelegt hatte, denen sich später seine eigenen "Additiones und Bedenken" zu eben diesem Buche gesellten, konnte er (Anfang 1595) bei Vorlage des fünften Buches ausrufen, daß das Werk, welches vor 100 Jahren unter Maximilian I. durch die Voreltern angebracht und gesucht ward, nunmehr bis auf den Entschluß der Stände und des Kaisers vollendet sei. Gegenüber dem Operate Püdlers zeichnet sich die Strein-Linsmayrsche Reduktion durch kürzere Fassung, präzisere Formulierung der Rechtsnormen und eine gewählte Diktion vorteilhaft aus.
Die an die Fertigstellung des Entwurfes geknüpfte Hoffnung sollte sich indessen nicht erfüllen. Schon bei Empfang des ersten Buches wurde von den Ständen aus die Schwierigkeiten einer Beratung des Elaborates durch Landmarschall und Beisitzer hingewiesen; hatte doch eine dreijährige Periode, in der nur selten Landsrechte abgehalten wurden, einen Rückstand von 200 geschlossenen Prozessen angehäuft. Man schritt zur Wahl von Ausschüssen; indessen Hindernisse der verschiedensten Art vereitelten immer wieder deren Zusammentritt, bis endlich den schaffensfreudigen Mann, der die Seele des Unternehmens gewesen ist, im Jahr 1600 der Tod ereilte. In Linsmayrs Verwahrung ruhte nunmehr unbenutzt der Entwurf; obgleich der Kaiser wiederholt auf die Beratung mit dem Hinweise drang, daß schier in nichts ein beständiger Landsbrauch sei und die Prozesse unsterblich werden (Prop. 1601, 1609).
Zu Ausgang des Jahres 1611 raffte sich endlich die Landschaft ernstlich zu Schritten auf, die das [Faksimile] Werk in Fluß bringen sollten. Im folgenden Jahre hatten die vornehmsten 25 Punkte ihre Erledigung gefunden, als am 21 IX 1612 ein Dekret der geheimen und deputierten Räte im kaiserlichen Auftrage alle weiteren Zusammenkünfte der ständischen Ausschüsse untersagte. Angesichts der hochgehenden Wogen der politisch-religiösen Bewegung blieben sämtliche Vorstellungen gegen die getroffene Maßnahme erfolglos. Im November 1615 wurden die Beratungen wieder aufgenommen und ihr Ergebnis in den vom Syndikus der Landschaft Dr. Christoph Häfner konzipierten Additiones et notae (zum zweiten bis vierten Buche des Entwurfes) zusammengefaßt. Schon hatte die französische Methode der Rechtswissenschaft ihren Einfluß geübt: man fand vor allem den Mangel an Definitionen und die stoffliche Gliederung zu tadeln. Die Begriffsbestimmungen der oberennsischen Landtafel wurden vielfach übernommen, für das Buch von den Kontrakten aber ein wunderliches Schema aufgestellt, das, von den Kompilatoren des 17. Jahrhunderts der Überarbeitung zu Grunde gelegt worden ist.
Die Textesrevision auf Grund der gefaßten Beschlüsse wurde dem Hofkammerrate Christoph Frhrn. v. Leysser übertragen (23 VI 1624), der jedoch nach seinem eigenen Geständnisse die Sache auf sich beruhen ließ. Auch ein 1630 gewählter Ausschuß kam über einige Beratungen nicht hinaus, obgleich die unausgesetzten Mahnungen des Kaisers noch bis zum J. 1637 währten.
Kurz nach dem Regierungsantritte Kaiser Maximilians II. erfolgte ein entscheidender Schritt zur staatlichen Überwachung der Strafrechtspflege, indem allen Landgerichten befohlen ward, mit der Exekution von Erkenntnissen gegen Malefizpersonen innezuhalten, bis über die Akten ein Bescheid der Regierung erlassen sei. Dieses Mandat wurde bald auf die minderen todeswürdigen Verbrechen und auf solche Delikte eingeschränkt, die eine Landesverweisung zur Folge hätten (Gen. 12 XI 1567). Hiebei ist es ungeachtet der ständischen Beschwerden (Grav. 7 IV 1568) verblieben (Res. 26 IV 1568 und 19 III 1582, Befehl an das Wiener Stadtgericht 26 III 1582).
Mittlerweile wurde den Ständen der unter Ferdinand I. ausgearbeitete Entwurf eines Malefizrechtes neuerlich zur Beratung zugestellt (kaiserliches Dekret 15 I 1565); aber weder die zunächst zur Berichterstattung aufgeforderten Landleute noch die zur Aufrichtung der Landtafel Verordneten, denen der Entwurf 1568 zur Begutachtung überwiesen ward, sind ihrer Aufgabe nachgekommen. Die arge Verschleppung der Sache veranlaßte den Kaiser zu dem Auftrage an die Regierung und Kammer, nunmehr ohne weitere Rücksicht auf einen künftigen Landtag im Einvernehmen mit dem Landmarschall eine Anzahl tauglicher Personen aus sämtlichen Ständen und Landesvierteln zu bestellen, die auf der Grundlage des Regierungsentwurfes eine Landgerichtsordnung beraten, das Elaborat der Regierung und Kammer zum Übersehen vorlegen sollten, worauf die Ratifikation einzuholen sei (Regierung und Kammer an Verordnete 14 VII 1572). Die Deputierten, denen seitens der Ausschüsse empfohlen ward, sich nur auf Hintersichbringen und weiteren Beschluß der Stände in die Beratung einzulassen, beteiligten sich zwar an der Abfassung des bereits am 14 I 1573 vorgelegenen Entwurfes einer neu revidierten Landgerichts- und Malefizordnung, legten aber Verwahrung ein, daß das Elaborat von den Ständen nicht beschlossen, sondern lediglich im Auftrage des Kaisers verfaßt worden sei.
Der Gedanke, die Strafgerichtsbarkeit auf vier Stadtgerichte zu konzentrieren, wurde von ihnen verworfen, weil die Landgerichtsherren sich diese Beschränkung ihrer Freiheiten nicht gefallen lassen würden, zumal einige Landgerichte von ausländischen Fürsten und inländischen Ständen lehensrührig seien, auch die vier Städte die Bürde des Malefizrechtes nur ungern auf sich nehmen würden.
Auch ein Bannrichter (der früher sogenannte Blut- oder Malefizrichter) sei der Unkosten halber nicht zu bestellen, vielmehr den Inhabern und Verwaltern der Landgerichte die Befugnis zu erteilen, tauglichen Personen Bann und Acht zu verleihen. In diesem Sinne wurden mehrere Artikel über die Organisation und Unterhaltung der Landgerichte neu bearbeitet, während im übrigen der Regierungsentwurf nur Verbesserungen im einzelnen erfuhr. Das Institut der Aktenversendung wurde ganz fallen gelassen. Es begreift sich, daß der Kaiser gegen das neue Operat "in etlichen Artikeln Bedenken trug"; war doch das Prinzip der Verstaatlichung der Strafrechtspflege in sein gerades Gegenteil verkehrt worden. Nach einer im Auftrage des Kaisers (6 V 1573) beim Hofrate gepflogenen kommissionellen Beratung wurde das Konzept der revidierten neuen Landgerichtsordnung an den Landmarschall geschickt, damit es von den im letzten Landtag erwählten Ausschüssen übersehen und sodann zur Publikation vorgelegt werde (Hfd. 22 XII 1573). Dieser Auftrag blieb indessen unbefolgt. Als die Anmahnungen des Kaisers auf allen Landtag nichts fruchteten, schritt die Regierung zur Errichtung des von den Ständen bereits 1526 erbetenen Bannrichteramtes. Die Instruktion für den kaiserlichen Bannrichter schreibt vor, daß das Urteil in Malefizsachen von dem "rechten" (d. i. dem vom Landgericht) niedergesetzten Richter und den Beisitzern geschöpft und durch den Bannschreiber schriftlich abgefaßt, daß sodann nach Vorführung des Täters der Stab vom sitzenden "rechten" Richter dem ihm gegenüber stehenden Bannrichter übergeben werden solle, woraus die öffentliche Verlesung des Urteils durch den Bannschreiber und die Stabbrechung seitens des Bannrichters (dem eine weitere Einflußnahme in Malefizsachen nicht zukommt) zu erfolgen habe (Reg. Instr. für Wolf Lampelsdorfer 24 XII 1577).
Mit dieser, mehr der Wahrung des Prinzips als einer gedeihlichen Reform des Strafverfahrens dienenden Neuerung war ein praktischer Erfolg kaum zu erzielen. Der Kaiser klagte, daß in peinlichen und Malefiz-Sachen sich kein gewisser Gebrauch erhalten habe, außer was bisher teils durch Kaiser [Faksimile] Karls V. Halsgerichtsordnung, teils nach dem gemeinen geschriebenen Rechte gerichtet worden ist, dessen aber zumal am Lande der gemeine und unverständige Bauersmann unerfahren sei (Prop. 21 II 1578). Drei Beratungen im Juni 1579 führten die Ablesung der ersten 27 Artikel des Entwurfes herbei; eine wirkliche Förderung erfuhr die Angelegenheit erst durch die (zirka anfangs 1582 ausgearbeiteten) Bedenken des Prälaten- und Ritterstandes, in denen die Rechte der Grundherren, aber auch die Interessen der Untertanen eine gewandte und maßvolle Vertretung fanden. Bei den im Mai 1582 gepflogenen Beratungen wurden die Abänderungsvorschläge der beiden Stände in ausgiebigem Maße berücksichtigt und führen die einschneidendsten Reformen des revidierten Entwurfes auf jene Anregungen zurück. An dem Beschlusse, den Bannrichter abzutun, hielten die Ausschüsse fest. Bei Abhörung des Entwurfes durch die Stände ergaben sich noch Meinungsverschiedenheiten, welche die Vorlage des Operates an die Regierung bis zum J. 1586 verzögerten. Der wichtige Erfolg der ständischen Tätigkeit bestand in einer kaiserlichen Resolution, derzufolge die Landgerichtsobrigkeiten des kaiserlichen Bannrichters überhoben und auf Widerruf mit der Verleihung von Bann und Acht begnadet wurden. (Erzherzogliches Dekret 16 I 1590 bei Suttinger Obs. Austr. S. 302).
Die Überprüfung des Entwurfes durch die landesfürstliche Behörden führte durch mehr als 30 Jahre zu keinem Ziele, obgleich nunmehr der Landschaft die Rolle des Drängers zufiel. Erst am 25 II 1617 (l. c. S. 313) trug ein kaiserliches Dekret der Regierung auf, die Landgerichtsordnung zu publizieren, falls von Seiten der Stände nichts einkäme. Die Regierung legte aber dem erhaltenen Auftrag zuwider, den in Form eines Generalmandates ausgefertigten Entwurf den geheimen und deputierten Räten zum Ersehen vor (12 VIII 1617), die hinwiderum das Operat den Verordneten behändigten (1 XII 1617). Bis zum J. 1637 ziehen sich die Betreibungen wegen Beratung des Entwurfes (durch benannte Landleute, sodann durch erwählte Ausschüsse) hin, bis endlich auch diese Lebenszeichen verschwinden.
Wurde somit die Herstellung eines geordneten Strafverfahrens nicht erreicht, so hatten doch die beiden oberen Stände noch eine wichtige Errungenschaft zu verzeichnen. Die bereits in den Jahren 1575 und 1576 vergeblich vorgebrachten Beschwerden, daß dem Wiener Stadtgerichte zugelassen sei, über Adelige in Kriminalsachen zu judizieren, wurden mit besserem Erfolg in der Gravaminaschrift vom 11 II 1613 vertreten, die darauf hinweisen konnte, daß in Steiermark und Kärnten auch die Landesmitglieder in Straffällen zu urteilen hätten. Der Kaiser bewilligte, daß die Stände sich einer Ordnung vergleichen mögen, wie ein solcher adeliger Kriminalprozeß anzustellen sei, worauf seine Entschließung folgen werde. Das ständische Gericht wurde in der Weise organisiert, daß der Landmarschall und in dessen Vertretung der Untermarschall zum ordentlichen Richter erklärt, die Urteilsbank dagegen durch Beisitzer des Landrechts und von den beiden politischen Ständen in gleicher Zahl gewählten Landleuten besetzt wurde. Die Wirkung einer Verurteilung durch das neu geschaffene Sondergericht bestand darin, daß der Verurteilte aus der Zahl der Stände ausgeschlossen und der Regierung zur Auslieferung an das Wiener Stadtgericht überantwortet wurde. Der bereits von Kaiser Ferdinand II. resolvierte Entwurf eines adeligen Kriminalprivilegs ist erst unter Kaiser Ferdinand III. am 3 XII 1637 mit veränderter Eingangsformel zur urkundlichen Ausfertigung gelangt.
