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Titelaufnahme UB Heidelberg:
Siegel, Heinrich: Das Güterrecht der Ehegatten im Stiftslande Salzburg / von Heinrich Siegel; Wien: Gerold, 1882. - S. 75-108 (Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse ; 99,20).
Die Vernetzung mit der Ausgabe der Salzburger Landesordnung von 1526 durch F.V. Spechtler ist insofern schwierig, als Siegel eine Handschrift des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Signatur 54) benutzt hat, die anders paginiert ist als die von Spechtler transkribierte Salzburger Handschrift. Sie konnte daher nur dort verläßlich vorgenommen werden, wo die Fundstellenangabe Siegels über die bloße Blattangabe hinausgeht. Dennoch wurden auch die bloßen Blattzitationen in Links auf die entsprechende Paginierung bei Spechtler umgewandelt, weil hier meist ein Blättern um ein oder zwei Seiten weiterhilft.
Nachdem die Erkenntniss entschiedener sich Bahn gebrochen, dass Eicke's Buch nicht das Recht aller deutschen Leute wiederspiegle, ist von der Forschung der Gesichtspunkt einer stammlichen Verschiedenheit in der Rechtsbildung zumal für das eheliche Güterrecht mit Glück verfolgt worden.75.1 Doch [Seite 76] haben dabei die oberländischen Stammesrechte, das schwäbische76.1 und namentlich das bairische Recht eine verhältnissmässig geringe Beachtung und insbesondere nicht die, wie mich dünkt, gebührende Anerkennung ihrer selbständigen Entwickelung gefunden.
Eine Untersuchung aus dem Gebiete der genannten Rechte wird daher immerhin auf eine freundliche Aufnahme rechnen dürfen, und so übergebe ich die nachfolgende Studie, welche mit einer Abzweigung des bairischen Stammesrechtes, mit dem im Erzstift Salzburg giltig gewesenen Rechte sich befasst. Allerdings war in der Zeit, aus welcher die Mehrzahl der zu Gebote stehenden Quellen herrührt, das römische Recht bereits als gemeines Recht anerkannt. Doch stört dieser Umstand nicht, da hier wie anderwärts für die Ordnung der ehelichen Vermögensverhältnisse das Volksrecht als Landsbrauch erhalten blieb, und das gemeine Recht mit einem kaum nennenswerthen Einfluss sich begnügen musste.
Eine Darstellung des salzburgischen ehelichen Güterrechtes wurde ermöglicht durch die Veröffentlichung der von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften gesammelten Taidinge des Erzstiftes,76.2 während zuvor nur die wenigen Bestimmungen des Landfriedens von Erzbischof Friedrich III. aus dem Jahre 132876.3 und die Auszüge aus einzelnen späteren Gesetzen76.4 bekannt waren. Nebst diesen allgemein zugänglichen Denkmälern wurden ferner noch zwei in dem k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarchive aufbewahrte Rechtscodices benützt, über welche, da sie der Quellenkunde bis jetzt fremd geblieben, billiger Weise hier nähere Nachrichten erwartet werden dürfen. [Seite 77]
Die eine Handschrift77.1 ist als Lannsordnung des loblichen Erz-Stiffts Saltzburg bezeichnet, enthält aber keine kundgemachte Landesordnung, sondern nur den überdiess nicht ganz fertig gestellten Entwurf einer solchen, dessen Entstehung, wie ich glaube, vollständig nachgewiesen werden kann.77.2
Nachdem der Bauernaufstand, welcher auch im Erzstifte entbrannt war, im Herbst des Jahres 1525 mit Hilfe des schwäbischen Bundes bewältigt und ein Friedensvertrag errichtet worden war, durfte ein in der Hauptstadt zurückbleibender Ausschuss der abziehenden Bauern die Beschwerden der Unterthanen den erzbischöflichen Räthen und schwäbischen Bundes-Commissarien vortragen, was schriftlich in mehreren Artikeln geschah. Hierauf erfolgte Ende October ein gemeiner Landtagsabschied, welcher in seinem ersten Artikel dahin lautete: "Die Beschwerden wegen des grossen und kleinen Zehends, wegen des Ueberdienstes, der Anleiten, der Schreib- und Briefgelder und dergleichen sollen, weil sie nicht allein den Erzbischof, sondern auch die anderen Grundherren und Landsassen betreffen, auf dem nächsten Landtage vorgenommen werden, wo man ohnehin über Errichtung einer guten Landesordnung berathschlagen wird."
Auf dem nächsten gegen Ende Jänner 1526 berufenen Landtag, zu welchem ausser den Ständen auch aus allen Gerichten Abgeordnete und Gewalthaber zugezogen wurden, liess der Landesherr, Erzbischof Matthäus,77.3 den Versammelten vorstellen, wie von ihm der Friedensvertrag gehalten, von den Unterthanen dagegen vielfach gebrochen und übertreten worden sei, so dass ein abermaliger Aufruhr zu besorgen stehe, zu dessen Verhütung die Landschaft behilflich sein solle; ferner gedenke er auf diesem Landtage eine gute beständige Landesordnung aufzurichten und sowohl den Beschwerden des Landes überhaupt als der einzelnen Gerichte abzuhelfen, mit [Seite 78] Unterdrückung der eigenen Forderungen und Beschwerden, damit die Landschaft diesem Geschäfte desto fleissiger obliegen könne. Nach einer sechswöchentlichen Berathung erging im Anschluss an diese Eröffnungen am 11. März ein förmlicher Abschied, welcher in seinem zweiten Punkte besagte: "Zu Abfassung einer neuen Landesordnung wird ein kleiner, aus verständigen Landsassen bestehender Ausschuss verordnet, welcher mit den erzbischöflichen Räthen, worunter auch Landleute sein müssen, die Gebräuche im Lande, die Landbriefe, Landsöffnungen, Ehehaften, Rügungen und andere Partikularordnungen, wie auch die Landesordnungen der anstossenden Fürstenthümer vor sich nehmen, daraus eine anpassende Landesordnung verfasseu und solche dem Erzbischofe vorlegen soll. Diese Landesordnung wird sodann auf einem gemeinen Landtage, den der Erzbischof ungefähr bis Pfingsten ausschreiben wird, geprüft und nach Gebühr aufgerichtet werden." Der Landtag, welcher für die genannte Zeit in Aussicht genommen worden war, kam nicht zu Stande, indem der Aufruhr von Neuem ausbrach. Der nächste, im Spätherbst zusammengetretene Landtag aber begnügte sich, "bis zur Aufrichtung der versprochenen neuen Landesordnung" ein Mandat der Beschwerungen der Unterthanen im Erzstifte Salzburg zu verfassen, welches am 24. November 1526 ausgefertigt und durch den Druck öffentlich bekannt gemacht wurde. Und dabei ist es geblieben. Die beabsichtigt gewesene Landesordnung kam niemals, weder unter der Regierung des Matthäus, welcher 1532 eine Bergwerksordnung und 1533 eine Hauptmannschaftsordnung publicirte, noch unter einem späteren Erzbischof zu Stande. Die unter der Bezeichnung "Landesordnung" uns überlieferte Handschrift aber ist die von einem Beauftragten im Frühling 1526 verfasste, nicht ganz vollendete Vorarbeit, welche die Grundlage zunächst für die Berathungen des kleinen Ausschusses bilden sollte.
Die Entstehung des Elaborates in dem bezeichneten Zeitpunkt erhellt aus dem ersten Artikel, welcher unter der Ueberschrift "die geistlichait betreffent" einen Landtagsabschied wiedergibt, jedoch einen Zusatz beifügt. Während jener die päbstliche Legats-Reformation (vom 7. Juli 1524), den Regensburgischen Recess (vom 6. Juli, publicirt durch landesfürstliches Mandat vom 5. October 1524) und den Recess der jüngsten Salzburger Synode (gehalten vom 7. April bis 16. Mai 1525) für so lange, als nicht durch das heilige römische Reich und ein gemeines christliches Concilium andere Anordnungen getroffen werden, bestätigt, erklärt der Zusatz, dass unterdessen Vergleiche und Verhandlungen zwischen den Priestern und Pfarrleuten durch die mit dem Willen der Landschaft entsendeten Commissarien zu Stande gekommen seien, welche beobachtet werden sollen.
