Michael Karnitschnig, Die Geschichte der protestantischen Ständeschule. In: Kollegium, Lyzeum, Gymnasium, Klagenfurt 1991, 17-32

Michael Karnitschnig, Die Geschichte der protestantischen Ständeschule. In: Kollegium, Lyzeum, Gymnasium, Klagenfurt 1991, 17-32 :: Digitale Bearbeitung Heino Speer 2015

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Heino Speer, Klagenfurt im Juli 2015.

Michael Karnitschnig, Die Geschichte der protestantischen Ständeschule

Am 24. April 1518 machte Kaiser Maximilian I. als Landesfürst den Kärntner Landständen — genauer: "derer von prelaten und Adel" — das 1514 von einer Feuersbrunst zerstörte Klagenfurt zum Geschenk. Die Klagenfurter Bürger wollten es jedoch nicht einfach hinnehmen, daß "all ihr freyhaiten und privilegien ... gentzlich und gar aufgehebt abgetan ... cassiert und vernicht"1 waren. Der greise Kaiser empfing in Wels zwar ihre beiden Delegierten, Lorenz Pirker und Pankratz Müller, doch am Dreinageltag 1519 erzwangen schließlich ständische Truppen die Übergabe der Stadt.

Die Landstände, meist als "die Landschaft" oder im Stil jener Zeit als "eine ehrsame Landschaft" bezeichnet, bestanden aus den weltlichen und geistlichen Grundherren. Gegenüber dem Landesherrn waren sie rechtsfähige Körperschaften und vertraten so das Prinzip des Föderalismus. Die Stände waren nicht überall gleich gegliedert; in Kärnten gab es die Kurien des Adels, der Prälaten und der bescheiden vertretenen Abgeordneten der Städte. Die Landtage wählten in dieser Zeit bereits eine Regierung; in Kärnten waren dies sechs Adelige und ein Bürger, denen ein Rat aus neun Adeligen und einem Bürger beistand. Dieser Ausschuß repräsentierte beinahe ganz Kärnten. Den Vorsitz hatte der von den Ständen gewählte Burggraf inne, der gleichzeitig Vorgesetzter der Klagenfurter Bürgerschaft war. Außerdem hatte er den Oberbefehl in militärischen Angelegenheiten der Stadt und war Präsident jenes Gremiums, das aus einem Dreiervorschlag den Stadtrichter zu küren hatte.

Diese Macht — es war eine verfassungsrechtlich einzigartige Situation, daß eine Landeshauptstadt Eigentum der Stände war — förderte das Selbstbewußtsein der Stände; sie wagten es immer wieder, dem Landesherrn sowohl in politischen als auch religiösen Fragen die Stirn zu bieten. So gewährte Erzherzog Karl (1564-1590) angesichts der allgemein drohenden Türkengefahr den Bürgern der Städte Graz, Judenburg, Laibach und Klagenfurt in einem feierlichen mündlichen Versprechen [Seite: 18] 1572 die bedingte und 1578 auf dem Brucker Landtag die volle Glaubensfreiheit*1. Dabei wurden die Klagenfurter Schule und ihr Rektor Andreas Laborator ausdrücklich erwähnt. Der Kärntner Adel war schon seit Jahren vorwiegend protestantisch gewesen, und der Vikar Martin Knorr hatte 1563 öffentlich den ersten protestantischen Gottesdienst abgehalten.

Die Stände forcierten den politischen und kulturellen Aufstieg Klagenfurts. Der aus Lugano stammende Baumeister Domenico dell'Allio († 1563), der später Hochosterwitz befestigte, entwarf die ersten Pläne für eine neue Feste, und man begann den Bau eines Zeughauses, des Erdgeschosses des Nordflügels im heutigen Landhaus. Im Jahre 1527 wurden die Aushubarbeiten für den "Seegraben", den Lendkanal, begonnen, sieben Jahre später angesichts der Türkengefahr jene für den Wallgraben rund um die rasterförmig angelegte Stadt.

Um ihre Position zu festigen, schritten die Stadtherren nun an die Verbesserung des Schulwesens. Zu dieser Zeit gab es neben der deutschen Stadtschule, die Schreiben und Lesen lehrte, die "lateinische Schule am Freithof" bzw. "bei St. Egidi Pfarrkirchen". Eine Mädchenschule wird erst 1589 erwähnt. Demnach konnte der Einfluß der Stände nur durch die Installierung einer höheren Schule in Klagenfurt und die daraus resultierende Heranbildung geeigneter Männer weiterhin aufrechterhalten werden.