Die durch Kaiser Maximilian I. und Ferdinand I. gewährte Befreiung von der Supplikation bezog sich auf die Anfechtung der Urteile des Landrechts, nicht aber auf die Rechtsmittel gegen die von der Regierung in 1. Instanz gefällten Urteile. Unter Ferdinand I. hatten sich die Supplikationen um Revision noch in bescheidenen Grenzen gehalten; auch während der Regierungszeit Kaiser Maximilians II. dürfte ihre Zahl nicht übermäßig angewachsen sein. Erst 1586 baten die Stände, daß die Revisionen in Parteisachen nicht so gemein würden, wie dies eine Zeit her der Fall war, worauf der Kaiser zusicherte, ohne erhebliche Ursachen keine Revisionen annehmen zu wollen. Dieses Versprechen vermochte natürlich dem weiteren Überhandnehmen der Supplikationen bei dem in Prag residierenden Reichshofrat keinen Einhalt zu tun. Der Kaiser beklagte sich bei Erzherzog Ernst, daß in Österreich unter und ob der Enns die Revision von männiglich ohne Unterschied, wohl auch etliche Jahre nach publiziertem Abschied und ergangener Exekution erbeten werde, und ersuchte seinen Bruder um die Einholung eines Gutachtens der Regierung, "in welcher Summe und Zeit die (bisher unbeschränkt zulässige) petitio revisionum zu geschehen hätte" (Reskript 1 V 1591). Die Regierung und Kammer verlangte eine Äußerung des landmarschallischen Gerichts (11 IX 1592), das aber auf vertraulichen Rat der Verordneten die Begutachtung verzögerte und die Erledigung der Angelegenheit dem zur Beratung der Landtafel eingesetzten Ausschusse überließ (Bericht des Landober- und Untermarschalles 25 III 1595). Wiederholte Anmahnungen (noch 14 XII 1602) blieben fruchtlos. Das hinhaltende Benehmen der ständischen Organe erklärt sich aus dem bereits 1593 offen hervorgetretenen Bestreben der Landschaft, auf die Besetzung des Hofrates Einfluß zu gewinnen.
Während des Dreißigjährigen Krieges war eine völlige Zerrüttung des Institutes der Revision eingetreten, zu deren Herbeiführung die Zulassung von Superrevisionen (die mitunter fünf Entscheidungen in einer Sache hervorrief) nicht wenig beigetragen hatte. Als der Kaiser (wohl noch Ferdinand II., nach 3 VI 1636) eine Kommission, bestehend aus dem Vizestatthalter Georg Freiherrn v. Teüfel, drei Regimentsräten, dem Landuntermarschall und Landschreiber mit der Beratschlagung beauftragte, "welchergestalt zu schleuniger Administrierung der Justiz die gerichtlichen Verordnungen, Prozesse und Exekutionen, wie in anderen Erbkönigreichen und Landen löblich geschehen, zu reformieren und mit Abschneidung aller [Faksimile] bisher verspürten Weiterungen und Verzüglichkeiten in eine förderliche, kurze und gute, beständige Ordnung zu bringen sein möchten", arbeiteten die berufenen Räte zunächst eine Revisionsordnung für Österreich unter und ob der Enns aus, die sich enge an die einschlägigen Bestimmungen der verneuerten Landesordnung für Böhmen vom 10 V 1627 (F. LXXVI ff.) anschließt. Ohne Befragung der Stände wurde nach erteilter Ratifikation die Revisionsordnung 26 VI 1637 ausgefertigt, in Druck gelegt, sodann von der Regierung kundgemacht.
Die Stände holten über das neue Gesetz das Gutachten ihres Syndikus Dr. Lorenz Beütler ein (Auftrag 4 II, Gutachten 8 II 1638) und trugen ihre Bedenken gegen etliche Punkte dem Kaiser vor (17 VI 1638), dessen Entschließung dahin erging, daß zur ferneren Beratschlagung zwischen den verordneten Räten und Kommissarien einerseits und den ständischen Deputierten andererseits noch vor der Publikation (die somit zurückgenommen wurde) eine Konferenz abgehalten werden solle (Res. 10 VII 1638). Die Beratungen wurden unter dem Vorsitze des Vizestatthalters begonnen, jedoch ungeachtet mehrfacher Anmahnungen (noch 11 VII 1646) nicht zu Ende geführt.
Die Praxis der (durch die Landrechtsordnung 1557 geregelten) Zwangsvollstreckung hatte den Ständen in zweifacher Richtung Anlaß zu Beschwerden geboten. Schon 1556 klagte die Landschaft über die Einstellung der Exekution nach Erhebung der Revision. Wenn trotz wiederholter Versicherungen der Landesfürsten, daß eine solche Verfügung ohne bewegliche und genügsame Ursachen nicht getroffen werden solle (Res. 1564, 1586), die Verordneten dem Landrechte vertraulich einrieten, den Kaiser zu bitten, daß jenen Entschließungen auch nachgelebt werde (18 XI 1592), so war eine derartige Vorsicht keineswegs überflüssig. Fand doch die Revisionsinstanz, daß die Einstellung der Exekution billigerweise schon dann auszusprechen sei, wenn von den Parteien die Nichtigkeit des Prozesses auch nur behauptet werde (Bericht der Regierung 14 II 1615 bei Suttinger Cons. Austr. S. 721).
Den anderen Beschwerdepunkt in Exekutionssachen bildete das Verlangen, daß in lauteren, liquiden Schuldsachen ohne Zulassung von Einreden sofort mit der Exekution vorgegangen werde (Grav. 1568). Auch der Kaiser erachtete als billig und landsbräuchig, daß jederzeit auf lautere Schuldbriefe mit Abschneidung der mutwilligen Weigerungen und Exzeptionen die Exekution erfolge (Res. September 1568) und zeichnete auf neuerliches Einschreiten der Landschaft die Grundzüge einer Ordnung des Exekutivverfahrens vor, die er zu einem steten Gebrauch zu setzen beabsichtigte (Res. 18 II 1573). Das oftmals wiederholte und (am 30 IX 1574) auch in Österreich ob der Enns auf Begehren der dortigen Stände publizierte Generale 4 IV 1573 (Cod. Austr. II S. 117) hat die in der Resolution niedergelegten Gedanken zur Durchführung gebracht.
Auf Anlangen der Landschaft um Erläuterung dreier das Exekutionsverfahren betreffenden Punkte (Grav. Schrift 11 II 1613) willigte der Kaiser in die begehrten Artikel mit dem Beifügen, daß nicht nur diese Verbesserungen, sondern auch das Generale 4 IV 1573 in die Gerichtsordnung (eine in Aussicht genommene Neuauflage der Landrechtsordnung 1557) Aufnahme finden solle (Antw. 8 III 1613, Res. 27 I 1614). Die auftragsgemäß korrigierte Gerichtsordnung wurde von der Regierung gleichzeitig mit der neu eingerichteten Landgerichtsordnung den geheimen und deputierten Räten vorgelegt (12 VIII 1617), die das Operat den Ständen zuwiesen. Über die Tätigkeit des im Landtag 1617 zur Beratung der Justizpunkte eingesetzten Ausschusses ist nur bekannt, daß der Landschreiber Johann Landau ersucht wurde, ein von ihm verfaßtes Gutachten, wie die Gerichtsordnung in etlichen Punkten zu korrigieren sei, zur Verfügung zu stellen (Ständisches Schreiben 29 II 1624). Die "Bedenken" des Landschreibers (von späterer Hand dem Landmarschall Johann Franz Grafen Trautsohn zugeschrieben) betrafen nur wenige, minder belangreiche Punkte.
Daß übrigens zu jener Zeit der Gedanke an eine Reform des Streitverfahrens auftauchte, scheint aus einem Auftrage an die Wiener Universität hervorzugehen, über die Mängel des Gerichtswesens unter Abgabe eines Gutachtens zu berichten (Dezember 1631). Das von Dr. Jakob Scholz unterfertigte Kommissionsgutachten schildert die eingerissenen Mißstände in grellen Farben und beklagt namentlich, daß der Lauf der Exekution häufig durch Generalkommissionen vom Hofe gehemmt werde (Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität Wien I, S. 389, Anm. 513, Derselbe, Die Rechtslehre an der Wiener Universität, S. 43).
Die unter Kaiser Ferdinand II. zur Ausarbeitung von Prozeßgesetzen berufenen Räte entwarfen auch eine Exekutionsordnung für Österreich unter der Enns, speziell für die niederösterreichischen Regierung und das landmarschallische Gericht.
Im Zuge der Beratung erging eine Mitteilung der Hofkanzlei an die Verordneten, daß die Kommissarien zur Verhütung von Landesgravamina nötig befunden hätten, die Verordneten zu vernehmen, zumal auch unterschiedliche Sachen einkommen könnten, worüber sie wegen der Privilegien des Landes billig zu hören seien. Hieran ist der Auftrag geknüpft, auf jeweiliges Begehren zur Konferenz zu erscheinen, mündliche und schriftliche Auskünfte zu erteilen und die bezüglich der Landtafel und der Polizeiordnung vorhandenen Elaborate alsbald vorzulegen (Dekret 7 VIII 1637). Das erlassene Dekret ist für seine Zeit in mehrfachen Belängen charakteristisch. Der gesunkene Einfluß der Stände macht sich insofern bemerkbar, als an Stelle der Landschaft nurmehr deren ständiges Vertretungsorgan herangezogen werden soll und daß nicht mehr von einer Mitwirkung der Landschaft an der Gesetzgebung, sondern von bloßen Informationserteilungen, von einer Anhörung über die Landesfreiheiten die Rede ist. Das jus legis ferendi des Landesfürsten wird in einer [Faksimile] nicht mißzuverstehenden Weise hervorgekehrt; es ist der Geist der verneuerten Landesordnung für Böhmen und Mähren, der das bemerkenswerte Aktenstück durchweht.
Die Exekutionsordnung hat zweifellos die kaiserliche Sanktion erlangt, denn das in korrigierter Kanzleiausfertigung vorliegende Exemplar trägt das Datum des 6 II 1638 und den Subskriptionsvermerk der Hofkanzlei (Ad mandatum sac. caes. majestatis proprium), wenngleich die Unterschriften fehlen.
Die drei oberen Stande waren sich der Tragweite des gegen ihre Freiheiten geführten Schlages wohl bewußt. In einem Memorial an den Kaiser baten sie um Mitteilung der neuen Ordnung noch vor deren Kundmachung und um Einstellung des begonnenen Druckes, in dem sie zwar die Ersprießlichkeit des Werkes anerkannten, zugleich aber auf die bisherige Observanz verwiesen, wegen der Landesprivilegien gehört zu werden (3 II 1638). Die besondere Wichtigkeit und Dringlichkeit des unternommenen Schrittes ergibt sich aus den Schreiben der Stände an den obersten Hofmeister, den obersten Kämmerer und ein wegen Betreibung der Sache ersuchtes Ständemitglied (4 II 1638). Dank dieser Bemühungen unterblieb tatsächlich die Kundmachung des Gesetzes.
Eine wundersame Tatkraft der Stände war nun plötzlich erweckt worden: Der Syndikus Dr. Beütler wird zur schleunigsten Begutachtung der Exekutionsordnung aufgefordert (26 II 1638), der Landuntermarschall um Bekanntgabe der geltenden Taxe des Weisboten ersucht (26 IV 1638), Punkte werden ausgearbeitet, worüber drei ständische Mitglieder mit den Kommissarien Konferenz zu pflegen hätten (15 VI 1638). Selbst als die kaiserliche Entschließung 10 VII 1638 auch bezüglich der Exekutionsordnung eine gemeinschaftliche Beratung von ständischen Deputierten und den verordneten Räten genehmigt hatte, erstatteten noch die zur Beratung der Landesgravamina erwählten Ausschüsse der Hofkommission Vorschläge, wie Treu und Glauben im Lande wiederum gepflanzt und erhalten werden möchten (7 II 1639). Die Exekutionsordnung ereilte indessen gleichfalls das Schicksal der Revisionsordnung; die Beratung dieser beiden Gesetze ist im Verlaufe des Dreißigjährigen Krieges ebenso ins Stocken geraten, wie die Fertigstellung der Landtafel und Landgerichtsordnung nicht zu erreichen war.
Ein kräftiger Anstoß zur Wiederaufnahme der seit 35 Jahren schlummernden Kodifikationsarbeiten ging vom Landmarschall Georg Achaz Grafen zu Losenstein aus, der mit einem durch den österreichischen Kanzler Dr. Johann Matthias Prickhelmayer sichtlich beeinflußten Plan hervortrat. Vielfach seien Klagen von Landesmitgliedern laut geworden, daß in allen Erbkönigreichen und anderen österreichischen Ländern, so in Böhmen, Ungarn, Mähren, Steiermark, Kärnten und Krain ein gewisses geschriebenes Recht und Landesstatuten eingesetzt seien, während in den niederösterreichischen Landen ein jus certum nicht statuiert sei, sondern bald nach den gemeinen geschriebenen Rechten, bald aber nach dem schwankenden Landesbrauche erkannt werde. Es sei so weit gekommen, daß bald kein ehrlicher Mann mit dem anderen kontrahieren wolle, zumal sich die Kalumnien auch in lauteren, liquiden Schuldsachen eingeschlichen hätten. Der Landmarschall empfahl demnach die Ausrichtung einer beständigen Landesordnung, damit sich in Hinkunft das Land nicht einzig und allein dem Gutdünken der Doktoren und Rechtsgelehrten unterwerfen müsse. Neben der Wahl eines neuen Ausschusses wären zur Beschleunigung der Sache vier Doktoren, der Regimentskanzler Joh. Bapt. Suttinger, der Landschreiber Johann Michael von Seiz und die beiden Syndizi der Landschaft Johann Georg Hartmann und Johann Leopold beizuziehen, welche die vorliegende Landtafel ein wenig abzukürzen und dasjenige beizufügen hätten, was noch weiter zu beobachten sei, wobei der Landmarschall seine Mitwirkung zusagte. Jeder ausgearbeitete Traktat sollte sofort nach gepflogener Beratung dem Kaiser vorgelegt und nach erteilter Ratifikation gleich der steirischen Landhandfeste in Druck gelegt werden (Landm. an Stände 14 VI 1650).
