Quelle: Festschrift für Hermann Hämmerle, hrsg. v. Horst Wünsch (Graz: Leykam, 1972) = Grazer rechts- und staatswissenschaftliche Studien ; 28. Seite 433 - 449.
Die Digitalisierung des Aufsatzes erfolgte aufgrund der freundlichen Erlaubnis von Herrn Professor Wesener. Eine typographische Änderung wurde insofern vorgenommen, als die in Kapitälchen gedruckten Autorennamen in normale Groß- und Kleinbuchstaben umgewandelt wurden.
Letzte Aktualisierung der Verlinkungen: 29. Juni 2016.
Dem verehrten Jubilar, der als Rechtsdogmatiker auch rechtsgeschichtlichen Fragen stets Interesse entgegengebracht hat1, möge ein kleiner Beitrag aus der österreichischen Privatrechtsgeschichte der Neuzeit gewidmet sein.
Otto Peterka2 hat den „Kauf in den niederösterreichischen Weistümern" untersucht. Im folgenden soll vor allem das Kaufrecht3 der höheren Stände dargestellt werden, wie es sich aus den Landesordnungsentwürfen, aus der Rechtsliteratur und gerichtlichen Entscheidungen ergibt.
Die Entwürfe einer Landesordnung für Osterreich unter der Enns aus dem 16. und 17. Jahrhundert sowie der Entwurf einer Landesordnung für Österreich ob der Enns von 16094 enthalten eingehende Vorschriften über den Kauf.
Zeiger in das Landrechtsbuch (Institutum Ferdinandi I.) von 1528 [= Zeiger]:
Entwurf Püdler von 1573 [ = Püdler] :
II. Buch, | 1. Tit. | Von kaufen und verkaufen. |
2. Tit. | Von vorbehalten widerkaufen. | |
3. Tit. | Von der gesipten freund vorkauf, so jus protomiseos genant wirdt. | |
4. Tit. | Von gewerschaft, schutz und schermb der gueter. | |
5. Tit. | Von furkauf. |
Entwurf Strein-Linsmayer von 1595 [ = Strein-L.] :
Kompilation der vier Doktoren von 1654 [ = Kompilation] :
Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns von 1609 [ = Oe. Ltf.] :
III. Teil, | 14. Tit. | Von kaufen und verkaufen, de emptione et venditione. |
16. Tit. | Von dem einstandrecht, jus retractus oder congrui seu protomiseos genant. | |
17. Tit. | Von andern befreiten einstand recht. | |
21. Tit. | Von gwerschaft und schadloßhaltung sive de evictione. |
Die Kompilation der vier Doktoren aus der Mitte des 17. Jahrhunderts weist bereits einen wesentlich stärkeren Einfluß des römisch-gemeinen Rechtes auf als die Redaktionen Püdler und Strein-Linsmayer5. Rechtsgeschichtlich höchst wertvoll sind die Anmerkungen zu den einzelnen Paragraphen der Kompilation der vier Doktoren6, welche die Quellen angeben, aus denen die Verfasser geschöpft haben. Angeführt werden für das römisch-gemeine Recht Institutionen, Digesten und Codex, mittelalterliche Juristen, wie Bartolus de Saxoferrato, Alexander Tartagnus (Imolensis), Jason de Mayno, ferner Cuiacius, M. Wesenbeck7, M. Berlichius8, der Institutionenkommentar [Digitalisat BSB 1573]von J. Schneideweins9, Bernhard Walthers Traktate, Suttingers Observationes practicae (siehe unter Anm. 12), die Polizeiordnung Ferdinands I. für die fünf niederösterreichischen Länder von 1552, die Nürnberger Reformation von 1564, das Bayerische Landrecht von 161610, das (Neue) Motivenbuch der niederösterreichischen Regierung, die Landtafel für Österreich ob der Enns von 1609 und die „practica quotidiana in hac provincia" (Anm. I zu Kompilation 11 10 § 9).
Ausführungen über den Kauf finden sich in den juristischen Werken11 von J. B. Suttinger12, J. H. Reutter13, J. Weingärtler14, N. von Beckmann15, B. Finsterwalder16 und J. G. Kees17.
