[Quelle: Festschrift zur Feier des 60. Geb. von Oskar Engländer (Brünn—Leipzig—Wien, 1936) 157-194]
Der Kaufvertrag ist Gegenstand verhältnismäßig häufiger Regelungen in den Weistümern. Dem Charakter dieser Rechtsquelle entsprechend wollen die Bestimmungen jedoch weit überwiegend nicht die privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Käufer und dem Verkäufer festlegen. Ihr Zweck ist es, vor allem eine gerechte Abwicklung der Kaufgeschäfte zu sichern. Redlichkeit des Kaufes und eine den Anordnungen entsprechend scheinende Interessenwahrung über die individuellen Parteiwünsche hinaus und diese oft einengend sollen im Wege der Vorschriften gesichert werden. Die Verletzung der tragenden öffentlich-rechtlichen Zwecke wird mit Strafen belegt, dagegen werden die Rückwirkungen des verpönten Handelns auf das Verhältnis der vertragschließenden Parteien selbst erst in zweiter Linie oder nicht in Betracht gezogen. So verschiebt sich das Gebiet der kaufrechtlichen Regelungen und damit die Betrachtung des Kaufvertrags selbst wesentlich zugunsten des öffentlichen Rechts, zuungunsten einer privatrechtlichen Austragung der Ansprüche der Vertragsparteien untereinander. Da jedoch die kaufrechtlichen Regelungen der Weistümer den Bestand eines gültigen Kaufvertrags voraussetzen und die Erfordernisse hiefür den Normen zugrunde gelegt werden und die Rechtsfolgen der Normen oft in das Privatrecht eingreifen, lassen sich bei aller öffentlichrechtlichen Einstellung der Weistümer zum Kaufe privatrechtliche Grundlagen des Kaufgeschäftes aus ihren Bestimmungen miterschließen.
Es können folgende Gruppen der kaufrechtlichen Normen der Weistümer auseinandergehalten werden: die formalen Grundlagen für die Gültigkeit und die Dauer des Kaufvertrags, die Sicherungen der Redlichkeit beim Kaufhandel, sodann die [Seite: 158] Normen, welche die Bindung der Parteien durch die Wahrung besonderen Interessenschutzes (Näherrechte) betreffen und im Zusammenhang damit die Verbote eines diesen Interessen zuwiderlaufenden Handelns (Fürkauf- und Aufkaufverbote). Nach diesen Gesichtspunkten sollen in der folgenden Abhandlung die in Betracht kommenden Weistümerstellen vor Augen geführt werden.
Um ein möglichst geschlossenes Bild zu gewinnen, stelle ich die Untersuchung auf die Niederösterreichischen Weistümer ab, zumal diese Weistümer schon nach der Erkenntnis Jacob Grimms an Reichhaltigkeit des Inhalts in erster Reihe stehen und in einer vollständigen Sammlung vorliegen. Hiebei fasse ich den Begriff eines Weistums so, wie ihn die Weistümerforschung in näherer Abgrenzung zugrunde zu legen pflegt: Regelungen des bäuerlichen Lebenskreises in den Formen wiederkehrender Kündung des Rechts. — Die Hinweise auf bestimmte Texte erfolgen nach den vier Teilen (I—IV) der von Gustav Winter herausgegebenen Niederösterreichischen Weistümer, welche dem VII., VIII., IX. und XI. Bande der von der WienerAkademie der Wissenschaften gesammelten Österreichischen Weistümer entsprechen. Die der römischen Zahl beigefügten Ziffern beziehen sich auf die Seiten des betreffenden Bandes.
Die Veröffentlichung der Untersuchung in dieser Festschrift für meinen Altersgenossen und Kameraden schon seit der Gymnasialzeit möchte ich damit besonders begründen, daß durch die Geschichte des Kaufrechts das Wirtschaftsleben mit beleuchtet wird und Oskar Engländer selbst über alle theoretische Wirtschaftswissenschaft hinaus stets regstes Interesse für rechtsgeschichtliche Themen an den Tag legt.
Die Weistümerstellen, die sich mit dem Kaufvertrage beschäftigen, bringen nirgends eine die Form des Kaufvertrages [Seite: 159] unmittelbar betreffende Regelung. Hierauf bezügliche Vorschriften sind nur mittelbar aus Normen zu erschließen, welche die Einhaltung des anläßlich des Abschlusses von Kaufverträgen geforderten Verhaltens betreffen. Es sind dies hauptsächlich jene Vorschriften, welche die Stetigkeit des abgeschlossenen Kaufgeschäftes sichern wollen, oder welche die Nichtbeachtung der vom Grundherrn gegebenen Anordnungen mit Straffolgen bedrohen. Hieher gehört zunächst die Erwähnung des Leitkaufs, des den Kaufabschluß begleitenden Weintrinkens. Die Weistümer begnügen sich damit, zum Zeichen eines redlich und offen abgeschlossenen Kaufs auf das Leitkauf-Trinken hinzuweisen (vgl. z. B. I, 410). Es ist sonach lediglich eine zum Rechtsbrauch gewordene Sitte, welche hier bezeugt wird159.1. Insbesondere fehlt irgendein Anhalt dafür, in diesem Weintrinken eine Entwicklungsform der arrha zu sehen — dies um so weniger, als die Weistümer das Angeld selbständig berücksichtigen. Der Brauch erhielt sich dauernd; auch späte Weistümer rechnen noch mit ihm, wie dies ein Banntaiding aus dem 18. Jahrhundert zeigt, mit der beigefügten Anforderung, daß der Leitkauf nur im Leutgebhaus — wohl zur Vermeidung nicht offenkundiger Käufe — vor sich gehen solle. Neben dem Leitkaufe und manchmal auch selbständig wird der Hingabe eines Pfennigs Erwähnung getan. Kennzeichnend in dieser Hinsicht ist etwa die Fassung eines Banntaidings aus dem Ende des 16. Jahrhunderts (IV, 305), wenn es besagt: „all rödlich Kauf darumbt lei kauf wierdt getrunken und pfenning daran wirdt geben, die sollen für sich geehn", oder die Erwähnung des Pfenniggebens allein wie etwa in einem Banntaiding aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts (II, 691) : „All keuf die in der [Seite: 160] herrschaft geschehen, die sollen auch städt sein daran ein pfenning geben wirdt." In zwei dem 15. Jahrhundert angehörenden Banntaidingen (III, 589 und III, 611) wählen die Weistümer die Fassung, daß der Kauf mit einem Pfennig „bestät" werde. Es ließe sich dies, wie es das den Niederösterreichischen Weistümern angeschlossene Glossar (IV, 619 sub verbo: bestäten) tut, als eine Bezeugung des Kaufabschlusses deuten; meines Erachtens zielt jedoch das Wort „bestäten" auf die Sicherung des Bestandes des Vertrages in dem Sinne ab, daß ein einseitiger Widerruf denselben nicht mehr möglich sein soll. Diese Auffassung wird durch den Umstand erhärtet, daß die Weistümertexte gerade bei den Verboten des einseitigen Widerrufs des Pfenniggebens gedenken (vgl. im weiteren S. 189, auch R. Hübner, Grundzüge des Deutschen Privatrechts, 5. Aufl., S. 538). Über die Verwendung des „Pfennigs" schweigen die Weistümer; nur vereinzelt wird der Ausdruck „Gottespfennig" in einer analogen Bestimmung des Marktbuches von Ipsitz (III, 784) statt des allgemeinen Wortes „Pfennig" gebraucht. Hieraus kann wohl geschlossen werden, daß die Hingabe des Pfennigs auch in diesem Gebiete kirchlich-wohltätigen Charakters war.
Ebenfalls im Einklang mit der allgemeinen deutschrechtlichen Entwicklung steht die in zahlreichen Weistümertexten feststellbare Anforderung der Kundbarkeit des Kaufabschlusses über Liegenschaften im Wege des Beiseins von Nachbarn. So wird z. B. im Banntaiding von Zebing ex 1483 (II, 725) neben dem Pfenniggeben des Beiseins zweier oder dreier Nachbarn beim Kaufabschlusse gedacht. Durch den hier beigefügten Zusatz „und das wissentlich ist" soll wohl auf die Beweiskraft abgestellt werden. Neben dem Merkmale der Öffentlichkeit des Kaufabschlusses lag diesem Beisein von Dorfgenossen noch ein anderer Zweck zugrunde. Den Dorfgenossen konnte es nicht gleichgültig bleiben, wer in ihrem Kreis als Käufer einer Liegenschaft auftritt. Sie mußten über die Person des Erwerbers unterrichtet sein, insbesondere in jenen Fällen, wo die Liegenschaft [Seite: 161] an einen Auswärtigen überging. In diesem Sinne kann man die in zahlreichen Weistümertexten enthaltenen Sicherungen der Nachbarschaft bezüglich der Eigenschaften des Käufers erklären, wie etwa die Bestimmung des Banntaidingbuches zu Trautmannsdorf (IV, 64) : ,,.... wollt sein fromm verrer schaffen mit verkaufen seines hauss, der soll und mag zuestiften mit einem frohmen gelanten man der den nachpaurn gefelt." Die Notwendigkeit, daß der Käufer der Nachbarschaft gefällig sei oder als ihr unbeschwerlich gelte (vgl. z. B. I, 519; III, 393; IV, 64) tritt in den Weistümern wiederholt als eine Bedingung für die Zulässigkeit des Kaufabschlusses auf. Neben der Kundbarkeit des Kaufabschlusses spielte dieses Motiv sonach eine wesentliche Rolle beim Abschluß des Kaufvertrags vor Vertretern der Nachbarschaft. Eine erhöhte Bedeutung gewann neben der Nachbarschaft und dann in der weit überwiegenden Zahl der einschlägigen Weistümerstellen selbständig das Vorwissen der Herrschaft von dem geplanten Kaufabschlusse. Dieses Erfordernis wird mit großen Nachdrucke als ein wesentliches betont und es wird wiederholt ausdrücklich bemerkt, daß bei Fehlen dieses Vorwissens der Herrschaft die Abmachung als kraftlos gelten soll (vgl. z. B. I, 45, 133, 274, 634, 1057; II, 298, 421, 1109; III, 140; IV, 351). Das Vorwissen der Herrschaft geht Hand in Hand mit der angeforderten Bewilligung durch die Herrschaft. Diesem Gültigkeitserfordernisse entsprach die Notwendigkeit des Abschlusses des Vertrags vor dem grundherrlichen Amtsträger. Die große Nachdrücklichkeit, mit welcher das Vorwissen und die Billigung des Kaufabschlusses seitens der Grundherrschaft verlangt wird, erklärt sich aus den zuweilen in den Weistümern angedeuteten Motiven hiefür. Sie lagen nicht nur, wie bei der Nachbarschaft, in der Überwachung der Person des neuen Käufers, sondern auch in der Kenntnis der in der Grundherrschaft abgeschlossenen Kaufverträge, um die Leistungen an die Grundherrschaft anläßlich der Besitzveränderungen der Bauerngüter zu sichern. Dieses [Seite: 162] Ziel mag für die Grundherrschaft noch wichtiger gewesen sein, als die durch die Öffentlichkeit geschaffene Beweisbarkeit des Kaufabschlusses. Allerdings wird auch dieses Motiv zuweilen betont, wenn gesagt wird, daß der Kauf vor dem grundherrlichen Richter abgeschlossen werden müsse, um künftigen Irrungen vorzubeugen (vgl. I, 634; II, 644). So hat sich im Bereich der Niederösterreichischen Weistümer für den Liegenschaftskauf selbst und für die damit verknüpfte Rechtsübertragung das Formerfordernis des Abschlusses vor der Dorfbehörde herausgebildet, wie dies gemeinhin die sogenannte gerichtliche Auflassung der Gewere charakterisiert. Trotz dieses grundlegenden Unterschiedes kann der hier zutage tretende Entwicklungsgang auch für die Geschichte der Auflassung vor der Behörde verwertet werden, da es sich hier zeigt, daß beide Momente, das Streben nach Offenkundigkeit ebenso wie das Interesse des Grundherrn an der Kenntnis von allen Liegenschaftskäufen zum Ergebnis der amtlichen Form führten162.1.