Eine Gegenbewegung im Schoße des geheimen Rates, als deren Urheber unschwer der niederösterreichische Statthalter Johann Franz Graf Trautson zu erkennen ist, suchte zwar die Verwirklichung jener Ideen zu durchkreuzen, vermochte sie indessen nicht dauernd zu verhindern. Noch bevor die Anträge des Grafen Losenstein zur Beratung im Landtag gelangt waren, erhielten die Stände einen gemessenen Befehl vom Hofe zur Wahl von Ausschüssen, welche mit verordneten Kommissären der Regierung die Konferenz über die Revisions- und Exekutionsordnung reassumieren sowie die neu verfaßte Gerichtsordnung beratschlagen sollten. Abermaliges Säumnis hätte ohne weiteres die Resolvierung der Entwürfe durch den Kaiser zur Folge (Per imp. 24 I 1651). Die Stände gehorchten nicht nur, sondern statteten dem Kaiser ihren freudigen Dank für die Anordnung der Konferenz ab, da sie die Prozeßordnungen für heilsam und hochnotwendig erachteten (Memorial 25 II 1651).
Achaz Graf von Losenstein war bereits aus dem Amte eines Landmarschalls geschieden, als sein Nachfolger Ernst Herr von Traun die noch in Wien beim Landtag anwesenden Landesmitglieder zu einer Beratung lud, die nebst anderen Angelegenheiten auch die Landesordnung betraf. In der Versammlung vom 3 VIII 1651 fanden die Anträge Losensteins einhellige Annahme und wurden die bereits früher zur Konferenz designierten Ausschüsse unter der Direktion des Landmarschalls mit dem Kodifikationswerke betraut; eine Mitwirkung landesfürstlicher Kommissarien ward für dieses Unternehmen nicht beabsichtigt. Der Kaiser belobte den Eifer der Landschaft, sicherte die Ausfolgung der benötigten Aktenstücke aus den behördlichen Archiven, Registraturen und Kanzleien zu und willigte in die Mitwirkung des Regimentskanzlers, Landschreibers und des zum [Faksimile] Ausschuß gewählten Reichshofrates Hans Joachim Grafen von Sinzendorf unter Zusendung der für jene Beamten bestimmten Originaldekrete an die Stände (9 X 1651).
Dieser auffälligen Übergehung des Statthalters erfolgte als Gegenstoß ein amtlicher Auftrag an die zur Konferenz entsendeten Räte, auch ihrerseits an den Beratungen der Landesordnung teilzunehmen (Konferenzprot. 12 XII 1651, Ausschußbericht 11 III 1652). Ein Versuch zur gütlichen Beilegung des Zwischenfalles scheiterte an der Forderung Trautsons, daß die von den ständischen Ausschüssen im Verein mit den Regierungskommissarien fertiggestellten Traktate noch einer Überprüfung durch die Regierung zu unterziehen seien.
Die Landschaft beantwortete diese ablehnende Haltung mit einem Memorial an den Kaiser, in dem sie berichtete, daß die vier Doktoren vor allem die Ausarbeitung der Landgerichtsordnung als nötig befunden hätten und die Mitwirkung der Konferenzräte bei Beratung dieses Entwurfes nebst der Zusicherung erbaten, daß die kaiserliche Schlußfassung über diesen Entwurf ohne Einholung eines Gutachtens der Regierung erfolge (28 IX 1652). Nach Gewährung der beiden Punkte dieses Ansuchens durch die geheimen und deputierten Räte (16 XI 1652) bereitete die Landschaft der Zuziehung von kaiserlichen Kommissarien zur Beratung der ständischen Entwürfe nicht nur keine Hindernisse, sondern wählte auch jeweils mehrere der Landschaft angehörende kaiserliche Räte zu ihren Ausschüssen.
Die mannigfaltigen Schachzüge hatten somit den überraschenden Erfolg herbeigeführt, daß nunmehr sämtliche, seit vielen Jahren unvollendet gebliebenen Gesetzesarbeiten wieder in Fluß geraten waren.
Mit der nunmehr anhebenden Kompilation tritt die Geschichte der Landesordnung in ein neues Stadium: Die Herstellung der Vorlagen beruht auf Kollaboration, indem die Kompilatoren in regelmäßig abgehaltenen Sitzungen sich über die Fassung des Gesetzestextes einigten und über zweifelhafte Punkte grundsätzliche E. des Beratungskollegiums veranlaßten.
Die vier Doktoren: Johann Baptist Suttinger v. Thurnhof (ein Wiener, 1638 Landschreiber, 1648 niederösterreichischer Regierungsrat, 1650 Regimentskanzler, 1658 in die Landmannschaft des Ritterstandes aufgenommen, † 1 V 1662), Johann Michael v. Seiz (ein Schwabe, 1649 Landschreiber, 1654 niederösterreichischer Regimentsrat, † 28 I 1682), Johann Georg Hartmann (advozierte früher, dann Syndikus und Advokat der Stände, † 1674) und Johann Leopold (Syndikus und Advokat der Stände, 1665 kaiserlicher Rat und niederösterreichischer geheimer Hofsekretär, geadelt mit dem Prädikate "von Löwenthurn", testierte 17 IV 1673) haben ihre Aufgabe glücklich gelöst. War auch jene Kraft schöpferischer Ideen gebrochen, die einen Bernhard Walther, einen Reichart Strein auszeichnete, so verstanden doch die Epigonen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts das seit Ferdinand I. in Gesetzgebung und Rechtsprechung angehäufte Material geschickt zu verwerten und in eine den geänderten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßte Form zu prägen.
Die Kompilatoren arbeiteten zunächst die Landgerichtsordnung aus. Im September 1658, als sämtliche Traktate der Landesordnung und überdies ein Aufsatz über das forum mercantile fertiggestellt waren, schied Suttinger aus dem Kreise seiner Mitarbeiter und trat für die weiteren, teils durch die Regierung, teils durch das Beratungskollegium veranlaßten Arbeiten der auch dem Beratungskollegium als Kommissarius angehörende Regimentsrat Seiz an die Spitze der Kompilation. Die Berufung Leopolds zum Sekretär der österreichischen Hofkanzlei hatte den Eintritt des Syndikus Dr. Franz Beck als Kompilator zur Folge. Die von den Kompilatoren ausgearbeiteten Traktate der Landesordnung wurden mit Allegaten versehen, die in den Reinschriften des vom Kollegium beschlossenen Textes fehlen.
Den vier Doktoren waren zwei junge Gelehrte beigegeben, die das Material aus dem gemeinen Rechte, den Gerichtsbüchern und Generalien in locos communes zusammenzutragen, die böhmische, bayrische und andere Landesordnungen nebst der juristischen Literatur zu benutzen und auf die casus und quaestiones der Kompilatoren ihre deductiones zu übergeben hatten. Auf Grundlage des durch sie zusammengetragenen Stoffes hat sodann Suttinger drei alphabetisch geordnete Sammelwerke veranstaltet: den Codex Ferdinandeus, aus dem die beiden ersten Bände des Codex Austriacus hervorgingen, das ungedruckte Gedenkbuch der Landschaft, eine materienweise Zusammenstellung von Experten aus den Landtagshandlungen 1521-1581, endlich das Consuetudinarium Austriacum, welches die Grundlage der Druckausgaben (1716, 1717 und 1718) bildet.
Auch die Beratungen des aus kaiserlichen Kommissarien und ständischen Ausschüssen zusammengesetzten Kollegiums nahmen einen geregelten Fortgang. Hatte dereinst der Kampf wider die fremden Rechte den ersten Impuls zu dem Begehren um Gewährung einer Landesordnung geboten, so finden wir nunmehr beim ständischen Adel durchwegs juristische Kenntnisse, die an ausländischen Universitäten erworben waren — "wird keiner ästimiert, der nicht gereist ist und seine Exerzitien gelernt hat", berichtete Johann Adolf Graf Schwarzenberg bereits im Jahr 1631 (Wolf Lobkowitz S. 16). So kann es nicht wundernehmen, daß wir fast sämtlichen Ausschüssen in den Matrikeln der italienischen Hochschulen, vor allem in den Listen der Universität Padua begegnen.
Das Kollegium, dem der Regimentsrat Johann Franz Graf Lamberg und nach dessen Tode (15 IV 1666) der Vizestatthalter Paul Sixt Graf Trautson präsidierte, begann mit seinen Beratungen am 4 VII 1651. Am 18 VI 1654 wurde nach Absolvierung der drei Prozeßentwürfe die Landgerichtsordnung in Angriff genommen, sodann die Landesordnung beraten. Obwohl diese Arbeit bereits im Jahr 1659 bewältigt war, wurden infolge vielfacher neuer Anregungen abermalige Sitzungen [Faksimile] nötig, die mit Unterbrechungen bis zum 31 VIII 1669 währten.
Mit dem Plane, die Beratung der Landesordnung lediglich durch ständische Ausschüsse zu pflegen, fiel auch die ursprünglich in Aussicht genommene Direktion des Landmarschalls; Sonderberatungen der Ausschüsse fanden unter dem Vorsitze des Erasmus Grafen von Starhemberg († 2 IV 1664) statt; nach dessen Ableben wurden nur mehr zwei Ausschußsitzungen 1668 abgehalten, als ein kaiserliches Dekret auf die Beendigung der Beratungen gedrungen hatte.
Über die Tätigkeit des ganzen Kollegiums und der Ausschüsse insbesondere liegen die Protokollbücher der als Schriftführer verwendeten Syndizi Dr. Hartmann (seit 15 II 1653) und Dr. Beck (seit 4 IX 1665) vor; auch sind deren Protokolle über die in den J. 1666 und 1667 gepflogenen Beratungen der Kompilatoren erhalten.
Nach einem Beschlusse des Kollegiums vom 23 VI 1654 war die Landesordnung in sechs volumina abzuteilen: "1. Die gerichtlichen Handlungen insgemein, 2. de contractibus, 2. de testamentis, 4. de successionibus ab intestato, 5. de feudis, 6. Von der Landgerichtordnung." Das erste Volumen sollte aus drei Teilen bestehen: "1. Gerichtsordnung, 2. Revision, Restitution und Nullität, 3. Exekutionsordnung." Schließlich blieb die Landgerichtsordnung ebenso wie die der Landesordnung zugerechnete Gerhabschaftsordnung bei der Bücherzählung unberücksichtigt; hingegen wurde das fünfte Buch in zwei Teile zerlegt, dessen erster das Lehnrecht, der andere die iura incorporalia behandelt.
Die zunächst für die Regierung und das landmarschallische Gericht erlassene Exekutionsordnung sowie die für die beiden Erzherzogtümer bestimmte Revisionsordnung erhielten am 27 VII 1655 die kaiserliche Sanktion und wurden von der Regierung am 30 VIII im Beisein der ständischen Ausschüsse und Syndizi feierlich publiziert.
Bereits am 16 VIII hatte die Regierung im Auftrage des Kaisers an den Stadtrat und das Stadtgericht zu Wien, überdies aus eigener Initiative auch an die Universität und die kaiserliche befreite Niederlage die Auflage erlassen, mit tunlichster Benutzung der Exekutionsordnung ihre Ordnungen zu verfassen und der Regierung einzureichen.
Die Gerichtsordnung fand die kaiserliche Genehmigung nicht. Noch 1675 lag der Entwurf bei der Regierung und bemerkten damals die Verordneten in ihrer Amtsrelation: "est in dubio, es will aber der Hof auch nichts drum wissen".
Die Landgerichtsordnung, welche trotz der Resolution 16 XI 1652 eine Überprüfung durch die Regierung erfuhr, wurde auf Betreiben der Stände am 30 XII 1656 ratifiziert. Für die Ausarbeitung des ersten Teiles konnte die Vorlage von 1582 benutzt werden, wenngleich manche einschneidende Änderungen an ihr vorgenommen wurden.
In dem von der Regierung "bestellten befreiten oder approbierten Gedingsrichter", der von den Landgerichtsherrn oder deren Verwaltern (gegen Ersatz der Reisekosten) bei Besetzung des unparteiischen Gedinges vor anderen zu berufen war (Art. 41, § 1), ist der seit 1590 beseitigte Bannrichter in verjüngter Gestalt wiedererstanden. Der zweite Teil des Traktates "Von denen landgerichtsmäßigen Fällen insonderheit" wurde von den Kompilatoren neu hinzugefügt.
Das Gesetz, dem sich zahlreiche Novellen anschlossen, ist sodann bei Ausarbeitung der Landgerichtsordnung für Österreich ob der Enns benutzt worden und in einer durch den Kardinal Leopold Grafen v. Kollonitsch (1666 und 1667 Ausschußmitglied des Kollegiums) veranlaßten lateinischen Übersetzung in Ungarn zu tatsächlicher Anwendung gelangt. Die vielfach verbreitete Ansicht, daß die unterennsische Landgerichtsordnung auch in den innerösterreichischen Ländern in Übung gestanden wäre, ist irrig.