Nach älterem deutschen Recht war der Kauf Barkauf. Im Mittelalter ist der Kaufvertrag Real- oder Arrhalvertrag und begegnet in den Formen des [Seite: 436] Abschlusses durch Gottespfennig oder Weinkauf19. Es kommt zur Hingabe eines Angeldes (Gottespfennig) oder zum gemeinschaftlichen Trinken zur Bekräftigung des Abschlusses (Weinkauf, Leikauf, Leitkauf20.
Wiener Stadtrechtsbuch21 Art. 61: Chauft ein man ein chaufmanschaft, welcherlai es ist, und geit einen gotzphenning daran, er mues denselben chauf stet haben, und mag sein nicht widerchomen, er nem daran schaden oder früm ...
Steiermärkisches Landrecht22 Art. 177: Von chauffen oder hingeben. Wann man chawft oder hin geit, wann man leytchawf trinkcht oder gotsphenig geit, so ist der chawf stêt23.
Wie die Landrechte der Rezeptionszeit zeigen, war das Trinken des Weinkaufs auch nach der Rezeption noch üblich; es war jedoch im Gegensatz zum mittelalterlichen Recht im allgemeinen nicht mehr notwendig und wirkte nicht mehr schuld- und haftungsbegründend24.
Im 16. und 17. Jahrhundert ist in Österreich der Kauf dem römisch-gemeinen Recht entsprechend bereits ein Konsensualvertrag25, perfekt mit der Einigung der Vertragsparteien über Ware und Preis, soferne nicht ausdrücklich Schriftform vereinbart ist (Zeiger III 7 § 14; Püdler II 1 § 31; Strein-L. II 1 § 23; Kompilation 11 10 §§ 16 und 18; Oe. Ltf. III 14 §§ 1 und 12)26.
Beim Kauf von Liegenschaften27 wird in der Regel vereinbart, daß ein "landsbreuchiger kaufbrief" aufgerichtet und gefertigt28 werden solle. Ein solcher Kaufbrief enthält die Kaufabrede mit der Scherm- und Landschadenbund-Verbindung29 und wird neben dem Verkäufer von zwei Zeugen unterschrieben [Seite: 437] (Strein-L. II 1 § 24, vgl. § 25; anders Kompilation II 10 § 17). Aussteller ist regelmäßig der Verkäufer.
Viele deutsche Landrechte der Rezeptionszeit fordern im Liegenschaftsrecht entweder für den Kaufvertrag oder für das Erfüllungsgeschäft den Bucheintrag. Mit Beibehaltung der Gerichtsbücher führen sie das System der gerichtlichen Beurkundung fort, das sich im späten Mittelalter entwickelt hatte. Das Beurkundungssystem verlor aber im Laufe des 16. Jahrhunderts unter dem Einfluß des gemeinen Rechts stark an Bedeutung. In Bayern, Jülich-Berg, Nassau und wahrscheinlich auch in Solms war die außergerichtliche Grundstücksübereignung wahlweise neben der gerichtlichen zulässig. In Württemberg gab man das System des notwendigen Bucheintrags 1584 auf30.
In Wien wurden die gefertigten Kaufbriefe auszugsweise in die Kaufbücher (1368-1437), später in die Gewährbücher als Belege über die Amtstätigkeit des Rates eingetragen31. Solange der Kaufbrief nicht gefertigt war, wurde dem Käufer der Eintritt in das Kaufbuch verwehrt32.
In den altösterreichischen Ländern finden sich Landtafeln erst im 18. Jahrhundert33, wohl aber finden sich seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts grundherrliche Grundbücher34. Diese Grundbücher haben ähnlich wie die Urbarien den Zweck, den Besitzstand der Grundherrschaft schriftlich festzuhalten35. Die Aufgabe und Übernahme der Gewere, die "Auf- und Abfahrt", wie es in den niederösterreichischen Weistümern heißt, mußte beim "Grundbuch" [Seite: 438] geschehen36. Es erfolgte hier die Eintragung, daß der Erwerber zu "Nutz und Gewer"37 komme. Die Erzwingung der Einhaltung dieser Vorschrift erfolgte in den meisten Fällen durch Androhung von Geldstrafen.
