Elektronische Edition 2012.
Die angegebene Literatur wurde nach Möglichkeit zu digitalen Editionen verlinkt. Wo dies nicht möglich war, entweder weil keine Digitalisate gefunden wurden oder weil die Zeit hierzu fehlte, sind die Quellenangaben in einem helleren Grau wiedergegeben. Ich hoffe, dass dies die Lesbarkeit nicht schmälert und wäre für Hinweise auf weitere Digitalisate dankbar. Namen sind generell ausgezeichnet worden (in einem hellen Grün), ohne dass sie — mit wenigen Ausnahmen — auf digitale Artikel in biographischen Nachschlagewerken (ADB, NDB, Wikipedia) verlinkt wären.
Letzte Überprüfung der Verlinkungen: 23.07.2016
Heino Speer, Klagenfurt, im November 2012
a) Altersstufen. Die Rechtsstellung des Kindes in den altösterreichischen Ländern1 entspricht im Mittelalter weitgehend den Grundsätzen des deutschen Privatrechts2. [Seite: 454]
Grundlegend sind die Untersuchungen von Viktor Hasenöhrl3 über die Altersstufen und die Rechtswirkungen des Alters in den österreichischen Ländern.
Das österreichische Landesrecht kannte ursprünglich nur eine Altersgrenze, die Mündigkeit. In österreichischen Urkunden finden sich dafür verschiedene Ausdrücke: anni discretionis, debitae maturitatis, legitimi oder aetas legitima, pubertas, bei Mädchen auch anni nubiles. Von Kindern, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, wird gesagt, sie seien infra annos, minores oder minoris aetatis4. In den Quellen in deutscher Sprache heißt es, das Kind sei zu seinen Jahren (Österr. Landrecht5 Art. 52; Wiener Stadtrechtsbuch6 Art. 15; 147), zu seinen rechten Jahren, am häufigsten zu seinen "bescheidenen Jahren" (Stadtrecht für Wien von 1340 §§ 51, 537 gekommen.[Seite: 455] Der Ausdruck "vogtbare Jahre" wurde ursprünglich nur bei Mädchen verwendet, seit der 2. Hälfte des 15. Jh.s auch bei Knaben8.
Das Steiermärkische Landrecht9 Art. 83 verwendet die Formulierung "zu meinen tagen ... chomen"10.
Die Unterscheidung des Sachsenspiegels (I 42 § 1) zwischen "zu seinen Jahren kommen" und "zu seinen Tagen kommen" ist in den süddeutschen Quellen nicht durchgeführt; die Ausdrücke werden hier gleichbedeutend verwendet11.
Der Mündigkeitstermin wurde im Verlaufe des Mittelalters immer mehr nach oben verschoben12. Der älteste und am stärksten verbreitete deutschrechtliche Mündigkeitstermin war das Alter von zwölf Jahren13. Er findet sich in Österreich ob der Enns14 und in der Steiermark15. In Österreich unter der Enns und in Tirol galt schon im 13. Jh. bei Knaben der Mündigkeitstermin von vierzehn Jahren (Österr. Landrecht Art. 52); bei Mädchen blieb der Termin von zwölf Jahren (Österr. Landrecht Art. 52)16 Daß der Termin von vierzehn Jahren, wie Hasenöhrl17 annimmt, überall auf römisches Recht zurückzuführen sei, erscheint nicht glaubhaft18.[Seite: 456]
Das Wiener Stadtrechtsbuch19 kennt bei Knaben den Mündigkeitstermin von vierzehn Jahren, bei Mädchen von zwölf Jahren (Art. 14 u. 15); im Wiener Stadtrecht von 1340 (§ 51)20 findet sich hingegen schon der Mündigkeitstermin von achtzehn Jahren21.
Ein weiterer Termin des österreichischen Landrechts (Art. 9) ist der der Kampfmündigkeit mit 24 Jahren22. Ab 60 Jahren kann man einen Zweikampf ablehnen (Österr. Landrecht Art. 9)23.
Für Mädchen hat die erreichte Mündigkeit eine geringere Bedeutung als für Knaben; sie spielt aber auch bei ihnen eine Rolle, da ihre Handlungsfähigkeit vor und nach diesem Zeitpunkt in verschiedener Weise eingeschränkt ist24. Für Mädchen blieb grundsätzlich der alte Mündigkeitstermin von zwölf Jahren erhalten (Österr. Landrecht Art. 52; vgl. Wiener Stadtrechtsbuch Art. 14).
Die volle Dispositionsfähigkeit erlangen Mädchen erst mit der Vogtbarkeit25. Nach dem Wiener Stadtrecht von 1340 [Seite: 457] (§ 51), das die Mündigkeitsgrenze von achtzehn Jahren vorsieht (s.o.), werden weibliche Personen vogtbar, wenn sie heiraten, in ein Kloster eintreten oder 50 Jahre alt werden26. Der dritte Fall, die Vollendung des 50. Lebensjahres, ist eine Neueinführung des Stadtrechtes von 134027.
b) Beschränkungen der Handlungsfähigkeit. Nach deutschem Recht sind Unmündige nicht handlungsunfähig; ihre Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte sind gültig. Während einer bestimmten Frist nach Eintritt der Mündigkeit können diese Geschäfte aber widerrufen werden (vgl. Schwabenspiegel cap. 52 § 6); in dieser Möglichkeit zum Widerruf liegt der Schutz der Unmündigen.
Für Kinder, die unter der väterlichen Munt standen, brachte die Mündigkeit noch nicht die rechtliche Selbständigkeit mit sich; auch der Mündige verblieb unter der väterlichen Gewalt. Erst die Abschichtung, das Ausscheiden aus dem väterlichen Hause, brachte die väterliche Gewalt zum Erlöschen. Bei Töchtern endete die Muntgewalt des Vaters mit der Heirat28.
Auch Geschäfte des Vormunds, die Mündelgut betrafen, befanden sich in Schwebe und konnten von diesem selbst oder nach Beendigung der Vormundschaft vom mündig Gewordenen widerrufen werden29.
Nach dem österreichischen Landrecht (Art. 52) und dem Wiener Stadtrechtsbuch (Art. 15) mußten Prozesse gegen Unmündige bis zum Eintritt der Mündigkeit ruhen, da diese prozeßunfähig waren und eine Vertretung durch den Vormund noch [Seite: 458] nicht als zulässig galt30. Unmündige haben "Ruhe vor aller Ansprache"31.
Nach dem Steierm. Landrecht galten Unmündige hingegen schon als prozeßfähig. Nach Art. 83 mußten sie persönlich im Landrecht erscheinen, wo sie einen Vorsprecher (Steurer oder Weiser) erhielten (vgl. Art. 35, 61, 62). Im 15. Jh. konnten sich Unmündige bereits durch ihren Vormund vertreten lassen32.
Nach dem Wiener Stadtrechtsbuch Art. 89 beginnt eine Verschweigungsfrist erst nach erreichter Mündigkeit, und zwar bei Knaben erst mit fünfzehn Jahren, bei weiblichen Personen erst mit der Heirat33. Nach dem Steierm. Landrecht Art. 83 läuft hingegen eine Verschweigungsfrist auch gegen Unmündige; dies ist wohl daraus zu erklären, daß Unmündige nach steirischem Landesbrauch prozeßfähig waren34.