Am 18 II 1669 erfolgte die Sanktion der Gerhabschaftsordnung, eines Gesetzes, das von der Regierung ausgearbeitet und vom Kollegium in den Jahren 1666 und 1669 dreimal abgehört wurde. Bereits 1655 hatte die Regierung durch Einführung des Waisenbuches den Anstoß zu einer Reform des Vormundschaftswesens gegeben (Suttinger Consuetudines Austriacae S. 865), bevor sie in ihrem Entwurfe eine umfassende Regelung der Materie unternahm.
Der Gerhabschaftsordnung folgte bald die durch die Kompilatoren 1666 ausgearbeitete verneuerte Revisionsordnung 14 V 1669, die durch Abschaffung der Revisionsschriften ein beschleunigtes Verfahren in der obersten Instanz bezweckte. Die geplante Einführung eines ständigen Revisionsrates scheiterte an den Kosten und so verblieb es bei der E. durch Revisionskommissäre, deren Zahl nunmehr auf mindestens fünf festgesetzt und deren Eignung dahin bestimmt wurde, daß sie "in Rechten und Landsbrauch erfahrene Personen" sein müssen (§ X).
Das im Kollegium beratene und in den ständischen Verzeichnissen der Landesordnung beigezählte Appellationsedikt 13 III 1670 bestimmte, daß nach seinem Inhalte die einschlägigen Materien der "vorhabenden niederösterreichischen neuen Gerichtsordnung" einzurichten seien.
Von dem wichtigsten Teile der Landesordnung, dem Tracatus de iuribus incorporalibus, wurden auf Antrag der Regierung die beiden ersten Titel "Von geistlichen Lehenschaften" (Patronat) und "Von Vogteien" bereits am 6 IV 1671 plazidiert und mit dem auf die Vollziehung des Gesetzes durch die Regierung zu beziehenden Datum des 19 VI 1673 gedruckt. Die Sanktion der übrigen Titel erfolgte am 13 III 1679 (zugleich das Datum des Gesetzes), die feierliche Publikation des Traktates bei der Regierung am 29 IV 1679.
Bei Abhörung des ersten, von Hartmann verfaßten Entwurfes beschloß das Kollegium, einen besonderen, im Elaborate übergegangenen Titel von der Dorfobrigkeit aufzunehmen (30 VIII 1659). Das hiemit von neuem aufgerollte Problem der Niedergerichtsbarkeit fand bei der zweiten (7 VIII 1666 begonnenen) Lesung seitens der Kompilatoren und des Kollegiums eine eingehende [Faksimile] Erörterung. Ihr Ergebnis bestand darin, daß die Grundobrigkeit als 1. Instanz für ihre Untertanen in Real- und Personalsprüchen anerkannt, dem Vogtherrn die ihm noch im ersten Entwurfe zuerkannte Obrigkeit abgesprochen und die Dorfobrigkeit mit genau umgrenzten (durch das Weiderecht in der Gemeinde vermehrten) Attributen ausgestattet wurde.
Die der Dorfobrigkeit zugewiesene Aufgabe der Vorkehrung von Anstalten zur Erhaltung des gemeinen Wohles hatte zur Herausbildung eines dorfpolizeilichen Statutarrechtes geführt, das wenigstens von den Melker Äbten des 18. Jahrhunderts in der Form von Generalien geübt wurde.
Während der 1666 gepflogenen Beratungen kam eine verschollene Resolution vom Jahr 1563 zum Vorschein, die den Ständen des Landes unter der Enns unter gewissen Kautelen die ungemessene Robot der behausten Untertanen zusicherte (Suttinger Cons. Austr. S. 734). Diese tief in die vitalsten Interessen der agrarischen Produktion einschneidende Begnadung war indessen nicht zur Ausführung durch ein Generalmandat gelangt; weder Püdler noch Strein-Linsmayr hatte sie gekannt und Hartmann bemerkte in den Glossen zu seinem Entwurfe geradezu: wegen der herrn landleuth underthannen robath ist in dem landsbrauch nichts bestendiges zu finden. Die Resolution fand nun Aufnahme in den Traktat (V, § 4), doch wurde ihr die Spitze abgebrochen, indem die Bestimmung des ersten Kompilatorenentwurfes unangetastet blieb, daß die Grundobrigkeit von ihren Untertanen die "gewöhnliche" Robot zu begehren habe (IV, § 4).
Der 1669 bei Hof überreichte Entwurf wurde den Ständen auf ihren Antrag zur neuerlichen Beratung durch einen aus allen Vierteln gewählten Ausschuß zurückgestellt (13 XII 1672). Über die im Verein mit kaiserlichen Kommissarien im Februar 1675 gepflogenen Beratungen liegen die Protokolle des Syndikus Johann Konrad Albrecht v. Albrechtsburg vor. Der Sanktion ging noch die Einholung von Gutachten mehrerer Stellen (Regierung, Hofkammer, Landjägermeisteramt) voran.
Die Rechtsstellung der Untertanen hatte durch die Einführung des Tractatus de juribus incorporalibus in mehrfachen Belängen eine Besserung erfahren. Die Führung eines Grundbuches, die zu Walthers Zeiten gebräuchig, aber noch nicht allgemein war, wurde nunmehr den Grundobrigkeiten zur Pflicht gemacht und hiedurch ein gesetzlicher Schutz des Bauernlandes gegen Legungen geschaffen, der freilich den Leibgedingsgütern nicht zugute kam und die Ausübung des (vom Traktate übergangenen) grundherrlichen Einstandsrechts nicht zu hindern vermochte. Das Verbot der Abschaffung von Untertanen wurde ausgesprochen; es bezog sich jedoch nicht auf die in gewissen Fällen zulässige Abstiftung und die Einziehung des Grundes wegen versessener Dienste durch ein unparteiisches Grundrecht. Das Sterbehaupt wurde beseitigt, das Vorkaufsrecht der Grundobrigkeit hinsichtlich verkäuflicher Viktualien mit Stillschweigen übergangen, obgleich dasselbe (im Anschlusse an Strein-Linsmayrs Redaktion) noch im Entwurfe der Kommission geregelt war.
Gleichwohl hatte der Bauernstand Lasten mannigfacher Art zu tragen: persönliche Leistungen, als Untertanenkinder- und Waisendienste, Robot, dann an Natural- oder Geldabgaben den Dienst, Zehnt, das zu Ende des 16. Jahrhunderts aufgekommene Abfahrtsgeld und das besonders drückende Pfundgeld bei Handänderungs- und Sterbefällen, dessen Regelung bis in die Tage Maria Theresiens Stände und Behörden unausgesetzt beschäftigte.
Die bereits von Walther behandelten Rechtsverhältnisse an Erbzinsgütern wurden nicht in dem publizierten Traktate, sondern im zweiten Buche der Landesordnung geregelt, das niemals Gesetzeskraft erlangt hat.
Die Aussicht auf Erreichung des Zieles einer Landesordnung, dem die Stände namhafte Opfer gebracht hatten, schien zunächst eine begründete, hatte doch die Gerhabschaftsordnung und der Tractatus de iuribus incorporalibus Bücher bezogen, die stets Entwürfe geblieben sind, und hatte doch noch die Advokatenordnung 28 III 1681 bestimmt, daß ihr Inhalt der neuen Gerichtsordnung einzuverleiben sei. Auch Hans Heinrich Reütter, der als Regierungssekretär den Beratungen des Kollegiums 1666—1668 beiwohnte, gab in seinen XXV tabulae (1674) der Hoffnung auf ein baldiges Zustandekommen der Landesordnung Ausdruck.
Bereits am 27 XII 1667 stellte ein von Leopold gezeichnetes kaiserliches Dekret die baldige Ratifikation des Traktates von den Testamenten in Aussicht, nachdem die Stände die kaiserliche Entschließung über die beiden Erbrechtstraktate und den Tractatus de iuribus incorporalibus als die am meisten verlangten Gesetze erbeten hatten.
Noch 1681 und 1684 wiederholten die Verordneten ihre Bitte um Publikation der beiden Erbrechtstraktate und forderten zugleich die Erledigung des Lehntraktates; sie erhielten indessen lediglich die Auskunft, daß die beiden ersteren Entwürfe bei der niederösterreichischen geheimen Hofkanzlei "beruhen" und der Lehntraktat von der Regierung abgefordert wurde.
Eine Ermattung der Beteiligten war eingetreten, die im schleppenden Geschäftsgange der landesfürstlichen Behörden und des ständischen Beamtenapparates, der Bedeutungslosigkeit der Landschaft unter Leopold I. sowie in dem neuerlichen Ausbruche der Türkenkriege ihren Erklärungsgrund findet.
Seit dem Regierungsantritte Kaiser Karls VI. kam wieder ein frischer Zug in die Gesetzgebung. Die mit Dekret der österreichischen Hofkanzlei 24 IV 1713 in Aussicht gestellte Reform der gesetzlichen Hypotheken hatte die Erstattung umfangreicher, für die Geschichte des Pfandrechtes wichtigen Gutachten zur Folge, deren schließliches Ergebnis das niederösterreichischen Landtafelpatent 24 XI 1758 war.
Auch die Landesordnung ist neuerlich in den Kreis der Gesetzgebungsarbeiten einbezogen worden. Die Wechselordnung 10 IX 1717 (sogenannte Wiener Wechselordnung) beruht in ihrem zweiten, prozeßrechtlichen Teile auf dem von Leopold 1658 [Faksimile] entworfenen und 1669 umgearbeiteten Aufsatz über das forum merkantile, wogegen die materiellrechtlichen Bestimmungen des ersten Teiles "auf Grund der Wechselordnung für Breslau sorgfältig entworfen" sind (Grünhut, Wechselrecht I., S. 108).
Am 28 V 1720 erhielt sodann das vierte Buch der Landesordnung als Neue Satzung und Ordnung vom Erbrecht außer Testament Gesetzeskraft und wurde am 20 IX 1720 unter Einhaltung des seit 1655 beobachteten Zeremoniells kundgemacht, nachdem die Stände bereits in ihren Landespostulaten 11 XII 1714 die Bitte gestellt hatten, den Traktat "durch eine rechte und verläßliche Pragmatische Sanktion auszumachen". Bei Abhörung des Entwurfes im geheimen Rate ergaben sich Bedenken gegen den Titel von den Erbeinigungen. Die Stände, denen von der Regierung ein bezügliches Gutachten aufgetragen ward, ließen dasselbe durch eine Deputation ausarbeiten, erbaten aber zugleich vom Kaiser die neuerliche Übermittlung des Traktates, den sie nach einer Überprüfung durch die Deputation am 31 I 1718 mit einem vom Syndikus Johann Baptist Mayr Edlen von Mayrsfeld auf Grund der Protokollarbeschlüsse ausgearbeiteten Gutachten wieder vorlegten. Durch Beseitigung des bereits vom Zeiger in das Landrechtsbuch vergeblich bekämpften Landesbrauchs, daß Erbschaften nicht zurückfallen, sowie durch Beseitigung des Grundsatzes: paterna paternis, materna maternis bildet das Gesetz einen wichtigen Markstein in der Entwicklungsgeschichte des österreichischen Erbrechtes.
Über den Tractatus de testamentis wurden nach Publikation des Gesetzes über die Intestaterbfolge Gutachten der Stände und der Regierung eingeholt und von der Hofkanzlei eine explicatio verfaßt. Einen Erfolg hatten diese Elaborate ebensowenig wie die ständischen Beratungen der Jahre 1728-1726, die einer Revision des Tractatus de iuribus incorporalibus galten.
Auch die ebenso gediegene als umfassende Arbeit der von Kaiserin Maria Theresia (auf Anregung der obersten Justizstel1e) zur Erläuterung des Tractatus berufenen Hofkommission (Resolution 15 IX 1751) traf ein gleiches Geschick. Der aus Regimentsräten und ständischen Ausschüssen gebildeten Kommission ward die Aufgabe gestellt, ein ius certum zu statuieren, nachdem einige zweifelhafte Stellen des Traktates bereits viele Streitigkeiten zwischen den Herrschaften und den Untertanen hervorgerufen hatten. Eine von der obersten Justizstelle verfaßte Geschäftsordnung regelte nicht nur den Beratungsmodus, sondern schrieb noch insbesondere vor, daß die Kommissionsprotokolle allwöchentlich, die Hauptgutachten mit dem beschlossenen Texte des Entwurfes aber sofort nach Erledigung eines jeden Titels der Kaiserin vorzulegen seien und daß die Kommissionsmitglieder mit der Beratung des vierten Titels von der Grundobrigkeit zu beginnen hätten (1 X 1751).
Die unter dem Vorsitze des Regierungspräses in Justizsachen Johann Josef Grafen Breüner tagende Hofkommission fand nur die ersten sieben und den 17. Titel des Traktates revisionsbedürftig und bewältigte das begrenzte Stoffgebiet in 37 Sitzungen (20 XI 1751 - 13 I 1753) derart, daß die Beratung und Abstimmung über "Punkte" eingeleitet ward, welche die Regierungskommissarien und ständischen Ausschüsse vor der Diskussion eingereicht hatten. Eine Reihe dieser Fragepunkte wurde ganz direkt durch Adam Josef Grenecks Werk über die Jurisdiktionen veranlaßt.
