Béla Reitzer, Heimfall und Erbfolge (1906)

Béla Reitzer, Heimfall und Erbfolge (1906)

[Editorial]

Vorlage für diesen digitalen Text ist das Digitalisat eines Sonderdruckes des Aufsatzes aus der "Zeitschrift für ungarisches öffentliches und Privatrecht (Budapest 1906)": archive.org.

Meine persönliche Motivation als deutscher Rechtshistoriker, mich mit diesem Aufsatz zu beschäftigen, war ein anderer ungarischer Text: "Werbőczy, István, Decretvm Oder Tripartitvm Opvs Der LandtsRechten vnnd Gewonheiten des Hochlöblichen Königreichs Hungern" in der deutschen Übersetzung von 1599. Dieser Druck gehört zu dem Erfassungsbereich des Projektes DRQEdit, das ich in meiner aktiven Zeit begründen und leiten durfte. Die bleibende Verbundenheit mit DRQEdit führt ab und an dazu, dass ich mich um eine Transkription eines der dort gespeicherten Textes bemühe, wenn ich denn glauben oder hoffen kann, ihn noch fertigzustellen. Vgl. jetzt den Text in meinem "Repertorium"

Das ungarische Heimfallrecht spielt im "Tripartitum" eine große Rolle, so dass es mir sinnvoll erschien — sozusagen nebenbei — auch diesen Text zu transkribieren bzw. den von Google gelieferten OCR-Text zu korrigieren und mit XML-Markup nach TEI P4 zu versehen.

Heimfall und Erbfolge. Studie aus dem Kreise des ungarischen Privatrechts mit Rücksicht auf den ungarischen Allg. Bürgerl. Gesetzentwurf. Von Bèla Reitzer (Budapest 1906)

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[Einleitung]

So oft wir an die eingehendere Untersuchung einer Rechtsinstitution schreiten und den Wunsch hegen, dasselbe in seine Bestandtheile zerlegt und auf seine Entstehungsgründe zurückgeführt kennen zu lernen, ist es unsere erste Aufgabe zu prüfen, welchem Theile der Rechtsmaterie die zu prüfende Frage organisch und systematisch angehört. Die Feststellung dessen ist aber aus dem Grunde nothwendig, weil wir in erster Linie die Grundsätze klarlegen müssen, welche die einzelnen Theile beherrschen und werden wir diesen allgemeinen Leitmotiven folgend zur Frage gelangen, inwiefern in der gegebenen Species die Eigenschaften des Genus aufzufinden seien, worin sich dieselben von den übrigen zu diesem Genus gehörigen engeren Kategorien unterscheiden und ob nicht diese Species solche Züge aufweist, welche das Charakteristikon einer anderen abweichenden Gruppe bilden. Dieser Vorgang hat sich nun stets in zweifacher Richtung zu vollziehen: in der Richtung des Systems und in der Richtung des Organismus.

Wenn wir vor Allem den Unterschied zwischen System und Organisation kennzeichnen wollen, so könnten wir dies ungefähr mit der Urproduktion und dem Gewerbe vergleichen. Das Leben produzirt die jede menschliche Vorstellung übersteigenden Verhältnisse, so wie die Urproduktion die verschiedensten Materialien. Und so wie die menschlichen Bedürfnisse selbst, beziehungsweise die die Befriedigung derselben bezweckende Einsicht im gegebenen Falle das Geeignetwerden der so erzeugten Güter bewerkstelligen : so würden sich auch diese Lebensverhältnisse ohne jedes Gesetzeswort, auch ex ratione regeln und glätten. So wie das Gewerbe nichts anderes macht, wie dass es die bereits erzeugten Materialien aufarbeitet und brauchbarer gestaltet, so wählt auch das Rechtssystem die von dem Leben gebotenen Verhältnisse aus, gruppirt dieselben und führt unter Berücksichtigung gewisser Prinzipien deren sichere und einheitlichere Erledigung herbei. Das Rechtsmaterial liefert nicht der Gesetzgeber, sondern das Leben und was des Gesetzgebers harrt, das ist die Systemisirung.