Dem formal gültig abgeschlossenen Kaufvertrag folgte die demselben entsprechende Herstellung der tatsächlichen Besitzverhältnisse: die Aufgabe und Übernahme der Gewere, die „Auf- und Abfahrt". Die Festlegung des Auf- und Abzuges lag im hervorragenden Interesse des Grundherrn. Die Termine der Auf- und Abfahrt werden genau festgelegt und ebenso die Abgaben, welche die Grundherrschaft anläßlich des Besitzwechsels einhob. Die einschlägigen Normen wiederholen sich so häufig — fast ein jedes Banntaiding bringt Vorschriften hierüber —, daß Hinweise auf besondere Stellen sich erübrigen.
Wie schon aus der Bezeichnung dieses Vorganges als Auf- und Abfahrt zu schließen ist, war hiebei an den rein tatsächlichen Besitzwechsel ursprünglich gedacht worden. Mit dem Aufkommen der Führung von Grundbüchern, welche ähnlich wie [Seite: 163] die Urbarien den Zweck hatten, den Besitzstand der Grundherrschaft in persönlicher und sachlicher Hinsicht schriftlich festzuhalten, mußte die Grundherrschaft ein starkes Interesse daran haben, diese Auf- und Abfahrten in dem Grundbuche zu verzeichnen. Sie zwang daher die Parteien, diese Auf- und Abfahrt beim „Grundbuch", d. h. bei dem Amte, welches das Grundbuch führt, vorzunehmen. Hier sollte die Eintragung, daß der Erwerber zu „Nutz und Gewär" komme, geschehen (vgl. aus der großen Zahl einschlägiger Stellen z. B. I, 998; II, 26, 414; III, 368; IV, 104, 250). Die Eintragungen erfolgten nach geschlossenem Kaufvertrage. Fassungen von Banntaidingen, welche von einem „Ab- und Auffahren bei dem Grundbuch" sprechen (II, 346, 352), geben ebenso wie die Gleichheit der Fristen für das Einholen des Eintrags im Grundbuch mit den Fristen für die frühere rein tatsächliche Durchführung der Besitzveränderung den inneren geschichtlichen Zusammenhang zwischen Auf- und Abfahrt und den Zwecken des Grundbucheintrags kund. Die Erzwingung der Vorschrift einer grundbuchsmäßigen Auf- und Abfahrt geschah im Großteil der Fälle durch Geldstrafen (vgl. z. B. II, 127, 579; IV, 129, 280), die sich bei erneuter Versäumung der Frist teils wiederholten, teils steigerten (I, 341; II, 82, 330). Zuweilen werden noch andere Strafen, um die rechtzeitige Durchführung der Auf- und Abfahrt beim Grundbuch zu erzwingen, angedroht, wie die Arbeitsniederlegung oder die Unmöglichkeit, ein Gewerbe anzutreten (I, 237; II, 408). In jenen Fällen, wo eine Herstellung des dem Kaufvertrage entsprechenden Besitzstandes durch Jahresfrist nicht zu erreichen war, schritt die Herrschaft mit dem Ausspruche des Verfalls des Gutes an sie vor (z. B. I, 878, 890; II, 164, 1030; IV, 388). Frägt man, in welchem Verhältnisse die Vorschrift der grundbücherlichen Geweraufnahme zur Gültigkeit des Kaufvertrags und zum Rechtserwerbe stand, ist es klar, daß die grundbücherliche Eintragung des Besitzwechsels die Gültigkeit des Kaufvertrags nicht berührte. Dies [Seite: 164] ergibt sich schon aus dem Umstande, daß hier die Herrschaft in der Regel der Fälle lediglich mit Geldstrafen vorging und daß selbst in der Erklärung des Verfalls des Gutes, wenn die tatsächliche Besitzveränderung durch lange Zeit nicht durchgeführt wurde, keine anfängliche Nichtigkeit des Vertrags vorlag, sondern der an sich gültige Vertrag strafweise durch Erklärung des Gutsverfalls undurchführbar wurde. Desgleichen dient der Zweck der Anlegung des Grundbuches dieser Erkenntnis. Es sollte der tatsächliche Besitzstand festgelegt und — was in hervorragendem Interesse der Grundherrschaft lag — die Leistung anläßlich des Besitzwechsels durch die Eintragung sichergestellt werden. Nicht so sehr ein Beweis über das Kaufgeschäft und die ihm entsprechende Rechtsübertragung sollte durch den Eintrag erzielt werden, als vielmehr im grundherrlichen Interesse ein Ersatz der bloß tatsächlichen Besitzveränderung. Andererseits darf aber nicht verkannt werden, daß von dem nachträglichen Wider[r]uf eines nicht in das Grundbuch eingetragenen, wenn auch an sich formal gültigen Rechtsgeschäftes bis zur rechtsbegründenden Natur der Grundbuchseintragung selbst nur ein Schritt gelegen war. Gewiß tritt ferner mit der Pflicht, alle Besitzveränderungen beim Grundbuche zu vollziehen, ein Zwang zur Eintragung der Ergebnisse des Kaufvertrags vor Augen und man kann daher in den frühen Vorschriften, die Auf- und Abfahrt beim Grundbuche zu vollziehen, einen Anfang des Eintragungsprinzips erblicken.
Aus dem Gesagten erhellt die große Bedeutung, welche die den Liegenschaftskauf betreffenden Weistümerstellen für die Geschichte des Grundbuchswesens in sich bergen. Dies hat schon Egon Weiß164.1 als erster bei der Überprüfung der bisherigen insbesondere von Anton Randa164.2 geäußerten Ansichten über das Verhältnis des österreichischen Grundbuchswesens zum [Seite: 165] böhmischen Landtafelwesen und zur Frage der geschichtlichen Entwicklung der konstitutiven Kraft des Bucheintrags dargetan. Während Egon Weiß in den Niederösterreichischen Weistümern die konstitutive Kraft des Bucheintrags verwirklicht sieht, hat Randa, allerdings vor der Veröffentlichung der Niederösterreichischen Weistümer, die Anschauung vertreten, daß der Eintrag als eine Bedingung des Rechtserwerbs erst mit dem Ende des 17. Jahrhunderts in Geltung gelangt sei. Die obigen Ausführungen mögen zur Klärung dieser Frage beitragen, hauptsächlich mit der Hervorhebung, daß in den hier behandelten Weistümerstellen das formale Erfordernis des Abschlusses des Kaufgeschäftes vor der Obrigkeit von den Anordnungen bezüglich der Herstellung des Besitzstandes deutlich geschieden war.