In die Abfassung der erst auf Grund der Sitzungsbeschlüsse entworfenen Texte teilten sich die Regimentsräte Dr. Johann Josef Fraißl, Dr. Josef Ferdinand Holger und Dr. Franz Josef Bratsch. Die bedeutendste, freilich zur Monographie gediehene Arbeit hat Holger mit seiner "Abhandlung über die Grundherrlichkeit" geliefert, die bestimmt war, den vierten Titel des Traktates von der Grundobrigkeit zu ersetzen. Das in 16 Absätze zerfallende Werk hat nicht nur die in das zweite Buch der Landesordnung verwiesenen Bestimmungen über die Erbzinsgüter hervorgeholt, sondern auch den Rahmen der Beratungspunkte vielfach überschritten. Die von Holger im Auftrage der Kommission selbständig verfaßten Absätze (5) "Von der Gerichtsordnung, wie solche bei den Herrschaften und auf dem Lande zu beobachten" und (14) "Von der Verlassenschaftsabhandlung" bedeuten den ersten Versuch einer Regelung des Verfahrens vor den Niedergerichten und einer vollständigen Normierung eines bodenständigen Institutes der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Die Vorlage des vierten Titels an die Kaiserin ist am 30 I 1753 erfolgt; in letzter Reihe wurden die ersten drei Titel überreicht (9 VII 1754), da Holger infolge seiner Berufung zur Kompilationskommission an der beabsichtigten Ausarbeitung dieser Teile gehindert war.
Neben den für die Kaiserin bearbeiteten 27 Kommissionsprotokollen liegen die Sitzungsprotokolle des Syndikus Otto v. Lackhenau vor; erstere sind von diesem und dem Regierungssekretär Johann Josef Michael Kienmayr unterzeichnet.
Die Elaborate der Hofkommission gelangten in die Hände der Kompilationskommission, wurden aber schon 1756 von der Kaiserin wieder abverlangt (Freiherr v. Blümegen an Grafen Haugwitz 2 IV 1756). Großzügige Reformen anzubahnen war weder ihre Aufgabe noch ihr Ziel; zur Klärung der agrarischen Rechtsverhältnisse haben sie jedenfalls ganz Erhebliches beigetragen.
Wie die Ausarbeitung und Beratung, so ist auch die Publikation der Landesordnung in einer Spanne von 65 Jahren schrittweise vor sich gegangen; das einheitlich gedachte und entworfene Werk aber sollte ein Stückwerk verbleiben.
Weit später als im Kernlande der Monarchie sind die Kodifikationstendenzen im Lande ob der Enns aufgetaucht, wo jene Momente, welche dort die Rezeption der fremden Rechte beschleunigten, nicht gegeben waren. Nach den ständischen Annalen reichen diese Bestrebungen in die letzte Regierungszeit Ferdinands I. (1560) zurück. Bereits in den Landtagsverhandlungen unter Kaiser [Faksimile] Maximilian II. tritt als leitender Gesichtspunkt die möglichste Anpassung der Landesordnung an die korrespondierende Gesetzgebung des Nachbarlandes in den Vordergrund — ein Gedanke, der wie ein roter Faden alle Phasen der Kodifikationsarbeiten durchzieht.
In der Resolution 13 XII 1568 erklärte der Kaiser die dringend erbetene Errichtung "einer gemeinen, durchgehenden, rechtmäßigen Gerichtsordnung oder Landtafel zur Abschneidung der vielfältigen Rechtfertigungen, sowie der unnotwendigen und eigennützigen Verhetzungen, Injurien und hitzigen Einführungen durch die Prokuratoren als löblich und dem Lande zuträglich", und stellte zugleich der Landschaft anheim, entweder die Arbeiten im Lande unter der Enns abzuwarten oder sofort taugliche Personen des Herren- und Ritterstandes neben Gelehrten, die sämtlich des Landsbrauches erfahren seien, vorzuschlagen. Als die Landschaft sich für letztere Alternative entschied, nahm der Kaiser in Aussicht, "daß vielleicht aus den beiden unterschiedlichen Konzepten (der unterennsischen und oberennsischen Landesordnung) eine Landtafel und durchgehender, gewisser und beständiger Landsbrauch gezogen und ausgerichtet werden könnte". Offenbar veranlaßt durch die im Nachbarlande gesammelten Erfahrungen, fügte Maximilian die nur allzuberechtigte Mahnung bei, daß zur Vermeidung von Aufschub und Verhinderungen "auf die ville und menig der personen nit gegangen, sonder nunmehr nur wenig aber doch schickhlich verständige und wol erfarne hiezu gebraucht werden" (Resolution 24 II 1570); als trotzdem 15 Kommissionsmitglieder designiert wurden, bestätigte er nur vier ständische Ausschüsse, denen er zwei Gelehrte beiordnete (Resolution 20 II 1571).
Dem zur Errichtung der Landtafel mitberufenen Regimentsrate Dr. Georg Hohenecker zu Hagenberg eröffnete der Kaiser am 11 III 1571, daß der Kommission von der niederösterreichischen Regierung alle erforderlichen Schriften und "ein zuvor langst durch weiland den Khirchberger und docter Bernhardten Walther gefaster vergriff" zukommen werden — eine Äußerung, die um so bemerkenswerter ist, als hier die Waltherschen Traktate und zwar noch bei Lebzeiten ihres Verfassers autoritativ als Entwurf bezeichnet werden. Ein weiteres Reskript vom 11 III 1572 besagt, daß zu dem noch nicht in Angriff genommenen Werke neuerdings und zwar nur fünf Landleute und Räte befohlen seien und daß der zugesagte Entwurf sich bereits in Händen des Landeshauptmannes befinde.
Daß jedoch im Laufe der Beratungen das Ergebnis der Verhandlungen über den Püdlerschen Entwurf abgemattet wurde, erhellt aus den mehrfachen Mitteilungen, welche die Regierung der oberennsischen Landschaft über den Fortgang jener Arbeiten zukommen ließ (28 II 1581, anfangs 1586, 10 III 1588) sowie aus den Betreibungen der unterennsischen Landschaft unter Hinweis auf die Urgenzen der oberösterreichischen Stände (14 I 1585, 8 III 1586).
Es muß bereits ein ständisches Elaborat vorgelegen sein, als — jedenfalls vor 1608 — die Fertigstellung der Landtafel dem herzoglichen bayrischen Rate zu Neuburg Dr. Abraham Schwarz übertragen wurde, der nach dem Zeugnisse der Landschaft die Landesordnung "in eine andere Ordnung gerichtet und mit vielen Notwendigkeiten gebessert" hat. De Luca (Justizkodex I, Nr. 202, S. 182) versetzt die Abfassung der Landesordnung in das Jahr 1609; diese Zeitangabe dürfte für die Vollendung des Schwarzschen Entwurfes zutreffen, da die unterennsische Verordneten sich am 29 XII 1611 die Zusendung des Originals oder einer Abschrift erbaten und bereits am 25 IX 1612 bei den oberennsischen Verordneten anfragten, weshalb der Titel de arrestis et sequestrationibus auszulassen für notwendig befunden wurde.
Das Elaborat des Dr. Schwarz wurde nach Beendigung der ständischen Beratung (1616) dem in Prag weilenden Kaiser vorgelegt und von diesem den in Wien hinterlassenen geheimen und deputierten Räten mit dem Auftrage übersendet, über den Entwurf die niederösterreichische Regierung zu hören, sodann das eigene Gutachten dem Kaiser zu eröffnen (Dekret 29 III 1617). Die Regierung unterzog sich mit Eifer ihrer Aufgabe; schon am 8 II 1618 konnte der Kaiser den Ständen verkünden, daß die Beratung fast zu Ende gelangt sei. Die notwendig befundenen Korrekturen wurden fertiggestellt, eine neue Abschrift des Entwurfes veranlasst, das Gutachten ausgearbeitet, als die revolutionäre Bewegung beim Regierungsantritte Kaiser Ferdinands II., die Verpfändung des Landes an Bayern, welche erst 1628 ihr Ende fand, sowie die inzwischen von Österreich eingeleitete Gegenreformation einen zehnjährigen Stillstand der Kodifikationsarbeit herbeiführten.
Die "Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns" zerfällt in 6 Teile (1. Gerichtspersonen, 2. Zivilprozeß, 3. Kontrakte, einschließlich der iura incorporalia und des ehelichen Güterrechtes, 4. testamentarisches, 5. Intestaterbrecht, 6. Lehnrecht) und benutzt die im Lande verbreiteten Waltherschen Traktate und den Püdlerschen Entwurf, während die Strein-Linsmayrsche Redaktion dem Verfasser nicht vorlag.
Ob die Absicht bestand, der Landtafel die ständischen Freiheiten einzuverleiben, muß dahingestellt bleiben; soviel läßt sich indessen aus dem Elaborate erkennen, daß die Prätensionen der Landschaft hier zu weit schärferem Ausdrucke gelangt waren, als dies in den unterennsischen Entwürfen geschehen ist:
Daß ganze land ob der Ennß ausser ihrer landsfürstlichen hochheit und cammergüeter ist den landstenden freißaigen oder lehenweiß mit aller civiljurisdiction unterworfen. wie auch derselben etliche paan und acht ... theilß aigenthomblich thailß lehenweiß zugleich haben (I. 2).
Der Autor und sein Werk standen im Lande durch Jahrhunderte in großem Ansehen. Einst Lehrer an der Landschaftsschule in Linz, stand Schwarz seit 1600 zu Neuburg in landesfürstlichen Diensten; bereits vor Vollendung des Entwurfes wurde er mit fester Jahresbestallung von den Ständen angestellt (Landtagsbeschluß 2 III 1608), sodann im Jahr 1626 rühmlichst verabschiedet, nachdem er [Faksimile] einem Rufe als herzoglich württembergischer Rat Folge geleistet hatte.
Ein in der Darstellungsform Walthers abgefaßter Traktat über das eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns dürfte von Schwarz herrühren und als Probearbeit für seine Landtafel aufzufassen sein. Einem Rate von Neuburg konnte die im nahen Ingolstadt heimische gerennte Ehe kaum unbekannt geblieben sein. Der Traktat hat diese Form der ehelichen Gütergemeinschaft geregelt; der Landtafel und, wie es scheint, auch der Geschäftspraxis im Lande ist sie unbekannt geblieben.
Die Landtafel drang sofort zu den Gerichten (am 2 VI 1631 spricht die Regierung von der "vorher im Lande gebräuchig gewesenen Landtafel") und beherrschte in der von Schwarz erhaltenen Form die Praxis bis ins 18. Jahrhundert hinein: "wird hienaoh vielfältig geurtheilet, et probat tamdiu donec aliud a principe terrae statuatur" besagen die Miszellanea eines unbekannten Verfassers (Hüttners Sammlung X, Nr. 27). Auch die juristische Literatur, allen voran die Observationes des Benedikt Finsterwalder, widmen ihr die eingehendste Berücksichtigung. Zu erwähnen ist, daß der Freiherr Reichard von Strein im Auftrage der Landschaft auch die Bearbeitung der Landhandfeste für Österreich ob der Enns unternommen hat.
Unter gänzlich veränderten Zeitverhältnissen wurde die niederösterreichische Regierung an den im Jahr 1617 erhaltenen Auftrag erinnert. "Weil die Landesunruhe und schädliche Rebellion allerlei Veränderungen und Konfusionen in guter Satzung, Ordnungen und Gebräuchen mit sich gezogen, Teile aus den Ständen und sonderlich den Unkatholischen die limites ihrer vermeintlichen Landesfreiheiten zu weit überschreiten, ja sogar ihrem Landesfürsten und Erbherren in seine Erbgerechtsame, Autorität und Jurisdiktion greifen und daraus gleichsam eine Libertät suchen und erzwingen wollen", sieht der Kaiser als notwendig an, daß die niederösterreichische Regierung die Landtafel "von Punkt zu Punkt wiederum revidiere und mit Gutachten berichte, wie dieselbe jetziger Zeit und des Landes Stand und Beschaffenheit nach zu Ihrer kais. Majestät Hoheit und Reputation, auch des Landes Wohlfahrt in einem und andern korrigiert, renoviert und in beständiger guter Ordnung praktiziert und erhalten werden möge" (Dekret 29 XII 1628).
Die Regierung legte die Landesordnung, vorläufig unter Zurückhaltung des sechsten Teiles mit den neuerlichen, in margine vermerkten Korrekturen am 14 XII 1629 dem Kaiser vor und erstattete ihr Gutachten dahin, daß der Entwurf "gewisser Ursachen halber" nicht als Landtafel, sondern als "Recht und Landsgebräuche des Erzherzogtums Österreich ob der Enns" unter kaiserlicher Autorität und zwar nach dem Vorbilde Bayerns auf Kosten der Landschaft in Druck gelegt werde. Die Publikation des Lehntraktates sei dem Zeitpunkte vorzubehalten, in dem gewisse noch obschwebende Fragen ihre Erledigung gefunden hätten (Gutachten 14 XII 1629).