Weiters sollte diese Schule den geistigen Unterbau für einen späteren Hochschulbesuch schaffen. Die Universitäten von Tübingen und Wittenberg waren 1535 bzw. 1520 zum neuen Glauben übergetreten; an letzterer zählte man innerhalb von 50 Jahren 29 Kärntner, 32 Steirer, doch nur fünf Krainer, die den Protestantismus in ihre Heimat brachten. Einer von ihnen war David von Ungnad, der in Wittenberg Philipp Melanchtons Lieblingsschüler und später selbst dort Rektor war. Über ihn heißt es: "Darum eben hat ihn Phillipus Melanchton lieb gehabt, nicht allein um seines hohen Standes, sondern auch seines Ingenii und trefflichen Gaben willen.2"

Das Bestehen dieser höheren Schule mit halbuniversitären Eigenschaften ist spätestens ab 1552 historisch gesichert. In diesem Jahr wurde "der ersame und gelerte, ainer ersamen Landschaft in Khärendten gewester [Seite: 19] preceptor zu Clagenfurt" — diesen Titel trugen die später als "Rektor" bezeichneten Leiter der Landschaftsschule vor 1577 — Michael Kerner auf Befehl König Ferdinands I. zweimal durch den Bischof von Gurk, Johann von Schönberg, auf seine Rechtgläubigkeit hin untersucht, was jedoch außer acht Büchern lutheranischen Inhalts keine Beweise erbrachte3.

Michael Kerner wurde um 1513/15 im salzburgischen Lungau, wo seine Familie drei Bauernhuben besaß, geboren. 1531 schrieb er sich an der Universität Leipzig ein, an der er 1533 den Grad eines Baccalaureus erwarb. 1536 ging er nach Wittenberg, wo er den Magistergrad erreichte und sich, nachdem er Luther und Melanchthon selbst gehört hatte, wohl endgültig für die Reformation entschied.

Für eine längere Tätigkeit Kerners in Kärnten vor 1552 spricht seine Heirat mit einer Klagenfurter Bürgerstochter, wahrscheinlich einer geborenen Kegel, sowie der für einen damals oft wandernden Schulmeister umfangreiche Grundbesitz an seinem Wirkungsort — Kerner war offensichtlich wohlhabend! Von seinem Nachfolger ab ca. 1555, Andreas Scheucher, hieß es 1583, er sei "ein so alter diener bey der schuel über 30 Jahr gewest", doch er wurde mit nur 80 Gulden jährlich entlohnt. 1555 ist Michael Kerner bereits als Schulleiter in der Reichsstadt Schwäbisch Hall nachweisbar, wo er als Witwer neuerlich heiratete und zum Stammvater der Ahnenreihe des Dichters Justinus Kerner († 1862) wurde. Die schon erwähnten religionsbedingten Probleme mit der Obrigkeit dürften maßgeblich zu dieser Ortsveränderung beigetragen haben.

Auf den schon erwähnten Scheucher, der von 1560 bis 1570 als Rektor nachweisbar ist, folgte 1572/74 der Flacianer Hieronymus Haubold († 1579) als Präceptor. Dieser hatte zwischen 1566 und 1568 den Posten eines Rektors der Schule zu Geringswalde bei Rochlitz in Sachsen bekleidet und dann das Gymnasium von Regensburg geleitet, wo Flacius Illyricus unterrichtete. Von dort flüchtete er vor den Verfolgungen des Kurfürsten August von Sachsen ins Kloster Eden bei Georgswalde. Schließlich kam er nach Klagenfurt und begann bald, gemeinsam mit dem aus Eger in Böhmen stammenden Stadtpfarrer Andreas Lang († 1583), der vorher Prediger bei Johann von Ungnad in Waldenstein gewesen war und selbst eine Abhandlung "Von der Seligkeit" verfaßt [Seite: 20] hatte, ab 1571 von Kanzel und Katheder flacianisches Gedankengut zuverbreiten. Dies brachte ihn mit dem Prediger und Lehrer Ambrosius Ziegler, dem die Stände 1574 eine von Hans Gaißmair gefertigte Medaille mit der Beschriftung "schola provincialis nobilium puerum" verliehen hatten, in einen heftig ausgetragenen wissenschaftlichen Konflikt über die Erbsünde.