Für den Rechtsübergang war allerdings im 15. und 16. Jahrhundert noch nicht der Grundbucheintrag maßgebend; dieser hatte nur die Bedeutung einer Registrierung amtlicher Tätigkeit (Fertigung, Gebühreneinziehung) und einer Legitimierung für spätere Verfügungen38.
Der Eintragungsgrundsatz ist für den Fall der Übereignung in der Stadtordnung Ferdinands I. für Wien von 152639 ausdrücklich abgelehnt. Wenn jemand ein Gut zweimal verkauft und dem einen Käufer einen Kaufbrief gibt und diesem das Gut einantwortet, den anderen im Grundbuch an die Gewähr bringt, so bleibt das Gut dem Besitzer, dem es eingeantwortet wurde; der bücherliche Erwerber ist auf Schadenersatz angewiesen. Daraus ergibt sich, daß der Eintragung keine dingliche Wirkung zukam40.
Auch beim hofrechtlichen Grundkauf war wohl für den Rechtsübergang maßgebend die Einweisung des Käufers in die Nutzung (nutz) und das Versprechen des Schutzes (gwer) durch den Grundherrn, dem der Verkäufer den Grund aufgelassen hatte41.
Der Käufer einer städtischen Liegenschaft erlangte das Eigentum wahrscheinlich mit der Aushändigung des gefertigten Kaufbriefs durch die Stadt oder den Verkäufer42.
Nach Zeiger III 7 § 16 erfolgte der Eigentumsübergang mit der Einantwortung43 des Gutes: "Ainer so ain guet verkauft, alle dieweil er dasselb guet dem kaufer nicht einantwort, beleibt der verkaufer ain herr desselben guets; darumb, so er solch guet nachmals ainem anderen verkauft und einantwort, so wierdet die aigens herrlichait demselben andern kaufer rechtlich zuegestellt; aber darumb, das der verkaufer dem ersten kaufer den glauben des kaufs nicht gehalten, ist er im das beiwesen und was er des schaden hat schuldig abzutragen."
Einantwortung wird im Sinne von Einweisung, Tradition, Verschaffung des Besitzes verwendet:
Püdler II 1 § 50: "nach beschehener einantwortung und tradition"; vgl. Püdler II 1 § 33: "wann der verkaufer dem kaufer daß verkauft guet volkommentlich eingeraumbt und tradiert hatt."
Kompilation II 10 § 28: "... Das verkaufte guet aber soll demjenigen verbleiben, deme es erstlich verkauft; oder wan dem lestern kaufer die würkliche einantwortung schon beschehen, demselben, so es berait besizt oder innen hat, verbleiben, welchem die würkliche einantwortung am ersten beschehen; der ander mag den verkaufer umb allen nachtl und schaden, so ihme auß der nithaltung entstehet, mit rechtlicher klag fürnehmen; ..."44.
Die Einantwortung verschafft dem Erwerber Besitz und Nutzung der Liegenschaft45.
Suttinger, Consuetudines Austriacae2, S. 136: "Dominii Traditio. Die Dominii Traditio beschickt dem Land- und Stadt-Brauch nach durch Einhändigung der Aufsandtung, Kauf-Brief, Gewehr-Fertigung und dergleichen. Motiv, ..., in dem
dritten Motiven-Buch p. 9346."
J. H. Reutter, Viginti quinque tabulae iuridicae (o. Anm. 13), Ad Tab. IV, n. 43 u. 44: "Acquiritur Dominium per fictam, seu quasi Traditionem. In Oesterreich pflegt man demjenigen, an den etwas veralienirt wird, einen Kauff-Brieff, und Aufsandung zuzustellen, wormit er bey dem Grund-Buch sein Dominium gnugsam zeigen kan, also daß er ohne weitere tradition und Prob, an statt des vorigen Inhabers, von welchem die Aufsandung i. e. notificatio factae alienationis, ausgehet, gleich an Nutz und Gewehr geschrieben wird. Worvon unten ad Tab. 19. mit mehrerm soll geredt werden."
