Quelle: Hans von Zwiedineck-Südenhorst, Fürst Christian der Andere und seine Beziehungen zu Innerösterreich. Graz 1874.
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Das Interesse, welches irgend ein Abschnitt der Geschichte eines Volkes oder eines Staates in Anspruch nimmt, knüpft sich nicht allein an das Ueberraschende der Ereignisse und die Bedeutung der daraus hervorgehenden Resultate, es ist auch wesentlich bedingt durch die Persönlichkeiten, welche dabei als leitend und bewegend hervortreten, in welchen sich die Ideen und Strebungen einer Zeit verkörpern. Aus diesem Grunde hat die zweite und dritte Epoche des 30jährigen Krieges stets zu jenen Partien der deutschen Geschichte gehört, mit welcher sich nicht nur der Historiker, sondern mehr noch der Geschichtsfreund und der Künstler mit Vorliebe beschäftigt hat. Mansfeld, Tilly, Wallenstein, Gustav Adolf sind Gestalten, welche der Phantasie überfliessend Nahrung gewähren; ihre aussergewöhnliche Anziehungskraft wirkte auch auf ihre Umgebung und auf die allgemeinen Verhältnisse, in welchen sie sich bewegten, zurück; nach allen Richtungen bestrebte man sich um ihretwillen und bestrebt sich noch, Licht [Seite 4] und Klarheit zu verbreiten. Nicht so gut ergieng es der ersten Epoche des 30jährigen Krieges; noch stiefmütterlicher aber war die Vorgeschichte desselben bedacht. Und doch ist das Verständniss der Ereignisse und ihres Zusammenhanges vor Allem in der Zuspitzung der Verhältnisse vor den grossen Katastrophen zu suchen. Wenn sich die Schwerter in den Scheiden lockern, wenn da und dort bereits ein Griff darnach geschieht, wird auch die Denkungsart der Menschen bereits eine andere; kühne Pläne und gesunde Ideen gewinnen Verfechter, verborgene Wünsche und Bestrebungen werden laut und was wir sonst nur als Phantasiegebilde in nebelhaften Umrissen erschauen, ersteht körperlich und lebendig vor uns.
Ganz besonders gilt dies eben von der Vorgeschichte zum 30jährigen Kriege, von welcher jetzt der Bann der Unbedeutsamkeit, der auf ihr lastete, genommen ist, nachdem die Forschungen der letzten Jahrzehnde eine hochinteressante Persönlichkeit als Mittelpunkt der bisher zerstreut und unverständlich erscheinenden Einzelheiten in den Vordergrund treten liessen und gänzlich neue Gesichtspunkte für die Anschauung der Verhältnisse Europas im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts erschlossen sind.
Seitdem durch Gindely und Moriz Ritter der Einfluss, die Vielseitigkeit der Verbindungen, die Raschheit und Gewandtheit im Agitiren und Conspirieren, dabei aber auch der politische Gedankenreichtum des Fürsten Christian des Anderen von Anhalt-Bernburg erwiesen ist, seitdem man ihn als den Schöpfer und leitenden Staatsmann der Union und ihrer Vormacht, der Kurpfalz, anzusehen berechtigt ist, wendet sich auch das Interesse mehr und mehr dieser Persönlichkeit zu, [Seite 5] Dabei ergibt sich die Notwendigkeit, mancherlei Verhältnisse jener Epoche einer Specialuntersuchung zu unterziehen, die früher kaum als irgend beachtenswert erschienen waren, nun aber, nachdem sie in den Combinationen des nach allen Richtungen sich Fühlung verschaffenden und agitierenden Politikers hervortreten, in das richtige Licht gestellt zu werden verdienen.
Eine derartige Aufgabe liegt auch dieser Schrift zu Grunde, welche durch eine ohne näheren Commentar vereinzelt und abgerissen dastehende Notiz in der „Anhaltinischen Kanzlei“ hervorgerufen wurde, durch welche die religiös-politischen Zustände in den innerösterreichischen Ländern mit dem böhmischen Aufstande und den pfälzischen Bestrebungen in directe Verbindung gebracht werden. Sie soll also, so weit es möglich ist, nachweisen, ob diese Verbindung wirklich zur That geworden ist und welche Erfolge sie gehabt hat; einerseits wird sie daher den Versuch enthalten, die Geschichte Innerösterreichs in dem bezeichneten Zeitraume auf Grund bisher noch nicht bekannter Thatsachen zu erweitern und andererseits die Beziehung zwischen der allgemein deutschen Geschichte und dieser speciellen Partie in einer Richtung herzustellen bemüht sein.
Die Schwierigkeiten bei den Vorarbeiten erwiesen sich als nicht gering, nachdem das bezügliche Actenmateriale in den verschiedensten Archiven zerstreut liegt und nirgends zusammenhängende Darstellungen, sondern nur vereinzelte Andeutungen, kurze Notizen in Briefen und Relationen aufgefunden werden konnten. Die Anhaltspunkte, welche die einschlägige Stelle der Anhaltinischen Kanzlei gewährt, sind so schwache, dass die sich darauf stützende Forschung nicht bestimmte Wege [Seite 6] vorgezeichnet hatte und systematisch gegliedert werden konnte, sondern den Character des Suchens annahm und den besten Mitarbeiter in dem guten Glücke erkennen musste, welches ja bei so vielfachen menschlichen Unternehmungen über alle Sorgsamkeit und Emsigkeit triumphirt. Trotzdem die Frage, um die es sich handelt, ganz bestimmte Verhältnisse betrifft und präcise gefasst werden kann, so ist der Kreis der Persönlichkeiten, welche möglicherweise damit in Verbindung stehen konnten, ein so weiter, die Formen, in welchen allenfalls da und dort davon Erwähnung geschehen konnte, sind so mannigfaltig, dass das Suchen nach solchen Nachrichten auf gewisse Punkte beschränkt werden musste, wo sich mit mehr oder minderer Wahrscheinlichkeit auf ein Resultat hoffen liess; keineswegs aber kann das von mir zu Stande gebrachte Material als vollständig bezeichnet werden. Doch glaube ich, dass es so weit ausreicht, um die Antwort auf die auf geworfene Frage in den Grundzügen feststellen zu können. Die Details sind lückenhaft geblieben; doch lasst sich erwarten, dass weitere Forschungen, welche nicht mehr die einzelne Frage allein im Auge behalten, sondern sich auf die gesammte reformatorische und gegenreformatorische Bewegung in Innerösterreich beziehen, noch mancherlei Ergänzendes zu Tage fördern dürften. Das Actenmateriale, welches der vorliegenden Untersuchung als Basis dient, habe ich im steiermärkischen Landesarchive, im Wiener k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchive, im kön. bairischen Reichsarchive zu München und im herzoglich Anhaltischen Centralarchive zu Zerbst aufgefunden. Die wesentlichste Erleichterung und Unterstützung bei meinen Nachforschungen gewährte mir die freundliche Mithilfe der Herren Leiter und Beamten in den genannten Archiven, von welchen [Seite 7] ich insbesondere Herrn Professor Dr. Luschin in Graz, Herrn Archivs-Adjuncten Wilhelm Klemm in Wien, Herrn Professor Dr. Rockinger in München und Herrn geheimen Archivrat Sievigk in Zerbst zu besonderem Danke verpflichtet bin, welchen hiemit öffentlich auszudrücken ich nicht unterlassen kann, sowie ich es aussprechen muss, dass ich den Auseinandersetzungen des Secretärs der k. historischen Commission in München, Herrn Dr. Stüve, über die politische Bedeutung des Fürsten Christian von Anhalt, welche auf jahrelanger Beschäftigung mit zeitgenössischen Quellen beruhen, die Richtigstellung der selbst gewonnenen Anschauung in vieler Hinsicht zu danken habe.
Die Summe der Thatsachen, welche ich durch meine Arbeit, die nicht ohne mannigfache Opfer durchgeführt werden konnte, festzustellen vermochte, ist eine höchst bescheidene, und dürfte Manchen, der dem vorliegenden Schriftchen seine Aufmerksamkeit schenkt, unbefriedigt lassen. Doch gebe ich mich der Hoffnung hin, dass man ihren Wert nicht ausschliesslich vom Standpunkte der Provincialgeschichte beurtheilen, sondern ihr, wenn auch in sehr beschränkter Weise, eine gewisse allgemeine Bedeutung zuerkennen wird, da doch in den von mir einbezogenen Actenstücken und Briefen sich mancherlei Schilderungen und Mittheilungen finden dürften, welche zur Charakterisierung von Verhältnissen und Personen dienen können, die zum Verständnisse der Weltereignisse notwendig sind. Sollte ich diese Hoffnung erfüllt sehen und sollte es mir besonders gelungen sein, durch meinen geringen [Seite 8] Beitrag das Interesse für einen Staatsmann, dessen ganze Persönlichkeit Sympathie und Anerkennung verdient, neuerdings angeregt zu haben, so könnte ich mein Ziel für erreicht und meine Mühe für belohnt ansehen.
GRAZ, im Januar 1874.
Hans Zwiedineck-Südenhorst. [Seite 9]
Die Theilnahme für die Lehren Luther's und Zwingli's machte sich in Salzburg, Steiermark, Kärnten und Krain schon sehr bald nach dem Auftreten der beiden Reformatoren bemerkbar. Schon 1524 beginnt die Verfolgung protestantischer Prediger, und im benachbarten Obersteier führen die im Gefolge der religiösen Bewegung auftretenden socialistischen Strebungen zu namhaften Aufständen der Bauern und Bergknappen, gegen welche der selbst mit der neuen Lehre sympathisirende Landeshauptmann von Steier, Herr Siegmund von Dietrichstein, zu Felde zu ziehen genöthigt war.N.9.2 Um dieselbe Zeit geben auch bereits Beschwerdeartikel der krainischen [Seite 10] Landschaft Zeugniss von den Erfolgen, welche die Reformation dort errungen hatte.
Dass die religiöse Bewegung sich allen Ständen mittheilte und nicht allenfalls nur an einigen Orten und in gewissen Kreisen durch eingewanderte Agitatoren hervorgerufen wurde, erhellt daraus, dass die hervorragensten Persönlichkeiten aus dem Herren- und Ritterstande, darunter Landeshauptleute, wie der erwähnte Dietrichsteiner und Hans Ungnad Freiherr von Sonegg in Steiermark, sowie die angesehensten adeligen Familien in allen drei Ländern; ja sogar auch Prälaten, wie Peter II., Prior der Carthause zu Seiz (1527), und Valentin Abel, Abt von Admont (1545) zum Luthertum übertraten. In Laibach aber predigte Primus Truber (1534) in der Domkirche öffentlich gegen die Ehelosigkeit der Priester, und seiner Ansicht folgten drei Domherrn und die meisten Bürger. Dieser Priester war in Verbindung mit dem genannten Freiherrn von Ungnad auch literarisch für die Ausbreitung des Protestantismus sehr thätig; er veröffentlichte einen Catechismus und ein Evangelium in slovenischer Sprache.
Schon unter Ferdinand I. bemühten sich die Stände um Anerkennung der neuen Religionsgenossenschaft. Georg von Herberstein, Johann von Weissbriach und die Städte Graz und Radkersburg unterbreiteten dem Könige am 13. December 1541 eine Petition, worin sie verlangen, dass die Lehre von der Rechtfertigung, den guten Werken und der Busse im Sinne des Regensburger Interim gelehrt und das Abendmahl in beiden Gestalten gespendet werde, und der steierische Landtag beschloss 1547 um Religionsfreiheit zu bitten. Der Regierungsantritt des Erzherzog Karl II. (1564) wurde von den Ständen aller drei Länder dazu benützt, um Zugeständnisse in Religionsangelegenheiten zu erlangen. Noch vor der Erbhuldigung wird die Forderung nach freier Religionsübung mit Nachdruck aufgestellt, ohne dass jedoch dadurch ein positives Resultat erzielt wird. Schon im Landtage des darauffolgenden Jahres jedoch kommt es zu einem Notenwechsel über die [Seite 11] Religionsverhältnisse zwischen dem Erzherzoge und der Landschaft von Steier, welch' letztere die Erklärung abgibt, dass die Augsburgische Confession vom ganzen Lande, mit Ausnahme der Bischöfe und Prälaten, einträchtig angenommen worden sei. Der Erzherzog sieht sich genötigt zu versprechen, dass er Niemanden in seinem Gewissen beschweren wolle und sucht den wiederholten Vorstellungen über die Uebelstände und Missbräuche in der kath. Kirche dadurch zu begegnen, dass er den Prälaten dringend ans Herz legt, eine Reformation in geistlichen und zeitlichen Dingen in ihren Klöstern vorzunehmen (1568). Zur Befestigung des Protestantismus trug wesentlich die 1540 begründete landschaftliche Stiftschule im Paradeis zu Graz bei, in welcher theils einheimische, grösstentheils jedoch von deutschen Universitäten berufene Lehrkräfte die Erziehung der Söhne des protestantischen Adels leiteten.N.11.1
Den Höhenpunkt ihrer Macht erreichten die innerösterreichischen Protestanten auf dem Landtage zu Bruck 1578, der von allen drei Ländern und von Görz beschickt war. Fünfundvierzig Delegierte von Steiermark, Kärnten und Krain (dies waren sämmtlich anwesende Stimmberechtigte, mit Ausnahme der kath. Kirchenfürsten) erklärten hier wiederholt, und trotzdem der Erzherzog seinen Unwillen darüber in den schärfsten Worten zu erkennen gab, „es müsse eine Versicherung in Religionsangelegenheiten den Armen als den Reichen und den Reichen als den Armen, so sich zu unserer christlichen Confession bekennen, gegeben werden“, ehe an die Ordnung irgend einer anderen Landesangelegenheit — damit war die vom Erzherzog dringend begehrte Türkenhilfe gemeint — geschritten werden könnte. Die Verhandlungen, welche von Anfang Jänner bis 9. Februar hinausgezogen wurden, fanden einen Abschluss, [Seite 12] der das momentane Uebergewicht der Stände über die Macht des Erzherzogs bestätigte, für die Zukunft jedoch von sehr zweifelhaftem Werthe war, da die Zugeständnisse des Erzherzogs formell nicht präcisiert wurden und keine genügende Rechtsbasis gewährten. Karl liess sich nämlich nur zu einer mündlichen Erklärung herbei, dass er die Prädicanten und Schulen zu Graz, Laibach, Klagenfurt und Judenburg nicht zu vertreiben gedenke und wie bisher den Bürgern der Religion wegen kein Härchen krümmen wolle. In der Erwartung, der Erzherzog werde einer schriftlichen Formulierung dieser Zusage seine Unterschrift nicht verweigern, erklärten die Stände sich damit zufrieden und zur Behandlung weiterer Angelegenheiten bereit. Karl liess sich aber nunmehr zu keinerlei schriftlichen Erklärung herbei, die von den Ständen aufgesetzte Darstellung der Verhandlungen liess er nur von seinen Räten signiren und durchstrich mit eigener Hand den Passus, worin von der Erweiterung der geleisteten Zusage auf seine Erben die Rede ist. Und dabei liess man es bewenden; die Stände waren vertrauensselig und leichtsinnig genug, in ihrer eigenen Macht genügende Bürgschaft für die Befestigung der Religionsfreiheit zu erblicken und sich mit dieser beschränkten, theilweise zweideutigen und formell anfechtbaren Zusage zu begnügen, die günstige Gelegenheit zur definitiven Regelung der ganzen Religionsverhandlung vorübergehen und dem Erzherzog Zeit zu lassen, die geeigneten Vorkehrungen zu treffen, um die ständische Opposition zu brechen. Dass Erzherzog Karl und sein Nachfolger zwar auch dann kein Bedenken getragen hätten, als Agitatoren gegen den Protestantismus aufzutreten, wenn sie denselben mit Brief und Siegel dem Katholicismus gleichgestellt hätten, kann füglich angenommen werden; aber weit schwieriger wäre ihre Gegenreformation doch geworden, wenn die Stände dieselbe von vorneherein als Rechts- und Eidbruch zu bezeichnen in der Lage gewesen wären.
Wie schon erwähnt, schien für den Augenblick Alles gewonnen zu sein, denn die Bekenner der Lutherischen Lehre [Seite 13] mehrten sich in den nächsten Jahren dergestalt, dass der Protestantismus geradezu als die in Innerösterreich herrschende Religion bezeichnet werden muss. In Steiermark zählt der katholische Probst Rosolenz von Stainz in seinem „Gründlichen Gegenbericht auf den falschen Bericht David's Rungi von der päpstlichen Verfolgung des h. Evangeli in Steiermark, Kärnten und Krain“ zehn eigens errichtete Bethäuser auf, nebst welchen noch viele Capellen in Schlössern und Burgen, grössere Säle in Privat- und Gasthäusern dem lutherischen Gottesdienste gewidmet waren. Sehr selten gelangen Katholiken in die Ratscollegien der Städte, ja selbst innerhalb der Handwerkszünfte wird ein gewisser Terrorismus gegen die Katholiken ausgeübt, indem kein katholischer Geselle sich länger als 14 Tage bei einem Meister aufhalten durfte.
In diesen Verhältnissen hat sich während der Regierung Erzherzog Karl's II. nichts geändert, und dieser musste sich darauf beschränken, den späteren Ereignissen vorzuarbeiten, indem er, fortwährend beeinflusst von seiner Gemahlin, der baierischen Prinzessin Marie und deren Bruder Wilhelm, Jesuiten ins Land rief und durch eine unter deren Leitung stehende Schule der ständischen Stiftschule Concurrenz machte. Dagegen kam es zu Reibungen und Gewaltthätigkeiten, als der Vicedom des Erzbischofs von Salzburg die Errichtung eines Bethauses bei Leibnitz auf erzbischöflichem Gebiet verhinderte, wogegen auch der Landtag von 1585 protestierte. Nicht ohne Widerstand war die Einführung des Gregorianischen Kalenders vor sich gegangen, die durch ein erzherzogliches Decret verfügt worden war. Die Protestanten verschwendeten auch hier wie im übrigen Deutschland viel gesprochene und geschriebene Worte auf eine Opposition, die weit besser in anderen Dingen am Platze gewesen wäre. Zwei Monate (15. October bis Weihnachten 1583) währte der Zank, der viel Verwirrung mit sich brachte, und damit endete, dass der Landtag zwar das Kalenderdecret annahm, sich jedoch gegen die vom Erzherzoge angedrohten Pönale heftig verwahrte. [Seite 14] Eine begütigende Erklärung Karl's glich Alles aus und ein der Kalenderreform günstiges Gutachten der Tübinger Theologen nötigte auch die Prediger in Graz von ihrem Eifer gegen das päpstliche Werk zu lassen.N.14.1 Der Kärntische Landtag verlangte im Jahre 1585 die abermalige Berufung eines vereinigten Landtages der drei Länder zur Regelung der Religionsangelegenheiten, hauptsächlich im Interesse der in der Brucker Pacification nicht genannten Städte und Märkte; sein Begehren wurde jedoch nicht erfüllt.
