Neue Satz- und Ordnung vom Erb-Recht ausser Testament 1720

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Transkription der Ausgabe 1720

Ausgabe Codex Austriacus III 952


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Transkription Heino Speer 2013

Karl VI. Neue Satz-und Ordnung vom Erb-Recht ausser Testament (Wien 1720) :: Elektronische Edition Heino Speer 2013

Editorial

Die Transkription erfolgte auf Grund eines Google-Digitalisates eines Exemplars der Österreichischen Nationalbibliothek (Signatur: 226838-D.Alt) im Februar / März 2013. Aus technischen Gründen wurden die durch ein übergeschriebenes “e” dargestellten Umlaute durch die Umlaute selbst ersetzt. Die originale Darstellung wird im Projekt RHN, in dem diese technischen Probleme nicht bestehen, präsentiert werden.

[Titelblatt des Exemplars der Österreichischen Nationalbibliothek Sign.: 226.838-D.Alt]

Der Röm. Kays.
auch zu Hispanien / Hungarn
und Böheim etc. Königl. Majestät / etc. etc.
Herrn / Herrn
Caroli Des Sechsten /
Ertz-Hertzogens zu Oesterreich / etc. Unsers
Allergnädigsten Herrn und Lands-Fürstens / etc.
Neue
Satz- und Ordnung
Vom
Erb-Recht ausser Testament,
Und anderer
Letzter Willen / auch was deme anhängig /
Jn Dero
Ertz-Hertzogtum Oesterreich unter der Enns.
ANNO M. DCC. XX.
Gedruckt zu Wienn /
Bey Johann Van Ghelen / Jhro Röm. Kayserl und Königl. Cathol.
Majestät Hof-Buchdruckern.
[Seite 3]

WJr Carl der Sechste / von GOttes Gnaden Erwöhlter Römischer Kayser / zu allen Zeiten Mehrer des Reichs / in Germanien / zu Hispanien / Hungarn / Böheim / Dalmatien / Croatien / Sclavonien / etc. König / Ertz-Hertzog zu Oesterreich / Hertzog zu Burgund / Steyer / Kärnten / Crain und Würtemberg / Graf zu Habspurg / Flandern / Tyrol / und Görtz / etc. etc.

ENtbieten allen und jeden Unseren nachgesetzten Geist- und Weltlichen Obrigkeiten [Seite: 4 ]/ auch anderen Unseren Treu-gehorsamsten Ständen und Unterthanen in Unserem Ertz-Hertzogtum Oesterreich unter der Enns / und sonsten männiglichen / was Standes und Würden die seynd / Unsere Gnad und alles Gutes : und fügen euch hiemit Gnädigst zu vernehmen ; was massen von Weiland Unsers höchst-geehrt-geliebtesten Herrn und Vatters LEOPOLDI Kayserl. Majestät und Liebden glorreichester Gedächtnuß / ist bemercket worden / daß in denen Erb-Fällen ausser letzt-williger Disposition die Vätter und Mütter / und weiters auf-steigende Lini, ohne genugsam gegründete Ursach / durch einen hiesigen Lands-Gebrauch von denen Erbschaften ihrer Kinder und übrigen Descendenten ausgeschlossen werden : dann in denen Erb-Nehmungen Paterna paternis, Materna maternis, wie eben in vielen anderen ungleichen Landes-Beobachtungen / auch theils irrigen Lands-Gewohnheiten öftere Stritt und Irrungen entstanden seynd : Als haben die schon vorhero [Seite 5] Allerhöchst-benannt-verstorbene Kayserl. Majestät / Christmildesten Angedenckens / Gnädigst verordnet / daß durch denominirte Rähte / mit Zuziehung eines Ausschusses von denen allhiesigen getreu-gehorsamsten N. Oe. Land-Ständen ein Tractatus de Successione ab intestato, wie solcher Rechts-gegründet zu observiren / und am füglichsten in diesem Land zu practiciren / auf teutsche Sprach zu eines jeden gemeinen Manns Belehrnung zusammen getragen / und nach Hof zur Allergnädigsten Ratification gegeben werden solle ; welches zwar in allen gehorsamst ist beobachtet worden : nachdem aber die hierauf erfolgte grosse Krieg und Hungarische Empörungen dieses Werck vollkommens auszumachen gehemmet haben ; hingegen Wir Zeit Unserer Regierung Uns nichts mehrers als die Administrirung der Justiz angelegen seyn lassen / auch alles vorzukehren gedacht seynd / womit durch Einführungen klarer Satz- und Ordnungen unnohtwenige Rechts-Führungen [Seite 6] verhütet werden. Diesemnach haben Wir solchen vorhin entworffenen Tractat de Successione ab intestato wegen verflossener langen zeit von neuen durch einen Ausschuß von denen allhiesigen getreu-gehorsamsten N. Oe. Land-Ständen nochmalen zu übersehen / und folgends von Unserer N. Oe. Regierung vor die gegenwärtige Zeiten weiters recht einzurichten Gnädigst anbefohlen / so auch beschehen / daß der revidirte Tractatus mit seinen Bemerckungen nach Hof gegeben / und von Unseren Hof-Rähten auch genau und reiflich überleget worden / den Wir Uns hierauf durch Unsere Oesterreichische Geheime Hof-Cantzeley zu Unserer schöpfenden Gnädigsten Resolution in Unterthänigkeit haben vortragen / denselben auch ferners Gnädigst resolvirter massen / wie hernach folget / in Druck bringen lassen. [Seite 7]

Erster Titul.
Vom Erb-Recht ins gemein.

Wann jemand ohne Testament oder anderen letzten Willen / so die Kraft eines Testaments hat / abstirbt / oder sein etwann aufgerichter letzter Will ungültig / oder sonsten rechtmässig von Kräften komt / oder der eingesetzte Erb die Erbschaft nicht antretten will / oder kan / wie auch / wann er vor dem Testirer stirbt / so fallet solche Verlassenschaft gemeiniglich auf dessen näheste Bluts-Befreundte / und seynd deren dreyerley :

Damit nun männiglich wissen möge / wie es bey denen sich zutragenden unterschiedlichen Erb-Fällen zu halten / so seynd hierüber Unsere Satz- und Ordnungen in nachfolgenden Tituln umständig zu vernehmen. [Seite 8]

Auf daß auch jedermänniglich solches Erb-Recht desto leichter begreiffen / und sich darin richten könne / so werden hienach bey denen unterschiedlichen Erb-Fällen Exempel und Figuren beygesetzet / in welchen das jenige / so von manns-Personen / als Vatter / Sohn / und Enckel gemeldet / gleichfalls auf die unverziehene Töchter / und derselben Erben / wie auch auf die Mütter / und ihre Leibs-Erben / Manns- und Weibs-Personen / verstanden werden solle / (es wäre dann in ein- oder anderen Fall hierunten was anders besonders verordnet) worbey ferrers zu wissen ist / daß allenthalben deren Abgestorbenen Namen schwartz / deren Lebendigen roth / dann wo die Sippschaften von mehrerley Banden / die / so von einem Band / auch unter einem Zirckel / die anderen aber von beeden Banden / unter zweyen Zirckeln eingestellet seynd.

Der anderte Titul.
Von denen Erbschaften in absteigender Lini.

§. I.

Der erst-erbliche Zutritt gebühret aus natürlicher Billichkeit denen Ehe-leiblichen Kindern / Söhn / und Erb-Töchtern / Enckeln / Ur-Enckeln / und so fortan / zu ihrer Ehe-leiblichen Eltern / Vatter / oder Mutter / Ehn / Ur-Ehn / und noch weiteren Verlassenschaft / und so ein Vatter mehr Ehe-leibliche Kinder aus einer oder mehr Ehen verlast / auch die ihme am Leben / oder nach seinem Tod von seiner hinterlassenen schwangeren Ehe-Frauen lebendig auf die Welt geboren werden / sollen dieselbe ihres abgeleibten Vattern verlassen- frey- eigenes Haab und Gut zu gleichen Theil in die Häupter / das ist / eines so viel als das andere erben / wie nachfolgende Figur ausweiset: [Seite 9]

Exempel.
[Bild 9]

Aus diesen dreyen Söhnen erbet einer so viel als der andere / und wann sie unverziehene Schwestern hätten / so erbet eine gleich so viel / als ein Bruder.

Gleiches Recht hat es auch mit der Mütterlichen Verlassenschaft / daß nemlich ihre Kinder / es seynd selbe Söhne / oder Töchter / wie auch bey einem / oder mehr Männern ehelich geboren / ihre Mutter zugleich erben.

Was aber die Lehen- Fidei-Commiss- Primogenitur- und Seniorat-Güter belanget / wie dieselbe von einem auf den anderen fallen / darüber haben theils Unsere Löbliche Vorfahrer bereits die Vorsehung gethan / theils aber werden Wir der Nohtdurft nach verordnen.

§. II.

Es sollen unter denen ehelichen Kindern auch die jenige durchgehends verstanden seyn / welche etwa von beederseits ledigen Personen ausser der Ehe erzeugt : folgends aber durch beeder Eltern zulässige Heyrat zu ehelichen Kindern werden / und dißfalls die hernach in derselben / oder auch in einer vorigen Ehe geborne / vor ihnen keine mehrere Erb-Gerechtigkeit haben. Wann jedoch in denen Fidei-Commissen was widriges vorgesehen / solle es bey selbig- Fidei-Commissarischer Disposition gelassen / und darnach gehalten werden.

§. III.

Die jenige / so Wir aus Lands-Fürstlich- habender Macht auf ihres Vatters unterthänigste Bitte legitimiren / erben anderst nicht / als wann keine Ehe-leibliche Kinder vorhanden seynd. [Seite 10]

Was aber Unsere Land-Leut / und andere sowol Stands- als Adeliche in diesem Land wohnhafte Personen betrift / wo keine Ehe-leibliche Kinder vorhanden / werden dergleichen legitimirte Kinder von denen ehelich- gebornen inner des zehenden Grads sich zu legitimiren vermögenden Befreundten ausgeschlossen / und also gleich-ermeldte Befreundte denenselben in der Erbschaft vorgezogen.

§. IV.

Gehet eine Person mit Tod ab / und verlast einen oder mehr Ehe-leibliche Söhne im Leben / und neben denenselben auch Enckel von einem / oder mehr abgeleibten Söhnen / so tretten solche Enckel in ihrer Vätter Fuß-Stapfen / und erben neben denen Söhnen in die Stammen / das ist so viel / als ihren Vättern / wann sie den Erb-Fall erlebet / gebühret hätte.

Exempel.
[Bild]
Allda ist die Erbschaft in drey gleiche Theil zu theilen / und hat der Georg allein ein Theil : Ulrich / und Marx den andern : Wolf / Sigmund / und Ludwig den dritten.
[Seite 11]

§. V.

Gleicher Gestalt wird es mit denen Ur-Enckeln gehalten / als / wann der Verstorbene hinter ihme Söhn an einem / und Ur-Enckeln am andern Theil verlast / so tretten ide Ur-Enckel auch in ihrer Vätter Fuß-Stapfen / und erben sammentlich nicht mehr / noch weniger / dann soviel ihrem Vatter zugestanden wäre.

Exempel.
[Bild]

Diese drey Ur-Enckel Wolf / Andre / und Sigmund erben den halben / und der lebendige Sohn Georg den andern halben Theil ; auch so der Christoph zween / oder mehr Söhne / und derselben jeder ferrer Söhn verlassen hätten / so wurde die Erbschaft nachmalen nur in zween Theil getheilet / und hätten beede / oder mehrer des Hannsen Enckel So+ehne / wie auch ihre Vätter selbst / so sie im Leben wären / neben des abgeleibten Sohn Georg nur einen halben Theil. [Seite 12]

§. VI.