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Hieraus erhellt, dass wenn wir den gegebenen Begriff mit seinen rechtsorganischen Umrissen umgrenzen, hiemit auch für dessen rechtssystematische Position die Richtung gegeben ist. Dies trifft auch umgekehrt zu; die Beiden decken sich gewöhnlich und wenn auch hie und da eine Abweichung vorkommt, ist diese durch gewisse Rücksichten immer gerechtfertigt.

Halten wir uns also auch bei der zum Gegenstande der gegenwärtigen Untersuchung gewählten Frage an die vorangehende Behandlungsweise und stellen wir nun fest, welche Position unsere Frage in der Rechtsmaterie einnimmt. Heimfall und Erbfolge sind zwei Begriffe, welche dem ausgedehnten Genuss des Rechtserwerbes angehören. Beide bedeuten den Eintritt in ein Rechtsverhältnis. In ein Rechtsverhältnis kann man aber auf zweierlei Arten eintreten: entweder so, dass der neu Eintretende neben ein schon darin befindliches Subjekt tritt, wie zum Beispiel bei der Haftung oder an Stelle desselben tritt, zum Beispiel bei der Nachfolge. Diese letztere bildet einfach einen Rechtssubjektstausch. Zum Subjekte gewisser Rechte werden, deren Subjekt aus welchem Grunde immer wegfiel : dies ist die Beschreibung der Kategorie, welcher sowohl der Heimfall, als die Erbfolge angehören. Diese Umgrenzung ist jedoch eine überaus weite, weil dieser Subjektstausch verschiedene Konsequenzen haben wird je nach den Gründen, welche diese Subjektsänderung hervorgerufen haben; nur wenn wir dem Angeführten hinzufügen, dass diese Rechtsinstitutionen solche Aenderungen der Rechte bilden, welche mit dem Tode des früheren Subjektes eintreten, haben wir mit markanteren Zügen jenen engeren Begriffskreis bezeichnet, in welchen unser Gegenstand eingefügt ist.

Bevor wir auf der geraden Strecke unserer Erörterungen weiterschreiten, halten wir schon auf diesem Platze eine kleine Abschwenkung für nöthig. Wir müssen nämlich vorausschicken, dass der Heimfall, wenn wir hiemit die Umgrenzung einer gewissen juristischen Kategorie bezeichnen, ausschliesslich eine im Todesfalle eintretende Rechtssubjektsänderung ist. Wir erachten es für nothwendig, dies schon jetzt zu betonen, weil wir in diesem Punkte von der allgemeinen Auffassung abweichen. Der gemeiniglich ebenfalls für einen Heimfall gehaltene, in Folge der nota infidelitatis eintretende Rechtssubjektswechsel bildet nämlich unseres Dafürhaltens keinen Heimfall, wie wir dies im Laufe unserer Ausführungen beweisen wollen.

Spinnen wir nun den beiseitegelegten Faden unserer Ausführungen weiter. Wenn wir festgestellt haben, dass sowohl der [Faksimile Seite 7] Anfall (die Erbfolge) wie der Heimfall Rechtsveränderungen sind, welche im Todesfalle eintreten, so haben wir hiemit zugleich gesagt, dass beide Rechtsinstitute in den Kreis des Erbrechtes gehören. Von dem Gesichtspunkte des rohen Rechtsmaterials ist dies bezüglich Beider zweifellos. Nicht so aber, was das System betrifft, weil wir bei der systematischen Plazirung sowohl der Erbfolge, wie des Heimfalls Unterschiede finden.

Als noch bei uns der Heimfall ein das ganze nationale Leben durchdringendes Rechtsinstitut war, kannte man die heutige fünfer Eintheilung des Rechtssystems noch nicht und nachdem in dem dreier System, welches auch Werböczy in seinem Tripartitum befolgt oder wenigstens zu befolgen beabsichtigt, das Erbrecht in die Gruppe der absoluten Rechte eingereiht wurde, hat die Plazirung des Rechtsinstitutes auch keine Schwierigkeiten verursacht. Im fünfer System jedoch würde diese systematische Plazirung mit viel grösseren Schwierigkeiten verbunden sein. Ein Beweis dessen ist Franks Közigazság Törvénye, wo das Erbrecht aus dem Vermögensrechte ausscheidet. Hier ist der Heimfall in beiden Theilen zu finden und ist derselbe gerade im Zusammenhange mit dem Eigenthumsrechte eingehender ausgeführt. Plausibel ist die Richtigkeit dessen, besonders dadurch, dass der Heimfall als solcher mit Rücksicht darauf, dass er lediglich mit dem Tode irgend Jemandes eintreten kann, unbedingt ein erbrechtliches Institut ist.

