Quelle: Hermann Baltl, Die Kärntner Landgerichtsordnung von 1577. Kodifikationsgeschichte, Charakter und Quellen. In: Carinthia I 139 (1949) S. 331-359.
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Dem Studium und der Erforschung der partikularen Rechtsquellen der neueren Zeit wurden bisher im allgemeinen recht wenig Interesse und Arbeit zugewendet; dies findet Erklärung zunächst wohl in der Bevorzugung der Rechts- und Verfassungsgeschichte des Mittelalters, dann aber auch in der besonders durch die Lehr- und Handbücher verbreiteten Annahme, das Privatrecht etwa des 16. und 17. Jahrhunderts sei im wesentlichen gemeines Recht, das Strafrecht aber beruhe auf der 1532 erlassenen Halsgerichtsordnung Karls V.1 Nun, diese allgemeine Einstellung gilt auch für Österreich. Die Untersuchung der für die moderne Rechtsentwicklung im Vergleich zu mittelalterlichen Gesetzen doch viel unmittelbarer bedeutungsvollen Rechtsquellen des 16. und 17. Jahrhunderts wurde vernachlässigt und erst die großen Kodifikationen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts erfuhren die notwendige quellengeschichtliche Beachtung, die jedoch selten über das 18. Jahrhundert zurückging. Unter den wenigen Arbeiten [Seite 332] zur Geschichte des österreichischen Zivilrechtes im 16. und dem folgenden Jahrhundert sind neben der von Rintelen veranstalteten Ausgabe Walther'scher Schriften verschiedene Studien von Karl Torggler erschienen und die Reihe der größeren strafrechtsgeschichtlichen Arbeiten scheint mit den Namen von Wahlberg, Hye, Hoegel und Byloff ziemlich erschöpft zu sein. Das ist um so verwunderlicher, als das 16. Jahrhundert, besonders was das Strafrecht betrifft, eine Fülle von Material bringt, Material, das den Vorzug hat, an der Übergangslinie zwischen zwei Zeitaltern zu stehen und dadurch Rückblicke und Ausblicke zu alten und neuen Entwicklungen zu gewähren.
Im Gegensatz zum Mittelalter sind Strafrecht und Strafprozeß dieser Zeit in steigendem Maß gebunden an Kodifikationen, die Landgerichtsordnungen, wie sie gemeiniglich genannt wurden. Ansätze und Versuche zu solchen Arbeiten finden sich in Österreich schon im 15. Jahrhundert,2 das noch 1499 die bekannte Halsgerichtsordnung für Tirol entstehen läßt. Das 16. Jahrhundert bringt dann für alle niederösterreichischen Lande eigene Landgerichtsordnungen, als erste 1514 die für Österreich unter der Enns und als letzte 1577 die für Kärnten, mit der sich diese Abhandlung befaßt. Quellen- und Kodifikationsgeschichte all dieser Landgerichtsordnungen ist mit Ausnahme der steirischen Landgerichtsordnung von 1574 (im folgenden als LGO bezeichnet, während mit LGO/K die kärntnische Ordnung gemeint ist) ziemlich unbekannt.3
Daß auch die Kärntner Rechtsquellen bisher "stiefmütterlich" behandelt wurden, stellte Karl Torggler fest, als er, vorwiegend privatrechtsgeschichtlich interessiert, sich über Kärntner Rechtsdarstellungen äußerte.4 Strafrechtsgeschichtliche Publikationen sind sehr vereinzelt.5 Die Landgerichtsordnung von 1577 wird in ihnen entweder nur flüchtig erwähnt oder ganz übergangen; auch die älteren Schriftsteller wie Hermann und Aelschker nahmen von ihr nicht besonders Notiz. Wenn sich auch die Ordnung von 1577 sachlich und stilistisch mit keiner der anderen niederösterreichischen Ordnungen des 16. Jahrhunderts messen [Seite 333] kann und infolge ihrer scheinbaren Beziehungslosigkeit zu anderen Ordnungen vorerst etwa wie ein erratischer Block anmutet, so rechtfertigt dies nicht ihre Übergehung, nicht aber auch die Ansicht, in Kärnten habe die Carolina (im folgenden abgekürzt mit CCC für Constitutio Criminalis Carolina) großen Einfluß gehabt.6 Denn gerade das Kärnten des 16. Jahrhunderts hat die Anwendung der CCC lange Zeit trotz gewisser Konzessionen beharrlich abgelehnt. Schon eine Vergleichung der im Hauptteil durchaus auf der CCC beruhenden steirischen LGO von 1574 mit der kärntnischen Ordnung von 1577 zeigt dies sofort. Doch wir greifen vor.
Wohl erstmals erhielt Kärnten 1338 in der bekannten Landesordnung einheitliche strafrechtliche Normen größeren Umfanges; für die kärntnische Strafrechtsgeschichte ist diese Ordnung insoferne wichtig, als in ihr ausdrücklich auf das steirische Vorbild verwiesen wird, denn in allen in der Ordnung nicht erwähnten Angelegenheiten soll gerichtet werden nach dem Recht "... als unser herren und edel leut in unserm lande ze Steyr". Die Anlehnung an das steirische Recht ist für Kärnten im ganzen Mittelalter festzustellen.7 Die von der Landschaft 1492 behandelte "Ordnung und Artickel eines gemeinen Nutzens willen von der Lanndschaft in Kärnten vorgenommen" enthält auch strafrechtliche Bestimmungen.8
Unter den strafrechtliche Bestandteile enthaltenden Quellen des 16. Jahrhunderts ragen hervor die "Vier Seulen im Landtsrechten"9 und der sogenannte "Ampfingerische Bericht", den Luschin veröffentlichte.10 Eine übersichtliche Zusammenstellung aller Kärntner Rechtsquellen fehlt bis jetzt, ebenso wie Textabdrucke und kritische rechtsgeschichtliche Bearbeitung.
Bevor nun Charakter und Quellen der kärntnischen Landgerichtsordnung von 1577 behandelt werden, soll das Ergebnis archivalischer Nachforschungen über die Kodifikationsgeschichte dieser Ordnung vorgelegt werden. Obwohl diese Nachforschungen infolge Zeitmangels und anderer ungünstiger Umstände in keineswegs befriedigendem Umfang erfolgen konnten, dürfte es doch [Seite 334] ziemlich fraglich sein, ob noch belangvolles neues Material vorhanden ist; bemerkenswert ist, daß über den Fortgang der Kodifikationsarbeiten in Klagenfurt weit weniger Nachrichten als in Wien anzutreffen waren.11
Noch deutlicher als die steirische Landgerichtsordnung weist die kärntnerische Ordnung auf eine schon früher vorhandene Ordnung der Landgerichte hin. In ihren Eingangsworten heißt es, die Landschaft habe dem Erzherzog Karl vorgestellt, es sei notwendig "die hievor daselbst in Khärnden aufgerichte Landtgerichtsordnung in etlichen Artickeln gemeinem wesen zum besten zuverändern". Auch im Beschluß der Ordnung wird durch die Formulierung "Neuverleihung" der Landgerichtsordnung auf eine vorhergegangene Ordnung abgestellt. Mehr als der daraus resultierende Schluß auf eine ältere verlorengegangene Ordnung12 war hierüber jedoch bisher nicht bekannt.
Die ersten Hinweise auf die Schaffung einer Landgerichtsordnung für Kärnten finden sich fast ein halbes Jahrhundert vor 1577: am Montag nach St. Martin 1531 berichteten Landeshauptmann Veit Welzer und Andreas Rauber als Vizedom an die Regierung zu Wien, daß über die von den Städten und Märkten "von des fürkhaufs, Gewhandtierung vnnd mallefiz Ordnung" eingebrachten Beschwerden der König am 20. September 1531 befohlen habe, etliche des Landesbrauches erfahrene Landleute zu berufen, zur Beratung wie bei den Städten und Märkten "ain bestänndige mallefiz Ordnung aufgericht vnnd die hinfür mit pessrer Schickhlickhait" gehalten werden solle.13 Unter Bestätigung des Empfanges dieses königlichen Befehls wird nun darauf hingewiesen, daß der König "bemelter Mallefiz Ordnung halben im Neunundzwainzigisten jar ain bevelch mit zwaien eingeschlossenen abschrifften" übersandt habe, worauf dem Herrscher das Ergebnis der damaligen Beratschlagung vorgelegt worden sei.14 Bei der heute wiederum vorgenommenen Beratung im Hoftaiding hätten die beigezogenen Landleute erklärt, sie wüßten ihre frühere Äußerung nicht zu ändern, sondern es solle "die mallefiz Ordnung Inhallt der lanndshanndtvest vnnd dem gebrauch nach wie die ab hundert jaren bissher [Seite 335] gegolten hanndlen zelassen". Auf Einzelheiten geht der Bericht nicht ein.
Also schon 1529 war von der Erlassung einer Malefizordnung die Rede und vielleicht wurde schon damals ein Entwurf oder wenigstens eine Zusammenstellung von Beschwerdepunkten verfaßt; und zwar gaben die Städte und Märkte Kärntens den Anstoß, indem sie sich über Mängel im Malefizwesen beklagten. Worauf sich im einzelnen ihre Beschwerden bezogen, ist nicht bekannt, doch dürfte wohl die Abneigung der Landschaft gegen das den Städten und Märkten Kärntens am 19. Juli 1518 von Maximilian I. verliehene Recht, die Malefizsachen nicht mehr wie bisher auf Klage und Antwort, sondern auf Urgicht und Bekenntnis bei verschlossener Tür zu entscheiden,15 bedeutungsvoll gewesen sein. In diesem Privileg war insofern eine Besserstellung der Städte und Märkte begründet, als sie nunmehr nicht mehr des Bannrichters bedurften, sondern das von ihren Organen gesprochene Urteil nur noch durch den Freimann vollstrecken lassen mußten. Auch scheinen die Städte und Märkte das "kaiserliche Recht" gefördert zu haben, während die übrige Landschaft dieses ablehnte.
Diese Annahme wird bestärkt durch zwei Schriftstücke des Jahres 1533: Ferdinand I. verfügte am 18. Jänner 1533, daß in Hinkunft die Städte und Märkte nicht unmittelbar durch den Herrscher wie bisher, sondern mittelbar durch den Landeshauptmann Bann und Acht erhalten sollen. Als darüber näher beraten werden sollte, beriefen sich die Städte und Märkte, wie Veit Welzer am 14. Februar 1533 an den König mitteilte, auf das eben erwähnte Privileg Maximilians I. "das sy das malefitzrecht mit verschlossner Thür nach vermögen des Khaiserlichen Rechten hanndlen möchten".