Der Tod Karl's II. (17. Juli 1590) und die Regentschaft der Erzherzoge Ernst und Maximilian für den noch unmündigen Ferdinand hätten den Ständen wohl Gelegenheit gegeben, neuerlich mit allem Nachdruck auf verfassungsmässige Anerkennung der Religionsfreiheit zu dringen; es scheint jedoch an der nötigen Agitation gefehlt zu haben. Man hatte keine Ahnung von der Nähe der Gefahr. Nur in Kärnten führte der Landtag von 1592 eine energische Sprache und verlangte die Aufnahme der Städte und Märkte in die Brucker Pacification. Auf Antrag des Freiherrn Karl von Ungnad wird die Huldigung anfänglich verweigert, und erst, nachdem die Stände in Graz sich dazu herbeigelassen, huldigen auch die Kärntner, jedoch unter feierlicher Verwahrung, dass gegen die ständischen Freiheiten und die Brucker Pacification nichts vorgenommen werde. Auch bei Gelegenheit der Streitigkeiten über die Kirche in Villach, welche gleichzeitig vom Vicedom des dort begüterten Bischofs von Bamberg und von dem lutherisch gesinnten Freiherrn von Dietrichstein beansprucht wurde, bewahrte der kärntische Landtag anfänglich eine feste Haltung und verweigerte abermals 1595 die Huldigung, bevor nicht die Kirche wieder dem Dietrichsteiner eingeräumt worden sei; dennoch macht die ganze Opposition den Eindruck leeren [Seite 15] Strohfeuers, wenn wir sehen, dass die ursprünglich verweigerte Huldigung kurze Zeit darauf doch geleistet wird, ohne dass den Ständen eine Concession gemacht worden wäre, auf die blosse Behauptung der erzherzoglichen Räte hin, die Religionsangelegenheiten hätten mit der Huldigung nichts zu thun, zu welcher die Stände verpflichtet wären. Noch fehlt es an einer eingehenden Darstellung der inneren Vorgänge, welche uns diesen Trotz in Rede und Schrift einerseits und diese Nachgiebigkeit im Handeln andererseits einigermassen verständlich machen würden. Wir können nur die Thatsache verzeichnen, dass bei dem Regierungsantritte des in der Jesuitenschule zu Ingolstadt erzogenen Ferdinand II., der sich die Katholisierung seiner Erbländer zur heiligsten Lebensaufgabe gemacht hatte, der Protestantismus in Innerösterreich keine andere Rechtsbasis hatte, als bei seinem ersten Auftreten in diesen Ländern, dass für die Organisation der protestantischen Macht fast gar nichts geschehen war, dass die Stände auf die wagen Bestimmungen der Brucker Pacification einen ganz ungerechtfertigten Wert legten und in ihrer Haltung gegen die ganz offenkundige katholische Tendenz der herrschenden Dynastie eine schwächliche Schaukelpolitik verfolgten.
Als Erzherzog Ferdinand 1598 von einer Reise nach Rom zurückkehrte, war sein Entschluss gereift, die Ausrottung der protestantischen Lehre in Steiermark, Kärnten und Krain mit allen ihm zu Gebote stehenden Gewaltmitteln zu betreiben. Der Anfang dazu wurde in Steiermark und zumal unter den Auspicien des Erzherzogs selbst in Graz gemacht. Wie sicher sich die Protestanten gefühlt hatten, trotzdem Ferdinand’s Intentionen wohl bekannt waren, lässt sich daraus schliessen, dass die ersten Anzeichen der gewaltsamen Gegenreformation gar nicht ernst aufgenommen, sondern mit Hohn erwidert wurden. Ja selbst das Decret Ferdinands vom 13. September 1598, worin die Abschaffung der protestantischen Prediger und die Sperrung der Schule binnen 14 Tagen vom Landeshauptmann verlangt wird, wurde als blosse Drohung aufgefasst, an [Seite 16] deren Ausführung. Niemand glaubte; um so betäubender und lähmender wirkte es, als am 28. September die Stadt mit einem Fähnlein Söldner besetzt und die Prediger gezwungen wurden, noch am selben Tage sich aus der Stadt zu entfernen. Diesem ersten Gewaltacte folgten andere in Kärnten und Krain auf dem Fusse; in Laibach, wo die Bürger noch im Sommer desselben Jahres mit den Waffen in der Hand die Katholiken gedemütigt hatten, wurden die vier evangelischen Prediger plötzlich gefangen auf das Schloss gebracht; in St. Veit wurden vier Bürger wegen eines Tumultes bei Gelegenheit der Frohnleichnams-Procession gefangen genommen, ja selbst den Herrn von Khevenhiller, durch deren Prediger die St. Veiter Bürger Taufen vornehmen liessen, widerfuhr dasselbe Schicksal.
Die Landtage von 1599 blieben von diesen Vorgängen nicht unberührt; die Opposition der Stände erhob sich jedoch nicht über ein Wortgefecht und vermochte den Mut zu energischen Thaten nicht zu finden. Es sind zwar Nachrichten darüber vorhanden, dass auf Grundlage gegenseitiger Verhandlungen die Stände der drei Länder sich verpflichtet hätten, insgesammt die Steuer zu verweigern, wenn die Religionsfreiheit nicht gewährt werde. Die Ereignisse lehren jedoch, dass die Verabredung nicht eingehalten wurde. Im steirischen Landtage protestierte zwar Ehrenreich von Saurau heftig gegen die Vorgänge in Graz; die Stände liessen sich jedoch beschwichtigen. In Kärnten war man auch diesmal wieder energischer und verweigerte entschieden die verlangte Türkenhilfe, so dass der Landtag dreimal aufgelöst werden musste; aber es geschah nichts, um die Steirer zu ähnlichen Schritten zu bewegen, nichts für die Organisation des Widerstandes im eigenen Lande. Und doch konnte man aus den weiteren Schritten Ferdinand’s in Steiermark genau ersehen, welchen Plan dieser bei seinem Feldzuge gegen die Protestanten verfolgte. Der Erzherzog kannte die Verhältnisse und rechnete auf die Uneinigkeit, auf den Mangel an Organisation und Verbindung unter seinen Gegnern; er wusste recht wohl, dass [Seite 17] eine gemeinsame Erhebung aller Bedrohten nicht zu befürchten war und fühlte sich stark genug, den Widerstand der Einzelnen zu brechen. Von einigen hundert Söldnern begleitet, zog eine landesfürstliche Commission 1599 von Ort zu Ort, vertrieb die Prediger und befahl den Bürgern, durch eine öffentliche Erklärung in der Kirche sich zur katholischen Religion zu bekennen, widrigenfalls sie nach Bezahlung des 10. Pfennigs als Abfahrtsgeld das Land verlassen mussten. Fast überall sehen wir gleichen Verlauf: anfänglich Trotz, schwachen Versuch eines Widerstandes und als es zum Ernst kommt — Unterwerfung. Die Städte im Westen und Norden des Landes sehen ruhig zu, wie die im Süden und Osten terrorisirt werden, und umgekehrt; die Eisenerzer Bürger und Bergknappen, welche sich gegen die Commission zur Wehre setzen, finden keine Unterstützung, und der Adel gibt kein Lebenszeichen von sich und lässt geschehen, was geschieht, als ob ihn dies nicht das geringste kümmere. Nachdem die Commission in Steiermark ihr Werk beendet hat, beginnt ganz derselbe Vorgang in Kärnten. Zwar kam es hier an manchen Orten, besonders in Oberkärnten, wo man allgemein zu den Waffen griff und an Vertheidigung dachte, ebenso in Villach und Klagenfurt zu ernsten Scenen, die selbst der Commission Besorgniss einflössten, aber an eine Vereinigung der Kräfte wird nicht gedacht. In Klagenfurt, wo die Bürger 600 Söldner angeworben hatten und eine Macht zu entfalten im Stande gewesen wären, welche es mit den landesfürstlichen Truppen leichtlich aufgenommen hätte, mahnten die ständischen Verordneten selbst noch im letzten Momente zur Einstellung der Feindseligkeiten, obwohl ihre frühere Haltung die Bürger zur Gegenwehr aufgemuntert hatte. Klagenfurt hielt wenigstens im passiven Widerstande am längsten aus. Während im Juli 1600 in Graz schon mehr als die Hälfte der Bürger zum Katholicismus zurückgekehrt waren, und selbst Kepler, der unter den Jesuiten Freunde fand, seiner neuen Heimat den Rücken zu kehren gezwungen wurde, finden sich in Klagenfurt um [Seite 18] dieselbe Zeit erst drei katholische Bürger, und wurden die Prediger immer wieder in die Stadt aufgenommen, so oft man sie auch daraus vertrieben hatte. — In Krain wurde ebenfalls eine Commission zur Durchführung der Gegenreformation ausgerüstet, welche bei der geringen Ausdehnung des Landes natürlich ein leichteres Spiel hatte; in den Städten jedoch, besonders in Stein, Neustadtl und Laibach, hielten sich die Bürger lange Zeit in der Defensive. Nur zwangsweise, indem den Bürgern von Laibach eine Liste vorgelegt wurde, an welche sie bei der Wahl ihrer Functionäre gebunden waren, konnte es durchgesetzt werden, dass Bürgermeister, Richter und Räte von Laibach Katholiken waren. Bis 1615 erfolgten Jahr für Jahr Vorladungsdecrete und Pönalverfügungen für Personen aus allen Theilen des Landes, welche verdächtigt waren, im häuslichen Kreise Religionshandlungen nach lutherischem Ritus vorgenommen zu haben oder protestantische Bücher zu benützen.
Zum Schlusse des Jahres 1600 hatte Erzherzog Ferdinand so viel erreicht, dass in seinen Ländern die öffentliche, Jedermann zugängliche Ausübung religiöser Handlungen nach den Vorschriften und im Sinne der protestierenden Religionsgenossen nicht mehr vorkam, dass es keine protestantische Schule und keinen anerkannten Lehrer dieser Richtung mehr im Lande gab, dass kein Bürger und kein Bauer sich zu einem andern als dem katholischen Bekenntnisse bekennen durfte. Aus den Gemütern war der neue Glaube freilich noch nicht verdrängt, heimlich, im stillen Kämmerlein lasen Tausende von Bürgern in Luthers Bibel und sangen Tausende leise seine Lieder. Doch ohne weitere geistige Nahrung, ohne Anregung, unter fortwährenden Gefahren musste die Kraft des Glaubens versiegen, zumal die Jesuiten die Aufgabe, die ihnen jetzt oblag, mit Virtuosität durchzuführen verstanden. Nur der Adel nahm noch eine andere Stellung ein; ihm konnte das Recht, sein Glaubensbekenntniss zu wählen und innerhalb der Mauern seiner Schlösser darnach zu leben, nicht so plötzlich genommen [Seite 19] werden. In Steiermark traten im Landtage vom Jahre 1605 die protestantischen Stände neuerdings mit der Forderung freier Religionsübung auf und nur dem heftigen Entgegentreten des Bischofs Stobäus von Seckau ist es zuzuschreiben, dass Ferdinand diesmal nicht einer milderen Auffassung Raum gab. In Kärnten, wo man so weit gegangen war, die Entlassung aller protestantischen Landesbeamten zu verlangen, was nur mit Hinweis auf die dadurch entstehende allgemeine Geschäftsstockung verschoben werden konnte, hatten die protestantischen Stände noch 1611 im Verordneten-Collegium 3, die Katholiken 2 Vertreter.
Ganz besonders bezeichnend für die Macht des protestantischen Adels ist jedoch der Vorgang im Landtage zu Graz des Jahres 1607, wo der Probst Jacob Rosolenz von Stainz gezwungen wurde, in öffentlicher Landtagssitzung die in seinem Buche gegen Rungius enthaltenen Anschuldigungen gegen die evangelischen Stände zu widerrufen. Ein ähnliches Verfahren war auch 1589 gegen den Probst von Pöllau, Peter Muchitsch, eingeleitet worden, als dieser die Evangelischen in seiner Schrift „Pädagogia oder Schulführung der würtembergischen Theologen“ angegriffen hatte; doch mag es uns in jenen Tagen, da die Macht der Protestanten fast unbeschränkt war, kaum Wunder nehmen, wenn der politische kluge Kirchenfürst seinem Sitze im Landtage zu Liebe sich zu einer Revocation herbeilässt.
Dass aber auch im Jahre 1607, also zu einer Zeit, wo man die Gegenreformation als vollendet anzusehen gewohnt war, die Macht des siegreichen Ferdinand einen hochgestellten katholischen Parteikämpfer vor demselben Schicksale nicht zu bewahren vermochte, weist darauf hin, dass damals noch die protestantische Partei im Landtage die Oberhand hatte.
Zur Characteristik der Situation glaube ich am entsprechendsten beizutragen, wenn ich die wichtigsten Stellen [Seite 20] jenes Berichtes hier folgen lasse, welchen die steirischen Landtagsprotocolle vom Jahre 1607 enthalten.N.20.1 Es heisst dort:
„Demnach H. Jakob Probst zu Stänz in dem Jenigen buch, so er im September des 1606. Jars wider Rungium, Wittenbergischen Theologen aussgehen lassen, gemeiner Ritterschaft in Steyer mit vielem schimpf und ehrenrührigen anzeigen perstringirt und angetastet hat, derowegen denn in dem darauffolgenden Landtag des 1607. Jars wolgedachte Ritterschaft, ihme Probsten die Session, biss so lange er entweder solche auflagen beweisen oder in widrigem dero genugsambe satisfaction thun wurde, verwehrt hat.“
Am 30. Jänner wurde darüber eine Verhandlung in der Landstube eingeleitet, wobei der Landesmarschall Freiherr Hans Friedrich von Hoffmann, der Landesverweser Freiherr Hans Siegmund von Wagen, der Verordneten-Präsident Freiherr Rudolf von Teuffenbach und die Verordneten Freiherr Gottfried von Stadl und Herr Georg von Stubenberg und Kapfenberg sich bemühen, den Probst zur Revocation zu bewegen. Dieser versuchte jedoch, seine Aussagen zu manteniren. In Folge dessen wurde am 2. Februar ein Ausschuss zur weiteren Behandlung dieser Angelegenheit gewählt, und zwar von Seite des Probstes der Abt Johann von Admont und Hans Siegmund Wagen, von gemeiner Ritterschaft die Freiherren Gottfried Stadl, Dietrichstein, Stubenberg und Wolf von Saurau. Schon an demselben Nachmittage wurde der Ausschuss darüber schlüssig, „dass der Probst genugsambe Satisfaction öffentlich thun solle“; am 5. Februar wurde der Wortlaut der Erklärung in der Verordneten-Ratsstube festgestellt, und am 7. Wort für Wort vom Probste ausserhalb der Schranne in ansehnlicher Versammlung der Stände verlesen. Die Erklärung lautet:
„Demnach die Löbl. Ritterschaft im lande Steyer, sonderlich die so Augsb. Confession, etliche Punkt in dem [Seite 21] Puch, so ich wider Rungium aussgehen lassen, dahin befunden vnd aussgelegt, alss wenn ich wolgedachte Ritterschafft calumnirt vnd an ihrer ehre sollte angegriffen haben. So bezeug ich hiemit in diser offnen ansehnlichen Versamblung der Dreyer stände des Herzogthumbs Steyer, das wie mir ainiges böses stückh oder üble thatt, von wolgedachter Ritterschafft nicht bewusst, also ist auch mein sinn vnd meinung kheineswegs gewest, sie die Ritterschafft, alss wie sie diess mein Puch angezogen zu calumniren oder schwächen, vill weniger an ehren anzudasten, sondern da etwa der Puchstaben ein solchen Verstand auf sich tragen möcht, hiemit in meliori forma desselben erläutert vnd dises affirmiert haben, das mir von der löbl. Ritterschafft nichts anders alss alle ehr, Ritterliche thatten, adeliche vnd löbl. tugenden vnd sitten bewusst, bezeug solches auch mit der höchsten Warheit, derowegen ich bitt die Löb. Ritterschafft wölle ihr von mir geschöpftes, böses Concept fallen lassen vnd mich für ein treues mitglied dises Landes wie vorhin erkhenen vnd halten, wie ich denn hergegen mich zu derselben guten Wolgefallen verhalten will.“
Rudolf von Teuffenbach antwortet im Namen der Ritterschaft:
„Da nemblich der Probst sich seinem jetzt beschehenen erbieten nach gegen offtmal gedachte Ritterschafft gebür vnd treuer weisslich verhalten wurde, also wölln sie auch die von ihme beschehene offensiones hiemit fallen lassen vnd ihm wie vorher für ein treues dises landes mitglied erkhenen vnd halten.“
Hierauf wurde zur Tagesordnung übergegangen.
Im Anschluss an die vorstehende Skizze der religiösen Bewegung in Steiermark, Kärnten und Krain vor dem Beginne der Action der Unionspartei in Deutschland wäre wohl die Frage zu erörtern, ob von Seite der innerösterreichischen Protestanten kein Versuch gemacht worden sei, mit den Häuptern des Protestantismus in Verbindung zu treten und durch [Seite 22] dieselben die Ausführung der Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens auch in den Habsburgischen Ländern zu erwirken. Leider fehlen darüber bis jetzt zusammenhängende Nachrichten; nur einzelne bekannt gewordene Fälle berechtigen zu der Annahme, dass es an Versuchen zu einer Annäherung nicht gefehlt hat. Als Erzherzog Karl im Jahre 1582 den Versuch machte, die Grazer Stiftskirche schliessen zu lassen, schickten die steirischen Verordneten einen Bericht an den Kurfürsten Ludwig von der Pfalz und an den Grafen Georg Ernst von Henneberg, N.22.1 und baten um Vermittlung. Kurpfalz richtete auch thatsächlich ein Intercessions-Schreiben an den Erzherzog, welches dieser am 28. December 1582 mit einem Rechtfertigungsschreiben beantwortete. Auch späterhin taucht das Project einer Gesandtschaft evangelischer Fürsten an den Erzherzog Karl zur Unterstützung der bedrängten Religionsgenossen auf; es wurde sogar eine Instruction für diese Gesandtschaft ausgearbeitet, zur Anwendung kam dieselbe jedoch nicht, weil die Gesandtschaft unterblieb. — Nach den ersten Gewaltacten Ferdinands scheinen die steirischen und kärntischen Stände abermals den naheliegenden Gedanken wieder aufgegriffen zu haben, bei den religionsverwandten Kurfürsten Hilfe zu suchen. Wenigstens wird berichtet, dass der steirische ständische Secretär Kandlberger eine solche Mission übernommen und die Reise angetreten habe; ob auch der Kärntner Mossdorfer, der hiezu bestimmt war, den Ständebeschluss ausgeführt hat, und welche Resultate erzielt wurden, lässt sich heute nicht nachweisen. Ich habe in den Archiven, welche ich zu Zwecken der vorliegenden Arbeit theilweise benützt habe, keinerlei Nachrichten über diese oder ähnliche Verhandlungen gefunden. — Dass es in Deutschland an Interesse für die Religionskämpfe in Innerösterreich nicht gefehlt hat, zeigt die [Seite 23] Theilnahme, welche der lutherische Prediger von Waldstein, Paulus Odontius, in allen protestantischen Ländern fand, nachdem er, der bereits wegen seiner Glaubenstreue zum Tode verurtheilt und zur Galeere begnadigt worden war, in einem krainischen Orte seinen Wächtern entkommen und unter den mannigfachsten Gefahren nach Sachsen gelangt war. Die Beschreibung seiner Schicksale, die in den grellsten Farben gehalten war, und vielleicht nicht ganz ohne poetische Ausschmückung geblieben sein mag, fand reissenden Abgang und konnte wohl dazu dienen, die Meinung hervorzurufen, dass es in Innerösterreich nur eines Anstosses bedürfe, um die ohnehin schon auf's Aeusserste erregten Gemüter der zahlreichen protestantisch gesinnten Bevölkerung zum Aufstande zu bringen. [Seite 24]
Die protestantischen Stände des deutschen Reiches hatten das Bedürfniss, zum Schutze und zur Ergänzung ihrer durch den Augsburger Religionsfrieden begründeten Rechte gegenüber dem offenkundig intoleranten Streben der katholischen Mächte ein Bündniss unter sich zu schliessen, mehr oder weniger lebhaft gefühlt. Es waren jedoch einerseits die Verhältnisse unter Ferdinand's und Maximilians Regierung nicht so drückend gewesen, um die Gründung eines protestantischen Bundes als momentan dringlich erscheinen zu lassen, andererseits hatte es an einem Staatsmanne, einem Organisator gefehlt, der die Energie der Initative besass und das Werk von dem guten Willen zur That brachte. Noch auf den letzten Reichstagen des 16. Jahrhunderts, so 1594, wo die katholischen Fürsten geistlichen Standes dem brandenburgischen [Seite 25] Administrator des Erzstiftes Magdeburg die „Session“ verweigert hatten, fehlte es den protestantischen Reichsfürsten an jedem Verständniss für den Wert gemeinsamen Auftretens; auch in der Angelegenheit des lutherisch gewordenen Kurfürsten zu Cöln machten sich die verschiedensten Tendenzen geltend und die grosse Wichtigkeit des Strebens, auf der den Protestanten günstigen Auslegung des „geistlichen Vorbehaltes“ zu beharren und um jeden Preis die Gewinnung einer vierten protestantischen Kurstimme zu erreichen, wurde zu wenig beachtet, nicht in vollem Umfange gewürdigt und der günstige Zeitpunkt dafür nicht ausgenützt. Es will auf den ersten Blick beinahe unbegreiflich erscheinen, dass für ein so natürliches Bündniss, wie das der protestantischen Stände gegen die katholischen, welches doch eminent practische Ziele verfolgte, nicht sofort die passende Form gefunden werden konnte, dass nicht schon unter Moriz von Sachsen's Auspicien die Einigung vollzogen wurde; doch es wird uns sofort klarer, wenn wir berücksichtigen, dass die Politik der deutschen Fürsten, welche damals vor Allem die Befestigung der eigenen Souveränität im Auge hatten, jeder Bestrebung missgünstig war, welche das Aufgeben ihrer Selbstständigkeit in irgend einer Richtung verlangte. Bei dem fast gänzlichen Mangel an Verständniss für Ideen und höhere Gesichtspunkte, welcher bei den Fürsten des deutschen Reiches jener Zeit vorherrschte, konnten sie sich für ein gemeinsames Auftreten nur dann entschliessen, wenn irgend ein particularistisches Interesse dabei im Spiel war und ein persönlicher Vortheil in Aussicht stand. Von einem gemeinsamen protestantischen Bewusstsein, welches den Eifer für die Religionsfreiheit als solche hervorgerufen hätte, konnte um so weniger die Rede sein, als bekanntlich die einzelnen protestantischen Confessionen sich gegenseitig fast ebenso schroff gegenüberstanden als dem Katholicismus. Rechnet man dazu noch die meist zerrüttete financielle Lage der meisten Fürsten, deren Einkommen keineswegs ein allzu bedeutendes und ausgiebiges war, so ergeben sich die wichtigsten [Seite 26] Verhältnisse, welche einem einheitlichen, kräftigen Auftreten der protestantischen Macht im Wege standen.