Die Stellung der Erbfolge im heutigen Systeme ist — wenigstens wenn wir die bestehenden Gesetze in Betracht ziehen — unantastbar. Bei dem Heimfall wäre aber eine solche sichere Umgrenzung ausser dem besagten Grunde auch noch aus anderen Gründen sehr schwer, und zwar vornehmlich aus dem Grunde, weil die juristische Struktur des Heimfalls gegenüber der Erbfolge eine besondere Eigenheit aufweist. Bei dem Heimfall wirft nämlich das Subjekt der zu wechselnden Rechte schon zu Lebzeiten des alten Subjekts seinen Schatten voraus, es lässt sein Darinsein schon vor dem eigentlichen Eintritte fühlen und berührt auch dessen Rechte in weit ausgreifendem Umfange. Dieser Umstand erheischt eine eingehendere und klarere Ausführung und werden wir hierauf an geeigneter Stelle zurückkehren. Hier nur noch soviel, dass die dem Heimfall von uns gegebene Position darin ihre Rechtfertigung findet, dass der Tod des alten Subjektes das Auftreten des neuen Subjektes sichtbar und aktuell macht und den eigentlichen Subjektswechsel bewirkt. [Faksimile Seite 8]

I.

Hernach können wir nun zur Besprechung der beiden Begriffe übergehen, wobei der Schwerpunkt auf dem Heimfalle liegt. Wir können uns aber in die dogmatische Analyse nicht einlassen, bevor wir den politischen Grundgedanken des Heimfallsrechtes in aller Kürze kennen gelernt haben, denn wenn es ein Rechtsinstitut gibt, welches nur so wahrhaft verstanden werden kann, wenn wir es in das Milieu, welchem es entsprungen, hineinsetzen und wenn wir jene gesellschaftlichen Verhältnisse kennen, aus welchen dieses Rechtsinstitut hervorging, so trifft dies besonders bei dem Heimfalle zu und zwar darum, weil dieses Rechtsinstitut vor dem Jahre 1848 unser ganzes Leben, unser öffentliches und Privatrecht derart durchdrungen hat, dass es eine direkte Daseinsbedingung derselben war.

Der Heimfall entfaltet sich eigentlich mit der Entwickelung der staatsrechtlichen Lehre von der heiligen Krone, als ein auf dem Donationsgut fussendes Rechtsinstitut. Das Donationsgut war wohl im ungarischen Rechtsleben schon vordem bekannt, ebenso wie in jedem anderen alten Rechte, weil seine Keime bei jedem Volk bis zur Landnahme zurückgreifen. Als nämlich unsere Vorfahren diese Heimat eroberten, theilten sie deren Boden im Verhältnisse zu den Kriegsverdiensten unter den Sippschaften auf. Im Anfange war also jedes Grundstück eine Donation des Fürsten an die Sippschaft, welches als solches auch kein individuelles Eigenthum bilden konnte, sondern der Sippschaft gehört hat, deren Oberhaupt der niessbrauchende Besitzer war, jedoch ohne Dispositionsberechnung. Hierin ist die Grundlage des Heimfalls gegeben.

So war dies zu Beginn der Geschichte aller Völker. Später jedoch entwickelte sich der ausgebreitete weitverzweigte Baum, zu welchem dieser Same anwuchs, überall anders, je nach dem die Fruchtbarkeit der betreffenden Nation, der Boden derselben geeigneter, die Pflege der Menschenhände, mit welcher auch das wiederholte Stutzen der Nachtriebe verbunden ist, grösser, der Sonnenstrahl stärker, die Aufsaugung der Feuchtigkeit günstiger war. Wie diese Bedingungen bei uns vorhanden waren, zeigt schon das entwickelte Rechtsinstitut des Heimfalls. Der Entwickelungsprozess war selbstverständlich ein langsamer und musste die unterschiedlichsten Stadien durchmachen.