Dass in der Handschrift nur ein vorläufiger Entwurf enthalten ist, wird bewiesen durch den Umstand, dass bei Fristen und Strafsummen statt einer bestimmten Zahl wiederholt N Jahre oder Gulden angesetzt sind, wie z. B. Bl. 41a, 54a, 130b, ferner durch die Bl. 108b, nachdem zuvor vom handwerk gesprochen worden, befindliche Bemerkung: Daher möchten auch der handwercher lon gesetzt werden, soverr man si extendiren wolt, worauf drei leere Blätter folgen, endlich durch die Notate auf Bl. 112 bis 113a, welche zugleich darthun, dass ein Einzelner der Verfasser des Opus ist. Nach den untereinander stehenden Capitelüberschriften: Vom Furkauf | Von gewicht und maß | Vom mülwerch | Von Ehehalten handwercher und taglöner lon und bsoldung sind nämlich folgende Bemerkungen zu lesen: "Hab ich nur memorial-weiß herain zaichen lassen, mues erstlich durch die so des ding in übung und brauch haben, beratschlagt, alsdann mag es extendirt werden. | Wann ain vergleichung wag und maß durch das gantz land fueglich beschehen möcht, war guet, vnd das uberall ain gestrichen maß und ain gleich lange elle war, ich besorg aber es werd sich hart thuen lassen. | — So hör ich das gewicht sei auch im Stift nit überall geleich. | (Bl. 112b) Dann von der Eehalten, tagwercher und handwercher bsoldung und lon ist in der Bayerischen Landsordnung vill, auch etwas in der Salzburgerischen Policei, die mögen für augen genomen werden. ich wais nit ob die lon vorm pirg und im pirg gleich sein mögen. so mueß man sich des müllwerchs auch bei den geübten desselben handwerchs bas erfragen." | Unter der Ueberschrift: Schätz der phenwert heisst es weiter: So find ich auch das man sich beschwart der theurn phenwert und war, etlicher begert das man die phenwert alle setzet und theurt, als nämblich tuech, wein, brot, fleisch schmalz, käß etc. und beklagt sich iederman die paurn geben die phenwert theuer. nun sich ich aber [Seite 80] herwiderums das sie auch alle phenwert theuer kaufen muessen und wie ichs bedennk wird besser sein, man laß die satz der klainen paurnphenwert underwegen und bleib bei dem gemainen spruch Rex tantum vallet quantum vendi potest. Uber den wein auszuschenken mocht man gleichwol geschworn setzen, in allen gerichten verordnen, und den weinschenken deßhalben ain maßt geben deucht mich auch not und guet und deßgleich auch den peck und metzgern. | (Bl. 113a) Und was solcher und dergleich ding mer sein, die vorhin müssen beratschlagt und nach gelegenhait des Landes bedacht werden. — Wenn auch der Verfasser nach diesen Bedenken seine Arbeit wieder aufnahm und das, was weiterer Erkundigung, Erwägung und Berathung zuvor bedürftig erschien, in der Folge normirt hat,80.1 so blieb doch das Elaborat selbst als Entwurf unvollendet. Abgesehen von der bereits erwähnten Lücke auf Bl. 108b bis 111b findet sich eine solche auf Bl. 57 und 58, indem Bl. 56b nach einem Artikel über das Pflichttheilsrecht die Satzung abbricht, um Bl. 59a mit dem zwölften Enterbungsgrund wieder zu beginnen.
Trotzdem dass der Handschrift hiernach jede gesetzliche Autorität selbstverständlich mangelt, durfte dennoch ihr Inhalt80.2 volle Verwerthung finden, da die beabsichtigte Landesordnung nicht Neues schaffen sondern das Bestehende zweckmässig regeln wollte, wie eine Vergleichung mit den Taidingen einerseits und der zweiten uns offenstehenden aus dem thätigen Rechtsleben unmittelbar geschöpften Quelle anderseits zeigt.
Diese weitere ungedruckte Quelle führt den Titel: Formular allerlai gemainer Contractbrief und anderer Schriften, im Stift Salzburg, Land zu Bayern und Oesterreich gebreichlich 1550,80.3 und ist eine alphabetisch geordnete Mustersammlung für Urkunden verschiedenen Inhalts. Sie beginnt mit Abschied Bl. 1 und schliesst mit Wechselbrief, beziehungsweise Anwaiser in einen Wechselbrief Bl. 459b. Was noch weiter folgt, [Seite 81] zum Theil von anderer Hand eingetragen, ist nicht mehr alphabetisch gereiht. Bl. 459b steht ein Formular Generalmüntzer zu bestellen und das letzte beschriebene Blatt, 514a endet mit einem Formular: Gewalt lehen zuemphahen.
Von den seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts durch den Druck vervielfältigten deutschen Formelbüchern81.1 unterscheidet sich diese Sammlung darin, dass sie jede theoretische Beigabe verschmäht und ihre Brauchbarkeit auf ein bestimmtes, wenn auch weit gestecktes Gebiet beschränkt hat. Salzburg, welches an erster Stelle unter den Ländern genannt wird, in welchen das Buch verwendbar sein soll, dürfte, da in vielen Formularen speciell auf den Landesbrauch oder das Recht im Stift Bezug genommen wird, zugleich seine Heimat sein.81.2 Als Verfasser vermag ich Johann Neuhofer, dem von Kaiser Karl V. im Jahre 1541 wegen seiner dem Reichsoberhaupt gerühmten Ehrbarkeit, Redlichkeit, guten Sitten, Tugend und Vernunft sowie wegen der dem Kaiser und Reich geleisteten willigen Dienste "ein Wappen und Kleinat mit Namen ein Schilt" für sich und seine ehelichen Erben verliehen worden war,81.3 nachzuweisen. Unten auf der letzten Seite des Werkes findet sich nämlich von derselben Hand, welche das Buch schrieb, die Bemerkung: Insignia mea fol. 248. An dieser Stelle Bl. 248b-251a aber wird statt eines Formulars der Wappenbrief von Karl V. für Franz Neuhofer vom letzten Juli 1541 mitgetheilt. Ausserdem ist das gemalte Wappen selbst der Innenseite des Deckels aufgeklebt mit der Subscription: Ins. [Seite 82] Johann Neuhoferi D. B. Secr. und der Ueberschrift: Antidotum vite, pacientia.
Das Eingangs der Mittheilung über die Quellen Bemerkte macht es erklärlich, dass von dem salzburgischen ehelichen Güterrechte sichere Kunde bis jetzt fehlt. Wenn seiner in der Literatur, was übrigens nur selten der Fall, flüchtig Erwähnung gethan wurde, so geschah es auf Grund unzureichender Nachrichten in dem Sinne, dass abgesehen von dem Urbarsbrauch, die Frau "ums halbe setzen zu lassen", das römische Dotalrecht in dem Stiftslande zur vollen Herrschaft gelangt sei. Vgl. Hofmann, Handbuch des deutschen Eherechtes 1789 S. 416-419; von Weber, Darstellung der im Königreich Baiern geltenden Provinzial- und Statutarrechte V (1844) S. 101; Gengler Lehrbuch des deutschen Privatrechtes (1854), S. 1014; von Roth, bayrisches Civilrecht 2. Aufl. I (1881) S. 429. Die Berichtigung dieses Irrthums wird aus der folgenden Darstellung von selbst sich ergeben.
Wenn Brautleute Vermögen besassen, so wurden im Salzburgischen immer Ehepacten errichtet; Die Ehe war unter der genannten Voraussetzung hier82.1 stets eine "verdingte".
Die Ehepacten hiessen der Heirath,82.2 ein Heirathstaiding oder -Vermächt, ein Heirathsbeschluss, wenn nur mündlich etwa vor Zeugen verhandelt wurde, eine Abrede dagegen, falls eine Aufzeichnung stattfand, und ein Heirathsbrief endlich, wenn eine förmliche Urkunde mit Beidrückung der Siegel doppelt ausgefertigt wurde.
Wollten die Leute "nach dem Landrecht" heirathen,82.3 was also das thatsächlich Gewöhnliche war, so bildete den [Seite 83] nothwendigen Inhalt des Taidings die Aussetzung eines Heirathsgutes von Seite der Frau oder ihrer Verwandten zum lebenslänglichen Nutzgenuss des Mannes und das Vermächtniss einer Widerlage durch den Mann zu Gunsten der Frau. Damit konnte der Inhalt der Abmachung erschöpft sein, vorausgesetzt dass die Zuwendung der allgemein üblichen Morgengabe dem Tag nach der Brautnacht vorbehalten blieb. Häufig wurde sie jedoch ebenfalls schon in der Heirathsabrede versprochen; und weiter enthielten die Taidinge nicht selten auch Bestimmungen, dass etwas und wie viel von der fahrenden Habe beim Tode des Mannes der Wittwe gebühren sollte.