Ob der König dem Wunsch der Landschaft nach Aufhebung dieses Privilegs entsprochen hat, ist nicht sicher festzustellen.
Den Standpunkt der Kärntner Landschaft in der nun bestehenden Frage der Malefizordnung zeigt ein bedeutungsvolles Schreiben an die Regierung in Wien, datiert von 1534, Freitag nach Gottsleichnam. Unter Betonung, daß die bisher in der Landhandveste niedergelegten Vorschriften und alten Gebräuche für die Strafrechtspflege ausreichend seien, wendet sich die Landschaft besonders gegen Gerichtssitzungen hinter verschlossener Tür, also gegen das strittige Vorrecht der Städte und Märkte: zuerst zeige die Landhandfeste klar auf, "wie ain jedliche vnthat betreffend das Leben überzeugt und gestrafft werden sollt", doch stimme sie nicht in allen Taten mit dem kaiserlichen Recht überein.16
"Zu dem annderen wirdet aus alten gebreuchen das malefizrecht auf offnem Platz besezt, dazwischen begeben sich ... ettlich vnnottürfftig Redt, des aber allein vnnsers achten von des jungen [Seite 336] volkh wegen so dabei ist zu einem erschreckhen ... geschehen. So haben wir bedacht das zubesorgen ist Es möchten in ettlichen Steten, zuvor in den markhten aus der Bürger daselbs clainen verstanndt verirrt und dem Thätter beswerlich zuergeen".
Dann wird der Besorgnis Ausdruck gegeben, die landesfürstliche Obrigkeit sei in Gefahr, da Salzburg und Bamberg, die die landesherrliche Gewalt über ihre in Kärnten gelegenen Gebiete beanspruchen, viele Landgerichte, Städte und Märkte hätten.
Nach einer kurzen Erwähnung der für die Gerichtsorgane entfallenden Kosten17 heißt es weiter: "Man hat den gedankhen es möchten villeicht ettlich Burger zuvor die handwercher vnd reich khaufleut poess leiden, das man sy nicht auf offnem Platz sonnder mit versperrter Thür sich (?) am malefiz Recht sizen. So sich dan das Lanndsrecht vnd gebreuch mit den kayserlichen Rechten in vil stukhen nicht vergleichen vnnd die hanndvest ... lautter ausdrukht wie jedlich vnthat bezeugt vnd gestrafft sol werden so lass man es hinfür wie bissher bei dem alten Gebrauch ...".
Die Landschaft legt also gegen jede Neuerung, insbesonders wohl gegen die Anwendung des kaiserlichen Rechts, der Carolina, von deren Existenz man damals in Kärnten schon Nachricht gehabt haben dürfte, und gegen das Verfahren hinter verschlossenen Türen Verwahrung ein.
Nach dieser Äußerung des Jahres 1534 tritt im greifbaren Material eine Pause von acht Jahren ein, ohne daß festzustellen wäre, ob in der Zwischenzeit erhebliche Arbeiten zur Malefizordnung vollführt worden seien. Zum Vergleich diene, daß sich auch in Steiermark der Gang der Kodifikationsarbeiten in etwa dieser Zeit verlangsamt zu haben scheint.18
Mit dem Jahr 1543 setzen die Nachrichten wieder stärker ein: die landesfürstlichen Städte und Märkte Kärntens beschwerten sich beim König über den Landeshauptmann Moritz Welzer wegen seiner Haltung in der Frage der Gerichtshaltung hinter verschlossenen Türen, worauf der König von der Landschaft ein Gutbedünken forderte. Aus Prag erstattet nun die Landschaft am 17. Dezember 1543 die befohlene Aufklärung: Die Landschaft habe von der angeblichen Freiheit der Bürgerschaft vorher keine Kenntnis gehabt (!) auch habe die Landschaft, soweit sie sich erinnern könne, nie gemerkt, daß die Bürger sich dieser Freiheit bedient hätten. Wieder wird auf die Landhandfeste verwiesen, bei der es auch in Hinkunft bleiben solle; man habe sich der "khaiserlichen geschribnen Rechten in gemain nicht gebreucht." Über das Verfahren in peinlichen Fällen wird dann berichtet: wenn in einem Gericht eine Person betreten wird und auf gütliche oder peinliche Frage (wem diese obliegt, wird [Seite 337] nicht gesagt) sich malefizisch erweist, wird beim Landeshauptmann um den Bannrichter, die verordneten Procuratores und den Nachrichter oder Züchtiger ersucht "außer des darff sich niemands vber des menschen pluet zerichten vnndersteen." Diese Ordnung würde durch die strittige bürgerliche Freiheit durchbrochen, da die Bürger ja dann nicht mehr des Bannrichters, sondern nur des Züchtigers bedürften.
Daß das Malefizrecht auf offnem Platz besessen werde, sei Landesbrauch und altes Herkommen; die Gerichtstage werden vorher auf den Wochenmärkten öffentlich verkündet, "alsdann erscheinen auf etlich meill wegs derselben ort jung vnd alt personen", was zu Exempel und Abschreckung dienlich sei.
Nach der Bemerkung, die Landschaft wisse nicht, wie an anderen Orten die "kaiserlichen geschriebenen Rechte" ordentlich prozediert würden, weist die Landschaft noch auf die Gefahr hin, die der Landeshoheit des Herrschers aus dem neuen Recht drohen könne: wenn die Bürger ihre Freiheiten behalten sollten, dann würden auch Salzburg und Bamberg und andere Herrschaften mit gleichen Forderungen hervortreten, woraus Unsicherheit und Zwiespalt entstehen möchten. Daher schließlich das Gutbedünken: man solle die erwähnte Freiheit abtun und es beim alten Gebrauch belassen.
Das Regiment hat nun im Vorlagebericht zu diesem Schreiben der Landschaft offenbar auch erwähnt, daß in den Ländern unter und ob der Enns Mängel im Malefizwesen bestanden. Dies veranlaßte nun Ferdinand I. am 6. Mai. 1544 zur überaus bedeutungsvollen Verfügung, es solle in allen Ländern Ordnung und Reformation im Malefizfache geschaffen werden,19 und zwar unter Verwendung der Carolina: "so ist vnnser Bevelch an Euch, das Ir die jungst Im hailigen Reich aufgerichte halssgerichts vnnd anndere ordnungen zu der Sachen dienstlich" mit den Angehörigen des Landrechtes unter der Enns beratet; das Gleiche solle in den übrigen niederösterreichischen Landen geschehen.
Dies ist somit der Befehl zur Herstellung von Landgerichtsordnungen, wobei die Tendenz zur Einheitlichkeit dieser Ordnungen durch die Bezugnahme auf die CCC deutlich wird; wenig später bereits ging man, wie noch zu erwähnen sein wird, auf dem Wege zur einheitlichen Strafgesetzgebung noch einen Schritt weiter.
Dieser Befehl nun dürfte der unmittelbare Anlaß für die Verfassung eines Gutachtens der Kärntner Landschaft über die Verbesserung der Strafrechtspflege gewesen sein, das, vom 10. Juni 1545 datiert, am folgenden Tag von Landeshauptmann und Landschaft zu Kärnten der Regierung in Wien vorgelegt wurde. Es handelt sich bei diesem Entwurf um die erste und einzige überlieferte [Seite 338] größere amtliche Arbeit Kärntens in Sachen der Landgerichtsordnung vor 1577 und um die erste sicher nachweisbare Verwertung der 1532 erlassenen Carolina in Österreich.
Obwohl die Landschaft auch diesmal ihren Standpunkt, die Landhandfeste treffe hinreichend Vorsorge, wiederholt, habe sie dennoch der vorgefallenen Mißbräuche halber "von Abstellung vnnd Khürzung derselben wegen ain Verzaichnus gestelt ...", das gleichzeitig überschickt wurde. Das ist "des landshauptman und verordenten ausschuß in Kärnndten guetbedungken die malefitzordnung".20 Es ist geboten, hier auf diesen Text näher einzugehen; wegen seiner Bedeutung für die Strafrechtsgeschichte ist er im Anhang wiedergegeben.
Das Gutachten von 1545, wie dieser Text wohl bezeichnet werden kann, zerfällt sachlich und quellenmässig in zwei Teile: die ersten neun Seiten handeln von Bestellung und Bezahlung der Gerichtspersonen, Verfahrensangelegenheiten, Durchführung des Gerichtstages usw. Zahlreich sind Entlehnungen aus der CCC vorgenommen, allerdings selten ganz wörtlich; die andern Bestimmungen beruhen auf altem Herkommen und Gewohnheitsrecht mit zeitbedingten Verbesserungen.21 So findet sich auch gegen Ende des ersten Teiles der Vermerk: "Was nun die peindlichen Straffen die sollen durch den zuchtiger nach gelegenhait der beganngen mißhanndlung oder vbelthatten volzogen werden, wie gepreuchig ist." In der Reihenfolge der Bestimmungen ist keine weitere Systematik zu erkennen, auf bloße Andeutung folgt ausführliche Schilderung wie etwa bezüglich des "endlichen Rechtstages". Aus dem Verbot, Gerichtssitzungen ohne Weisung des Landeshauptmanns abzuhalten, zeigt sich die Tendenz zur Zentralisierung des Gerichtswesens — oder ist diese Bestimmung nur gegen die Städte und Märkte gerichtet, die ja das Recht beanspruchten, ihre eigenen Malefizgerichte ohne Zuziehung des Bannrichters zu halten?
Quellenmäßig steht der erste Teil des Entwurfs, abgesehen von den auf der CCC beruhenden Sätzen, isoliert da, denn weder sind Beziehungen zur 1535 erlassenen Landgerichtsordnung des Nachbarlandes Krain festzustellen, noch zum ungefähr 1545 entstandenen Ampfingerischen Bericht, der in a. 31 — 35 strafrechtliche Fragen behandelt. Auch die übrigen damals vorhandenen österreichischen Strafrechtsquellen scheinen keinen direkten Einfluß geübt zu haben. Es wird daher nicht irrig sein, den ersten Teil des Gutachtens 1545 als eigene Schöpfung Kärntens, gekennzeichnet durch Verbindung alter Bestimmungen, neuer eigener Formulierungen und Übertragung von Sätzen der Carolina zu bezeichnen. [Seite 339]
Davon hebt sich scharf ab der zweite Teil, der wörtlich die Vorschriften der a. 157 — 167 der Carolina über den Diebstahl übernimmt (einzelne belanglose Wortänderungen abgerechnet): Landeshauptmann und Verordnete haben "etlich Articl aus der ... jungest aussganngen peindlichen Gerichts Ordnung von wegen des Diebstall zusamen getzogen" so nach Wohlgefallen des Königs oder der Regierung "im fall ob sich die begeben auch in disem Lanndt Kärnndten also gehalten werden möchten".