Erst im letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts sehen wir die Unionsidee Leben gewinnen und wenigstens in das Stadium der Versuche und Vorbereitungen treten. Der Pfalzgraf Johann Casimir, als Vormund des späteren Kurfürsten Friedrich IV., und Kurfürst Christian I. von Sachsen bewogen 1591 zu Torgau Brandenburg, Braunschweig, Meklenburg und Hessen, sich ihnen zu einem Bündnisse anzuschliessen, welches Friede und Freundschaft unter den Bundesgliedern anstrebte und denjenigen die Bundeshilfe zusagte, welche gegen die Bestimmungen des Land- und Religionsfriedens bedrängt werden. Leider verhinderte der Tod der beiden leitenden Persönlichkeiten, dass die in der Torgauer Acte gewonnenen Zugeständnisse und Verpflichtungen zur Ausführung kamen und die in den folgenden Jahren, hauptsächlich von Seite der pfälzischen Regierung erneuten Bemühungen, das begonnene und unterbrochene Werk zu vollenden, scheiterten an der Verschiedenheit der Intentionen, von welchen die hervorragenden Mächte dabei geleitet waren. Zunächst trat in der Politik Kursachsens, welches während der Minderjährigkeit Christian II. von Herzog Wilhelm regiert wurde, eine Wendung ein, indem dieser den streng lutherischen Standpunkt festhielt und die Erhaltung des Friedens mit dem Kaiser um jeden Preis zu seinem Grundsatze machte. Während die pfälzischen Räte im Ganzen die Maximen Johann Casimir's verfolgten und mit Beharrlichkeit die Verhandlungen wegen der Union immer wieder in Angriff nahmen, also eine der Reichstags-Majorität entschieden oppositionelle Haltung bewahrten, standen Brandenburg und Hessen als Mittelpartei zwischen diesen beiden Richtungen, indem sie ihre Bereitwilligkeit, an einem protestantischen Bündnisse theilzunehmen, zwar nicht in Zweifel setzen liessen, aber auf die möglichste Verbreitung desselben drangen, um nicht durch eine Organisation der Protestanten die Katholiken zu noch grösserem Kraftaufwande zu reizen, ohne für [Seite 27] die gehörigen Widerstandsmittel gesorgt zu haben. Der Jülich'sche Erbfolgestreit und der Einfall der Spanier unter Mendoza auf Reichsgebiet (in den westfälischen Kreis) brachte wenigstens einen Theil der protestantischen Fürsten wieder näher, nachdem durch diese Angelegenheit die Brandenburg'schen Staaten ( Kurbrandenburg, Anspach), Pfalz, Neuburg, Hessen, Braunschweig in einer Weise berührt wurden, dass ihnen eine Unterstützung für ihre particularen Bestrebungen und Bedürfnisse höchst erwünscht kam. Schon auf dem Reichstage zu Regensburg 1597 bildete sich unter Kurpfälzischer Leitung eine Oppositionspartei, welche sich nicht einschüchtern liess und sich bis zu der Erklärung verstieg, in Geldangelegenheiten, hauptsächlich der Gewährung von Türkenhilfen, sei die Haltung der Majorität für die Minorität nicht massgebend und diese nur zu der Leistung jenes Betrages verpflichtet, zu dem sie sich selbst bereit erklärt habe. — Als das Festhalten an dieser Anschauung zur Einleitung eines Processverfahrens gegen die oppositionellen Stände führte, liess sich unter diesen leicht ein gemeinsames Vorgehen erzielen. Besonders drängend wirkte jedoch auf die correspondierenden (das sind die eine Union anstrebenden) Fürsten das mordbrennerische Hausen spanischer Söldnerschaaren am Niederrhein, welches nicht nur in den Nachbarländern, sondern auch bei den meisten übrigen Protestanten die Besorgniss erregte, Spanien wolle im Reiche festen Fuss fassen, um die Akatholischen auch hier zu bekämpfen, eine Besorgniss, welche das Verhalten Mendoza's selbst nicht zu zerstreuen geeignet war. Auf Herzog Heinrichs von Braunschweig und Moriz von Hessen Anregung fanden zweimal Beratungen in Frankfurt statt, welche ein rasches Einschreiten der correspondierenden Fürsten zur Folge haben sollten, nachdem das Zustandekommen einer genügenden Hilfe von Seite der zunächst betheiligten Kreise nicht in Aussicht war. Die Vorgänge bei den Frankfurter Conventen bedürfen einer etwas eingehenderen Betrachtung, weil sie einerseits die Schwierigkeiten, welche einem raschen thatkräftigen Auftreten [Seite 28] der Correspondierenden entgegenstanden, scharf beleuchten, und andererseits eine Persönlichkeit in den Vordergrund der Action treten lassen, mit welcher von nun an alle weiteren Unternehmungen der oppositionell gesinnten protestantischen Partei in Deutschland aufs Innigste verknüpft sind — Christian von Anhalt.
Dieser Fürst, der zweite Sohn Joachim Ernst's von Anhalt, der durch die Vereinigung sämmtlicher Anhaltinischen Besitzungen in seiner Hand sich zu einem Reichsfürsten zweiten Ranges emporgeschwungen hatte, war schon im Alter von 23 Jahren mit einer Aufgabe betraut worden, welche nicht nur von dem grossen Vertrauen Zeugniss gab, das man in seine militärische Befähigung und Thatkraft setzte, sondern ihm auch die Gelegenheit verschafft hatte, mit den hervorragendsten Persönlichkeiten der protestantischen Welt in Berührung zu kommen und deren Anschauungen und Pläne kennen zu lernen. Er war im Frühjahre 1591 in Folge der Bemühungen der Königin Elisabeth von England, des Königs von Dänemark und des Kurfürsten Christian I. von Sachsen an die Spitze des Hilfscorps getreten, welches die protestantischen Fürsten Heinrich von Navarra in seinem Kampfe gegen den Duc de Maine und die Ligisten zur Verfügung stellten. — Sein Feldzug in Frankreich war keineswegs von Erfolg gekrönt; schon damals musste er die bittere Erfahrung machen, dass aller persönliche Mut und die treueste Ausdauer den Mangel an zureichenden Mitteln nicht auszugleichen im Stande sind, dass in den mit Söldnerheeren geführten Kriegen der Fürsten derjenige die grösste Aussicht auf endlichen Sieg hatte, der am längsten bei Gelde war, und dass dagegen die Theilnahme einiger wackerer Degen gar wenig ins Gewicht fiel. Schon im Juli 1592 sah Fürst Christian, der an der Seite des Königs die Belagerung von Rouen mitgemacht und sich eine nicht unbedeutende Wunde geholt hatte, von den 16000 Mann, die er nach Frankreich geführt, kaum ein Fähnlein mehr an seiner Seite; es half ihm nichts, dass er sich selbst stark [Seite 29] verschuldete, um die wegen rückständigen Soldes meuternden Soldaten zu erhalten; Heinrich's Geldmangel, sowie das Versiegen aller Zuflüsse aus Deutschland führten die Entlassung der Truppen herbei. Trotz dieses Missgeschickes war der Feldzug in Frankreich für Anhalt doch von grosser Bedeutung. Er gewann in demselben das Vertrauen und die Achtung Heinrichs IV. im hohen Masse und war durch das längere Zusammenleben mit dem Könige mit dessen Character und Ideen besser bekannt, als irgend Jemand in Deutschland. Auf der Rückkehr von Frankreich focht er mit brandenburgischer Mannschaft für den Administrator Georg von Brandenburg und das Domcapitel von Strassburg und erwarb sich dabei durch einzelne Waffenthaten die Anerkennung als gewandter und verständiger Feldherr. Anträge von Seite des Kaisers, ein Commando im kaiserlichen Heere gegen die Türken zu übernehmen, von Seite Spaniens, als Gouverneur in die Niederlande zu gehen, wies er nachdrücklich ab, dagegen gieng er ein Dienstverhältniss mit Kurpfalz ein, indem er Administrator der Oberpfalz wurde und als solcher in Amberg seinen Wohnsitz nahm, welches bald der Mittelpunkt für die Unterhandlungen und confidentiellen Beratungen, Correspondenzen und Besprechungen der unionistisch gesinnten Partei in Deutschland wurde. Es liegt die Annahme nahe, dass Anhalt schon in der Absicht die Administration übernommen habe, um für bestimmte Pläne wirken zu können. In den kurpfälzischen Räten fand er zum grossen Theile Gesinnungsgenossen und zugleich brauchbare, geschulte Diplomaten; der Kurfürst selbst anerkannte Anhalts geistige Ueberlegenheit und war bald von dessen Leitung abhängig; seine Stellung bereitete ihm wenig Schwierigkeiten und machte ihn weniger zum Beamten als zum selbständigen Regenten. Bald lenkte er von Amberg aus die pfälzische Politik unumschränkt. Ohne sein Mitwissen wurde nicht das Geringste in auswärtigen Angelegenheiten vorgenommen; fortwährend wurde er von allen Vorfällen, von allen Unterredungen, selbst von dem Briefwechsel des [Seite 30] Kurfürsten und seiner Räte in Kenntniss gesetzt; um seinen Rat bewarben sich Alle ausnahmslos, sobald es sich um irgend eine Action von einiger Tragweite handelte.
Anhalt und Heinrich IV. von Frankreich stimmten hauptsächlich in der Ueberzeugung überein, dass ein Bündniss der Protestanten in Deutschland nur dann von Bedeutung sei, wenn es nicht nur für einen einzelnen bestimmten Fall berechnet sei, sondern die Vertheidigung der Rechte und Interessen der protestantischen Fürsten in jeder Richtung sich zur Aufgabe mache und der Spanischen, wie der von ihr beeinflussten Politik der deutschen Habsburger consequent entgegenarbeite. Heinrich IV. hat bei den mehrfachen Unterhandlungen mit den correspondirenden Fürsten wegen der Strassburger Angelegenheit und seinen Versuchen, dieselben dauernd in Kämpfe in Frankreich zu verwickeln, diese seine Ansicht erkennen lassen, Christian von Anhalt trat damit bei den Frankfurter Verhandlungen offen hervor. Als man ihm dort den Oberbefehl über die zur Vertreibung der Spanier vom Niederrhein auszurüstenden Truppen antrug, lehnte er ab, indem der beabsichtigte Krieg nach seiner Meinung viel zu wenig vorbereitet sei, und man dadurch nur der Erweiterung des Bündnisses hindernd in den Weg trete. Ein festes Bündniss aber, Geld und ein Oberhaupt seien vor Allem notwendig, bevor man die Action beginne. Er empfahl auch dringend das Bündniss mit Frankreich, durch welches die Kosten erschwinglicher gemacht und den Missverständnissen wegen der Direction gesteuert würde. Seine Ansicht drang jedoch nicht durch; an seiner Stelle wollte sowohl Moriz von Hessen als auch Heinrich von Braunschweig den Oberbefehl übernehmen. Die Schwierigkeit, zwischen beiden zu entscheiden, sowie die Kargheit des Herzogs von Neuburg, der sich weigerte, die von den übrigen Fürsten bestimmten 75 Römermonate zu zahlen, verhinderte das Zustandekommen einer Einigung in Frankfurt gänzlich. Die von Hessen und Braunschweig betriebene Kreisexecution nahm ein klägliches Ende und misscreditierte die protestantischen Fürsten nachdrücklich. [Seite 31] Nachdem selbst der Einfall der Spanier und die dadurch drohende Gefahr nicht im Stande gewesen war, den Correspondirenden die zur Erzielung einer lebensfähigen und achtunggebietenden Vereinigung zu bewegen, scheiterten selbstverständlich auch die weiteren zu Friedberg, Oehringen und Heidelberg angestellten Versuche. Wie wenig Verständniss für eine entschieden oppositionelle Politik unter den dazu berufenen Fürsten herrschte, beweist der Antrag des Herzogs von Neuburg auf dem Friedberger Tage, welcher den Eintritt in den zu gründenden Bund auch für katholische Reichsstände gewahrt wissen wollte. Das einzige Resultat, welches man in diesen Unterhandlungen zu Tage förderte, war die Zustimmung zur Verweigerung der Türkenhilfe. Am Reichstag von 1603 zerfloss jedoch selbst dieses in eitlen Trug und Schein, indem an die vorgebrachten Beschwerden die Steuerfrage nicht direct angeschlossen wurde. Erst der nächste, 5 Jahre darnach stattfindende Reichstag sollte den Anlass geben, die Organisation der Parteien zum Abschluss zu bringen. Inzwischen war auch von zwei Seiten die Verbindung mit Heinrich von Frankreich wieder aufgenommen werden, von Landgraf Moriz von Hessen und Christian von Anhalt, welch' letzterer im August 1606 am Hofe Heinrichs erschien, zunächst unter dem Vorwande, die von seinem französichen Feldzuge noch herrührenden Schulden einzutreiben, mehr jedoch um seinen alten Kampfgenossen über die Haltung auszuforschen, die er gewissen Fragen gegenüber einzunehmen gedenke.
Unter diesen war die dringlichste die Nachfolge im deutschen Reiche, da die katholische Partei eine Zeit hindurch mit dem Plane umgieng, den Erzherzog Albert, Schwiegersohn Philipps von Spanien und Statthalter der Niederlande, auf den deutschen Thron zu erheben, was mit der Befestigung des spanischen Einflusses in Deutschland wohl gleichbedeutend gewesen wäre. Heinrich war mit der Abneigung der deutschen Protestanten gegen Albert ganz einverstanden und billigte ihren Widerstand gegen dieses Project; er drückte auch den lebhaften Wunsch [Seite 32] nach Abschluss der Union aus, aber er gieng nicht auf die etwas zudringlichen Forderungen der Deutschen ein, welchen es vor Allem darum zu thun war, dass Frankreich zu Gunsten der Union ein gutes Stück Geld auf deutschem Boden deponieren solle. Er fühlte sich nicht berufen, ausschliesslich der politischen Inpotenz der deutschen Protestanten abzuhelfen, er erkannte in den um ihre Unabhängigkeit von Spanien kämpfenden „Staaten“ eben so wertvolle Verbündete, und wollte daher, dass die Gelder, welche er der Union widmen würde, auch nötigenfalls den „Staaten“ zu Gute kommen könnten. Darauf waren die Pfälzer nicht gefasst und das Verhältniss zu Frankreich blieb ohne Basis. — Da kam ein entschiedener Schritt des geistig hervorragenden und durch kluge Sparsamkeit im Staatshaushalte zu unabhängiger Machtstellung gelangten Führers der katholischen Partei, Maximilians von Baiern den bis dahin erfolglos sich bemühenden pfälzischen Politikern zu Hilfe. Dieser Fürst, der Jugendfreund und Gesinnungsgenosse des steiermärkischen Ferdinand, nur weit bewusster in seinem Handeln und von bei weitem rascherer und tieferer Auffassung, rüstete sich zu dem bevorstehenden Kampfe gegen den Protestantismus, den sein Stuben- und Bettgenosse von der Jesuitenschule zu Ingolstadt in seinen Erbländern so erfolgreich begonnen hatte, indem er nicht so sehr auf weitgreifende Bündnisse bedacht war und kunstvolle Pläne schmiedete, sondern jede Gelegenheit zur Machtvergrösserung, wenn sie auch wenig bedeutend schien, mit Verständniss erkannte und energisch ausnützte. So hatte er die Unruhen, welche das herausfordernde Auftreten des katholischen Abtes in der Reichsstadt Donauwörth zwischen der protestantischen Majorität und einer fast verschwindenden katholischen Minorität hervorgerufen hatte, dazu benützt, um vom Kaiser die Verhängung der Reichsacht über Donauwörth zu erwirken und sich selbst die Vollstreckung derselben übertragen zu lassen. An einen ernsthaften Widerstand der kleinen Reichsstadt war nicht zu denken, ebensowenig an die Möglichkeit, dass dieselbe die sehr ausgiebig [Seite 33] berechneten Executionskosten je ersetzen könnte, bis zu deren Zahlung sich Herzog Maximilian die Landeshoheit über Donauwörth beilegte. Dieser Gewaltact, der schliesslich seine ursprünglich mit einem Deckmantel von Rechtsgründen verhüllte Natur nicht mehr verläugnen konnte, brachte in der Sonderung der Parteien einen erheblichen Fortschritt hervor; er öffnete den Correspondierenden die Augen über die Grösse der ihnen drohenden Gefahr und ermutigte die Katholiken zu weitergehenden Forderungen als bisher. — Dies kam auf dem zu gleicher Zeit ausgeschriebenen Reichstage zu Regensburg 1608 zum Ausdruck. Erzherzog Ferdinand, der ihn im Namen seines kaiserlichen Vetters eröffnete, glaubte von den Protestanten sogar die Herausgabe der seit dem Religionsfrieden eingezogenen Kirchengüter verlangen zu können und trat der bescheidenen Forderung Kursachsen's nach Erneuerung des Religionsfriedens entgegen, wodurch selbst diese den Unionsbestrebungen so hinderliche Macht für den Augenblick in die Reihen der Opposition gedrängt wurde. Die Kurpfälzer schürten das angefachte Feuer und erzielten dadurch schon einen nicht zu unterschätzenden Erfolg, dass es ihnen gelang, den grössten Theil der Protestanten zum Abbruche der Reichstags-Verhandlungen und zum Abzuge von Regensburg zu bewegen. Als nun Kurbrandenburg die Unionsidee selbst wieder in Anregung brachte, nahm Christian von Anhalt seine Bestrebungen mit grösstem Eifer wieder auf, verhinderte die von einigen Correspondierenden geplante Gründung von zwei nur in loser Verbindung stehenden Sonderbündnissen lutherischer und calvinistischer Fürsten, und brachte hauptsächlich durch seinen schwerwiegenden persönlichen Einfluss, durch seine eminente diplomatische Begabung den Abschluss der Union zu Ahausen zu Stande, in welcher man nicht nur die Vertheidigung angegriffener Bundesglieder, sondern auch den Schutz anderer protestantischer Stände in Aussicht nahm. Die Leitung des Bundes wurde in die Hände eines Directors gelegt, der auf drei Jahre gewählt wurde. Kurpfalz übernahm die Stelle zunächst [Seite 34] und sollte im Falle, als ein anderer zum Director gewählt würde, das Recht haben, den General-Lieutenant zu ernennen. Dass es im Mai 1608 den protestantischen Fürsten, welche die Union schlossen — vor Allem Kurpfalz, Würtemberg, Baden, Pfalz-Neuburg, Brandenburg, Anspach, Anhalt — ernstlich um die Sache zu thun war, erhellt aus der gemeinsamen Verabredung, die Theologen zum Schweigen zu bringen, damit die Verschiedenheit der Religion keine Zwietracht unter die Verbündeten bringe.