Mathias Flacius Illyricus, der 1562 in Klagenfurt eine Universität gründen wollte, hatte nämlich auf dem Weimarer Colloquium 1560 behauptet, daß durch den Fall Adams die Erbsünde zur Substanz des Menschen geworden sei, was die Melanchthonianer verneinten. Nachdem ihnen mehrere Male Schweigen auferlegt worden war, sahen die Stände sich gezwungen, die "flacianischen Lärmbläser" samt ihrem Gegner Ziegler am 26. November 1575 zu entlassen. Haubold starb 1579 in Eferding in Oberösterreich, Lang 1583 als Pfarrer von Wülfersdorf bei Mistelbach a. d. Zaya.

1577 bis 1580 war Andreas Arbeiter, genannt Laborator, Rektor des Klagenfurter Gymnasiums. Von 1573 bis 1598 wirkte er als Lehrer an der Schule. 1562 hatte er in Wittenberg studiert, wo er mit dem Beinamen "Carinthus" in den Matrikeln aufscheint. Im Jahr darauf besuchte er die Universität Leipzig. In Kärnten wurde er anläßlich der Taufe seines Sohnes am 26. März 1573 erstmals urkundlich erwähnt. 1574 betrug sein Gehalt bereits 125, 1582 200 Gulden, da er nunmehr auch Musik- und Schreiblektionen erteilte. (Andreas Scheucher hatte bekanntlich lediglich 80 Gulden erhalten.) Im November 1598 wurde Laborator zuletzt genannt, als innerhalb von sechs Wochen zwei seiner Kinder an der Pest starben. In diesem Monat fielen insgesamt 115 Klagenfurter der Seuche zum Opfer.

Jakob Prentl ist von 1581 bis 1585 als Rektor nachweisbar. Er war davor Mitvisitator der lateinischen Schule "am Freithof", später Gesellpriester und Prediger. 1585 übernahm er das Rektorat der landschaftlichen Schule in Laibach. Der Rat der Stadt Klagenfurt ehrte ihn durch "ein Present und eine Zehrungshilfe" sowie durch "ein Testimonium gemainer Stadt". Nachdem er sich vergeblich bemüht hatte, mehrere Mißstände an seiner neuen Anstalt zu beheben, trat Prentl 1595 aus dem Dienst.

Im Jahre 1578 hatten die von den Ständen der drei innerösterreichischen Länder (Steiermark, Kärnten, Krain) beauftragten Prediger und [Seite: 21][Ehrpfennige des Klagenfurter Gymnasiums und Gedenkmedaille von Andreas Ziegler († 1578), Superintendent des Gymnasiums bis 1575, von Hans Gaißmair († 1600)] [Seite: 22] Schulmeister — Bernhard Steiner und Jakob Prentl als Vertreter der Kirche sowie Andreas Laborator als Rektor repräsentierten Kärnten — auf dem Generallandtag in Bruck an der Mur eine Schulverfassung angenommen, die der Rostocker Professor David Chyträus 1574 für die ständische Schule in Graz ausgearbeitet hatte. Dieses Modell, das nunmehr auch für die "Landschaftliche Schule" in Klagenfurt galt, bestand aus zwei Abteilungen: Die untere, die "schola puerilis", umfaßte drei Dekurien, die obere vier Klassen, von denen die letzte "publica" hieß. Die damals bedeutendsten Unterrichtsgegenstände dürften der Katechismus und die Evangelien gewesen sein, doch auch Mathematik, Moral und elementare Astronomie wurden gelehrt. Zu letzterem Zweck war eine eigene hölzerne Sternwarte vorhanden. Der Unterricht dauerte täglich sechs Stunden, die gleichmäßig auf den Vor- und Nachmittag verteilt waren. Er begann vormittags im Sommer um sechs, im Winter um sieben, nachmittags allgemein um zwölf Uhr und wurde nur an Mittwoch- und Samstagnachmittagen und während der "Hundstage" zwei Wochen lang ausgesetzt.

Die Schulordnung diente vor allem der Festigung der Autoritäten. Jene der Laibacher Lateinschule schrieb zum Beispiel vor, daß "die Knaben fein sauber gebutzt in die Schuel und nit wie die Schwein in ein Stall" erscheinen und "ihr Negel und Haar abschneiden und kemmen, ihre Angesicht, Mund und Hand waschen" müßten4.

Den Zöglingen war die ständische Bibliothek zugänglich, um ihnen auch die Möglichkeit zu geben, sich Spezialwissen anzueignen. Nach den Jahresabschlußprüfungen wurden jene Schüler, die dem Lehrziel, einer Gesamtbildung im humanistischen Sinne, am besten entsprochen hatten, in einer Feier mit Ehrpfennigen ausgezeichnet. Einige, wie der in einem Landesausschuß-Protokoll erwähnte Erasmus Kurzleb, erhielten Stipendien, um an Universitäten des Reiches zu studieren bzw. dort gemachte Schulden bezahlen zu können.