Mit der wörtlichen Übernahme der Bestimmungen der Carolina bezüglich des Diebstahls, verbunden mit der Formulierung des ersten Teiles des Vorschlages hoffte man in der Kärntner Landschaft im großen und ganzen die eigenen Wünsche nach Erhaltung eines, wenn auch gebesserten status quo besser durchsetzen zu können als durch starre Obstruktion gegen jede Neuerung. Die Vorschriften der CCC über den Diebstahl divergierten im übrigen nicht allzusehr von dem, was schon vorher im heimischen Gewohnheitsrecht geübt worden war, und der Hauptpunkt des Gegensatzes zwischen Landschaft und Städten und Märkten, die Gerichtshaltung bei verschlossener Türe, war im Gutachten in geschickter Weise formuliert worden, indem man unter Verwendung der Carolina den endlichen Rechtstag ausführlich in die alte Form einbaute und jede Gerichtssitzung von der Genehmigung des Landeshauptmannes abhängig machte. Vielleicht wollte man in Kärnten auch nur den guten Willen zeigen und gab sich im übrigen der berechtigten Annahme hin, der Herrscher werde im Drang der schwerwiegenderen Staatsgeschäfte dieser Zeit die Angelegenheit nicht sonderlich weitertreiben.
In die Jahre nach 1545 fallen wichtige Vorgänge in der Geschichte der österreichischen Strafgesetzgebung. Zunächst wird 1546 — wie nun feststeht — in Steiermark eine auf der Carolina beruhende, mit dieser vielfach wörtlich übereinstimmende Landgerichtsordnung verfaßt. Auch diese Ordnung dürfte durch den bereits erwähnten Regierungsbefehl vom 6. Mai 1544 veranlaßt worden sein, aber sie ist im Gegensatz zum "Gutbedünken" der Kärntner Landschaft ein echtes, juristisch aufgebautes Strafgesetzbuch mit umfassendem Inhalt. Durchaus möglich, daß die Vorlage dieser Kodifikation der Regierung so recht die Mängel der bisherigen Arbeiten darstellte und ihren und des Königs Wunsch nach fortschrittlicher Regelung der ganzen Materie verstärkte. Viel bedeutungsvoller aber ist, daß in diesen Jahren der König den Auftrag gab, eine gemeinsame Halsgerichtsordnung der fünf niederösterreichischen Länder zu entwerfen, womit er die Absicht kundtat, in diesen Territorien das Strafrecht und Strafverfahren auf feste und einheitliche Grundlagen zu stellen. Eine solche Absicht schrieb man bisher allgemein erst dem 18. Jahrhundert zu.
Wahrscheinlich ist der Plan einer gemeinsamen Landgerichtsordnung um 1545/46 entstanden, als sich die Regierung mit den [Seite340] Landgerichtsordnungen der einzelnen Länder22 zu befassen hatte. Jedenfalls schrieb die Regierung im Vorlagebericht zu einer Eingabe des Landeshauptmannes von Kärnten, Christoff Khevenhüller, (6. März 1549) am 20. März 1549: "dieweil nun E. Kh. Mt. von vnns ... hievor ain Beratslagung vnnd verfassung ainer gemainen Pluetgerichtsordnung der Niderösterreichischen Lannde In vnnderthenigkeit vberschickht worden...", bitte die Regierung, der König möge sich über diesen Vorschlag und über den Antrag des kärntnerischen Landeshauptmannes entscheiden. Daraus geht mit Bestimmtheit hervor, daß dieser Plan schon weit gediehen und ein Entwurf für die gemeinsame Malefizordnung der niederösterreichischen Länder schon vorhanden war. Doch der Verwirklichung dieses Planes stellten sich verschiedene, uns nicht näher bekannte Hindernisse entgegen. Khevenhüller schreibt im März 1549, er könne wegen der schlechten Besoldung keinen Bannrichter erlangen, außerdem würden Bannrichter und Procuratoren "ganntz verächtlich vnnd leicht" gehalten, woraus sich die vielen Mißstände in der Strafrechtspflege erklärten. Und weiter heißt es: "Vnnd wie woll Ich weiß daß Euer Röm. Khü. Mt. des allergenedigisten vorhabens sein Ordnung vnnd pilliche fürsehung hierinnen fürzunemen möcht doch solches aus dem vill hochwichtigen geschäfften damit Euer Röm. Khü. Mt. je mer beladen wierdet noch lang nicht beschehen vnnd bleibt mitler zeit vill vbels vngestrafft."23
Die Regierung erinnerte den König an die Beschlußfassung sowohl über den oder die Kärntner Anträge zur Besserung der Malefizpflege in Kärnten als auch an die Entscheidung über die allgemeine Malefizordnung (30. Juli 1549) — ohne Erfolg. Weitere Beschwerden über Unzukömmlichkeiten in den Landgerichten tauchen auf.
Für 1549 und 1550 enthalten die Akten eine Reihe von Anträgen und Berichten zur Frage der Landgerichtsordnung für Kärnten. Der Landeshauptmann Christoff Khevenhüller von Aichelberg und Landskron scheint hier der Initiator gewesen zu sein.24
Ein Haupthindernis geordneter Rechtspflege war wie anderswo auch in Kärnten die unzulängliche finanzielle Fundierung des Gerichtswesens, besonders die ungenügende Bezahlung des Bannrichters und seiner Organe. Für den gebotenen [Seite 341] geringen Sold (25 fl. im Jahr) waren kaum geeignete Kräfte zu gewinnen; gerade auf den Bannrichter aber fiel die Hauptlast der Strafrechtspflege. Daher schlug Khevenhüller am 6. März 1549 vor: ein ansehnlicher und erfahrener Mann solle mit standesgemäßer Besoldung als Bannrichter bestellt werden. Jeder Landgerichtsherr hat in eigener Person bei Gericht anwesend zu sein. Der Bannrichter darf vom Gerichtsherrn des Ortes, da er das Gericht besitzt, nichts nehmen, sondern muß seine Zehrung aus dem Gehalt bekommen. Ähnliches gilt für Prokurator und Züchtiger. Während die Landschaft die beiden Prokuratoren besolden solle, wird dem König die Bezahlung des Bannrichters und Züchtigers empfohlen (damit kommt der Charakter dieser beiden Organe als landesfürstliche Diener zum Ausdruck).
Die Lage im Malefizwesen spitzte sich infolge ungenügender Bezahlung der Gerichtsorgane nun innerhalb eines Jahres so zu, daß am 22. März 1550 der Landeshauptmann dem König (vielleicht etwas übertrieben) mitteilen mußte, die Malefizpersonen hätten wegen zu geringer Besoldung den Dienst aufgesagt, so daß in Kürze, nämlich nach St. Georgs-Tag, kein Gericht mehr gehalten werden könne; es wird dabei auch auf die starke Teuerung in Kärnten hingewiesen.
Der König befahl darauf Khevenhüller, die Gerichte weiterzuführen und zu beraten, wie die Gerichtspersonen zu unterhalten seien; er verwies dabei auch auf die Absicht, in allen niederösterreichischen Ländern eine "ordnung und reformation" der Landgerichte zu schaffen. In seiner Antwort vom 10. Mai 1550 betont Khevenhüller erneut die Bedeutung des Bannrichters für die Wahrung der landesfürstlichen Gerichtsobrigkeit. Die Bezahlung des Bannrichters sei Sache des Herrschers und es sei "ganntz schimpflich das in so ernstlichen sachen" leichte und wohl auch unverständige Personen verwendet werden. Er habe erreicht, daß die Gerichtspersonen bis Pfingsten noch Dienst tun würden, doch sei es praktisch so, daß z. B. zur Verfolgung von Verbrechen keine geeigneten Personen zur Verfügung stünden, wodurch das Ansehen des Landesfürsten sehr leide.
Mit diesen offen und herzhaft geschriebenen Darlegungen — der Anklang an das Gutbedünken von 1545 ist unverkennbar — stellte Khevenhüller gewissermaßen dem Herrscher eine befristete Aufforderung, entweder die königliche allgemeine Ordnung zu erlassen oder dem Teilvorschlag Kärntens Gehör zu geben. Es war wohl vorausberechnet, daß der König die allgemeine Ordnung aus verschiedenen Gründen nicht werde erlassen können, weshalb angesichts der drastisch geschilderten Gefährdung der landesfürstlichen Gerichtshoheit in Kärnten nur die Befolgung der landschaftlichen Vorschläge in Betracht kommen konnte. Man sollte sich mit dieser Annahme in Klagenfurt nicht getäuscht haben.
Schon am 7. Juni 1550 stimmte die Regierung dem kärntnerischen Vorschlag zu: Weil die neue gemeinsame Malefizordnung [Seite 342] nicht so bald aufgerichtet werden würde, "demnach so lassen Ir die Regierung gedachten Herrn Landshauptmans Ratlich Guetbedungken ... dieser Zeit vnd biss zu Aufrichtung der gemainen Mallefizordnung gefallen vnd wissen das nit zuverpessern, darüber hat Ir Khu. Mt. sich weitter zu entschliessen." Die Regierung stimmt also vorläufig dem "Gutbedünken" zu und fordert den König zur Entscheidung auf. Es ist nun fraglich, welche Vorschläge mit dem Ausdruck "Gutbedünken" umfaßt werden sollten. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um eine Mehrheit von Einzelvorschlägen: Bezahlung und Bestellung der Gerichtspersonen, wie Khevenhüller vorgeschlagen, ferner wohl auch das Gutbedünken von 1545 und wohl auch eine Reihe von Bestimmungen polizeilicher Art, wie sie sich auch in der späteren Ordnung von 1577 vorfinden. Nicht aber dürfte es sich um eine systematisch gegliederte Ordnung gehandelt haben und strafprozessuale Bestimmungen dürften — ähnlich wie 1577 — nur spärlich vertreten gewesen sein. Das hindert aber nicht, nach zeitgenössischem Maßstab diese Summe von Einzelsatzungen als "Ordnung" zu bezeichnen.