Nach österreichischem Landesrecht bedurften Rechtsgeschäfte, die von einem Unmündigen abgeschlossen wurden oder vom Vormund im Namen des Unmündigen vorgenommen wurden, zu ihrer Rechtsbeständigkeit der Genehmigung des mündig Gewordenen. Das Österr. Landrecht Art. 52 verwendet den Ausdruck "bestetten" für diese Genehmigung nach erreichter Mündigkeit35. Erst damit ist das Rechtsgeschäft unwiderruflich geworden.
Dasselbe besagt das Steierm. Landrecht Art. 144: "Von loben. Was der mensch lobt hinder zwelf jaren, das mag im [Seite: 459] nicht geschaden36. Nach erreichter Mündigkeit konnten diese Geschäfte widerrufen werden.
Wiener Stadtrechtsbuch Art. 15: "Ein junchherre, der zu seinen jarn nicht chömen ist, daz ist über vierzechen jar, der antwurtt auch nicht umb chainer slacht gült vor gericht, und waz er ze schaffen und ze wandeln hat, daz hat alles chain chraft recht als ein junchvrau, deu hinder zwelif jarn ist. Chümpt er aber uber vierzechen jar, so huet sich vor gelub der cheusch und der chonschaft, und auch anderr sach, wann alles, das er dann gelubt, als er uber vierzechen jar chümpt, unbetwungenleich mit guetleichem willen, daz hat gantze chraft".
Die Formulierung "daz hat alles chain chraft" bedeutet nicht, daß das von einem Unmündigen abgeschlossene Geschäft nichtig ist, sondern bedeutet, daß es widerrufen, angefochten werden kann37. Endgültig wirksam wird ein solches Geschäft erst mit der Genehmigung durch den mündig Gewordenen.
Unmündige konnten zu Verfügungen über ein ihnen verfangenes Gut nicht wirksam das Erbenlaub erteilen; solche Verfügungen blieben, von Fällen der echten Not abgesehen, anfechtbar. Erst die Genehmigung nach erreichter Mündigkeit machte die Verfügungen unwiderruflich38. Der Sicherung des Käufers dienten in solchen Fällen Bürgschaft und Verpfändung39. Es wurde dabei entweder für die Genehmigung der Verfügung durch den mündig Gewordenen gehaftet oder nur für die Unterlassung der Eviktion durch diesen40. Im österreichischen Raum [Seite: 460] wurde die vorherrschende pfandrechtliche Sicherstellung als Ebenteuer bezeichnet. In den ältesten Wiener Grundbüchern sowie in den Urkunden des Wiener Stadtarchives finden sich zahlreiche Verfügungen eines verwitweten Elternteiles, bei denen für die nach Erreichung der Mündigkeit erforderliche Genehmigung durch das Kind mit einem Ebenteuerpfand gehaftet wird41. Ebenteuerbestellung durch den Vormund findet sich bei Verfügungen über Mündelgut42.
a) Rechtsquellen und Literatur.
Bestimmungen über die Rechtsstellung der Kinder, insbesondere vormundschaftsrechtliche Normen finden sich in der Ordnung und Reformation guter Polizei Ferdinands I. für die fünf niederösterreichischen Länder und Görz von 155244 [Seite: 461]
Ein Gesetz Rudolfs II. vom 18.7.158945 betrifft die Anwendung des Senatus Consultum Macedonianum in Österreich46 Ein Gesetz Ferdinands II. vom 2.8.1631 betrifft die "Pupillen Vergerhab- und Versorgung"47, ferner ein Gesetz Leopolds I. vom 28.8.166448
Eine sehr eingehende Regelung erfuhr das Recht der Unmündigen in der Gerhabschaftsordnung Leopolds I. für Österreich unter der Enns vom 18.2.166949. Es handelt sich hierbei um einen jener Teile des Entwurfes einer Landesordnung für Österreich unter der Enns aus der Mitte des 17. Jh.s (sog. Kompilation der vier Doktoren), welche Gesetzeskraft erlangt haben50. Dieses Vormundschaftsgesetz war von der niederösterreichischen Regierung ausgearbeitet und von dem aus kaiserlichen Kommissarien und ständischen Ausschüssen zusammengesetzten Kollegium51 in den Jahren 1666 und 1669 dreimal abgehört worden. Bereits 1655 hatte die Regierung durch Einführung des Waisenbuches den Anstoß zu einer Reform des Vormundschaftswesens gegeben52
Ergänzungen der Gerhabschaftsordnung enthalten die Instruktion über die Landmarschallische Waisenrechnung vom [Seite: 462] 24.12.172553 und die Landmarschallische Gerhabschaftsordnung vom 3.4.172754.
Aus der Zeit Maria Theresias stammen die kais. Verordnung über die "Minorennen-Schuldeneinschränkung" vom 26.2.175155 und die kais. Verordnung vom 12.4.1753 ("Majorennitäts- Jahrebestimmung")56.
Bestimmungen über die Rechtsstellung von Kindern finden sich in den Landesordnungsentwürfen für Österreich unter der Enns57, im "Zeiger in das Landrechtsbuch" von 1526, im Entwurf Püdler von 1573 und im Entwurf Strein-LinsMayer von 1595 sowie in der "Kompilation der vier Doktoren" von 165458. Mehrere Teile derselben erlangten Gesetzeskraft, so die Gerhabschaftsordnung im Jahre 1669 (s.o.).
Für Österreich ob der Enns war von größter Bedeutung der Entwurf einer Landtafel (Landesordnung) von Dr. Abraham [Seite: 463] Schwarz vom Jahre 1609 (Oe. Ltf.)59. Das III. Buch, 42. Titel handelt "Von Gerhabschaften".
Für die Steiermark erging 1687 eine "Ordnung adeliger Vormundschaft"60. Nic. v. Beckmann61 erwähnt eine "pupillar-Ordnung". Nach Beckmann62 fand die österr. Gerhabschaftsordnung von 1669 auch in der Steiermark Anwendung.
Die Tiroler Landesordnung von 1573 (III. Buch, Tit. 46 ff.) enthält Bestimmungen über Unmündige, Gerhaben und Anweiser. Von Bedeutung ist ferner die "erneuerte Curatel- und Pupillarordnung" vom 19.2. 173863.
Einschlägige Bestimmungen finden sich in der Wiener Stadtordnung Ferdinands I. von 152664 und in der sog. Grundbuchsordnung der Stadt Wien von 156665. Wichtig ist ferner der "Stadt Wien Pupillen Rait-Cammer-Reformation" vom 29.4.171566
Ausführungen und Hinweise zur Rechtsstellung der Kinder finden sich in den privatrechtlichen Traktaten Bernhard [Seite: 464] Walthers67, ferner in den juristischen Werken68 von J. B. Suttinger69, J. H. Reutter70, J. Weingärtler71, Nic. von Beckmann72, B. Finsterwalder73 und J. G. Kees74.
Für das 18. Jh. sind heranzuziehen die Arbeiten von F. J. Greneck75, Loth. Frid. Vossius76, Jos. L. Banniza77, Joh. Ud. Donner78, Fr. Aloys. Tiller79 und Jos. Linden.80[Seite: 465]
Eine wertvolle Erkenntnisquelle des österreichischen Landesrechts im 18. Jh. ist die Darstellung des Regierungsrats Jos. Ferd. Holger81, Mitglieds der unter Maria Theresia 1753 eingesetzten Kompilationskommission. Für Innerösterreich wurde eine entsprechende Darstellung vom Regierungsrat Ferdinand Josef Thinnfeld verfaßt82, für Vorderösterreich von Hormayer. Dieser Operate hat Ph. Harras von Harrasowsky in seiner Ausgabe des Codex Theresianus und dessen Umarbeitungen in den Anmerkungen verwertet.
b) Altersstufen83. B. Walther (Trakt. VII 10/2) zitiert die Constitutio Albertina vom 2.2.1383, mit welcher ein Wiener Ratsbeschluß über das Erbrecht bestätigt wurde84; darin findet sich die Wendung: "ehe das sie zu iren beschaiden Jaren kumen, und ehe sie vogtbar werden".