Was hiernach als nothwendig, zugleich aber auch als genügend für ein Heirathen nach dem Landrecht des Stiftes83.1 erscheint, das Zubringen eines Heirathsgutes von Seiten der Frau und dessen Wiederlegung durch den Mann, war mit Ausnahme der stets üblich gewesenen und üblich gebliebenen Morgengabe nach der Vorfahren Recht allerdings theils nicht ausreichend theils nicht erforderlich. Die Wandelungen, welche unzweifelhaft in dieser Richtung stattgefunden, beruhen jedoch keineswegs auf einer Uebertragung fremder Rechtssitten, vielmehr haben sich dieselben in Folge von Veränderungen im eigenen Volks- und Rechtsleben ergeben, was ich zunächst darzulegen versuchen will.83.2
In der ältesten, freilich nur dürftig beglaubigten Zeit musste ein Mann, der heirathen wollte, vor Allem die Frau [Seite 84] mit schwerem Gelde von ihrer Familie erkaufen. Der Fraukauf war nothwendig und natürlich, so lange das weibliche Geschlecht geringer an Zahl war, als das männliche, und dass diess der Fall gewesen sein müsse, zeigt der Umstand, dass die Weiber namentlich im Alter der Gebärfähigkeit höher bewerthet waren, als die Männer.
Mit Gewändern und Schmuck, auch dem nöthigen Hausrath ausgestattet, wurde das gekaufte Mädchen dem Bräutigam übergeben. Sonst brachte in aller Regel die Frau von Hab und Gut dem Gatten Nichts zu. Auch hatte sie bei dem Vorzug des Mannsstammes im Erbrecht in der Folge von den Ihrigen Nichts zu erwarten. Daher legte das Recht weiter dem Manne die Pflicht auf, für sein Weib, falls es auf den Wittwenstuhl käme, zu sorgen. Dieser Pflicht wurde genügt durch die Bewidmung der Frau oder die Aussetzung eines Witthums.
Die nächste Entwickelung bildete, während die Bewidmung unverändert im Gebrauche blieb, der Wegfall des Fraukaufes; ohne ein Entgeld vollzog sich in späterer Zeit die Freiung oder Auslobung eines Mädchens aus seiner Familie. Als die Ursache dieser Wandelung betrachten wir eine allmählig eingetretene Vermehrung des weiblichen Geschlechtes, ohne die es unerklärlich wäre, dass das einst doppelt und noch höher bemessene Wergeld der Weiber nachmals sogar unter dasjenige der Männer herabgesunken ist.
Der Familie seiner Frau brauchte der Mann hiernach Nichts mehr zu zahlen, der Frau selbst aber musste er wie bisher ausser der Morgengabe ein Witthum bestellen, während ihm von ihrer Seite immer noch nichts zugebracht wurde. Eine grössere Berücksichtigung und gar die volle Gleichstellung der Töchter im Erbrecht führte endlich aber auch in dieser Richtung eine Aenderung herbei. Ein Mädchen vermöglicher Eltern konnte ebenfalls in Zukunft dem Manne etwas bieten. Ausser ihrer Fertigung brachte die Braut Gut und Geld, die Heimsteuer oder das Heirathsgut in die Ehe.84.1 [Seite 85]
In diesem, dem eigenen Vermögen der Frau, mochte es nun ihr Erbtheil oder ein Voraus der künftigen Erbschaft sein, war für den Fall, dass sie Wittwe wurde, zugleich eine Versorgung künftig vorhanden, und damit entfiel die Voraussetzung, unter welcher das Witthum entstanden war. Wenn dennoch die seit den ältesten Zeiten dem Manne obliegende Bewidmung auch ferner sich erhalten hat, so konnte diess nur unter einer wesentlichen Veränderung in der Bedeutung der Zuwendung geschehen. Ein Wechsel in der Bezeichnung bringt diese Veränderung zum Ausdruck. Als "Widerlegung hatte die Bewidmung die Bedeutung einer Gegengabe oder eines Gegenvermächtnisses für das Heirathsgut gewonnen, das sie übrigens besserte oder vermehrte, falls die Frau zur Wittwe wurde,85.1 während die Morgengabe auch diese Entwickelung unverändert überdauert hat.
So war man zu den verschiedenen Zuwendungen gekommen, welche für eine Heirath nach dem Landrecht erfordert wurden, und die im Einzelnen nun näher zu besprechen sind, nachdem zuvor der selbstverständlichen Fertigung in Kürze gedacht worden.
Als Fertigung wurden in Salzburg und Niederbaiern diejenigen Gegenstände bezeichnet, mit welchen Eltern und Freunde eine Braut ausstatteten, bevor sie aus dem väterlichen Hause ihrem Bräutigam zugeführt wurde.85.2 Bestehend in Kleidern und Schmuck sowie in dem, was zur ersten Einrichtung von Tisch und Bett gehörte, sollte sie stets gebührlich und ehrbar sein,85.3 damit das Hochzeitspaar nicht spöttischer Nachrede [Seite 86] ausgesetzt wäre, oder wie das Altenthaner Landrecht86.1 sagt: und sollen gefërtigt werden ze pöth und tisch, das si neben ir genossen mit ehrn ze kürchen und ze gassen geen mögen.
Das Heirathsgut oder, da dieser Ausdruck auch im weiteren Sinne für das, was jeder Gatte dem andern besonders aussetzte, üblich war,86.2 genauer das weibliche Heirathsgut86.3 bildete jenen Vermögensbestandtheil, den die Frau dem Manne zu lebenslänglichem Nutzgenuss zubrachte.86.4 Da jedoch während der Ehe ein Nutzgenuss auch an dem sonstigen Frauengut dem Manne kraft seiner Vogtei zukam,86.5 so lag der Schwerpunkt des einheimischen Heirathsgutes verschieden von dem der römischen Dos, in der Zeit nach Auflösung der Ehe — der man hat seines weibes heiratguet sein lebenlang zunutzen, ob sy von Im mit dot abging, Entwurf einer Landesordnung Bl. 45b. Vgl. ferner Kessendorfer Landrecht S. 42, 3-12: Item mit dem heirathguet und widerleg stehet es im löblichen erzstüft Salzburg für und für also: wo es mit eheleiten zu fählen kombt, daß ains auß ihnen mit todt abgehet, so mag es ihr iedes nach des andern abgang sein lebenlang (doch unverkomert) inhaben, brauchen, nuczen und niessen; wo si aber baide ohne ehelich leibserben mit todt vergiengen, so felt ihr iedes heirathguet und widerleg widerumben auf die nechsten freund, davon es herkommen ist; liessen si aber ehelich leibserben von ihnen beeden geborn im leben [Seite 87] verhanden, so erben dieselben ihre kinder ihr beeder erb, haab und guet nichts dar von außgenommen wie landsrecht ist.87.1
Die Grösse des Heirathsgutes, das immer standesgemäss sein sollte,87.2 bestimmte sich nach den Vermögensverhältnissen des einzelnen Falles. Heurathgüter, sagt der Entwurf einer Landesordnung Bl. 45a, wie groß die sein sollen, kann und mag kein maß oder ordnung fürgenommen werden, dieweil das Vermögen der Unterthanen so ungleich ist.
Für die Uebergabe des versprochenen Heirathsgutes an den Mann galt wohl als Regel, dass sie sofort nach vollzogener Ehe zu geschehen hatte, indess war der Willkür hier ein Spielraum gegönnt. Es konnte bestimmt werden, dass die eine Hälfte von stund nach dem bischlaf, die andere an einem späteren Termine erlegt werden sollte,87.3 oder dass das ganze Heirathsgut erst nach dem bischlaf in jarsfrist auszurichten wäre, in der Zwischenzeit aber durch einen landläufigen Schuldbrief sichergestellt werden sollte.87.4
Die Wiederlegung, wie insbesondere der von dem Manne andererseits der Frau ausgesetzte Vermögensbestandtheil hiess, sollte, was die Grösse betrifft, dem Heirathsgute gleichkommen und nicht dasselbe übersteigen.