Stirbt einer und verlast keinen Sohn / sondern allein Enckel von mehr Söhnen herrührend / so sie schon in gleichem Grad seynd / erben sie doch nicht nach Anzahl der Personen / sondern nach Stammen-Recht / und tretten in ihrer Vätter Fuß-Stapfen / also daß sie / wie viel auch der Personen einer Seits mehrer / als der anderen seynd / von solcher Erbschaft gleichmässige Theil bekommen.

[Bild]

Diese zwey Enckel / Paul / und Marx erben gleich so viel / als die andern drey / Wolf / Andre / und Sigmund mit einander.

§. VII.

Und dieses ist gleichfalls / so einer weder Kinder / noch Enckel / sondern auch mehr Ur-Enckel / von mehrern Söhnen herrührend / verlast / thun auch dieselbe nach Stammen-Recht / [Seite 13] und nicht nach Anzahl der Personen / ihrem Ur-Anherrn erben.

Exempel.
[Bild]

§. VIII.

So allein Enckel von einem Sohn / und Ur-Enckel von einem andern Sohn vorhanden / so tretten abermals jede in [Seite 14] ihrer Vätter Fuß-Stapfen / und erben nicht nach Anzahl der Personen / sondern nach Stammen-Rechten.

[Exempel 14]

§. IX.

Dieses ist auch also / wann neben denen Enckeln / und Ur-Enckeln ein Sohn noch im Leben wäre.[Seite 15]

[Exempel 15]

Hiebey solle die Erbschaft in drey gleiche Theile getheilet werden / und gebühret der erste Theil dem lebendigen Sohn Christophen : der andere denen dreyen Enckeln / Marx / Wolf / und Andreen . der dritte denen vier Ur-Enckeln Caspar / Mathesen / Thomæ / und Niclasen.

§. X.

Und dieses solle bey allen anderen ehelichen Leibs-Erben in ab-steigender Lini fort und fort / so weit sich dieselbe erstrecket / also gehalten / auch an Seiten der Eltern verlassenden Gütern kein Unterschied / woher / oder wie dieselbe Güter erobert / oder gewonnen worden / gemacht / noch denen Kindern die Enterbungs-Ursachen (als welche sich allein auf die letzten Willen verstehen) vorgeworffen werden. [Seite 16]

§. XI.

Jedoch seynd obbemeldte Erb-Fäll von denen verziehenen / oder vor verziehen geachteten Töchtern des Herren- und Ritter-Stands in diesem Unserem Ertz-Hertzogtum nicht zu verstehen / sondern wirdet mit denenselben gehalten werden / wie Wir hernach in dem zwölften Titul dieses Tractats mit mehrern Gnädigst verordnet haben.

Der Dritte Titul.
Vom Erb-Recht der adoptirten
oder angewünschten Kindern.

§. 1.

Wann jemand einen oder mehr an Kinds-statt aufnihmt / und darüber ohne Testament mit Tod abgehet / so fallet seine Verlassenschaft (jedoch ausser der etwann darbey befindigen Lehen / wie auch der Erb- und Stammen-Güter) auf solche adoptirte / oder angewünschte Kinder / und Kinds-Kinder / nicht anderst / als wann sie seine recht ehelich-geborne Kinder wären; und im Fall neben denen angewünschten / auch andere Ehe-leibliche Kinder vorhanden / so erben sie mit einander zu gleichen Theilen.

§. II.

Es hätte dann ein Vatter das angewünschte Kind noch in seinen Leb-Zeiten des Vätterlichen Gewalts wiederum entlassen / in welchem Fall ihme der Adoption oder Anwünschung halber weiter kein Erb-Gerechtigkeit zu des Vattern Verlassenschaft zustehet.

§. III.

Wie dann auch solches Erb-Recht der adoptirten und angewünschten Kindern nicht statt hat / es seye dann daß die Adoption und Anwünschung unter denen Lands-Mit-Gliedern des Herren- und Ritter-Standes / und anderen in diesem Land wohnend- Adelichen Stands-Personen mit Unserm Lands-Fürstlich- Gnädigsten Consens auf vorhergegangene Vernehmung deren darbey interessirten Befreundten; unter anderen Personen [Seite 17] aber / wann der Angewünschte un-vogtbar / vor desselben : und wann er vogtbar / vor des Adoptanten / und Anwünschers ordentlichen Obrigkeit beschehen. Gleichwie nun die Adoption, also auch wiederum die Entlassung mit seinen beygebracht- erheblichen Ursachen / und Approbation erfolgen solle.

Der Vierte Titul.
Von denen un-ehelichen Kindern.

§. I.

Die Kinder / welche aus Blut-Schand / Ehe-bruch / und dergleichen in Rechten verdammten Vermischungen geboren seynd / sollen von aller Vätter- und Mütterlicher Erbschaft ausgeschlossen / und ihnen allein die nohtwendige Unterhaltung gereichet werden.

§. II.

Obwolen die jenige Kinder / welche von zweyen ledigen Personen / die sonsten wol hätten zusammen heyraten können / geboren / vermög gemeiner beschriebenen Kayserlichen Rechten mit gewisser Maß zu ihrer Vätterlichen Erbschaft gelassen werden : jedoch weilen sie nach altem Herkommen in diesem Unsern Ertz-Hertzogtum bishero gäntzlich davon ausgeschlossen / und ihnen allein die unentbärliche Nahrung gereichet worden / so lassen Wir es noch hinfüran zu mehrerer Pflantzung Christlicher Zucht und Ehrbarkeit darbey verbleiben ; und solle ihnen die von Uns etwann erlangende Lands-Fürstliche Legitimation hierzu nicht fürträglich seyn / es wären dann keine Kinder aus rechter Ehe vorhanden / wo alles auf die Weise / wie oben im anderten Titul Paragropho tertio geordnet / zu halten.

Was aber die Mütterliche Güter belanget / sollen dergleichen un-ehelich geborne Kinder in denenselben zu erben zugelassen seyn / wofern die Mütter nicht des Herren- oder Ritter-Stands / oder auch im Niederen Stand andere ehelich geborne Kinder vorhanden wären ; dann sonsten in diesen beeden Fällen dergleichen un-ehelichen Kindern von dem Mütterlichen Gut mehr nicht / dann die nohtwendige Unterhaltung / das übrige aber alles denen ehelichen Kindern allein erfolgen solle. [Seite 18]

[Exempel 18]

Allda erbet der Paul allein / und kommet aus dem Mütterlichen Gut dem Peter allein die nohtwendige Unterhaltung zu gutem.

§. III.

Was bishero in diesem Titul von Unterhaltung der unehelichen Kindern geordnet / wollen Wir dahin verstanden haben / daß wann dieselbe Manns- oder Weibs-Personen ihren Stand durch Verehelichung / Klösterlichen Eingang / Gelübd und Profession, oder andere geziemende Weise verändern / oder zu Mitteln / sich selbst zu ernähren / gelangeten / sodann ist die Unterhaltung aufgehebt.

Der Fünfte Titul.
Von denen Erbschaften in auf-steigender Lini.

§. I.

Obwolen bishero in diesem Unserm Ertz-Hertzogtum Oesterreich unter der Enns in langwürigem Gebrauch gewesen / daß keine Erbschaft ausser Testaments oder letzten Willens von denen Kindern zuruck auf die Eltern gefallen ; jedoch weilen Wir es der natürlichen Neigung / wie auch denen gemeinen beschriebenen Kayserlichen [Seite 19] Rechten entgegen zu seyn befinden / so haben Wir solches aus Lands-Fürstlicher Macht / nach Vernehmung Unserer getreu- gehorsamsten Ständen / hiemit allerdings aufgehebt. Setzen demnach / ordnen / und wollen / daß hinfüran die Erbschaften auch in auf-steigender Lini folgender Gestalten zugelassen seyn sollen.

§. II.

Wann nemlich eine Adeliche Person / so nicht des Herren- oder Ritter-Stands in diesem Land ; ingleichen ein Burger / oder Gemeiner stirbt / und weder Ehe-leibliche Kinder / oder deren Kinds-Kinder / so lang die absteigende Lini wehret / noch auch in der Seiten-Lini Geschwisterte von beeden Banden verlast / so sollen seine überlebende Eltern Vatter / oder Mutter / wann nur eines lebt / allein / oder wann beede leben / zugleich erben.

[Exempel 19]

§. III.

Stirbt ein Kind / und verlast einer Seiten allein seinen Vatter / und auf der andern Seiten seinen Mütterlichen An-Herrn / oder An-Frauen ; wie auch / da er einer Seits allein seine Mutter / und auf der anderen Seiten seinen Vätterlichen An-Herrn / oder An-Frauen verliesse / so schliest solcher Vatter / oder Mutter den An-Herrn / oder An-Frauen von der Erbschaft gäntzlich aus / dergestalt / daß dießfalls das Jus Repræsentationis nicht statt haben / das ist / der An-Herr / oder An-Frau in ihrer verstorbener Kinder Fuß-Stapfen nicht tretten / sondern der näheste im Blut / der näheste zum Gut seyn solle. [Seite 20]

[Exempel 20.1]

Allhier erbt der Hannß seinen verstorbenen Sohn Georg allein / und schliest den Paul als Mütterlichen An-Herrn davon aus : Ein anders

[Exempel 20.2]

Allhier erbt die Anna ihren verstorbenen Sohn Georg allein / und schliest den Peter als Vätterlichen An-Herrn davon aus. [Seite 21]

§. IV.

Wann ein Kind weder Vatter / noch Mutter / sondern allein beederseits An-Herrn / und An-Frauen verlast / so erben dieselbe zu gleichen Theilen ; wie auch im Fall einerseits allein der An-Herr / oder An-Frau / auf der anderen Seiten beede zugleich vorhanden wären / so solle gleichwohl die Verlassenschaft halben Theil denen Vätterlichen / und halben Theil denen Mütterlichen An-Herrn / und An-Frauen zustehen.

[Exempel 21]

Allhier erben Peter / und Maria / Paul / und Ursula ihren verstorbenen Enckel Georg zu gleichen Theilen. Ein anders [Seite 22]

[Exempel 22.1]

Allhier fallt des Georg Verlassenschaft halb auf seinen Vätterlichen An-Herrn Peter / und der andere halbe Theil auf seinen Mütterlichen An-Herrn Paul / und An-Frau Ursula.

§. V.

Gehet aber ein Kind mit Tod ab / und verlast neben seinen Eltern Geschwister von beeden Banden / so erben die Geschwister mit denen Eltern in die Häupter zu gleichen Theilen.

[Exempel 22.2]

Allhier erbt Hannß / Anna / Jacob / und Salome des Georg Verlassenschaft zu gleichen Theilen.[Seite 23]

§. VI.

Da es sich begebe / daß neben denen Eltern / und zwey-bändigen Geschwistern / auch Kinder von einem oder mehr verstorbenen zwey-bändigen Brüder / oder Schwester vorhanden wären / so stehen solche in ihrer Eltern Fuß-Stapfen / und erben so viel als ihre Eltern / da sie noch im Leben / geerbet hätten.