Die Landesordnungsentwürfe sehen bei Veräußerungen keine obligatorische Mitwirkung von Behörden vor. Auf Verlangen der Parteien wurden in Österreich unter der Enns Verträge in das "Land-Gedenck-Buch" beim Landmarschallischen Gericht eingetragen: "Es wird bey dem Löbl. Landmarschl. Gericht ein grosses saubers Buch gehalten, welches man das Land-Gedenck-Buch nennet, in dasselbe werden auf der Partheyen Begehren die Schuld-Obligationen, Contract, Verträg, Abtheilungs und andere Instrumenta, wie auch die Protestationen eingetragen, von dem Landschreiber collationiert, und sowol im Land-Gedenck-Buch, als auch auf das Instrument, so man wieder zuruck gibt, mit seiner Hand geschrieben, daß es prothocollirt sey" (Suttinger, obs. 140 n. 1). Die Eintragung in dieses Buch macht aus einer Privaturkunde ein instrumentum publicum (Suttinger, obs. 140 n. 4). Die Eintragung dient Beweiszwecken und hat bloß deklarative Bedeutung (Suttinger, obs. 140 n. 2)47.
Die österreichischen Landesordnungsentwürfe (Zeiger III 7 §§ 1-3; Püdler II 1 §§ 1-30; Strein-L. II 1 §§ 2-20; Kompilation II 10 §§ 2-13; Oe. Ltf. III 14 §§ 2-11) enthalten eine Reihe von Veräußerungsverboten und Kauf- und Verkaufsbeschränkungen, die zum Teil aus dem gemeinen Recht übernommen sind, zum Teil altes heimisches Rechtsgut darstellen.
Dem römisch-gemeinen Recht49 entspricht das Veräußerungsverbot für Liegenschaften, die zum Heiratsgut (dos) gehören; diese kann der Ehemann auch nicht mit Zustimmung seiner Frau veräußern (Püdler II 1 § 3); in Notfällen soll eine Veräußerung mit Zustimmung der Verwandten der Frau zulässig sein (so Strein-L. II 1 § 9). Kompilation II 10 § 8 verlangt die Einwilligung der Obrigkeit (vgl. Oe. Ltf. III 14 § 5; 39).
Aus dem gemeinen Recht stammt das Veräußerungsverbot für streitbefangene Güter (res litigiosae) (Zeiger III 7 § 3; Püdler II 1 § 26; Strein-L. II 1 § 19; Oe. Ltf. III 14 § 7; anders Kompilation II 10 § 13). Veräußerungsbeschränkungen gelten für Liegenschaften und für wertvolle Fahrnis von Pupillen und Minderjährigen. Das österreichische Landesrecht unterscheidet nicht zwischen diesen beiden Altersgruppen; es kennt nur eine einheitliche Altersvormundschaft, die bis zur Erlangung der Vogtbarkeit (mit 18, später mit 20 bzw. 22 Jahren) dauert50. Die Polizeiordnung Ferdinands I. für die fünf niederösterreichischen Länder von 155251 sieht vor, daß liegende Güter des Mündelvermögens nur aus "genuegsamen ursachen, und mit vorwissen statlicher erwegung und erkantnuß des Gerichts, und Raithandler verwendt" werden dürfen. Püdler II 1 § 10 erklärt, daß solche Liegenschaften nur auf Grund eines gerichtlichen Willbriefs verkauft werden dürfen; Strein-L. II 1 §§ 4, 5 sieht dies auch für wertvolle Fahrnis vor52 (vgl. Kompilation II 10 § 4; Oe. Ltf. III 14 § 4).
Ein Selbstkontrahieren des Vormunds ist nur unter besonderen Kautelen zulässig; insbesondere muß ein Mitgerhab (Mitvormund) vorhanden sein, der zum Kauf von Mündelvermögen durch den Vormund seine Zustimmung erteilt (Püdler II 1 §§ 4-9; Strein-L. II 1 § 6; Kompilation II 10 § 5); dies entspricht dem Römischen Recht53. Die nächsten erbberechtigten Verwandten haben ein Einstandsrecht.
Amortisationsgesetze bestanden in Österreich schon seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts54. Liegenschaften dürfen vom Klerus nur mit Konsens des Landesfürsten verkauft und gekauft werden (Püdler III § 14; II 2 § 15; Strein-L. II 1 § 11; Oe. Ltf. III 14 § 3)55.