Der König hat die gewünschte Zustimmung zu diesen Vorschlägen erteilt. Dies geht eindeutig aus dem an den König gerichteten Schreiben Christoff Khevenhüllers vom 10. Juli 1550 hervor, das wegen seiner Bedeutung für die Geschichte der Landgerichtsordnung, insbesonders für den Beweis, daß schon vor 1577 eine Kodifikation vorhanden war, ausführlich wiedergegeben ist: aus der schriftlichen Antwort des Königs habe er, Khevenhüller, entnommen, daß, weil der König wichtiger anderer Sachen halber derzeit keine allgemeine Ordnung des Malefizrechtes erlassen könne,25 "das E. Rö. Ku. Mt. allergenedigist bewilligen mein torichten Ratschlag In das Werch zurichten vnnd bevelhen mir daruber das Ich es mitler Zeit biss auf E. Rö. Ku. Mt. weiter wolgefallen vnnd verordnung im Lannd halten vnnd Ernnstlich darob [Seite 343] handhaben solle." Der Landeshauptmann bedankt sich für diese königliche Bewilligung, betont, daß Änderungen dieses Zustandes jederzeit im Belieben des Monarchen stehen, und fährt fort: "Es ist aber allergenedigister Herr Künig an dem khain genuegen das E. Kü. Mt. mir solches allain In das werk zurichten zueschreiben, dann die sachen muss durch offen General Im gantzen Lannd publiciert ernnstlich geboten vnnd mandirt werden." Dieses Generale müsse vom König oder von der Regierung ausgehen. Weiter wird die Bitte ausgesprochen, der König möge Landräten und Vizedom auftragen, den Landeshauptmann zu beraten, wie mit geringsten Kosten geeignete Personen als Gerichtsorgane bestellt werden mögen und wie überhaupt das Gerichtswesen gelenkt werde; es solle eine Ordnung aufgerichtet werden, wie man das Recht führen solle,26 "doch das Ich meines Ratschlages darinnen vnvermeld bleibe" — Khevenhüller als Hauptinitiator des Gesetzgebungswerkes wollte gegenüber den mehr konservativen Ständen nicht zu stark hervortreten.
Die Sonderstellung, die dem Bannrichter zukommen sollte, äußert sich in dessen vorgeschlagenem Titel: nicht mehr "Bannrichter", sondern "Oberster Landrichter".
"Vnnd wiewoll Ich waiss das mir garnicht gezimbt das Ich Ordnung oder mass geben oder schreiben soll noch dannoch hab Ich aus getrewer wolmainung nicht vnnderlassen wellen, mainer torhait nach ain Copi des Generals zuestellen vnnd steet zu E. Rö. Kü. Mt. allergenedigisten wolgefallen dieselb zu mindern meren oder gar zu änndern ..." Von diesem General sollen wenigstens zwölf Abschriften hergestellt werden, die man in den Vierteln des Landes nicht nur umtragen, sondern auch anschlagen solle.27
Dieses Aktenstück beweist also die eingangs erwähnte im Wortlaut der späteren Landgerichtsordnung von 1577 begründete Vermutung: Kärnten hat schon vor 1577, nämlich 1550, eine Kodifikation strafrechtlicher und strafprozessualer Art erhalten, im Sprachgebrauch der Zeit also eine Landgerichtsordnung, wenn sie auch in keiner Weise vollzählig war und nicht auf lange Sicht verfaßt sein mochte. Ihr Inhalt beruht auf den vom Landeshauptmann und der Landschaft in Kärnten verfaßten Vorschlägen; der Herrscher hat auf ihre Gestaltung keinen Einfluß geübt. Sie ist somit als vorwiegend ständisch bedingte Ordnung zu werten — im Gegensatz zu anderen Ordnungen. Formell ist sie durch die königliche Einwilligung in Kraft getreten. Ob die vom Landeshauptmann gewünschte schriftliche Ausgabe überhaupt verkündet wurde, ist nicht belegbar, eine Drucklegung scheint [Seite 344] ausgeschlossen. Vielleicht betrachtete man am Hofe die Zustimmung zu den landschaftlichen Vorschlägen nur als eine Zwischenlösung und glaubte, daß doch noch die gemeinsame Landgerichtsordnung für die fünf niederösterreichischen Länder Wirklichkeit werden würde.28 Etwa zur gleichen Zeit scheint übrigens auch eine Ordnung des Verfahrens vor dem Landrecht erstmals verfaßt worden zu sein; 1577 erging eine Verbesserung dieser Ordnung, wobei in der Einleitung in der gleichen Formulierung wie bei der vom gleichen Tag datierenden Landgerichtsordnung auf die Vorgängerin hingewiesen ist.29
Während der nächsten Jahre schweigen die Quellen über die weitere Entwicklung der Strafgesetzgebung. Die gröbsten Mißstände waren, wenigstens vorübergehend, beseitigt und die erforderliche feste Grundlage der Strafrechtspflege gegeben. Daß die Ordnung geübt wurde, läßt sich vorerst ohne eingehendes Studium der einzelnen Gerichtsakten nicht belegen, ist aber ganz zweifellos.30
Es ist auffällig, daß auch die vorhandenen Quellen zur Geschichte der steirischen Landgerichtsordnung etwa mit 1550/52 vollkommen aussetzen und erst wieder ca. 1567 beginnen. Kann daraus geschlossen werden, daß auch Steiermark eine Ordnung erhalten hat, jene Ordnung, die 1546 verfaßt, dann die wenig veränderte Landgerichtsordnung von 1574, der Byloff seine aufschlußreiche Abhandlung gewidmet hat, werden sollte? Von Arbeiten an der allgemeinen niederösterreichischen Landgerichtsordnung hört man zu jener Zeit nichts mehr, 1559 wird eine eigene Landgerichtsordnung für Oberösterreich erlassen und so wäre denkbar, daß man den einzelnen Ländern, also auch Steiermark, nach Scheitern der Verhandlungen über die Gesamtordnung getrennte Ordnungen nach Vorschlag der Landschaft gab.
Wie dem auch sei: erst nach 12 Jahren gewährt eine Nachricht Einblick in den damaligen Stand der Dinge. Maximilian, der Sohn [Seite 345] Ferdinands I., schrieb am 28. März 1562 von Linz an seinen Vater: der Landeshauptmann von Kärnten, Christoff von Tannhausen, habe Klage über die Mängel und Unordnung in der Kärntner Strafrechtspflege geführt und vorgeschlagen, daß mehrere Herren zusammen mit dem Vizedom zur Beratschlagung und "verfassung ainer gemainen wichtigen (oder "wirklichen"?) lanndtgerichtsordnung" zusammentreten sollten, besonders der Bestimmungen halber, wie gegen den gefangenen verdächtigen Menschen mit "Erkundigung der Indizien", mit Haltung der peinlichen Frage und in anderen Punkten zu verfahren sei. Damit wird die Richtigkeit des früher Erwähnten erhärtet: die bisherige Regelung legte das Schwergewicht auf die Eignung und entsprechende Besoldung der Gerichtspersonen, auf die Durchführung des Rechtstages und auf materielle Bestimmungen. Als hier einigermaßen Ordnung geschaffen war, machte sich in der so reformierten Strafrechtspflege das Bedürfnis nach Klarheit besonders im Beweisverfahren, das die Carolina so bahnbrechend geformt hatte, geltend. Dieses Beweisverfahren aber war an geschlossene Türen gebunden, eben die Verfahrensart, die man in Kärnten früher ablehnte, die nun aber unter dem Einfluß des Beispiels anderer Länder — Steiermark, Oberösterreich — auch in Kärnten wohl an Einfluß gewann.
Maximilian fährt fort: der frühere Plan, eine Gesamtordnung für alle fünf niederösterreichischen Lande zu schaffen, sei "bisshero nit in würkhung khomben" und eine Einigung sei hierüber, der Verschiedenheit der einzelnen Rechtssätze, Statuten und Gebräuche wegen, auch nicht zu erwarten. Aber Maximilian, der bestrebt ist, auf einer mittleren Linie sowohl die Vereinheitlichungswünsche der Regierung als auch die individuellen Tendenzen der Länder bezüglich ihrer alten Gebräuche usw. zu verbinden, macht nun einen neuen Vorschlag: er regt an, daß sowohl in Kärnten als in den übrigen Landen die "gerichtsordnungen insonderhait beratschlagt vnnd der angeregt Ewer Mt. Regierung vnnd Camer begriff (das ist der gemeinsame Entwurf für die fünf Länder, der nicht in Kraft getreten war) zu ainem formular und anlaittung darzue gebraucht vnnd sovill darinn ainem jeden lanndt vnnd desselben alten löblichen herkhomen fuegsam vnnd gemess were daraus getzogen ..." Darauf solle das so jeweils verfaßte Werk der Regierung und Kammer zur weiteren Prüfung und Behandlung vorgelegt werden und sodann an den König und Kaiser zur endlichen Entscheidung gehen.
Grundlage der nun angeregten Arbeit sollte also der Entwurf für die gemeinsame Malefizordnung sein; aus ihm sollte das den einzelnen Ländern Genehme verwendet werden,31 während das übrige nach dem Recht jedes Landes geformt werden sollte. Damit wäre in vielen Belangen eine weitgehende Gleichförmigkeit erzielt [Seite 346] worden, ohne daß die Länder ihre alten Sonderrechte und Gebräuche verloren hätten.
Wahrscheinlich durch dieses Schreiben Maximilians veranlaßt, forderte später die niederösterreichische Kammer von den Kärntnern die Vorlage einer Abschrift ihrer Malefizordnung, wie dies im Ausschußprotokolle des kärntnischen Landtages zum 2. April 1563 verzeichnet ist:32 "die N. Ö. Camer Räth begern vom herrn lanndshaubtman und vizdomb abschrifft einer malefizordnung dan allerley beschwerung fürkhemen. Nota. Der herr lanndshaubtman vnnd herr Vizdomb werden derwegen bey dem Panrichter vnnd Procuratoren des malefizrechten Bericht finden." Einige Seiten weiter findet sich für das selbe Datum der selbe Vermerk mit dem Zusatz: "wo aber khaine verhannden werde sein wir gehorsamblich willig mit dem herrn lanndshaubtman vnnd herrn vizdomb davor zu ratschlagen." Diese Antwort zeigt, daß man in Kärnten damals der Malefizordnung wenig Bedeutung beimaß, ja vielleicht schon halb vergessen hatte, daß hier bereits eine Gesetzgebung stattgefunden hatte. Was weiter geschah, läßt sich nicht feststellen; weder Ausschußprotokolle noch Landtagshandlungen erwähnen die Malefizordnung und erst als die Arbeiten an der steirischen Landgerichtsordnung 1574 in rascheren Fluß gerieten, scheint sich auch die Kärntner Landschaft an die Notwendigkeit einer Besserung der Strafrechtspflege erinnert zu haben. Am 28. Jänner 1574 faßte die Landschaft den Beschluß: "dem herrn lanndshaubtman solle geschrieben werden. Nachdem anjetzo etlich herrn vnnd lanndleuth in Beratschlagung etlicher lanndssachen beysamen vnnd die herrn bericht sein, wie ain Ersame Lanndschaft in Steir in jetztwärennden Lanndtag mit aufrichtung ainer Neuen Lanndgerichts vnnd Policey Ordnung im werkh seien. Ob was sölliches geschlossen vnnd von Irer f. Drch. angenommen worden sei, das sie sölliches die herrn vom Ausschuss vnbeschwert berichten wollen."33 Offenbar wollte man den steirischen Entwurf auf seine allfällige Verwendbarkeit für Kärnten prüfen. Unter den "genöttige Sachen gemaine Lanndtschafft betreffendt so fuederlich abzehanndlen sein", wird schon am 1. März 1574 auch die Polizei-, Landgerichts- und Landrechtsordnung erwähnt, ohne daß weitere Bemerkungen hierzu erfolgen. Überhaupt scheint auch in dieser Zeit die Abfassung der Landgerichtsordnung wenig wichtig genommen worden zu sein, wie sich aus den seltenen Erwähnungen während der hier in Betracht kommenden Jahre ergibt — im Gegensatz zu Steiermark. Immerhin wurde noch 1574 durch einige Mitglieder des [Seite 347] Ausschusses die "ordentliche aufrichtung" der Landgerichts- und Landrechtsordnung beraten,34 der verwendete Text ist nicht auffindbar.