[Exempel 23]

Allhier fallt des verstorbenen Georg Verlassenschaft auf den Hannß / Anna / Jacob / Ernst / und Maria / jedoch daß diese letztere zwey mit einander nur so viel erben / als ihr abgeleibte Mutter Salome / wann sie des Georg Tod erlebt / bekommen hätte.

§. VII.

Ingleichen wann neben denen Eltern keine des Erb-lassers zwey-bändige Geschwistern / sondern allein derenselben Kinder im Leben wären / so stehen solche ebenfalls in ihrer Eltern Fuß-Stapfen / und erben so viel als ihre Eltern / da sie noch im Leben / geerbet hätten. [Seite 24]

[Exempel 24]

Hier erben den Georg sein Vatter / und Mutter / wie auch seiner abgeleibten Geschwister Kinder in die Stammen / nemlichen der Philipp so viel / als der Jacob ; dann die Maria / und Ernst mit einander so viel / als die Mutter Salome bekommen hätte.

§. VIII.

Hiebey wollen Wir zu Verhütung vieler Stritt / und Irrungen den Unterschied der frey-eygenen Güter / ob selbige von dem ober- unter- oder neben-Stämmigen herkommen / allerdings aufgehebt : und was Wir in denen vorgehenden Paragraphis dieses Tituls von Erbschaften in auf-steigender Lini geordnet / auf des Erb-lassers Güter ins gemein / und die Personen / so nicht des Herren- oder Ritter-Stands in diesem Land seynd / verstanden haben.

§. IX.

Wie dann / wann ein Sohn stirbt vom Herren- oder Ritter-Stand dieses landes ohne Descendenten / und verlast hinter sich Vatter / und Mutter / so wollen Wir Gnädigst / daß zu besserer Erhaltung der Adelichen Geschlechter / gleichwie die Töchter zu Favor des Manns-Stammen vor verziehene Töchter gehalten / also auch dieses Orts die Mutter von der Erbschaft des [Seite 25] Sohns ausgeschlossen / und der Vatter allein hierbey zugelassen werden solle. Und was Wir diß Orts vom Vattern geordnet haben / wollen Wir von dem gantzen Männlichen Stammen in auf-steigender Linea , und dessen Concurrenz Männlichen Stammens verstanden, und darmit auch die An-Frau / und höhere Gradus mit der weiblichen Linea an solcher Erbschaft ausgeschlossen haben.

§. X.

Im Fall aber eine Tochter vom Herren- und Ritter-Stand ohne nachlassenden Descendentten dieses Zeitliche segnet / so erbet der Vatter / und Mutter / nach denen in diesem Titul anfangs gesetzten Ordnungen / ohne Unterschied des Männ- oder Weiblichen Geschlechts ; und also auch von denen weiteren Gradibus zu verstehen.

Der Sechste Titul.
Wann und wie einer zu seiner adoptirten oder angewünschten Kinder Erbschaft zuzulassen.

§. I.

Wann jemand / der von einem Fremden / so ihme mit keiner Bluts-Freundschaft beygethan / an Kindsstatt aufgenohmen worden / ohne eheliche Leibs-Erben mit Tod abgehet / und neben seinen Eltern auch den anwünschenden Vatter verlast / solle dessen Erbschaft denen natürlichen Eltern zufallen / und der Anwünschende hievon gäntzlich ausgeschlossen werden.

[Exempel 25] [Seite 26]

Allda erben die natürliche Eltern Hannß / und Anna ; und wird der anwünschende Vatter völlig ausgeschlossen.

§. II.

Wann aber jemand von seinem Vätterlich- oder Mütterlichen An-Herrn an Kinds-statt aufgenohmen worden / solle dessen Verlassenschaft dem anwünschenden / und nicht denen natürlichen Eltern zustehen.

[Exempel 26]

Hier erbt der Simon / und wird der natürliche Vatter ausgeschlossen.

§. III.

Im Fall ein Arrogatus abstirbt / und weder Kinder / natürliche Eltern / noch Geschwistern / oder Geschwister-Kinder von beeden Banden ; wol aber den Arrogatorem hinterlast / in dessen Vätterlichen Gewalt er bis in den Tod verblieben / und zugleich seine vogtbare Jahr erreichet hat / so soll ihn der jenige / so ihn arrogirt / allein ; und alle andere etwann vorhandene weitere Befreundte ausgeschlossen werden. Sturbe er aber in unvogtbaren Jahren / so wird der Arrogator von der Erbschaft ausgeschlossen / und die näheste Bluts-Verwandte zugelassen. [Seite 27]

[Exempel 27]

Hier erbt der Lucas den Michael allein / im Fall er bis in den Tod in des Arrogatoris Vätterlichen Gewalt verbliben / und zugleich seine vogtbare Jahr erreichet hat : sturbe der Michael aber in unvogtbaren Jahren / wurde der Lucas von denen nähest-lebenden Befreundten ausgeschlossen.

§. IV.

Dafern aber ein solcher Arrogatus neben seinem Arrogatore auch zwey-bändige Geschwistern / oder neben zwey-bändigen Geschwistern auch Geschwister-Kinder verliesse / so solle der Arrogator mit ihnen zu gleichen Theilen in die Häupter erben.[Seite 28]

[Exempel 28]

Allda erben der Peter / Andre / und Ferdinand zu gleichen Theilen.

Der Siebende Titul.
Ob / und wie die Eltern zu ihrer un-ehelichen Kindern Erbschaft zuzulassen.

§. I.

Gleichwie Wir oben in dem Vierten Titul §. I. die jenige Kinder / welche aus Blut-Schand / Ehe-Bruch und dergleichen in Rechten verdamten Vermischungen geboren seynd / von aller Vätter- und Mütterlichen Erbschaft ausgeschlossen ; also wollen Wir auch viel mehrers / daß solche Eltern zu ihrer Kinder Erbschaft keines wegs zugelassen werden sollen.

§. II.

Ebenermassen solle ein Vatter sein Kind / welches er mit einer ledigen Person / die er sonst wol hätte heyraten mögen / erzeugt / nicht erben können : Der Mutter aber / wann der Verstorbene neben ihr keine Geschwistern hinterlassen / die Erbschaft allein zustehen ; sie wäre dann Herren- oder Ritter- oder [Seite 29] ein in diesem Land wohnend- Adeliche Stands-Person / in welchem Fall sie sowol / als der Vatter von der Erbschaft ausgeschlossen seynd / und allein / wann sie die Mutter arm und nohtleidig / ihr von des Kinds Verlassenschaft die unentberliche Unterhaltung erfolgen solle.

[Exempel 29.1]

Hier ist der Caspar ausgeschlossen / und erbet den Peter seine Mutter Anna allein ; Wann aber die Anna des Herren- oder Ritter-Stands / oder eine in diesem Land wohnend- Adeliche Stands-Person wäre / wurde sie / gleich dem Caspar / von der Succession ausgeschlossen ; und ihr allein / falls sie arm / die unentberliche Unterhaltung zu reichen seyn.

§. III.

Wann ein solches un-eheliches Kind neben seiner Mutter auch Geschwistern hinterlassen / so erbt die Mutter mit ihnen zu gleichen Theilen in die Häupter.

[Exempel 29.2]

Hier erben die Magdalena / und Catharina zu gleichen Theilen. [Seite 30]

§. IV.

Was hiebey von denen Müttern geordnet worden / ist auch auf die An-Frau / und weitere Eltern in auf-steigender Mütterlichen Lini zu verstehen.

Der Achte Titul.
Von denen Seiten-Erben / und erstlichen denen Geschwistern allein.

§. I.

Wann der Abgeleibte weder Kinder noch Eltern / sondern Geschwistern von beeden Banden ohne Unterschied des Geschlechts verlast / so solle denenselben die Erbschaft zu gleichen Theilen zufallen.

[Exempel 30]

Allhier erben Marx / und Lucas / ihren verstorbenen Bruder zu gleichen Theilen.

§. II.

Wann der Verstorbene einerseits Geschwistern von beeden Banden / und anderseits Geschwister-Kinder / die auch von [Seite 31] beeden Banden herkommen / verlast / so erben diese mit denen Geschwistern in Stammen : das ist so viel als ihr Vatter / oder Mutter / da sie den Fall erlebt / geerbet hätten.

[Exempel 31]

Allhier fallt des Georg Verlassenschaft halb auf seinen Bruder Marx / und halb auf seines verstorbenen Bruders Lucas zwey Kinder Leopold / und Ferdinand.

§. III.

So aber einer Geschwistern / und Geschwister-Kinder von beeden Banden / auch danebens Geschwistern / oder Geschwister-Kinder von einem Band verlast / werden die ein-bändige von denen zwey-bändigen ausgeschlossen.[Seite 32]

[Exempel 32.1]

Allhier fallt des Georg Verlassenschaft halb auf seinen zwey-bändigen Brudern Marx / und halb auf seines verstorbenen zwey-bändigen Brudern Lucas Kinder Leopold / und Ferdinand ; und wird sein ein-bändiger Bruder Michael / wie auch seiner verstorbenen ein-bändigen Schwester Sophiæ Kinder Eva / und Clara ausgeschlossen.

§. IV.

Wann keine Geschwister von beeden Banden / sondern allein eines Bands Vatter- oder Mutter- halben vorhanden / sollen sie zu ihres verstorbenen Bruders Verlassenschaft ohne Unterschied der ober- oder unterstämmig / oder von dem Erb-lasser selbst eroberten Gütern zu gleichen Theilen zugelassen werden.

[Exempel 32.2] [Seite 33]

Allhier fallt des Georg Verlassenschaft halb auf seinen vom Vatter einbändigen Bruder Michael / und halb auf den anderen von der Mutter her einbändigen Bruder Lucas.

§. V.

Die angewünschten Gebrüder erben einander nicht / es seye dann / daß sie von dem Ehn oder Ur-Ehn an Kinds-statt angenohmen worden.

§. VI.

Die un-ehelichen Geschwistern / so einander Vatters-halber verbunden / erben einander nicht ; wol aber die jenigen / so von einer Mutter herkommen : Die so durch Ehe-Bruch / oder Blut-Schand erzeuget werden / sollen einander gar nicht erben / sondern fallen als erb-lose Güter dem Fisco, oder der Obrigkeit / darunter solche Verlassenschaft gelegen, anheim.

Erstes Exempel,
Wann un-eheliche Geschwistern Vatters-halben verbunden.

[Exempel 33.1]

Hier erbet die Mutter Anna allein.

Andertes Exempel,
Wann un-eheliche Geschwistern Mutter-halben verbunden.

[Exempel 33.2] [Seite 34]

Hier erbet der un-eheliche Bruder Marx allein / und falls die Mutter lebete / mit selber zu gleichen Theilen.

Der neunte Titul.
Von Geschwister-Kindern.

§. I.

So der Verstorbene weder Kinder / noch Geschwistern / sondern allein Geschwister-Kinder von einem oder mehr zwey-bändigen Bruder oder Schwester verlast / so sollen solche Geschwister-Kinder nicht nach Stammen-Recht / sondern in die Häupter / das ist / nach Anzahl ihrer Personen / jedes für sich selbsten Erb seyn.

[Exempel 34]

Allhier erbet Lucas / Marx / Caspar / Melchior / und Balthasar / des Pauls / als ihres Vatter und Mutter Bruders Verlassenschaft zu gleichen Theilen. [Seite 35]

§. II.

Wären aber die Geschwister-Kinder allein von einem Band Vatters- oder Mutter- halben / so sollen sie zu des Verstorbenen Erbschaft ohne einigen Unterschied der frey- eigenen Güter / und woher diese immer an den Erb-lasser gekommen seynd / zu gleichen Theilen in die Häupter zugelassen werden.