Kaufbeschränkungen galten ferner für Ausländer fremder Nation. Liegenschaften eines Land- oder Edelmanns durften von Ausländern nur mit Konsens der Landschaft erworben werden (Püdler II 1 § 30; Strein-L. II 1 § 15). Nach einem Generale vom 4. November 1559 (Codex Austriacus I S. 736 f.) bedürfen Grundstücksverträge mit Ausländern der Bewilligung der niederösterreichischen Regierung; ansonsten ist der Vertrag ungültig.
Eingehende Bestimmungen über Verbot des Fürkaufs (Vor- und Aufkauf)56 finden sich in der Polizeiordnung für die fünf niederösterreichischen Länder von 155257. Aufkauf- und Ausfuhrverbote für Gold, Silber, Pergament u. a. finden sich bei Püdler II 1 § 29 (vgl. Strein-L. II 1 § 17; Oe. Ltf. III 14 § 11)58.
Püdler II 1 § 17 lehnt zwar ein Vorkaufsrecht der Nachbarn, wie es die geschriebenen Rechte vorsehen60, mit der Begründung ab, daß "dem landsbrauch nach ein ieder mit seinem guet frei ist"; doch hat in Österreich ein Vorkaufs- und Einstandsrecht der Nachbarn bestanden61.
Suttinger, Consuetudines Austriacae2, S. 161 ff.: "Nachbarn-Einstand. Einstand gebührt den angräntzenden Nachbarn, wenn der anreinende Theil seinen Weingarten, Fisch-Wasser und dergleichen verkaufft, dem Landsbrauch nach, doch gegen paare Erlegung der Kauff-Summa."
In den Weistümern findet sich fast allgemein die Norm, daß beim Verkauf der Liegenschaft das Gut zunächst der Grundherrschaft angeboten, "angefailt", werde62.
Suttinger, Consuetudines Austriacae2, S. 160 f.: "Einstand der Grund-Herrn. Der Grund-Herr hat den Rechten und Landsbrauch nach vor einen jedwedern bey seinen dienstbarn Grund den Einstand."
Ein Vorkaufsrecht des Grundherrn nach Landesbrauch verneint Walther, Trakt. I 2363; der Landsbrauch scheint nicht feststehend gewesen zu sein.
Ferner bestand in Österreich unter der Enns ein Einstandsrecht der Landleute des Herrn- und Ritterstandes gegenüber Nicht-Landleuten sowie ein solches der Bürger gegenüber Nicht-Bürgern im Hinblick auf Liegenschaften (Strein-L. II 3 Von dem sonderbaren befreiten Einstand im Land; Kompilation II 12; Oe. Ltfl. III 17; Suttinger, Consuetudines Austriacae2 S. 156 ff. "Landmanns-Einstand")64
Von größter Bedeutung war schließlich die Erblosung, das Vorkaufs- und Einstandsrecht der nächsten gesetzlichen Erben, der "gesippten Freunde" (Walther Trakt. III: "De iure protomiseos. Von der gesipten Freundt Vorkauf in ligenden Güettern, auch wie ein gesipter Freundt in einem Kauf steen müge"; Püdler II 3; Strein-L. II 2; Kompilation II 11; Oe.Ltf. III 16)65
Durch den Verkauf einer "Grundobrigkeit" wurden die Rechte der Zinsleute an ihren Erbgütern nicht beeinträchtigt (Walther Trakt. I 21)66
In des Landesordnungsentwürfen findet sich das Institut der laesio enormis (Püdler II 1 §§ 53, 54; Kompilation II 10 § 24; Oe. Ltf. III 14 § 23) zugunsten beider Teile. Oe. Ltf. III 14 § 23 verweist auf die "algemainen beschriben rechte".
Ziel des Kaufs ist die Eigentumsverschaffung, auch wenn keine Rechtsverschaffungspflicht des Verkäufers normiert ist. Die deutschen Landesrechte der Rezeptionszeit verpflichten den Verkäufer nur, die zur Übereignung notwendigen Handlungen vorzunehmen69
Nach Püdler II 1 § 39 ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer "ein freies ledigs gueth einzuantworten" (vgl. Strein-L. II 1 § 32). Er ist ferner verpflichtet, dem Käufer die Kaufbriefe, Urbare, Grundbücher und anderen Urkunden der Kaufabrede gemäß zu übergeben (Püdler II 1 § 34). Solange dies nicht geschehen ist, kann der Käufer den Kaufpreis zurückhalten70.