Der Hinweis auf die Form des Kaufabschlusses geschah, wie schon bemerkt worden ist, in einem großen Teil der Fälle zu dem Zwecke, um festzulegen, daß ein unter den üblichen Formen abgeschlossener Verkauf beständig sein solle, ein einseitiges Abstehen von dem geschlossenen Kaufvertrage nicht mehr möglich sei. Es durchzieht die Banntaidinge der Grundsatz, daß alle redlich abgeschlossenen Kaufverträge auch eingehalten werden müssen. „Alle redlichen Käufe sollen für sich gehen" (z. B. II, 99, 114; IV, 238, 329), oder ihren „fürgang haben" (z. B. II, 16; IV, 217, 242), sie sollen „stät gehalten werden" (z. B. I, 916; III, 72). Das Abstehen vom Kaufe, das Abgehen von ihm, wird in den Weistümern allenthalben als ein Durchbruch der Ordnung mißbilligt und verpönt. In der Notwendigkeit solch nachdrücklicher und besonderer Stellungnahme gegen das Abstehen vom Kauf gibt sich vielleicht im letzten Grunde eine Erinnerung an ursprüngliche, aus dem Recht der fränkischen Zeit erschließbare Anschauungen kund, welche ein Rücktrittsrecht vom Kaufvertrage bei Ausbleiben der Gegenleistung anerkannten (vgl. hiezu insbesondere Schröder-Künßberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 6. Auflage, S. 325 ff.). [Seite: 166] Das Interesse der Grundherren war selbstverständlich stark dahin gerichtet, alle Unsicherheiten des Fortbestandes der unter Einhaltung der üblichen Formen kundbar und redlich abgeschlossenen Käufe insbesondere hinsichtlich der Liegenschaften, nicht zuletzt wegen der mit der Durchführung der Verträge verknüpften Leistungen, zu unterbinden. Das Gebot der Stetigkeit aller abgeschlossenen Kaufverträge bezog sich, wie dies in manchen Texten ausdrücklich vermerkt ist, in gleicher Weise auf Fahrnis (I, 537, 597; II, 77; III, 492). Da der Grundsatz der Stetigkeit des Kaufvertrags zwingend aufgestellt ist, handelt es sich bei den in den Weistümern normierten Rechtsfolgen des Abstehens vom Kaufe im Grunde genommen um die Bestrafung des Versuches, den Kauf rückgängig zu machen. Ausdrücklich heben die Weistümer dies wiederholt hervor, indem sie sagen, daß der Vertrag trotzdem in Kraft bleibe und gehalten werden müsse (vgl. z. B. I, 490, 618; II, 691, 395; IV, 238). Die Strafen, welche auf das Abgehen oder Abstehen vom Kaufe auferlegt werden, sind regelmäßig Geldstrafen, die der Herrschaft zu bezahlen sind (vgl. aus der großen Zahl einschlägiger Bestimmungen I, 410, 628; III, 28, 58; IV, 329). Diese Geldstrafen an die Herrschaft werden zuweilen als Reugeld, als Strafen dafür aufgefaßt, daß es den vom Vertrag Abstehenden gereute, den Vertrag einzuhalten (II, 246, 691; III, 91, 550). Manches Weistum nennt die zu leistende Strafe selbst Reukauf (I, 428; II, 627). Diese Bestimmungen haben sonach keine Beziehung zu der Leistung eines Angeldes beim Kauf. Über die Geldstrafen hinaus werden, allerdings nur selten, selbst Leibesstrafen angedroht (III, 333). Altertümlich mutet das Hinzufügen eines Banntaidings aus dem 15. Jahrhundert an, wenn es — wohl um das Verlassen des gekauften Hauses zu verhindern, sagt: „wer sich des widerseczt und mit der gemein nit sein wolt, dem sol man mit dem gewalt des hoffs ein steckchen für das haus slahen" (IV, 373). Neben der Strafe an die Herrschaft wird zuweilen der Widmung eines [Seite: 167] Eimers besten Weins an die Nachbarn gedacht (II, 162, 432, 985) Ein Banntaiding aus verhältnismäßig später Zeit (1630) gibt hiefür das Motiv an mit den Worten: „zu gedechtnus, daß sie sein nicht vergessen" (III, 109). Zu dieser öffentlich-rechtlichen Bestrafung in der Auferlegung des Wandls an die Herrschaft stellt sich oft die privatrechtliche Berücksichtigung der durch die beabsichtigte Nichteinhaltung des Vertrags dem anderen Vertragsteil erwachsene Schädigung. Dies geschieht in den regelmäßig allgemein gehaltenen Fassungen, daß der Zurücktretende dem „anderen Teil sein Schaden abtragen" solle (vgl. z. B. I, 597; II, 691, 710). Über die Ermittlung der Höhe des erwachsenen Schadens äußern sich die Weistümer in der Regel nicht, nur vereinzelt wird bei der Auferlegung der Schadenersatzpflicht hervorgehoben, daß dem Kläger der Schaden „nach der burger rathe" (II, 988) zu ersetzen sei. Im Zusammenhang mit dem Schadenersatz im Falle des Abstehens vom Kaufe kommt in den Weistümern manchmal das Schicksal der Leistung eines Angeldes oder einer Teilleistung zum Ausdruck. Es wird gesagt, daß das geleistete Angeld verloren sei (II, 534, wo übrigens der gegebene Pfennig, d. i. der Gottespfennig von dem, das der Käufer „daran geben hat", deutlich unterschieden wird). Der Zweck der Verbote, alle Irrungen durch mutwilliges Abgehen vom Kaufvertrage hintanzuhalten, macht es erklärlich, wenn gelegentlich die Verpönung des Rücktrittes vom Kaufe weicht und das Nichteinhalten des Kaufvertrags zugelassen wird, falls hiefür „augenscheinliche Ursachen" vorhanden waren, welche der „Gemein oder der Obrigkeit nicht leidlich" schienen (II, 221). — Das einverständliche Abstehen beider Parteien vom Kaufvertrage erklären die Weistümer zuweilen ausdrücklich für straflos (vgl. z. B. II, 47, 725, 872; insbesondere II, 168, wo der Ersatz der „Ärgerung" des gekauften Hauses oder Erbes in der Zwischenzeit geregelt wird). [Seite: 168]
Alle Weistümer durchziehen Vorschriften, welche die Redlichkeit des Kaufgeschäftes sicherstellen, und vor unredlichem Handeln abschrecken sollen.
Aus diesen Vorschriften seien zunächst jene hervorgehoben, welche den Ankauf verdächtiger Ware betreffen. Die Verbote beziehen sich auf solche Sachen, deren Verdächtigkeit schon im Gegenstande selbst oder in ihrer Herkunft lag. Hier war es der typische Zuschnitt der Tat, welcher die Strafbarkeit begründet. Diese Stellen sind deshalb rechtsgeschichtlich besonders belangreich, weil sie eine Verwandtschaft mit gleichartigen Zusammenfassungen strafrechtlicher Ankaufsverbote anderer Rechtsquellen, insbesondere des Sachsenspiegels (III, 7) aufweisen. Es kann daraus geschlossen werden, daß sich hierin eine alt überkommene Rechtsüberzeugung in verwandter Form dartut. Gerade die ältere Schicht solcher Verbote in den Weistümern zeigt die angedeutete Verwandtschaft mit frühmittelalterlichen Rechtsquellen. Kirchengerät und blutiges Gewand wird neben ungewundenem Getreide als schlechthin verbotene Ware, die nicht den Gegenstand eines Kaufgeschäftes bilden darf, hingestellt. So besagt ein Banntaiding aus dem 15. Jahrhundert (I, 465) : „ain ieglicher leutgeb oder ain ander wirt sol nicht leichen auf kirchgerät oder pluttigs gewant oder ungewuntenes traid oder auf andrew waar das entragen, gestolln oder verdächtlich ist. er soll auch nicht kaufen. wirt er aber das überfarn sol man in anfalln als einen schädlichen man." Diese Verbote des Ankaufs an sich verdächtiger Ware finden sich in ähnlicher zum Teile noch erweiterter Fassung insbesondere in den Salzburgischen Weistümern. Als ein Beispiel hiefür sei die Fassung des Taidings von Altenthan (Salzburgische Taidinge, S. 23) angeführt: „Ain ieder, der mit willen aines pflegers oder seines richters das kaufrecht hat, der mag zu seiner haussnotdurft im gericht Altenthann wass im erlaubt [Seite: 169] ist kaufen, ausgenommen ungewundents getraid, ungesotnes garn, messgewand und pluetige claider, geschmuck, kelch der kürchen, ornät und dergleichen, das ist verpoten bei grosser wandl oder nach gestalten der sachen." Die Verbreitung der Verbote des Ankaufs sachlich verdächtiger Waren in den Salzburgischen und Österreichischen Weistümern legt den Gedanken der Möglichkeit eines Zusammenhangs dieser Vorschriften mit verwandten Normen der lex Baiuwariorum (tit. IX.) nahe. — Es bedeutet eine Verallgemeinerung und zugleich eine Entfernung von dem ursprünglichen Standpunkte, aus der Art der Sachen auf ihre verdächtige Eigenschaft zu schließen, wenn andere Weistümerstellen schlechthin den Ankauf jeder gestohlenen Sache, ohne sie einzeln zu bezeichnen, verbieten und überdies auch das persönliche Moment hervorheben, daß dieser Umstand dem Erwerber bekannt war. Fassungen wie: wer verstollens guet einnimbt, es sein leutgeben oder ander leut das wissentlich ist, der ist verfallen leib und guet als der dieb" (I, 98; vgl. auch III, 770) geben die Entfernung von der typischen Angabe der als verdächtig geltenden Waren und die besondere Berücksichtigung des persönlichen Wissens kund. In dieser Form der Regelung ging das Verbot des Ankaufs gestohlener Sachen in jüngere Fassungen von Banntaidingen über, so etwa in eine Banntaidingsordnung aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, welche sagt: „soll sich niemands understehen ein reverendo gestollenes viech, trait und anders, wie es nur nahmben haben mag, zu kaufen oder an sich zu bringen noch darauf zu leichen bie verliehr- und confiszierung desselben guets. Da er aber wissentlich kauft und erwissen wierdt, fallet er umb 16 fl. in die herrschaftsstraff" (IV, 139). Bei dem aufgestellten Verbote wurde das Delikt gesehen und nur die Strafe gesetzt. Die privatrechtliche Seite des Verhältnisses wurde regelmäßig nicht in Betracht gezogen. Als eine Ausnahme hievon ist daher eine Bannbuchsbestimmung (IV, 38) belangreich, welche der Rückstellungspflicht an den Eigentümer mit den Worten [Seite: 170] Erwägung tut: „wer gestolne gueter kauft oder wissentlich nimbt, der hat verlohrn was er darumben gibt. und so der kumbt dem es zugehort und begerts, sol er ihms wider geben und noch zu wandl darzue zwenundsibenzig phening." Hier treten Anschauungen über die Rechtsfolgen wider Willen abhanden gekommenen Fahrnisbesitzes, wie sie die Grundlage des Anefangsverfahrens bildeten, zutage170.1. In gleichem Sinne sei auf das Banntaiding zu Külb (III, 497) hingewiesen, welches besagt: „Niemant solle weder gestolln noch geraubt guet wissentlich nicht kaufen, wer aber des uberfahren würdet, der ist dem gericht das guet (so ferr dem niemant nachstellt) und darzue ain pfunt ₰ zu wandl verfalln. kumbt aber iemant hernach der solch gestolen oder geraubt guet verfecht und dem richter zu fürpfant gibt 72 ₰, mag er dann durch glaubwürdig anzaigen und schein beibringen oder mit erbern leuten weisen das ihme solch guet entfrembt oder das sein gewesen sei, der richter solle ihme dasselb freien und alsdann ohn entgelt fulgen und widerfahren lassen."