Von grösster Bedeutung war die endliche Gründung der Union für die Thätigkeit Christian's von Anhalt, der nunmehr eine Basis für seine grossen Pläne gewonnen hatte und mit grösserem Nachdrucke gegenüber anderen Mächten aufzutreten in der Lage war. Es ist hier nicht die passende Gelegenheit, um über Anhalts Politik, besonders über die derselben zu Grunde liegenden Ideen, über die Motive der rastlosen Thätigkeit dieses Fürsten, der in neuester Zeit mehrfache, sehr eingehende und sehr verschiedenartige Beurtheilungen erfahren hat, Untersuchungen anzustellen; es dürfte jedoch nicht zu viel gewagt sein, wenn ich die Behauptung aufstelle, dass Anhalt damals über die Grundzüge seiner Bestrebungen vollends im Klaren war, dass Schwächung der habsburgischen Macht, Besetzung des deutschen Kaiserthrones mit einem dieser Dynastie nicht angehörigen Fürsten unter denselben die hervorragendste Stelle einnahmen. Dafür spricht vor Allem seine schon damals angebahnte Verbindung mit den Häuptern der protestantischen Partei in den österreichischen Ländern. Dort hatten sich die Verhältnisse derartig verwirrt, dass Anlass genug vorhanden war, sie mit Plänen in Verbindung zu bringen, welche insbesondere darauf abzielten, zu verhindern, dass die Gesammtmacht des Hauses Habsburg für die Interessen des Katholicismus in den Kampf treten könne.
In erster Linie waren es Wok von Rosenberg, der altböhmischen Dynastenstolz mit freigeistischen Ideen verband, und durch seine vertiefte Bildung ebenso wie durch die [Seite 35] bedeutenden Mittel, über die er verfügte, von grossem Einflusse war, und der kühne, geistesfrische und redegewandte Vorkämpfer der oberösterreichischen Protestanten, Freiherr Erasmus von Tschernembl, mit welchem Anhalt im innigsten Verkehr stand, durch die er einerseits über die Zustände in Oesterreich auf das genaueste unterrichtet und durch die er andererseits selbst auf die Bewegung einzuwirken im Stande war. Der Führer der mährischen Protestanten, Herr Karl von Zierotin, ein Gefühlspolitiker, dem es nicht an gutem Willen für die Sache der Religionsfreiheit fehlte, der jedoch in den vielgewundenen Irrwegen der Politik jener fieberhaft aufgeregten Zeit die Klarheit der Anschauung und die practische Fühlung verlor, hielt sich mehr abseits von dieser Verbindung und suchte sich freie Hand zu bewahren. — Die Protestanten in allen österreichischen Ländern frei zu machen und aus ihnen eine selbständige Macht, gestützt auf die Formen der ständischen Verfassung zu bilden, war das Streben Anhalts und seiner Freunde in Oesterreich. Eine Möglichkeit zur Erreichung dieses Zieles ergab sich zunächst in den Ländern der böhmischen Krone, in Ober- und Niederösterreich, wo jene Mittel, welche Erzherzog Ferdinand in Innerösterreich zur Anwendung gebracht hatte, noch ganz und gar ausgeschlossen waren. Zur selben Zeit, als in Regensburg zum erstenmal eine geschlossene protestantische Oppositions-Partei den Reichstag sprengte und durch die Gründung eines Sonderbündnisses aus dem Rahmen der alten Reichsverfassung trat, spielte sich auch in den österreichischen Erbländern eine unblutige Revolution ab, durch welche die protestantische Partei an Bedeutung gewann. Erzherzog Mathias, der älteste lebende Bruder des Kaisers, der schon durch eine im April 1606 veranstaltete Familienberatung mit dem Schutze der Habsburgischen Interessen betraut worden war, trat in Verbindung mit den Ständen von Ungarn, Oesterreich und Mähren gegen Rudolf auf, weil dieser durch eine unkluge Verweigerung der Ratification des zwischen Ungarn und den Türken abgeschlossenen Friedens [Seite 36] von Zsitwa-Torok die grösste Verwirrung hervorgerufen hatte und zwang den Kaiser im Vertrage zu Lieben (28. Juni 1608), ihm Ungarn und Oesterreich abzutreten und die Nachfolge in Böhmen zu sichern. Mathias hatte auch die Abtretung von Böhmen verlangt, war aber an der Erreichung dieser Forderung durch die Haltung des böhmischen Landtages verhindert worden, der sich der Conföderation der Ungarn, Oesterreicher und Mährer nicht angeschlossen hatte. — Die Ursache dessen war die Haltung Wok's von Rosenberg, der im Einverständnisse mit Anhalt jetzt für die Unterstützung Rudolf's plaidirte, dem man in seiner Not mehr Zugeständnisse an die protestantische Ständemajorität abzuringen hoffte, als dem siegenden Mathias, der ja nur für den Augenblick und aus rein persönlichem Interesse den Bund mit den Protestanten eingegangen war.
Der Friede von Lieben, durch welchen weder für Mathias noch für den Kaiser eine abschliessende Entscheidung herbeigeführt war, versetzte die Politik Anhalts in ein nicht geringes Schwanken; sein Antrag, dass die Union selbständig interveniren und sich dadurch zur Herrin der Situation in Oesterreich machen solle, fand bei den Fürsten keinen Anklang, da diese vor jeder energischen That zurückschreckten; er musste sich also darauf beschränken, einerseits die mährischen und österreichischen Stände, welche sich in der Convention von Strbohol zu gemeinsamen Vorgehen verpflichtet hatten, zum Beharren in ihren Forderungen gegen Mathias anzuspornen, andererseits in Böhmen gegen Rudolf zu Gunsten der protestantischen Stände zu arbeiten. Eine lebhafte Correspondenz mit Tschernembl, Zierotin und den böhmischen Häuptern gibt von seiner Thätigkeit Zeugniss. Als der Kaiser in den Verhandlungen mit den Böhmen, die auf Ordnung der Religionsangelegenheiten drangen, abermals zögernd auftrat, beschäftigte sich Anhalt lebhaft mit dem Plane, eine Conföderation der böhmischen Stände mit der Union zu Stande zu bringen und reiste zur Beförderung derselben nach Prag. — Wenige [Seite 37] Tage nach seiner Ankunft beruhigte jedoch der Kaiser die Böhmen durch die Verleihung des Majestätsbriefes, wodurch Anhalts Bemühungen momentan wieder gegenstandslos wurden. Er begnügte sich daher, mit den böhmischen Häuptern intimere Beziehungen anzuknüpfen, was ihm bei seinen ausserordentlichen persönlichen Eigenschaften vollkommen gelang.
Auch nach anderen Richtungen war Anhalt bemüht, der Union Theilnahme und Unterstützung zu gewinnen; in seinem Auftrage unterhandelte Christoph von Dohna in Paris mit den einflussreichsten Männern, wie Villeroi, Jeannin, Sully, mit den Gesandten von England und der Generalstaaten, und reiste nach Venedig, um dort Geld auf Wechsel der Unionsfürsten zu erlangen, die in Anhoffnung der französischen Subsidien ausgestellt wurden. Dohna trat auch dort im Namen Anhalts mit dem genialen Paolo Sarpi in Verbindung, der Venedigs Politik im Sinne unversöhnlicher Feindschaft gegen den Papst leitete und sich mit der Idee trug, Venedig protestantisch zu machen. — Es scheinen bestimmte Verabredungen zwischen Anhalt und Sarpi damals schon stattgefunden zu haben, die den Plänen Anhalts eine Ausdehnung und Vielseitigkeit gaben, welche keineswegs geeignet war, sie der Ausführbarkeit näher zu bringen. Wichtiger und erfolgreicher war Anhalt's abermalige persönliche Unterhandlung mit Heinrich IV. zu Ende des Jahres 1609, nachdem kurz zuvor auf Anregung des spanischen Gesandten am kaiserlichen Hofe, Zuniga, die Bildung einer katholischen Liga, als Gegengewicht gegen die Union, zu Stande gekommen war. — Es handelte sich hauptsächlich darum, für den nächsten kriegerischen Zusammenstoss beider Parteien, der in Jülich zu erwarten stand, Sorge zu tragen, und Heinrich IV. war einer werkthätigen Unterstützung der Union in dieser Angelegenheit, die sie zu der ihren gemacht hatte, nicht abgeneigt. Er versprach ebensoviel Truppen ins Feld rücken zu lassen, als die Union und liess den Unionsfürsten ausserdem erklären, dass er sich ihrer Interessen in allen deutschen Angelegenheiten annehmen werde, und dass [Seite 38] es sein lebhafter Wunsch sei, das Haus Habsburg vom Kaiserthron auszuschliessen. Die günstige Einwirkung dieser Botschaft Heinrichs zeigte sich in der Unions-Versammlung, die zu Schwäbisch-Hall im Januar 1610 abgehalten wurde. Man beschloss dort, in der Jülicher Angelegenheit mit aller Macht für Brandenburg und Pfalz-Neuburg, die sich verglichen und bereits festen Fuss in diesen Ländern gefasst hatten, einzutreten, die Union über den ganzen Norden Deutschlands zu verbreiten und zugleich mit den Evangelischen in Oesterreich, Böhmen, Mähren, Schlesien, selbst auch mit denen in Dänemark, England, den Generalstaaten, Venedig und der Schweiz in nähere Verbindung zu treten.
Nach Abschluss dieser Verhandlungen begab sich Anhalt zum drittenmal nach Paris, um die Misstimmung des Königs über die geringe Opferwilligkeit der Unionsfürsten zu beheben. Immer mehr Uebereinstimmung, ja selbst persönliche Freundschaft zwischen beiden Männern trat bei diesem abermaligen längereren Verkehr derselben hervor, der leider durch ein erschütterndes Ereigniss abgebrochen werden sollte, welches den Fürsten von Anhalt seines vielfach gleichstrebenden, an Gedankenreife und Ruhe ihn überragenden Kampfgenossen beraubte. Der Fürst weilte noch in Paris, als Ravaillac's Dolch der katholischen Hierarchie den grossen Dienst erwies, sie ihres gefährlichsten Gegners zu entledigen; er mag wohl einer der ersten gewesen sein, der die Nachricht von dieser Jesuitenthat nach Deutschland brachte. Bald darauf musste Anhalt an die Spitze des Unionsheeres treten, welches in Verbindung mit einem vom Marschall von Chartres befehligten schwachen französischen Hilfsheere Jülich eroberte und dem Kurfürsten von Brandenburg und dem Herzog von Neuburg den Besitz dieser Lande sicherte; seiner kräftigen Vermittlung war es auch zu danken, dass die beiden genannten Fürsten, welche sich in Folge eines derben Zwischenfalls entzweit hatten, doch zu einem Theilungs- und Erbvertrage vermocht wurden. Nach Beendigung der Jülich'schen Angelegenheit war die Nachfolge [Seite 39] in der Kaiserwürde die brennendste Frage für die Unionspartei; um diese drehen sich mehr oder weniger alle Bemühungen und Entwürfe Anhalts, der es verstand, mit einer seltenen Elasticität, die ihn bei manchem rasch absprechenden Beurtheiler in den Geruch eines egoistischen Abenteurers gebracht hat, sofort neue Combinationen zu ersinnen, sobald sich ein Plan als unausführbar erwiesen hatte. Während der letzten Lebensjahre näherte er sich dem Kaiser Rudolf wieder, und dieser war nach dem empfindlichen Schlage, den Mathias gegen seine so eifersüchtig bewahrte Autorität geführt hatte, gerne zu einer Transaction mit den Unionsfürsten bereit. Man plante die Abhaltung eines Reichstages, auf welchem der Kaiser den Unirten Concessionen ertheilen sollte, während diese sich zur Bewilligung einer Civilliste für den Kaiser verstehen wollten. Auch von einer Vermählung Rudolf’s war noch die Rede, die Witwe des im September 1610 verstorbenen Pfalzgrafen Friedrich IV., sowie eine Tochter des Herzogs von Braunschweig werden als Bräute genannt.
Rudolf's Tod (20. Jänner 1612), in Folge dessen Mathias auch die Krone von Böhmen und Deutschland auf seinem Haupte vereinigte, brachte in dieser Bewegung nur eine geringe Stockung hervor, denn bald regte die Kinderlosigkeit Mathias' beide grossen religiös-politischen Parteien, die von dem künftigen Kaiser die Erfüllung ihrer Wünsche erwarteten, zu neuen Bemühungen an.
Anhalt dachte zunächst daran, die Liga zu sprengen und ihr das Haupt zu nehmen, indem er eine Candidatur Maximilian's von Baiern aufstellte. Obwohl er dieselbe kunstvoll eingeleitet hatte und durch seinen gewandtesten Agenten, Balthasar Neu, den Boden dafür in München vorbereiten liess, obwohl er den jungen Kurfürsten Friedrich V. bewog, persönlich dem Herzoge die Kaiserkrone anzutragen, lehnte dieser doch mit aller Entschiedenheit ab.
Maximilian wusste sehr wohl, dass er ein Werkzeug der [Seite 40] Union werden sollte, dass er um den Preis der Kaiserwürde seine bisherige Haltung verleugnen oder vereinsamt und machtlos zwischen beiden Parteien balancieren müsste, und er war der Mann nicht, der unter solchen Verhältnissen in seinen Ueberlegungen gestört und durch verlockenden äusseren Schimmer schwankend gemacht würde — er blieb der Führer der katholischen Partei in Deutschland.
Während durch diese Entscheidung Maximilian’s sich die Partei der Unirten genötigt sah, auf anderen Wegen andere Verhältnisse zu schaffen, andere Candidaturen in Erwägung zu ziehen und Vorbereitungen für die Hauptaction zu treffen, waren auch die katholischen Mächte nicht müssig und erkannten die Notwendigkeit, noch bei Lebzeiten des Mathias die Nachfolge in dessen Erblanden und im Reiche festzustellen. Schon im Jahre 1616 entwarf Erzherzog Maximilian, der noch vor wenigen Jahren von den Protestanten protegiert und dem von Seite Spaniens empfohlenen Erzherzog Albert entgegengestellt worden war, den Plan, es seien die widerspänstigen akatholischen Reichsstände mit Hilfe Spaniens durch Heeresgewalt niederzuwerfen, Brandenburg und Pfalz im Kurfürsten-Collegium einfach durch die geistlichen Kurfürsten und das sichere Sachsen zu überstimmen, es sei dem Kaiser die Designation des Nachfolgers zu überlassen.
Im darauffolgenden Jahre trat der spanische Gesandte Onate mit dem Manne in Unterhandlung, den die katholische Partei als ihr brauchbarstes und verlässlichstes Werkzeug auf dem Kaiserthrone betrachten musste, mit Erzherzog Ferdinand von Steiermark, der ja, wie wir im ersten Abschnitte gesehen haben, mit so grossem Geschicke und unglaublichem Erfolge bereits katholische Politik betrieben hatte. Er versprach den Spaniern, falls er Kaiser würde, alle erledigten Lehen in Italien, sowie das Elsass; auch erklärte er sich bereit, der männlichen Nachkommenschaft der spanischen Linie der Habsburger den Vorzug vor der eigenen weiblichen zu geben. [Seite 41]
Spanien war befriedigt und arbeitete nun auf's eifrigste für Ferdinand's Candidatur. Zunächst handelte es sich darum, dieselbe in Böhmen durchzusetzen. Dort concentrierte sich das Interesse beider Parteien, dort sollte der lange vorhergesehene, unvermeidliche Kampf zum Ausbruch kommen, zu dem von beiden Seiten so grossartige Vorbereitungen getroffen worden waren, dort sollte sich das Schicksal Deutschlands für zwei Jahrhunderte entscheiden. [Seite 42]
Am 5. Juni 1617 trat in Prag ein General-Landtag der Länder der böhmischen Krone zusammen, welcher für die Nachfolge in der Regierung im Falle des Ablebens des Königs Mathias Sorge zu tragen hatte. Ob es sich dabei um eine „Wahl“ oder eine „Annahme“ des gesetzlich zur Nachfolge Berufenen handle, wurde von den sich hiebei Gegenüberstehenden verschieden beantwortet. Die Habsburg freundlich gesinnten Katholiken behaupteten, dass das den Luxenburgern seiner Zeit zugestandene Erbrecht auch auf die Habsburger übertragen worden sei und perhorrescirten das Recht der freien Wahl; die protestantische Opposition machte dagegen geltend, dass Mathias factisch „gewählt“ worden sei und behaupteten, [Seite 43] durch diesen Act sei die Erbfolge thatsächlich unterbrochen worden und desshalb ausser Gesetzeskraft getreten. Es zeigte sich jedoch bei den ersten Besprechungen der Landtags-Mitglieder, dass die Protestanten keineswegs eine geschlossene, organisierte und in der Wahl der Mittel zu ihrer Vertheidigung geeinigte Partei bildeten; die beredten Auseinandersetzungen des Kanzlers Zdenek von Lobkowitz über das unbestreitbare Anrecht des Hauses Habsburg auf die böhmische Krone machten viele in ihrer Ueberzeugung von der Möglichkeit der Einsetzung einer anderen Dynastie wankend und ausserdem bewährten sich selbst solche Persönlichkeiten, welchen man die Führung der oppositionell gesinnten Partei übertragen hatte, im enscheidenden Momente nicht. Dies gilt besonders vom Grafen Albin Schlickh, dem die Aufgabe zu Theil geworden war, bei der am 6. Juni erfolgenden Abstimmung im Namen des Herrenstandes die Annahme Ferdinands als König von Böhmen zurückzuweisen. Der einzige Graf Mathias v. Thurn, der als Kronbeamter zu den ersten gehörte, welche sich über den Antrag der Regierung, betreffend die Wahl Ferdinand's, zu äussern hatten, trat mannhaft auf und verweigerte seine Stimme. — Andere Parteihäupter, wie Wilhelm von Ruppa, Budowec, Wilhelm von Lobkowitz u. A. folgten dem Beispiele Schlickh's und gaben, wenn auch unter beleidigenden Bemerkungen, wie der letztgenannte, ihre Zustimmung.