In Österreich unter der Enns trat die Vogtbarkeit im Hinblick auf die Testierfähigkeit mit 18 Jahren oder schon vorher mit Heirat ein (Walther XIX 9/I)85, in Österreich ob der Enns bei Männern mit vollendetem 18., bei Mädchen mit vollendetem [Seite: 466] 16. Lebensjahr (Oe. Ltf. IV 3 § 4). In der Steiermark galt wie in Österreich unter der Enns die einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren86.
Die Fähigkeit als Testamentszeuge zu fungieren wird bereits mit vierzehn Jahren erreicht (Walther XIV 8/2)87; Frauen können überhaupt nicht Zeugen sein (Walther XIV 1).
Nach der Wiener Stadtordnung Ferdinands I. von 1526 wurde die Testierfähigkeit von Männern mit vollendetem 20. Lebensjahr und von Mädchen mit vollendetem 18. Lebensjahr erlangt; wenn sie noch unter Gerhabschaft standen, sollten sie ihr Testament mit Wissen der Gerhaben und der nächsten Freunde tun88.
Im allgemeinen trat die Vogtbarkeit nach der Wiener Stadtordnung bei Männern mit 22 Jahren und bei Mädchen mit 20 Jahren ein; heiratete eine unvogtbare Person, so wurde sie mit erfolgter Beiwohnung vogtbar89. Nach Landesrecht genügt die Eheschließung (Walther XIV 9/1; Püdler I 12 § 8)90.
Die Reichspolizeiordnungen von 1548 (Tit. 31) und 1577 (Tit. 32)91 handeln "Von der Pupillen und Minderjährigen Kinder Tutorn und Vormündern". Die römischrechtliche Unterscheidung zwischen pupilli und minores, tutela und cura ist der Sache nach nicht übernommen. Die Unmündigen und Minderjährigen stehen bis zur Erreichung der Großjährigkeit (mit 25 Jahren) unter einer einheitlichen Altersvormundschaft92.[Seite: 467] Diese Regelung übernimmt die Polizeiordnung für die fünf niederösterreichischen Länder von 155293. Ganz eindeutig in diesem Sinne spricht sich die Gerhabschaftsordnung von 1669, I. Tit. § 2 aus94: "... daß bishero in dem Ertzhertzogthumb Oesterreich zwischen denen Unmündigen und Minderjährigen, wie auch denen Tutoren und Curatoren, ein Unterschied nicht gehalten worden sei, und daß es dabei in Hinkunft auch verbleiben solle".
Die Polizeiordnung von 1552 hat wohl als regelmäßigen Großjährigkeitstermin das Alter von 20 Jahren vor Augen gehabt, ohne Unterschied des Geschlechts95: "Es soll auch kainem Pupillen vor zwaintzig jarn sein Guet uberantwort werden ..." (Fol. XXII v.).
Der Entwurf Püdler (1573) I 12 § 8 nennt für Männer die Altersgrenze von 22 Jahre, für Frauen von 20 Jahren96.
Im Gesetz Ferdinands II. vom 2.8.1631 für die zwei oberen Stände, den Herren- und Ritterstand, betreffend die "Pupillen Vergerhab- und Versorgung"97 ist festgesetzt, daß Männer die Vogtbarkeit mit 22 Jahren, Frauen mit 20 Jahren oder mit Verehelichung oder mit Eintritt in ein Kloster erreichen. Die Gerhabschaftsordnung von 1669 (16. Tit. § 2) sieht allgemein [Seite: 468] vor, daß die Gerhabschaft bei Männern mit 22 Jahren, bei Frauen mit 20 Jahren ende. Damit waren diese Altersgrenzen, die sich zuerst in der Wiener Stadtordnung von 1526 finden, allgemeines Landesrecht in Österreich unter der Enns geworden98.
Für die Testierfähigkeit und das Ende einer Pupillarsubstitution galt in Österreich unter der Enns weiterhin der ältere Termin von 18 Jahren99.
Der Alterstermin von 24 Jahren findet sich in Österreich unter der Enns zunächst in der "Minorennen-Schuldeneinschränkung" Maria Theresias vom 26.2.1751100.
Durch die kais. Verordnung vom 12.4.1753 (Majorennitäts-Jahrebestimmung § 1)101 wurde in allen "deutschen Erbkönigreichen und Ländern" der einheitliche Großjährigkeitstermin von 24 Jahren eingeführt. Für Testierfähigkeit und Ende einer Pupillarsubstitution wurde für Personen männlichen Geschlechts das vollendete 20. Lebensjahr, für weibliche Personen das [Seite: 469] vollendete 18. Lebensjahr festgesetzt (§ 8). Die Eingehung einer Ehe hat nicht mehr Vogtbarkeit zur Folge (§§ 6, 7)102, auch nicht der Eintritt in einen Orden.
Die Majorennitäts-Verordnung (§ 11) sah ferner vor, daß die Meisterwerdung die Großjährigkeit zur Folge habe. Der Magistrat solle dabei vorsichtig vorgehen und das Meisterrecht nicht leicht an Personen vor vollendetem 20. Lebensjahr verleihen103.
Nach dem Landesordnungsentwurf für Österreich ob der Enns von 1609 (III 1 § 4) war die Großjährigkeit erst mit 25 Jahren erlangt worden (vgl. III 37 § 5). Hier war offensichtlich die römischrechtliche Altersgrenze übernommen worden.
In der Steiermark galten im 17. Jh. die Vogtbarkeitstermine der österreichischen Gerhabschaftsordnung von 1669, 22 Jahre für Männer, 20 Jahre für Frauen104.
Eine abweichende Regelung findet sich in Tirol. Die Tiroler Landesordnung von 1573 unterscheidet zwei Altersstufen, 16 Jahre und 25 Jahre. Bis zum vollendeten 16. Lebensjahr stehen Kinder unter Gerhabschaft. Wenn das Kind dann noch nicht geeignet ist, seine Güter zu verwalten, soll ihm ein Curator (Anweiser) bis zum 25. Lebensjahr bestellt werden (Tiroler Landesordnung 1573, III 52). Hier findet sich die römisch-rechtliche Unterscheidung von Tutel und Cura.
Eine Rechtsvereinheitlichung in den altösterreichischen Erblanden brachte die Majorennitäts-Verordnung Maria Theresias von 1753.
c) Väterliche Gewalt und Vormundschaft.
Die Minderjährigen (ungevogte Kinder105 stehen nach österreichischem Landesrecht entweder unter väterlicher Gewalt oder bei Tod des Vaters unter Vormundschaft (Gerhabschaft). Die väterliche Gewalt war im österreichischen Recht des 16., 17. und 18. Jh.s allem Anschein nach sehr stark der Vormundschaft angenähert. Chorinsky106 spricht von "väterlicher Vormundschaft". Der Vater galt als der nächste gesetzliche Gerhab seiner ehelichen Kinder.