Auf Begehren der Stände wurde sodann die revidierte Landesordnung mit kaiserlicher Genehmigung dem Landeshauptmanne übersendet, "nicht zu dem Ende, daß die Stände etwas darinnen zu korrigieren oder zu ändern gedenken, sondern allein, wenn etwa dem Lande und der lieben justitia in einem oder dem anderen nützlicher fürgesehen werden könnte, dies zur kaiserlichen Resolution erinnern" (Regierungsdekret 2 VI 1631).
Nachmals wurde jedoch die Erlaubnis zur Revision des Regierungsentwurfes vom Kaiser erwirkt und mit der ständischen Beratung am 22 II 1638 begonnen. In 39 Sessionen war die Arbeit 1644 bis auf drei Differenzen zwischen den Ständen (über die Zahl der Landräte, den befreiten Einstand und die Präskription geistlicher Güter) beendet, während die sieben landesfürstlichen Städte erst am 16 III 1650 ihr Gutachten erstatteten.
Die Annahme liegt nahe, daß die um eben diese Zeit im Lande unter der Enns wieder aufgenommene Kodifikationstätigkeit die Sanktion der oberennsischen Landtafel verhinderte; ergeben sich doch der Anzeichen genug, die ein Übergreifen der unterennsischen Landesordnung auf das Nachbargebiet erkennen lassen. So wurde zur Begutachtung des von den Doktoren ausgearbeiteten Lehntraktates, noch bevor derselbe dem Kollegium überwiesen ward, eine aus Abgeordneten beider Länder zusammengesetzte Lehenskonferenz einberufen (1657); das Publikationspatent zur oberennsischen Landgerichtsordnung 14 VIII 1675 besagt ausdrücklich, daß jene, wenigstens zum Teile, aus der unterennsischen Landgerichtsordnung (30 XII 1656) zusammengetragen wurde; die neue Satzung und Ordnung vom Erbrecht außer Testament 16 III 1729 endlich stimmt mit dem unterennsischen Gesetz 28 V 1720 bis auf geringfügige Abweichungen wörtlich überein.
Noch einmal erschien der Entwurf auf der Bildfläche, als Karl VI. 1732 im Lande die Erbhuldigung entgegennahm. Bei diesem Anlasse wurde dem Kaiser von den Ständen die Bitte vorgebracht, "daß die schon vor langem zusammengetragenen Landesgewohnheiten oder sogenannte Landtafel, welche ohnedem bei verschiedenen Herrschaften, Dorf- und Grundobrigkeiten meistenteils beobachtet, wegen ermangelnder Approbation und Akzeptation aber von anderen öfter widersprochen und dadurch zu verschiedenen Rechtsführungen der Anlaß genommen wird, ordentlich durchgegangen, nach Beschaffenheit des Landes eingerichtet und pro lege pragmatica in perpetuum valitura autorisiert und festgestellt werde". Mit Resolution 3 XII 1732 wurde auch tatsächlich die neuerliche Revision der Landesordnung angeordnet; jedoch geriet das Werk bereits im folgenden Jahre ins Stocken. Als die Stände 1748 neuerlich das Begehren um Revision der Landesgewohnheiten oder Landtafel stellten, konnte sich Maria Theresia zur Einsetzung einer Kommission cum libera nicht mehr verstehen.
In den drei Herzogtümern der innerösterreichischen Lande sind in der Neuzeit keine Landesordnungen zustande gekommen; die legislative Tätigkeit beschränkte sich hier vielmehr auf die Schaffung zahlreicher Einzelgesetze, unter denen die Gerichts- und Landgerichtsordnungen, wenigstens im 16. Jahrhundert, von den Ständen ausgearbeitet und zur Ratifikation den Landesfürsten unterbreitet wurden. Manche Elaborate sind Entwürfe geblieben. Immerhin dürfte es kaum absichtslos geschehen sein, daß in Steiermark zwei der wichtigsten Prozeßgesetze, die Reformation des Land- und Hofrechtes sowie die land- und peinliche Gerichtsordnung (24 XII 1574), in Kärnten sogar vier Ordnungen, die neu aufgerichtete Polizei-, Landrechts-, Landgerichts- und Zehntordnung (1 VI 1577) am nämlichen Tage Gesetzeskraft erlangt haben. Die Gleichzeitigkeit der Entstehung dieser Gesetze läßt deren Zusammengehörigkeit erkennen, wenngleich das äußere Band fehlt, das die erwähnten Ordnungen zur Einheit einer Landesordnung umschlingt.
Als unter Karl VI. in der Hofkanzlei die Tendenzen zur Unifizierung des Rechtes innerhalb der einzelnen Ländergruppen hervortraten, sollten auch die innerösterreichischen Herzogtümer vom Wellenschlage der Kodifikationsbewegung im Erzherzogtume unter der Enns berührt werden. Die neue Satzung und Ordnung vom Erbrechte außer Testament gelangte mit geringen Abweichungen am 26 I 1729 in Steiermark, am 9 III 1737 in Krain und unter Maria Theresia am 18 II 1747 in Kärnten zur Publikation. Sämtliche Einführungspatente berufen sich auf das Beispiel des Landes unter der Enns; das Kärntner gedenkt auch der Gesetzgebung in der Steiermark. Vor Erlassung der Gesetze wurden entweder ständische Ausschüsse (Steiermark, Krain) befragt oder aber, wie in Kärnten, die Stände selbst vernommen. Auf diese Weise ist ein allerdings nur kleines Bruchstück von dem Werke der vier Doktoren fast über das ganze Gebiet verbreitet worden, das der Kanzleistil unter Maximilian I. und Ferdinand I. als die fünf niederösterreichischen Lande zusammengefaßt hatte.
Standen die innerösterreichischen Herzogtümer, was die Kodifikation des Rechtes betrifft, den anderen altösterreichischen Ländern gegenüber entschieden zurück, so bildete der Besitz von Landhandfesten, deren sich die Innerösterreicher, zumal die Steirer erfreuten, das begehrenswerte Ziel der Wünsche für die Stände in den niederösterreichischen Schwesterländern.
Die bevorzugte Stellung der steirischen Landschaft wurzelt in der Georgenberger Handfeste vom 17 VIII 1186, worin anläßlich der Übertragung des Allodialbesitzes der Traungauer an Herzog Leopold V. von Österreich die Rechte der Leute des steirischen Herzogs festgestellt wurden und die Ministerialität desselben erstmals ihre Anerkennung als Körperschaft erlangte.
Den Kern der steirischen Landhandfeste bilden hingegen zwei Konfirmationsurkunden vom 18. und 21 I 1414, die von den Ständen in bewegter Zeit zur Bewahrung ihrer Freiheitsbriefe vor dem Untergange bei der Erbhuldigung erbeten worden sind. Die erstere derselben inserierte drei, seither im Original verlorengegangene Dokumente, den Landfrieden König Rudolf I. (3 XII 1276) sowie die Handfesten König Rudolf I. (18 II 1277) und Herzog Albrecht I. (20 III 1292), die andere hingegen die authentische Verdeutschung der Rudolfinischen Handfeste durch Herzog Albrecht II. (6 XII 1339).
Mit den Ernestischen Konfirmationen beginnt die durch 300 Jahre fast ausnahmslos beobachtete Gepflogenheit, daß die Landschaft beim Akte der Erbhuldigung die Bestätigung ihrer verbrieften Privilegien erbat und erhielt. Mit dem Jahr 1414 hebt zugleich die Doppelreihe der Konfirmationen an, die bis zum Jahr 1593 fortwährt. Seit den Tagen König Friedrichs IV. (26 XII 1443) wurden diese Bestätigungsurkunden nach dem Besieglungsstoff als goldene Bulle der Steirer bezeichnet.
Die erste Sammlung ständischer Privilegien und Verordnungen erschien als Anhang zu der vom Schrannenschreiber Hans Hofmann 1523 verfaßten und wiederholt gedruckten Geschichte der Erbhuldigungen von 1520 und 1523. Eine vermehrte, ausdrücklich als Landhandfeste bezeichnete Sammlung wurde 1583 vom Sekretär Matthias Amman und dem Landschrannenschreiber Adam Venediger veranstaltet. Gestützt auf dieses durch den Druck verbreitete Operat, gelang es der Landschaft, von Kaiser Rudolf II. am 7 I 1593 die Konfirmation von 31 inserierten Freiheitsbriefen und Verordnungen (darunter die Augsburger und Innsbrucker Libelle, dann die Landrechtsreformation und Landgerichtsordnung 1574) zu erwirken, worüber je eine lateinische und deutsche Ausfertigung in Buchform erteilt wurde, an welche sich sodann die Bestätigungen der folgenden Landesfürsten anreihen, die auch später erteilte Begnadungen umfassen. Die als Palladium ständischer Freiheiten verehrten goldenen Bullen vermochten dem Sinken des Einflusses der Landschaft im 17. Jahrhundert keinen Einhalt zu tun. Die letzte Landhandfeste ist am 8 X 1731 von Karl VI. verliehen worden.
Die Druckausgaben der Landhandfeste bis 1697 schließen sich an die Privatarbeit vom Jahr 1583 an, während die letzte 1842 veranstaltete Textesausgabe die kaiserliche Konfirmationsurkunde von 1731 und den zum erstenmal in die Landhandfeste aufgenommenen Georgenberger Freiheitsbrief enthält.
Die Freiheitsverbriefungen der Landschaft von Kärnten und Krain nahmen ihren Ausgangspunkt von den Begnadungen, die Herzog Albrecht II. anläßlich des Anfalls der Lande an sein Haus den Landherrn, Rittern und Knechten am 14. bezw. 16 IX 1338 verliehen hatte, indem er sie bei ihren alten Gewohnheiten beließ und mit einigen neuen Privilegien, im übrigen aber mit den Rechten der Herren und Edelleute des Landes zu Steier ausstattete. Seit den Huldigungslandtagen des Jahres 1414 beginnt auch in diesen Herzogtümern eine durch 300 Jahre fortlaufende Kette der bei jeweiligem Regierungswechsel erneuerten Konfirmationen. Die Landschaften besaßen gleichfalls (seit 14 I 1444 bezw. 25 XI 1460) ihre goldenen Bullen und gedruckten Landhandfesten, von denen die Kärntner 1610, die Krainer 1598 und 1687 ediert wurde.
Die Geschichte der Landesordnungen von Tirol hat einen anderen Landfrieden König Rudolf I. (3 XII 1276) sowie Verlauf als die legislative Bewegung in den beiden Erzherzogtümern genommen. Während hier die Kodifikationsarbeiten niemals zum vollständigen Abschluß gelangt sind, lösten sich dort im 16. Jahrhundert drei mit Gesetzeskraft ausgestattete Landesordnungen ab. Da dieselben nicht ausschließlich als Rechtskodizes der oberen Stände gedacht, sondern zugleich für die Städte und Gerichte bestimmt waren und unter Mitwirkung der unteren Stände ins Leben traten, so begreift sich, weshalb die Tiroler Landesordnung den deutschen Rechtscharakter reiner als die Entwürfe der unter- und oberennserischen Lande bewahren konnten, wenngleich der mächtigste Bundesgenosse der Rezeption, die Organisation des Beamtentumes, gerade von der oberösterreichischen Ländergruppe seinen Ausgangspunkt genommen hat.
Von Maximilian I. wird berichtet, daß er den Entwurf eines Statutes der Landschaft vorgelegt habe, der jedoch abgelehnt wurde, weil er dem römischen Rechte einen allzugroßen Einfluß gewährte. Diese Mitteilung im Zusammenhalt mit den im Genter Libelle 1509 der unterennsischen Landschaft angedeuteten Reformplänen Maximilians erscheint immerhin glaubwürdig. Bezeugt doch auch die Landesordnung 1526, daß dieser Kaiser "in offenen landtägen mermalen genedigist fürgenomen und willens gewesen ist in den landßordnungen inzichten und malefitzigen sachen guete ordnungen und gesetz auch eerliche policeien aufzurichten", an solchem Vorhaben aber durch die vielen Kriege und schließlich durch seinen Tod gehindert wurde.
Kam somit unter Maximilian eine Landesordnung nicht zustande, so wurde doch wenigstens eine Sammlung der in den Jahren 1487-1499 erlassenen Gesetze veranstaltet und 1506 mit Genehmigung der Regierung gedruckt.
Auf dem Huldigungslandtage 1520 baten die Stände um Verbesserung der Landesordnung und erneuerten 1523 dieses Verlangen mit dem Beisatze, daß auch ihre alten und neuen Freiheiten in ein Libell gebracht und gedruckt würden. Die Errungenschaften der Steirer und die Aussichten, welche das Wormser Libell der unterennsischen Landschaft eröffnete, mochten zu diesem Begehren den Anlaß geboten haben. Ferdinand zeigte sich nur im ersten Punkte willfährig; zum zweiten bemerkte er, daß die Stände ihre Statuten und Freiheiten in ihrer Gewalt hätten und jederzeit einsehen könnten.
Ernstliche Schritte zur Verwirklichung der Landesordnung wurden im März 1525 unternommen, indem der Innsbrucker Landtag eine aus Statthalter, Hofräten und ständischen Ausschüssen gebildete Kommission mit der Verfassung eines Entwurfes betraute, der schon am nächsten Landtag verlesen und sodann gedruckt werden sollte.