[Exempel 35]

Allhier fallt des Georg Verlassenschaft auf seines Vatters- halb- einbändigen Brudern Michael drey Kinder / Caspar / Melchior / Balthasar / und auf des andern Mutter- halb- einbändigen Bruder Lucas zwey Kinder / Simon / und Marx zu gleichen Theilen.

§. III.

Wann jemand Geschwistern an einem / und Geschwister-Kinder am andern Theil verlast / welche sammentlich ihme nur von einem Band Vatter- oder Mutter-halben befreundet wären / so erben auch diese ein-bändige Geschwister-Kinder mit denen ein-bändigen Geschwistern ohne Unterschied der Güter in die Stammen. [Seite 36]

[Exempel 36]

Allhier fallt des Georg Verlassenschaft halb auf den Lucas allein / und halb auf des Michael drey Kinder Caspar / Melchior / und Balthasar.

Jedoch solle in denen alten Erb-Stammen-Gütern denen Agnatis vor denen Cognatis dergestalten der Vorzug gebühren / daß sothane alte Erb-Stammen-Güter denen Agnatis in dem zur Zeit der Abtheilung gangbaren Preiß überlassen / und von diesem ihnen Cognatis die zukommende Erbs-Portion pro rata zugetheilet werden.

Der Zehende Titul.
Von Geschwister- Kinds- Kindern.

Was nächst hie-oben von denen Geschwister-Kindern geordnet / das erstrecket sich auch auf die Geschwister- Kinds-Kinder / ausser daß bey ihnen das Jus Repræsenationis nicht mehr statt hat / das ist / in den Fällen / wo der Verstorbene neben denen [Seite 37] Geschwister- Kinds-Kindern auch zugleich Geschwistern / oder Geschwister-Kinder verlast / so die Geschwister- Kinds-Kinder in ihrer abgeleibten Eltern Fuß-Stapfen nicht tretten / sondern von denen noch-lebenden Geschwistern / oder Geschwister-Kindern von der Erbschaft ausgeschlossen werden sollen : also / daß wann einer nach seinem Ableben ein Brudern / dann von einem andern Bruder Kinder / und vom dritten Bruder Kinds-Kinder verliesse / so erbeten ihn allein sein Bruder / und Bruders-Kinder sowol in denen Vätter- und Mütterlichen Erb- als denen selbst gewonnen- und eroberten Gütern . die Kinds-Kinder aber vom dritten Brudern wurden gar ausgeschlossen / wie in beygesetzter Figur zu sehen.

[Exempel 37]

Allhier fallet des Georg Verlassenschaft allein auf seinen Bruder Paul / und des verstorbenen Bruder Peter zwey Kinder Anna / und Maria : der Caspar / Melchior / und Balthasar aber als Geschwister- Kinds-Kinder werden ausgeschlossen. [Seite 38]

Der Eilfte Titul.
Von denen andern Seiten-Erben / und weiter gesippten Freunden.

Wann keine Geschwistern / noch deren Kinder / oder Kinds-Kinder vorhanden / so fallet die Erbschaft auf die Person / welche sonsten in der Seiten-Lini die näheste im Grad der Sippschaft ist : wann aber mehr Personen in gleichem Grad vorhanden wären / so erben dieselbe des Verstorbenen Haab und Güter ohne Unterschied / ob selbige von dem ober- oder unter-Stammen herrühren / oder von dem Erb-lasser selbst erobert worden ; und zwar nicht nach dem Stammen / sondern nach Anzahl der Personen.

Der Zwölfte Titul.
Von denen verziehenen Töchtern des Herren- und Ritter-Stands.

§. I.

Weilen in diesem Unsern Ertz-Hertzogtum bey dem Herren- und Ritter-Stand von Alters- her gebräuchig gewesen / daß die Töchter zu besserer Erhaltung der Adelichen Geschlechter sich des Erb-Rechts gegen dem Vatter / und dessen ab- und auf-steigende Lini , solang derselbe Stammen wehret / verzeihen müssen / so wollen Wir es noch hinzüro dabey allerdings bewenden lassen / mit dem Zusatz / daß ob sie schon keine schrifftliche Verzicht von sich gegeben hätten / dannoch solang der Manns-Stammen ab- und auf-steigender Lini wehret / für verziehen gehalten werden sollen ; wo aber die Verzichten durch besondere Pacta Familiæ auf den gantzen Namen und Stammen vorgesehen seynd / lassen wir es dabey auch verbleiben. [Seite 39]

[Exempel 39.1]

Hier erbet des Joannis An-Herr Caspar die Verlassenschaft des Joannis / mit Ausschliessung des Erb-lassers zweyer Schwestern Margarethæ / und Julianæ.

Andertes Exempel,
Wo die Verzichten auf den gantzen Namen und Stammen vorgesehen.

[Exempel 39.2] [Seite 40]

Hier kommet auf Absterben des Caspar nicht dessen Schwester Anna / sondern des vor- verstorbenen Bruders Melchior Sohn Balthasar allein zur Succession.

§. II.

Herentgegen ist der jenige vom obgedachten Manns-Stammen / welcher die also verziehene Töchter von der Erbschaft ausschliesset / selbige bis zu ihrer Verehelichung / oder Clösterlichen Eingang und Gelübd / dem Stand und Vermögen gemäß / zu unterhalten ; nach der Verehelichung / oder beschehenen Clösterlichen Gelübd aber / einer des Herren-Stands Zwey Tausend Gulden / und einer vom Ritter-Stand Ein Tausend Gulden zum Heyrat-Gut / neben vorhergehend- gebührender Bekleid- und Ausstaffirung (es wäre dann ein wissentliches Unvermögen vorhanden) längst inner Jahrs-Frist / neben dem von Zeit der Verehelichung zu fünf per Cento verflossenen Interesse zu reichen schuldig.

§. III.

Jedoch sollen die Töchter / und ihre Erben in denen Mütterlichen Haab und Gütern / auch allen Erbschaften / welche von dem Mütterlichen Stammen / als An-Frauen / Ur-An-Frauen / Schwestern / oder dergleichen Personen verlassen werden / neben ihren Brüdern / und dem Manns-Stammen zu erben zugelassen werden.

[Exempel 40] [Seite 41]

Hier wird der An-Frau Annæ Verlassenschaft in drey gleiche Theil vertheilt / zwischen dem Christoph / Barbaræ / und Catharinæ ; auch da diese Catharina hernach verstirbet / wird dero Verlassenschaft in zwey gleiche Theil zwischen dem Christoph / und Barbaræ getheilet.

§. IV.

Dafern ein Land-Mann keinen Männlichen Leibs-Erben / sondern Brüder / oder andere weitere Befreundte an einem / und dann Töchter / oder Töchters-Kinder andern Theils verliesse / so sollen die Töchter / oder ihre Kinder / und nicht des abgeleibten Bruder / oder andere seine Befreundte vom Manns-Stammen erben ; es hätte sich dann eine solche Tochter gegen dem gantzen Manns-Stammen in ab- und auf-steigender / und Seiten-Lini freywillig verziehen ; oder es wäre in eines Geschlechts Erb-Einigung lauter vorgesehen / daß sich die Weibs-Personen auf den gantzen Namen und Stammen verzeihen sollen / in welchen Fällen die Töchter auch von des Vatters Brudern / und deren Männlichen Erben ausgeschlossen wären.

[Exempel 41]

Hier schliessen des Francisci beede Enckel Gertraud / und Mechtildis den Theodorum darumen aus / weilen aus Mangel der Männlichen Leibs-Erben die Elisabeth für keine [Seite 42] verziehene Tochter auf die freye Vätterliche Verlassenschaft kan angesehen werden / mithin hat es bey dem ordinari Successions-Recht sein bewenden.

§. V.

Wann neben denen Töchtern auch verziehene Schwestern des letzt- verstorbenen Manns-Stammen vorhanden / sollen dieselbe in bonis renunciatis als Regredient-Erbinnen zu gleichen Theilen in die Häupter erben.

[Exempel 42]

Hier erben den Ferdinand / als letzten der Famili, in bonis renunciatis die beede Schwestern Claudia / und Elisabetha / nebst des Ferdinand Tochter Theresia in gleiche Theil.

Wären aber keine verziehene Schwestern / sondern deren Kinder oder Kinds-Kinder vorhanden / so sollen sie nicht nach Anzahl der Personen / sondern nach dem Stammen zur Erbschaft zugelassen werden. [Seite 43]

[Exempel 43]

Hier / wann Ferdinand Erb-lasser mit Tod abgehet / so wird dessen Verlassenschaft in bonis renunciatis unter die Theresia / Barbara / auch des Ferdinand Schwester Elisabethæ Enckeln Amalia / und Regina / in die Stammen vertheilet : In dem von Ferdinand Vattern und Erb-lassern eigens eroberten Gut aber ist die Tochter Theresia allein Erbin.

Damit aber künftiger Stritt de bonis renunciatis verhütet werde / solle man in denen Casibus, wo die Renunciations-Fälle sich ereignen / alle Vorsehung zur künftigen Prob der renuncirten Güter fürkehren.

§. VI.

Gehet einer mit Tod ab / und verlast weder Männliche / noch Weibliche Leibs-Erben ab-steigender Lini, sondern allein Brüder / oder deren Descendenten / und darbey auf den gantzen Manns-Stammen verziehene Schwestern / oder die sich zu [Seite 44] verzeihen schuldig / so fällt seine Verlassenschaft auf die Brüder allein / oder derselben Brüder Kinder / und Kinds-Kinder auch Männlichen Stammens ; und alsdann erst / wann solche Personen Männlichen Stammens auch mit Tod abgehen / und also derselbe gantze Manns-Stammen abstirbt / so komt es wieder zu denen verziehenen Schwestern / oder deroselben Kinds-Kindern / also / daß derselben letzt- Verstorbenen Haab / und Gut dem Weiblichen Stammen wiederumen zufället / und erben dann alle Personen von demselben Geschlecht herrührend mit einander / werden auch die weiteren Freund neben denen näheren ohne Unterschied des Grads zugelassen.

[Exempel 44]

Hier erben auf Ableiben Friderici des Georgs Enckeln Josephus / und Rudolphus allein ; und mithin werden dessen beede Schwestern Barbara / und Apolonia gäntzlichen ausgeschlossen.

§. VII.

Doch ist die Theilung nicht in die Häupter / sondern nach dem Stammen-Recht fürzunehmen / dergestalt / daß wann einer zum Exempel eine verziehene Schwester / und dann von der andern verziehenen Schwester zwey Töchter hinterliesse / seine Verlassenschaft nicht nach Anzahl der Personen / sondern nach dem Stammen ausgetheilet / und denen zweyen [Seite 45] Schwester-Kindern sammentlich mehr nicht / als der verziehenen Schwester allein davon zustehen / und also forthin in denen Verzichts-Fällen das Jus Repræsentationis nicht allein bey denen Geschwister-Kindern / sondern auch bey weiteren Befreundten deren verziehenen Töchtern statt haben / und jederzeit nach Anzahl der Stammen deren / davon die Verzichten herrühren / die wieder-fallende Erbschaften getheilet werden sollen.