Die Endigungsgründe der väterlichen Gewalt fielen mit denen der Altervormundschaft beinahe völlig zusammen107:
d) Beschränkungen der Handlungsfähigkeit hinsichtlich der Person:
1) Eheschließung eines Minderjährigen (Unvogtbaren)115. Nach kanonischem Recht, das in diesem Bereich als gemeines Recht galt, war die Eheschließung von mündigen Minderjährigen auch ohne Einwilligung der Eltern oder des Vormunds gültig; die fehlende Einwilligung stellte ein bloßes Eheverbot dar116.
Nach dem österreichischen Landesbrauch des 16. Jh.s. stellte hingegen die fehlende elterliche Einwilligung bei Unvogtbarkeit (Minderjährigkeit) ein trennendes Ehehindernis dar. Dies ergibt sich aus dem Entwurf Püdler II 27 §§ 18 u. 22.
Püdler II 27 § 18: "Die kinder sollen sich ohn vorwissen und bewilligung ihrer eltern in ainige eheliche versprechung, sponsion oder heurat nit einlassen, wo sie aber dahin beredt würden oder solches für sich selbst thetten, solle die ehelich zusag dem lantsbrauch nach nichtig und craftloß sein, auch die persohnen, welche die kinder also undergangen sambt ihren rahtgebern, verhelfern und misgenossen nach gelegenhait ihres stands der gebüer nach gestrafft werden".
Püdler II 27 § 22: "Der pflegkinder und minderjhärigen vereheligung sollen dem althergebrachten lantsbrauch nach nit [Seite: 472] bündig sein, sie geschehen dann mit vorwissen und willen und raht ihrer gerhaben, curatorn und der nechsten befreundten. Wann sie aber dieselben der sachen nit vergleichen künten, solle die furgesezt ordenlich obrigkait darinnen mittler sein".
Allerdings war dieser Landsbrauch schon im i6. Jh. nicht unbestritten. Die Entscheidung der niederösterreichischen Regierung aus dem Jahre 1540117 folgt schon dem kanonisch-gemeinen Recht: "Heyrath wider Wissen und Willen der Eltern, Gerhaben oder deren, so die Weibs-Bilder in Gewalt haben, seynd straffmässig, doch bleibt eine solche Ehe kräfftig".
Die Gesetzgebung des 16. und 17. Jh.s., so die Wiener Stadtordnung von 1526 (betr. "heirat")118 und ein Generale Ferdinands I. vom 24.8.1550119, behandelt das Fehlen der elterlichen Einwilligung dem kanonisch-gemeinen Recht entsprechend nur als Eheverbot, verfügt aber vermögens- und strafrechtliche Sanktionen; Heirat ohne Einwilligung der Eltern stellt einen Enterbungsgrund dar120
Die Tiroler Landesordnung von 1573 (III 59) sieht auch nur ein Eheverbot mit vermögensrechtlichen Nachteilen vor.
Durch die Majorennitäts-Verordnung Maria Theresias vom Jahre 1753121 (§ 5) wurden Sponsalia und Ehecontracte (d.s. ehegüterrechtliche Vereinbarungen) ohne Einwilligung des Vormunds, Curators und der vorgesetzten Obrigkeit für [Seite: 473] ungültig erklärt. Die Ehe selbst blieb auch nach dieser Regelung gültig122.
2) Eintritt eines Minderjährigen in ein Kloster123. Die Wiener Stadtordnung von 1526124 behandelt den "Klösterlichen Eingang" der Minderjährigen. Männer ab dem vollendeten 20. und Mädchen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr können mit Zustimmung der Eltern, wenn diese nicht mehr am Leben sind, der nächsten Verwandten, in ein Kloster eintreten. Die Stadtordnung enthält Bestimmungen in vermögensrechtlicher Hinsicht125.
Diese Regelung blieb Wiener Statutarrecht und wurde nicht allgemeines Landrecht126. Mehrere Gesetze des 17. Jh.s für Österreich unter der Enns127 lassen die Vogtbarkeit mit Eintritt in ein Kloster enden. Die Gerhabschaftsordnung von 1669 macht den Eintritt in ein Kloster nicht von der Bewilligung des Vormunds abhängig128.
e) Beschränkungen der Handlungsfähigkeit hinsichtlich des Vermögens.
1) Vermögensverwaltung durch den Vater.
Nach dem Landesbrauch des 16. und 17. Jh.s. in Österreich unter der Enns hat der Vater am Vermögen seiner Kinder im Gegensatz zum gemeinen Recht keine Fruchtnießung. Walther VI 5: "Die geschribnen Recht vermügen, das der Vater seiner Kinder [Seite: 474] müetterlich Guett nach Absterbung der Muetter, so lang er im Leben ist, zu nutzen und zu genießen hab. Aber dem Landsbrauch nach haben solliche geschribne Recht nit stat, sonder der Vater ist schuldig, von Stund an nach Absterbung der Muetter seinen Kindern iren müetterlichen Erbthail zuezustellen und volgen ze lassen, und mag im also der Vatter an sollichen Güettern kein Fruchtniessung dem Landtsprauch nach zueziehen"129. Wohl aber steht dem Vater das Recht der rechnungsfreien Verwaltung zu130. Dies ergibt sich aus der Polizeiordnung für die fünf niederösterreichischen Länder von 1552 (Fol. XXII v.)131 und aus der Gerhabschaftsordnung von 1669 (3. Tit. § 7).
Im 18. Jh. wurde die Obervormundschaft stark ausgebaut und die väterliche Gewalt der Altersvormundschaft noch mehr angenähert. In der Wiener "Pupillen Rait-Cammer-Reformation" von 1715132 (§ 1) wurde ausdrücklich bestimmt, daß dem überlebenden Elternteil, "dem die Vormundschaft seiner Kinder ex lege gebührt", grundsätzlich ein Mitgerhab zu verordnen sei.
Vossius133 führt aus, daß den Eltern (somit auch dem Vater) nicht mehr das Recht zustehe, die bona adventicia ihrer Kinder ohne Kautionsleistung und ohne Rechnungslegung zu verwalten. Holger erwähnt in seiner Darstellung des österreichischen Landesrechtes134, daß das väterliche Fruchtgenußrecht in Österreich unter der Enns nie Eingang gefunden habe und daß [Seite: 475] es dem Vater oblag, das Vermögen seiner Kinder wie ein Vormund zu verwalten135.
Bei den Kindern von grundherrlichen Untertanen scheint allerdings im 18. Jh. ein Nutznießungsrecht des Vaters bzw. der Mutter bestanden zu haben136.
Auch in Innerösterreich hatte der Vater am Vermögen seiner Kinder im 18. Jh. ein Fruchtgenußrecht137.
2) Verfügungs- und Verpflichtungsfähigkeit der Minderjährigen.
Nach österreichischem Landesrecht wird zwischen Pupillen und Minderjährigen rechtlich nicht differenziert (s.o. II b). Die Landesordnungsentwürfe für Österreich unter der Enns sehen vor, daß Pupillen und Minderjährige nur mit Genehmigung des Vaters bzw. Vormunds Verfügungen vornehmen und Verpflichtungen eingehen können.
Zeiger in das Landrechtsbuch (1526) III 5 § 12: "Wiewol ain waiß khainen vertrag mit iemant machen noch ainicherlai handlung mag ôn willen seines gerhaben oder sorgers, nichts minder, ob ain weiß ain gelt ainem anderen leicht oder zallt ôn des vormunds wissen und der so es emphächt verthuet es, so wierdet die handlung der Schulden oder bezallung creftig, unangesehen das solch handlung in anfang unwert gewesen und [Seite: 476] das gelihen oder bezallt gelt des nicht worden ist, der dasselb emphangen hat".