Ein bekanntes Beispiel für die umfassende Bildung dieser Epoche ist Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus. 1493 in Maria Einsiedeln in der Schweiz geboren, kam er 1502 mit seinem Vater Wilhelm nach Villach, wo er die Lateinschule besuchte. Danach bildete ihn eine höhere Schule im Lavanttal weiter. [Seite: 23] [Bildunterschrift:] Philipp Marbach (1550-1611), 1585 bis 1593 Rektor des Klagenfurter Gymnasiums; ältestes Porträt eines Klagenfurter Rektors (nach 1611) (Straßburg/Elsaß, Chapitre de Saint-Thomas)] [Seite: 24]

Später, nach langen Jahren der Wanderschaft durch ganz Europa, hoffte der Philosoph, Alchimist, Mystiker, Naturforscher und Arzt Paracelsus, in Kärnten eine bleibende Heimat zu finden. Die Stände versprachen ihm, sein "Schatzkästlein der Kärntner Berge", ein Loblied auf die Bodenschätze dieser Region, und seine "Kärntner Chronik" drucken zu lassen, ließen ihn aber zwei Jahre warten, worauf er vergrämt nach Salzburg zog, wo er 1541 starb.

Die Leitung der nach solcher Allgemeinbildung strebenden Schule, in die laut Verordnung auch talentierte Schüler aus dem Bürgertum aufgenommen werden sollten, und des angeschlossenen adeligen Konviktes oblag dem Rektor, doch auch einem Exerzitienmeister, der letzteres betreute. Das Konvikt machte ferner durch Aufführung kleiner dramatischer Dichtungen sowie durch Freifecht-Turniere von sich reden.

Die oberste Schulbehörde setzte sich aus dem ständischen Schulinspektor oder Scholarchen, einigen gelehrten Männern verschiedenen Standes sowie zumeist dem Stadtpfarrer zusammen. Bald stieg die Zahl der Lehrkräfte, die in der Regel an den deutschen Universitäten ausgebildet worden waren, auf neun. Kein Lehrer wurde angestellt, ehe man sich seines Bekenntnisses zur reinen Lehre, der Augsburger Konfession, sicher war. Keine Schulperson durfte ohne vorherige Zensur durch die Inspektoren Schriften drucken lassen. Jeder Rektor mußte öffentlich erklären, daß er mit der Kaiser Karl V. 1530 überreichten "Augsburger Konfession", Doktor Luthers Katechismus und dem "Corpus doctrinae Philippi" übereinstimme.

1586 verließ die landschaftliche Schule ihre provisorischen Unterkünfte in Privathäusern und übersiedelte in die von Antonio Verda unter dem Rektor Philipp Marbach geschaffene heutige Burg. Die Anstalt bekam nun den Titel "Collegium sapientiae et pietatis", was einerseits auf die dort vermittelte sowohl religiöse als auch allgemeinbildende Erziehung hinweist, andererseits den Anspruch auf eine Kärntner Universität offen aussprach. Im Jahr zuvor hatte Graz eine Hochschule erhalten, und die höhere Abteilung der Landschaftsschule ähnelte bereits einer damaligen Artistenfakultät.

1588 schrieb Michael Gothard Christalnick in der Vorrede zur von ihm verfaßten ersten wissenschaftlichen Geschichte Kärntens, der "Historia carinthiaca" [Digitalisat: Ausgabe 1612], nach einem Vergleich mit der Universitätsstadt Bologna: "Wie wol nun in Kärndten niemals eine hoche schuel gewesen, sovil mir [Seite: 25] [Abbildung: Das "Collegium Sapientiae et Pietatis" (heute "Burg") in Klagenfurt]

wüssent, so ist doch die schuel, vor wenig jaren von einer ersamen landtschaft zue Clagenfurt angerichtet, fast beruemt, in welcher mit grossem uncosten gelerte menner erhalten werden und denselben die beruembtesten zu achten Philippus Marbachius, der heiligen schrüfft doctor, und Adamus Colbius, der freyen künsten magister und diener des euangelions daselbsten, von denen die theologia rein und unverfelscht auch die kriechische und lateinische sprach zusambt den freyen künsten mit großem nutz providiert und öffentlich gelesen werden, daß die herren und landtleut nicht müessen ihre kindern, wie zuvor beschechen, auswendig in das Reich zu den studiis schiken, darauf dann zuvor große uncosten aufgegangen sind."5