Als ein besonderer Fall des Ankaufs verbotener Ware erscheint der Kauf von Waren, welche Knechte oder Dirnen (Dienstboten, Diener oder Dienerinnen, Dienstvolk) anbieten. Dieses Verbot geht von der Voraussetzung aus, daß die angebotenen Waren vom Bediensteten seiner Herrschaft entwendet worden sind. Des Umstandes, daß es sich um eine Entwendung handelt, wurde manchmal ausdrücklich als Voraussetzung des Verbotes und der Strafe für seine Übertretung gedacht (vgl. z. B. I, 628, 653). Doch sind ebenso allgemeine Fassungen zu verstehen, wenn sie wie z. B. die Freiheiten zu Seifrieds (II, 1060) sagen: „ob ain unser hausgenossen, frau oder man, kaufet von ainem dienstpoten welcherlai das wär, der ist verfallen der herrschaft 72 phening und ainem seinen schaden wider zu ergetzen." Zuweilen wird die in den Händen des Dienstvolkes [Seite: 171] verdächtig erscheinende Ware des nähern nach den üblichen Gegenständen des Diebstahles vermerkt und überdies der Verpflichtung des Käufers gedacht, entsprechende Erkundigungen bei der Herrschaft zur Vermeidung seiner Strafbarkeit einzuholen. Ein Beispiel hiefür bietet etwa eine Bannbuch-Eintragung (IV, 348) des Wortlautes: „Wer von ainem knecht, diern oder inleüten, es wär har garn käs schmalz milch air prot korn habern oder ander ding das zu vermissen wär das es inen nicht zuegehört sondern etwo iren herrn und frauen haimblich abtriegen, kaufet und nicht zuvor ir herrn und frauen darumben fraget, ist zu wandl verfallen 72 ₰." Wie diese Eintragung zeigt, erweiterte sich der Kreis jener Personen, in deren Händen die Ware verdächtig erscheint, in manchen Weistümertexten. Neben den Bediensteten wird zuweilen auch der „Inleüte" (sonstiger beim Dorfgenossen Beherbergter) und der Kinder (II, 811), die entwendetes Gut verkaufen, gedacht. Diese Verbote finden sich ebenso in anderen Weistümergebieten. Es sei insbesondere auf das Banntaiding in der Herrschaft Waldstein (Steirische und Kärnthische Weistümer, VI, 354, vgl. hiezu H. Fehr, Die Rechtsstellung der Frau und der Kinder in den Weistümern, S. 291 ff.) hingewiesen, das auch wegen seiner strengen strafrechtlichen Behandlung des Falls unter Aufstellung des Grundsatzes, daß der Käufer hier höher zu bestrafen sei als der Verkäufer, Beachtung verdient: „so ein knecht oder diern, sohn oder tochter, oder ein Herberger stulln etwas in einen hauss und truegent einem anderen zue, dass ers kaufe, ist der diebstahl so gross, dass sie das leben verfallen, so soll man den kaufer und verkaufer henken; und doch soll der kaufer allwegen höcher gestrafft werden dan der verkaufer." Wie dies bezüglich der sachlich verdächtigen Waren gilt, sind die aus persönlichen Gründen aufgestellten Kaufverbote in den Weistümerstellen als Bestrafung von Delikten gegen die Ordnung und gegen die geforderte Redlichkeit der Kaufgeschäfte grundsätzlich deliktisch gesehen, während die privatrechtliche [Seite: 172] Seite nicht berücksichtigt wird. Nur selten leuchtet die Beachtung der Ansprüche des Bestohlenen durch, wie etwa im Taiding zu Niederwallsee, wo davon gesprochen wird, daß der Käufer pflichtig ist, den Schaden abzutragen (III, 817; vgl. auch das oben im Wortlaut angeführte Weistum II, 1060).
Die Redlichkeit beim Kaufhandel zu sichern, war ferner der Zweck der Normen der Weistümer über den Gebrauch richtiger Maße und Gewichte. Solche Vorschriften bringt fast jedes Banntaiding. Sie sind alle in den Rahmen öffentlicher Maßnahmen der Dorfverwaltung eingereiht. Schon vorbereitend suchten die Weistümer Mißbräuchen in dieser Hinsicht vorzubeugen. Dahin zielten besonders die Anordnungen, die in Gebrauch zu setzenden Maße behufs Überprüfung zum Banntaidinge mitzubringen (vgl. z. B. III, 617). Besondere Organe hatten dafür zu sorgen, daß richtige Maße und Gewichte angefertigt und verwendet werden. Der Handel wurde nach dieser Richtung streng überwacht. Die Rechtsfolgen der Verletzung dieses Gebotes spiegeln den öffentlichrechtlichen Charakter der Vorschriften wider. Sie bestanden in Geldstrafen und darüber hinaus regelmäßig im Verfall der zum Verkauf gestellten Ware. Der privatrechtlichen Rückwirkung wird hiebei nicht gedacht. Es sei hier, um nur ein Beispiel herauszugreifen, auf das Dorftaiding zu Saubersdorf aus dem 16. Jahrhundert hingewiesen, wo im Falle des Gebrauchs unrichtigen Schankmaßes durch den Wirt der Vorgang der Feststellung dieses Betruges und die Strafe, bestehend im Abhacken des Zapfens und des Austrinkens des restlichen Faßinhaltes durch die „ganze gemain" geschildert wird (I, 121). Zuweilen werden noch weitergehende Strafen an Ehre, Leib und Gut angedroht (vgl. z. B. I, 938). — In ähnlicher Weise wurde das Feilhalten und der Verkauf falscher oder verfälschter Ware als eine deliktische Störung der öffentlichen Ordnung, als ein Betrug, angesehen. Geldstrafen, Verfall der verkauften oder aller feilgehaltenen Waren, bildeten auch hier die Folgen solch unredlichen Handelns (vgl. z. B. IV, 225; [Seite: 173] I, 550; II, 263). Das Banntaiding von St. Leonhard aus dem 15. Jahrhundert (III, 552) betont den öffentlichrechtlichen Charakter der Bestrafung besonders, wenn es hervorhebt, daß nur der Richter „den selbigen menschen zu pessern" berechtigt ist.
Die Normen der Weistümer zur Sicherung der Redlichkeit beim Kaufe erhärten die eingangs gemachte Bemerkung, daß sich in den kaufrechtlichen Bestimmungen der Weistümer das Gebiet des Kaufrechts nach der Seite öffentlichrechtlicher Betrachtung verschiebt. Eine rein privatrechtliche Austragung der Interessen der Kaufparteien bildete sonach nicht das Ziel der Regelungen der Dorfweistümer. Gleichwohl gebricht es an gelegentlichen Aufzeichnungen solcher Art nicht ganz. Am reichsten sind in dieser Hinsicht die Bestimmungen der Markttaidinge (1484) und des Marktbuches von Ipsitz (III, 757 ff.), welche letztere Quelle allerdings trotz ihrer Aufnahme in die Weistümersammlung nicht den Charakter eines Weistums an sich trägt. Hier wird im deutschrechtlichen Sinne das Tragen der Gefahr mit den Worten geregelt: „kumbt in der selben zeit ain feur aus, das der selb kaufschatz verprint ee das in sein gewalt kumen ist und auch noch nit vergolten noch vergebn ist, den schadn mues der hingeber haben und gilt im der kaufmann nichts mit, wan im in sein gewalt noch nichts vergibst noch verpurgt ist und ist noch in sein gewalt nit kumen." Das Verhältnis des Kaufs zur Miete findet hier seine Regelung im Sinne des Satzes „Kauf bricht Miete" mit den Worten „wen kain bestant irrt den kauf nit" (S. 771). Dort findet sich ferner eine Regelung des Verzuges in der Zahlung des Kaufpreises vor Übernahme des Kaufobjektes (Kaufschatzes) durch Gewährung des Rücktrittes vom Vertrage für den Verkäufer. — Über die Haftung für Sachmängel fehlen besondere Bestimmungen in den Niederösterreichischen Weistümern, was sich aus der strafrechtlichen Behandlung der Irreführung beim Kauf erklären mag. Lediglich die Bestimmungen einiger Weistümer (III, 345, 52 und II, 115) können darauf bezogen werden, [Seite: 174] da sie besagen, daß der Verkäufer von Wein in Fässern für den Schaden, welchen die Fässer nach der Übertragung nahmen, nicht einzustehen hat. Diese Texte lassen sich außerdem als Beantwortung der Frage werten, wann die Ware als übertragen gilt: hier mit dem Bringen des Fasses auf das vordere Gestell, den vorderen „gantner" behufs Übernahme durch den Käufer (vgl. Glossar IV, sub verbis „poden" und „gantner"). — Soweit die Niederösterreichischen Weistümer des Kaufes des Weines auf dem Stock, der Weinfechsung vor der Lese, sonach des Hoffnungskaufes gedenken (II, 968, 973), gehen sie nicht vom Verbot solchen Geschäftes aus, fordern jedoch, daß dies mit des „amtmanns rath" geschehe. Beim Kauf des Mostes bestimmt ein Bergtaiding (II, 156) — offenbar, um künftigen Streitigkeiten vorzubeugen, daß der zur Zeit des Mostkaufs vereinbarte Preis und das Kaufgeschäft selbst eingehalten werden muß, ohne Rücksicht darauf wie der Wein gerät.
In den Kreis mit dem Kauf zusammenhängender Bestimmungen privatrechtlicher Art können auch die Nachrichten der Weistümer über das dem Leutgeb (Wirt) zuerkannte Recht der Pfandnahme bei Nichtzahlung der im Gasthause schuldig gebliebenen Zeche gezogen werden. Der Weinschank war Verkauf des Weines, näher bestimmt durch den Verkaufszwang an jeden Gast. Die erhöhte Sicherung durch Gewährung der Pfandnahme für die Zechschuld stellt sich wohl als ein Reflex dieses Verkaufszwanges dar. Die einschlägigen Weistümernormen gliedern sich, selbst ursprünglich gefaßt und früherer Aufzeichnung entstammend, dieser im deutschen Recht allgemein verbreiteten Einrichtung an174.1. Der Wirt kann sich für die nichtgezahlte Zechschuld durch Wegnahme der Fahrhabe des im Wirthause, sonach in seinem Gewaltbereiche Stehenden, befriedigen (vgl. z. B. II, 356, 855, 988; III, 515, 639, 689). Dies wird bezüglich des Fremden (Gastes) uneingeschränkt ausgesprochen (vgl. III, 423, 551). [Seite: 175] Grundsätzlich gilt das Gleiche bezüglich der Zechschuld eines Knechtes oder einer Magd. Hier ist jedoch dem Umfange der Pfändung eine Schranke gesetzt; der Wirt darf ebenso wie bei der Zechschuld eines Kindes (vgl. I, 464; III, 123) nur das pfänden (abziehen), was der Säumige über dem Gürtel an sich trägt (vgl. II, 829; III, 123, 415). Das Motiv wird in den Weistümern meist ausdrücklich angegeben. Es sollte die Pfandnahme dem Rechte des Herrn auf die Arbeit des Knechtes keinen Eintrag tun (z. B. III, 446). Die Überschreitung des Maßes der Pfandnahme hatte für den Wirt die Herausgabepflicht des genommenen Pfandes, Schadenersatz an den Arbeitgeber und Zahlung einer Geldstrafe zur Folge. Sehr drastische Folgerungen zieht ein Banntaiding aus dem 15. Jahrhundert (II, 204), wenn es bestimmt, daß der Leutgeb den Knecht „erberlich" (rechtsmäßig) pfänden kann, so „das er seim herrn sein arbeit müg ausrichten, ob der leitgeb den knecht als vast entplöset, so schol der leitgeb dem pawrn sein arbait selbs ausrichten". Bezüglich des Eingesessenen erscheint die Sachlage gemildert. Entfernte sich ein solcher ohne Zahlung der Zeche aus dem Leuthause und damit aus dem Gewaltbereiche des Wirtes, so war im Falle solchen „Austragens" der Zeche (des „ürtens") dem Eingesessenen eine kurze Frist zur Wiederkehr, um die Schuld zu bezahlen, drei Stunden (II, 588), am nächsten Morgen (I, 910, 918, 944; II, 735; IV, 253), am nächsten Tag vor Vesperzeit (III, 302), innerhalb dreier Tage (IV, 191) zuerkannt. Dies geschah selbst dann, wenn er wider Willen, „mit Gewalt", „on urlaub des wirtes" (I, 464) davongegangen war. Bei seiner Wiederkehr in das Leuthaus konnte er auch um Aufschub der Zahlung bitten, „des wirtes huld suchen". Wollte der Wirt ihm dann nicht länger warten (peiten), konnte er ihn im Hause pfänden (III, 327, 347; II, 588). Eine besondere Berücksichtigung finden die Fälle, da sich der Zecher lediglich, um Gewaltätigkeiten eines im Wirtshause ausgebrochenen Streites zu entgehen, „durch gemaches willen", [Seite: 176] also nicht gewaltsam, aus dem Wirtshause entfernte (I, 728, 798, 818, 839, 886). Die einschlägigen Bestimmungen über die Wiederkehr des Zechschuldners verraten in ihrer anschaulichen Fassung althergekommenen Brauch. Stellte sich der Säumige nicht ein, so erkennen die Weistümer dem Wirt ein Klagerecht beim Richter zu, dessen Erfolg die Zahlung der Schuld und die Verurteilung zu einer Geldstrafe war (III, 551; IV, 64; vgl. auch I, 88, 98, 104, 388, 504; II, 735; IV, 48). Zuweilen erkennen die Weistümer dem Wirt bei Widersetzlichkeit des Zechprellers Straflosigkeit für alle Mittel, die er bei der Pfändnahme anwendet, mit Ausnahme der Tötung zu (vgl. I, 748, 869).