Vgl. die Altenthaner Rechtsweisung: was ainer oder eine zu heirath bringt, wenig oder vill, soll dem andern widerlegt werden mit so vil.87.5 Auch der Entwurf einer Landesordnung Bl. 45a stellt es als einen gemeinen Brauch und altes Herkommen im Stifte wie nicht minder als eine Satzung des gemeinen Rechtes87.6 [Seite 88] hin, dass wenigstens zwischen Bauers- und Handwerksleuten wie unter gemeinen Leuten überhaupt die Widerlage die gleiche Grösse mit dem Heirathsgute haben solle, gesteht aber Bl. 45b zu, dass in den höheren Ständen wohl eine Aufbesserung der Widerlage stattzufinden pflege, ohne diesen Vorgang, wenn Bedacht genommen wird auf die Kinder und Uebertreibungen vermieden werden, zu verwerfen.88.1
Wie das Heirathsgut zum Nutzgenuss des Mannes, so war die Widerlegung zum Nutzgenuss der Frau bestimmt, und da letztere in Folge der ehemännlichen Vogtei erst nach Auflösung der Ehe durch den Tod des Mannes in diesen Nutzgenuss trat, so erscheint die Widerlage als ein Vermächtniss und zwar als das Vermächtniss eines lebenslänglichen Nutzniessungsreehtes.88.2
Wir gelangen zu der letzten bei einer Heirath nach dem Landrecht nothwendigen Zuwendung, die ebenfalls von dem Manne ausging, zu der von Altersher üblichen Morgengabe. Wie anderwärts auf bairischer Erde, so bestand auch im Salzburgischen die Bedeutung dieser Gabe darin, dass sie dem Magdthum und der Jungfrauschaft zur Ehre und zum Lohne gereicht wurde. "Für ihr höchste junkfreiliche ehr, die ir gott geben und verlichen habe" Kessendorfer Landrecht S. 43, 18; "zur ecgezlichait irer junkfreilichen eer" Formular Bl. 296b; "die morgengab ist nit von wëgen der großen heiratguet erfunden [Seite 89] und aufgesätzt, sunder den junkfrauen zu eren und belonung eren und frungkait, auch darumb daz die mait und junkfrauen iren magthumb und junkfrauenschatz dës fleißiger irem eelichen gemachl behalten" Landrecht von Rauris S. 218, 1-4.89.1
Im Zusammenhang mit der Bedeutung der Morgengabe stand das zeitliche Erforderniss ihrer Bestellung. Sie konnte wohl vor Eingebung der Ehe versprochen werden — item wo ain freie morgengab nach dem gemainen landsrechten zu Salzburg und nidern Bayrn verbrieft würdet, Kessendorfer Landrecht S. 41 36-37, und war in diesem Falle nach der Brautnacht verfallen — item ein iedliche heurat, die da bschiecht nach dem gemainen landrechten, so hat sich die morgengab verfallen di erst nacht der frauen, Haunsberger Landrecht S. 55 38-39. Keinesfalls aber durfte sie später als am ersten Morgen nach der Brautnacht bestellt werden. Wir offen und chunden — sagt Erzbischofs Friedrich III. Landesordnung vom Jahre 1328 Art. 4689.2 — daz nit anders ist morgengab, denn daz ein wirt seiner hausfrawen get des ersten morgen pei dem pette, wen er pei ir ist gelegen, und mag auch ein frawe nicht anders besteten for ir morgengab.
Für das Opfer, um desswillen die Morgengabe gegeben wurde, schien kein Preis zu hoch. Aus Rücksicht für die Erben und Kinder entstanden jedoch allenthalben einschränkende Festsetzungen, die freilich mannigfaltiger Art gewesen sind. Während im schwäbischen Rechte zum Beispiel die Grösse der Morgengabe abhängig gemacht war von dem Stande des Mannes, beziehungsweise seinem Vermögen,89.3 bestimmte sich nach bairischem Rechte ihr Ausmass vielfach nach der Grösse des Heirathsgutes der Frau. Trotz desselben Massstabes war freilich die Bemessung selbst wieder eine verschiedene. Im Salzburgischen sollte die Morgengabe die Hälfte des Heirathsgutes betragen [Seite 90] dürfen — und wo man morgengab gibt, derselben morgengab halben wëg als vill als des zuegebrachten heuratguetes oder darbei sein solle, Entwurf der Landesordnung Bl. 45a. Wiewohl das erlaubte Mass sehr beträchtlich war im Vergleiche zu dem in dem benachbarten Baiern giltigen,90.1 so scheint dasselbe dennoch vielfach und ganz bedeutend überschritten worden zu sein, wie sich aus der Rechtsweisung in Rauris ergibt, welche im Jahre 1565 gegen solche Uebertreibungen folgender Massen ankämpfte: Auch sollen die morgengaben nit so gross gemacht werden als ëdlich zeit beschechen sind, wenn es kumbt oft, daz es den kinden auch freunten zu grosser beschwärung reicht; demnach ist nit unbillich, daz es gehalten werd wie anderstwo bei stëtten und märkten auch auf dem land, als: wann aine ainem bringt zu heiratguet vierzik pfund pfening und er widerlëgt ir auch so vil und daz er ir vermach beileifig bei zwainzig oder dreissig pfund pfening oder auf daz maist nëben der widerlegung zu freier morgengab, und die morgengab ist nit von wegen der grossen heiratguet erfunden und aufgesëtzt.90.2
Abgesehen von der wechselnden Grösse des Geschenkes, die hiernach von Fall zu Fall sich bestimmte, gab es im Erzstifte zwei Arten der Morgengabe, die gemeinübliche,90.3 welche hier die "freie", "freie und ledige" oder die "freie landläufige" genannt wurde,90.4 und die "nach dem Landrecht", welche dem Lande Salzburg und Niederbaiern eigenthümlich war. Mit Rücksicht darauf; heisst es in dem Kessendorfer Landrecht S. 43, 14: Item wo ain frau ihr morgengab mit recht bestätten mieste, so soll si — — schweren ainen aid, dass ihr der mann, ihr hauswürth, die morgengab also frei oder nach dem [Seite 91]landsrechten ze geben vermacht und versprochen habe. Der rechtliche Unterschied zwischen den beiden Arten der Morgengabe bestand in Folgendem. Die freie Morgengabe machte die Frau zur Eigenthümerin des Gutes und verlieh ihr das Recht, beliebig darüber zu verfügen. Starb sie ohne eine Verfügung getroffen zu haben, so fiel das Gut ganz und gar auf ihre Erben. Die Salzburger Morgengabe schloss dagegen ein Dispositionsrecht der Frau aus, und starb dieselbe kinderlos, so kam nur die eine Hälfte des Gutes auf ihre Erben, während die andere an die Verwandten des Mannes zurückfiel. Vgl. das Landrecht von Altenthan S. 28, 10-15: wurde aber ain morgengab versprochen, frei oder nach den landsrechten, ist si frei, damit mag ain jedes mit handls verschaffen, vergöben zu hail sein seel oder wie es verlust, würt sie aber nach den landsrechten versprochen und wans zu fälln kombt, so geet si halbe wider haimb und beleibt halbe dem andern thail seiner freundschaft. — Das Landrecht von Kessendorf S. 38, 22-30: Weiter seint umb die freien landleifigen morgengab landrecht, die man ainem oder mehr, es sein manß- oder weibspersohnen, macht, gibt und morgengabt, die ist ain frei aigenthumblich guet, da mags mit handlen, thuen und lassen mit verheirathen, verschaffen, vergeben und seiner notturft nach in all ander weeg wie si verlust etc.
Morgengabt aber ainer oder aine nach dem gemainen landsrechten, so es zu fallen kombt, so gehets alsdann demselben, welchem die morgengab geben ist, nur halbe haimb und der ander halb thail bleibt den freunden, die gefertigt haben. Ferner S. 41, 37, - 42, 2: Item wo ain [freie]91.1 morgengab nach dem gemainen landsrechten zu Salczburg und nidern Bayrn verbrieft würdet und so es zwischen eheleiten zu fällen kombt, wann si beederseits künder mit einander verlassen und so dieselben auch mit todt absterben, alsdann so gehet solche morgengab halbe dem man und seiner freundschaft und der ander halb thail der frauen und ihrer freundschaft ohne verwidern menigelichs nach; item, wurde gehörtermass ain freie morgengab verbrieft und gieng die frau ohne ehelich leibserben mit todt ab und hete die morgengab nit verkomert oder verschafft sonder schwig also still, so fiel dieselb frei morgengab auf ihr [Seite 92] nechste freund und erben im land zu Salczburg;92.1 liess si aber kinder, so felt diese morgengab wie andere ihre güeter auf dieselben ihre kinder, ist also mit recht erkent, betracht und bißher gehalten worden.