Der von Christalnick erwähnte Philipp Marbach († 1611) war zur Zeit der Übersiedlung Rektor. Er wurde 1550 in Straßburg geboren. Sein Vater, Johannes Marbach, war Dekan der dortigen Akademie. Philipp Marbach erwarb die Titel eines Doktors und Professors der Theologie. Über Basel kam er nach Graz, wo er von 1574 bis 1576 Prorektor und von 1577 bis Juli 1579 Rektor an der Stiftsschule war. Dann ging er als [Seite: 26] Professor der Theologie und Inspektor des dortigen Kollegiums nach Heidelberg. Als Rektor des "Collegium sapientiae et pietatis" zu Klagenfurt wird er das erste Mal am 26. Jänner 1585 und zuletzt am 11. Jänner 1592 genannt. In seiner Amtszeit erhielt das Kollegium sein neues Gebäude; außerdem beteiligte er sich an der Abfassung einer neuen Kirchenordnung. Fünf seiner Kinder, Paulus, Erasmus, Ulrich, Anna Maria und Maria, wurden in Klagenfurt getauft. Er ist der erste Klagenfurter Rektor, von dem ein Porträt erhalten ist.

In seinen letzten Lebensjahren wirkte er als Professor in seiner Heimatstadt Straßburg, wo er 1611 starb.

Neben Marbach nennt Christalnick auch den Namen Adamus Colbius Fagius, der von 1586 bis 1594 an der Schule tätig war. Sein Name findet sich erstmals, als ihm 1586 die feiertäglichen Predigten zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten sowie an den Aposteltagen übertragen wurden, "neben seinem Schuldienst, dazu er fürnemblich berufen". Nachdem der bisherige Stadtpfarrer Bernhadin Steiner 1594 gestorben war, folgte ihm Colbius, der schon seit Ende 1593 die Matrikelbücher geführt hatte, als "pastor ecclesiae parochialis" nach. Er stand der Stadtgemeinde bis zum endgültigen Sieg der Gegenreformation am 15. März 1601 vor.

Ein weiterer Lehrer des Kollegiums war Johann Kühn (Cunius), der zwischen 1579 und 1584 des öfteren als "einer ersamen Landschaft Physicus und Procerum Medicus" in den Urkunden aufscheint, nach dem unerwarteten Abgang Haubolds jedoch auch das Rectorenamt für kurze Zeit ausgeübt haben dürfte. Aus seinem Gedicht "Zodiacus vitae" (Tierkreis des Lebens) weiß man, daß er aus Breitenbach am Rhein stammte. Er studierte klassische Sprachen und neuplatonische Philosophie in Köln und in Bologna Medizin. Dem Andenken seiner Eltern, die er frühzeitig verloren hatte, ist ein weiterer Teil dieses Werkes gewidmet.

In dem Lehrgedicht "Zodiacus Medicinae" (Tierkreis der Medizin), das zum Dank an die Kärntner Stände mit einer Lobrede versehen ist, rühmte er die Heilkunde und beweist seine Kenntnisse der Philosophie, Poesie und Mythen der Antike. Seine Verse "... wie du Mahoms Geschlecht, den Samen der Hölle vernichtest; Unter dem mächtigen Schild des Helden Austrias, Carols, Und aus Christi Gebiet mit siegenden Waffen hinwegdrängst"6, zeigen, daß er auch die Leistungen Kärntens im [Seite: 27] Türkenkrieg poetisch verarbeiten wollte. Dieses Vorhaben realisierte er allerdings nicht.

Auch der Dichter Urban Paumgartner († 1630), ein gebürtiger Kärntner, wirkte von 1588 bis 1600 als Lehrer an der adeligen Schule, an der er wohl auch ausgebildet worden war. Möglicherweise hatte er nach dem Abgang Philipp Marbachs auch kurz das Rektorat inne.

Im Jahre 1605 schrieb der Humanist Paumgartner das "Aristeion Carinthiae Claudiforum Gratae memoriae ergo Heroico Carmine donatum ab Urbano Paumgartnero V. C. Lavingae rhetorum Anno 1605" (Der Ehrenpreis Kärntens, Klagenfurts dankbaren Angedenkens wegen mit einem heroischen Gedichte beschenkt von Urban Paumgartner, Lauingen 1605). Die Stände bezahlten ihm "zu einer Ergötzlichkeit seiner darunter gehabten Bemühung" 30 Taler. In 1068 lateinischen Hexametern, die in 18 Abschnitte gegliedert sind, besingt er die Entstehung der Renaissancestadt Klagenfurt.