Die Bestimmungen über die Behandlung des Zechprellers gehören zu den sehr zahlreichen Regelungen der Weistümer im Bereiche des Handels mit Wein. Hier heben sich zwei Seiten dieser Normen vom kaufrechtlichen Standpunkte ab: die Grundsätze des gewerbsmäßigen Weinverkaufes, das Schankrecht, sodann der Schutz der vorzugsweisen Berücksichtigung des Verkaufes des Bauweines vor jenem des erkauften Weines (Kaufweines). Was die Berechtigung zum entgeltlichen Schenken des Weines anlangt, läuft in der Regel das herrschaftliche Schankrecht neben dem freien Schankrechte der Dorfgenossen. Überwiegend zeigen uns die Weistümer eine zeitliche Abgrenzung dieser Schankrechte, so daß das herrschaftliche Schankrecht für die Zeit vom St. Georgstag bis zum Michaels- oder Martinitag galt, während in der Zeit nach der Weinlese bis zum St. Georgstage das Schankrecht der Dorfgenossen eintrat (vgl. X aus der großen Zahl der einschlägigen Regelungen IV, 185; II, 738). Zuweilen behielt sich allerdings die Grundherrschaft das Schankrecht das ganze Jahr hindurch vor oder es wurde andererseits das freie Schankrecht der Dorfgenossen für das ganze Jahr anerkannt. Bemerkenswert ist die Aufzeichnung im Herkommen des Marktes von Neu-Pölla aus dem 16. Jahrhundert (IV, 278), wo unter Hinweis auf die althergebrachte Rechtslage („Wir haben von unsern eltern und forvodern nie anders erhört") die [Seite: 177] Freiheit von einer herrschaftlichen Schankgerechtigkeit betont und für die Zukunft verlangt wird. Das nachbarliche Schankrecht war, wie dies ebenfalls in sehr zahlreichen Weistümern festgelegt ist, von dem Grundsatze getragen, daß nur derjenige schankberechtigt sein solle, welcher „seinen eigenen ruck" (Rauch) im Dorfe hatte, der hausansässig war. Diese Hausansässigkeit wurde auch dann als gegeben erachtet, wenn jemand nur ein gemietetes Haus, ein Bestandhaus, innehatte (vgl. I, 759, 838). Eine selbstverständliche Folge hievon ist es, daß die Weistümer den bloßen Inwohnern, die „kein mitleiden mit der ganzen gemein haben", das Schankrecht versagen (vgl. z. B. I, 798). Wo das Schenken nicht im „Leutgebhaus" geschah, ist in den Weistümern auch ein reihenweises Schenken jedes Ansässigen, zeitlich (je eine Woche) abgegrenzt, bezeugt (vgl. II, 426, 738). Betreffs der Ausübung des Schankrechts schärfen die Weistümer wiederholt ein, daß der Beginn des Schankes vorher angezeigt und durch entsprechende Zeichen kundgetan werde. Es lagen solche Gebote gewiß im besonderen Interesse der Grundherrschaft, um die Leistung der Abgaben sicherzustellen. In einer späteren Banntaidingsordnung (Hornstein 1670, II, 141) findet sich der Ausdruck „Winkelleutgeben" als Bezeichnung des verpönten heimlichen Schenkens. Überall wird den Leutgeben die Verabreichung richtigen Maßes vorgeschrieben, das Geben „böser Maß" (III, 371) unter Strafe gestellt. Ebenso wird ein gerechter Preis gefordert, insbesondere die Ständigkeit der Preise, wie sie beim Auftun des Weines galten, gefordert (vgl. III, 658). Wegen ihres sozialen Gehaltes sind die in manchen Weistümern gegebenen Bestimmungen lehrreich, wo aus besonderen Rücksichten ein nächtlicher Verkaufszwang dem Wirt auferlegt wird. Die hieher gehörigen Fälle lassen sich nicht anschaulicher darstellen, als dies im Bannbuch von Stetteldorf (IV, 348) mit den Worten geschieht: „Ob ainem burger bei der nacht sein weib niederkämb oder ob er, sein weib kinder oder dienstleut bei der nacht krank [Seite: 178] wuerde, darzue er aines weins zur sterk- und labung bedörft, oder ob ainem bei der nacht ain lieber freunt oder gast kamb dem er gern wein het, so soll er seinen dienst oder andern potten umb wein mit gelt und ainem liecht in ainer latern, das man wisse wer er sei und wem er zugehör, zu dem leütgeben oder weinschenken der derselben zeit ainen failen wein hat schicken; alssdann soll ime der leütgeb oder weinschenk wein gegen parer bezallung geben. wo aber der leütgeb oder weinschenk ime nicht wein geben wuerde, so ist er zu wandl verfallen 72 phennig" (vgl. auch II, 514).
Das Schankrecht sollte vor allem der Verwertung des von den Dorfgenossen angebauten Weines, des „Bauweines", dienen; deshalb sind die Weistümer der Einfuhr fremden Weines und seiner schankweisen Verwertung im allgemeinen abhold. Das Motiv, den Eingesessenen die Verwertung ihres Bauweines zu sichern und sie vor Verarmung zu schützen, wird zuweilen eindringlich hervorgehoben (vgl. z. B. II, 241). Aus diesem Grunde wurde die Einfuhr fremder Weine nach vollendeter Weinlese verboten (vgl. aus der großen Zahl einschlägiger Vorschriften III, 224). Von diesem Verbote wurde nur dann Abstand genommen, wenn große Not und Abgang an Bauwein herrschte (vgl. II, 991; III, 399, 405). Sehr häufig wird der Kauf fremder Weine untersagt, solange noch eine bestimmte Menge von Bauwein zur Verfügung stand. In einem Banntaiding (II, 355) wird die Vorschrift: „so lang zwen halb dreiling bauweine in diesem dorf auf dem ganter ligen, sollen kaine frembde weine hinein kauft werden", ausdrücklich damit begründet „auf daß kain nachbar mit seinem bauguet schaden leidt". Es lag im Geiste dieser Vorschriften, daß andererseits dem Eingesessenen die Pflicht auferlegt wurde, seinen Bauwein zu Schankzwecken zu veräußern, um die Nachbarn entsprechend zu versorgen. Einen Fall der Bestrafung durch Ausschlagen des Faßbodens, wenn der Nachbar das „Auftun" seines Bauweines wohl zusagte, diese Zusage jedoch nicht hielt, schildert das Banntaiding zu [Seite: 179] Gritzendorf ex 1512 (I, 988). Wie sehr die Weistümer auf eine strenge Scheidung des fremden oder Kaufweines vom Bauweine bedacht waren, zeigt das Banntaiding zu Heiligenstadt aus dem i6. Jahrhundert (I, 912, ebenso I, 934), in welchem der an einen Gast verkaufte Bauwein als fremder Wein auch dann erachtet wurde, wenn ein Eingesessener den Wein vom Gaste zurückkaufte.
Die in den Weistümern enthaltenen Vorkaufsberechtigungen sind von dem Gedanken getragen, die Interessen bestimmter Personengruppen zu wahren, wie dies den wirtschaftlichen Bedürfnissen und den Rechtsanschauungen zur Zeit der Normierung gemäß schien. Im Kreise der Vorkaufsberechtigten nimmt die Grundherrschaft eine hervorragende Stellung ein, doch ist sie keineswegs allein in den Weistümern berücksichtigt. Fast in gleicher Stärke finden sich Näherrechte für die Nachbarn, die Gemeindegenossen, festgelegt. Die fortlebende Bedeutung des Sippenzusammenhanges spricht sich in den Näherberechtigungen der „Freundschaft" aus. Daneben finden Näherrechte der Anrainer und derjenigen eine Regelung, welche Besitzer eines Teils eines ursprünglich einheitlichen Grundstückes waren. Wirtschaftliche Macht der Grundherren, welche die Bedürfnisse ihres Hofes zunächst gewahrt wissen wollten, und die wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Dorfgenossen finden so in den Weistümern nebeneinander eine der Zeitlage entsprechende Berücksichtigung.