Es wird nicht uninteressant sein, einzelne dieser Stadien herauszugreifen, schon aus dem Grunde nicht, weil wir so den Heimfall selbst besser verstehen werden. Sagt ja schon Frank, [Faksimile Seite 9] unser grosser Jurist, im Vorworte des Közigazság : »auf das lebende Gesetz wirft nicht selten das Alterthum volles Licht.« Nicht minder interessant ist jedoch diese Thatsache darum, weil trotzdem wir auf Schritt und Tritt hören, dass unser Recht vor dem 48er Jahr kein freies Eigenthum gekannt hat, festgestellt werden kann, dass das freie Eigenthum in unserem heimischen Rechte früher bekannt war, als die eigentliche Donation. War ja bei uns vor der Entwickelung der Theorie von der heiligen Krone wenigstens bei den Adeligen, die ja die Nation bildeten, gerade das freie Eigenthum vorherrschend.

Zum Nachweis dessen genügt es, den allbekannten, jedoch nicht genug gewürdigten 4. Punkt der Goldenen Bulle zu erwähnen, welcher mit Ausschliessung jedes Zweifels und ohne einen Unterschied zu machen, ausspricht, dass der ohne männlichen Nachkommen verstorbene Adelige nach Ausfolgung der quarta puellaris, als des der Mädchenlinie in der Gestalt irgend eines Pflichttheiles zustehenden Vermögens, über sein ganzes Vermögen frei verfügt. (»Si quis serviens sine filio decesserit, quartam partem possessionis filia obtinebit et de residuo sicut voluerit disponat.«) Bekräftigung findet dies auch im 64. Titel des I. Theiles des Werböczyschen Tripartitums, nach welchem die gegenwärtige Form des Heimfalles nur seit der Zeit unseres König Ludwig des Grossen, also seit der Entwickelung der Idee der heiligen Krone besteht. Ludwig der Grosse setzt nämlich in seiner Konfirmation einen Artikel der Goldenen Bulle ausser Kraft und dies ist eben der angeführte 4. Artikel. »Ante enim eius principis tempora — sagt Werböczy — omnis baro, nobilisque liberam disponendi habuit facultatem super juribus suis possessionariis.«

Dieses Rechtsinstitut hatte einen tiefen Sinn, und dieser bewog unseren König Ludwig den Grossen, dasselbe in seiner ganzen Strenge zu erschaffen. Es hängt dies namentlich mit der Frage der Landwehr zusammen, deren Grundlage nebst dem Banderialsystem im Grundbesitze gegeben war. Ueberdies war es zur Zeit seiner Herrschaft mit Rücksicht auf jene Relationen, in welche unser Vaterland einerseits zu den mit den Anjous hereingeströmten Fremden und andererseits insbesondere zu den süditalienischen Fürstenthümern, sowie infolge der Eroberungspolitik Ludwigs des Grossen sowohl zu Polen, als zu den übrigen angrenzenden Ländergebieten trat, bei weiser Erkenntnis der Lebensverhältnisse und der hiemit verbundenen Zweckmässigkeit sicherlich geboten, dem Uebergange des Landesgebietes in die Hände Fremder und die Verarmung unseres Adels einzudämmen. [Faksimile Seite 10] Ebenso wahrschednlich ist, dass die reichen italienischen Krämer und Bankiers mit der Art und Weise vertraut waren, wie man die ausgebreiteten und einträglichen Grundstücke am leichtesten an sich reissen könne. Es hätte leicht eintreten können, dass die Wehrkraft des Landes sich zerstäubt hätte und hiemit auch der ungarische Staat zusammen gestürzt wäre.

Von diesem Gedanken war das ganze Zeitalter derart durchdrungen, dass ihn sogar das Tripartitum berührt, als es die Frage aufwirft, warum das Donationsgut nicht auch der Mädchenlinie zusteht. »Quia Regnum istud Hungariae, cum partibus sibi subiectis in medio faucibusque hostium situm et positum est, quod gladis semper et armis tutari defendique solet . . . Mulieres autem et puellae armis militare cum hostibusque decertare non solent, neque possunt et ob hoc bona ipsa jure femineo non deserviunt.« (Pars I. t. 18.)