Der Umstand, dass, wenn nicht gleich bei der Heirathsabrede auch der Morgengabe Erwähnung geschah, nur das was längstens am Morgen nach der Brautnacht im heimlichen Gemach unter vier Augen der Mann seiner Frau versprochen hatte, von letzterer als Morgengabe in Anspruch genommen werden konnte, sowie der weitere Umstand, dass in dem Verlangen einer Morgengabe die Klägerin behauptete, als Jungfrau in des Mannes Bett getreten zu sein, bewirkte, dass einer Frau das Recht zukam, diese Gabe zu "bestätten" oder mit ihrem Eide zu behalten, wobei in Salzburg wie in Baiern die rechte Hand auf die linke Brust und das offene Haar gelegt wurde. Vgl. Kessendorfer Landrecht S. 43, 14-19: Item wo ain frau ihr morgengab mit recht bestatten müeste, so soll si mit ofnem har mit ihrem anweiser angedingt vor recht stehen und soll ihr rechte hand auf ihr prust legen und schweren amen aid, daß ihr der mann, ihr haußwürth die morgengab also frei oder nach dem landsrechten ze geben vermacht und versprochen habe, für ihr höchste junkfreiliche ehr, die ihr gott geben und verlichen habe.92.2
Ueberhaupt aber sollte die Ansprache einer Morgengabe, welche mit der Klage wegen Ehrverletzung auf eine Linie gestellt wurde, des vollsten richterlichen Schutzes sich erfreuen, wie in mehreren Gerichten bei der Aufzeichnung des Landrechtes hervorgehoben wurde. Vgl. das Antheringer Landrecht S. 65, 45 bis 66, 2: Umb morgengab. Ob ain fraw khäm, die ir morgengab bestäten wolt, mit eren und frumbkait in ires mans gwalt komen wär, und niemands anders wesst, soll richter die fraw bei dem rechten beschermen, unzt si kombt zu irem begern und volmechtigen rechten. — Das Landrecht von Lebenau S. 82, 15-l9: [Seite 93] Wo ain personn, es wär frau oder man, für das recht käm, die an iren ehren verunglimpft wer, oder ain frau von irer morgengab wegen, so soll jr ain pflëger oder richter zu Lebenau das recht besizen, biß man die liechtgloggen leit oder die stern am himel steen, vnzt si zu iren rechten kombt. - Das Landrecht von Raschenberg S. 94, 35-42: 6. Sechste frag. N. ich frag euch des rechten auf den aid, so ain frau ihr morgengab bestätten wolt, wie ich mich hierinen halten soll und si von billichkeit und recht darzue komben möcht? Antwort. So ain frau zur schrannen kämb in aufgelosten haar und ihr prüst bedecket mit ihren handen, wolt bestätten ihr haimbpruch und morgengab und claget auf ihr ehr, treu und jungfrauschaft, so solt ihr das erst, ander und dritt recht besitzen und das recht ergehen lassen, unzt das sie kombt zu irem haimbpruch und morgengab, wie landsrecht ist.
Von den Erfordernissen einer Heirath nach dem Landrecht gehen wir über zu den Rechtsverhältnissen, die aus einer solchen entstehen.
So lange eine Ehe begründet war, erhielt die Stellung der Gatten zu dem Vermögen im deutschen Rechtsleben ihre eigenthümliche Bestimmung hauptsächlich durch die Wirksamkeit der ehemännlichen Vogtei oder Vormundschaft.93.1 Ergibt [Seite 94] sich nun, dass in dem Erzstift Recht und Gesetz fortwährend den Mann als seines Weibes Ehevogt anerkennen,94.1 so liegt darin der Beweis, dass das deutsche Güterrecht als Landsbrauch sich andauernd gegenüber dem Dotalsystem des römischen oder gemeines Rechtes in Geltung erhalten hat. Der Ehemann war, wenn seine Frau ausser dem Heirathsgute noch anderes Vermögen besass oder erwarb, nicht auf jenes angewiesen und im Uebrigen von ihrem entgegenkommenden Willen abhängig, vielmehr ging die gesammte Frauenhabe von Rechtswegen in seine "Gewalt" über,94.2 während gleichzeitig in derselben die Morgengabe nebst den Wiederlagsgütern und seinem sonstigen eigenen Vermögen verblieb, in Folge dessen trotz der Ausscheidung und Widmung verschiedener Güter zu bestimmten Zwecken in der Salzburgischen Ehe wie Ein Leib so Ein Gut vorhanden war. Diess wurde auch von den Juristen ohne Umschweif anerkannt, sagt doch Bluemblacher, der Professor der kaiserlichen Institutionen an der Salzburger Universität in seinem 1661 erschienenen Tractatus de jure emphyteutico p. 47, 48, wo er von der Wandelung gesonderter Güterrechte in eine Gemeinschaft spricht: maritus manet administrator rerum uxoris,94.3 id enim meâ opinione non tam ex aliqua ipsius uxoris praepositione quam ex reverentia quadam et ex illo capite,[Seite 95] quod maritus in domo alias sit et debeat esse caput, contingere praesumendum est.
In Folge der Vogtei, welche den Ehemann zum Mitbesitzer, Verwalter und Nutzniesser der gesammten Habe der Frau machte, wurde der letzteren das Recht selbständiger Verfügung über das Ihrige entzogen, aus der freien Hand wurde eine gebundene Hand. In Uebereinstimmung mit dem, was die beiden oberländischen Rechtsbücher, der Spiegel deutscher Leute c. 66 und das kaiserliche Landrecht c. 74 lehren: daz ist davon daz er ir vogt ist: ein weib enmag ân irs mannes urlaub ir95.1 gutes niht hin gegeben noch aigen noch leibgedinge noch zinsgut noch varntz gut, heisst es in dem Entwurf einer Landesordnung Bl. 486, nachdem der Ehefrau Gehorsam, Treue und Unterwürfigkeit gegenüber ihrem Manne empfohlen worden: auch (soll sie) ân sein willen und wissen anderst dann ir das recht zuelass nichts hingeben, verkumern, zuesagen, noch in anderweg verandern oder es hat nit, crafft.
Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Vogtei den Mann berechtigt habe, seinerseits über der Frau gehöriges Gut zu verfügen, ist mit der darauf bezüglichen Stelle der beiden obengenannten Rechtsbücher, welche also lautet: Sol ein man gelten und hat er niht ze gelten und nimt er ein weip. und geit im dev varendev gut. er giltet von varenden gute wool. daz ist davon daz der man seines weibes vogt ist und ir maister95.2 bekanntlich vielbestritten95.3 und unsere salzburgischen Quellen bieten keinen Beitrag zur Klärung. Von dem Entwurfe einer Landesordnung wird nur ein liederliches Schalten mit dem Frauengute dem Manne verboten, und für einen solchen Fall oder wenn sonst die Wirthschaft zurückginge, der Frau zu ihrem Schutze das Recht, Sicherstellung durch Bürgen oder Handpfänder zu verlangen zugesprochen.95.4 [Seite 96]
In Betreff der Rechtsverhältnisse nach Auflösung der Ehe durch den Tod eines Gatten war in mehreren Gerichten bei der Aufzeichnung des Landbrauches ein Artikel aufgenommen worden. So im Pfleggericht Altenthan S. 27, 42 bis 28, 10: Item wie die heirathen gemacht solln werden nach den landsrechten ze Salczburg: was ainer oder aine zu heirath bringt, wenig oder vill, soll dem andern widerlëgt, werden mit so vill, und sollen gefertigt werden (ze pöth und tisch, das si neben ir genossen mit ehre ze kürchen und ze gassen geen mögen); und welches vor dem andern ehe mit todt abgieng, sie heten ehelich leiblich erben mit ainander oder nit, so soll und mag das ander ir haab und guet besiczen und innenhaben, dieweil es sein wittibstuell nit verkert, sein leben lang nuczen nach seiner notdurft, wurde aber der wittibstuel verkert, so soll es auf dem guet gefertigt werden laut irs heiraths, doch das ain aufzaigen geschech umb die widerlëgung oder neme aine verlorn gelt; gienge si aber baide ân leibserben mit todt ab, so soll ir iedweders heirathguet hinwider gefallen auf ihr iedes negst freund und erben, davon es herkomen währ, nach den landsrechten; liessen si aber ehelich leiblich erben hinder innen, die sollen und mügen alsdann alles ir baider haab und guet erben gleich nach den landsrechten. Ferner in dem Gerichte zu Kessendorf S. 38, 6-18: Item, wer heirath nach dem landrechten und bringt ein heirathguet zu seinem ehevogt, grund oder vahrunds guet, gewinnen si erben mit einander, die erben ihr baider guet; gehet aber ain leib ân erben ab, so soll die ander lebentig persohn des verstorbnen guet sein lebenlang unverkomert inhaben, gebrauchen, nuczen und niessen; wann si aber beede mit todt abgangen und ihr kaines mehr im leben verhanden ist, alsdann soll aines ieden guet widergehen und haimb fallen auf die nechsten erben, davon es herkommen; wolt aber auß den cohnleiten ihr aines den wittibstuel nit behalten, sondern widerumben heirathen, so soll man des verstorbnen freunden desselben guet vorhin genuegsamb aufzaigen, sondern und dermass auflegen, daß man den freunden daß guet nit in irrung bring, auf daß si [Seite 97] desselben zu seiner zeit ze suechen und zallhaft ze machen wissen. Endlich in dem Landgerichte Haunsberg S. 55, 33-5696.4: Item ain iedliche heurat, die da bschiecht nach dem gemainen landrechten, so hat sich die morgengab verfallen di erst nacht der frauen und dergleich ir böt und leibgewandt mit sambt aller fertigung hinwider dem man di erst nacht; aber das heiratguet und widerlegung verfelt sich nach jar und tag in des gewalt, das ander uberlebt, und dasselb mag des gestorbnen heuratguet, widerleg sambt aller varunder hab sein leben lang ân irrung inhaben, nutzn, brauchen und sich davon nörn, doch daß er sölchs unvertendlich innnenhab und des gestorben erben das selb guet vergwissen, volgent nach beeder abgang soll aines jeden heuratguet, wiederleg hinwider erben, komen und fallen an den stam und von dannen es herkumen ist ungeverlich; aber di morgengab, wo die ordenlich wie recht nit verschaft, stierbt es ab mit der person, der si vermacht ist worden.
Bei manigfacher Verschiedenheit in der Sache und im Ausdruck stimmen diese Sätze darin überein, dass ohne Unterschied, ob der Mann oder die Frau gestorben, dem Ueberlebenden an den Gütern des Todten ein Nutzniessungsrecht zugesprochen wird mit dem Bedeuten, dass beim Ableben auch des zweiten Gatten auf die Kinder sämmtliche Güter sich vererben, dagegen ein Theil derselben heimfalle, wenn keine Kinder vorhanden sind.
Es scheint hiernach, dass thatsächlich in aller Regel eine Auseinandersetzung oder Entrichtung nach dem Tode eines Gatten nicht stattgefunden habe, es sei denn, dass der Ueberlebende zu einer zweiten Ehe schritt: so sol es — wie es freilich nur in dem Altenthaner Tading heisst — auß dem gut gefertigt werden laut irs heiraths. Allein abgesehen hievon stand, wie zum Schlusse gezeigt werden wird, allgemein fest, dass eine Wittwe jederzeit ihre Entrichtung verlangen konnte, und es müssen daher die einzelnen Ansprüche klar gestellt werden, welche für diesen Fall begründet waren. Dabei genügt es, die Ansprüche der Wittwe kennen zu lernen, da hiernach die Rechte des überlebenden Mannes von selbst sich ergeben.
Eine Wittwe aber hatte Anspruch auf ihr Heirathsgut, deren Widerlegung und die Morgengabe, ferner auf ihre Kleider und Kleinode, endlich auf einen Theil der Fahrniss, und zwar [Seite 98] war ihr Recht an allen diesen Gütern mit Ausnahme der Widerlegung98.1 freies Eigenthum. Dieselb suma,98.2 — heisst es in dem Entwurf Bl. 45 — was dann solich heuratqueth widerlegung und morgengab zusamen bringet, werden dem weib etwo auf ainem sondern stuckh odr ligennden guet oder aber in gemain auf aller des manns hab vor allen seinen geltern unnd erben verschrieben unnd aufgezaigt und dann so sy den man überlebt, aus desselben gelassen guettern da mit abgefertigt, das alles sambt iren zimblichen khlaidern, frauen geschmuckhen unnd gepenndten und was ir aus der varundten hab zeuolgen in der heirathsabred bestimbt wird, hat sy an irrüng zu emphahen, unnd mag damit gefaren — als mit irem aigen guet alain irrs mans widerlegung aüßgenumen. die hat sy nür ir lebtag zu nutzen vnnd soll die im lanndt anlegen oder sonst dermassen vergwissen, das die erben, daraüf sy nach irem thot billich geuällen soll, dieselb zufinden wissen.
Von diesen Ansprüchen bedürfen die auf das Heirathsgut, die Widerlegung und Morgengabe nach dem Früheren keiner weiteren Erörterung, während zu dem Anspruch auf die Kleider und Kleinode nur bemerkt werden mag, dass in den Vertragsformeln letztere einmal zu dem eigenen und unverheiratheten Gut einer Frau gerechnet werden,98.3 dass bisweilen genauer von Leibgewand und Frauenkleidern, von Gebände und Frauenschmuck die Rede ist und daneben auch noch Hausrath und Bettgewand sich genannt findet.98.4 Einlässlicher ist dagegen von dem Antheil der Frau an der fahrenden Habe zu sprechen.
Bekanntlich haben im deutschen Rechtsleben Gesetz und Gewohnheit die Dinge nicht immer ihrer natürlichen Beschaffenheit gemäss behandelt; auch in Salzburg bestimmte ein "gemeiner Stift- und Landbrauch", wie der Entwurf einer Landesordnung Bl. 46b, 47a sagt, was in heurathfällen für varünde haab soll gerechnet werden.98.5 Als solche, heisst es hier, galt [Seite 99] aller Hausrath, das Bettgewand, Silber-99.1 Küchen- und Hausgeschirr, das Zumass, d. h. Victualien, welche wie Schmalz, Käse und dergleichen als Zuspeise dienten,99.2 die niessende Speise, Getreide und Anderes, die gefechste Frucht, alles Vieh und Geflügel überhaupt was in der täglichen Haushaltung genossen und gebraucht wird. Dagegen werden ausdrücklich ausgeschieden das Baargeld, die Schulden im Sinne von Forderungen, die Kaufmannswaare, das Getreide und die Früchte, so lange sie noch nicht von dem Erdreich getrennt sind, sowie das Obst an den Bäumen, während in letzterer Beziehung nach dem Zeugnisse99.3 Tenglers vielfach eine entgegengesetzte Gewohnheit galt, die in den Worten "was der Wind bewegt und der Regen besprengt oder die Sonne bescheint, ist fahrende Habe" ihren Ausdruck fand. In den Formularen für Heirathsverträge werden wiederholt auch Mannskleider, Ross, Harnisch und Wehren oder Geschütz und was zu des Mannes Wehr gehört ausgeschlossen.99.4
Die fahrende Habe in dem abgegrenzten, eigenthümlichen Begriff, ähnlich der Gerade und dem Mustheil des sächsischen Rechtes gebührte ursprünglich sonder Zweifel auch in Salzburg als Voraus ausschliesslich der Wittwe. So war es früher in Oesterreich — und, ist daz er da stirbet ân gescheft, was er varundes gutes hat, da sol niemant dhain recht zu haben, wann seine hausfraw;99.5 so war es noch später in der Steiermark — [Seite 100] Wan ainer stirbt, der weib und chind hât, so ist das varûnd gut der witiben voraus zu der morgengab.100.1 Was den Umschwung herbeigeführt hat, ob die rechtliche Möglichkeit, welche dem Manne geboten wurde, auch auf den Todesfall über die Fahrhabe zu verfügen, mag dahin gestellt bleiben, jedesfalls erschien unserer Zeit nur noch eine Antheilnahme der Wittwe billig und gerecht, zumal wenn die Fahrniss aus Ersparung und Errungenschaft herrührte.