Nach 1574 fallen die Nachrichten wieder aus und auch das Jahr 1577 selbst bringt, bezeichnend genug, nur einen einzigen Hinweis: am 22. Mai 1577 wird im Landtagsprotokoll von den Personen gesprochen, die die "Policey, Lanndgerichts, Lanndsrecht, Zehend, Schuester, Lederer und Fleischhackher Ordnung..." korrigieren sollen. Acht Tage nachher, am 1. Juni 1577, wurde die Ordnung zugleich mit der Landrechtsordnung publiziert.
Erst nach fast zwei Jahrhunderten, durch die Erlassung der Constitutio Criminalis Theresiana vom 31. Dezember 1768, trat diese Ordnung außer Kraft. In Anbetracht ihrer großen Mängel, wie insbesonders des fast völligen Fehlens von Bestimmungen über konkrete Tatbestände, über das Beweisverfahren usw., ist es unmöglich, daß sie allein als Richtlinie in der Strafrechtspflege verwendet wurde. Ergänzend trat hinzu zunächst wohl der alte Landesbrauch, wie er vielleicht in kurzen Zusammenstellungen mehr privater Art geordnet war, vielleicht blieben auch Teile früherer Vorschriften erhalten. Die Stellung des Bannrichters wurde durch die 1585 erlassene Banngerichtsordnung geregelt.35
Die steirische Landgerichtsordnung von 1574 scheint in Kärnten nicht verwendet worden zu sein, jedenfalls ist sie nach Mitteilung von M. Wutte in kärntnischen Gerichtsakten nicht erwähnt.36
Von Hoegel wurde die Ansicht vertreten, daß die niederösterreichische Landgerichtsordnung von 1656, die Ferdinandea, auch in Innerösterreich Geltung erlangt habe.37 Davon kann jedoch keine Rede sein, weder für Steiermark noch für Kärnten.38 Es dürfte sich nur um sinngemäße Verwendung zur Stützung der eigenen Rechtsansicht gehandelt haben. In verschiedenen Gerichten wurde in wechselndem Ausmaß die Carolina benutzt.39
Die Strafrechtsgesetzgebung in Kärnten ist so bis in das 18. Jahrhundert gekennzeichnet durch stark gewohnheitsmäßig bedingte Rechtsprechung unter Verwendung von weitergebildeten und assimilierten fremden Rechtssätzen, ohne daß es jedoch wie in Steiermark zu einer geschlossenen Aufnahme fremden Rechts gekommen wäre. [Seite 348]
Entsprechend der Kodifikationsgeschichte überwiegt in der Kärntner Landgerichtsordnung der landschaftliche Einfluß. Das zeigt auch die Einleitung zur Ordnung von 1577; während in der Vorrede zur steirischen oder niederösterreichischen Ordnung die Landschaft nur nebenbei erwähnt wird und das Schwergewicht bei Formung und Erlassung der Ordnung auf den Landesfürsten verlegt ist, äußert sich die Vorrede zur kärntnischen Ordnung ganz anders: die Landschaft habe ersucht, "die hiervor daselbst ... aufgerichte Landtgerichtsordnung in etlichen Artickeln gemainem wesen zum besten zuverändern". Darauf habe die Landschaft ihr Gutbedünken dazu übergeben zur weiteren Beratung40 und darauf sei es mit der Landschaft zu einem Vergleich gekommen; "vber den mit Ir ainer Ersamen Landtschafft darunder zuvor fürgeloffenen vergleich" habe dann er, Erzherzog Karl, die Konfirmation der Ordnung vollzogen. Sonst übliche Formeln, die von der landesfürstlichen Eigenmacht zeugen, fehlen und auch die künftige Änderung der Landgerichtsordnung wird ausdrücklich dem Rat der Landleute in Kärnten unterworfen. So stellt sich auch in der Vorrede (und im Beschluß) die Ordnung als das dar, was sie ist, als überwiegend von der Landschaft geschaffenes Werk.
Formal fällt an der Ordnung auf ihre Lückenhaftigkeit, die vielfach unjuristische, unbeholfene Ausdrucksweise und das Überwiegen von materiellen Vorschriften "polizeilicher" Art. Ja, angesichts der Zahl derartiger Bestimmungen, der unscharfen Abgrenzung zum Inhalt der gleichfalls am 1. Juni 1577 erlassenen Polizeiordnung für Kärnten41 und des verhältnismäßig geringen Anteiles an strafrechtlichen und strafprozessualen Vorschriften im engern Sinn könnte man zunächst geradezu fragen, ob die Bezeichnung "Landgerichtsordnung" für diese Ordnung berechtigt ist. Daß Bestimmungen polizeilicher Art so zahlreich auftreten, hängt jedoch mit der in Kärnten länger als in Steiermark erhalten gebliebenen Qualifikation und Zuständigkeit des Landgerichts als Gericht der ländlichen Rechtsgenossenschaft zusammen.42 Weil daher dem Landgericht nicht nur die größeren Strafsachen, sondern auch kleine [Seite 349] Vergehen zur Aburteilung zufielen, hat sich das Institut der Dorfgerichte und Burgfriede in Kärnten anscheinend weniger als in Steiermark entwickelt und damit dürfte teilweise wohl auch die geringe Zahl überlieferter echter Banntaidinge zu erklären sein.
Der Aufbau der Ordnung ist uneinheitlich: auf Bestimmungen, die wie aus einem erläuternden Bericht entnommene Sätze anzuhören sind,43 folgen wieder andere, die sich in einem Banntaiding finden könnten,44 oder Sätze, die nur auf das Herkommen verweisen, bei dem es bleiben solle, wie etwa a. 26: "Von Voglthennen und Leimpüchlein. In disem Articl ist unnot ainiche specifiction zuthun, sonder es mag und soll darundter gehalten werden ... wie es ditzfahls von alter herkhomen und im gebreuch gewesen ist." Schon erwähnt wurde das Hervortreten des landschaftlichen Elements, das sich sowohl in der Betonung des Einflusses der Landschaft bei Erlassung und Änderung der Ordnung äußert, als in der vielfach normierten Entscheidungsgewalt von Landeshauptmann und Landleuten in oft bedeutungsvollen Zweifelsfällen und Streitsachen.45
Die konservative Grundtendenz, die Bevorzugung des alten Herkommens ist ein weiteres Kennzeichen der Ordnung wie überhaupt des Kärntner Rechtslebens.46 Als schon längst in ganz Österreich die Begnadigung von Verbrechern ausschließlich dem Landesfürsten zustand, hielt Kärnten z. B. noch an der alten Form der Lösung fest: während in Niederösterreich 1540 die ausschließliche Begnadigungsgewalt des Landesfürsten statuiert wurde und die steirische Landgerichtsordnung (I, 21) anordnet, daß Malefizverbrecher nur vom Landesfürsten begnadigt werden können, schweigt das bekannte Material zur Kärntner Landgerichtsordnung wie diese selbst darüber und erst 1585 bestimmt die Kärntner Banngerichtsordnung,47 daß die "limitation oder milterung" nach geschlossenem Urteil "hiemit aufgehebt vnd gänzlich eingestellt sein vnd hinfüro die limitation oder milterung ..." nur dem Landesfürsten zustehe und nicht den einzelnen Gerichten.
Welche Quellen haben bei Abfassung der LGO/K als Vorlagen gedient?
Es wurde schon erwähnt, daß sich äußerlich die kärntnische und die steirische Landgerichtsordnung, obwohl ihre endgültige [Seite 350] Formulierung zeitlich nur drei Jahre divergiert, nicht gleichen; aber auch sachlich, nach Anlage, Umfang und Inhalt weisen die Ordnungen der beiden doch vielfach verbundenen Nachbarländer fast keine Obereinstimmungen auf und die wenigen vorhandenen Übereinstimmungen dürften, wie später dargetan werden wird, eher auf Benützung einer gemeinsamen Vorlage als auf unmittelbare Einwirkung zurückgehen. Die Kärntner Landschaft scheint allerdings, als sie an die Ausarbeitung ihres "Gutbedünkens" von 1545 heranging, vorher bei der steirischen Landschaft angefragt zu haben, wie man es hier in dieser Angelegenheit halten werde; das geht aus dem Konzept zu einem Schreiben der steirischen Verordneten an den Landeshauptmann von Kärnten, Christoff Khevenhüller von Aichelberg, und die Kärntnische Landschaft vom 29. Jänner 1545 hervor,48 worin den Kärntnern auf ihre Anfrage mitgeteilt wird, die steirische Malefizordnung sei noch "nit volkhumenlich aufgericht". Sobald die Ordnung verfaßt und vom König bestätigt sei, werde man eine Abschrift der Kärntner Landschaft übersenden — das Gleiche erwarte die steirische Landschaft von der kärntnischen. Weil also der steirische Entwurf noch nicht fertiggestellt war, mußte sich Kärnten einen vollkommen eigenen Entwurf zurechtlegen und konnte nicht, wie vielleicht in Anbetracht der alten Gepflogenheiten beabsichtigt war, das steirische Vorbild verwenden.