Aus diesem Grunde erwies sich die Beschränkung der freien Verfügung über die Liegenschaften nothwendig. Dies hat jedoch noch nicht genügt. Wenn auch nämlich nach dem Aussterben der Familie der Heimfall an die Krone eintrat, so war dies noch keine Garantie dessen, dass das Gut bis zu diesem Zeitpunkte thatsächlich in der Rechtssphäre der Familie bleibt; wenn nur die erwähnte frühere Gebundenheit aufrechtbesteht, so hindert dies, dass die Familien dann und dadurch verarmen, wenn ein leichtsinnig denkendes ]Mitglied derselben das Gut verkauft und sich denkt, dass der Fiskus, falls die Familie ausstirbt, das Seine sicherlich zu finden wissen und mit demjenigen, der es hat, schon fertig werden wird.

Dies wäre so nur eine halbe und zur Sanirung des Uebels überhaupt nicht geeignete Massregel gewesen. Deswegen musste also eine fernere Gebundenheit des Gutes angeordnet werden, welche den Beruf hatte, auch die Familie sicherzustellen, nicht nur die Krone und unmöglich zu machen, dass welcher Eigenthümer des Gutes immer imstande sei, mit einer Massnahme der Familie auf immer den Boden zu entziehen. Dies konnte nur so erreicht werden, wenn die Familienmitglieder dem vorbeugen und erreichen konnten, dass ohne ihr Wissen und ohne ihre Genehmigung nichts geschehen könne. Hiezu diente das Rechtsinstitut der Aviticität, welche das Erhalten des Gutes zu Gunsten der Familie ebenso garantierte, wie das Donationssystem das Erhalten desselben zu Gunsten der Krone.

So entstand also zur Zeit Lndwigs des Grossen die zweifache Gebundenheit des Gutes: die staatsrechtliche Gebundenheit zu Gunsten der Krone, kraft deren ständig aufrechtbleibenden [Faksimile Seite 11] Rechtes, sowie die Gebundenheit nach Innen gegenüber der Familie, kraft eines fast schon präexistenten Rechtes derselben, der Aviticität. Ludwig der Grosse führte beide Rechtsinstitute gleichzeitig ein und pflegt sie auch die Geschichte bis zu dem heutigen Tage zugleich zu besprechen; identisch sind sie aber trotzdem nicht, das staatsrechtliche System der heiligen Krone und die Aviticität, sie gehören nicht einmal zu einander, nur hat sie die Gemeinsamkeit des Zweckes, der rechtspolitische Grundgedanke zusammengeflochten. Die Staatslehre der heiligen Krone bezieht sich nämlich lediglich auf die Donationsgüter, wie sie nur Adeligen gegeben wurden, erstreckte sich jedoch weder auf die anderweitigen Güter der Adeligen, noch im allgemeinen auf die Güter der Bürger der königlichen Freistädte und auf die Güter der Leibeigenen. Von diesem Gesichtspunkte ist es also unrichtig, die Beiden zusammenzuknüpfen. Eine Donation war auch ohne Aviticität möglich, z. B. wenn der Donatar keine Familie hatte. Die staatsrechtliche Schranke bestand für ihn, wenngleich er sich um keine Familie zu kümmern hatte, hingegen war in den Städten die Aviticität auch ohne Donation thatsächlich wirksam. Nachdem jedoch beide Rechtsinstitute von unserem König Ludwig dem Grossen eingeführt wurden, nachdem ihr Zweck derselbe war und sie regelmässig zusammen erschienen, ist es erklärlich, dass sie verwechselt und konsequent gemeinsam besprochen werden, wie wir dies auch im Tripartitum beobachten können.

Sehen wir nun, wie sich unsere privatrechtlichen Institutionen mit der Entwickelung der Lehre von der heiligen Krone umgestalten.

Vor Allem müssen wir mit Rücksicht auf die Art des Erwerbes das erworbene Gut von dem Schenkungsgute streng unterscheiden. Das Schenkungsgut dient stets zur Belohnung von Kriegsverdiensten und war mit demselben der Adel verbunden. Jedes andere Gut hingegen, welches Jemand während eines Krieges oder »litterali scientia vel doctrina« erwarb, war erworbenes Gut. Die letzteren bezeichnet Werböczy mit den Namen »peculium castrense« und »quasi castrense«, welche offenbar das Charakteristische solcher Güter zum Ausdruck bringen. Unter diesen Bezeichnungen wurden nämlich bei den Römern Vermögenskreise verstanden, mit welchen, eine anderen Vermögen nicht anhaftende freie Disposition verbunden ist. Diese Disposition bezieht sich auf sämmtliche für Lebzeiten oder Todesfall lautende unentgeltlich oder entgeltlich geschehene Veräusserungen oder Verpflichtungen. Dieses Verfügungsrecht wird auch dadurch nicht gehindert, dass [Faksimile Seite 12] Abkömmlinge vorhanden sind, selbst wenn diese entschieden widersprechen würden, weil »quilibet de bonis per eum propriis servitiis et conquisitis, libere disponere possit.«