"Nach der Väter Beschluß und Gebot erheben sich neue
Wälle, der Schutt wird entfernt, verfallene Mauern und Häuser
Freun sich der bessernden Hand und erstehen verjüngt aus Ruinen ..."
"Nicht unfertig doch läßt sie das einmal Begonnene liegen,
Sondern, damit es zum Spott nicht werde begieriger Nachwelt,
Drängt und treibt sie zum Werke, die Mittel täglich gewährend."7

Das Lobgedicht enthält, dem geographischen Interesse jener Zeit entsprechend, den ältesten Plan der neuen Stadt. Obwohl es teilweise poetisch ausgeschmückt ist, gilt es als die kulturgeschichtlich bedeutendste Dichtung Kärntens aus dem 16. Jahrhundert; es ist der Beginn der Kärntner Stadtgeschichtsschreibung.

Auch seine einstige Arbeitsstätte beschrieb Paumgartner in diesem Werk:
"Dieses Gebäud' enthält im Geviert und hoch und geräumig,
Wenn auch unvollendet zur Zeit noch, dreißig Gemächer ..."
"In der Mitt' erhebt sich auf offenem Platz ein Theater
Festlichen Bühnenspielen geweiht, durch verschiedene Runde
Ausgezeichnet, in deren Umkrümmungen Chöre zu singen
Und zu stampfen pflegten ..." [Seite: 28] "Jener Winkel (...) trägt ein Türmchen aus wohlgefügten Bohlen ..."
"Drehen kannst du allhier die Kugeln der Erd und des Himmels
Und der Planeten verschiedne Bewegungen deutlich erkennen,
Nach Fixsternen auch wohl mit dem Astrolabium ausspähn ...”

Bemerkenswert sind auch folgende, dem schulischen Leben gewidmete Verse:
"Wenn wir Lehrer den Zöglingen einmal Muße gewährten,
Wir die vom eifrigen Lernen ermüdeten Knaben geleitet,
Hier zu laufen, zu ringen, im Kriegsspiel sich zu vergnügen,
Und die Scheiben im Wurf zu schwingen vergönnten wir, selber
Boten wir manchmal auch zu gestattetem Kampfe den Anlaß."8

Trotz aller schmückenden Wendungen gibt uns Paumgartner eine genaue Schilderung der Schule, die für die damalige Zeit verhältnismäßig gut ausgestattet war.

Das "Aristeion Carinthiae Claudiforum" ist ein wehmütiger Rückblick auf die Jahre, die er in Klagenfurt verbrachte. 1600 mußte Paumgartner vor der Gegenreformation fliehen; später war er Lehrer in Lauingen, wo er sein Lobgedicht publizierte, und ab 1618 in Enns. Von 1621 bis 1624 war er Konrektor der landschaftlichen Schule in Linz, an der zu jener Zeit auch Johannes Kepler wirkte.

In jener Zeit verfaßte Paumgartner noch ein lateinisches allegorisches Gedicht "Der geistliche Schulwagen" (Linz 1618), dem eine deutsche Bearbeitung beilag.

Der Schulwagen entspricht einem allegorischen Kupferstich, der die Hauptstände, Kirche, Staat und Familie als drei Wagen zeigt, die von verschiedenen Tieren gezogen werden. Das Gedicht, das von zwei Schülern der Ennser Schule vorgetragen wurde, gliedert sich in vier Abschnitte: den Wagen, die vier Räder, die zwei Pferde und den Fuhrmann. Über die Mühen der Praeceptores heißt es:
"Biß in den ungerattnen Köpfen
Was guets an Zucht und Lehr einschöpffen,
dann da ghört grosse Kunst darzu
drey Ding zu laistn [Seite: 29] erstlich das du
Gebührlich straffst die Kinderlein
Und nicht erzürnst die Mütterlein."9

Daß Paumgartner jedoch kein Despot, sondern ein für seine Zeit pädagogisch sehr versierter Mann war, zeigen folgende Verse:
"Also die Kinderzucht auch soll
Gemessigt werden recht und wol
Das man das Kind nicht ehe erschröck,
Dann es das A b c erstreck,
Das es die Schuelen auch nicht halt
Für einen Tyrannischen gwalt,
Für ein abschewliches Fegfewr,
oder ein Nottstall ungehewr. ..."
"Der Lehrer soll dem Schueler fein
Wie ein Vatter wilfehrig sein
Soll heben, legen, bitten, flehn."9

Urban Paumgartner starb 1630 als Professor in Preßburg. Er, der sein Leben lang auf der Flucht war, war zu dem Schluß gekommen: "Das Vaterland ist dort, wo es gut ist; gut ist's, wo es frei, frei, wo es fromm ist."