[Exempel 45]

Hier wird des Joannis Verlassenschaft in zwey gleiche Theil abgetheilet / und erbet die Theresia / und Elisabetha die Helfte / und die Maria / Barbara / und Carolus ( unerachtet sonsten nach denen gemeinen Rechten in diesem das Jus Repræsentationis nicht mehr statt hätte ) die andere Helfte in die Stammen / und hat der von der Weiblichen Lini herrührende Manns-Stammen keinen Vorzug. [Seite 46]

§. VIII.

Begebe sich dann weiter / daß eine Tochter / welche sich nicht auf den gantzen Manns-Stammen verziehen / ihren Vatter einmal in denen alt-Vätterlichen Gütern geerbet / und mithin ihres Vattern brudern / oder Bruders Kinder ausgeschlossen hätte / und es entstunde hernach der Fall / daß auch der letzte Manns-Stammen mit Tod abgienge / dardurch dessen Verlassenschaft in denen alt-Vätterlichen Gütern zu denen Töchtern käme / so sollen gleichwol selbige Erb-Töchter / oder ihre Erben ab-steigender Lini neben denen verziehenen Personen / oder deren Erben zu solcher Erbschaft einstehen mögen / doch anderst nicht / als daß sie das zuvor ererbt- alt-Vätterliche Gut der gemeinen Erbschaft zutrage : Wann sie aber sich der neuen Erbschaft lieber entschlagen wolte / solle es ihr frey stehen / und sie von ihrem ererbten vorigen alt-Vätterlichen Gut anderen Weiblichen Stammen nichts hinaus zu geben schuldig seyn.

[Exempel 46]

Hier ist Eleonora ihrem Vatter Joanni / und die Maria / und Barbara ihrem Vatter Paulo succedirt / und hat den Mann- auch Weibs-Stammen excludirt : Wann hieraus der [Seite 47] Georg / als letzter von Manns-Stammen / mit Tod abgehet / und will alsdann die Eleonora / oder die Maria / und Barbara mit ihres Vattern verziehenen Schwester Tochter Anna des Georg Erbschaft in die Stammen antretten / so müssen sie das alt-Vätterliche vorhero ererbte Gut conferiren / oder im widrigen von solcher Erbschaft abstehen.

§. IX.

Wie dann letztlich ins gemein / wann nach Abgang des Manns-Stammen die Güter / und Erbschaften auf den verziehenen Weibs-Stammen kommen / dieselbe allwegen ihre Empfangene Heyrat-Güter / auch was ihnen etwa entzwischen vom Vätterlichen Gut erblich zugestanden / im Fall sie neben andern gleich erben wollen / wieder zutragen / und darauf die Abtheilung beschehen solle.

§. X.

Jedoch wollen Wir alles / was hierinnen verordnet worden / nur allein auf die frey- eigene Güter verstanden haben.

Der Dreyzehende Titul.
Wie die Sippschaften bewiesen sollen werden.

§. I.

Der ein Erb seyn will / soll auf Widersprechen seine Sippschaft beweisen / welches dann entweder mit lebendigen Zeugen / oder Brieflichen Urkunden / als Lehen-Brief / Grund-Büchern / Urbariis, Tauf-Büchern / Bett-Zetteln / Testamenten / Heyrat-Briefen / Verträgen / und dergleichen gefertigten Urkunden / oder auch zur Beyhülf mit Wappen / Uberschriften der Begräbnussen / und anderen glaubwürdigen Kundschaften beschehen kan / und wann jemand in seinem testament einen anderen seinen Sohn / oder Brudern nennet / oder in einem Heyrats-Brief / Vertrag / und dergleichen begriffen ist / wer der verstorbenen Braut / oder Vertrags-Personen Vatter / Mutter / oder Bruder gewest / so [Seite 48] ist es zum Beweiß derselben Verwandtschaft solang genugsam / bis ein anderes mit mehrern erwiesen wird ; welche Gegenweisung denen Interessirten jedesmal bevor stehet.

§. II.

Obwolen auch / gemeinen Rechten nach / die Sippschaft à communi stipite, das ist / von gemeinem Haupt desselben Stammens her / und dann von einem Grad / oder von einer Person auf die andere ausgeführt und erwiesen werden solten ; weilen aber oftmalen solches wegen der Länge der Zeit / darunter die jenige Personen / denen darumen bewust gewest / abgestorben / und um daß / sonderlich zwischen gemeinen Leuten / nicht allweg verfertigte Verbriefungen aufgericht / oder auch dieselbe so fleissig nicht aufbehalten werden / nicht eigendlich geleistet werden kan ; so wollen Wir in frey-eigentumlichen Erb-Gütern Unseren nachgesetzten Obrigkeiten vertrauet / und heimgestellet haben / den in einem und anderen Fall fürkommenden Beweiß für genugsam / oder nicht zu erkennen. Was aber die Lehen-Güter belangt / und wie es in denenselben gehalten werden solle / derowegen wird in Tractatu feudali absonderlich gehandelt werden.

Der Vierzehende Titul.
Wann / und wie die Ehe-Leut einander erben mögen.

§. I.

Stirbt jemand ohne letzten Willen / und verlast einen Ehe-Genossen / oder mit Ordnung versprochene Braut-Person / sonsten aber keine Bluts-Verwandte weder in auf- oder ab-steigender / noch Seiten-Lini ; in diesem Fall soll seine Verlassenschaft der überlebenden Con- oder Braut-Person erblich zufallen.

§. II.

Jedoch ist das allein von denen jenigen Ehe-Leuten zu [Seite 49] verstehen / welche in Conlicher Lieb und treu bis in Tod miteinander gelebet / oder sich vor / oder bey dem Tod-Fall wiederum versöhnet haben. Truge es sich aber zu / daß die Ehe-Leut vor dem Tod nicht zusammen kämen / und sich versöhneten / solle der Gerichtlich- erkannt- unschuldige Ehe-Gat zu des schuldig-Verstorbenen Verlassenschaft ebenfalls gelassen werden.

§. III.

Wann zwischen den verstorbenen / und überlebenden Ehe-Genossen ein aufgerichter Heyrats-Brief vorhanden / so soll es in des überlebenden Willkur stehen / sich entweder allein des Heyrats-Briefs zu betragen / und demselben gemeß die Abfertigung zu begehren / oder sich der völligen Verlassenschaft im vorgemeldten Casu zu unterfangen.

§. IV.

Begebe es sich / daß eine vermögliche Con-Person mit Tod abgienge / und zwar Ehe-leibliche Kinder / Eltern / oder andere Bluts-Verwandte / beynebens aber auch seinen getreuen Ehe-Genossen hinter sich verliesse / welcher weder mit Heyrats-Vermacht / noch anderen Mitteln zur Ehelichen Unterhaltung versehen wäre / so solle einer solchen überlebenden armen Con-Person / samt denen vorhandenen Kindern / wann deren drey oder weniger / oder aber neben anderen Erben in auf-steigender / oder seiten-Lini , der vierte Theil von der Verlassenschaft ; zum Fall aber der Kinder mehr wären / ein gleicher Kinds-Theil erfolgen ; doch dergestalt / daß das Eigentum von solchem vierten- oder Kinds-Theil ihren mit dem verstorbenen ehelich-erzeugten Kindern unverthunlich verbleiben / und sie allein die Nutz-Niessung auf ihr Leben-lang haben ; in anderen Fällen aber / wo keine Kinder vorhanden / ihr auch das Eigentum zuständig seyn solle. [Seite 50]

Der Funfzehende Titul.
Wie eine Verlassenschaft erb-los werde / und wohin dieselbe alsdann falle.

§. I.

Wann einer ohne Testament / wie auch ohne gesippte Freund ab- oder auf-steigender oder Zwerchs-Lini, in was für einem Grad sie auch dem Verstorbenen verwandt / mit Tod abgehet / auch keinen Ehe-Genossen nach sich verlast / so wird desselben Verlassenschaft erb-loß.

§. II.

Wann nun eine Verlassenschaft erb-loß wird / so solle dieselbe Uns als Lands-Fürsten heim- und zufallen ; es wäre dann die Stadt / oder Ort / allwo der Fall beschicht / von Uns / oder Unseren Vorfahrern absonderlich befreyet / auch dessen in ersessenem Nutz und gebrauch / daß dergleichen erb-lose Güter ihnen zu ihren gemeinen Cassen heimfallen / so wollen Wir es darbey Gnädigst verbleiben zu lassen / auch dißfalls Unsern getreu-gehorsamsten Ständen an dero alt-hergebrachten Gewohnheiten / daß sie von ihren Unterthanen dergleichen erb-lose Verlassenschaft zu sich nehmen / nichts entzogen haben ; wie dann die bey solchen erb-losen Verlassenschaften etwann befindige Grund-Stück ihren Grund-Herrn zufallen sollen.

§. III.

Jedoch setzen / und ordnen Wir / daß sowol von Unserer Lands-Fürstlichen Cammer / als anderen / denen dergleichen erb-lose Güter heimfallen / all das jenige geleistet werde / was sonsten ein rechtmässiger Erb mit Abzahlung des Verstorbenen Schulden / und in andere Wege zu thun verbunden gewest wäre.[Seite 51]

Der sechzehende Titul.
Von der Erben Bedacht- Annehm- und Antrettung der Erbschaften / auch wie es zu halten / so lang sich kein Erb anmeldet / und legitimiret.

§. I.

Es stehet zwar dem ausser testament / oder anderen letzten Willen in des Verstorbenen Verlassenschaft den Zutritt- habenden nähesten Erben bevor / sich eine Zeit-lang zu bedencken / ob er die Erbschaft mit oder ohne Inventario antretten / oder derselben sich allerdings begeben wolle ; damit aber andere Befreundte / oder Interessirte / sonderlich aber des Abgeleibten Gläubiger ( als welche wider die liegend- und unangetrettene Erbschaft im nachgesetzetn Termino legali keine Execution führen können ) nicht aufgezogen / noch mit dem Bedacht wider Gebühr verschoben werden / so solle sich der jenige / so unwidersprechlich Erb ist / gar bald erklären / und solches über den dreissigsten Tag ohne erhebliche Verhinderung nicht anstehen lassen ; und wann jemand ein Erbschaft entweder durch Rechtliche Klag / oder gütige Handlung zwar suchete / jedoch mit der That sich derselben nicht theilhaftig machte / so soll er ehender für keinen Erben gehalten werden / bis er darzu durch Rechtliche Aussprüch erkennet / oder die Sachen in der Güte auf ein End verglichen worden.

§. II.

Wann nach eines Absterben keine Bluts-Freunde sich für Erben anmelden / oder die anmeldende sich nicht genugsam legitimirten / oder auch sonsten unbewust / wer / oder wo dieselben seyen ? So solle die Obrigkeit / darunter die Verlassenschaft gehört / solche alsobald inventiren / und beschreiben / auch tauglichen hierzu verordneten Curatoren zu getreuer Verwaltung und auf ehrbare Raitung / gegen gebührlicher Ergötzlichkeit / ein- [Seite 52] antworten lassen ; wann nun nach Verstreichung Jahr und Tag kein rechtmässiger Erb fürkämme / mag zwar jedes Ort Grund- oder andere Obrigkeit die Verlassenschaft in Verwahrung zu sich nemmen / damit / falls inner zwey und dreissig Jahren / von Zeit der Ableibung an zu rechnen / Bluts-Verwandte sich anmeldeten / und sich legitimirten / denenselben die Verlassenschaft / samt gebührender Nutzung / wieder abgetretten / und hinaus gegeben werden könne.

§. III.