Erzherzog Ferdinand, der den Protestantismus in Innerösterreich vernichtet und dessen Anhänger mit Gewalt aus seinen Ländern vertrieben hatte, wurde zum Könige von Böhmen gekrönt, nachdem die Prager Jesuiten ihm auf seine Anfrage die Erklärung abgegeben hatten, er dürfe den Majestätsbrief formell anerkennen, da er auf andere Weise die Krone nicht erlangen könne. Dass diese Anerkennung aber nur als ein rein äusserlicher Act des Krönungs-Ceremoniells aufgefasst und damit durchaus nicht die Meinung verbunden wurde, dem abgegebenen Gelöbnisse nach zu handeln, wurde den böhmischen Protestanten nur zu bald durch ganz unzweideutige [Seite 44] Schritte klar gemacht. Zunächst wurde Graf Thurn für seine feindliche Gesinnung bestraft, indem man die erste sich ergebende Gelegenheit benützte, ihm die einflussreiche und sehr einträgliche Stelle eines Burggrafen von Karlstein abzunehmen und gegen seinen offen ausgesprochenen Willen zu der im Hofrange höher stehenden Stelle eines Oberstlandlehens-Richters zu befördern. In den königlichen Städten wurden durchaus katholisch gesinnte Behörden eingesetzt und in einer neuen Prager Stadtordnung die Königsrichter mit Befugnissen ausgestattet, welche die Gemeinde-Autonomie auf ein höchst bescheidenes Mass beschränkten. Bald glaubte man noch weiter gehen zu können und versuchte, die in Steiermark bewährten Massregeln Erzherzog Ferdinand's auf die böhmischen Verhältnisse anzuwenden, indem man von den Bewohnern königlicher Städte entweder die Verleugnung ihres akatholischen Bekenntnisses oder Auswanderung verlangte.
Kaiser Mathias wurde dem Einflusse seines Ministers, Kardinal Khlesel, der bei allem Eifer für die katholische Sache doch einer massvollen und versöhnlichen Politik huldigte und alle Gewaltmittel so lange als möglich verschoben wissen wollte, mehr und mehr entzogen, und von den Erzherzogen Maximilian und Ferdinand, die fortwährend im Verkehre mit dem spanischen Gesandten Onate standen, zu directen Verletzungen des Majestätsbriefes getrieben. — Dies geschah in flagrantester Weise in dem zwischen dem Abte und den protestantischen Bewohnern von Braunau ausgebrochenen Streite über die Benützung der dortigen Kirche. Als endlich der Erzbischof von Prag, kühn gemacht durch die aggressive Tendenz der Hofpartei, die protestantische Kirche von Klostergrab niederreissen liess, wäre jedes weitere Zuwarten und Dulden von Seite der protestantischen Stände feige Pflichtverletzung gewesen. So sahen sich denn die mit der Ueberwachung der Ausführung des Majestätsgesetzes betrauten Defensoren veranlasst, von ihrem Rechte Gebrauch zu machen und die Vertreter sämmtlicher Kreise zu einer gemeinsamen Beratung in [Seite 45] Prag einzuladen. Die erste Versammlung Anfangs März 1618 beschloss ein Protestschreiben an den Kaiser, nachdem die Statthalter erklärt hatten, dass sie selbst nicht in der Lage seien, den Beschwerden der Stände abzuhelfen, und eine neuerliche Zusammenkunft am 21. Mai. — Trotzdem der Kaiser in mehreren Schreiben die Abhaltung des zweiten Protestantentages verbot, kam derselbe doch unter lebhafter Betheiligung des Adels zu Stande. — Bereits waren die Führer desselben, darunter vor Allem der energische Thurn, entschlossen, die Brücken der Unterhandlungen und des verfassungsmässigen Protestierens und Petitionirens abzubrechen und in offenem Aufstande die Entthronung der Habsburger und unter einer neuen Regierung die Sicherung der Protestanten zu erzwingen. Sie wussten bereits ganz wohl, dass es ihnen an Bundesgenossen nicht fehlen könne; wenigstens waren sie über des Fürsten von Anhalt Pläne sowohl durch ihn selbst als durch Christoph von Dohna und Ludwig Camerarius unterrichtet, welche im Vorjahre kurz nacheinander in Prag geweilt und dort mit den hervorragenden Defensoren unterhandelt hatten. Wie weit man dabei gegangen sein muss, erhellt aus dem Umstande, dass Camerarius in Dresden im Namen der Kurpfalz mit dem Anerbieten herausrücken konnte, dem Kurfürsten von Sachsen die Krone von Böhmen zu verschaffen.
Für Thurn handelte es sich also nunmehr darum, die entscheidende That herbeizuführen, welche selbst seinen weniger entschlossenen Glaubensgenossen den Rückzug zum passiven Widerstande unmöglich machte. — An Gelegenheit, die versammelten Protestanten zu inflammiren, fehlte es nicht; die in den letzten Monaten immer dreister hervorgekehrten jesuitischen Umtriebe in Prag, neuerliche Verletzungen der Religionsfreiheit bei Besetzung von Pfarrerstellen, das Verbot der Abhaltung der von den Defensoren auf Grundlage der Bestimmungen des Majestätsbriefes ausgeschriebenen Versammlungen, rechtfertigten die harten Anklagen gegen den Kaiser und seine Räte, die man als die Urheber seiner Verfassungs-Verletzungen [Seite 46] bezeichnete. Der von Thurn in Scene gesetzte „ Fenstersturz“ am 23. Mai eröffnete den Kampf zwischen dem Hause Habsburg und der akatholischen Bevölkerung von Böhmen durch eine That, deren volle Bedeutung nirgends mehr verkannt werden konnte.
Zunächst hatten die Häupter der böhmischen Protestanten, die Freunde Anhalts und der Union die Regierung Böhmens in Händen, und das natürliche, auf Gemeinsamkeit der Interessen beruhende Bündniss zwischen der böhmischen Directorial-Regierung und der von Anhalt und den pfälzischen Räten geleiteten, zu entschiedenen Thaten drängenden Partei der Union wurde bald in aller Form zu Stande gebracht. Gleich nach dem Fenstersturze erschien einer der gewandtesten Declaireurs Anhalts, Konrad Pawel in Prag, um sich persönlich mit der Situation in Böhmen vertraut zu machen. Im Juni weilte Herr von Schlammersdorf im Auftrage der Directoren in Heidelberg und bald darauf leitete der kurpfälzische Grosshofmeister Graf Albrecht von Solms die definitiven Abmachungen durch persönliche Verhandlungen mit den Directoren in Prag ein, über deren Verlauf wir durch die vom Grafen Solms darüber erstattete grosse Relation auf's Genaueste unterrichtet sind. Er versprach den Böhmen die Unterstützung von Seite der Kurpfalz, sowie dass sich der Kurfürst bei Savoyen und Venedig für die Böhmen verwenden werde und bestärkte dadurch die ängstlicheren Gemüter unter den aufständischen Böhmen in dem Verfolgen des von ihnen eingeschlagenen Weges, nachdem Kurpfalz dabei nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das der gesammten Union, deren Director der Kurfürst ja war, in die Wagschale warf.
Anhalt glaubte jetzt den Zeitpunkt für gekommen, um eine allgemeine Allianz gegen Habsburg zu Stande zu bringen, deren Tendenz die Verdrängung dieses Hauses vom deutschen Kaiserthrone und die Zerplitterung ihrer Macht durch Lostrennung Böhmens und die Kräftigung der ständischen Freiheiten in den übrigen Erbländern war. Vor Allem bedurfte [Seite 47] er nun eines Candidaten für die deutsche Königswahl, eines zweiten für Böhmen, das den Habsburgern für immer entrissen werden musste, und noch mehr Truppen und Geld, um den zu erwartenden Krieg mit Habsburg und der Liga zu bestehen. Mit einer unglaublichen Raschheit, welche den praktischen Staatsmann kennzeichnet, war Anhalt Herr der ohne sein Zuthun ganz unerwartet geschaffenen Situation, und mit einer für die Beschränktheit der damaligen Verkehrsmittel erstaunlichen Schnelligkeit hatte er nach den verschiedensten Richtungen die notwendigen Verbindungen hergestellt.
In der Person des reichen und ehrgeizigen Herzogs Karl Emanuel von Savoyen war der deutsche Throncandidat gefunden, für welchen, als einen katholischen Fürsten, Anhalt auch geistliche Stimmen zu gewinnen hoffte. Dieser liess sich auch sogleich zu einem thatsächlichen Eingreifen in die deutschen Angelegenheiten herbei, indem er den Grafen Mannsfeldt mit 2000 Mann, die für Savoyen gegen Spanien ausgerückt waren, mit dem er wegen Montferrats in Krieg gestanden, der Union zur Verfügung stellte. Dies geschah noch im Juli und im August war die diplomatische Action schon so weit gediehen, dass Anhalt hoffen konnte, in kürzester Zeit ein Heer von 15000 Mann auf die Beine zu bringen, Elsass für Kurpfalz zu erwerben, „den Ocean mit dem adriatischen Meer zu conjugiren“ und durch die Tiroler Pässe die Verbindung mit Italien herzustellen.
In den Kreisen der Unionsfürsten war man kriegerischer gesinnt denn je, und liess, besonders in den ersten Monaten nach dem Beginne der böhmischen Revolution, an Zuversicht nichts zu wünschen übrig. — Anspach und Anhalt schrieben unter dem 13. August an den Kurfürsten von der Pfalz: „es sei soweit in Deutschland gekommen, dass alles libelliren und tractiren hinfüro vergebens und salus patriae in nichts weiterem als in armis und derselben guter Anlegung und Gebrauch zu suchen.“ Man wollte den Krieg an mehreren Orten zugleich beginnen, um auch die Streitkräfte der katholischen Mächte [Seite 48] möglichst zu zersplittern. Das Obercommando sollte Kurpfalz übernehmen, der Markgraf von Anspach als obrister Lieutenant im Feld, der Fürst von Anhalt als Feldmarschall unter ihm stehen, ein General in Franken gegen die Bisthümer Würzburg, Bamberg und Eichstädt, einer am Rhein gegen Strassburg, Speier, Mainz und allfällige Hilfsvölker der Spanier operieren. Die Krone von Böhmen war dem Kurpfälzer bereits angeboten worden, und er war von vorneherein bereit, dieselbe anzunehmen; denn schon wurde die böhmische Kurstimme, welche Friedrich V. dann abzugeben gehabt hätte, bei der Berechnung der Stimmen in Anschlag gebracht, die man für den Herzog von Savoyen bei der voraussichtlichen Kaiserwahl zu gewinnen vermeinte. Alles versprach nach Wunsch zu gehen, wenn man nur genügende Geldmittel zu Stande brachte, um den Krieg mit Nachdruck führen zu können. In dieser Hinsicht war von den Unionsfürsten nicht viel zu erwarten, und es mussten dazu vor Allem die italienischen Allirten, Savoyen und Venedig, herangezogen werden. An diese wurde Gesandtschaft auf Gesandtschaft gerichtet, um sie zu möglichst grossen Opfern zu bewegen und ihnen die günstige Gestaltung der Verhältnisse und die Möglichkeit, sie in ihrem Interesse auszubeuten, recht eindringlich vorzustellen. Nachdem Christoph von Dohnas und Balthasar Neu's Unterhandlungen nicht zu genügenden Resultaten geführt hatten, so musste Graf Mannsfeldt, der als Eroberer von Pilsen (21. November 1618) in der Glorie des Siegers erschien, eine Reise nach Turin antreten, um seinen Einfluss bei dem Herzoge zur Erreichung der von den Unirten aufgestellten Forderungen aufzuwenden. Mannsfeldts Sendung im Januar 1619 erreichte den beabsichtigten Zweck nicht vollkommen. Der Herzog wollte das anscheinend Sichere dem Unsicheren vorziehen und concurrirte ebenfalls um die böhmische Krone, auf die er um so mehr Anspruch zu haben gedachte, als die Truppen, welche bisher die grössten Erfolge gegen die Kaiserlichen in Böhmen erzielt hatten, von seinem Gelde gezahlt wurden. Wenn die [Seite 49] Unirten darauf eingiengen, ihn zum Könige von Böhmen zu machen, wollte der Herzog 4000 Mann zu Fuss und 600 Reiter ins Feld stellen, sonst aber nur 2000 bis zu einer endgiltigen Entscheidung. Die Venetianer verstanden sich zu einer Geldleistung bis zu 2 Millionen Gulden und verlangten dafür die Erwerbung von Friaul und Istrien, Görz und Gradisca, sowie die Orte am Meere, welche die Uscocen inne haben.
Von allen diesen Unterhandlungen und Propositionen wurden die böhmischen Directoren durch Christoph von Dohna unterrichtet, um sie von allen versöhnlichen Transactionen mit dem Wiener Hofe abzuhalten, der dazu selbst nach dem Sturze und der gewaltsamen Entfernung Khlesel’s von Wien noch immer nicht ganz abgeneigt war. Im März 1619 entschloss sich Christian von Anhalt zu einer persönlichen Intervention in Turin, um die Verständigung mit Savoyen über den Actionsplan und die den Betheiligten zuzuweisenden Rollen zum Abschluss zu bringen.
Anhalt führte die Unterhandlung mit Karl Emanuel zuerst in Turin durch Dohna, da er selbst nur incognito dort sein wollte, später persönlich in Chivazzo, einem Lustschlosse des Herzogs. Dieser wollte zunächst wissen, was geschehen würde, wenn sich Deutschland in ein katholisches und ein protestantisches (etwa einen Nord- und Südbund) theilen würde. Die Eventualität nahm Anhalt nicht an und erklärte, „man müsse für die Freiheit fechten und mit dem Gegentheil keinen Frieden eingehen, so lange bis einer oder der andere darniederliege“ (succumbé). Der Herzog versprach, für das Mannsfeldtische Corps monatlich 70000 Thaler zu zahlen und die Summe zu liefern, mit welcher Kur-Trier für die Stimmabgabe zu seinen Gunsten bestochen werden sollte. — Im Ganzen wollte er in Savoyen 15000 Mann zu Fuss und 2000 Reiter, im Reiche 4000 Mann zu Fuss und 1000 Reiter in seine Bestallung nehmen. Dazu rechnete man 4000 Mann aus England, 4000 Mann von den Generalstaaten, 10000 Mann von der Union, 10 bis 20000 von Seite Böhmens, so dass endlich 40 bis 50000 Mann [Seite 50] gegen die katholischen Mächte ins Feld gestellt werden sollten. Wie die weiteren Ereignisse lehren, blieben dies grösstentheils fromme Wünsche.
Ein ganz eigenthümliches Project, über welches ich mir noch nicht völlig klar werden konnte, bestand in dem Plane, „eine mächtige Stadt“ (etwa Nürnberg oder Frankfurt), deren Reichthum auf 32 Millionen geschätzt wurde, einzunehmen und mit dem Gelde den Krieg zu führen. Mit dem in Turin anwesenden Ambassadeur von Venedig wurde hauptsächlich wegen Geldleistungen und Aufstellung eines Operations-Corps in Friaul verhandelt. Obwohl Anhalt von den ursprünglich geforderten 2 Millionen auf 1200000 herabgegangen war, behauptete der Gesandte noch immer, Venedig vermöge dies nicht aufzubringen. Zur Betreibung des Anlehens wurde Dohna daher nach Venedig geschickt; auch wurde ihm eingeschärft, von den Venetianern wenigstens die Zusage zu verlangen, dass sie keine spanischen Truppen durch ihr Gebiet ziehen liessen.
Anhalt war mit dem Ergebnisse seiner Gesandtschaftsreise, bei welcher er von dem stolzen, auf seinen Reichtum pochenden Savoyer glänzend aufgenommen und fürstlich beschenkt worden war, sehr zufrieden. Er notierte noch auf der Rückreise nach Deutschland die wichtigsten Schritte, die er zuerst mit den übrigen Staaten einzuleiten hatte, und die vor Allem den Erfolg haben sollten, die deutschen Habsburger vollkommen zu isolieren und jede Einschmuggelung von spanischen Hilfstruppen unmöglich zu machen.
Ob der Herzog Karl Emanuel durch die Unterredungen mit Anhalt bereits von seinem Verlangen, König von Böhmen zu werden, abgebracht war, ob dieser Gegenstand überhaupt bis zu einer festen Abmachung geführt wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben; als Thatsache kann es jedoch hingestellt werden, dass am 4. Juli 1619 der Pfalzgraf ganz entschieden die Erklärung abgab, die böhmische Krone für sich in Anspruch zu nehmen.
Während dieser Vorgänge, welche bereits bis zu der [Seite 51] Zeit der durch den am 20. März erfolgten Tod des Kaisers Mathias notwendig gewordenen Kaiserwahl reichen, fanden mehrfache Unterhandlungen mit den oberösterreichischen und innerösterreichischen Ständen statt. Was über die Versuche, die letzteren zur Betheiligung an dem böhmischen Aufstande und dem allgemeinen Kriege gegen Habsburg zu bewegen, auf Grundlage der von mir aufgefundenen Actenstücke und Beweisstellen bis jetzt festgesetzt werden kann, soll in dem nächsten Abschnitte zur Darstellung gelangen.
Da für die Agitation in Steiermark vorzüglich oberösterreichische Protestanten geeignet waren, und vor Allem zwei Führer derselben dabei thatsächlich in den Vordergrund treten, so wird sich eine übersichtliche Skizze der Zustände in Oberösterreich dabei naturgemäss einfügen lassen und zugleich für das bereits im Vorhergehenden Zusammengefasste ergänzend wirken. [Seite 52]
Wie wir im ersten Abschnitte gesehen haben, war die Katholisierung der innerösterreichischen Länder mit dem Schlusse des 16. Jahrhunderts trotz der äussersten Gewaltmittel nicht so weit vorgeschritten, als man bisher anzunehmen gewohnt war. Der grössere Theil des Adels war seiner Ueberzeugung [Seite 53] nach protestantisch geblieben, obwohl ihm die Ausübung des Gottesdienstes durch die Vertreibung der Prediger beinahe unmöglich gemacht worden war. Dass ein gemeinsames Auftreten aller protestantischen Standesherren in einer ihr Religionsbekenntniss betreffenden Angelegenheit, ohne Widerstand von Seite der Regierung zu finden, zu einem glänzenden Resultate führen konnte, hat uns die Demütigung des Prälaten Rosolenz bewiesen.