Es stand jedoch den Adeligen auch bezüglich anderer Güter das freie Verfügungsrecht zu. Sie besassen nämlich innerhalb der Grenzen des Besitzes stets ein freies Niessbrauchs- und Verfügungsrecht über ihr gesetzliches Gut und Boden und über sämmliche Einkünfte derselben, und war dieses fundamentale Recht stets die stärkste Stütze des berühmten primae nonus, der so oft gebrauchten Waffe des Adels und der wohlgeschützten Sonderstellung desselben.

Der Schwerpunkt unseres Besitzrechtes liegt jedoch auf den Donationsgütern, »welche in den ungarischen Gesetzen — um mit Franks Worten zu sprechen — in erster Reihe stehen.« Der Ursprung und die Entwickelung der Donationsgüter basirte — wie bereits erwähnt — auf der Lehre von der heiligen Krone. Die Idee der heiligen Krone kulminirt nämlich darin, dass die Krone des heiligen Stefan die Eigenthümerin des Gebietes des ganzen Vaterlandes ist, ausser ihr aber Niemand etwas davon sein Eigen nennt. Die heilige Krone ist eine mistische Person, deren Persönlichkeit keine fictive, sondern eine echte ist. So fasste dies das Mittelalter auf. Die Thatsachc der Krönung überträgt nun diese Rechte auf die die Person des Königs, wozu aber nur die Nation das Recht besitzt, welche von der »una eademque nobilitas« gebildet wird. Ebenso jedoch, wie die Edlen den König, wählt der König die Edlen; jede Adelsverleihung geht also von dem Fürsten aus und kehrt auch jeder Adel zur Krone zurück, zum Beispiel wenn der Adelige ohne Hinterlassung eines Abkömmlings stirbt. Die Folge dessen ist, dass in solchen Fällen kein anderer, wie der König die Güter erben kann.

Diese letztere Verfügung greift schon in dem angeführten 4. Artikel der Goldenen Bulle Platz, doch ist dies noch kein Heimfall. Es enthält ja etwas von dem Heimfalle, weil ja der Erwerb der Krone auf Grund ihres eigenen, alten Rechtes geschehen ist, dass aber dies dennoch keinen Heimfall bildet, das wollen wir im Nachfolgenden beweisen. Hier sei nur das Eine erwähnl, dass zur Zeit der Goldenen Bulle, bis zum Jahre 1351, ein solcher Edler den Eintritt des Heimfalles verhindern konnte, wenn er von Todeswegen schon verfügt hat, weil diese seine Disposition aufrecht bestand. Dies stimmt ungefähr mit der dem Fiskus zustehenden Erbfolge in der hereditas vacans überein, von welcher später die Rede sein wird. [Faksimile Seite 13]

Wir müssen uns wohl merken, dass das erworbene Gut vom Gesichtspunkt der Aviticität ganz etwas anderes bedeutet; während nämlich mit Hinsicht auf die Donation jedes Gut, welches kein Donationsgut ist, erworbenes Gut bildet, ist gegenüber dem avitischen Gute dasjenige erworben, was nicht von irgend einem Vorfahren abstammt. Das Donationsgut konnte also avitisch und auch nicht avitisch (erworben) sein; jede Donation war nämlich mit Rücksicht auf die Familie in der Hand des ersten Erwerbers (acquisitor) ein Erwerb, hingegen in der Hand jedes weiteren Erwerbenden schon avitisch; avitisch ist jedoch auch dasjenige Gut, welches nie eine Donation war, sondern welches der Vorfahre zum Beispiel »litterali scientia« jemals erworben hat, welches also gegenüber der Krone auch nach Ludwig dem Grossen keinerlei Schranken aufwies. Das erworbene Gut enthielt also vom Gesichtspunkt der Aviticität viel mehr in sich, weil es der Inbegriff jedes Donationsgutes war (sei denn, dass dieses Donationsgut dem ersten Erwerber gehört hat), plus jedes andere Gut, welches von den Vorfahren anfiel. (Peculium des Vorfahren.)