Mit der 1535 erlassenen Landgerichtsordnung für das Nachbarland Krain, mit dem häufig von altersher Rechtsübereinstimmung bestand, lassen sich wörtliche Entsprechungen überhaupt nicht, sachliche nur ganz vereinzelt und selbständig feststellen.49 Auch die Malefizordnung der Stadt Laibach von 1514 wurde nicht verwendet. Zwischen der Landgerichtsordnung für Niederösterreich vom 21. August 1514 und der Krainischen Ordnung bestehen wörtliche Übereinstimmungen in erheblichem Maße, ja sogar ganze Artikelfolgen sind übernommen. Aber zwischen der niederösterreichischen und Krainischen Landgerichtsordnung einerseits und der Kärntnischen andererseits bestehen keine Beziehungen; die wenigen Artikel, die gleiche oder ähnliche Gegenstände behandeln, sind abweichend stilisiert und gehen zweifellos auf natürliche Gleichförmigkeit zurück.50
Die Vermutung, daß Kärnten vielleicht durch Tiroler Vorlagen beeinflußt wurde, erweist sich nach Überprüfung der in Betracht kommenden Texte als hinfällig: weder die Landesordnung von 1532 noch die in den hier einschlägigen Teilen von jener kaum abweichende Landesordnung von 1573 haben als Vorlagen [Seite 351] gedient51 und ebenso nicht die Tiroler Malefizordnung des Jahres 1499. (Diese Feststellung schließt natürlich hier wie bei anderen Quellen nicht aus, daß verschiedene Bestimmungen auf Grund der normierenden Kraft der natürlichen Verhältnisse ähnlich geregelt sind. Doch soll ja hier nicht eine Vergleichung der Strafrechtsentwicklung in den Alpenländern gegeben werden, sondern es handelt sich darum, konkrete Quellenbenützung nachzuweisen.)
Für einige Bestimmungen, so etwa a. 17, scheint die Polizeiordnung für die fünf niederösterreichischen Länder von 1552 oder 1542 verwendet worden zu sein. Aus Polizeiordnungen wurden einige Bestimmungen auch einfach abgedruckt, wie a. 18, 19; und schließlich wird auf Polizeiordnungen usw. verwiesen, so in a. 16 bezüglich Maß und Gewicht auf die (am 31. Oktober 1561 aufgerichtete) "sondere gedruckhte ordnung". Die Müllerordnung vom 31. Oktober 1561 kann nicht als unmittelbare Vorlage für die Fassung des a. 22 betrachtet werden.
Ausdrücklich zieht a. 38, betreffend die gerichtliche Behandlung von "Grafen, Herrn und Geadelten Malefitzigen", die Landhandfeste für Kärnten mit Abdruck der Stelle heran; diese Bestimmung wurde für Kärnten 1445 von Friedrich III. in Kraft gesetzt, nachdem sie für Steiermark schon 1277 verliehen worden war. Nach Abdruck des Textes der betreffenden Stelle der Landhandfeste sagt die Landgerichtsordnung übrigens: "Bey solichem jetz eingeführten Articl solle es fürohin aufzutragenden faal beleiben."52
Einfluß der Carolina auf die Fassung von 1577 läßt sich nicht feststellen, vielleicht mit Ausnahme des a. 32, der auf eine mißverstandene oder verstümmelte Verwendung von a. 135 CCC zurückgehen könnte.
Von den Materialien, die schließlich das Gutachten von 1545 behandelt hat, ist in der Ordnung von 1577 nichts zu finden. Besonders dies erscheint merkwürdig, da Verfahrensbestimmungen in der Ordnung von 1577 fast nicht auftreten, eine geordnete Strafrechtspflege ohne solche aber nicht möglich war. Hat vielleicht das Gutachten von 1545, von dem oben vermutet wurde, daß es einen Teil der Kodifikation von 1550 bildete, seine Geltung weiter behalten? Etwa in der Art, daß man schied zwischen Verfahrensordnung und "Landgerichtsordnung" im Sinne einer Ordnung einzelner strafbarer Tatbestände?
Jedenfalls erscheint die Kärntner Landgerichtsordnung in der 1577 gedruckten Fassung unter den zunächst in Betracht kommenden Strafgesetzen dieser Zeit ziemlich isoliert. Weder mit der steirischen Landgerichtsordnung noch mit den niederösterreichischen, [Seite 352] krainischen, tirolischen Ordnungen bestehen erhebliche Beziehungen, auch nicht zu den Salzburgischen Quellen und die Carolina wird gleichfalls nicht berücksichtigt. Auch zu den heimischen Quellen, insbesonders zu den Weistümern Kärntens, lassen sich keine festen Beziehungen nachweisen und auch mit dem Ampfingerischen Bericht, der einige strafrechtliche Bestimmungen enthält, bestehen nur durch die Materie bedingte Ähnlichkeiten.53
Aber von den 40 Artikeln der Ordnung von 1577 finden sich 17 entweder wörtlich oder doch in angelehnter Formulierung in der wenig bekannten Landgerichtsordnung für Oberösterreich vom 1. Oktober 1559!54
Über die Geschichte dieser Ordnung — die bisher ganz zu Unrecht als Nachahmung der niederösterreichischen Ordnung von 1514/40 betrachtet wurde55 — sind wir trotz der von Strnadt56 darüber gemachten Angaben nicht befriedigend unterrichtet. Die Kodifikationsarbeiten begannen nach Strnadt in den Dreißigerjahren des 16. Jahrhunderts (1536); doch ergab jetzt eine Anfrage beim Landesarchiv in Linz, daß bereits 1518 von einer Landgerichtsordnung für das Land ob der Enns gesprochen wurde. Jedenfalls aber wurde der Entwurf sowohl nach Strnadt als auch nach dem ausdrücklichen Wortlaut in der Einleitung zur 1559 gedruckten Ausgabe der Ordnung nur "in etlichen Artickeln gebessert vnnd erclärt", während somit der Hauptteil des Entwurfes seit seiner Fertigstellung (also spätestens etwa 1540) bis zur Publikation unverändert blieb.
Es ist nun kaum anzunehmen, daß man in Kärnten 1577 oder wenige Jahre vorher, als die alte Landgerichtsordnung gebessert werden sollte, als Muster für die neue Ordnung gerade die Ordnung von 1559 für Oberösterreich verwendet hätte, wo doch an sich etwa die steirische Ordnung viel bequemer und naheliegender gewesen wäre.57 Aus dem früher Erwähnten ist aber schon bekannt, daß das Schwergewicht der Kodifikationsarbeiten in Kärnten ungefähr in die Zeit zwischen 1543 und 1550 fällt, also in eine Zeit, in der die oberösterreichische Ordnung schon fertiggestellt [Seite 353] war und in der man darüber hinaus überhaupt an die Aufstellung einer gemeinsamen Ordnung für die fünf niederösterreichischen Lande dachte und schließlich auch einen Entwurf fertigstellte. Daß eine größere Anzahl von Artikeln des oberösterreichischen Textes in den zwanzig Jahren bis 1559 geändert worden wäre, ist nicht belegt, sondern es ist, wie erwähnt, nur von Anderung "in etlichen Artickeln" die Rede. Dies wird auch dadurch erhärtet, daß sich einige von den der oberösterreichischen Ordnung von 1559, der steirischen Ordnung von 1574 und der Kärntnischen Ordnung von 1577 gemeinsamen Bestimmungen58 bereits in der steirischen Landgerichtsordnung von 1546 vorfinden, womit also die Angabe von der Änderung nur in "etlichen Artikeln" bekräftigt wird.
Es bestand also in den Vierzigerjahren des 16. Jahrhunderts ein aller Wahrscheinlichkeit auf Oberösterreich zurückgehender Stock von Artikeln, der für die Formulierung der kärntnischen und steirischen Ordnung verwendet werden konnte und verwendet wurde. Kärnten hat daraus einen erheblichen Teil seiner Landgerichtsordnung gebildet. Auch in der Einleitung zur Kärntner Landgerichtsordnung heißt es, die bisher bestandene Ordnung sei nur in "etlichen Artikeln" geändert worden. So ist also ein großer Teil dieser Ordnung schon früher — wie wir jetzt wissen, seit 1550 — in der 1577 gedruckten Fassung in Kraft gewesen und hat neben anderen Bestimmungen den Inhalt jener unter Christoff Khevenhüller entstandenen ersten Ordnung ausgemacht.
Somit stimmt alles zusammen in der Erkenntnis, daß die 1550 vom König bewilligte Kärntner Landgerichtsordnung einen erheblichen Teil ihrer Vorlagen aus einem schon vorher vorhandenen Stock von Artikeln entnommen hat; ob dieser Stock von Artikeln wirklich, wie hier vermutet, der alte Entwurf zur oberösterreichischen Ordnung war oder ob es sich ganz oder teilweise um den Entwurf zur gemeinsamen Malefizordnung für die fünf Lande handelte, ist hier nicht näher zu untersuchen, auch aus Mangel an sicheren Unterlagen wenig erfolgversprechend. Vielleicht auch stehen diese Fassungen in Verbindung mit dem unbekannten, um 1536 verfaßten zweiten Entwurf zur steirischen Landgerichtsordnung, der einen "vergriff" aus den damals bestehenden Landgerichtsordnungen darstellen sollte?59
Zu diesen offenen Fragen gesellt sich schließlich noch die Erwägung, wann die in der Einleitung zur Kärntner Ordnung erwähnten Änderungen vorgenommen wurden und welche Artikel damit gemeint sind:
Weil beim Fischfang sich bisher "ain merckliche schödliche vnordnung" ergab, sollen die Fischereiberechtigten "zwischen hin [Seite 354] vnd pfingsten schierist künfftig auf ainen bestimbten tag des sie sich selbs endschließen ... vergleichen."60 Dieser Artikel dürfte somit neu hinzugekommen sein.
Weit verbreitet im deutschen Rechtsgebiet war der Brauch, dem Gericht vor der Bestattung eines Getöteten eine bestimmte Geldsumme zu bezahlen; in Kärnten diente hiezu, wie auch anderswo, der Betrag von 1 fl.61 "Nun aber befind ain Landschafft das solichs ain unordnung ..." heißt es in a. 31, weshalb diese Sitte abgestellt wird.