Die Näherrechte der Grundherrschaft wurden beim Verkauf von Liegenschaften, ebenso wie beim Verkaufe von Fahrnis in den Weistümertexten festgelegt. Es kann fast als eine allgemeine Norm, die aus den Texten spricht, angesehen werden, daß beim Verkaufe einer Liegenschaft das Gut zunächst der Grundherrschaft angeboten, „angefailt", werde. Die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung dieser Vorschriften tragen vor allem [Seite: 180] strafrechtlichen Charakter an sich. Es wird derjenige, der das Näherrecht der Grundherrschaft verletzt, wandelpflichtig. Eine Maßnahme, welche sich als ein indirekter Zwang zur Beachtung des Näherrechtes der Grundherrschaft darstellt, kennt das Banntaiding von Soß (IV, 50): es wird die tatsächliche Besitzübergabe von der Beachtung des grundherrlichen Näherrechts abhängig gemacht. Neben den Straffolgen blieb der in ihren Rechten verletzten Grundherrschaft das Recht gewahrt, in den trotzdem mit einem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag einzustehen. Hierin befanden sich die Weistümer im Einklange mit der landrechtlichen Entwicklung, wie dies zuweilen auch ausdrücklich hervorgehoben wird. So spricht etwa das Bergtaiding von Lang-Enzersdorf 1564 (II, 333) dies deutlich aus: „Wer Weingarten verkaufen wölle in dem perg, der sol es am ersten dem pergherrn oder seinen pergrichter anstatt seines herrn anpieten. wer das aber nicht thuet, so mag der pergherr oder sein pergrichter in den kauf steen wie lands recht ist." Die Vorschriften der Anfailung des Verkaufsgutes bei der Herrschaft verfolgen allerdings oft den Zweck, nicht so sehr den Vorkauf durch die Herrschaft selbst sicher zu stellen, als vielmehr im Wege der Mitwirkung der Herrschaft das Anbot an die Gemeindegenossen einzuleiten. In diesem Sinne spricht eine Bestimmung (I, 1021), wenn sie sagt: „Wer seinen überländgrund, Weingarten und äcker in willens zu verkaufen hat, der soll sich bei dem richter oder bergmeister dem solches orth angehet anmelden und solches bei ihnen aussfeilen; der beambte wird solches der freind- und nachbahrschaft schon anzeigen." — Die Taidinge zu Höflein an der Donau (I, 991) sehen die Möglichkeit selbstsüchtigen Gebarens des Amtmannes bei der Ausübung des grundherrlichen Näherrechtes vor und verfügen in diesem Falle das Fortbestehen des mit Umgehung des grundherrlichen Vorkaufsrechts abgeschlossenen Kaufvertrags: „Kainer sol in dem aigen an wissen und erlauben des ambtman sein haus niemand verkaufen, sol das am ersten [Seite: 181] den ambtman anstat der herrschaft vor anpieten. wo aber das nit beschäch so mag der ambtman in den kauf steen, selbs in namen der herrschaft verkaufen; doch daz er seinen freunten oder günnern sölhn kauf nit thue, sonst sol der erst kauf in seinem wert beleibn."
Mit nicht geringerer Stärke suchte die Grundherrschaft die Deckung ihres Bedarfs an Fahrnis durch Vorkaufsrechte zu sichern. Hier waren es alle Arten von Lebensmitteln, welche der Grundherrschaft bei einem geplanten Verkaufe zunächst angeboten werden mußten. Zuweilen sprechen hauptsächlich die späteren Weistümer ein allgemeines Gebot aus, „alle Viktualien" zunächst der Herrschaft anzufeilen, mit der strengen Bestrafung der Nichtbeachtung dieses Gebotes durch den Verlust der Ware oder ihres Wertes. Im einzelnen werden grundherrliche Vorkaufsrechte insbesondere für den Verkauf von Vieh festgelegt, ohne Unterschied ob es sich um Klein- oder Großvieh handelt (vgl. z. B. I, 565, 618). Die Strafe für die Nichtbeachtung des grundherrlichen Vorkaufsrechts war zunächst Geldstrafe. Ein Beispiel hiefür bietet etwa das Banntaiding von Mariazell (IV, 46), wenn es sagt: „Welcher oxen küe kelber oder anders viech, clain und gross, verkauft und der obrigkait nit anfailt, der ist zu wandl erkennt von grossem viech 5 tal. von dem clainen so theur ers verkauft." In späteren Weistümern findet sich häufig der Verfall des Kaufgutes mit der Geldstrafe verknüpft. So begleitet das Bann- und Bergtaiding der Herrschaft Rohrau aus dem Jahre 1717 (IV, 75) das Gebot des Anfailens an die Herrschaft mit der Straffolge für seine Verletzung mit der Bestimmung: „thuet er solches nicht und verkauft es ohne herrschaftlichen vorwüssen und würdt darüber betreten, der ist verfallen dass kaufguet und zum wantl fünf gulden." Dem Vorkaufsrecht bezüglich des Viehs wird oft das Vorkaufsrecht bezüglich des Getreides an die Seite gestellt. Einen besonderen Wert legte die Grundherrschaft auf das Vorrecht hinsichtlich der Jagdbeute und des Ergebnisses des [Seite: 182] Fischfanges. Als besonderes Beispiel sei ein Banntaiding (I, 44) vermerkt, wo sich die Grundherrschaft den Ankauf des erlegten Bären sichert und für den Fall der Nichtausübung des Vorkaufsrechts die Ablieferung des Kopfes und der rechten Pranke fordert. Bezüglich des Vorkaufrechts an Fischen sind die Bestimmungen der Weistümer vom gleichen Gedanken getragen, wie sie schon die Klosterneuburger Fischerrechte aus dem 14. Jahrhunderte mit den Worten ausdrücken; „quicumque ipsorum ceperit magnum piscem sive pisces magnos et valentes, non debet vendere aliunde nisi prius exhibuerit ecclesie comparandos." Ihnen stellt sich das Weistum der Fischer dieses Stiftes aus dem Jahre 1399 (I, 970) an die Seite. Neben einer größeren Ausführlichkeit wird hier bei Nichtbeachtung des grundherrlichen Vorkaufsrechts noch die Folge des Verfalls „alles des zeuges damit er die fisch gefangen hat" und des Kaufpreises, den er für den Fisch erzielt hat, hinzugefügt. Mit der Erstarkung der grundherrlichen Gewalt erstreckte sich das grundherrliche Vorkaufsrecht auf so ziemlich alle Gegenstände, welche für die Wirtschaft des Grundherrn von Belang waren. So fehlt es nicht an Weistümern, welche das Vorkaufsrecht der Grundherren hinsichtlich des Bauweines und Mostes (z. B. I, 946), des Honigs und des Wachses und der Leinwand besonders festlegen (III, 845).
Gegenüber den bisher erwähnten Vorkaufsrechten, welche der wirtschaftlichen Machtausnützung der Grundherrschaft dienten, bieten die in den Weistümern reich bezeugten Vorkaufsrechte der Dorfgenossen ein Gegenbild. Sie zeigen uns die Wahrung der Interessen aller im Dorfe Angesiedelten. Man wird nicht fehl gehen, diese Vorkaufsrechte der Nachbarschaft für älter zu erklären, als die grundherrlichen. Die Fassungen der Weistümer lassen es allerdings nicht mehr erkennen, ob diese nachbarlichen Vorkaufsrechte, wo sie Liegenschaften betreffen, auf altertümliche genossenschaftliche Verbände zurückgehen. Diese Frage läßt sich aus den Weistümertexten selbst [Seite: 183] um so weniger beantworten, als die Grundherrschaft den Vorrechten der Dorfgenossen beim Grundkaufe nicht ungünstig gegenüber stand und die Festsetzung nachbarlicher Vorkaufsrechte eine Betätigung grundherrlicher Fürsorge für die herrschaftliche Gemeinde darstellen konnte. Zumeist hat allerdings die Grundherrschaft es durchgesetzt, ihren Näherrechten den Vorrang vor den nachbarlichen Näherrechten einzuräumen. Die Festsetzung von Näherrechten an Liegenschaften für die Nachbarschaft, für die Eingesessenen, vor Fremden durchzieht alle Weistümertexte des hier behandelten Gebietes. Viele Fassungen legen nur die Verpflichtung, das Gut dem Eingesessenen vorher anzubieten, fest, mit der Bemerkung, daß die Eingesessenen bereit sein müssen, denselben Preis für das Gut zu zahlen, wie fremde Kauflustige. Als Beispiel sei das Taiding zu Willendorf aus dem 15. Jahrhundert angeführt (II, 1016) : „ob indert des goczhaus holden ainer ein stuekch ab dem gut verkaufen wolt, das weren weingerten oder ander guet, das schol er von erst dem puerkcherren anpieten. wil er es nicht abloesen, so schol man es dem amptmann anpieten ze loesen. wil er des nicht loesen, so piet er es die anderen des goczhaus holden an; wellent sie es gelten als ander leut, dem schol er es geben vor ander leut an gevaer." Andere Stellen zeigen eine größere Ausführlichkeit. Es werden bestimmte Fristen für die Dauer des Vorkaufsrechts der Eingesessenen festgelegt, oder es wird die wiederholte Anfeilung an die Nachbarn vorgeschrieben. Als Frist kehrt jene von dreimal vierzehn Tagen in den Texten wieder (vgl. z. B. IV, 218; II, 989). Hiezu wird für den Fall der Nichtbeachtung des Vorkaufsrechts der Eingesessenen zuweilen das Einstandsrecht in den schon abgeschlossenen Kauf ausdrücklich festgesetzt. So sagen die Rechte des Eigens Ebersdorf an der Zaia (II, 139): „wer überlent hie hat die er verkaufen wolt, die soll er hie dreimal hinfailen. failt er aber nicht hin also und gibs einem andern über felt, so mag ein hieiger dem frembden in kauf stehen" (vgl. auch II, 375, 421). Einen besonderen [Seite: 184] Hinweis auf die Form des Anfeilens an die Gemeindegenossen enthält das Banntaiding des Klosters Gaming (III, 593), wenn es den Ausruf mit Wissen des Amtmannes auf offenem Markte oder vor der Kirche vorschreibt. In diesem Weistume wie in anderen Texten wird die Absicht, das Gut dem Dorfe nicht zu entfremden als Motiv des Vorkaufsrechts hervorgehoben. So spricht etwa das schon der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstammende Banntaiding von Melk davon, daß das Gut „nit zu auswendigen handen zu nachtail dem markt verkauft werden solle". Zuweilen wird dem grundherrlichen Amtmann innerhalb der Dorfgenossen ein bevorzugtes Vorkaufsrecht eingeräumt. Als Beispiel hiefür kann das oben wiedergegebene Taiding zu Willendorf angeführt werden.
Zu den Näherrechten der Eingesessenen vor dem Fremden gesellen sich in den Weistümern engere Näherrechte, welche aus dem Grunde der Verwandtschaft oder aus der wirtschaftlichen näheren Beziehung zu dem Gute, das verkauft werden soll, fließen.
Der Vorzug der Verwandten vor den übrigen Eingesessenen wird in den Weistümern wiederholt ausdrücklich ausgesprochen; die Rechte von Kirchschlag aus dem Ende des 16. Jahrhunderts (I, 9) sprechen dies als eine allgemeine Vorschrift aus: „Ob ain erb oder ander gueter vail wurden, so solen die freunt albeg anfailung haben vor andern leutn umb ir gelt." Ebenso schärft das Bergtaiding zu Stuppach aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (I, 291) die Verpflichtung, Weingärten und Gründe „den nächsten freunden" zuerst anzufailen, ein.