Im einzelnen finden sich folgende Bestimmungen138: Das gerichtliche Geständnis eines Minderjährigen war ebenso ungültig wie das eines Unmündigen (Püdler I 30 § 4). Pupillen und Minderjährige durften von ihren Gütern nichts verkaufen (Püdler II 1 § 20)139 kein Geld verleihen (Püdler II 8 § 3), kein Geld entlehnen (Püdler II 8 § 15), nichts verpfänden oder belasten (Püdler II 14 § 4)140, keine Bürgschaft oder Fideijussion eingehen (Püdler II 17 § 4), ihr Vermögen nicht zedieren und übertragen (Püdler II 20 § 1), keine Verträge und Vergleiche abschließen (Püdler II 26 § 1)141, keine Schenkungen vornehmen (Püdler II 29 § 1), ihre Schulden nicht bezahlen (Püdler II 19 § 8), keine Erbschaft antreten, auch nicht cum beneficio inventarii (vgl. Püdler III 34)142 und eine ihnen aufgetragene Testamentsexekution nicht übernehmen (Püdler III 54 § 4; Oe. Ltf. IV § 1)143.
Wurden solche Geschäfte ohne Zustimmung des Vaters bzw. Vormunds vorgenommen, so waren sie kraftlos und ungültig144. Eine allgemeine Bestimmung findet sich in der Oe. Ltf. III 1 § 4: "Dergestalt khönen auch diejenige persohnen, welche nit über 25 jahr alt, da sie nit sonderliche veniam aetatis und völlige einantwortung ihrer güeter mit vorwißen und bewilligung der obrigkheit erlanget, sondern noch under ihrer eltern und [Seite: 477] gerhaben gewalt, ohne vorwißen und willen gedachter ihrer eltern oder gerhaben zu ihren schaden nichts khrefticlichs vereüßern, verschenkhen, anrechnen oder wirkhlich versprechen und contrahirn. dann ob schon solchen zuwider etwaß durch sie gehandlt wirdt, soll es doch alles unkhreftig und sie oder derselben elter und gerhaben destwegen unverpunden sein, unangesehen da inen andere etwaß versprechen, dieselbige darzue obligiert und verhaftet bleiben. eß wehre dann daßjenig, so ernanten persohnen an claidern, proviant oder andern geschenkht und gelichen worden, auß der eltern und gerhaben befelch geschechen, item darauß ain sonderer nutz entstanden oder sonst auß notwendigen redlichen und erbaren ursachen hergefloßen, in welchen fählen sowoll die eltern und gerhaben alß die contrahenten selbst (so sie zur administration irer güeter gelangen) angefordert und ersuecht werden mögen".
In dieser Bestimmung der Oe. Ltf. zeigt sich deutlich römisch-rechtlicher Einfluß, nicht nur bei der Altersgrenze von 25 Jahren, sondern auch bei der Konstruktion des hinkenden Rechtsgeschäfts (negotium claudicans).
Wichtig ist ferner die Bestimmung der Tiroler Landesordnung von 1573, III 55: "Was mit denen, die in gewalt irer Eltern oder der Gerhabschafft oder der Anweisung steen, on derselben willen gehanndelt wirdt, hat nit Crafft. Wer ainem, der in gewalt seiner Eltern, Gerhaben, Cur oder Anweisung steet, on seiner Eltern, Gerhaben oder Anweiser Wissen und Willen leihet, borgt, verkaufft oder von im kaufft oder ainich Contract mit im macht, haimlich oder offenlich, auf bare Betzalung oder künfftig Erbfäll, mit Spil oder Gewött, das alles soll uncräfftig und unbinndig sein: Sovers das demselben (der also in obgeschribnem Gewalt) nachtailig und schädlich ist." Ein Geschäft mit Unmündigen und Minderjährigen ist ohne Einwilligung der Eltern, Vormünder oder Anweiser nicht wirksam (vgl. III 58), soferne dieses Geschäft dem Kinde "nachtailig und schädlich" ist. [Seite: 478]
Grundlegend sind die Bestimmungen der Gerhabschaftsordnung für Österreich unter der Enns von 1669145.
14. Tit. § 1: "Ein Pupill kan ohne Vorwissen und Bewilligung seiner Gerhaben nichts verkauffen, verpfänden oder in andere weeg veräussern, noch sonsten einigen Contract eingehen, und wann es beschiht, so ist ein solche Handlung gantz nichtig und unkräfftig, auch derjenige so mit dem Pupillen dergestalt gehandlet, daß etwann dardurch empfangene Gut ihnen und ihren Gerhaben sambt aller auffgehobenen Nutzung, Interesse, Unkosten und Schaden widerumb zuruck zugeben schuldig".
14. Tit. § 2: "Wann der Pupill durch solchen Contract einen Kauff- oder Pfand-Schilling, oder auch sonsten Geld oder Geldswerth empfangen, und dasselbe unnutzlich verthan, verspilt, verlohren oder sonsten übel angewendet, so ist er und seine Gerhaben das empfangene Geld oder Geldswerth wider zubezahlen oder heraus zugeben nicht schuldig: da es aber dem Pupillen zu Nutz kommen, soll er oder seine Gerhaben so viel, als ihme zu Nutzen angewendet worden, wider bezahlen und erstatten".
Ein Pupill kann mit seinen Gerhaben keinen Vertrag (Geding) abschließen (14. Tit. § 3). Wohl aber kann ein Pupill Schenkungen ohne Bewilligung der Gerhaben annehmen (14. Tit. § 4).
3) Mitwirkung der Obrigkeit.
Bis zur Gerhabschaftsordnung von 1669 genügte die Einwilligung des Vaters bzw. Vormunds in allen Fällen, die nicht ausdrücklich der Genehmigung der Obervormundschaft vorbehalten waren146 In der Polizeiordnung für die fünf niederösterreichischen Länder von 1552 und in den Entwürfen Püdler und Strein-Linsmayer sind die Fälle [Seite: 479] angeführt, in denen die Zustimmung der Obervormundschaft bzw. der nächsten Verwandten des Unvogtbaren erforderlich war.
Schon die Polizeiordnung von 1552 (Fol. XXII), sieht vor, daß unbewegliche Sachen nur aus besonderen Gründen und mit Bewilligung der Obrigkeit veräußert werden dürfen: "Aber ligunde unbewegliche Güetter sollen anderst nit, dann auß genuegsamen ursachen und mit vorwissen statlicher erwegung und erkantnuß des Gerichts unnd Raithandler verwendt, und in allweg erstlich die varunden unnd volgendts die ungelegnisten ligende Güetter angegriffen werden".
Püdler II 1 § 10: "Die gerhaben sollen ihrer pupillen und minderjärigen ligende haab und gueter ohn vorwissen und zugeben der obrigkait nit verkaufen, sonder sich allezeit um ainen gerichtlichen wilbrief zum verkaufen bewerben ...".
Strein-Linsmayer II 1 § 4: "Es solle aber auch khainen gerhaben seines pupilln haab und güeter, es seien ligunde oder nambhafte varende, anderst nit alß mit vorwissen und zugeben der obrigkhait zu verkhaufen zugelaßen sein ...".