Nach justinianisch-gemeinem Recht71 ist der Eigentumsübergang abhängig von der Zahlung, Sicherstellung bzw. Kreditierung des Kaufpreises. In den Landesordnungsentwürfen ist eine entsprechende Bestimmung nicht zu finden, doch wird in der Praxis "fides de precio" verlangt. Suttinger, Consuetudines Austriacae2 S. 371: "Kauff betreffend .... Obwohlen nun die Rechten wollen, daß bey allen vollkommenen Käufen und Contracten, neben andern Requisiten, auch ein gewisses precium seyn muß, so ist doch nicht vonnöthen, daß solches Precium, zugleich in continenti mit ausgezehlt werde, sondern es ist genug, quod venditor habuerit fidem de precio. Motiv .... Den 25. Febr. An. 161572."
Die Landesordnungsentwürfe behandeln in eigenen Titeln die Rechtsmängelhaftung, die Gewährleistungspflicht des Verkäufers (Zeiger III 8 "Von gweerschaft"; Püdler II 4 "Von gewerschaft, schutz und schermb der gueter"; Strein-L. II 4 "Von gwörschaft und schermung der güeter"; Kompilation II 19 "Von gwöhrschaft und schermung der güeter"; Oe. Ltf. III 21 "Von gwerschaft und schadloßhaltung sive de evictione").
Die Landesordnungsentwürfe kennen keinen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten74.
Püdler II 1 § 23: "Welcher ein frembdes guet kauft, der ist dasselb dem rechten aigenthumber auf sein begehren abzutretten schuldig, doch steht ihme der regres gegen seinem verkaufer bevor" (vgl. § 22).
Der Kauf von geraubten, gestohlenen, veruntreuten und anderen fremden Sachen wird als nichtig bezeichnet (Püdler II 1 §§ 21, 22; Strein-L. II 1 § 16, vgl. § 31; Kompilation II 10 § 1175; Oe. Ltf. III 14 § 10). Die Unwirksamkeit des Vertrages bei fehlendem Eigentum des Verkäufers und Schlechtgläubigkeit des Käufers geht wohl auf die kanonistische Lehre zurück76. Wer wissentlich fremdes Gut kauft oder verkauft, macht sich strafbar (Zeiger III 7 § 2, vgl. § 6).
Die Eviktionshaftung war somit auf jene Fälle beschränkt, wo der Käufer in gutem Glauben eine fremde Sache gekauft hatte77. Wie den deutschen Landrechten78 liegt wohl auch den österreichischen Landesordnungsentwürfen das Eviktionsprinzip zugrunde. Püdler II 1 § 24 enthält auch die Ausnahme des römischen Rechts79, wonach ein gutgläubiger Käufer gegen den Verkäufer, der ihm wissentlich ein fremdes Gut verkauft hat, schon vor erfolgter Eviktion vorgehen kann: "ehe und zuvor er mit rechten darumben fürgenomben würdt".
Schon die mittelalterliche Doktrin hatte aus der römisch-rechtlichen Haftung des Verkäufers für das habere licere (Eviktionsprinzip) unter dem Einfluß der germanischen Rechtsanschauungen vom Zug auf den Gewähren eine prozessuale Defensionspflicht des Verkäufers und eine Klage auf Defension entwickelt80; der deutschrechtliche Gedanke der Schermungspflicht lebte in dieser Gestalt weiter.
Die Gewährleistungspflicht des Verkäufers wegen Rechtsmängel nach dem österreichischen Recht des 16. und 17. Jahrhunderts hat eine grundlegende Darstellung durch Ernst Rabel81 gefunden82.
Nach den bayerischen und österreichischen Rechtsquellen des Mittelalters bestand Schirmungspflicht von Rechts wegen, ohne daß es einer besonderen Abrede (Schirm-Verschreibung) bedurfte (Bayerisches Landrechtsbuch von 1346, Art. 192; Wiener Stadtrechtsbuch Art. 74, 77, 83. Diese Gewährleistungspflicht entspricht dem älteren deutschen Recht wie dem gemeinen Recht84.