Wenn wir auch annehmen, dass sich in den darauf folgenden 12 Jahren die Verhältnisse noch sehr zu Ungunsten des Protestantismus geändert haben, so lässt sich doch immerhin behaupten, dass zur Zeit, als die böhmische Revolution in den Gemütern aller Akatholiken in den österreichischen Ländern neue Hoffnungen erregen musste, noch eine sehr ansehnliche Fraction unter den Ständen dazu geneigt war, den Versuch zu machen, die verlorene Religionsfreiheit wieder zu erringen. — Für Christian von Anhalt, der halb Europa im Kampfe gegen die Habsburger zu vereinigen gedachte, war der Gedanke jedenfalls sehr naheliegend, mit den protestantischen Bewohnern der innerösterreichischen Länder in Verbindung zu treten und sie zur Theilnahme an der von ihm geplanten allgemeinen Erhebung gegen Habsburg zu gewinnen. Seine Agenten, welche ihm von allen Vorfällen ausführlich Nachricht gaben, zogen deshalb auch die innerösterreichischen Länder in den Kreis ihrer Beobachtungen.
Andreas Pawel schreibt aus Wien bereits unter dem 10. September 1618 an Kurpfalz:N.53.1
„In der Steiermarck unt andern Ländern under dem König Ferdinando ist auch alles schwirig unt haben ermelte lender etzunt ihr deputierten alhier, seiner königlichen Majestät ihre gravamina, welche zwahr noch zur zeitt nicht directe die religion betreffen thun, zu proponiren unt wegen [Seite 54] abschaffung derselben zu bitten. Der von EckenbergN.54.1 ist deswegen uf der post abgefertigett, in nahmen Seiner k. Maj. zu verhütten, das es nicht zum aufstant komme.“
Man war wegen Steiermark in Wien nicht völlig unbesorgt. Dies beweisen die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Ständen, über welche sich noch vom Ende des Jahres 1618 einige nicht ganz unbedeutende Aufzeichnungen finden. Unter dem 9. December machte die „geheime Canzlei“ an die ständischen Verordneten die Anzeige:N.54.2
„dass das böhmische Kriegsvolck Kloster und Stadt Zwettl genommen. Und da zwar derselben Vornehmen unbewusst, doch da sie den Fuss weiter setzen und etwa bei dieser Winterszeit Gelegenheit ersehen, vielleicht gar gegen diesem Lande Steyer herein etwas tentiren möchten. Dieweil aber auf ein solches Beginnen das ganze Land und dessen Inwohner darunter Schaden leiden müssten, welches Falls zu desselben Verhütung dann billig auf wachsame Mittel und Vorsehung zu bedenken, so haben Ihre k. Maj. solches an Landeshauptmann und Verordnete gelangen lassen wollen: dass sie die Sach in umständliche, förderliche Beratschlagung ziehen und deroselben zu Handen der allhier anwesenden geh. Räte Ihr treuherzig, rätlich Gutachten eröffnen wollen, was gestalt dieses Land vornemen oder andere Einfall, da derselbe in Ober- und Untersteyr vermerkt werden sollte, zum förderlichsten und Besten mögen verhütet und versichert werden.“
In Folge dieses Decrets wurde am 11. December eine Sitzung des steierischen Verordneten-Collegiums sammt den „derzeit (in Graz) anwesenden Herrn und Landleutt“ abgehaltenN.54.3. Da der Landeshauptmann Siegmund Friedrich Freiherr von Herberstein [Seite 55] am Podagra erkrankt war und in der Sitzung nicht erscheinen konnte, so beschloss man nach längerer Debatte, die sich jedoch nur auf formelle Fragen bezog, das Votum des Landeshauptmannes durch einen Secretarius einholen zu lassen.
Der Secretär berichtet nun, dass er seine Commission ausgerichtet und darauf nachfolgende Antwort erhalten habe:
„1. bedanke sich Herr Landeshauptmann wegen des Mitleidens seiner schwachheit und entgegen empfangener Gratulierung der Gesundheit.
2. Wie er das Decret empfangen, habe er ihm sogleich die Gesundheit gewünscht, damit er solches negotium mit den anwesenden Herrn und Landleuten in persona hätte in Beratschlagung ziehen können, weil aber obgemeldete krankheit menniglich entschuldige, habe er's auch Gott befehlen müssen,
3. jedoch zu Vorbeziehung solcher Beratschlagung nicht unterlassen, Herrn Landesverweser solches onus aufzutragen, nebens auf Mittel und Wege zu gedenken, was in diesem vorstehenden negotio dem Vaterlande zum Besten in die Hand zu nehmen sein möchte, welche Meinung er Landeshauptmann auf begebenen Befehl, da die versammelten Herrn und Landleut solches begehren würden, zu eröffnen gesinnt gewesen. Und weil sie denn dies Alles solches bei ihm ersuchen, wolle er sein Gutachten, dessen er sich auch gegen Herrn Landesverweser verlauten lassen, dahin eröffnet haben: Dass sich erstlich auf dieses ungewisse Geschrei, von dem hinc inde unterschiedlich discurirt wird, nicht eigentlich zu verlassen und dann her auf solche ungleiche rumores nichts Gewisses zu resolviren. Jedoch damit man solches nicht gar bei Seite stelle, vermeinte er, es möchte in dem obigen Viertl, von dem auch in decreto Meldung geschieht, eine General-Wahrung für gehen. Und der Böhmen sollte nichts darin gedacht, sondern allein die betrübten Läuf und Zeiten auch gerichtlichkeit der Sach angezogen werden, damit widrigenfalls anderen die etwa daher nichts [Seite 56] Widerwärtiges zu tentiren gesinnt, unzeitige Andeutung gegeben werde. Da aber je was Weiteres ausbrechen wollte, welches doch so augenblicklich nicht geschehen können, so wäre diese Wahrungs General schon zuvor und was Weiteres darauf von Nöten desto ehender zu effectuieren, wie es dann an etlichen Orten mit Verhackung der Päss gute Gelegenheit abgibt. Den Befehlshabern aber wäre die Sach mit mehreren anzudeuten. Jedoch auch weil nichts gewiss vorhanden in specie nichts zu melden, sonderlich der Böhmen nicht zu gedenken. Und weil Herr Abt zu Admont mit Herrn Abt zu Kremsmünster, Steyer, Garsten und andern der anliegenden Klöster und Herrn Prälaten sonder Zweifel gute Freundschaft hat, Ihn dahin zu ersuchen mit denselben gute geheime und gewisse Correspondenz zu halten und was bei ihm einkommt dasselbe von Zeit zu Zeit hieher zu berichten.“
Die Verhandlung, welche sich der Mittheilung dieses Gutachtens anschloss, brachte von keiner Seite eine andere nennenswerte Meinungsäusserung zu Tage. — Herr Karl von Saurau erweiterte nur den Antrag des Landeshauptmannes bezüglich einer geheimen Correspondenz mit den an der nördlichen Gränze anwohnenden Landesherren dahin, dass auch andere Stände, als der Abt von Admont, dazu aufgefordert werden sollen. Was die Zugänge ins Land betrifft, so solle die Bewachung des Semmering dem Prälaten von Neuberg, die Clamm (bei Schottwien) dem Herrn von Stubenberg, der Pirnpass und das Petschenjoch dem Abt von Admont, der Pass von Lilienfeld herein dem von Admont und St. Lamprecht zugewiesen werden. Der Verordneten-Präsident Rudolf Freiherr von Teuffenbach bemerkte: Ob man gleichwohl mit den Böhmen nichts Freundliches unterhandle, so ist doch . . . . . deswegen Fürsehung gut. Der schliessliche „Ausspruch“ gieng dahin, dass man die Anträge des Landeshauptmannes annahm und beschloss, die Herren geheimen Räte zu bitten, dass sie Alles, was ihnen darauf Bezügliches bekannt würde, sogleich [Seite 57] den Verordneten mittheilen möchten. — Am 12. December bereits wurde an König Ferdinand in Beantwortung des von Seite seiner Räte erlassenen Decretes ein SchreibenN.57.1 gerichtet, worin es u. A. hiess:
„man habe erstlich soviel befunden, dass von obgedachter böhmischer Unruhe und desselben Unwesen hinc inde unterschiedlich discurirt und nichts Eigentliches wohin etwa anietz und andere Intention angesehen nächster Zeit conjecturirt viel weniger wegen erheischenden Gegenspiels nichts Gewisses wie etwa dies androhende Feuer fürzubringen sein möchte, statuiert werden kann, dessen aber ungeachtet und weil sonst Weil und Zeit ungleich, halten wir demnach für ein sonderbare Notturft in eventum auf solche fürständige Mittel und Weg gedacht zu sein, die zu Abwendung eines unvorsehenen Einfalls erspriesslich sein mögen. Weil man sich aber dieses Orts keines eigentlichen Feindt oder erklärten Feindts noch der Zeit zu befürchten, als was etwa durch unbezalte Soldaten, so ein Winterlager suchen möchten, zu befahren, also ist sowol unnot, als auch unratsam, sich in specie wider Jemandts zu armiren, viel weniger etwas dergleichen erscheinen zu lassen, das anderen zu gleichmässig Unwesen ein Suspicion und Anlass geben möchte, sondern diessfalls also gewahrsam zu gehen, das Niemand von Rechts wegen unser besorgenden Offension Ursach nehmen kann; wie sich dann hoffentlich weder von den Böhmen noch Jemand andern, um willen. Jemand von dannen aus Ursach geben werden, nichts feindtätliches zu befahren sein wird und weil man demnach auch soviel Nachrichtung hat, dass allbereit Suspensio armorum von Ihr. kön. Majest. verwilligt auch so starke Interposition erfolgt ist um so viel mehreres alles sonder Fleiss gewahrsam zu gehen, damit nicht etwa diesfalls durch causirende suspicion wiederum ad arma griffen und die vorstehende
composition hinterstellig gemacht werde.“ [Seite 58]
Im Laufe des Monats December legten die Verordneten ihre Beschlüsse den geheimen Räten vor, worauf diese ihnen am 2. Jänner 1619 in FolgendemN.58.1 antworteten:
„Auf Anfrage der Verordneten, ob sie im Wege eines offenen generals die Hauptleute avisieren sollen, wird bemerkt, man solle gedachte Rittmeister und Hauptleute anmahnen und ihnen befehlen, dass sie sich sammt den Ihrigen also in Bereitschaft und gefasst halten, damit sie auf mehreres zuschreiben in der gewissen Bereitschaft sich halten und erscheinen könnten. Dass aber solches durch offene general beschehen solle, haben Ihre kön. Maj. eben aus Ursachen, damit denen fremden und Benachbarten zu andern Gedanken und Suspicion nicht Ursach gegeben werde wider gemeldte offene generalia bedenken, sondern es solle solches was durch offene generalia zu thun wäre, durch verschlossene Schreiben verrichtet und befohlen werden. Wie dann ein andere dem Herrn Abt zu Admont und Herrn Abt zu St. Lamprecht, dass sie nämlich mit denen in Oesterreich wohnenden und gegen dieser Lande anrainenden Herrn Prälaten, sowie dem zu Neuburg, auch Vorau und Pöllau, mit denen Landleuten als Herrn Ursenpeck zu Schottwien, Herrn Ruprecht Rindsmaul, Christof Jochner und Herrn Andreas Siegm. Freiherrn vou Saurau und anderen guten gewisse Correspondenz zu halten und wo sie einiger Gefahr besorgten oder was vernähmen, solches Ihnen, Herrn Landeshauptmann und Verordneten stracks berichten sollen, desgleichen schriftlich anzudeuten.“
Am 15. Jänner wurden die Schreiben an die vorbezeichneten Herren expediert, am 16. ergieng die angedeutete. AufforderungN.58.2 an die Rittmeister und Hauptleute mit der schliesslichen Bemerkung:
„und bei nebens dahin vermahnt haben wollen, dass [Seite 59] Ihr auch alles unzeitige Discuriren, als ob solche Bereitschaft und Gefasstmachung etwa wider die Böhmen od. jemand anderen angesehen gänzlich enthalten wolle.“
Dabei ist notiert, dass „diese Clausel mit Gutachten des Landeshauptmanns, des Herrn Wagen, geh. Rats und Herrn Gallers beigesetzt worden ist.“ Als Rittmeister und Hauptleute, denen die betreffenden Schreiben zugestellt wurden, sind genannt: Hans und Adam Preuner, Wolf Globinger, Georg Chr. Rind, Zetlitz, Hans Gilgenberg, C. Adam Schrampf, Ortolf und Jacob Teuffenbach, Rudolf Saurau.
Aus den im Vorstehenden mitgetheilten Verhandlungen zwischen der Regierung Ferdinand’s und den steirischen Ständen lässt sich mit ziemlicher Entschiedenheit der Schluss ziehen, dass die Regierung durch irgend welche Nachrichten über die Stimmung in Steiermark beunruhigt sein musste. Die Annahme, dass es sich dabei ausschliesslich um die Furcht vor einem Einfalle der Böhmen gehandelt habe, ist unzulässig, da die wiederholte Bemerkung, man dürfe Niemanden auf die Möglichkeit eines Bündnisses mit den Böhmen aufmerksam machen, ganz schlagend beweist, dass man Unruhen im Lande selbst befürchtete.
Es ist auch gar nicht unwahrscheinlich, dass sowohl Ferdinand als auch die Stände von gewissen Vorgängen unterrichtet und selbst in ihrem Verdachte auf gewisse Persönlichkeiten gelenkt worden waren; auf beiden Seiten waren jedoch genügende Gründe vorhanden, welche jede offene Besprechung derartiger Einzelheiten als gefährlich erscheinen liessen. Ferdinand durfte nicht durch vorzeitige Anklagen die Aufregung in jenen Provinzen noch vermehren, die für alle Fälle seine letzte Zufluchtstätte blieben; die Stände hatten keine Ursache, der Angelegenheit eine besondere Bedeutung beizulegen, da sie sich dadurch selbst grössere Kriegslasten auferlegt hätten, und mochten überhaupt eine zuwartende, beobachtende Politik für ihre Lage am klügsten erachten. Dass die Unruhe und Angst der königlichen Räte nicht ganz unbegründet war, [Seite 60] erhellt noch aus mehreren Bemerkungen und Mittheilungen von Persönlichkeiten, die dabei ebenso sehr interessiert waren, als sie gut unterrichtet sein konnten. — Tschernembl schreibt am 6. Jänner 1619 an Herrn von Zierotin:N.60.1
"... Provinciae Austriacae non vos deseruissent, sed una cum Bohemis pacem firmam et unionem perfectiorem et saniorem gubernatoris conditionem promovissent et ceteras Stiriae, Carinthiae, Carniolae provincias servitute oppresas in libertatem vindicassent, quod exemplum secutu aliae provinciae in imperio eodem procul dubio aggressae fuissent, atque sic honori Ecclesiaeque divinae mirum in modum consuli poterat.“
Achatius von Dohna, nicht so verwendbar zu höheren diplomatischen Missionen wie sein Bruder Christoph, aber sehr geschickt im Verkehr mit seines Gleichen, ein scharfer Beobachter, gewandt in der Berichterstattung und ziemlich verlässlich in seinen Nachrichten, berichtet vom 19./29. Jänner aus Prag:N.60.2
„Herr Jörger war vorgestern von Wien kommen, brachte dass Ihre kais. Majest. noch wol auf waren, also de (obituN.60.3) nihil certi: Dieses aber war daselbst eine vornehme Zeitung, dass gestern nemblich den 11/21. Jan. aus Cärn ( Kärnten) Zeittung kommen, dass dieselbe Stent entlich ihre Religionsfreiheit zu wahren gentzlich entschlossen, vndt hetten in Krain vndt Steuer legatos geschickt vmb assistenz. Baten Ob. Österreicher um Gottes willen dass sie cum Austriacis confoederation mit Böhmen möchten eingeschlossen werden.“
In einem weiteren Briefe aus PragN.60.4 heisst es:
„La Steiermarck et Kernten sont resolus à la demande [Seite 61] de la liberté de la religion. Les Bohemais les accouragent par lettres et le pays ober der Ens les assiste.“
In einem längeren Schreiben des Herrn von Ungnad aus
Linz an Fürst Christian, welches die Lage der oberösterreichischen Stände, sowie das böhmische Kriegswesen sehr klar und übersichtlich schildertN.61.1, finden wir folgende bemerkenswerte Stelle:
„ . . . . In summe Euer fürstl. gnaden als ein weiser herr werden aus den umbständen leichtlich und vernünftig abnemen können, was von F. (Frankfurt?) für Hoffnung, neben dem das gefürte procedere mit Steyr Kärnten und Crain zuvor der gantzen welt bekannt zu machen ist, dieweil vor ordentlich huldigung und angetrettner Regierung dergleichen sachen de facto tentirt worden, dergleichen von diesem hauss kein regierender landesfürst mit seiner reputation und wohlfahrt seines lant weniger ohne höchste beschwörung seiner getreuen landstant niemalen für genommen oder erhalten können.“
Man rechnete darnach auf eine sehr entschiedene Haltung der innerösterreichischen Stände, und hoffte, dieselben würden die günstige Gelegenheit ergreifen und Ferdinand an seine beim Antritte der Regierung seiner Erbländer geleisteten Versprechungen mahnen. Wir wissen bereits, dass dieselben für die Religionsangelegenheiten von keiner Bedeutung waren und es fehlt mir jede Nachricht über einen auch nur ähnlichen Versuch von Seite des steirischen Landtages, der doch gewiss, wenn er nicht selbst die Initiative ergriff, damit in Beziehung gekommen wäre.N.61.2[Seite 62]
Im Laufe des Sommers 1619 scheinen die Bemühungen, in Innerösterreich eine Bewegung hervorzubringen, welche Ferdinand neue Schwierigkeiten bereiten und zur Zersplitterung seiner Streitkräfte nötigen würde, nicht mit besonderem Eifer fortgesetzt worden zu sein; jedenfalls ist ein bestimmtes Resultat noch nicht zu verzeichnen. Anhalt selbst war ganz und gar mit der Kaiserwahl und der Wahl eines böhmischen Königs beschäftigt, von denen bekanntlich nur die letzte seinen Wünschen gemäss ausfiel, während die pfälzisch-unionistische Politik bei der Wahl in Frankfurt eine erschütternde Niederlage erlitt. Es ist hier nicht der Ort, um auf die Verhältnisse einzugehen, welche den ganz unerwarteten Ausgang der Wahl herbeigeführt haben; es muss nur betont werden, dass Anhalts Plan eines Gesammtangriffes gegen das Haus Habsburg [Seite 63] dadurch schon in seinen Grundfesten erschüttert und, was das wichtigste ist, die savoyische Geldhilfe damit abgeschnitten war. Die Erwählung Friedrich V. von der Pfalz zum Könige von Böhmen war ein geringer Ersatz für das Scheitern der Candidatur Karl Emanuel’s von Savoyen für den deutschen Thron. Wenn die nötige Zeit zu neuerlichen Beratungen und Anträgen vorhanden gewesen wäre, würde Anhalt, nachdem er in Frankfurt nichts erreicht hatte, höchst wahrscheinlich seinen ganzen Einfluss in Prag aufgeboten haben, um dort den Savoyer durchzubringen. Dadurch wäre eine bedeutende Macht der Pfalz zur Seite gestanden, die Unternehmungen gegen das österreichische Elsass, das Bisthum Strassburg und die süddeutschen Bisthümer wären, um die Pfalz für Böhmen zu [Seite 64] entschädigen, jedenfalls zur Ausführung gekommen und die Liga wäre genötigt gewesen, ihre Streitkräfte nach verschiedenen Richtungen zu verwenden. — Der thatsächliche Verlauf beider Wahlhandlungen stellte jedoch den Fürsten plötzlich vor ein fait accompli, an dem nichts mehr zu ändern war.