Der a. 36 der Landgerichtsordnung behauptet schließlich, daß die Landrichter früher nicht unter Dachtrauf eingreifen durften, sondern daß sie zuvor um Auslieferung der Verbrecher hätten ersuchen müssen, wodurch viele Nachteile entstanden seien; um das zu vermeiden, "hat ein Ersame Landschafft beschlossen das nun hinfür" die Gerichte solche Verbrecher ohne vorherige Befragung der Grundherrschaft unter Dachtrauf greifen dürfen, doch sollen die Landrichter den Grundherren dies melden. Im Widerspruch zu dieser Bestimmung steht jedoch a. 33 des Ampfingerischen Berichtes, der ausdrücklich erwähnt, daß die Landrichter ohne vorherige Genehmigung unter Dachtrauf eingreifen können.62 Da diese Quelle aus der Zeit von etwa 1545 stammt, scheint der erwähnte Beschluß der Landschaft einer noch früheren Zeit anzugehören, zumal Ampfinger seine Version durchaus sicher und eindeutig vorbringt.
Aber Näheres konnte zu der oben erwähnten Frage nicht festgestellt werden und so bleibt die Frage, wann diese Bestimmungen formuliert oder geändert wurden, klärungsbedürftig. Erst weitere Erforschung der Kodifikationsgeschichte der Kärntner Landgerichtsordnung über die in dieser Arbeit mitgeteilten Grundtatsachen und Anhaltspunkte hinaus könnte hier ein allseits zufriedenstellendes Bild von diesem Teil österreichischer Strafrechtsgeschichte des 16. Jahrhunderts geben.
Nachdem an personnen, als Pannrichter Ankhlagern und Procuratorn bisher manngl gewesst, so sähe vnns für guet an, das die Romisch Ku. Mt. vnnser allergenedigister Herr als Herr vnnd Lanndsfürst von dem der pann ruert, ain taugennliche annsehenliche erbere person zu ainem pannrichter ordnet vnnd Ernnstlichen aufluede, sein Ambt alles pesstes fleiss getreulich zuverrichten, Achtung vnnd aufmerkhen zuhaben, damit hierinnen Niemand vnnrecht beschähe, sonnder ain jede Vbelthat nach irer ordnung gestrafft werde, wie er [Seite 355] dann derhalben, mit dem Aid vnd phlicht verstrigkht, vnnd die Straff wo er hiewider hanndlet, darumben benennt werden mag. Nun aber ist zu erwegen, das sich khain soliche person vmb die besoldung wie jezund beschiecht, geprauchen oder bestellen lassen wurd, dann bisher ain pann Richter nicht mer als vier oder funffvnnzwainzig guldin vnngeverlich Ain Jar lanng zu besoldung gehabt, vnnd was im auf Zerung so er zu seinem Ambt gevordert, vnnd der mallefitzigen personnen halb geraicht worden, vnnd so man ein soliche person, wie vor gemelt bekhumen möcht, das im die Ku. Mt. ain Jar lanng ain merrere provision ordnet, doch das er sonnst khain zuestanndt hette, annders dann die Zerung, biss an die malstat des malefitz Rechtens, so offt auf ain tag funffvnndzwainzig khreuzer, haimbwertz solle er sich selbs verzern.
Zum anndern hat man bisher khain bestelten Ankhlager gehalten, vnnd werden zu solichem Ambt, schlecht vnd leicht personnen gepraucht, das etwas schimpflich, vnd vasst das beschwärlichist in der Ordnung der mallefitz anzusehen, derhalben achten wir dits volgennd mitl für taugennlich. Dieweil die Romisch Ku. Mt. zwen mallefitz Redner vnderhelt, das fur den ainen ain verstendige person zu ainem Annclager bestelt wurd, der die Vrgichten oder vbelthatten gegen den Tättern annkhlaget, vnnd im selbs das wort fürprechte, vnnd nachdem ainen Redner ain Jar ausser seiner zuesteeund funffvnndzwainzig guldin vnngeverlich geben werden, das im des Jars ain merrers in bedacht das man ob disem Ambt oder Bevelch scheuhen hat geraicht, vnnd damit die anndern zuesteeund als wo man Richt, so offt fur ain person ain guldin abgestelt wurden, darinnen aber die Zerrung, so offt auf ain tag funffvndzwainzig Khreuzer, biss an die Stat des mallefitz Rechtens aufgeflossen die solle im zuraichen bevorsteen,
Dem ainen vnnd anndern Procurator aber, so den Tättern das wort thuen, vnd iren gegenbehelff furtragen, solle dem auch funffvndzwainzig guldin järlich bestimbt sein, wurde furhin auch ein merung sambt der zerung auf ainen tag funffvnndzwainzig khreuzer, vnnd nicht mer geraicht, dieselben Zerungen sollen dem pann Richter, Ankhlager vnnd Redner die Gericht Bezallen, haimbwertz sollen sy sich selbs verzern in bedenkhung der Erhöchung Irer provision wie ver gemelt Ist,
Dieselben zwo personnen Ankhlager vnnd der Tätter proourator sollen auch der Ku. Mt.gelobt vnd geschworn sein, das sy in iren Bevelchen vnnd Ämbtern zu fürderung gleichen Rechtenns vnnd sich an Verdacht halten, aigins Nutz, Schannkhung, Guet noch Gab zu ainichem Ausszug oder verhinderung nicht geprauchen, sonder des alles muessig sein wellen, bey Straff Stellung in ainen Prannger oder Verweysung des Lanndts oder aber nach gestalt der verhandlung einer Leibsstraff,
Dem NachRichter oder Zuchtiger werden järlich von der Ku. Mt. zwayvnndfunntzig phundt phening zue besoldung geraicht, vnnd was er weiter vom Rechten vnnd der mvill (!) besoldung hat, der wurde wie bisher dabey gelassen,
Zum Driten sähe vnns fur guet an die Römisch Ku. Mt. liesst derselben offen mandat vnnd Gebotsbrive wie soliches irer Ku. Mt. befuegt, Aussgeen. das die peindlichen Gericht mit Richtern, Vrtaillern vnd Gerichtsschreibern versehen vnnd besetzt wurden, von erbern verstenndigen personnen, sovil eines jeden orts muglich vnnd sein khundt, alsdann zu diser grossen sach, weliche des mennschen Eher, Leib, Leben, und Guet beruern,A.2 hoch vnnd gross von Nötten, darinnen auch sonderlichen annzuziehen, weliches Gericht die Tätter von Gab, [Seite 356] guet oder Gunst wegen vnngestrafft irer Verhanndlung auslassten vnnd willigilich schickhen, oder aber wissenlich in seinem Gericht durch Nachlassigkhait gestatten, das gegen denselben Richtern vnnd Obrigkhaiten nach genuegsamer grundtlicher Erkhundigung vnnd Erfarung mit Einziehung des Gerichts zue Ro. Ku. Mt. Hannden, oder aber nach gestalt der sachen, gegen Leib oder guet, mit Straff furgefarn werde,
Dieweil dann an der peindlichen Frag furnemblich vnnd hoch gelegen, so solle ausserhalb wissenlicher vnnd darob begreiffenlicher Ursach zu der strenngen Frag fursichtigelichen geganngen vnnd ain jeder Richter mit peindlicher Frag nicht anngreiffen, es sei denn zuvor redlich vnnd derhalb genuegsame Anzaigung vnnd Vermuettung von wegen der missethat verhanden. Darzue solle auch ein jeder Richter vor der peindlichen Frag sovil muglich vnnd beschehen khan, sich erkhundigen, vnnd fleissig nachfrag haben, ob die missethat darumben der angenomen vnnd verdacht, auch beschehen sey oder nicht, vnnd ob der Richter mit seinem Ratsfreundten zweifenlich wurden, ob des furprachten Arkhwonns vnnd Verdachts zue peindlicher frag genuegsam oder nicht seyen, solle er bey der merrern obrigkhait als bey ainem Lanndeshaubtman, Lanndsverweser, LanndsVitzdomen oder den anndern Haubtleuten, und Vizdomen im Lannd mit Annzaigung aller Vmbstände und Herkhumen der sachen, Erfarnhait des verdachts ratsuechen vnnd pflegen.A.3
So nun der Arkhwon vnnd Annzaigen zue peindlich frag genuegsam, solle alsdann darzue In beisein siben zeugen die auch anngesessen, so seyen in Stetten, merkhten, oder auf dem Lanndt, vnnd aines erbern wanndls, die alsdann zum mallefitz Rechten ob der Tätter seiner Sag in Vernain steen wolte, damit sy derhalben auf Zuesprechen des PannRichters ir Annzaigen thuen, gegriffen vnnd alle beschaidenhait annfanngs mit bedränngen der pein gepraucht, die Vrgicht durch ainen verstenndigen Schreiber, so der Tätter von der pein nidergelassen ist, beschriben, vnnd dann ain puncten nach dem anndern dem Tätter, ob er des also gestenndig furgelesen werden,A.4
Allsdann so die Vrgicht oder Bekhanndtnus solichermassen beschehen (daruber nach der Richter, ob dem als alle bequembliche mugenliche Erfarung halten solle, vnnd die Vermuettung, als ob es durch marter, vnnd nicht begangner Verschuldung bekhenndt sy, abgeschniten werde.) Dardurch das Gericht den Tätter fur das mallefitz zustellen vrsach hat, so ist vorhin im geprauch gewesst, Vnd noch, das man in Stetten vnnd märkhten, auf ainen wochenmarkht berueffen lasst, Auf wellichen tag man das mallefitz Recht halten wolle, damit menigelich darinnen wissen hat, der Vrsach halb, wie in den Bericht Zu Prag davon meldung beschiecht.A.5 Auf dem Lanndt Aber solle soliche Verkhundung vor durch die LanndtRichter auf ainen Feyertag der pharrmenig nach Enndung des Gotsdiennst ausserhalb des Freythofs anngezaigt werden,
So sähe vnns auch fur guet an das die Herrn so Lanndtgericht haben selbs wo die im Lanndt, oder aber irer verstenndige phleger, wo die auch nit wärn, annder Verstenndig Adlspersonen, die darzue erpeten werden sollen, jeder Zeit by der peindlichen Frag sein, damit hierinnen alle fursichtigkhait sovil muglich gepraucht werde,