Nach der Gerhabschaftsordnung von 1669 (II. Tit. §§ 2-4) durften Gerhaben ein Grundstück eines Mündels und kostbare Mobilien und Fahrnisse nicht ohne Bewilligung der Obrigkeit veräußern; sie durften Güter der Pupillen nur mit obrigkeitlicher Bewilligung in Bestand geben (11. Tit. § 13); Vergleiche in anhängigen Rechtsstreitigkeiten bedurften der obrigkeitlichen Ratifikation (12. Tit. § 2)147.
Eine Veräußerung unbeweglichen Mündelguts oder wertvoller Mobilien ohne Einwilligung der Obrigkeit war allerdings nicht absolut nichtig, konnte aber vom mündig Gewordenen binnen fünf Jahren nach erlangter Vogtbarkeit angefochten werden (11. Tit. § 4)148. [Seite: 480]
Für das Handeln des Mündels mit Einwilligung des Vormunds und das Handeln des Vormunds für das Mündel galten grundsätzlich dieselben Regeln149.
Durch die Verordnung Maria Theresias über die "Minorennen-Schuldeneinschränkung" vom Jahre 1751150 wurden alle vor dem vollendeten 24. Lebensjahr abgeschlossenen Rechtsgeschäfte unter Lebenden bei sonstiger Nichtigkeit an den Konsens der Gerichtsbehörde gebunden: "... widrigenfalls, und da dem zuwider gehandelt würde, sollen alle dargegen unternommene Actus unkräftig, null und nichtig seyn"151.
Durch die Majorennitäts-Jahrebestimmung von 1753 wurden diese Vorschriften von neuem eingeschärft152.
Holger hebt in seiner Darstellung des österreichischen Landesrechtes153 hervor, daß die Handlungsfähigkeit der unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder denselben Beschränkungen unterlag wie die von unter Vormundschaft stehenden Kindern; er erwähnt aber zugleich, daß Kinder über das durch ihre Arbeit erworbene Vermögen sowie über einen anderen nicht beträchtlichen Erwerb frei verfügen konnten.
4) Testierfähigkeit.
Im Gegensatz zum römischen Recht konnten Kinder, die noch unter väterlicher Gewalt standen, aber bereits die für die Testierfähigkeit maßgebliche Altersgrenze (s.o. II b) erreicht hatten, nach Landesbrauch frei testieren (Walther XIV 9/2)154. [Seite: 481]
Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, I. Teil, für die gesamten deutschen Erbländer vom 1. Nov. 1786156, das sogenannte Josephinische Gesetzbuch, beruht im wesentlichen auf dem Entwurf Hortens157. Dieses Gesetzbuch besteht aus fünf Haupstücken und enthält allgemeine Bestimmungen, Personen-und Familienrecht. Vorausgegangen waren das Josephinische Ehepatent von 16.1.1783 (JGS. Nr. 117) und das Josephinische Erbfolgepatent vom 11.5.1786 (JGS. Nr. 548).
Das IV. Hauptstück des Jos. Gesetzbuches handelt "Von den Rechten zwischen Aeltern und Kindern", das V. Hauptstück "Von den Rechten der Waisen, und andern, die ihre Geschäfte selbst nicht besorgen können"158.
Das Jos. Gesetzbuch behielt den Großjährigkeitstermin von 24 Jahren, der unter Maria Theresia 1751 bzw. 1753 (s.o. II b) eingeführt worden war, bei (V. H. § 88)159. Das Jos. Gesetzbuch (IV. H. § 18) spricht nicht von "väterlicher Gewalt", wie der Codex Theresianus (I.T. Cap. V), sondern von "väterlichem [Seite: 482] Recht; den Rechten der Eltern stehen die Rechte der Kinder gegenüber (IV. H.)160.
Der Vater wird noch stärker wie ein Vormund behandelt (vgl. o. II c). Wenn sich der Vater Pflichtverletzungen im Hinblick auf das Kindesvermögen zuschulden kommen läßt, "ist den Kindern ein anderer zum Vormunde zu bestellen" (IV. H. § 25; vgl. § 24).
Minderjährige unter väterlicher Gewalt sind Minderjährigen unter Vormundschaft hinsichtlich ihrer Handlungsfähigkeit völlig gleichgestellt. Jos. Gesetzbuch IV. H. § 21: "Kinder, die ihre Großjährigkeit nicht erreichet haben, sind in ihren Handlungen, woraus ihr Vermögen vermindert, oder ihre Person verbindlich gemacht werden könnte, andern Waisen oder Minderjährigen vollkommen gleich zu achten".
Minderjährige bedürfen zur Schließung einer Ehe der Einwilligung ihres Vaters, in dessen Ermanglung der des väterlichen Großvaters (Ehepatent von 1783, § 3; Jos. Gesetzbuch III. H. § 5); wird diese unbegründet verweigert, hat das Gericht die Einwilligung von amtswegen zu erteilen (Ehepatent § 5; Jos. Gesetzbuch III. H. § 7). Ehen Minderjähriger ohne die vorgeschriebene Einwilligung des Vaters, Großvaters oder Gerichts sind völlig ungültig (Ehepatent § 6; Jos. Gesetzbuch III. H. § 8). Damit wurde vom kanonisch-gemeinen Recht, wonach fehlende Einwilligung nur ein Eheverbot darstellte, abgegangen (vgl. o. II d 1).
Der Vater ist befugt, seine Kinder gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (Jos. Gesetzbuch IV. H. § 18).
Dem Vater steht die Verwaltung des Kindesvermögens zu, soferne nicht derjenige, von dem das Gut an das Kind gelangt ist, ihn davon ausgeschlossen hat (IV. H. § 22). Allgemeine [Seite: 483] Voraussetzung für die Verwaltung ist aber, daß dem Vater das Kindesgut gerichtlich eingeantwortet worden ist. Wenn es nötig ist, "soll vor dieser Einantwortung das Vermögen gerichtlich beschrieben, oder doch dessen Beschaffenheit, Werth und Erträgniß zur Sicherheit der Kinder angemerket werden" (IV. H. § 23).
Dem Vater steht nicht die Nutznießung des Kindesvermögens zu, "sondern er ist, wie ein anderer Vormund dasselbe zu versichern, und darüber jährliche Rechnung zu legen schuldig" (IV. H. § 24).
Der Vater wird jetzt noch strenger behandelt und schärfer kontrolliert als im 16. und 17. Jh. Er ist nun wie ein Vormund zur jährlichen Rechnungslegung verpflichtet161.
Kinder, deren Vater gestorben ist, kommen unter Vormundschaft. Von rechtswegen gebührt die Vormundschaft zunächst dem väterlichen Großvater, nach diesem der Mutter, wenn diese sich noch im Witwenstand befindet (V. H. § 11). Jeder zur Vormundschaft gelangenden Mutter soll ein Mitvormund beigegeben werden (V. H. § 13).
Dem Vormund obliegt die Verwaltung des Mündelvermögens. Zu bestimmten Geschäften ist die Einwilligung der Vormundschaftsbehörde erforderlich (V. H. § 14). Maßgebend ist § 65 des V. H.: "Minder beträchtliche Vormundschaftsgeschäfte können vom Vormunde auch ohne Einwilligung der Behörde geschlossen werden. Geschäfte von größerer Wichtigkeit aber sind ganz und gar ungiltig, wenn die Einwilligung der Behörde [Seite: 484] dazu nicht eingeholet worden. Unter diese Geschäfte von Wichtigkeit gehören die Veräußerung liegender Güter, die Abtretung oder Aufkündung vorgemerkter Foderungen, der Ankauf liegender Güter, oder kostbarer Fahrnisse, die Eingehung eines Vergleichs in einem wider die Waisen anhängigen Rechtsstreite, die Fortsetzung oder Aufhebung einer den Waisen zugehörigen Fabrike, Handlung, oder eines andern Gewerbs, die Einschuldung der Waisen, und alles, was zu Verminderung ihres Vermögens gereichen kann".