Die von Schwaben in das Land verpflanzte Erhebung der Bauernschaft führte zu einem raschen, wenngleich unvorgesehenen Ergebnis der Gesetzgebung. Nachdem die im Mai 1525 von der Bauernschaft an der Etsch einberufene Versammlung von Abgeordneten der Städte und Gerichte die radikalen religiös-sozialen Forderungen der Aufständischen in 106 Artikeln formuliert hatte, stellten die unteren Stände auf dem Innsbrucker Landtag (Juni 1525) das Verlangen, daß die Meraner Artikel für eine gemeine Landesordnung gehalten und die alten Gewohnheiten und Landesordnungen abgetan werden. Wies auch der im Lande weilende junge Erzherzog zu einer Zeit, da der Prälatenstand am Landtag fehlte und die Ritterschaft sich dem Druck der unteren Stände gegenüber widerstandsunfähig erwies, mit bewundernswerter Festigkeit diese Prätension zurück, so haben gleichwohl die Bauern, denen die Städte freiwillige Gefolgschaft leisteten, im Wege der Unterhandlungen die wichtigsten Punkte ihrer artikulierten Postulate, soweit diese nicht geradezu eine Verletzung von Hoheitsrechten des Landesherrn und der geistlichen Fürsten beinhalteten, durchgesetzt.
Die auf Grund dieser Abmachungen zustande gekommene Landesordnung mit ihren Adnexen, der Empörungsordnung und der (bis zur Erledigung durch ein allgemeines Konzil oder den Reichstag gewährten) Ordnung des geistlichen Standes pflegt darum nicht unpassend als Bauernlandesordnung bezeichnet zu werden.
Die Landes- und Empörungsordnung wurde nach einer durch landesfürstliche Kommissarien vorgenommenen Umfrage bei den Städten, Gerichten und in der von der Regierung veranstalteten Schlußredaktion am IV 1526 mit dem Vorbehalte ratifiziert, daß die Landesordnung gemeinen Landesfreiheiten "in all ander Weg" ohne Schaden sein und dem Erzherzoge zustehen solle, dieselben landsordnung gesatz und gepot mit vorwissen der landschaft zu mindern oder zu meren. Die Ordnung des geistlichen Standes, die das Kirchenregiment scheinbar dem Landesfürsten, tatsächlich aber den unteren Ständen auslieferte, wurde weder promulgiert noch in die Druckausgabe der Landesordnung aufgenommen und hat nur handschriftliche Verbreitung gefunden.
Von den beiden Büchern der Landesordnung ist das erste der Gerichtsverfassung, dem Zivilprozesse, Erbrechte, Vormundschaftswesen und verwaltungsrechtlichen Normen, die sich namentlich auf die Regelung der bürgerlichen und bäuerlichen Rechtsverhältnisse beziehen, das zweite dem Strafrecht und Strafprozesse gewidmet. Die Malefizordnung 30 XI 1499 hat diesem Teile als Vorlage gedient; daneben wurde die Freiburger Stadtrechtsreformation vom J. 1520 benutzt.
Groß waren die Errungenschaften der in den Gerichten vertretenen Bauernschaft; alle nicht durch 50 Jahre alte Urkunden erweislichen Roboten, dann der kleine Zehnt, die vom Verkäufer zu entrichtende Ehrung, der Rutscherzins, soweit derselbe nicht an die landesfürstliche Kammer zu entrichten war, und das Sterbevieh wurden abgeschafft, die sogenannten Afterzinse und Weisaten (Abgaben von verschiedenen Nahrungsmitteln) für ablösbar erklärt, Erleichterungen bei Entrichtung von Zinsen und anderen Giebigkeiten gewährt, das Jagdrecht der Bewohner von Stadt und Land sowie der Bergwerksverwandten, endlich das Fischereirecht auf Wildseen und großen fließenden Gewässern anerkannt.
Fruchtlos hingegen blieben die bereits 1508 vorgebrachten und während des Bauernaufstandes nachdrücklich betonten Forderungen wegen gänzlicher Beseitigung der Doktoren bei der Regierung, denen mit dem Hinweise auf die dem gemeinen Rechte unterworfenen Gebietsteile (vor allen die Vorlande) begegnet wurde. Ebensowenig Erfolg hatten die Vorschläge auf Einschränkung des Kompetenzkreises der Regierung und auf Errichtung eines lediglich aus Vertretern des Adels, der Städte und Gerichte zusammengesetzten Gerichtes. Nur das eine Zugeständnis wurde der Landschaft und zwar schon auf dem Märzlandtage 1525 gewährt, daß den Parteien anheimgegeben ward, vor der Regierung (die im Gegensatze zur Regimentsordnung 24 XII 1499 das schriftliche Verfahren zur Anwendung brachte) in Hinkunft mündlich oder schriftlich zu verfahren. Doch konnte der Erzherzog die Bemerkung nicht unterdrücken, "daß durch eine Sache, wo die in die Feder geredet werden sollte, viele andere Parteien verhindert und in Unkosten geführt werden möchten".
Bereits 1527 wurde auf dem zu Innsbruck abgehaltenen Novemberlandtage vom Klerus der drei Bistümer des Landes die Bitte um Aufhebung der Ordnung des geistlichen Standes und um Reformierung der wider die geistliche Immunität laufenden Artikel der Landesordnung vorgebracht. Der König entsprach diesem Begehren, indem er resolvierte, daß bei Revision der Landesordnung auf die Rechte und alten Herkommen sowie auf den Reichsabschied von Speyer 1526 Bedacht genommen werden sollte, und interim bemeldtes libell, fahls solches wider die geistlichkeit allegirt wurde, durch bemeldten Speyer reichabschied abgethan zu sein fürgewendet werden solle.
Auf dem Januarlandtage 1529, der durch die Publikation der bisher geheim gehaltenen Abtretung Tirols von Seiten des Kaisers an dessen Bruder Ferdinand seine historische Bedeutung erlangt hat, wurde eine aus Vertretern aller Stände und einigen Räten gebildete Kommission zur Revision der Landesordnung eingesetzt, die nach Fertigstellung des vom oberösterreichischen Regimentsrat und Kammerprokurator Dr. Jakob Frankfurter ausgearbeiteten Entwurfes am 11 II 1531 in die Stadt Bozen einberufen wurde und ihre Beratungen anfangs Juli bis auf einen Artikel beendet hatte. Nach Annahme der Vorlage durch die Stände erhielt sie am 26 IV 1532 als Landesordnung der fürstlichen Grafschaft Tirol die Sanktion des Königs.
Ausgenommen von der Geltung der in neun Bücher abgeteilten Landesordnung (1. Erbhuldigung und Pflichten der Untertanen, 2. Gerichtsverfassung und Zivilprozeß, 3. Ehe-, Erb- und Vormundschaftsrecht, 4. Rechtsverhältnisse der Landgemeinden, 5. grundherrliche Rechte, 6. Handel und Gewerbe, 7. polizeiliche Bestimmungen, 8. Strafrecht, 9. Empörungsordnung) waren die Herrschaften Rattenberg, Kufstein und Kitzbüchel "die nach der Buchsag handeln", dann die "Wälschen und die an wälschen Konfinien liegen und ihre ordentlichen Statuten haben".Nur die Empörungsordnung sollte auch in den bezeichneten Landesteilen Anwendung finden. Andererseits wurde die Landesordnung imitative von Brixen angenommen und gelangte weiter die Paraphrase des Dr. Johann Gemmel als Henneberger Landesordnung 1539 in der fürstlichen Grafschaft Henneberg zur Publikation.
Für die Grund-, Zins- und Zehntgüter wurden die vor 1525 bestandenen Rechtsverhältnisse wieder hergestellt; nur inzwischen auf Grund der Bauernlandesordnung abgeschlossene Vergleiche sollten ihre Gültigkeit beibehalten.
Zeugen auch die zahlreichen Neuerungen gegenüber der Landesordnung von 1526 von zunehmender Einwirkung der fremden Rechte, so hat doch auch dieses Gesetz die nationalen Grundlagen nicht verlassen und die subsidiäre Geltung des gemeinen Rechtes geradezu ausgeschlossen, indem es bestimmt, daß die Landesordnung "gemeinen Landsfreiheiten, Rechten, guten alten Bräuchen, Gewohnheiten und Herkommen in allen anderen Punkten und Artikeln, darin durch diese neue Ordnung und Satzung keine Minderung, Änderung und Erläuterung getan, in allweg unverletzlich und ohne Schaden sein" solle.
Als aber in der Gerichtspraxis der Regierung das Bestreben hervorgetreten war, die Lücken der Landesordnung durch Anwendung der fremden Rechte zu ergänzen, da entbrannte auch in Tirol der Kampf gegen die Appellation. Namens der Landschaft protestierte (Fronleichnam 1554) das adelige Hofgericht, daß die oberösterreichische Regierung "in Fällen, darüber die aufgerichtete Landesordnung nicht ausdrücklich Maß oder Erläuterung gibt, nach den geschriebenen kaiserlichen Rechten und nicht nach den tirolischen Gewohnheiten urteilen und handeln wolle". Die Landtage der Jahre 1554 und 1555 schlossen sich der eingelegten Verwahrung an; indessen der Erfolg dieser Schritte bestand nur darin, daß zwar die Regierungsinstruktion von 1555 das Rechtsmittel der Appellation wider die Erkenntnisse des Hofgerichtes an der Etsch ausschloß, hingegen deren Stelle durch die Supplikation an den Hof ersetzte. Eine Beschwerde, die der Landeshauptmann 1568 namens der Landschaft gegen die Revision vorbrachte, wurde als Eingriff in landesfürstliche Hoheitsrechte zurückgewiesen.
Das Bedürfnis nach einer abermaligen Revision der Landesordnung hatte sich bald genug eingestellt; bereits am 19 II 1533 wurde die Einstellung des Verkaufes und möglichste Verhinderung der Weiterverbreitung der gedruckten Landesordnung 1532 verfügt. Der Anstoß zu dieser (im folgenden Monate zurückgenommenen) Maßregel des Landesfürsten ging offensichtlich vom Präsidenten des geheimen Rates und obersten Kanzler des Königs, Bernhard von Cles, aus, der durch die in der Landesordnung (IX, 28) enthaltene Grenzbeschreibung der gefürsteten Grafschaft Tirol in seiner Gebietshoheit als Bischof von Trient verletzt erschien — ein unbeabsichtigter Verstoß, den die Deklaration vom 20 VII 1536 saniert hatte.
Als späterhin die Landschaft gegen einzelne Punkte der Landesordnung ihre Beschwerden vorbrachte (1555), erklärte Kaiser Ferdinand, daß durch eine Kommission von Gelehrten und ständischen Ausschüssen eine Revision der ganzen Landesordnung vorzunehmen sei. Behufs Vorbereitung der Beratung wurden durch Umfrage bei den "geschicktesten, auch der Gericht- und Landsbräuche erfahrensten und geübtesten Personen" die in gerichtlichen und anderen Sachen hervorgetretenen Mängel erkundet und erging von der Regierung der Befehl zur Veranstaltung einer Sammlung von Rechtsfällen ihrer Praxis. Die Beratung wurde unter Benutzung der eingelangten Protokolle 1561 bis zum 4. Buche durchgeführt, sodann nach mannigfachen Hemmnissen 1569 durch einen kleineren Ausschuß wieder aufgenommen. Als die Konsultation beendet war, entledigte sich 1572 der größere Ausschuß binnen eines Monates seiner Aufgabe. Ein Differenzpunkt bezüglich der gleichzeitig in Angriff genommenen Polizeiordnung führte neuen Verzug herbei, bis endlich nach einer gemeinsamen Session beider Ausschüsse die "neu reformierte Landsordnung der fürstlichen Grafschaft Tirol" am 14 XII 1573 die Ratifikation erhielt. In der Gliederung schließt sie sich an ihre Vorgängerin an und weist neben mehreren, zumeist erläuternden Beisätzen einen Zuwachs um 44 Titel auf, von denen 40 auf das 6. Buch allein entfallen. Da bei der Revisionsarbeit die in allen Landesteilen eingeholten Äußerungen eine sorgsame Berücksichtigung fanden, läßt sich ein Fortschritt der Rezeption nicht konstatieren.
Obgleich die Bestimmungen der Landesordnung 1532 über die subsidiäre Geltung des Gewohnheitsrechtes auch in der neuen Landesordnung unveränderte Ausnahme gefunden hatten, nahm in der Praxis der obersten Instanzen (Hofrat und Regierung), die zuweilen in überwiegender Zahl mit Gelehrten besetzt waren, der Prozeß der Romanisierung seinen unbehinderten Verlauf. Ungehört verhallten die zahllosen Beschwerden der Landschaft gegen "das ausländische Prozedieren wider Landsrecht und altes Herkommen", unbeachtet blieben die Klagen wegen mannigfacher Kompetenzüberschreitung seitens der Regierung, erfolglos die Vorschläge, die auf Herabminderung der Gelehrtensitze bei den obersten Tribunalen abzielten. Gerade das Gegenteil des gewünschten Effektes war erreicht, als Erzherzog Leopold V. die Subsidiarität der fremden Rechte anerkannte, indem er dem Landtag (1619, wiederholt 1626) erklärte: "daß man, wo die Landesordnung und sonderbare Satzungen aufhören, jeweilen ad ius commune rekurriert, bevorab wo die Gebräuche etwa der Billigkeit und Vernunft nicht allerdings ähnlich, das ist bei allen wohlbestellten Regimentern und Polizeien üblich."