Der Pfalzgraf nahm die Krone von Böhmen an, ohne dass er sich der Mittel bewusst gewesen wäre, mit welchen er den unvermeidlichen Krieg mit Habsburg und der Liga erfolgreich hätte führen können. Wie unsicher die Organisation der Union sei, wie wenig Geld und Truppen sie zur Verfügung hatte, musste man auf pfälzischer Seite am besten wissen, wo man niemals zu zahlen vermochte, was man an einem Unionstage sich zu versprechen genötigt sah. Der Schwiegervater in England verhielt sich ablehnend gegen das ganze Königsproject; Frankreich war vorläufig zurückgetreten, Holland, Venedig waren nur in zweiter Linie interessiert und ihre Hilfe konnte bei so grossen Kriegskosten kaum ausreichen. Denn die Kaufleute im Norden wie im Süden wussten ihr Geld zu schätzen und verschleuderten nichts. In Böhmen hingegen war nach erfolgter Wahl die Confusion nicht vermindert worden; von den Führern der Actionspartei besass keiner auch nur ein mässiges organisatorisches Talent; Unfähigkeit und Eigennutz traten jeder concentrierten Kraftentwicklung hemmend in den Weg. Ueberall rief man nach Anhalt, als denjenigen, von dem man allein richtige Anordnungen erwarte. — Achaz von Dohna schreibt an den Fürsten am 19. August:
„Die böhmischen Herren haben keine Qualification, dass sie einen Beschluss fassen; sie brauchen. Jemanden, der Ihnen die Hand bietet; sie lassen daher Alle bitten, dass doch E. f. Gn. um Gottes willen in Person nach Prag kommen möge; es werde dann in einer Stunde mehr gerichtet werden, als bis jetzt in der ganzen Zeit.“
Wer nur einigermassen von der Thätigkeit des Fürsten während der pfälzischen Regierung in Böhmen eine Vorstellung gewonnen hat, der hat sich überzeugen können, dass es der [Seite 65] Fürst von Anhalt an Aufwand aller seiner physischen und geistigen Kräfte nicht fehlen liess, um das begonnene Werk, an dem die leitende Idee seines Lebens hieng, zu retten. — Wie es kam, dass dies nicht gelingen konnte, welches Chaos von widerstreitenden Elementen zum Beginne des grossen deutschen Krieges die lautersten und ernstesten Bestrebungen verschlang, muss einer weitergehenden Darstellung vorbehalten bleiben, die selbst der Erörterung ökonomischer und militärischer Detailfragen nicht aus dem Wege gehen darf, weil in diesen der Keim des Verständnisses für die grossen Ereignisse liegt. — Ich muss hier jede weitere Abschweifung vermeiden und mich auf die Aufgabe beschränken, ein vereinzeltes Stück aus der vielseitigen Thätigkeit des Fürsten Christian zu entwickeln und zu erklären. Sein hervorragendes diplomatisches Talent, welches sich ganz besonders in der Fähigkeit zeigte, alle einmal angeknüpften Fäden gleichmässig zu verfolgen und zu erhalten, tritt auch in diesem beschränkten Gebiete so augenscheinlich hervor, dass es gar wohl gestattet, sich das Charakterbild des Staatsmannes, der uns hier begegnet, zu ergänzen. Mitten unter den aufregenden Geschäften, welche die erhöhte Thätigkeit vor den beiden so folgenschweren Wahlen mit sich brachte, versäumte er nicht, mit jenen Männern in Fühlung zu bleiben, die er für die Ausführung seiner Pläne in den österreichischen Provinzen benützen konnte. Nächst Tschernembl, der ihm seit mehr als einem Jahrzehnte als Gesinnungsgenosse befreundet war, der jedenfalls in sein intimes Verhältniss mit dem seither verstorbenen Wok von Rosenberg eingeweiht sein müsse, war dies Herr Andreas von Ungnad, der die Sache des Protestantismus in Oberösterreich mit Hingebung verfocht, und, wie wir sehen werden, hauptsächlich mit der Aufgabe betraut war, auch die innerösterreichischen Protestanten für die gemeinsame Sache zu interessieren. Er war jedenfalls hiefür eine geeignete Persönlichkeit, da die Familie der Ungnade zu Sonneck in allen drei Landen zahlreiche Verbindungen hatte [Seite 66] und für den evangelischen Glauben mehr Opfer gebracht hatte als irgend eine andere. War doch sein Oheim jener Landeshauptmann von Steiermark, der aus eigenen Mitteln die Herstellung der windischen Bibel von Würtemberg aus, wohin er sich zurückgezogen hatte, besorgte, und an dem die bedrängten evangelischen Prediger seines Heimatlandes Krain einen werkthätigen Gönner gefunden hatten.N.66.1
Andreas von Ungnad verständigte Anhalt von allen Vorgängen in Oberösterreich und legte ihm die von den Ständen in Aussicht genommenen Schritte zur Begutachtung vor. Anhalt gieng auf dieselben in ausführlicher Weise ein und suchte die Wachsamkeit und den Eifer Ungnad's und Tschernembl’s stets von Neuem anzuregen.N.66.2 Er hat auch an dem Zustandekommen [Seite 67] der Conföderation zwischen Böhmen, Mähren, Schlesien, Lausitz, Ober- und Niederösterreich Antheil gehabt. Dass die Verhandlungen und Conföderationen viel Geschrei um wenig Wolle erzeugten, dass sich hinter all' den geschriebenen und gesprochenen Worten so viel geistige Trägheit, Saumseligkeit und Kargheit verschanzte, hat durch alle Bemühungen Anhalts und seiner Freunde nicht aufgehalten werden können. Die Wenigsten begriffen, dass es sich diesmal um etwas mehr als die gewohnte grossmäulige Opposition auf Reichs- und Landtagen handelte, die sich gar staatsklug ausnahm und dabei — sehr billig war. Viele, die später Leib und Leben, Geld und Gut verloren, sparten jetzt noch mit ihrem Ueberfluss. So besonders die reichen böhmischen Herren, die ihre geringe Opferwilligkeit noch theuer bezahlen mussten. Auch die Verbindung mit Innerösterreich nahm keinen rechten Fortgang. Ein Brief Ungnad's an Tschernembl vom 28. JuniN.67.1 beweist uns, dass die Agitation bis dahin zu keinem eigentlichen Resultate gelangt war. — Ungnad schreibt:
„Gestern ist ein junger Galler, des Herrn Balthesar's
BruderN.67.2, hieher khommen, der wollt' sich gern in der löbl. [Seite 68] Ständt Kriegsdienst gebrauchen lassen, wird aber den Herrn Böhmen zuziehen. Der wäre zu der bewussten impresa meines erachtens sehr tauglich. Er vermelt, die Steyrer seyn meistentheils resoluiert, da die Ungern einfallen, sich denselben zu geben, obs aber war ist, weiss ich nicht. Der Kayser hatt von die Steyrer 100000 Taller begert, darauf sie gefragt, ob Ihr Mt. sie wider der Ungern einfall schützen könne, der Kayser aber solle ihnen zur antwort geben haben, sie sollten sich selbst schützen. Derowegen die Verwilligung verblieben. Ich meine wenn die Ungern an der Steyrischen Gränitz was tentierten, es wurde dem gegentheil dadurch der compass sehr verrückht werden.“
Das bald darnach erfolgende Vorrücken Bethlen Gábor's erweckte in Ungnad sehr grosse Hoffnungen; wenigstens schreibt er am 21. September an die böhmischen Generale:N.68.1
„Den Pfaffen wird der haas in bünsen komben; weil sie numehr guete nachrichtung haben, wie Bethlehem Gábor mit ihnen hauset, man schreibt, er hat etlichen ihre liebste fahrniss zur erhaltung ihrer verliebten vnd geschworenen Keuschheit auswerffen lassen, per quae quis peccat, per eadem punitur.“
Dass Bethlen eine Insurrection der innerösterreichischen Lande wirklich im Sinne hatte, bezeugt ein Bericht aus Prag vom 12. OctoberN.68.2, worin es heisst:
„Betlem Gábor kündigt den Directores seinen Anmarsch durch den Gesandten Marco Waida an . . . . Er würde auch theile seines Volckhs in die Steyermarkh, Kärndten, Crain vndt daselbst herumb zu schicken nicht vnderlassen.“
Auch von Süden war den Steirern eine Ueberraschung zugedacht. — Aus einem theilweise in Ziffern geschriebenen Briefe des Achatius von Dohna an Fürst ChristianN.68.3 erfahren [Seite 69] wir, dass die Bewegung in Steiermark mit einem Angriffe der Venetianer in Verbindung gesetzt werden sollte, indem er sagt:
".... et en est par la moien de ( Mansfeldt) averti le (secretaire) de (Anspach): ( Ney), qui traitte avec celui de (Venise), que l'on peut faire estat fort bien sur quelque (motus) en (Stirie), que (Venise) recherchent, pourvenu que cepedant il est plus que temps.“
Ein Bericht aus Znaim vom 13. OctoberN.69.1 verzeichnet ebenfalls Gerüchte, welche sich auf aufständische Bewegungen in Innerösterreich beziehen und die militärischen Operationen der Venetianer damit in Verbindung bringen:
"... so sagt man auch gestern, dass Zeittung von Wien khommen, wie dass die Venediger sich an Gradisca machen wollen, auch allbereits die Stern-Schanz innhatten, vndt das die vom Herrnstant wie auch der Adel in Steyermarck vndt andern Erblanden sich mit diesen landen vereinigen wollen.“
Wenn wir nunmehr wieder zu den officiellen Vorkehrungen im Lande Steiermark zurückkehren und die spärlichen darüber vorhandenen Nachrichten zu Rate ziehen, so finden wir zunächst ein „dem Herrn Landeshauptmann und den Herrn Verordneten durch die hinterlassenen Herrn Geh. Rät (das ist die Grazer Regierung) abgefordertes Gutachten vom 12. Juni „wegen des Böhmen vnd Ungarn besorgenden Einfalls“69.2, welches höchst beruhigend lautet:
„Nachdem noch nichts Gewisses bekannt ist, ist nichts geschehen, als die Landesconfinen aufgefordert, Correspondenz zu halten. Und wo oder an welchen Orten sich mehr Gefahr erzeigen sollte, uns solches nicht allein bei Tage und Nacht erinnern, sondern auch da ein wirklicher jählicher Einbruch ins Land erzeigte, denselben mit zusammengesetzter Hilf, soviel möglich bis auf eilenden Succurs Widerstand thun sollen.“ [Seite 70]
Drei Tage darauf werden abermals Briefe „an die an den Confinen gesessenen Herrn und Landleut“, an die Obristen und Rittmeister gerichtet, welche die Aufforderung enthalten, sich wegen der Böhmen in Bereitschaft zu halten. Von grösserer Wichtigkeit scheint ein Notenwechsel zwischen den oberösterreichischen und steirischen Ständen einerseits, den letzteren und der Wiener Regierung andererseits gewesen zu sein, über welchen die steirischen Landtags-Acten und das Verordneten-Protocoll zwar keinen Aufschluss geben, dessen Inhalt sich jedoch aus einem Schreiben entnehmen lässt, welches König Ferdinand an die steirischen Verordneten richtete. In Oberösterreich wollte man von einem Regierungsantritte Ferdinand's nichts wissen; die Stände erklärten den Erzherzog Albert als den allein successionsberechtigten Nachfolger des Mathias und führten, gestützt auf diesbezügliche Bestimmungen der Verfassung, in dessen Abwesenheit die Regierung selbst. Am 11. April hatten sie den Beitritt zu der böhmischen Conföderation beschlossen und am 19. d. M. meldeten sie den böhmischen Directoren in einem vertraulichen Schreiben, dass sie für den Fall, als Ferdinand sie in der Verwaltung des Landes stören würde, bereit wären, dasselbe an Kurpfalz abzutreten. Sie forderten den Erzherzog Albert zum Antritte der Regierung auf, obwohl ihnen dessen Verzicht zu Gunsten Ferdinand's sehr wohl bekannt war. — Erst nachdem alle Formalitäten erfüllt waren, aus deren Abgang sie Gelegenheit genommen hatten, Ferdinand Schwierigkeiten zu bereiten, liess sich ein Theil der Stände zu Unterhandlungen wegen der Huldigung herbei.
Schon bei Beginn der böhmischen Revolution hatten die protestantischen Stände, welche durch Tschernembl ja längst mit den böhmischen Führern und Christian von Anhalt im Einverständnisse waren, die Aufgabe übernommen, die Concentrierung von Streitkräften der katholischen Mächte an der Donau zu verhindern. Karl von Jörger, der Hauptmann des Traunviertels, hatte den Pirnpass mit 200 geworbenen Knechten [Seite 71] und 200 vom Aufgebot besetzt und die „Klausen“ mit einem gemauerten Thor und Schutzgitter befestigt. Ausserdem muss aber auch eine Aufforderung von Seite der Oberösterreicher an die benachbarten Steirer gelangt sein, dass diese auch jeden Durchzug von Truppen durch ihr Land zurückweisen sollten. Die steirischen Verordneten wären, wenn sie eine selbständige Antwort darauf gegeben hätten, jedenfalls genötigt gewesen, aus der bisher beobachteten Reserve herauszutreten, indem sie entweder zu Gunsten der Oberösterreicher oder zu Gunsten Ferdinands hätten entscheiden müssen. Das war nun nicht nach ihrem Sinne, und sie glaubten, sich in der allerloyalsten Weise dadurch aus der Verlegenheit helfen zu können, wenn sie Ferdinand selbst um Rat fragten, was sie in der Sache thun sollten. Darauf erhielten sie nun ein vom 1. Juli 1619 datirtes sehr ausführliches AntwortschreibenN.71.1, dessen Inhalt in Wesentlichem folgender ist:
Der Kaiser zweifelt nicht, die Verordneten oder die Landschaft werden dies Schreiben selbst zu beantworten gewusst haben. Weil jedoch Einiges in diesem Schreiben die kaiserliche Autorität betrifft, so folgt die nachstehende Erinnerung: Die Ober-Enser behaupten, dass sie wegen des kais. Kriegsvolkes genötigt wären, selbst Truppen zu halten und schieben die Schuld auf den Kaiser. Dieser sei jedoch durch die Böhmen selbst, sein Recht mit Gewalt der Waffen zu vertheidigen, gezwungen.
„Hätten die Stände ob der Ennss und andere, so sich anitzo an die Böhmen gehängt und vielleicht gleich Anfangs mit denselben unter der Decken gelegen, mehr den schuldigen Gehorsam und Assistenz ihrer Obrigkeit, als den widersetzlichen Böhmen vorschub, heim- und öffentlicher Einigung sich beflissen, wäre dieses Ungemach längst gestillt, auch der Böhmen Mutwillig- und Halsstarrigkeit nicht so weit hervorgebrochen. Was aber die oberensischen [Seite 72] Stände mit dieser ihrer angegebenen Defension eigentlich für eine Meinung gehabt, das geben ihre nachfolgenden und nunmehr weltkundigen Actionen zu erkennen, indem sie nicht terminis ihrer vorgewendeten Defension verbleiben, sondern sich mit den Böhmen in verbotene Conföderation eingelassen, denselben mit wirklicher Hilfe beizuspringen, hergegen dem kayserl. Feldlager und Kriegsvolk alle Päss zu Wasser und zu Land, wo sie nur gekonnt, gestört, ja das bemeldte kays. Kriegsvolk selbst feindlich angegriffen; ob nun solches alles zu Abhaltung des böhm. Ungehorsams auch der Lande Ruhe und Sicherheit diensam sei, mögen wir Euer und unserer getreuen steirischen Landschaft und jedes Unparteilichen Erkenntniss und Urtheil leiden.“
Weiter wird der Vorwurf zurückgewiesen, dass der Kaiser nicht auf friedlichem Wege den Streit auszugleichen bemüht gewesen sei, indem er sich auf die Interposition deutscher Fürsten beider Religionen bezieht. — Er habe sogar seinem Kriegsvolk den Angriff untersagt und dies den Böhmen durch den Grafen Buquoi ankündigen lassen; diese aber haben ihren Truppen keinen Stillstand auferlegt, überall geraubt und geplündert etc.
„Was sie (die Obderens. Stände) dafür von der Herabführung mehreren Kriegsvolks beschwerlich anziehen und letzlich bitten thun, eine ehrsame, getreue Landschaft wolle bei uns die Sach dahin richten und erbitten helfen, damit diese Lande ohne weiteres Blutvergiessen und Verderbung wieder zu erwünschter Ruhe, Frieden und Sicherheit gestellt auch sowol das Hungarische Kriegsvolck wiederum zurückgeführt, auch dem oben herabkommenden Volck alle Anzüg in diesem Land gänzlich eingestellt, auch endlich dem ihrem vermeinten Fürgeben nach, aus Hispanien kommenden Kriegsvolck der Durchzug von vielgedachter unserer steirischer getreuen Landschaft verhütet und verhindert werde, da möchten wir leiden, dass die benannten Oberenserischen Stände unsere ungehorsame und widerwärtige mit solchem [Seite 73] Eifer und Beweglichkeit vermeint hätten, oder noch vermeinen thäten, dass sie von Ihrer angefangenen hochsträflichen und landesverderblichen Widersetzlichkeit ablassen, die Waffen wider uns, als Ihrem gekrönten König, dem Sie Pflicht und Eid gethan, niederlegen, die von uns angebotene und im Werk erzeigende Gutmütigkeit in bessern Obacht nehmen und wiederum zu dem schuldigen Gehorsam treten, so wurde allem Denjenigen, so Sie die Ob. E. Stände so hoch beschwerlich anziehen, bald abgeholfen und der erwünschte Friede, Ruhe und Sicherheit wieder gebracht werden. Dass sie aber hiebei bitten, dem aus Hispanien herauskommende Kriegsvolck, davon wir einige Wissenschaft nicht haben und dieser Leut selbst eingebildeter Wahn ist, den Durchzug zu verhindern, daraus können wir unschwerlich verspüren, dass Sie auch unsere getreue steirische Landschaft wider uns zu verhetzen und zum Beifall ihrer unziemlichen Widersetzlichkeit aufzuwiegeln an Ihnen nichts verwinden lassen. Wie Wir aber bei derselben bishero und alleweg einer ganz treulichen und dankwürdigen Beständigkeit in ihrer Fidelität und Lieb gegen uns mehrfältig erfahren, als würdet uns auch durch diese der Ob. E. Erwähnung einiger Zweifel nicht eingebildet, dass Sie unsere getreue steirische Landschaft sich hiedurch zu einiger Wankelmütigkeit werden verleiten lassen und zweifeln nicht, Ihr od. eine Ehrs. Landschaft werden Ihren wolgehabten Verstand und gegen uns tragende treu eifrige Affection auch derselben selbst erheischenden Notdurft nach, die Oberens. Stände zu beantworten wissen, verbleiben auch . . . . . ."