Demgemäss wurde in den Heirathsverträgen in aller Regel eine Verfügung zu ihren Gunsten getroffen, wie der Entwurf einer Landesordnung Bl. 44b 45a unter dem Titel: Der varünden haab halben in den heurathdadingen zumelden berichtet. Dann der varunden haab halben wirt auch gewonndlich in den abredungen oder heurathdadingen bestimbt und gedingt was dem weib aus des mannß dotfall daraus züesteen und volgen soll, und yr etwon beuorab unndter vermuglichen Personen, und so der thodfall ân eelich leibserben beschickt, der halb ausgezogen, etwo dann der drittail oder weniger, Es beschach der vaal ân oder mit Leibserben aber in elwëg soll ir auß solcher varundter hab, die sy irem Eheman erobern und ersparn helffen nach glegenhait der sach und der person etwas werden, es sei der drit oder der vierttail oder das si dieselb haab mit den khindern zu gleich erb und aines khindt tail nemb, wie es dann in der abred gemacht und bedingt wird, darinnen dann die khinder zu zeit der abredung auch in sonnderhait bedacht und mit dem wenigisten beschwart werden sollen. Dieser Bericht findet seine Bestätigung in der uns vorliegenden Mustersammlung von Heirathsverträgen; bald wird gleichviel, ob die Ehe eine beerbte oder unbeerbte sein wird, der Wittwe die Hälfte,100.2 bald ein Dritt- oder Spindeltheil100.3 zugewiesen, oder es ist für den Fall, dass die Ehe eine unbekindete sein sollte, die Hälfte und, sofern Kinder vorhanden sein würden, ein Drittheil der Wittwe [Seite 101] eingeräumt.101.1 In einem Formulare101.2 verweist der Ehemann die Frau wegen der Ersparniss und Errungenschaft, wenn solche erzielt würde, auf eine später zu treffende Verfügung, und in einem andern bereits angeführten Muster101.3 heisst es nach der Zuweisung eines Drittheiles: oder die Frau solle erhalten was billig und lanndsrecht ist.
In dieser Alternative findet die Vermuthung ihre Begründung, dass der Wittwe auch ohne eine Verfügung zu ihren Gunsten die Fahrhabe nicht gänzlich vorenthalten werden durfte, dass ihr ein Antheil daran mindestens nach Lage des einzelnen Falles zugebilligt werden musste. In der That besitzen wir einen solchen, auf billigem Ermessen beruhenden Schiedsspruch aus dem Jahre 1351, welcher besagt: daz des vorgenannten Jansen deß Velber wittiben, di nu den Prunner hat, angevallen soll alles daz, daz in dem hauß beliben ist und daz nicht rechtleich verschoff ist, an chost, an vih, an gewant, an pettgewant, an claynaden und an pfeerden; waz aber derselb Jans andern leuten rechtlich geschafft hat aus der vorgeschriben hab, den sol auch daz beleiben .. Waß aber der vorgenant Jaen sel. der Velber an beraitschafft lazzen hat oder an purchrecht, daz ir nicht geschafft noch gemacht ist, da hat di vorgeschribne frau nicht rechtz an, dann als vil ir des geschafft ist.101.4
So lange eine Wittwe hinsichtlich ihrer vorgenannten Ansprüche nicht gänzlich entrichtet war, durfte sie im Besitz und Nutzgenuss des ungetheilten Gutes, jedoch ohne jegliche Verfügungsbefugniss bleiben.101.5 Einen feststehenden Termin für die Abfertigung von Wittwen, wie in Oesterreich, wo dieselbe nach dem Landesbrauche zwischen Weihnachten und Mariae Lichtmess, der stillen Zeit für den Landwirth zu geschehen pflegte,101.6 gab es im Salzburgischen nicht. Auch war das [Seite 102] anderwärts begründete Recht der Wittwe, ein Jahr in ungetheilter Gewere zu bleiben, die sogenannte Haubenbandsgerichtigkeit in Holstein, das sogenannte Gnadenjahr der adeligen Wittwe in Bremen und Pommern,102.1 dem Salzburgischen Landsbrauche fremd. Vielmehr wird hier umgekehrt die Entrichtung zu fordern als ein der Wittwe zukommendes Recht hervorgehoben. Zum achtesten — heisst es in der Mühldorfer Weisung102.2 — ob ain frau käm der ir hauswürt mit tod wer abgangen, begeret entrichtung, niemand woll si entrichten, so soll ir recht gestatt werden und, wann sie daselbst schwört auf har und prust oder bringt für umb ir weibliche freihaiten mit brief oder leuten, so soll ir ergen wie recht ist.
Zu den weiblichen Freiheiten,102.3 deren hier gedacht wird, gehörte — und damit berühren wir schliesslich die Frage nach der Haftung für die Schulden im Falle einer Heirath nach dem Landrecht — insbesondere auch die, dass eine Frau, welche für die Schulden des Mannes im Allgemeinen nicht einzustehen hatte,102.4 wegen ihrer Vermögensansprüche sogar das Recht des Vorganges gegenüber den Gläubigern besass.102.5
Eine Heirath nach Landrecht war, wie schon hervorgehoben wurde, die gewöhnliche, keineswegs aber die einzige Art einer Eheschliessung mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse der Gatten. Unsere Darstellung welche bisher nur mit jener einen Möglichkeit sich beschäftigt hat, bedarf daher der Ergänzung.[Seite 103]
Von der Heirath nach Landrecht abzustehen, lag vor Allem eine zwingende Nothwendigkeit vor, falls Brautleute ohne Vermögen mit der blossen Aussicht, solches zu erwerben, eine Ehe eingingen. Verwirklichte sich in der Folge diese Aussicht, so mochten die Gatten während der Ehe wegen des erworbenen Vermögens einen Vertrag aufrichten;103.1 geschah diess aber nicht, so waren bei Auflösung der Ehe durch den Tod des einen Gatten, dem Entwurfe Bl. 47b gemäss, für den Ueberlebenden nachstehende Ansprüche begründet: Begab sich dann das zway eeleuth anainander nichts zuebrachten unnd aber mit irer schikhlichait unnd arbait in gmain etwas uberkhomen, welliches dann vor dem andern mit thot abgeet, so nimbt das uberbeliben, zu sambt seinen claidern unnd clainaten, si haben khinder miteinander oder nit, den halben thail soliches versambts und gewonnen guetes und das annder felt an des abgestorben eelich khinder oder ander sein negst erben, doch dem uberbelibnen an seinem geniess und beisitz, davon hernach gemelt wirdet, unvergriffen.
Ferner konnte es auch geschehen, dass eine Heirath nach Landrecht von Brautleuten mit Vermögen verschmäht wurde, indem dieselben vorzogen "Leib an Leib, Gut an Gut" zu heirathen.
Ulrich Tengler berichtet in seinem Laienspiegel:103.2 Auss gewonhait werden an meer Enden alle hab und güter, so Eeleut, die leib an leib und gutt an gutt zusamen geheirat haben fur jr bayder samptliche hab und güter verstanden, daran ir yeden in der Ee der halbtail angehörig werden. Zu den Gegenden, in welchen die bezeichnete Wirkung mit dem Gebrauche jener Formel in einer Heirathsabrede verknüpft war, gehörte das Salzburger Land. [Note: Eine andere Bedeutung, der Ausdruck für ein Gesammteigenthum der Gatten, wovon nachher gesprochen werden wird, verband sich mit der Formel im Würzburgischen (vgl. das Landesgerichtsprotoholl §. 88 bei Vocke, gem. ehel. Güter- und Erbrecht 2, 325), ferner in der Stadt Dinkelsbühl (s. Arnold, Beiträge zum teutsch. Privatrecht 1, 262 f).]