Für die minder wichtigen Vormundschaftsgeschäfte, die ohne Einwilligung der Behörde geschlossen werden konnten, blieb nur ein sehr geringer Raum, insbesondere durch die Generalklausel des § 65 V. H., wonach alles, was zur Verminderung des Kindesvermögens gereichen konnte, der Bewilligung bedurfte162.
Die Handlungsfähigkeit der minderjährigen Waisen und überhaupt der Minderjährigen (vgl. IV. H. § 21, s.o.) war sehr eingeschränkt163. Sie konnten ohne Einwilligung des Vormunds bzw. Vaters nur solche Geschäfte wirksam abschließen, durch die sie ausschließlich berechtigt wurden. Ein zweiseitig verbindliches Geschäft war hingegen völlig unwirksam, solange es der Vormund bzw. Vater nicht genehmigt hatte (V. H. § 57).
Jos. Gesetzbuch V. H. § 56: "Die Waisen selbst sind nicht befugt von ihrem dem Vormunde anvertrauten Vermögen ohne Einwilligung desselben etwas zu veräußern, oder zu beschweren, noch eine auf die Verminderung dieses Vermögens gerichtete persönliche Verbindung einzugehen. Alle Handlungen dieser Art sind ungültig, und wirkungslos; und muß das Veräußerte samt Nutzungen, Zinsen, Schaden und Unkosten zurückgestellet werden. Wenn jedoch der andere Theil dem Waisen etwas gegeben; so kann er dieses, so weit es noch vorhanden, oder zu des Waisen Nutzen verwendet worden, zurückfodern".[Seite: 485]
Jos. Gesetzbuch V. H. § 57: "Hat eine Waise eine Handlung vorgenommen, die eine Verbindlichkeit von beiden Seiten nach sich zieht; so wird weder der Waise dem andern, noch dieser dem Waisen eher verbunden, bis der Vormund die geschlossene Handlung genehmhält. Hingegen hat eine vom Waisen vorgenommene Handlung, die zu dessen einseitigem Vortheil gereichet, auch ohne Einwilligung des Vormunds sogleich ihre vollkommene Giltigkeit".
Wurde einem Waisenkind von seinen Einkünften eine bestimmte Summe übergeben oder wurden für seine Bedürfnisse Sachen angeschafft und übergeben, so konnte er über dieses Geld bzw. diese Sachen frei verfügen (V. H. § 59)164.
Waisen waren auch befugt, sich ohne Einwilligung des Vormunds zu Diensten und Arbeiten zu verdingen (V. H. § 60)165.
Durch diese Bestimmungen war eine gewisse Lockerung gegenüber der früheren Rechtslage eingetreten166.
Durch Patent Leopolds II. vom 22. 2. 1791 (JGS. Nr. 115), § 7 wurden die Pflichten der Väter und Vormünder zur jährlichen Rechnungslegung gemäßigt.
a) Altersstufen. Das ABGB kannte drei Altersgruppen: Kinder, die das 7., Unmündige, die das 14. und Minderjährige, [Seite: 486] die das 24. Lebensjahr nicht zurückgelegt haben. Durch ein Gesetz aus dem Jahre 1919 (StGBl. Nr. 96/1919), § 1 wurde das Ende der Minderjährigkeit mit dem vollendeten 21. Lebensjahr festgesetzt168. Personen zwischen dem vollendeten 14. und dem 21. Lebensjahr werden als mündige Minderjährige bezeichnet.
Nicht nur straf-, sondern auch privatrechtlich von Bedeutung ist ferner in mehrfacher Hinsicht die Altersgrenze von 18 Jahren (s.u.)169. Die Ehemündigkeit ist geregelt im § 1 des Ehegesetzes vom 6.7.1938 (21 Jahre bei Männern, 16 Jahre bei Mädchen)170.
Minderjährige Personen stehen unter väterlichen Gewalt oder bei Tod des Vaters unter Vormundschaft. Der Vater oder der Vormund ist ihr gesetzlicher Vertreter (ABGB § 152 letzter Satz, § 243). Minderjährige bekommen einen Kurator, wenn sie in einem besonderen Fall vom Vater oder Vormund nicht vertreten werden können (ABGB § 270), insbesondere bei einer Interessenkollision (sog. Kollisionskurator)171.
b) Geschäftsfähigkeit. Kinder unter 7 Jahren sind vollkommen geschäftsunfähig (ABGB § 865; vgl. Ehegesetz § 102 Abs. 1). Sie können durch eigene Handlungen weder Rechte erwerben noch sich verpflichten. Das abgeschlossene Geschäft [Seite: 487] ist in jedem Falle absolut ungültig; eine Heilung durch nachträgliche Genehmigung ist unmöglich172.
Unmündige Minderjährige (7-14 Jahre) sind beschränkt geschäftsfähig. Sie können "ein bloß zu ihrem Vorteile gemachtes Versprechen annehmen" (ABGB § 865, vgl. § 244). Dabei kommt es nicht auf die wirtschaftliche Günstigkeit des Geschäftes an, sondern darauf, ob der Unmündige bloß ein Recht erwirbt oder sich auch verpflichtet173.
Wenn sich ein Unmündiger verpflichten will, bedarf er der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Wenn ein Unmündiger ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ein ihn verpflichtendes Geschäft abgeschlossen hat, so ist dieses schwebend unwirksam (sog. hinkendes Rechtsgeschäft, negotium claudicans): es kann durch die nachträgliche Genehmigung des gesetzlichen Vertreters gültig werden. Bis zur Entscheidung des gesetzlichen Vertreters ist der Geschäftspartner an seine Erklärung gebunden. Er kann verlangen, daß sich der gesetzliche Vertreter binnen einer angemessenen Frist äußert (ABGB § 865). Wird die Genehmigung verweigert, oder äußert sich der gesetzliche Vertreter binnen der Frist nicht, so gilt das Geschäft als von Anfang an ungültig174.
Von dieser Regel der beschränkten Geschäftsunfähigkeit Unmündiger bestehen einige Ausnahmen. Über das, was ein unmündiges minderjähriges, jedoch außer der Verpflegung der Eltern oder unter Vormundschaft stehendes Kind durch seinen Fleiß erwirbt, kann es frei verfügen (ABGB §§ 151, 246)175.
Durch die III. Teilnovelle (§§ 2 u. 3) aus dem Jahre 1916 (RGBl. Nr. 69/1916) wurde die Bestimmung eingeführt, daß Unmündige, die außer der Verpflegung der Eltern stehen, sich selbständig durch Vertrag zu Dienstleistungen verpflichten können (ABGB § 152 Satz 2 n.F.). Dies hatte schon vorher für unter Vormundschaft stehende gegolten (ABGB § 246)176.
Unmündige sind ferner gemäß ABGB § 1421 befähigt, eine schon bestehende Verbindlichkeit zu erfüllen und sich so von ihrer Schuld zu befreien.
Für mündige Minderjährige (14-21) gelten dieselben Grundsätze wie für Unmündige; in gewissen Fällen ist die Geschäftsfähigkeit erweitert. Über Sachen, die ihnen zum Gebrauch übergeben worden sind, können sie selbständig verfügen, ohne daß der gesetzliche Vertreter mitwirken müßte (ABGB §§ 151, 246). Unter "Gebrauch" ist der freie Gebrauch zu verstehen177.