Es solle khain mallefitz Recht vnndter dreyZehen, funnffzehen oder zum allerwenigisten aindliff Vrthaillern oder Rechtsprechern besezt oder gehalten, vnnd darzue in Stetten vnnd märkhten die annsehenlichisten des Rats vnd aus der Acht, bey peen vnnd Straff ob sich des Jemand zuthuen verwideret, gepraucht werdenA.6 ob dann an ainem ort hieran manngl erschin solle an annder ort in die Stet vnnd märkht vmb verstendig Vrthailler geschriben,A.7 vnnd das an khainem ort von wegen furderung des Rechtens Abgeslagen, dann denselben [Seite 357] erforderten Vrtailern durch das Gericht als offt auf ain tag hin vnnd haimbwertz funffvndzwainzig khreuzer zue zerung geben, als auch solle es auf dem Lanndt in den Lanndtgrichten aller Vleiss gehalten werden,
Vnnd furnemblich ist zu bedennkhen, ob sich ain angeclagte person der beschuldigten missthat oder Verdachts vnnd Arkhwonns mit gueter aufrichtiger beweyssung zue bemuessigen vnnd zubereden annpieten wurd, solle ir dieselb weysung nach gestalt vnnd gelegenhait der sachen, vnnd zeitlicher beratslagung der Richter gestatet vnnd darzue gelassen werden,
PannRichter, Annclager, Redner vnnd Zuchtiger sollen ausser sonder Bevelch des Lanndshaubtmanns oder Verwesers khain mallefitz Recht besitzen, noch auf Jemannds annder Ervordern zu erscheinen schuldig sein, wie bisher im Gepreuch gewest ist,
Wann nun pann Richter, Annclager, procurator vnnd Zuchtiger als ordennlich beruefft worden, solle der pann Richter zuvor vnnd ehe er zum Rechten greifft sich mit den Richter vnnd Vrthaillern gelegenhait des Tätters misshanndlung vnnd Vrgicht bereden, vnnd beratslagen was Straff furzuwennden sey,A.8 alsdann dem Ankhlager desselben vnnd sonderlichen dem NachRichter oder Zuchtiger annzaigen, auf das er sein Vrtai1 so es nun an ime gelanngt, formblich sezen vnnd aussprechen mug,
Vnnd so man also ainen enntlichen Rechtag zur peindlich Hanndlung annsezt, solle derselb dem Tätter drey tag zuvor angekhundt werden, damit er zue rechter zeit seine Sündt bedennkhen, beclagen, peychten vnnd das heillig hochwirdige Sacrament empfahen mug, es wäre auch ain grosse Notdurfft vnnd guet werkh. Das nach solich peicht vnnd Emphahung des Sacraments, wo es sein möchte, verstenndig personnen zu dem Tätter fur die gefankhnussen verordennt wurden, die im in gueten seligen (oder religions?) dingen cristennlichen vermaneten, man solle auch den armen Leuten in dem Ausküren (?) vnnd sunst nicht zu vill zu tringkhen geben, auf das ir Vernunnfft nit gemindert werde,A.9
Dieweil aber in Haltung vnnd Ordnung des mallefitz Rechtens etwo vill Reden (So gleichwoll bey den Alten fur guet anngesehen) gepraucht werden, die aber nur zu Verlenngerung, vnnd der sachen nit diennstlich reichen,A.10 so haben wir volgeende Ordnung hierinnen bedacht,
So nun am offnen platz die Schrannen mit den pannRichter vnnd Vrthaillern in der Annzall wie vor gemelt besetzt ist, solle der Richter der Ennden den Stab in die rechte Hanndt nemen, damit aufsteen vnnd zum pann Richter melden also,
Herr Pannrichter. Ich hab ain oder mer person in Fronnfest gegen der oder dennen ich mit peindlich Frag furgefaren, vnnd daruber ir Bekhandtnus vnd Vrgicht in beisein siben Zeugen durch den geschwornen Stat, Markht oder Gerichtsschreiber vermerkhen derhalb auch auf heut ain mallefitz Rechtag benennt vnnd berueffen lassen dieweil aber nicht ich sonnder Ir den pann von der Romisch Ku. Mt. vnnsereb allergenedigisten Herrn als Herrn vnnd Lanndsfurssten vnnd als gesezter pann Richter vber mennschen pluet zu richten habt, so will ich euch hiemit den Stab vberanntwurtten auf das Ir weitter verfaren vnd hanndlen mugt wie mallefitz Recht ist, doch gemainer Stat, Markht oder Lanndtgericht an iren Freyhaiten vnvergriffen,
Alsdann solle der pann Richter den Stab in die recht vnnd das ploss Schwert in die linngkh Hanndt nemen, vnnd jeden Vrthailer besonnder fragen alss, N. ich frag Euch, ob das enndtlich mallefitz Recht zu peindlich Hanndlung woll besezt sey, ob dann das Gericht nit vnndter aindliff vrthaillern besezt ist, solle jeder Rechtsprecher anntwurtten also, Herr pannRichter, das mallefitz Recht ist nach seiner Ordnung woll besezt,A.11
Darauf solle der pannRichter durch den Gerichtspoten beruefen lassen, wer in mallefitz Rechten zu clagen hat, der mugs thuen, zum Ersten, Anndern und Driten mall, [Seite 358]
Alsdann solle der Annkhlager sich zum Rechten von wegen der beganngen misshanndlung, so der Ro. Ku. Mt. als Herrn vnnd Lanndsfurssten zu beschützung meniglichs Sicherhait, Frid vnnd Rechtenns zu straffen gebürt zum Rechten bedingen, die Tätter woll verwart furzepringen, und darumben Erkhanndtnus am Ring, ob es billich beschehe begern, das auch zu Recht erkhanndt werden solle, dazwischen sollen etlich Reden, als in eysern pannden, haniffen Strigkhen vnnd was der mer zu der sachen vnndienlich ist, auch all annder vorgeend Exception, so vorhin gepreuchig gewesst, ganntzlich aussgelassen vnnd allein auf diser gestellten Form zum Annfanng geganngen werden,
So dann die Tätter furkhumen solle der Annkhlager verrer im Rechten furfarn sich zum Rechten verpurgen, die Vrgichten zuverlesen begern, wie vorhin im gepreuch gewesst ist,
Den Tättern solle bevor gesagt werden, ob sy innen das Wort selbs oder durch den bestelten Procurator oder aber durch jemannd annder den sy zu iren gefallen bekhumen mugen, thuen wollen,
Die Stet, markht vnnd Gerichtsschreiber sollen die Vrgichten selbs allain sy mochten es Schwachait halb ires leibs nicht bekhennen, alsdann durch ain ander taugenliche Person vnnd nicht durch Khnaben, wie zu weillen beschehen, verlesen,
Der pannRichter solle auf ain jeden puncten dem Tätter ob er der beganngen misshanndlung also bekhenntlich vleissig zuesprechen,
Bey dem Rechten sollen auch die siben Zeugen sein, ob der Tätter ain oder mer puncten in Abred oder laugnen steen wollt, das sy im alsdann seiner Vrgicht vnnd Bekhanndtnus erinndern, wo aber der Tätter seiner Bekhanndtnus so hoch vernain wolt, solle er nach gestalt vnnd gelegenhait der sachen nach Erkhanndtnus widerumben zu peindlicher Frag, wie bisher in solichen fällen gepreuchig gewesst gefuert vnnd in gegentwurt ermelter Zeugen weiter gefragt.A.12 Aber in solicher Frag alle beschaidenhait vnnd vleissige Achtung gehalten vnnd gepraucht werden.
So ist im geprauch, das man den Tättern drey vnndterreden gibt, etlich trit bey der Schrannen und dieselbeen Trit sollen hinfur auch nit genent (?) sonnder zwo vndterreden vnnd nicht mer, weill es nuer ain VerlengerungA.13 es sey nun vier oder funnf Schriet von der Schrannen, doch das der Tätter woll verwart sey, gestattet vnnd solich vnndterreden nach gestalt der sachen sovil sich fueglich thuen lasst, gekhurzt werden,
Den Vrthaillern oder Rechtsprechern sollen auch zwo vnndterreden vnnd berattung in besamblung der Vrthailler wie vorhin im geprauch zuegelassen sein,
So die Fragen der strenngen Vrtail als bey Gotshulden, Fronknechten vnnd auf den Aid anngeen, darinnen solle des Tätters oder Beclagten vormund zu vhrthailen nicht schuldig sein, noch darumben anngefragt, auf das sein Aid vnnd gwissen damit nicht beruert werden,
Solich mallefitz Recht solle mit allen Ernnst gehalten und dem Annkhlager noch den procuratorn ainich schimpflich oder lächerlich wort khaines wegs gestatet, sonder solicher durch den pann Richter bey Leibsstraff abgeschafft werden,
Was nun die peindlichen Straffen, die sollen durch den Zuchtiger nach gelegenhait der beganngen misshanndlung oder Vbelthatten volzogen werden, wie gepreuchig ist,
Der pann Richter solle von den Richtern aller Vrgichten Abschriftt nemen, dieselben bey im behalten. Doch zuvor ainem Lanndshaubtman oder Lanndsverweser anzaigen ob dieselben Vrgichten auf annder mer personen oder beganngen misshanndlung lauten, damit verrer Einsehung auch nachstellung gehalten, vnnd mer das Vbel sovil muglich aussgereutet werden mag,
Es folgt nach einer kurzen einführenden Bemerkung der Abdruck der a. 157 — 167 der Carolina, den Diebstahl betreffend.
Unterzeichnet ist das Gutbedünken mit: Cristof Khevenhuler von Aichlberg auf LandsCron, Ro.Kü. mt. Rat Camrer vnd Landshaubtman in Kärndtn, vnnd N. ainer Ersamen Landtschafft verordent Ausschus daselbs. [Seite 359]
K 1577 | ST 1574 | NÖ 1514/40 | OÖ 1559 | KR 1535 | CCC 1532 | Andere |
1 | 4 erste Hälfte | |||||
2 | III 15 | § 27 | 6 | 15 t | ||
3 | 13 | |||||
4 | 16 | |||||
5 | 17 | |||||
6 | 18 | |||||
7 | 19 | |||||
8 | ||||||
9 | 20 | |||||
10 | 21 | |||||
11 | 22 | |||||
12 | LO/T VII 16 | |||||
13 | 25 | |||||
14 | 25 | |||||
15 | 24 | |||||
16 | 26 | |||||
17 | LO/T VIII 38 ä. PO 1552 fol. 5, 6 | |||||
18 | LO/T IX 23 t, ä. | |||||
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20 / 21 | PO/K 1552 f., 28 ff. PO/K 1577 f., 44 ff. | |||||
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32 | 37 ä. | vgl. 135 | ||||
33 | 27 | |||||
34 | I 4, 5 | § 44 | 31 | fol. 6 | ||
35 | 36 | vgl. fol. 7 | ||||
36 | vgl. fol. 7 | |||||
37 | vgl. fol. 16 | |||||
38 | vgl. I 1 | |||||
39 | ||||||
40 |
Wenn nur die Zahl der Belegstelle angegeben ist, sind die Übereinstimmungen entweder wörtlich oder mit geringen Abweichungen. Dort wo "vgl." gesetzt ist, liegt keine wörtliche Entnahme vor, sondern sinngemäße, ähnliche oder jedenfalls zu vergleichende Formulierung.