Statt der wechselseitigen Festsetzung eines Heirathsgutes, statt einer Morgengabe und sonstigen Zuwendung seitens des [Seite 104] Mannes an die Frau mochten die Eheschliessenden hinsichtlich ihres gesammten Vermögens mit einander halbpart machen, indem der Eine den Andern zum Eigenthümer auf die Hälfte seines Gutes setzte.104.1
Eine solche Halbsetzung konnte übrigens auch später, nachdem die Heirath nach dem Landrecht eingegangen worden war, beliebt werden, und es scheinen derartige Wandelungen der Güterordnung in Ehen nicht selten gewesen zu sein, da der Artikel 39 des Hüttensteiner Land- und Urbarrechtes ausdrücklich darauf Bezug nimmt: Bei ieglicher heirath solle eine abrede und verzaichnuß deren zuebringenten gelten, paarschaf und varnußen gerichtlich verfaßet werden, damit, fahlß ein halbsöczung nicht vorgehete, in der ehe hernach so vill weniger zwistigkeiten entstehen, auch auf ervolgenten todt ain oder des andern die kinder oder erben desselben von den iberlebenten mit vernimpftiger ansagung desto minder in ainige schaden gesözet werden mögen.104.2
In Betreff der Rechtswirkungen bei Auflösung der Ehe verweist der Entwurf einer Landesordnung in dem Artikel "Wann leib an leib und guet an guet geheurat wird"104.3 auf den früher normirten und von uns vorhin besprochenen Fall mit folgenden Worten: Und also — nämlich so, dass dem Ueberlebenden ausser seinen Kleidern und Kleinoden die Hälfte des vorhandenen Gutes zukommen soll, während die andere Hälfte, übrigens vorbehaltlich des Nutz- und Besitzrechtes für den Ueberlebenden, den Kindern oder sonstigen Verwandten des [Seite 105] Verstorbenen zufällt — soll es auch gehalten werden, so beede Eeleut am anfang unnd zur zeit ires eelichen beyschlaffs leib an leib und guet an guet geheirath habn, doch sollen in beeden jetz gemelten fällen die schulden so zway chonfolkh in solicher bey einander gemacht hetten, zuvoran und aus genomen ungetailten guet bezalt werden.105.1
Endlich war auch im Salzburgischen nicht unbekannt, wiewohl mit Missgunst betrachtet, eine Güterordnung, die im Falle ihrer Begründung der Ehe den Namen einer "Renndlensheirath" gab. Aus der blossen Bezeichnung, welche besagt, dass die Ehe das Vermögen gerinnen mache oder verschmelze,105.2 würde die Wirkung einer solchen Ehe auf das Vermögen nimmermehr mit Sicherheit erkannt werden können. Da jedoch der Ausdruck "gerennte Ehe" auch anderwärts sich findet, wie im Eichstättischen Hochstift und in Ingolstadt, und von diesen Orten zugleich Bestimmungen über eine Ehe dieses Namens vorhanden sind, so lässt sich mittelst Combination, wie ich glaube, die Bedeutung einer Renndlensheirath feststellen. All die weilen — heisst es in einer Eichstättischen Verordnung vom Jahre 1708105.3 — es durch das ganze Hochstift eine von Alters hergebrachte Sache ist, daß bey den gemeinen Burgers- und Bauersleuthen, wann zwey ledige Personen — einen sogenannten gerönnten Heyrath trefen, und hernach eines ohne Hinterlassung eines Kindes mit Tod abgehet, das Uîberlebende das völlige Vermögen erbe, ohne des Verstorbenen und all übrigen Befreunden das Mindeste herauszugeben schuldig seye: als solle es bey diesem Herkommen in künftighin gehalten werden. Was hier105.4 [Seite 106] als Recht und Gewohnheit im Falle einer gerennten Ehe Bestätigung gefunden, genau dasselbe ist, ohne dass des Namens Erwähnung geschieht, in dem Muster eines während der Ehe aufzurichtenden Vertrags in Neuhofers Formelbuch Bl. 157b 158a festgesetzt. Ein Mann, der nicht viel von seinem Vater ererbt, sondern was er besitzt, erspart und erobert zu haben erklärt in Gemeinschaft mit seiner Gattin, welche unter harter Arbeit bei Tag und Nacht treulich mitgeholfen und auch sonst viel Gutes ihm erwiesen habe, gibt, eignet, vermacht und verschreibt aus diesen und andern Gründen seiner Frau "zu heiratgut", alle seine Habe und Güter; dessgleichen gibt, eignet, vermacht und verschreibt die Frau ihrem Manne "zu widerlegung seines heiratgutes" Alles das Ihrige: auf mainung, welcher aus uns ains vor dem andern mit tod abginge und nit eelich leibßerben von uns baiden geboren hinder jma liesse. So sol das obgemelt heiratgut das ains dem andern vermacht, geben, geeignet und verschriben hat, bei Ime demselben lebendigem tail und allen seinen erben beleiben.106.1 Mag auch alsdann mit denselben guetern handlen, thun und lassen, die geben, vermachen und verschaffen wem oder wohin es verluszt an jrrung und widersprach aller annder seiner erben, freund und menigelichs.
Eine Renndlensheirath war in ihrer Wirkung demnach eine Ehe, bei deren Auflösung der überlebende Gatte zum alleinigen und freien Eigenthümer des gesammten Vermögens geworden ist, falls keine Kinder vorhanden waren.106.2 Des Gatten Tod bildete keinen Erbfall, der Todte erbte nicht den Lebendigen, da bereits der Lebendige den Lebendigen beerbt hatte. Hierin lag die Bedeutung einer wechselseitigen Auflassung der Güter zu Gesammteigenthum.106.3 [Seite 107]
Dem Begriffe des Gesammteigenthums entsprach auch im Falle der beerbten Ehe das alleinige Eigenthum des übrigbleibenden Gatten, während daneben jedoch den Kindern das Vermögen für den erst mit dem Tode des zweiten Elterntheils eintretenden Erbfall durch ein Wart- oder Verfangenschaftsrecht gesichert sein mochte. Und in Uebereinstimmung hiermit wurde in der That dieser Fall in dem obigen Vertrage geordnet, welcher weiter verfügt: Gewinnen wir aber leibßerben mit einander, die von uns baider leib khomen und uns bede uberleben, dieselben unser baider leibßerben sollen alßdann unser baider gelaßen gut nach unser beder abgang erben als erbs der stat N und landßrecht ist, on geverde.
Nun konnte es aber auch geschehen, dass zwar bei Auflösung der Ehe Kinder vorhanden waren, dieselben jedoch vor dem überlebenden Gatten starben; solchen Falles würde es dem Begriffe des Gesammteigenthums entsprochen haben, dass der Ueberlebende die Freiheit der Verfügung über das Vermögen gewonnen, und dasselbe bei seinem Tode, soweit darüber nicht verfügt war, an seine Verwandten und nur diese durch Erbgang kam. Für diesen Fall findet sich dagegen in unserem Vertrage zu Gunsten der beiderseitigen Freundschaft eine abweichende Festsetzung, wenn es zum Schlusse heisst: So wir aber beide mit tod vergangen und nit eelich leibßerben mit einander lassen, sodann sollen dise gueter auf unser beider tail negst freund und erben gefallen.
Indem Eheleute bei einer Renndlensheirath sich vorzugsweise oder ausschliesslich bedachten, vergassen sie der Bande der Verwandtschaft, mit der sie durch die Geburt verknüpft waren, ja selbst die eigenen Kinder wurden zurückgesetzt und mussten mit einer Anwartschaft sich begnügen, während andere [Seite 108] bereits im Besitze und Genusse waren. In der Rauris wurde daher diese Heirath wie überhaupt jeder Ehevertrag, der den Blutsverwandten Gefahr und Nachtheil zu bringen geeignet war, verboten; das eheliche Güterrecht sollte stets in Uebereinstimmung mit dem gewöhnlichen Landbrauch geordnet werden. Könnlich zusamenfuegung, abret und heiratstaidingen, contract und vermächt sollen beschechen nach gewöndlichem landsprauch und rechten und mit vernunftigen billichen abrëden, und die renndlensheirath und ander geverlicher heiratvermächt, darin nit billich vernunftig ursach furgenumen sint und dadurch freund und ërben ierer rechtlichen ërbfäl entërbt werden möchten, sollen nit gestat werden.108.1 Aus demselben Gesichtspunkte, nur nicht in der Allgemeinheit wurde durch Mandate vom Jahre 1608 und 1615 in Ingoldstadt diese Güterordnung verboten; es sollte nämlich eine zweite Ehe, falls die erste eine beerbte war, "die gerennte Heurath, so denen Kindern erster Ehe und armen Pupillen zu Schaden gereichen"108.2 in Zukunft unstatthaft sein.