Wann auf eines Ableiben zwar Bluts-Freunde / die sich zu Erben legitimiren können / vorhanden / benebens aber fürkomt / daß ein nähender seyn solte / der sich an fremde Ort begeben / viel Jahr ausgebliben / und nicht bewust / wo er zur Zeit sich auf-halte / auch ob er noch im Leben / oder doch von ihme Leibs-Erben vorhanden / in diesem Fall soll abermal des Abgeleibten Verlassenschaft alsobald ordentlich inventiret werden / und so die weitere gesippten Freunde genugsame Versicherung thun / daß sie / zu was Zeit hernach über kurtz oder lang der jenige oder andere nähendere Befreundte und Erben fürkämmen / demselben solche Erbschaft samt der Nutzung wiederkehren wollen / so solle ihnen dargegen solche Erbschaft eingeantwortet werden.

Würden sie aber keine genugsame Versicherung leisten / solle die Verlassenschaft gleichfalls tauglichen Personen zu getreuer Verwaltung auf Jährliche Rechnung gegen gebührlicher Ergötzlichkeit bis zu Ende des zwey und dreissigsten Jahrs anvertrauet / und sodann nach Ausgang des zwey und dreissigsten Jahrs denen vorhandenen nähsten Bluts-Freunden mit aller gefallener Nutzung abgetretten / und eingeantwortet werden.

Doch wann entzwischen genugsam beygebracht wurde / daß der jenige / dessen man erwartet / nicht mehr im Leben / so solle alsbald denen / die sich nach ihme am nähesten legitimiren / die Einantwortung beschehen. Jedoch solle denen jenig- näheren Befreundten / welche die zwey und dreissig Jahr ohne ihren Verschulden verstreichen lassen / die gewöhnliche Beneficia juris vorbehalten seyn.

§. IV.

So bey einem Haus-Wirt ein In-Mann / oder bey einem [Seite 53] Gast-Geben ein fremder / oder reisender Gast mit oder ohne Geschäft abstirbt / so solle derselbe Haus-Wirt / oder Gast-Geb solches seiner Obrigkeit ohne allen Verzug anzeigen / wie auch alles / was der In-Mann / oder Gast bey sich gehabt / dahin überantworten / und gefährlicher Weiß nichts verhalten / darüber ihme auch nach Beschaffenheit der Sachen ein Eid zu thun auferlegt werden mag ; und wann man weiß / woher der Abgeleibte gewesen / solle man solches seiner Obrigkeit / sofern es das Jus Albigenatûs , oder andere Lands-Fürstliche Gerechtsame zugeben / zu wissen machen / damit es denen Befreundten von dort aus gleichfalls kund gethan werde.

Wäre aber nicht bewust / wer / und von wannen der In-Mann / oder Gast gewest ? Auch sich seinethalben kein Erb anmeldete / wofern dann dasjenige / so er bey ihme gehabt / und über die Zehrung / Cur / Artzney / Begräbnus / und andere nohtwendige Bestättigung / und aufgewendte Unkosten verbliben / ein geringes / und über zwantzig Gulden nicht austruge / so solle dasselbe alsobald nach Jahrs-Zeit unter arme Leut / als ein Allmosen / ausgetheilet / oder zu andern milden Sachen angewendet ; da es aber ein mehrers austruge / bis zu verjährter Zeit bey Obrigkeits Händen aufbehalten werden ; und hernach / da sich in zwey und dreissig Jahren niemand darzu erblich angemeldet / und sich legitimiret / derselben Obrigkeit / welcher das Jus Fisci von Rechts-Gewohnheit halber / oder ex Privilegio zustehet / allerdings verbleiben : der Haus-Wirt / oder Gast-Geb aber / so gefährlicher Weiß ichtes verhalt / und dessen genugsam überwiesen wird / solle zur Sachen Erstattung angehalten / und wofern er es nicht in Vermögen hätte / nach gut-Beduncken der Obrigkeit / nicht weniger in beeden Fällen / wann er vorhero einen leiblichen Eid geschworen / des Mein-Eids halber / absonder- und peinlich gestraft werden.

§. V.

Wann mehrern Personen in gleichem Grad ein Erbschaft zustehet / und deren einer oder mehr derselben wolten solche entweder aus Nachlässigkeit / oder aus freyer Willkuhr nicht annehmen / so solle selbiger Theil denen anderen Erben zufallen. [Seite 54]

Der Siebenzehende Titul.
Von Theilungen deren Erbschaften.

§. I.

Wann ein Vatter / oder Mutter durch ihren letzten Willen / oder sonsten keine Theilung hinterlassen / welche ihnen dann in allweg bevor stehet / und also zwischen mehr Söhnen / oder Erb-Töchtern ihrer Eltern Verlassenschaft halber / eine Theilung fürgenohmen werden müste / so solle das ältere / es seye ein Manns- oder Weibs-Bild / oder die jenigen / so die ältere Person vertretten / und an deren statt stehen / die Theilung machen / auch sie selbst unter einander soviel unterschiedliche Theil-Libell , als der Erben seynd / auf-richten / fürnemlich in denen Fällen / wo Pupillen / Abwesende / namhaft Schulden / oder sonsten Interessirte vorhanden seyn.

§. II.

In solche Theil-Libell seynd alle verlassene Haab / und Güter / ligend- und fahrende / Activ- und Passiv-Schulden / Forderungen / Rechten und Gerechtigkeiten / Sprüch / und Actionen einzuverleiben / und lediglich nichts in die Erbschaft gehöriges auszulassen.

§. III.

Der Anschlag ligender Güter / und Gülten solle nicht per pausch / auch nicht nach eines / oder andern Erben Gutachten / sondern nach jedes Orts / allwo die Güter gelegen / gebräuchigem Wert verfast ; die fahrende Haab aber / nach geschworner / oder anderer der Sachen verständiger Leut Schätzung beteuret / und alles mit richtiger Verzeichnus in die Theil-Libell eingetragen werden.

§. IV.

Es solle keinem Theil allein Güter / und dem andern allein Geld- oder andere Mittel / wider Willen / sondern beedes / so [Seite 55] viel möglich / und der Erbschaft Gelegenheit zulast / zugleich abgetheilet ; jedoch was zu einem Gut gehörig / oder darzu gebracht worden / nicht leichtlich davon gesöndert werden.

§. V.

Es ist auch sonderlich darauf Achtung zu geben / daß fürnehme Stuck / und Güter / die ohne Nachtheil / und füglich nicht zu theilen / unzertrennet verbleiben ; dahero wann einem Theil ein grösseres untheilbares Gut / und dem anderen ein geringeres zufiele / der Abgang mit anderen ligend- oder fahrenden Güter / oder im baren Geld zu erstatten wäre.

§. VI.

Wann ein Stuck / oder Gut eines so hohen Werts wäre / daß die anderen Theil gegen demselben nicht zu vergleichen / so solle dasselbe zuforderist dem Mann-Stammen ( weilen Wir dem unter-Stammen / so lang ein Erb im ober-Stammen vorhanden / in denen un-theilbaren Land-Gütern alle Wahl-Gerechtigkeiten benemmen ) zukommen / und auch unter denen Manns-Erben dem jenigen / der den meisten Theil an der Erbschaft hat / oder bey dessen Namen und Stammen es lange Zeit hat / oder bey dessen Namen und Stammen es lange Zeit gewesen / zugetheilet / und die völlige Ablösung mit Geld zu thun bevor gelassen werden ; ob er dann dasselbe so hoch annehmen will / als die anderen Erben darfür dar-bieten / soll es ihme bleiben / wo nicht / soll es der jenige Erb haben / der am meisten darum geben will. Hätten aber die Erben alle gleiche Theil an solcher Erbschaft / und wolte jeder die Ablösung haben / doch keiner mehr als der andere darum geben / so sollen sie / des Vorzugs halber / mit dem Loß die Sache entscheiden ; so aber keiner deren Erben die Ablösung begehrte / solche Stuck / oder Gut verkauft / und das Kauf-Geld unter die Erben ausgetheilet werden.

§. VII.

Wann nun der ältere bruder / oder die ältere Schwester die Theilung gemacht / und die Theil-Libell aufgericht worden / sollen sie dem jüngeren / oder der un-Vogtbaren Gerhaben angehändiget / und ihnen zu ihrer freyen Wahl Bedacht gelassen werden / die mögen alsdann nach Ordnung wöhlen / also daß der jüngste Bruder oder Schwester die erste / der jünger oder näheste nach ihme die andere / und also folgends einer nach [Seite 56] dem anderen ihrer Geburt nach / jederzeit der jüngere vor dem ältern die Wahl habe ; und so es sich begebe / daß zur Zeit des Erb-Falls drey Brüder im Leben gewest / vor der Theilung aber der älteste mit Tod abgangen / und einen Sohn verlassen / der zur Theilungs-Zeit am Alter gleichwol jünger als der ander oder dritte seines verstorbenen Vattern Bruder wäre / jedoch / weilen er allein in seines verstorbenen Vatters Fuß-Stapfen eintritt ; so sollen die überlebende Brüder vor ihme die Wahl haben ; herentgegen auch derselbe / ob er gleich jünger als die noch-lebende seines Vatters Brüder / dannoch durch seinen Gerhaben die Theilung machen / und seinen Vettern die Wahl lassen.

Wann aber neben denen Kindern mehr Kinds-Kinder eines Stammens zur Zeit des Erb-Falls / oder der Theilung vorhanden / solle zwischen ihnen die Theilung durch das Loß beschehen.

§. VIII.

Zum Fall die hinterlassene Wittib neben denen Kindern zu gleichen Theil für eine Erbin eingesetzt wurde / so gebühret derselben weder die Theilung zu machen / noch die Wahl zu haben / sondern der letzte Theil / ausser des ältesten / so die Theilung gemacht.

§. IX.

Würde der ältere in Machung der Theilung / oder der jüngere mit der Wahl / oder Ablösung saumig seyn / solle die Obrigkeit auf eines oder des andern Theils Anhalten / Einsehung thun / und auf mercklichen Ungehorsam die Theilung nach Beschaffenheit der Sachen von Amts-wegen fürzunehmen.

§. X.

Wann ein Erbschaft zwischen anderen Erben / als Kindern / und Kinds-Kindern / oder weiteren Befreundten zu theilen / wie auch wann mehr Brüder einen abgeleibten Brudern erben / mögen dieselbe solche Theilung selbst mit- und unter einander machen / oder darzu andere erkiesen ; könten sie sich aber so weit nicht vergleichen / solle die Obrigkeit / auf Anhalten / taugliche Commossarien / und Scheids-Leute darzu verordnen ; wann sodann die Theilung auf einen oder anderen Weg gemacht / und sie sich wegen Annehmung der gemachten Theil in Güte nicht [Seite 57] vergleichen könten / sollen sie darumen das Loß werffen / und jeder an dem ihme zufallenden Theil sich begnügen zu lassen schuldig seyn.

§. XI.

Stirbt einer / und verlast neben seinen Kindern auch seine Wittib schwangeren Leibs / solle mit der Abtheilung bis zur Niederkunft innen gehalten / und entzwischen die Verwaltung der Erbschaft mit vorgehender Errichtung des Inventarii der Wittib gelassen werden ; es hätte dann die Obrigkeit erhebliche Ursachen / hierinnen ein anders zu verordnen.

§. XII.