Unter solchen Umständen kann es nicht befremden, daß die Stände einer an sie 1626 ergangenen Aufforderung zur Teilnahme an der Reform ihrer Landesordnung passiven Widerstand entgegensetzten, zumal doch speziell die Notwendigkeit einer Verbesserung der Strafrechtspflege mit dem Hinweise begründet ward, daß die Beisitzer nach Gutdünken urteilen, ohne das Gutachten eines Rechtsgelehrten einzuholen. Auch unter Erzherzogin Claudia kam das Revisionswerk über einige Vorarbeiten nicht hinaus; der damals aufgetauchte Gedanke, den Landsbrauch in ius scriptum zu redigieren, bewegte sich im nämlichen Ideenkreise, von dem die unterennsische Landschaft bereits 1509 beherrscht war. Ebensowenig führten die von Erzherzog Sigmund Franz 1663 unternommenen Schritte wegen Wiederaufnahme der Kodifikationsarbeiten zum Ziele.
Als aber mittels Generalmandates vom 8 III 1695 sämtliche Obrigkeiten im Lande um Gutachten über die Verbesserung der Landesordnung pro statu moderno angegangen wurden, da stellte sich durch die eingelangten Äußerungen heraus, daß die Früchte jener seit der Mitte des 17. Jahrhunderts getroffenen Maßnahmen gereift waren, die Schlag auf Schlag dem heimischen Rechte den Boden zu entringen bestimmt waren: so der Befehl an alle Obrigkeiten, in schwierigen Sachen einen Rechtsgelehrten beizuziehen (1650), die Suspendierung des adeligen Hofgerichtes zu Bozen (1671), das sich stets als Bollwerk deutschen Gewohnheitsrechtes bewährt hatte, endlich die Errichtung der Innsbrucker Universität (1672), in deren Lehrern und Schülern indessen die wissenschaftliche Pflege des Landesrechtes seine hervorragendsten Vertreter (Joh. Christ. Fröhlich zu Fröhlichspurg, Paul Hocher, Thomas Hermanin) finden sollte.
Im Jahr 1696 war eine Kommission zur Beratung der Landesordnung tätig, bis der französisch-bayrische Einfall ihre Arbeiten unterbrach.
Unter Karl VI. erhielt die Landschaft eine Mahnung, sich mit der Landesordnung zu beschäftigen; allein die Aktivität ließ sich lediglich zur Revision der polizeilichen Bestimmungen bereit finden. Nachdem noch 1732 die Angelegenheit fruchtlos betrieben ward, kam wenigstens mit der Pupillenordnung vom 19 II 1738 eine wichtige Novelle zur Landesordnung zustande.
Im Stiftslande Salzburg wurde unter Erzbischof Matthäus Lang ein Anlauf zur Abfassung einer Landesordnung unternommen. Nach Unterdrückung des Bauernaufstandes stellte der geistliche Landesfürst dem Landtag die Errichtung einer guten Landesordnung in Aussicht (Landt. A. Oktober 1525, Prop. Januar 1526) und erklärte, daß zur Abfassung derselben ein kleiner, aus verständigen Landsassen bestehender Ausschuß mit den erzbischöflichen Räten, worunter auch Landleute sein müssen, die Gebräuche im Lande, die Landbriefe, Landsöffnungen, Ehehaften, Rügungen und andere Partikularordnungen, wie auch die Landesordnung der anstoßenden Fürstentümer vor sich nehmen, daraus eine anpassende Landesordnung verfassen und dem Erzbischofe vorlegen solle. Das Elaborat wäre dem kommenden Landtag zur Prüfung vorzulegen gewesen (Landt. A. 11 III 1526). Der nächstberufene Landtag beschränkte sich indessen bis zur Aufrichtung der versprochenen neuen Landesordnung auf die Abfassung eines Mandates der Beschwerungen der Untertanen im Erzstifte Salzburg (24 XI 1526), das in Druck gelegt wurde.
Zur Wirksamkeit ist die zugesagte Landesordnung niemals gelangt. Auch der vorhandene Entwurf trägt die Kriterien des Unfertigen an sich, indem nicht bloß Zifferansätze bei Fristen und Strafsummen einer späteren Fixierung vorbehalten wurden, sondern auch eingestreute Bemerkungen des Verfassers in manche Lücke des Kontextes eintreten.
Das Operat besteht aus 264 nicht numerierten Titeln und behandelt zunächst die zwischen den Pfarrern und Untertanen aufgenommenen Vergleiche, nimmt den Wortlaut des ewigen Landfriedens auf, woran sich die Artikel der Bundstände reihen. Es folgen polizeiliche, straf-, Prozeß- und privatrechtliche Normen der verschiedensten Art.
In der gefürsteten Grafschaft Görz, wo bis zum Anfalle des Landes an Maximilian I. (1500) die Constitutiones patriae ForojuliiHS1 des gelehrten Patriarchen Marquard von Aquileja vom Jahr 1366 in Geltung gestanden hatten, ergab sich das Erfordernis einer Kodifikation aus der Unzulänglichkeit der bisher erlassenen Gesetze. Die auf Anregung des Landeshauptmannes Franz della Torre gestellte Bitte der Landschaft um eine Gesamtreform ihres Rechtes (1556) wurde vom Kaiser Ferdinand bewilligt, indem er zu Kommissarien den aus Italien als Professor des Zivilrechtes berufenen Dompropst zu St. Stephan Dr. Martin Bondenarius und den niederösterreichischen Regimentsrat und vormaligen Landeshauptmann Hieronymus von Attems designierte, zugleich aber verfügte, daß die Stände zwei, die Kontadinen einen Abgeordneten zur Abfassung der Konstitutionen entsenden (26 IV 1556). Als noch im selben Jahre beide Kommissarien starben, traten Anton della Torre, Johann Josef Eck von Ungerspach und Dr. Georg Pardt an ihre Stelle. Die Stände wußten den Ausschluß der Kontadinen durchzusetzen und wählten Maximilian von Dornberg und Josef Reschauer zu ihren Vertretern.
Das nur handschriftlich überlieferte, indessen von der Rechtsliteratur des 17. Jahrhunderts mehrfach benutzte Elaborat behandelt in 186 Kapiteln vornehmlich Materien des Prozeß- und Strafrechtes, dann des Familien- und Erbrechtes und unternimmt zudem eine Regelung der bäuerlichen Rechtsverhältnisse.
Nicht befriedigt durch diese Arbeit, veranlaßten die Stände eine Revision des Werkes, die 1597 vom Kanzler der Grafschaft Kaspar Bertis unter Mitwirkung der Rechtsgelehrten Arcano, Johann Maria Zuppini, Peter Hortensius Isolano und Georg Delmestre ausgeführt wurde. Der zur landesfürstlichen Bestätigung nach Graz eingesendete Entwurf erhielt nach einer Superrevision, mit der Jakob von Neuhaus, Kaspar von Terzi und der Kammerprokurator Hortensius Locatello von der Regierung betraut waren (2 VII 1603), auf Grund der von Locatello vorgeschlagenen Emendationen am 27 XII 1604 die Ratifikationen des Erzherzog Ferdinand.
In sechs Büchern handeln die "Constitutiones illustrissimi comitatus Goritiae" [ÖNB-Digitalisat der Ausgabe 1605] von Personen, gerichtlichem Verfahren, Kontrakten, Erbrecht, Strafrecht und Taxen. Die Konstitutionen wurden seit 1605 in fünf Auflagen gedruckt, von denen jedoch die beiden letzteren (Venedig, Josef Tramontini 1688 und Udine, Schiratti 1697) sich als editio quarta ausgeben.
Die Ausdehnung des räumlichen Herrschaftskreises der neuen Landesordnung auf die Grafschaft Gradiska, in der eine von dem Rechtsgelehrten Hieronymus Garzoni um 1575 verfaßte Sammlung des Gewohnheitsrechtes die Praxis beherrschte, und auf das nach eigenen Statuten lebende Stadtgebiet rief sofort die heftigste Opposition von Seite der bei Abfassung des Kodifikationswerkes unvertreten Gebliebenen hervor; so zwar, daß sich die innerösterreichische Regierung 1607 bemüßigt sah, den Ständen die Einholung von Gutachten des Hauptmanns und Magistrats zu verordnen. Kommissarien, welche die Landschaft zur Schlichtung des entstandenen Konfliktes ernannte (13 IX 1608), vermochten nichts auszurichten, namentlich beharrte die Bürgerschaft auf Belassung ihrer Statuten (14 V 1612).
Groß war die eingerissene Wirrnis im Lande: "Der Zustand von Görz ist ein gesetzloser, weil einige, denen die früheren Konstitutionen nicht dienlich sind, dieselben zu verwerfen, die vorgeschlagenen und reformierten hingegen als nicht angenommen und genehmigt befinden. Diese Unordnungen ziehen so schlimme Folgen nach sich, wie sie nur in einem der Gesetze beraubten Lande begegnen können." (Bericht des Landeshauptmannes Johann Sforza di Porzia an die Regierung 3 V 1614).
Mehrfache Abordnungen an den Hof des Landesfürsten und die Regierung (1620, 1625, 1629, 1634) führten keine Abhilfe der Gebrechen herbei, bis endlich die Belehnung des Hans Anton Fürsten von Eggenberg mit der gefürsteten Grafschaft Gradiska (1647) dem unerträglichen Zustand ein Ende bereitete.
Stobbe: Geschichte der deutschen Rechtsquellen, II. Bd., Braunschweig 1864. | Digitalisat. |
v. Harrasowsky: Geschichte der Kodifikation des österreichischen Zivilrechtes, Wien 1868. | Digitalisat. |
Freiherr v· Canstein: Lehrbuch der Geschichte und Theorie des österreichischen Zivilprozesses, I. Buch, Berlin 1880. | Digitalisat. |
v. Luschin: Österreichische Reichsgeschichte, Bamberg 1896. | Digitalisat §§ 38 – 47 D. |
v.Luschin: Grundriß 1899. | Digitalisat. |
Huber-Dopsch: Österreichische Reichsgeschichte, 2. Aufl., Wien 1901. | Digitalisat. |
Krainz-Pfaff-Ehrenzweig: System des österreichischen allgemeinen Privatsrechts, 4. Aufl., Wien 1905. | Digitalisat. |
Graf Chorinsky: Das Vormundschaftsrecht N. Ö., Wien 1878. | Digitalisat. |
Graf Chorinsky: Der österreichische Exekutivprozeß, Wien 1879. | Digitalisat. |
Graf Chorinsky: Beiträge zur Erforschung österreichischer Rechtsquellen, G. Z. 1896, Nr. 3. | Digitalisat. |
Adler: Die Organisation der Zentralverwaltung unter Kaiser Maximilian I., Leipzig 1886. | Digitalisat. |
Motloch: Karl Graf Chorinsky, Archiv-Mitteilungen der k. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale, IV. Bd. | Digitalisat. |
Motloch: Bericht des Dr. Wolfgang Püdler, in Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germ. Abt., Bd. 21. | Digitalisat. |
Motloch: Traktat über das eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns, Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germ. Abt., Bd. 23. | Digitalisat. |
Hoegel: Geschichte des österreichischen Strafrechtes I. Wien 1904. | Digitalisat. |
v. Luschin: Österreicher an italienischen Universitäten zur Zeit der Rezeption, in Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich, N. F. Bd. 14—19. | Digitalisat. |
Mayer: Das Archiv und die Registratur der niederösterreichischen Stände von 1518-1848 im Jahrbuch des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich, 1902. | Digitalisat. |
Stülz: Geschichte des Zisterzienserklosters Wilhering, Linz 1840. | Digitalisat Google. |
v. Krackowitzer: Dr. Abraham Schwarz, Der Verfasser der oberösterreichischen Landtafel, in Linzer Zeitung 1895, Nr. 58. | Digitalisat. |
v. Luschin: Die steirischen Landhandfesten, in Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellcn, Bd. 9. | Digitalisat. |
Mell: Das steirische Bannrichteramt, in Zeitschrift für steirische Geschichte, 2. Jahrgang. | Digitalisat. |
Levec: Die krainischen Landhandfesten in Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 19. Bd. | Digitalisat. |
Rapp: Über das vaterländische Statutenwesen II., in Beiträge zur Geschichte von Tirol und Vorarlberg, Bd. 5. | Digitalisat. |
Oberweis: Die Tiroler Landesordnung vom Jahr 1526, in Österreichische Vierteljahrschrift für Rechts- und Staatswissenschaften, Bd. 17 und 18. | Digitalisat. |
v. Sartori-Montecroce: Beiträge zur österreichischen Reichs- und Rechtsgeschichte I. Über die Rezeption der fremden Rechte in Tirol und die Tiroler Landesordnung, Innsbruck 1895. | Digitalisat. |
Siegel: Das Güterrecht der Ehegatten im Stiftslande Salzburg, in Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Klasse der Wiener Akademie, Bd. 99. | Digitalisat. |
Morelli di Schönfeld: Istoria della contea di Gorizia, Görz 1855 ff., Bd. I, II. | Digitalisat [Google] |
Freiherr v. Czoernig: Das Land Görz und Gradiska, Wien 1873. | Digitalisat. |
[Im Druck folgt hier: II. Böhmische Ländergruppe]