Neben diesen Vorrechten der nächsten Verwandten, worin sich zweifellos ein Fortwirken des Sippenzusammenhanges kundgibt, stehen die besonderen Näherrechte des unmittelbaren Nachbarn, des Anrainers, des „Nebenteils". Das eben erwähnte Banntaiding von Stuppach hebt die Verpflichtung hervor, das Gut nach den Verwandten dem nächsten Anrainer anzufeilen. Ähnlich spricht auch das Bergtaiding von Glognitz [Seite: 185] (I, 309; vgl. ferner I, 328) von dem Näherrechte des Nebenteils nach dem Vorkaufsrechte des Freundes. Beachtenswert ist eine Bestimmung des Bergtaidings zu Saubersdorf (I, 126), welches den nächsten Nachbarn davor zu schützen trachtet, daß ihm das Gut „zu teuer angeschlagen" wird. Es sieht eine Schätzung des Gutes durch den Richter unter Zuziehung der „perkfierer" vor und gibt dem nächsten Nachbarn Gelegenheit, sein Näherrecht durch Erlegung des so ermittelten Preises beim Richter auszuüben. — Dem Näherrechte des Anrainers oder nächsten Nachbarn ist das Vorkaufsrecht für jene ähnlich, die Teile eines ursprünglich ungeteilten Gutes erworben haben. Solches Näherrecht mit den Folgen der Nichtbeachtung desselben regelt ausführlich ein Taiding des Stiftes Heiligenkreuz aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (I, 467) : „Ob zwen ain erb zu veld oder zu dorf taileten und ainer der musset seinen tail hernach verkaufen, so sol er es den andern anfailen und im das nach rat der nachparn zu dem andern tail zu kaufen geben. so es aber der ander tail nicht vermag ze kaufen, so mag er seinen frumen damit schaffen und ainem andern nach rat der nachparn zu kaufen geben. so aber ainer fräflich darinnen handelt an willn und wissen der herrschaft oder der nachpawrn und zu widerwertigkeit verkaufen oder mit ainem der nicht fuglich wär zuestiftn wolde, hat verbandlt 5 tal. phening" (vgl. ferner I, 1036, 198, 414, 482, 554 mit Einstandsrecht). Von verwandten Erwägungen ist das vereinzelt für den früheren Verkäufer eines Grundstückes aufgestellte Vorkaufsrecht getragen, wie es für den Markt Gresten (III, 643) mit den Worten ausgesprochen wird: „und wer es kauft der in der herrschaft ist und es hernach wider verkaufen will, sol ers den wider anfailen und geben da ers von kauft hat, damit es nicht aus der herrschaft kom, das dan in allweg verpotten ist."
Für die Reihung der Näherrechte galt, daß das Näherrecht der Anrainer und Gespilden, sowie jenes der Freundschaft dem allgemeinen Vorkaufsrechte der Dorfgenossen vorgeht. [Seite: 186] Innerhalb der beiden besonderen Näherrechte ist die Reihung in den Weistümern nicht einheitlich. Teils sind die Anrainer vor die Freundschaft gestellt, teils steht der Anrainer den Verwandten mit ihrem Näherrecht nach. Wie zahlreich die Regelungen von nachbarlichen Näherrechten in den Texten der Niederösterreichischen Banntaidinge sind, so mag es doch nicht unterlassen werden zu bemerken, daß die Österreichischen Weistümer von den Salzburgischen und insbesondere von den Tirolischen Weistümern an Ausführlichkeit der Normen übertroffen werden. Allerdings sind es hier zumeist grundherrliche Satzungen und nicht Weistümer im engeren Sinne, welche solche weit eingehendere Bestimmungen über verwandtschaftliche und nachbarliche Näherrechte, in diesen Quellen, „Losungen" genannt, bringen. Ein typisches Beispiel hiefür bietet die Ordnung des Gerichtes Buchenstein aus der Mitte des 16. Jahrhunderts (Tirolische Weistümer IV, 1, 695); sie ist wegen der in den Niederösterreichischen Weistümern nicht vorkommenden genauen privatrechtlichen Regelung der Rechte und Pflichten des in den geschlossenen Verkauf Einstehenden und des Käufers besonders beachtenswert.
Ähnlich wie die grundherrlichen Näherrechte ergreifen jene der Dorfgenossen die Fahrnis dort, wo es sich um Gegenstände handelt, welche für die Bewirtschaftung des Gutes oder für die Erhaltung der Baulichkeiten erforderlich sind. An erster Stelle stehen die mannigfachen Vorkaufsrechte der Dorfgenossen beim Verkaufe von Dünger, Mist und Stroh. Aus der ziemlich großen Zahl der dieses Vorkaufsrecht betreffenden Weistümerstellen sei im besonderen auf die Rechte zu Öd (III, 665) hingewiesen, wo das Vorkaufsrecht bezüglich des Mistes vereint mit dem Vorkaufsrecht bezüglich des Hauses und der Äcker bestimmt wird. Das Banntaiding zu Habersdorf (IV, 239) gibt dem Näherberechtigten ausdrücklich ein Einstandsrecht im Falle der Verletzung seiner Näherberechtigung. Eine Rücksicht auf den Bedarf der Dorfgenossen zeigt des weiteren die [Seite: 187] Festsetzung von Vorkaufsrechten der Grundholden hinsichtlich des Holzes. Als Beispiel hiefür sei das Banntaiding zu Mistelbach (IV, 231) angeführt, welches gleichzeitig ein Einstandsrecht gewährt: „ob der pharr wolt verkaufen ain leiten holz, so soll der pharr die selb leiten holz die holden anvailen drei virzehen tag vor, ob er dess nicht tätt und verkaufts, so müg wier wol in den kauf gestehen als die leiten holz von alter her verkauft ist worden." Die Vorkaufsrechte bezüglich der Fahrnis folgten zuweilen selbst ganz besonderen Bedarfsfällen. Dies zeigt z. B. ein Banntaiding der Herrschaft Rosenberg (II, 789), welches den Müllern ein Vorkaufsrecht bezüglich der Holzblöcke einräumt, deren sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtung, eine Brücke zu bauen, bedürfen. — Endlich sei eine Eintragung der ehehaften Taidingspunkte im Mühlgraben aus dem 18.Jahrhundert (II, 1005) vermerkt, welche bezüglich des grundherrlichen Vorkaufsrechts an Viktualien eine Ablösung desselben durch eine bestimmte Geldleistung in Betracht zieht und damit seine Abschaffung vorbereitet: „es seie dan das die herrschaft sich mit denen unterthanen diser anfailung halber verglichen und anstatt der anfailung was gewisses an gelt nehme."
Im Zusammenhange mit den Näherrechten zum Schutze der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Nachbarn und der Herrschaft stehen die Vorschriften, welche den Für- und Aufkauf von Waren verhüten wollen187.1. In den hier behandelten Niederösterreichischen Weistümertexten sind Verbote des Fürkaufs nicht selten, ja sie stehen an Häufigkeit den Regelungen der Näherrechte nicht nach. Dies ist, wie dies schon Crebert [Seite: 188] hervorhebt, eine Besonderheit gegenüber den sonstigen Gebieten der Weistümer. Es ist schwer, den Grund für diese Verschiedenheit des Auftretens der Verbote des Fürkaufs festzustellen. Meiner Ansicht nach war die stärkere Beachtung des Fürkaufs in den Niederösterreichischen Weistümern vielleicht von dem kräftigen Ankämpfen gegen den Fürkauf großer süddeutscher Handelsgesellschaften beeinflußt, welches sich in den Regelungen der Landesordnungen und der städtischen Rechtsquellen und des Landrechts fortsetzt. Ein Fremdkörper im Bereiche der Weistümer scheinen uns die gegen den Fürkauf gerichteten Normen gleichwohl nicht zu sein; die volkstümlichen Fassungen der Verbote verraten in den meisten Fällen keine Übernahme aus anderen Rechtsquellen.
Inhaltlich sind die Verbote von den Gedanken getragen, die Bedarfsdeckung vor allem der Dorfgenossen nicht durch hinderndes Handeln trüben zu lassen. Wie andere Quellenkreise, verwenden unsere Weistümer für alle Arten der hier in Betracht kommenden verpönten Handlungen den Ausdruck „Fürkauf". Fürkauf heißt allgemein bei der gleichen Bedeutung von „für" und „vor" in der älteren Sprache ein Vorauskaufen in zeitlichem oder räumlichem Sinne. Es umfaßt der Fürkauf sachlich zwei voneinander zu scheidende Tatbestände. Einmal heißt es soviel, wie das frühere Kaufen von Waren, bevor die in ihrem Bedarfe zu Schützenden zum Zuge gekommen sind, das anderemal, in Entfernung von dem ursprünglichen Begriffe, das Kaufen von Waren über den eigenen Bedarf hinaus, um die gekaufte Ware später durch Weiterveräußerung gewinnbringend zu verwerten. Rechtsgeschichte und Wirtschaftsgeschichte halten gegenwärtig diese beiden Seiten des Fürkaufes auseinander durch die Unterscheidung zwischen Fürkauf im eigentlichen, engeren Sinne und Aufkauf. Es ist klar, daß die Verbote des eigentlichen Fürkaufs dem Schutze, welchen die Näherrechte gewähren wollen, viel näher stehen, als die Verbote des Aufkaufs. [Seite: 189]
Der Fürkauf im engeren Sinne ist der Kauf von Waren (Kaufmannschaft) aller Art hauptsächlich von Gegenständen, welche für die Hauswirtschaft der Dorfgenossen oder der Herrschaft benötigt werden, wie Lebensmittel, Vieh, Holz, bevor den Eingesessenen auf dem Markt Gelegenheit geboten ist, sich einzudecken. Die Verbote des Fürkaufs durchziehen das ganze hier behandelte Weistümergebiet vom 15. Jahrhundert beginnend, am stärksten verbreitet im 16. und 17. Jahrhundert. Ihre Fassungen betonen nachdrücklich, daß aller Kauf auf dem Markte zu geschehen habe. Im besonderen treffen die Verbote den Kauf auf dem Felde (vgl. das Banntaiding für Solenau schon aus dem Jahre 1412, I, 383), im „Gei" (vgl. Banntaiding zu Gfell ex 1604, II, 937), in den Häusern (vgl. Banntaiding für Melk ex 1519, III, 524), an „unbilliger Stätte" (vgl. Banntaiding zu Scheibs aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, III, 610). Zeitlich verpönen die Verbote den Kauf vor der rechten Suchzeit (vgl. Banntaiding zu Meidling aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, I, 752) oder bevor der Markt „fürkommt" (vgl. Banntaiding zu Groß-Weikersdorf vor 1499, II, 516). Selbst spätere Verbote enthalten in der Regel keinen direkten Hinweis auf landesherrliche Normen gegen den Fürkauf; solche Hinweise, wie etwa im Banntaiding zu Külb (III, 491), sind seltener.