So sich begäbe / daß einem Fremden / oder auch der überlebenden Con-Person / neben denen Mit-Erben / als Kindern / oder andern Bluts-Befreundten / ein ligendes Gut verschaffet wurde / obschon solches füglich nicht zu theilen / so seynd doch die Fremde nicht verbunden / denen Befreundten die Ablösung zuzulassen ; es wäre dann Sach / daß sie sonsten ihren Theil nicht behalten / sondern in fremde Hände kommen lassen wolten / in welchem Fall denen Befreundten / darvon dasselbe Gut herrühret / der Vorkauf / und Einstand bevor stunde ; also auch / wann gleich ein Erb an einem verschaften ligenden Gut mehr Theil hat / als der ander / kan er doch denselben wider seine Gelegenheit zur Ablösung nicht tringen / es wolte dann solcher seinen wenigeren Theil auf fremde Personen verwenden / alsdann solle der mit-Erb gegen Bezahlung dessen / was ein fremder gäbe / den Vorzug haben.

§. XIII.

Die Briefliche Urkunden / so jedes Erben erwöhlten und zugetheilten Haab / und Gütern insonderheit gehören / sollen auch demselben Erben in Originali gelassen werden ; die gemeine Briefliche Urkunden aber / so denen Erben sammentlich gehörig / un-vertheilt verbleiben ; und so fern sich die Erben selbst keines andern willkührlichen vergleichen / dem jenigen Erben / welcher den meisten Theil in der Erbschaft hat / vertraut / auch mit einem ordentlichen Inventario in Verwahrung / und Behaltnus zugestellet werden.

Wo aber die Erben / oder Repræsentanten gleiche Theil an der Erbschaft haben / solle der älteste unter ihnen / so lang [Seite 58] derselbe im Land verbleiblich / solche Urkunden ebenfalls mit einem ordentlichen Inventario zu sich nehmen / und an einem sicheren Ort verwahrlich aufbehalten ; da aber wider den ältesten erhebliche Ursachen vorhanden / oder derselbe im Land nicht wohnhaft wäre / dem nähesten im Alter solche Verwahrung zustehen / und wann folgends ein mit-Erb solch- gemeiner Brieflichen Urkunden bedürftig / sollen demselben glaubwürdige Abschriften / auch zum Fall der Nohtdurft die Originalia selbst / sich deren zu gebrauchen / zugestellet / doch hernach selbige zu den anderen wieder erlegt werden.

§. XIV.

Es begibt sich mehrmals / daß ein mit-Erb die erblichen Haab / und Güter nicht allein für sich / sondern auch im Namen / und an statt der anderen mit-Erben Gerhab- weiß / oder in andere Wege besitzet / braucht / und geniest ; wann nun in solchem Fall von denen anderen seinen mit-Erben um Theilung der Erb-Güter angehalten wird / und sonsten kein erhebliches Bedencken darwider fürkommet / so kan sich der inhabende mit-Erb der Theilung unter dem Schein seiner etwann noch nicht aufgenommenen Raitungen nicht weigern / sonder es solle auf der mit-Erben Begehren zuforderist die Theilung / und nachmals die Raitungen / wofern es vorhero nicht beschehen / fürgenohmen werden.

§. XV.

Ein Erb ist dem anderen der zugetheilten Güter halber / wann dieselbe nach beschehener Theilung völlig / und zum Theil inn- oder ausser Rechtens ansprüchig würden / ( sie hätten sich dann dessentwegen austrücklich eines anderen verglichen ) Landsbräuchig zu schirmen / und schad-los zu halten schuldig ; wann auch vor der Theilung aus gemeiner Erbschaft / und derselben zum besten / ein Stuck verpfändet worden / welches hernach unbewust solcher Verpfändung einem andern in der Theilung zukommen / so solle derselbe von denen andern nach eines jeden Antheil gegen dem Pfand-Mann vertretten / und schad-los gehalten werden ; wann aber ein Testirer in seinem letzten Willen die Theilung der Güter zwischen seinen Kindern / oder andern Erben austrucklich selbsten gemacht / so ist ein Erb den anderen weiter zu schermen nicht schuldig / es wäre dann [Seite 59] dardurch einem Kind seine natürliche Erb-Gebühr entzogen / oder geschwächet / alsdann seynd die anderen mit-Erben hierumen zu schermen schuldig.

§. XVI.

Da nach beschehener Abtheilung durch einen / oder anderen mit-Erben könte beygebracht werden / daß in derselben ichtes gefährlicher Weiß verschwigen / oder sonsten dabey bevortheilet worden / so solle der beschwerte Theil allweg darüber gehöret / und demselben die Billigkeit ertheilet ; wie auch der Ubertretter nach Beschaffenheit der Sachen von der Obrigkeit abgestraft werden.

§. XVII.

Obwolen zu künftiger besserer Nachricht über die beschehene Theilung gemeiniglich ordentliche Theil-Brief / oder schriftliche Urkunden aufgerichtet / so mögen doch dieselbe durch Zeugen / oder andere in Rechten zulässige Wege ebenfalls bewiesen werden : dabey auch dem jenigen / welcher sich wider die fürgegangene Abtheilung einer Ungleichheit halber beschwert zu seyn vermeinet / eine andere Abtheilung in denen beweglichen inner sechs Wochen / und drey Tägen / in denen un-beweglichen aber inner vier Monat hernach / und länger nicht / zu begehren unbenohmen seyn solle.

Der Achtzehende Titul.
Von Zutragung der Güter / zu Latein Collatio bonorum genannt.

§. I.

Wann es zwischen denen Erben ab-steigender Lini zur Theilung kommet / wie auch absonderlich im Fall / da dem verziehenen Weibs-Stammen nach Abgang des Manns-Stammens / gegen deme die Verzicht beschehen / der erbliche Zutritt wiederum eröfnet wird / so ist in Acht zu nehmen / ob und was ein mit-Erb / oder auch dessen Eltern / an deren statt er eintritt / vor dem anderen [Seite 60] mit-Erben vorhero bey Leb-zeiten des Abgestorbenen / und die Verziehenen zu ihrer Abfertigung oder sonsten empfangen haben / alsdann zu Erhaltung Gleichheit zwischen denen Erben nach Beschaffenheit die Theilung zu machen / und dieselbe dahin zu richten / damit / was ein Theil etwa hievor / sonderbar in Abschlag seines Erb-Theils empfangen / wieder zu gemeiner Erbschaft zutrage / und entweder seinem mit-Erben auch so viel bevor lasse / oder aber selbst um so viel weniger empfange.

§. II.

Wann die Eltern ihre Kinder / Enckel / oder Ur-Enckel im Testament / oder andern letzten Willen auf gleiche oder ungleiche Theil zu Erben einsetzen / und darbey nicht austrucklich vermelden / daß das jenige / so ein- oder anderes Kind von ihnen in Leb-zeiten empfangen / an dessen Erb-Theil abgezogen werden solle / so kan von denen mit-Erben die Zutragung des vorigen Empfangs nicht begehrt werden / jedoch ausgenohmen das Heyrat-Gut / und Wiederlag / deren Zutragung / obwolen in der Eltern letzten Willen hievon keine Meldung beschehen / dannoch die mit-Erben zu begehren / und dem jenigen / der es empfangen / an seinem Erb-Theil ausser letzten Willens ebenmässig und viel mehrers statt hat ; so aber die Eltern in ihren letzten Willen austruckliche Verordnung thun / daß nach ihrem Tod derley heyratliche Gaben ihren Kindern an dem Erb-Theil nicht abgezogen werden sollen / so hat es dabey billich sein Verbleiben.

§. III.

Was die Eltern im Leben auf ihre Kinder zu deren gebührenden / nicht aber gar übermässigen Unterhaltung an Unserm / oder anderen Fürstlichen Höfen / hohen Schulen / Reisen / im Kriegs-Wesen / Ranzionirungen / Erlehrnungen guter Künsten / Handtierungen / und dergleichen / aus freyem Willen anwenden / solches / wie auch geringe oder solche Gaben / so die Eltern ihren Kindern aus sonderer zu-Neigung thun ( zu Latein simplices donationes genannt ) wo keine andere Erklärung von ihnen vorhanden / solle für eine freye Gab und Schanckung geachtet / und wann es zur Theilung komt / der begabte dasselbe der Erbschaft zuzutragen / oder ihme abziehen zu lassen [Seite 61] nicht schuldig seyn ; jedoch ist dieses von denen ungeratenen Kindern / welche das jenige / was ihnen ihre Eltern zu mehrerm Aufnehmen also treuhertzig hergeben / übel anlegen / verbanquetiren / verspielen / oder sonsten liederlich- un-nutzlicher Weß verthan / wie auch von dem jenigen / was die Eltern um eines Kinds Missethat willen zur Straf hergeben / oder sie derentwegen aus der gefangenschaft ausgelöst / nicht zu verstehen ; sondern es sollen von denenselben dergleichen Vorlagen an ihrer Erb-Gebührnuß in allweg abgezogen werden ; es wäre dann von ihren Eltern ein anderes austrucklich vermeldet / und bezeuget worden.

§. IV.

Wann aber die Kinder eigene anderwerts-her ererbte oder sonsten selbst eroberte Güter haben / deren verwaltung / oder auch Nutz- und Niessung denen Eltern im Leben zustehet / und nun entzwischen von denen Eltern derley namhafte Ausgaben und Vorlagen / wie nächst gemeldt / auf solche ihre Kinder über die selbst schuldige nohtwendige Unterhaltung beschehen / und zu dero Ableiben nicht eigentlich und genugsam bewust / ob sie es aus dem ihrigen / oder Kinder eigenen Gut / und derselben Ertragnuß hergenohmen / und anwenden wollen ; so ist dieser Unterscheid in Acht zu nehmen / daß nemlich ( im Fall die Eltern allein die blosse Verwaltung deren Gütern gehabt ) besagte Ausgaben erstlichen an der Nutzung und Ertragnuß der Güter / und wann solche nicht erklecklich / alsdann an deren Haupt-Gut selbst abzuraiten : da aber die Eltern solche Güter im Leben / jedoch un-verthunlich / und ohne Schmälerung auch zu geniessen gehabt / in diesem Fall / was sie über die Ertragnuß ein mehrers angewendet / das solle für eine freiwillige Gab der Eltern gehalten / und denen Kindern keineswegs abgezogen werden ; es wäre dann von denen Eltern in deren letzten Willen ein anders austrucklich verordnet.

§. V.

Begebe es sich / daß ein Vatter mehrere Kinder hätte / und eines derselben in Leb-Zeiten vom Vattern ichtwas / so denen gemeinen Rechten nach zu conferiren wäre / empfienge / selbes Kind aber darauf noch vor dem Vattern / oder nach des Vatters Tod / jedoch noch un-vergriffen der Vätterlichen Erbschaft / [Seite 62] mit Tod abgienge / hinterlassend einen Enckel / so kommet dieser Enckel zu der Erbschaft seines An-Herrn mit Repræsentirung der Person seines Vatters / und muß selber / wann er mit anderen seines Vatters Geschwistern mit-erben will / jenes / was sein Vatter empfangen / wann es auch der gantze Theil wäre / sich abraiten lassen / und kan von Rechts-wegen nichts mehr prætendiren ; oder aber den wenigeren von seinem Vatter empfangenen Theil zu der Verlassenschaft wegen machender gleichen Theilung conferiren.

[Exempel 62]

Hier ist der Joannes vor seinem Vatter Friderico / nachdeme er seine Erbs-Portion völlig / oder zum Theil gegen Quittung / oder durch andere Beweiß empfangen / verstorben / da dessen Sohn Carolus mit dem Julio / und Conrado gleichwolen mit-erben wolte / hätte der Carolus das von seinem Vattern Empfangene sich abraiten zu lassen / oder zu conferiren.