Dieses Actenstück versteht es, mit Geschick die Furcht vor einem Bündnisse der steirischen Stände mit den oberösterreichischen hinter väterlichen Ermahnungen zu verbergen und Drohungen so vorsichtig mit Lobsprüchen zu vermengen, dass keinerlei Anlass zu einer gereizten Stimmung der Landschaft damit gegeben wird und dennoch für jeden, den es an [Seite 74] gieng, daraus entnommen werden konnte, dass die kaiserliche Regierung jedes Eingehen auf die Forderungen der Oberösterreicher als Feindseligkeit betrachten werde. Es macht den Eindruck, dass man in Wien bezüglich Innerösterreich nichts weniger als sicher war, dass man Grund zu mancherlei Befürchtungen hatte, dieselben jedoch durchaus nicht aussprechen wollte, weil kein offener Anlass dazu vorlag und weil man um keinen Preis irgendwie die Aufregung im Lande nähren wollte. Die steirischen Stände ihrerseits blieben ihrer Politik treu, den Vorgängen in den Nachbarländern so wenig Bedeutung als möglich beizulegen, um nicht zu Auslagen und Aufwand für Vertheidigungszwecke genötigt zu werden. Ob und was sie den Oberösterreichern auf die erwähnte Zuschrift zurückgeschrieben haben, konnte ich aus dem mir zu Gebote stehendem Material nicht entnehmen. — Ein ziemlich geringfügiger Vorfall führte zwar zu einer Correspondenz mit den Oberösterreichern, doch kann derselben keine Tragweite beigemessen werden und lässt sich daraus nur die Abneigung der steirischen Landschaft gegen jedes präjudicirende energische Auftreten ersehen. Das am Pirnpass lagernde „Oberensische“ Kriegsvolk hatte am 27. October den Herrn von Kolowrat sammt Frau und Kindern, als sie auf einer Reise begriffen waren, überfallen und von ihm 100 Gulden und 20 Reichsthaler erpresst, ausserdem auch seinen Wagen geplündert. Der Kaiser liess darauf durch seinen Hof-Vicekanzler den Ständen andeuten, sie sollen zur Verhütung ähnlicher Fälle Pferde in's Ensthal legen. Die Stände giengen jedoch nicht darauf ein, sondern schrieben den Oberensern zu, sie sollen die Verbrecher zur Bestrafüng ziehen, was darauf auch geschehen ist.N.74.1
Zu Beginn des Jahres 1620 müssen die Pläne der Conföderierten bestimmtere Gestalt angenommen haben, denn es treffen die Andeutungen in den Correspondenzen Anhalts mit Vorgängen im steirischen Landtage zusammen, welche keine [Seite 75] andere Erklärung zulassen, als dass man eine erhöhte Gefahr im Anzuge glaubte. Die ersterwähnten Correspondenzen finden sich diesmal in der gedruckten „Anhaltinischen Kanzlei“N.75.1, welche mit dem Datum 25. Februar 1620 Folgendes registrirt:
„ Herr von Ungnad schreibt aus Linz: „Die evangelischen Stände in Steier, Kärnten und Krain seien resolvirt, die Freistellung der Religion wieder zu begehren, sie möchten aber leicht aus Furcht abgeschreckt werden? Siegmund von Eggenberg verhandelt zu Brünn mit dem Grafen von Thurn. Dieser berichtet an Anhalt darüber, dass Eggenberg Auskunft geben könne, wenn man ober Steyer mit lieb vnd freundlichkeit sich bemächtige. Dies zu erhalten gehör ein anzahl Fuesvolk, welches von den gesambten Ländern proportionaliter müsse gegeben und disem ehrlichen cavaglier dies Wesen hauptsächlich anbefolchen werden, der wird es mit Gott anfangen und glückselig enden. Den Eggenberg werde man in Thurns Quartier finden.“ — Anhalt notiert auf den Brief aussen: „1. die Steyrer zu der Confoederation durch schreiben anzusprechen. 2. Volck quanti, quando, ubi quomodo? 3. Auf Bossna Kirchen. 4. Prediger mit einzuführen.“ [Seite 76]
Am 3. März wird verzeichnet: „ Budianus ( Batthiány) schreibt: Etliche aus den steyr. Ständen hatten sich dahin erklärt, dass sie dem Gábor die Päss öffnen, als dann die übrigen heimlichen Correspondenten, welche nur auf Gelegenheit warten, zu ihm stossen werden.“
Aus diesen Angaben, deren Richtigkeit zu bezweifeln nach den im Vorgehenden erwähnten Thatsachen kaum ein Grund vorliegen dürfte, geht hervor, dass eine Fraction der protestantischen Stände in Steiermark bereits entschlossen war, mit den Oberösterreichern und Böhmen einerseits und mit Bethlen Gábor andererseits in Verbindung zu treten, die protestantische Religion in Steiermark wieder herzustellen und wahrscheinlich im Rücken der kaiserlichen Hauptstellung derartige militärische Actionen zu unternehmen, dass ein Theil der kaiserlichen Streitkräfte dadurch gebunden worden wäre. Eine förmliche Umgehung der kaiserlichen Operationsbasis an der Donau, sowie eine gänzliche Einschliessung und Isolierung der kaiserlichen Truppen mag dabei wohl als endliches Ziel vorgeschwebt sein. — Die Combination war sehr geistreich und theoretisch so richtig, dass sich der Erfolg beinahe mit Notwendigkeit erwarten lies. Doch in keiner Richtung menschlicher Thätigkeit ist die Theorie allein von so geringer Bedeutung als in der Politik. Sie verlangt von einem Staatsmanne, dass er auch die Mittel schaffe, um seine Pläne zur Ausführung zu bringen. In der Harmonie von Wollen und Können liegt die Kunst des bedeutenden Politikers. Dass Anhalt diese nicht erreichen konnte, hat ihn in den Augen so vieler Beurtheiler als Abenteurer erscheinen lassen.
Ueber den obengenannten Siegmund von Eggenberg, dem bei der geplanten Insurrection eine so hervorragende Rolle zugedacht war, findet sich in allen von mir aufgefundenen zeitgenössischen Quellen keine weitere Erwähnung. Er dürfte wohl identisch sein mit Hans Siegmund Eggenberg, welcher kaiserlicher Hauptmann war und sammt seinem Bruder [Seite 77] Hans Wilhelm 1598 in den Freiherrnstand erhoben worden war.N.77.1 Er gehörte zur protestantischen Linie der Eggenberge; sein Grossvater Christoph war ständischer Einnehmer, kaufte die Herrschaft Ehrenhausen und war seit 1528 lutherisch.N.77.2
Anhalts Bemerkungen sind, bis auf Punkt 3, für den
ich keinerlei Erklärung finden konnte, vollkommen einleuchtend, und es zeigt von richtiger Beurtheilung der Landesverhältnisse, dass er auf die Einführung protestantischer Prediger Gewicht legte, welche offenbar die Aufgabe haben sollten, die verborgenen kleinen lutherischen Gemeinden aufzusuchen und den unter dem Drucke der Jesuiten-Propaganda verkümmerten protestantischen Geist in der Bevölkerung wieder zu erwecken. — In den Kreisen der kaiserlichen Regierung scheint man doch über dieses Vorhaben unterrichtet gewesen zu sein, indem man mit Entschiedenheit darauf drang, dass die Stände die nötigen Vertheidigungsmassregeln für Steiermark vorbereiteten. Der Kaiser selbst hat seinen persönlichen Einfluss dafür geltend gemacht, wie uns die von den Verordneten dem Landtage von 1620N.77.3 vorgelegte Relation berichtet, in welcher sich folgende auf diese Angelegenheit sich beziehende Stelle findet:
„Als Ihre Kais. Maist. nach seiner Krönung in Frankfurt nach Graz gekommen, hat er die damals anwesenden geistl. und weltl. Herrn zusammenrufen lassen, ihnen von dem noch in Ungarn schwebenden betrübten Zustand vorgetragen und empfohlen, Mittel und Wege zu beraten, damit ihr geliebtes Vaterland in dem erwünschten Frieden noch ferner bestehe und sein Weib und seine Kinder ruhig hier verbleiben können. Die versammelten Stände bedanken sich und beschliessen, [Seite 78] vier Fähnlein zur Behütung der Confinen zu errichten und dieselben auf drei Monate nach Radkersburg, Fürstenfeld und Feldbach zu legen, wo sie auch von den Comissarien Siegmund Freiherr von Galler, Wolf von PranckhN.78.1, Franz Fr. von Herberstorff und Hans Christ. von Meidorff gemustert wurden. Nachdem von Seite des Pflegers des Grafen Erdödy und von anderen Benachbarten, wie auch Herrn Batthiány Warnungen eingelaufen sind, haben sich die Verordneten genötigt gesehen, aus der Not eine Tugend zu machen und 300 Reiter aufzustellen.“
Mit der Truppenaufstellung auf drei Monate war man jedoch von kaiserlicher Seite nicht befriedigt. In der Replik der kais. Räte auf die landtägliche Propositions-Beantwortung werden die Stände aufmerksam gemacht, dass sie verpflichtet seien, die Landesgränzen dort, wo sie offen sind, wie im Viertl Vorau und Ensthal durch eine Befestigung zu schützen. Die Landschaft solle dies nur auf eigene Faust thun; es sei gar nicht nötig, sich darüber mit den kärntischen Ständen zu beraten.
Der Landtag erwidert in der Duplik vom 16. März 1620:
„dass er eine Beratschlagung der drei Länder wohl für möglich gehalten. In Ermanglung derselben gebe es kein anderes Mittel, als das Kriegsvolk zur Beschützung der Gränzen noch länger zu erhalten, obwohl dies zur Abhaltung eines grossen Schwalles nicht erklecklich sein wird.“
Es erhellt daraus, dass die Stände keineswegs aus eigenem Antriebe gewillt waren, dem von Ungarn aus zu erwartenden Einfalle möglichst kräftig zu widerstehen; es würde jedoch sehr gewagt sein, diese Haltung auf Rechnung einer politischen Tendenz der massgebenden Persönlichkeiten unter den steirischen Ständen zu schreiben. Es ist im Gegentheil mit Berücksichtigung der Landesverhältnisse sehr wahrscheinlich, dass das Motiv ausschliesslich financieller Natur war. Wenn es sich [Seite 79] um Leistungen handelte, waren alle ständischen Corporationen, welche dabei zu Opfern genötigt gewesen wären, immer gleich schwierig. — Etwas Anderes ist es mit dem Verlangen, einen General-Landtag der innerösterreichischen Länder zu Stande zu bringen. Dabei mag doch die Reminiscenz an den Brucker Landtag von 1578 massgebend und die Hoffnung vorwaltend gewesen sein, dass sich bei der grossen Bedrängniss des Kaisers neuerdings eine Forderung nach Religionsfreiheit mit Erfolg anbringen liesse. Daraus erklärt sich die barsche Abfertigung von Seite der kaiserlichen Räte, die von einer derartigen Concentrierung der ständischen Macht nichts wissen wollten.
Am Hofe des Winterkönigs in Prag sprach man mit
Vorliebe von dem Projecte einer Insurrection Innerösterreich's. Davon gibt ein an den Bischof Thomas von Laibach gerichtetes mit „ Lambrecht v. M“ gezeichnetes SchreibenN.79.1 Zeugniss, welches u. A. erwähnt:
„Man sagt stets allhier, das in Steyr, Kärndten vnd Crain, sich auch ein Unruh erhebt, wegen der Religion vnd dass man Zu Laybach albereit Praedicanten eingeführt, auch dass die Ungarn in Steyermarkht weren eingefallen vnd vil anderer vngerümbten sachen mehr, welchem allein ich In dem wenigsten kein glauben gebe, Wan etwas was solliches fürlauffen sollte, bitt gehorsamblich durch dero Secretarium mich lassen avisiren vnd die schreiben nur meinem herrn Vethern, Vincenz Joannes (?) nach Wien dirigieren.“
Noch in den letzten Monaten der böhmischen Herrlichkeit machte dieselbe Angelegenheit in Prag viel Gerede. Wenigstens können wir dies aus einem jener zahlreichen Berichte ersehen, durch welche Herzog Maximilian von Baiern über die Zustände in Böhmen, über die Stellung des böhmischen Adels zum Könige und den pfälzischen Räten, über die Calamitäten [Seite 80] im Heere, die Zwistigkeiten der Befehlshaber, den Mangel einer einheitlichen Leitung, über neu erscheinende Flugschriften, sowie über alle nur irgend interessanten Vorgänge bei Hofe so trefflich unterrichtet war. — Ich theile denselben hier seinem vollen Wortlaute mit, nicht so sehr, als wenn dem darin erzählten Vorgange eine besondere politische Bedeutung zugeschrieben werden sollte, sondern weil mir derselbe äusserst charakteristisch für die Beschränktheit und Leichtgläubigkeit des Hofes, für den Leichtsinn der meisten an der böhmischen Revolution Betheiligten erscheint.
Unter dem Titel „Zeitung aus Prag, den 26. Juli 1620"N.80.1 lesen wir:
„ Rauber ein abgsandter des Landes ob der EnnsN.80.2 hat jüngst verwichenen Pfingstag ein stattlichs Pankhet gehalten, dabey die gesundheit des türk. Kaysers gedrunckhen, sind dergleichen reden heraussgestossen worden: weil Ferdinand vns Obderenser den von Bayern versezet, vnd vns zu Muncipia [Seite 81] machen will, alss wird zu Graz ein Landtag gehalten, dahin die abgesandten aus Steyermarkh, Kärnten vnd Crain auch khomen, Ire khönig. May. für ein Herzog vnd den Türkh zu einem Schutzherrn auf und anzunehmen vnd obwol Herzog aus Bayern vnd Erzherzog Leopold albereit mit 12000 in ob der Ennss gefallen, so hette doch solches nichts zu bedeuten, es ermangelte an mitl nit selbige zuruckzutreiben, wie man dem in khurz zeit auf einer vnermerkten seiten ins Landt fallen wurde, damit man ihm von sein vorhaben dimitirn möchte. Man hat gleichwol bei besagtem Pankhet sonderlich den Rauber oft den Kopf gehängt vnd mit seufzen gen himel gesehen, einen brief, so er unter wärendem Pankhet empfangen, mer den uber dreimal gelesen und dann dem Grafen von Thurn zu lesen übergeben, sind beyde hernach aufgestanden und vil zeit nacheinander discurirt, man mutmasset die Enser zum theile wollen heimkehren. Das beste hette ich schier vergessen, alss sie nun aufgestanden und der von Ruppa hinauf zum König gefaren, hat der König gefragt, wie das Pankhet abgangen, darauf Ruppa erzält, was Rauber wegen Steyermarkt, Kärnten und Crain fürbracht und dass sogar dieselben Ihn, König, für ihren Herzog annehmen wollen, daran er sich erfreut, zu seiner frau gemalin nicht gegangen, sondern geloffen, sie khünftige herzogin von Steyermarkh, Kärnten und Crain salutiert. O pueritiam, ne dicam stultitiam!“
Dieser, sowie zwei andere Berichte von verschiedenen Agenten, welche mehr oder weniger dasselbe erzählen, was damals in Prag den Gesprächsstoff für die Bierbank abgegeben hat, scheint wohl darnach angelegt gewesen zu sein, dem ernsten und sorgenschweren Haupte der Liga ein gemütliches Lächeln abzuringen. Und wenn schon dies nicht erreicht worden sein sollte, so können doch wir uns desselben kaum erwehren, wenn wir uns die kindliche Unschuld des Winterkönigs vergegenwärtigen, dem die Tage schon zugemessen sind, die er am Hradschin noch zuzubringen hat, und der sich dennoch [Seite 82] über drei neue Herzogtümer zu freuen vermag, die ihm von solchen Helden im Lügen und Grossthun angeboten werden, welche die eigene Ohnmacht und Lässigkeit hinter schlechten Witzen zu verbergen trachten. — So vertrieb man sich am Prager Hofe die Zeit, als es noch möglich gewesen wäre, mit Aufbietung aller Kräfte, mit Beiseitesetzung jeder persönlichen Rancune, mit Zusammenraffung aller nur immer verfügbaren Widerstandsmittel wenn schon nicht der protestantischen Sache in Oesterreich zum Siege zu verhelfen, so doch ihre gänzliche Niederlage hinauszuschieben und die Zeit zu erfolgreichen Verhandlungen zu gewinnen!N.82.1
Die wenigen Männer, denen es Ernst um ihre Bemühungen gewesen, welche bei aller Unerschöpflichkeit an Plänen und Conjuncturen die Ausführungsmittel so rasch schwinden und eine Hoffnung um die andere fehlschlagen sehen mussten, hatten bereits die wahre Sachlage erkannt und liessen nun alle unreifen Projecte fahren, indem sie sich einzig und allein dorthin noch wendeten, wo in diesem Augenblicke wenigstens theilweise Macht und Gewalt zu einer ausgiebigen Unterstützung zu finden war. Paul von Starenberg warf sich dem Bethlen Gábor zu FüssenN.82.2 und beschwor ihn, um Gottes Willen den bedrängten österreichischen Ständen jetzt zu Hilfe zu kommen, [Seite 83] da es sonst um die „heilsame“ Religion in Ungarn wie in Oesterreich geschehen sei. Herr von Ungnad schrieb Briefe über Briefe an Tschernembl und Anhalt, in welchen er die immer mehr drohende Gefahr Oberösterreichs vor dem Einzuge der Baiern bespricht und dem Fürsten Christian erklärt, dass sie ausser auf Gottes auf keine Hilfe rechnen können.N.83.1 Keiner thut der Bewegung in Innerösterreich mehr Erwähnung; diese Hoffnung hatte sich als eine trügerische erwiesen, wie so manche andere, der man nur zu hastig Bedeutung beigelegt hatte.
Auf Grund meiner hiemit beendigten Erzählung, die sich durchwegs auf Aufzeichnungen von Augenzeugen stützt, lässt sich wohl kein anderes Resultat vorlegen, als die Thatsache, dass an dem Vorhandensein eines Planes, Innerösterreich zu Gunsten der pfälzisch-böhmischen Interessen zu insurgiren, nicht mehr gezweifelt werden kann, dass aber dieser Plan das Stadium confidentieller Unterhandlungen und Correspondenzen nicht überschritten hat. — Ein thatsächlicher Versuch zur Ausführung ist nicht gemacht worden; es lässt sich kein Beleg dafür herstellen, dass es unter den massgebenden Persönlichkeiten zu einer definitiven, förmlichen Abmachung gekommen sei; ja wir können nicht einmal die Namen derjenigen Männer vollständig verzeichnen, die sich für die Angelegenheit interessiert und für dieselbe in ihrem Kreise gewirkt haben.
Die ständischen Functionäre wie die Majorität des steirischen Landtages mögen wohl um die Sache gewusst haben; sie haben sich aber wohl gehütet, irgend einen Schritt zu thun, der sie gebunden hätte; sie ignorieren daher in den officiellen Schriftstücken diese Angelegenheit geflissentlich und [Seite 84] beschäftigten sich damit immer nur dann, wenn sie von den kaiserlichen Behörden urgirt wurden. Dass aber die einzelnen Adeligen, welche in irgend einer Weise mit den Böhmen und Pfälzern in Verbindung gestanden waren, nach der Schlacht am weissen Berge und unter dem Eindrucke der Hinrichtungen und Confiscationen in Böhmen sich nicht lange besonnen haben, jede Spur daran zu verwischen und jedes ihnen aufstossende Papierblättchen zu vernichten, welches sie compromittierende Andeutungen enthielt, lässt sich wohl begreifen.
Damit waren denn auch die letzten haltbaren Fäden, welche die innerösterreichischen Protestanten mit den Glaubensverwandten im Reiche verbanden, abgeschnitten; für sie brachte keine Phase des wechselvollen 30jährigen Krieges eine Gelegenheit zur Wiederanknüpfung, und der westfälische Friede besiegelte mit der Bestimmung über das Normaljahr die Alleinherrschaft des Katholicismus in Innerösterreich, der an den Jesuiten, die sich in Graz eine einflussreiche Pflanzstätte geschaffen hatten, die gewandtesten und erfolgreichsten Beförderer fand.