Die Verbote werden nachdrücklich damit begründet, daß Nachbarschaft und Herrschaft in ihrem „Rechte gesichert werden müssen", ihre „Notdurft" zu kaufen. Besonders deutlich sprechen die Freiheiten und Rechte des Marktes Raabs 1533 (II, 227) dies aus, wenn sie allen Kauf verbieten „ee wir und unser nachkommen und der gemain burgersman sein notdurft kauft". Andere Weistümer sagen, daß ein Fürkauf verboten sei „unz arm und reich iren frumen schaffen" (vgl. Taidinge zu Lang-Enzersdorf ex 1512, II, 328) oder „ehe die burger ain genuegsam kauf hieten" (vgl. Gerechtigkeit und Gewohnheit zu Senftenberg ex 1524, II, 924). [Seite: 190]
Neben dieses Motiv einer Sicherung der Bedarfsdeckung stellt sich jedoch in gleicher Stärke ein zweites, daß durch den Fürkauf keine Schädigung im Wege gewinnbringenden Zwischenhandels eintrete. Diese Motivierung findet sich häufig, wie etwa im Banntaiding zu Unter-Döbling ex 1512 (I, 890), wo vom Fürkauf „von gewinnswegen" gesprochen wird, oder im Banntaiding von Mödling aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (I, 734), wo die Teuerung durch das „widerumb verkaufen" vorgesehen ist. Die Hervorhebung dieses zweiten Motives zeigt, daß mit den Verboten des Fürkaufs gleichzeitig dem Kaufe zwecks späterer handelsmäßiger Verwertung über den eigenen Bedarf hinaus gesteuert werden, mit dem eigentlichen Fürkaufsverbot, daher der Aufkauf mitgetroffen werden sollte.
Die Verbote beschränken sich nicht darauf, den Fürkauf allein in seiner klaren Form zu verfolgen. Es fehlt nicht an Vorschriften, welche verdeckten Formen des Handelns zu gleichem Zwecke, Verschleierungen aller Art vorzubeugen suchten. Beispiele hiefür bieten Weistümerstellen, die das „fürhalten" von Waren für den Besteller dem Fürkauf gleichachten (vgl. Banntaiding zu Stronsdorf ex 1521, IV, 291), welche alle Gemeinschaften verbieten, die dazu dienen könnten, den „phenbert" zu vertreiben (vgl. Markttaiding zu Ipsitz, III, 796), oder die schlechthin alle heimlichen Verträge mit den Bauersleuten mit der gleichen Strafe, wie den Fürkauf selbst, belegen (vgl. II, 227).
Die Rechtsfolgen der Verletzung des Fürkaufsverbotes lagen in Geldstrafen und im Verfall der fürgekauften Ware. Seltener sind selbst Leibesstrafen vorgesehen. Bestraft wurde in der Regel der Fürkäufer. Zuweilen wurden beide Teile, der Käufer wie der Hingeber, von Strafen betroffen (vgl. II, 228). — Es war dem öffentlichrechtlichen Geiste der Weistümernormen entsprechend, daß die privatrechtlichen Folgen des Fürkaufes in der Regel nicht in Betracht gezogen wurden; nur die [Seite: 191] stellenweise festgelegte Verpflichtung, den in ihrer Bedarfsdeckung Geschädigten den Schaden abzutragen, wie dessen z. B. das Banntaiding zu Gfell ex 1604 (vgl. II, 936) und die Rechte der Bürger zu Spitz ex 1480 (II, 998) Erwähnung tun, berühren diese Seite. Der Auffassung des Fürkaufs als eines Verbrechens entsprach die Anzeigepflicht des wahrgenommenen Einkaufes (vgl. hiezu die bei Crebert, a. a. O. S. 287, vermerkten Stellen). Diese Pflicht war sowohl den aufsichtsführenden Amtsorganen, wie den Eingesessenen auferlegt. Es gewährt jedoch einen Einblick in die trotz aller Verbote fortdauernde Verbreitung des Fürkaufens, wenn die Weistümer die Anzeigepflicht wiederholt einschärfen, ihre Unterlassung mit Strafe belegen müssen (vgl. Banntaiding zu Rohr und Schwarzau im Gebirge aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, I, 346), wenn in ihnen vom Verschweigen der Fürkäufe, um den Täter zu begünstigen — von gunst willen —, die Rede ist (vgl. Banntaiding zu Heiligenstatt aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, I, 911).
Im Markte, während der Marktzeit, trat die Bedarfsdeckung durch die Eingesessenen ein. Hier galt der Grundsatz, daß kein Gast die Eingesessenen darin beeinträchtigen dürfe, wie dies etwa das Bannbuch zu Gahrs ex 1430 (II, 792) oder das Banntaiding zu Gfell ex 1604 (II, 930) zeigen. Insbesondere ergab sich das Kaufverbot für die in das Dorf kommenden Kleinhändler, die Fragner und die Fragnerinnen während der Marktdauer, was zahlreiche Weistümerstellen aussprechen. Hieher gehören auch die Bestimmungen der Weistümer, wie des Taidings zu Weikendorf ex 1555 (II, 46), welche den auswärtigen Fleischern den Viehkauf auf dem Markte zu dem Zwecke, um die gekauften Stücke auf demselben Markte weiterzuveräußern, verbieten und ihr Handeln dem Fürkaufe gleichstellen.
Mit dem Ende des Marktes fand die Grundlage des Fürkaufsverbotes ihren Schluß. Wie der Beginn des Marktes durch äußere Merkmale gekennzeichnet war, so geschah dies auch für sein Ende. Solches Zeichen war insbesondere die Wegnahme des [Seite: 192] Markthütels oder der Fahne (vgl. z. B. das Banntaiding von Ravelsbach ex 1543, II, 535, oder die Gerechtigkeiten von Mödling ex 1643, I, 579). Nun wurde der Kauf frei, es konnten die Fragner und Fragnerinnen für ihr Gewerbe Waren aufkaufen (vgl. z. B. das Banntaiding zu St. Andree ex 1489, III, 37, oder das Banntaiding von Melk aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, III, 516). Ein Aufkauf über den Kreis der gewerbsmäßigen Händler hinaus war nicht im Geiste der Wirtschaftsordnung gelegen. In dieser Hinsicht ist die allerdings späte Regelung der ehehaften Taidingspunkte im Mühlgraben (II, 1005) besonders bemerkenswert. Es wird hier genau der Kauf für den eigenen Hausbedarf und der Verkauf der in der eigenen Wirtschaft erzeugten Gegenstände vom Aufkauf unterschieden. Diese Regelung kommt der heutigen Begriffsabgrenzung des Spekulationskaufs nahe und kann als ein geschichtliches Vorbild derselben angesehen werden. Es wird zunächst dem Hausgenossen gestattet „zu seiner hausnothdurft allerlei traid, item ochsen auch anderes klein und grosses vieh wie auch leinwath, garn und anderes so er zu seiner selbstunterhaltung bedarf" zu kaufen, „doch das er solche erkaufte wahr nicht vermers verkaufe". Daran schließt sich die Berechtigung „sein eigen erzigletes viech, auch was er erbauet und in seinem haus erzeugt, seiner gelegenheit nach" zu verkaufen. Deutlich tritt die Absicht, den Spekulationskauf zu unterbinden, im Schlußsatze der Bestimmung hervor: „wo aber ein unterthann aus anderen ursachen und blos des liederlichen tauschen und fennern willen (Schacherwillen) sein zaug oder erkaufte waar widerumen verhantiert, das soll für einen fürkauf gehalten und gestraffet werden."
Die hier dargelegten kaufrechtlichen Bestimmungen der Niederösterreichischen Weistümer gliedern sich in den Gesamtinhalt der Weistümer ein. Ihr Wesen, ihr Alter, die Ursprünglichkeit oder Neuheit der Normen hängt daher mit dem [Seite: 193] Charakter dieser Rechtsquelle eng zusammen. In der Gesamtbeurteilung der Weistümer hat sich aber bekanntlich die Auffassung gewandelt. Mit der Entdeckung dieser Rechtsquelle durch Jacob Grimm war die höchste Wertung derselben als einer der ursprünglichsten, auf frühesten Gestaltungen und Rechtsideen beruhenden Quelle verknüpft. In gleicher Weise wurden die Weistümer sodann von Kaltenbaeck, G. L. v. Maurer, Thudichum, Osenbrüggen und insbesondere von Otto Gierke als eine der unmittelbarsten Quellen des deutschen Rechtslebens erachtet und entsprechend wissenschaftlich verwertet. Stobbe, Inama-Sternegg und Lamprecht waren von derselben Grundauffassung geleitet, wenngleich sie den in den Weistümern zutage tretenden grundherrlichen Interessen schon Rechnung trugen. In jüngster Zeit erwuchs jedoch eine dem ursprünglichen Werte der Weistümer abträgliche, ja ihn verneinende Ansicht, im Rahmen der Wiener von Alfons Dopsch geleiteten wirtschaftsgeschichtlichen Forschung. In den Arbeiten von Erna Patzelt193.1 und Hermann Wießner193.2 wurde in eindringlicher Erforschung des Zustandekommens der Weistümer, in scharfer Kritik der in den Weistümern festgelegten Wirtschaftsorganisation, die grundsätzliche Wahrung grundherrschaftlicher Interessen, die nichts mit ursprünglichen Rechtsgestaltungen gemein hätten, zu erweisen getrachtet. So stehen sich zur Zeit zwei Ansichten gegenüber: die des altertümlichen Charakters der Weistümer und jene ihres Gegenteils. Es scheinen mir aber die beiden Ansichten nicht unvereinbar. Im Inhalte der Weistümer sind zwei Gruppen der Bestimmungen auseinanderzuhalten: die Bestimmungen, welche mit der Wirtschaftsorganisation der Grundherrschaft selbst zusammenhängen und jene, die unabhängig [Seite: 194] hievon Normen für das Rechtsleben bringen. In jenem ersteren Belange mag die Kritik der Dopschen Schule triftig sein. In der zweiten Hinsicht bleibt jedoch die ältere Auffassung der Weistümer als ursprünglicher, volkstümliche Rechtsgedanken wiedergebender Quelle bestehen. Dies erweisen die hier behandelten kaufrechtlichen Bestimmungen. Wo das Interesse der Grundherrschaft unmittelbar berührt wird, sind sie dem Streben der Grundherren nach Verwirklichung und Festigung ihrer wirtschaftlichen Macht angepaßt, wie die Normen über den Erwerb der Liegenschaften, in welchen sich die materiellen Ansprüche der Grundherren durchsetzten, ferner in den zugunsten der Herrschaft festgelegten Geldstrafen und Rechtsfolgen. Andere Normen, welche von diesem grundherrlichen Interesse weniger oder nicht berührt sind, wie die Sicherungen des Bestandes und der Redlichkeit der Käufe, die Bestimmungen über den Handel mit verbotener Ware, über die Behandlung des Zechprellers, zeigen jedoch die Fortdauer alter Rechtsanschauungen.
Die hier geäußerten Gedanken können gewiß durch Fehrs Darstellung der Rechte von Frau und Kind in den Weistümern und durch meine frühere Untersuchung über das Wasserrecht der Weistümer erhärtet werden.