Mündige Minderjährige sind testierfähig; wenn sie noch unter 18 Jahren sind, können sie nur mündlich vor Gericht (ABGB § 569) oder mündlich vor einem Notar (Notariatsordnung von 1871, § 70 testieren.
Die Altersstufe von 18 Jahren178 ist noch in anderer Hinsicht von Bedeutung179. Einem Minderjährigen, der das 18. Lebensjahr zurückgelegt hat, kann das Vormundschaftsgericht den reinen Überschuß seiner Einkünfte zur eigenen freien Verwaltung überlassen; über diesen seiner Verwaltung anvertrauten Betrag ist er berechtigt, eigenmächtig sich zu verbinden (ABGB § 247).
ABGB § 248: "Ein Minderjähriger, welcher sich nach zurückgelegtem achtzehnten Jahre bei einem Geschäfte für großjährig ausgibt, ist für allen Schaden verantwortlich, wenn der andere Teil vor Abschließung des Geschäftes nicht wohl erst Erkundigung über die Wahrheit des Vorgebens einholen konnte.[Seite: 489] Ein mündiger Minderjähriger ist auch in Hinsicht auf andere verbotene Handlungen und den durch sein Verschulden verursachten Schaden mit seinem ganzen Vermögen verantwortlich".
Diese Bestimmungen gelten auch für Minderjährige, die unter väterlicher Gewalt stehen (ABGB § 152).
Nach Vollendung des 18. Lebensjahres ist eine "Entlassung aus der väterlichen Gewalt" bzw. bei unter Vormundschaft Stehenden eine "Großjährigkeitserklärung" möglich (ABGB §§ 174, 252).
Wer minderjährig oder aus anderen Gründen in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf zur Eingebung einer Ehe der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (Ehegesetz § 3 Abs. 1)180. Der Mangel der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters stellt einen Aufhebungsgrund dar (Ehegesetz § 35). Wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung geschäftsunfähig war (ein Kind unter 7 Jahren), ist die Ehe nichtig (Ehegesetz § 22 Abs. I, § 102 Abs. I).
c) Verwaltung des Kindesvermögens181. Auf Grund seiner väterlichen Gewalt ist der Vater zur Verwaltung des Kindesvermögens berufen. Dem Vater steht grundsätzlich nur die Verwaltung, nicht der Fruchtgenuß des Kindesvermögens zu (ABGB § 149) (vgl. o. II e und III). Das Gericht kann dem Vater die Verwaltung wegen Unfähigkeit entziehen. Der Dritte, der dem Kind unter Lebenden oder letztwillig ein Vermögen zugewendet hat, kann den Vater von der Verwaltung ausschließen. In diesem Falle, wo die Verwaltung dem Vater nicht zusteht oder entzogen wurde, hat das Gericht einen Kurator mit der Verwaltung des Kindesvermögens zu betrauen (ABGB § 149).
Von den Einkünften des Vermögens sind zunächst die Erziehungskosten zu bestreiten. Ergibt sich ein Überschuß, so muß er angelegt und darüber jährlich Rechnung gelegt werden. Nur [Seite: 490] wenn dieser Überschuß gering ist, kann dem Vater die Rechnungslegung erlassen und ihm der Überschuß zur "freiwilligen Verwendung" überlassen werden (ABGB § 150). Darunter ist eine beliebige Verwendung zu verstehen182.
Der Dritte, der dem Kinde das Vermögen zuwendet, kann dem Vater die Fruchtnießung daran einräumen. Auch in diesem Falle haften die Einkünfte für den standesgemäßen Unterhalt des Kindes (ABGB § 150).
Der Vater ist grundsätzlich lediglich Verwalter des Kindesvermögens; er hat im wesentlichen die rechtliche Stellung eines Vormunds oder Kurators; dies entspricht durchaus der Rechtsentwicklung in Österreich. Der Vater ist an die für Vormünder und Kuratoren geltenden Vorschriften gebunden, insbesondere an die Bestimmung des § 233 ABGB, wonach "ein Vormund in allen Geschäften, welche nicht zu dem ordentlichen Wirtschaftsbetriebe gehören, und welche von größerer Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche Einwilligung vornehmen" kann183 Anzuwenden ist auch die Bestimmung des § 232 ABGB, wonach ein unbewegliches Gut nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil des Minderjährigen mit Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichtes veräußert werden kann. Die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Veräußerung unbeweglicher Sachen bedarf der Bestätigung durch den Gerichtshof I. Instanz (§ 109 Abs. 2 der Jurisdiktionsnorm von 1895).
Unter "freiem Vermögen" des Kindes versteht das österreichische Recht ein solches, das von der väterlichen Verwaltung frei ist. Darunter fällt nach ABGB § 151 das, was ein minderjähriges, jedoch außer der Verpflegung der Eltern stehendes [Seite: 491] Kind durch seinen Fleiß erwirbt, sowie Sachen, die einem Kinde nach erreichter Mündigkeit zum Gebrauche übergeben worden sind (vgl. o.). Darüber kann das Kind frei verfügen184.
Durch diese Novelle vom Jahre 1973, die mit 1. Juli 1973 in Kraft getreten ist, wurden die Bestimmungen des ABGB und des Ehegesetzes über die Geschäftsfähigkeit und die Ehemündigkeit in wichtigen Punkten abgeändert.
Das Volljährigkeitsalter wurde vom vollendeten 21. auf das vollendete 19. Lebensjahr herabgesetzt (ABGB § 21 in der neuen Fassung).
Ausnahmsweise können nun auch Geschäfte von Personen, die bisher völlig geschäftsunfähig waren, wirksam sein; es handelt sich um kleine Geschäfte des täglichen Lebens. ABGB § 151 Abs. 3 (i.d.n.F.): "Schließt ein minderjähriges eheliches Kind ein Rechtsgeschäft, das von Minderjährigen seines Alters üblicherweise geschlossen wird und eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft, so wird dieses Rechtsgeschäft, auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, mit [Seite: 492] der Erfüllung der das Kind betreffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam"186.
Die §§ 151 bis 153 (i.d.n.F.) ABGB gelten sinngemäß auch für die unter Vormundschaft stehenden unehelichen Minderjährigen (ABGB § 244 i.d.n.F.).
Die Ehemündigkeit (Ehegesetz § 1 i.d.n.F.) tritt nun bei Männern mit dem vollendeten 19., bei Frauen weiterhin mit dem vollendeten 16. Lebensjahr ein.
Der alte deutschrechtliche Grundsatz "Ehe macht mündig" wurde wieder aufgenommen. ABGB § 175 (i.d.n.F.): "Heiratet ein minderjähriges eheliches Kind, so wird es mit der Eheschließung, frühestens aber mit der Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs, volljährig und bleibt dies auch, wenn die Ehe in der Folge aufgelöst oder für nichtig erklärt wird.
Ein minderjähriges eheliches Kind, das vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs heiratet, steht bis dahin, solange die Ehe dauert, hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse einem Volljährigen gleich".
Die Randschrift zum § 172 ABGB spricht nun nicht mehr vom Erlöschen der väterlichen Gewalt, sondern vom "Erlöschen der elterlichen Rechte und Pflichten".
Durch eine weitere Novelle187 soll die Rechtsstellung der ehelichen Kinder in der Weise reformiert werden, daß an die Stelle der "väterlichen Gewalt" gleiche Rechte und Pflichten des Vaters und der Mutter treten.