Das "Collegium sapientiae et pietatis" war zweifellos auch eine Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt, etwa durch gelegenheitliche festliche Aufführungen kleiner Theaterstücke. 1589 gab man in der Burg (Landhaus) eine geistliche Komödie durch Nicolaus Sobrius zum besten. Die Schulbühne war ein Freilicht- und Gartentheater, in dem auch Vorstellungen mit Musik und Tanz stattfanden.

Der letzte und wohl bedeutendste Rektor des Kollegiums war der Schwabe Hieronymus Megiser (1616), der Herausgeber der "Annales Carinthiae", der der Schule von 1593 bis 1601 vorstand. Auch sein Vater hatte hier bis 1595 unterrichtet. Im Totenbuch der Stadtpfarre heißt es: "24. Decemb. wurde in V. C. begraben J. Hieronymus Megiserus der alte deß jungen J. Hieron. Megiseri Rectoris allhie Vatter, 70 jar alt, collega gymnasii allhie"10. Megiser junior amtierte in der Zeit der katholischen [Seite: 30] Gegenreformation, die den Protestantismus in den letzten zwei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts schrittweise zurückdrängte. Den Kärntnern und Steirern wurde befohlen, an der neu gegründeten Grazer Universität und nicht mehr an den deutschen Hochschulen zu studieren. 1598 wurde Millstatt Residenz der Grazer Jesuiten, die damit erstmals in Kärnten Fuß faßten.

Am 1. Juni 1600 verfügte Ferdinand II. in einem Dekret die Auflösung des protestantischen Kirchen- und Schulministeriums sowie die Ausweisung aller evangelischen Geistlichen und Lehrer aus Klagenfurt. Diese Weisung stützte sich vor allem auf das Gutachten des Georg Stobäus "De peracta reformatione religionis in Styria, Carinthia, et Carniola". Stobäus, der aus Ostpreußen stammte, wurde nach dem Tode Georg Agricolas 1584 Bischof von Lavant. Durch die Freiherren von Ungnad und den bambergischen Vizedom Hoffmann in Wolfsberg war die neue Lehre in dieser Diözese besonders weit verbreitet, doch es gelang Stobäus in unermüdlicher Hartnäckigkeit, den alten Glauben wiederherzustellen. Er starb im Alter von 86 Jahren in Töllerberg bei Völkermarkt; sein Grab befindet sich am Hochaltar der Domkirche St. Andrä. Sein 1748 gedruckter Briefwechsel mit Papst Klemens VIII., Erzherzog Karl und Ferdinand II., dessen Statthalter in Innerösterreich er von 1596 bis 1609 war, gehört zu den bedeutendsten Quellen zur Geschichte dieser Zeit in Kärnten.

Trotz allem schienen die Stände noch Hoffnung auf eine Duldung des Protestantismus gehabt zu haben, denn noch kurz vor der Ankunft der Reformations-Kommission gewährte man 27 Prädikanten Schutz in der Stadt. Unter dem Vorwand eines möglichen Angriffs der Türken wurden 600 Bewaffnete angeworben. Auf Befehl des Landesfürsten beschloß der Rat allerdings am 3. November 1600, doch mit der vom Bischof von Seckau, Martin Brenner, angeführten Kommission Verhandlungen aufzunehmen.

Schließlich unterwarfen sich die Verordneten dem Willen des Landesfürsten und entsprachen den Forderungen der geistlichen Herren, alle Prediger und Lehrpersonen der Stadt zu verweisen, das protestantische Kirchen- und Schulwesen in Klagenfurt für immer aufzuheben und den Bürgern zu befehlen, vor der Kommission zur Reformation zu erscheinen und während deren Anwesenheit in der Stadt keine Waffen zu tragen. Die 600 Bewaffneten wurden nach Völkermarkt geschickt. [Seite: 31]

Am 10. November 1600, einen Tag vor dem Eintreffen der Gegenreformatoren, verließen sämtliche Prädikanten und Lehrer Klagenfurt. Erstere kehrten nochmals für wenige Monate zurück. Man schenkte ihnen hohe Geldbeträge, entschädigte sie für ihre Häuser und brachte sie sicher über die Grenze. Den Professoren wurden wahrscheinlich anderweitig Stellungen beschafft. Megiser blieb bis April 1601 in Kärnten.