Diese ipso iure-Haftung des Verkäufers findet sich auch in den Landesordnungsentwürfen des 16. Jahrhunderts für Österreich unter der Enns (Zeiger III 8 § 8; Püdler II 4 § 1; Strein-L. II 4 § 1) und in der Oe. Landtafel III 21 § 1: "Ein ieder kauf tregt die gewehrschaft und schermung auf dem rucken85." Die Kompilation der vier Doktoren hält in II 19 § 1 zwar an der Gewährleistungspflicht von Rechts wegen fest, kehrt aber in I 16 § 4 diesen Satz in sein Gegenteil um: "Doch seint etliche fäll, in welchen der namhaft gemachte scherm zu schermen nicht schuldig ist. Nämlich 1. Wann Er sich hierzu nicht austrucklich verschrieben (Es wär dann ein Erbschafftssache ...)86."
In der Praxis kam es häufig vor, daß der Käufer auf die Schermung durch den Verkäufer verzichtete, um sein eigener Gewere zu sein: "Er nahm die Schermung auf sich." Der Verkäufer hatte ihm in diesem Falle alle Urkunden und sonstigen Mittel, die zu seiner Defension dienten, zu übergeben (Püdler II 4 § 10; Strein-L. II 4 §§ 1 und 3; Kompilation 11 19 § 2; Oe. Ltf. III 21 § 6)87. Die Schermungspflicht bestand, sofern der Käufer nicht ausdrücklich darauf verzichtet hatte.
Aus der Übung des Verzichts auf die Schermung entstand gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Auffassung, daß eine Schermungspflicht bei unbeweglichen Gütern überhaupt nur bei ausdrücklicher Schermverschreibung bestehe88. Rabel (a. a. O., S. 208) sieht die "allgemeine Gebräuchlichkeit der Verschreibung bei Immobilien" als wahren Grund für diesen Rechtswandel an.
Dieser neue Rechtssatz findet sich erstmals ausgesprochen bei J. B. Schwartzenthaler89, der sich auf eine Entscheidung der niederösterreichischen Regierung aus dem Jahre 1588 beruft. In der Folge wird dieser Standpunkt von Suttinger90 vertreten: Wer sich beim Kauf nicht die Schermung ausbedungen hat, "der hat derselben gleichsam tacite renuncirt" (obs. 33 n. 1). Suttinger (Consuetudines Austriacae2 S. 760) gewährt aber unter Berufung auf die natürliche Billigkeit dem Käufer auf jeden Fall den Anspruch auf Rückgabe des Kaufpreises im Falle der Eviktion; er macht nur den Ersatz eines weitergehenden Interesses von einer Schirm-Verschreibung abhängig91. Zu ersetzen ist nach Landsbrauch der einfache Wert (Zeiger III 8 § 15; Püdler II 4 § 38). [Seite: 447]
In der Steiermark hingegen erhielt sich die Gewährleistungspflicht des Verkäufers ohne ausdrückliche Schirm-Verschreibung92.
Als Schermverschreibung genügte die gewöhnliche, aus dem Mittelalter übernommene Gewährklausel der Kaufbriefe; seit dem 14. Jahrhundert sind auch separate Gewährbriefe nachweisbar93.
Die Sachmängelhaftung ist in den österreichischen Landesordnungsentwürfen wie in den meisten Stadt- und Landrechten der Zeit nur sehr kursorisch behandelt. Sie hatte in der Rezeptionszeit wohl keine große praktische Bedeutung, weil der Warenverkehr, vor allem in den Städten, polizeilich streng kontrolliert wurde95. Das deutsche Recht war bei der Haftung für Mängel der Kaufsache milder als das römische. Nach Annahme der Sache auftretende Mängel konnte der Käufer nur geltend machen, wenn der Verkäufer die Mängel arglistig verschwiegen hatte, oder wenn es sich um besonders schwere, typische Mängel handelte oder um Mängel, die eine ausdrücklich zugesagte Eigenschaft betrafen. In diesen Fällen konnte der Käufer den Kauf innerhalb einer bestimmten kurzen Frist wandeln, d. h. rückgängig machen96.
Nach Püdler II 1 § 48 besteht eine Haftung für Mängel, die der Verkäufer "verhehlt", d. h. arglistig verschweigt; in diesem Falle kann der Käufer, wenn er bei Kenntnis des Mangels den Kauf nicht abgeschlossen hätte, von dem Kauf abstehen, wandeln. Ist der Mangel hingegen nicht so schwerwiegend, so kann er Preisminderung mittels der actio quanto minoris geltend machen.