Schon dies beweist, dass die beiden Rechtsinstitute nicht identisch sind, einerseits, weil auch ihr Gegenstand ein anderer ist, andererseits, weil sie — wie wir sehen werden — überdies auch andere Unterschiede aufweisen.

II.

Der Heimfall ist ein Rechtsinstitut sui generis, welches seine eigenthümlichen Konsequenzen hat. Diese Konsequenzen treten in zweifacher Richtung auf und lassen ihre Wirkung doppelt fühlen, das heisst, nach anderer Richtung hin, während der Besitzer noch am Leben ist und in anderer Richtung mit dessen Tode. Der eigentliche Heimfall tritt nur im Todesfalle ein, er wirft jedoch seinen Schatten schon voraus und hält den Besitzer schon zu seinen Lebzeiten mit einer Hand.

Wir müssen im alten ungarischen Rechtssysteme von zwei Arten des Heimfalles sprechen, jener zweifachen Schranke gemäss, welche bezüglich der Güter bestand: von dem Rückheimfalle und von dem Heimfalle. Der Rückheimfall ist ein in den gesetzlich festgestellten Fällen, beziehungsweise unter den gesetzlich festgestellten Bedingungen jure proprio geschehender Uebergang der Donationsgüter auf die Krone, der Heimfall hingegen ist ein Subjektswechsel in den Familiengütern im Falle des Ablebens des Besitzers auf Grund einer ebenfalls bestehenden Berechtigung, deren Basis in der Blutsverwandtschaft mit [Faksimile Seite 14] Vorfahren liegt. Idealiter fällt das Vermögen bei jedem solchen Tausche auf den ersten Ahnen zurück und von diesem erhält es dann der Erbe. Welche Wirkungen haben nun diese beiden Institutionen vor allem zu Lebzeiten des Besitzers und welche nach dessen Tode? Dies sind die Fragen, welche wir in dem Nachfolgenden prüfen wollen.

Der Beschenkte gewinnt nie ein wirkliches Eigenthum, weil die einzige ausschliessliche Eigenthümerin sämmtlicher Güter die Krone ist. Der Beschenkte erhält — wenn wir es so nennen wollen — blos ein Eigenthum nebst resolutiver Bedingung. Wir können auch sagen, dass er überhaupt kein Eigenthum bekommt, sondern nur einen Niessbrauch, welcher sich jedoch nicht nur auf das Leben einer Person erstreckt, wie der im römischen Rechte unter dem Namen emphyleusis bekannte Niessbrauch ; im früheren Falle nimmt also die Eigenthumsübertragung mit dem Eintritte der resolutiven Bedingung ein Ende und wird die übertragende Krone wieder zur Eigenthümerin. Im letzteren Falle aber wird die beschränkte Berechtigung des ursprünglichen Eigenthümers mit dem einfachen Erlöschen des Usufructus wieder zur unbeschränkten Berechtigung. So bedeutungsvoll dieser Unterschied in struktueller Hinsicht ist, so wenig relevant ist er in praktischer Hinsicht. Soviel steht jedoch fest, dass der Beschenkte zum wirklichen Eigenthümer niemals vorrücken kann, weil das Eigenthumsrecht der Krone ewig währt.

Die ungarische Rechtsauffassung neigt zur ersteren Ansicht und nennt auch Werböczy die Krone ständig einen »gesetzlichen Nachkommen«, zum Zeichen dessen, dass nach dem Verstorbenen die Krone folgt, als Fortsetzerin der Rechtsverhältnisse des Verstorbenen.