Letztlich wurden alle Bücher lutheranischen Inhalts, deren man habhaft werden konnte, verbrannt. Die Stadtpfarrkirche wurde wieder katholisch, die baufällige Heiligengeist- oder windische Kirche sowie die von den Protestanten nahe dem neuen Spitalsgebäude bis 1591 erbaute Dreifaltigkeitskirche (der heutige Dom) wurden geschlossen.

Das Gebäude des Kollegiums blieb im Eigentum der Stände. Die 1604 nach Klagenfurt gekommenen Jesuiten gründeten sogleich ein vierklassiges Gymnasium mit einer Vorbereitungsstufe, das die gleichen Privilegien wie die Grazer Universität besaß.

Als Gründe für das Scheitern der Schule sind der "leidende Gehorsam" des Luthertums sowie die machtpolitischen Tendenzen des innerhalb der Stände tonangebenden Adels zu nennen, der die Konkurrenz der bürgerlichen Gebildeten im Behördenwesen fürchtete. Sein elitäres Denken führte in manchen Städten dazu, daß man Nichtadelige von den ständischen Schulen ausschloß oder sie schlecht verpflegte und ihnen das Wohnen in den Internaten verwehrte. Auf diese Weise konnte es zu keiner Solidarisierung zwischen den Bürgern und dem Adel kommen, der entweder die ihm vom Landesfürsten zugewiesenen Aufgaben erfüllte oder, wie z. B. Hans Ungnad und ein Teil der Khevenhüller, auswanderte.

Die Ständeschule war der erste Versuch, in Kärnten ein umfassendes Bildungssystem einzurichten. Die humanistischen Bestrebungen, deren sich der Protestantismus angenommen hatte, erscheinen so bedeutend, daß sie ihre Aktualität bis heute nicht eingebüßt haben.

Literatur

Norbert Lebinger: Zur Geschichte des Gymnasiums in Klagenfurt, in: 42. Jahresbericht des Gymnasiums Klagenfurt, Klagenfurt 1892, S. 3-26.
Camilla Lucerna: Aus Urban Paumgartners Aristeion Carinthiae Claudiforum, in: Carinthia I 104, 1914, S. 33-72.
Erich Nußbaumer: Geistiges Kärnten. Literatur- u. Geistesgeschichte des Landes, Klagenfurt 1956. [Seite: 32] Wilhelm Neumann: Zur Gründung der Landschaftsschule in Klagenfurt, in: Die Landeshauptstadt Klagenfurt, Bd. I, Klagenfurt 1970, S. 246-252.
Dieter Jandl: Klagenfurts kulturelle Entwicklung im 16. und 17. Jahrhundert, in: Die Landeshauptstadt Klagenfurt, Bd. I, Klagenfurt 1970, S. 279-309.
Trude Polley: Klagenfurt. Vom Zollfeld bis zum Wörther See, Wien—Hamburg 1973.
Gernot Heiss: Konfession, Politik und Erziehung. Die Landschaftsschulen in den nieder- u. innerösterr. Ländern vor dem Dreißigjährigen Krieg, in: Bildung, Politik u. Gesellschaft (= Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 5), Wien 1978, S. 13-63.

Fußnoten
1.
Trude Polley: Klagenfurt, vom Zollfeld bis zum Wörther See, Wien/Hamburg 1973, S. 135. [Anm. H.S.: Vgl. jetzt den Text des "Gabbriefs" im Repertorium]
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*1.
[Anm. H.S.: Vgl. dazu jetzt im Repertorium Text der Religionspazifikation.]
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2.
Erich Nußbaumer: Geistiges Kärnten, Klagenfurt 1956, S. 145.
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3.
Wilhelm Neumann: Zur Gründung der Landschaftsschule in Klagenfurt, in: Die Landeshauptstadt Klagenfurt, Bd. 1, Klagenfurt 1970, S. 246-252, hier S. 250 f.
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4.
Stephan Vajda: Felix Austria, Wien/Heidelberg 1980, S. 271.
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5.
Trude Polley, s. Anm. 1, hier S. 178.
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6.
Erich Nußbaumer, s. Anm. 2, hier S. 156.
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7.
Trude Polley, s. Anm. 1, hier S. 140.
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8.
Erich Nußbaumer, s. Anm. 2, hier S. 152 f.
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9.
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9.
Ebenda, S. 155.
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10.
Norbert Lebinger: Zur Geschichte des Gymnasiums in Klagenfurt, in: 42. Jahresbericht des Gymnasiums Klagenfurt, Klagenfurt 1892, S. 3-26, hier S. 23.
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