§. VI.

So ein verziehen- oder un-verziehenes Kind / Enckel / oder [Seite 63] Ur-Enckel mit deme / was es von seinen Eltern in Leben / oder sonsten empfangen / vergnügt seyn / und sich der übrigen Erbschaft begeben wolte / das solle auch dabey gelassen / und das Empfangene denen anderen Erben zuzutragen nicht getrungen werden ; denen jenigen aber / so mit-erben wollen / und doch der schuldigen Zutragung aus erheblichen Ursachen sich verweigeren / solle an ihrem Erb-Theil so viel / als die schuldige Zutragungs-Gebühr sich belauft / nach Willkur der Obrigkeit entweder in der mit-Erben Händen / oder sonsten bis zu Rechtlich- oder gütlichen Austrag der Sachen aufbehalten / im übrigen aber die Abtheilung gleichwolen fürgenohmen werden.

§. VII.

Da aber einem Kind / Enckel / oder Ur-Enckel solche übermässige Schanckungen / so zu Latein Donationes inofficiosæ genennet werden / zu Præjudiz deren übrigen Kindern gebührenden rechtmässigen Erb-Antheil gemacht wurden / müsten gemeldte Donationes in so weit / als diese der übrigen Kinder Erb-Gebührnuß / id est legitimæ, benachtheilen / rescindirt / und denen übrigen Kindern zu Erfüllung der Erb-Gebühr zugetheilet werden.

Der Neunzehende Titul.
Von denen Erb-Einigungen.

§. I.

Nachdeme in diesem Unseren Ertz-Hertzogtum Oesterreich unter der Enns nicht weniger / als in anderen Landen unter einem Adelichen Geschlecht / jedoch unter mehrern Linien / wie auch unter etlichen verschiedenen Adelichen Geschlechtern gewisse Erb-Einigungen dem Mann-Stammen zu gutem aufgericht / und Wir befinden / daß solche zu Erhaltung des Adels nutzlich / und ersprieslich seynd ; als wollen Wir auch ins künftig allen Adelichen Geschlechtern des Herren- und Ritter-Stands zugelassen haben / daß sie unter ihnen dergleichen Erb-Einigung ( jedoch ohne Schmälerung Unserer Rechten / und deren Gesätzen ) aufrichten mögen. [Seite 64]

§. II.

Es bestehet aber die Erb-Einigung fürnemlich in diesem / daß von einer Adelichen Familia etliche Brüder / und Vettern von einer oder mehrern Linien / oder auch mehrern Geschlechtern / soviel deren zu einer Zeit im Leben / sich mit einander willkührlich dahin vergleichen / daß ihre Güter gegenwärtig und künftig dergestalt gegen einander verhaft / und dem Manss-Stammen verbunden seyn und bleiben sollen / daß / wo über kurtz oder lang eines oder des andern absteigenden Stammen- und Namens-Erben mit Tod abgehen würden / alsdann solche Güter auf des andern Männlichen Namens- und Stammens-Erben / so lang einer vorhanden / mit gäntzlicher Ausschliessung des Weiblichen Geschlechts ( jedoch gegen Reichung des gebührenden Heyrats-Guts / aus-Steurung / oder Wittiblicher Abfertigung ) allein fallen / und keiner dieselbe ausser dem Geschlecht / und Namen zu verwenden / noch auch sonsten mit Schulden / oder in anderweg ohne aller mit-Vereinigten absonderlichen Consens zu beladen Macht haben solle.

§. III.

Wann aus vielen Brüdern / und Vettern sich nur etliche und nicht alle sammentlich einer Erb-Vereinigung vergleichen / so ist selbige gegen denen / so nicht darein gewilliget / un-verbündlich / und haben daraus weder Nutzen / noch Schaden zu gewarten ; desgleichen auch durch solche Erb-Einigung / ob sie schon von allen Brüdern / und Vettern zugleich aufgericht / auch sogar von Uns Gnädigst confirmiret wäre / niemand anderen an seinen hievor gehabten Rechten ichtes benohmen / noch auch dem Weibs-Stammen / so sich nur auf eine Lini , und nicht auf den gantzen Manns-Stammen verziehen / solches ohne dero absonderliche Einwilligung / und genugsamer Renunciation nachtheilig seyn solle.

§. IV.

Damit aber die aufgerichte Erb-Einigung zu Männigliches Nachricht / und Wahrnung kommen / und sich niemand mit der Unwissenheit entschuldigen könne ; als wollen Wir / daß dieselbe bey Unserm Land-Marschallischen Gericht / von denen Interessirten fürgebracht / und von dannen aus durch offentlich [Seite 65] angeschlagene Patenten drey gantze Jahr-lang hindurch publicirt / und jedermann zu wissen gemacht / auch nach Verfliessung bemeldter drey Jahren dem Land-Gedenck-Buch des gantzen Inhalts samt der Execution wegen beschehener Anschlagung einverleibt / wie auch bey dem Weiß-Botten-Amt auf die vererb-einigte Güter fürgemerckt / und so dann darob würcklich gehalten werden ; im widrigen aber gegen dem dritten un-gültig und ohne Nachtheil seyn solle.

Der Zwantzigste Titul.
Von Unterschied der Sippschaft / und wie derselben Grad zu zehlen seynd.

§. I.

Der Sippschaften seynd dreyerley / als erstlich in absteigender Lini : andertens in aufsteigender Lini : und drittens in gleich- oder un-gleicher Zwerch- oder Seiten-Lini , wie aus beygefügtem Sipp-Baum zu ersehen.

§. II.

Damit aber Männiglich desto besser wissen möge / wie die Grad der Sippschaften in denen Erb-Fällen zu zehlen ? So seynd folgende Reguln in Obacht zu nehmen.

§. III.

Wann sich ein Erb-Fall in auf- oder ab-steigender Lini begibt / und man wissen will / wie des verstorbenen Erb-lassers Bluts-Verwandte in solcher Lini ihme befreundt / auch wer unter ihnen der näheste / und darumen den Zutritt zu der Erbschaft habe ; so müssen die Grad auf- oder ab-werts von des Erb-lassers Person bis auf die jenige / so erben wollen / und soviel sich Personen in solcher Zahl / ausser einer / befinden / so weit seynd die Befreundte / so erben wollen / dem Erb-lasser verwandt.[Seite 66]

[Exempel 66]

Allhier werden gezehlet vier Personen / und nach Abzug einer / ist der Ur-Enckel dem Erb-lasser im dritten Grad verwandt.

§. IV.

In der Zwerch- sowol gleich- als un-gleicher Lini seynd so viel Grad als Personen / ausser des gemeinen Stammen / von welchem der Erb-lasser / und die jenige so erben wollen / herkommen / als nemlich / wann einer zween Brüder verlast / und man wissen will / in welchem Grad sie dem Verstorbenen verwandt seynd / so müssen diese beede gebrüder / samt ihrem Vatter als gemeinen Stammen / von welchem sie geboren / gezehlet werden / und weilen sich in solcher Zahl drey Personen befinden / nach Abzug aber des gemeinen Stammens zwey verbleiben / so seynd die zween Brüder einander im zweyten Grad verwandt.[Seite 67]

Exempel
In der gleichen Zwerch-Lini.

[Exempel 67.1]

Bey dieser gleichen Zwerchs-Lini seynd Leopold / und Marx ihrem verstorbenen Bruder Carl in dem anderten Grad befreundt.

Exempel
Der un-gleichen Zwerch-Lini.

[Exempel 67.2]

Bey dieser un-gleichen Zwerch-Lini , wann die Frag entstehet / wie nahend der Leopold dem verstorbenen Carl / als [Seite 68] seines Vatters Maximilian Bruder verwandt? Seynd alle vier Personen / als Philipp / Carl / Marx / und Leopold zu zehlen / und weilen nach Abzug des Philipp / als gemeinen Stammens / drey Personen verbleiben / so ist der Leopold dem Carl im dritten Grad verwandt.

Beschlus.

Und wie Wir nun euch Eingangs ermelten Unseren nachgesetzten Geist- und Weltlichen Obrigkeiten wegen dieses Tractats de Successione ab intestato hiemit gemessen und ernstlich anbefehlen / daß ihr über diese Unsere Lands-Fürstliche Satzung von dem Tag der Publicatiob an / über neu- vorkommende Casus vestiglich haltet / und darwider zu thun niemand gestattet / sondern die Ubertretter der Gebühr nach abstraffet ; So haben Wir Uns aber vorbehalten / die obgemelte Satzungen in das künftige zu bessern / zu minderen / zu mehren / oder gar aufzuheben. Und dieses ist Unser Gnädigster Willen / und Meinung. Geben auf Unserem [Seite 69] Schlos zu Laxemburg den acht und zwantzigsten Monats-Tag Maji / im Sibenzehenhundert und Zwantzigsten / Unserer Reiche / des Römischen im Neunten / deren Hispanischen im Sibenzehenden / des Hungarisch- und Böheimischen aber im Zehenden Jahre.

Carl. [Bild 69]

Philipp Ludwig Graf von Sintzendorff. Georg Christoph Graf von Stürgkh.

Ad Mandatum Sac. Cæs.
& Cathol. Majest. propr.

Georg Friderich Edler Herrn von Schickh.


Abdruck in Codex Austriacus III 952ff.

Titel: Neue Satz- und Ordnung vom Erb-Recht ausser Testament, und andern letzten Willen, auch was deme anhängig, im Ertz-Hertzogthum Oesterreich unter der Ennß. [Codex Austriacus III (= Supplement I)] Seite 952

Titel I: Vom Erb-Recht insgemein. Seite 953

Titel II: Von den Erbschafften in absteigender Linie. Seite 954

Titel III: Vom Erb-Recht der adoptirten oder angewünschten Kinder. Seite 960

Titel IV: Von den unehlichen Kindern. Seite 960

Titel V: Von den Erbschaften in aufsteigender Linie. Seite 961

Titel VI: Wann und wie einer zu seiner adoptirten oder angewünschten Kinder Erbschaft zuzulassen. Seite 966

Titel VII: Ob, und wie die Eltern zu ihrer unehlichen Kinder Erbschaft zuzulassen. Seite 968

Titel VIII: Von den seiten-Erben, und erstlich den Geschwistern allein. Seite 969

Titel IX: Von Geschwister-Kindern. Seite 972

Titel X: Von Geschwister-Kinds-Kindern. Seite 973

Titel XI: Von den andern seiten-Erben, und weiter gesippten Freunden. Seite 974

Titel XII: Von den verziehenen Töchtern des Herrn- und Ritterstandes. Seite 974

Titel XIII: Wie die Sippschaften bewiesen werden sollen. Seite 981

Titel XIV: Wann, und wie die Eheleute einander erben mögen. Seite 981

Titel XV: Wie eine Verlassenschaft erblos werde, und wohin dieselbe alsdann falle. Seite 982

Titel XVI: Von der Erben Bedacht- Annehm- und Antretung der Erbschaften, auch wie es zu halten, so lange sich kein Erbe anmeldet, und legitimiret. Seite 982

Titel XVII: Von Theilungen der Erbschaften. Seite 983

Titel XVIII: Von Zutragung der Güter, zu Latein Collatio bonorum genannt. Seite 986

Titel XIX: Von den Erb-Einigungen. Seite 988

Titel XX: Vom Unterschied der Sippschafft, und wie derselben Grade zu zehlen sind. Seite 988