Strein-L. II 1 § 31 und Kompilation II 10 § 23 sehen die Pflicht des Verkäufers vor, dem Käufer "anfangs beschaffenheit des guets, so im verkauf steht, und was für pürden darauf sein, recht und redlich anzuzaigen und darunder gefehrlicher weiß nichts verhalten noch ungleich fürgeben". Stellen sich Mängel [Seite: 448] heraus, bei deren Kenntnis der Käufer den Kauf gar nicht abgeschlossen hätte und bestätigt er dies mit seinem Eid, so soll der Kauf nichtig sein. Ist der Mangel hingegen nicht so schwerwiegend, daß er den Käufer vom Kauf abgehalten hätte, so kann dieser nur Preisminderung geltend machen (vgl. Oe. Ltf. III 14 §§ 24, 26, 27)97.
Während nach römischem Recht der Käufer grundsätzlich ein freies Wahlrecht zwischen Wandlung und Preisminderung hat, herrschte im Usus modernus unter deutschrechtlichem Einfluß die Auffassung, daß die Wandlungsklage (actio redhibitoria) nur gewährt werde, wenn der Fehler derart sei, daß er den Gebrauch der Sache ausschließe98. Das Wandlungsrecht wurde in Anlehnung an die deutschrechtliche Hauptmängeltheorie nur bei besonders gravierenden Mängeln zugelassen. Diese Auffassung findet sich in etwas modifizierter Form auch in den österreichischen Landesordnungsentwürfen99.
Nach deutschem Recht ging die Gefahrtragung für den zufälligen Untergang bzw. die zufällige Beschädigung der verkauften Sache ebenso wie der Nutzen mit der Übertragung der Gewere auf den Käufer über (vgl. etwa Wiener Stadtrechtsbuch Art. 62 und 63)101. Nach römischem Recht ging beim Spezieskauf die Gefahr über mit der Perfektion des Kaufvertrages, d. h. grundsätzlich mit Vertragsabschluß102.
Nach Entwurf Püdler II 1 § 50 gilt noch die deutschrechtliche Regelung: Die Gefahr geht über mit "Einantwortung und Tradition" (dazu s. o. II); ferner geht sie über bei Annahmeverzug des Käufers (Püdler II 1 § 51). Die Nutzungen hingegen stehen dem Käufer schon ab Vertragsabschluß zu (Püdler II 1 § 36). Die Kompilation der vier Doktoren (II 10 § 33) übernimmt die römischrechtlichen [Seite: 449] Sätze und läßt die Gefahr mit Perfektion des Kaufvertrages übergehen (Inst. 3, 23, 3; Cod. Iust. 4, 48, 1). Auch die Oe. Landtafel III 14 § 33 folgt den "algemainen rechten und billichkait" und läßt die Gefahr mit Vertragsabschluß übergehen, sofern nichts anderes vereinbart ist; der Verkäufer haftet jedenfalls bis zur Übergabe für "müglichen vleiß zu erhaltung des verkauften guets und abwendung schadens und verderbens"103
Hinsichtlich der Früchte ist in erster Linie maßgebend die Vereinbarung der Parteien. Wenn eine solche nicht vorliegt, so gehören die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits geernteten Früchte dem Verkäufer, "die stehenden und ungefexten frucht aber, weil sie pars fundi sein, volgen dem kaufer billich" (Püdler II 1 § 42; vgl. § 36; ebenso Strein-L. II 1 § 33; Kompilation II 10 § 26).
Die Landesordnungsentwürfe erwähnen als Nebenabreden insbesondere die Bessergebotsklausel (addictio in diem)105 (Strein-L. II 1 § 33; Kompilation 11 10 § 30; Oe. Ltf. III 14 § 30) und den Verkauf mit Vorbehalt des Wiederkaufes, der Wiederlösung (pactum de retrovendendo)106 (Zeiger III 7 § 23; Püdler II 2 "Von vorbehalten widerkaufen"; Strein-L. II 1 § 39; Kompilation II 10 § 31; Oe. Ltf. III 14 § 31)107.