Aehnlich besteht auch bei dem avitischen Gut zu Gunsten der Familie ein solches dinglich wirksames Veräusserungsverbot, weil der Besitzer des avitischen Gutes zu seinen Lebzeiten ebenso nicht mit Beeinträchtigung des Gutes verfügen kann, wie der Beschenkte mit Beeinträchtigung der Krone. Der jeweilige »Erbe« erhält auch hier nur ein bedingtes Eigenthum und bedeutet sein Tod wieder den Eintritt einer neuen Bedingung, beziehungsweise eines neuen Zeitpunktes, mit welchem der Heimfall wieder erfolgt. Doch geschieht der Uebergang nicht von dem unmittelbaren Vorfahren, auch nicht auf Grund seines Rechtes, vielmehr geht — wie wir sahen — das Gut auf den ersten Ahnen zurück und wird nun derjenige folgen, der diesem am nächsten steht. Dieser Nächststehende wird das dominium reale [Faksimile Seite 15] erhalten, beziehungsweise das in seinem Besitze befindliche dominium successorium zu einem dominium reale verwandeln.

Wir müssen nun wissen, dass dieses zweifache Eigenthumsrecht eine zweifache Wirkung desselben Rechtes bedeutet. Das dominium reale bedeutet den thatsächlichen Besitz, mit welchem der Genuss des Gutes verbunden ist, wogegen das dominium successorium die auf die Zukunft bezügliche Möglichkeit bedeutet, dass dieser Besitz einmal mir zustehen wird. Während also das reale Eigenthumsrecht einen gegenwärtigen Genuss bietet, bezieht sich das Successorium nur darauf, dass ich in die Sache dreinreden kann, so oft sich der Verwirklichung dieser Möglichkeit ein Hinderniss in den Weg stellt. Das Subjekt des ersteren ist eine Person, d. h. der Besitzer, das Subjekt des zweiten jedes, von dem gemeinsamen Vorfahren abstammendes Mitglied der Familie. Das Verhältniss erinnert einigermassen an das Verhältniss zwischen possessio ad interdicta und possessio ad usucapionem im römischen Rechte. Es sind dies die Wirkungen desselben Verhältnisses in je anderer Wirkung, wo die eine Wirkung die Verfügung mittels bestehender Verordnung zur Sicherstellung des Genusses, die andere aber — wohl ohnedies — den Eigenthumserwerb für mich bedeutet.

Der Eigenthumsübertrag nebst einer resolutiven Bedingung ist eine solche Kategorie, bei welcher das Rechtsgeschäft mit dem Eintritte des bezeichneten zukünftigen Ereignisses unwirksam, beziehungsweise der Uebertragende wieder zum Eigenthümer wird. Es ist dies eine auch in unserem heutigen Rechte, zum Beispiel in der fideikommissarischen Substitution vorhandene Form, bei welcher der Erbe aufhört Erbe zu sein, wenn das von dem Erblasser angegebene Ereigniss — meistens die Geburt eines Nachkommen — eintritt. Der Sinn hievon liegt darin, dass 1. die zu gebärende Person das Vermögen mit solcher Wirkung, also auch in solchem Zustande bekommen soll, wie wenn sie es direkt von dem Verstorbenen bekommen hätte (fictio), 2., dass den Nachlass bis dahin der Erbe geniesse. Der Erbe hat jedoch blos dieses Genussrecht, nicht aber auch das Recht, die Substanz zu veräussern, weil er verpflichtet sein wird, dieselbe so zu übergeben, wie er sie erhielt. Die beiden Konstruktionen stimmen vollkommen überein und müssen wir hier an den äusserst zutreffenden Vergleich denken, welchen der beste Kenner dieses Institutes, Benö Zsögöd, anführt, dass wir nämlich den Heimfall einfach eine auf dem Gesetze fussende fideikommissarische Substitution nennen könnten.

Der Heimfall ist also eine jure proprio, mit eigenem Rechte [Faksimile Seite 16] bewirkte Erwerbsart. Die Krone ist nicht — wie Werböczy sagt — »Nachfolgerin« des Verstorbenen (Werböczy will hiemit offenkundig darauf hinweisen, dass nach dem Verstorbenen die Krone zu dem Vermögen gelangt), sondern ihre eigene Nachfolgerin. Die Krone gewinnt auch kein neues Recht, sondern es lebt ein bereits bestehendes, jedoch ruhendes Recht derselben, bezüglich dessen sie sich beschränkt hat, jetzt wieder auf und gewinnt Aktualität. Diese Berechtigung schwebte auch damals über dem Gute, als der Donatar noch am Leben war, nur war sie unsichtbar. Mit der Thatsache des Todes wurde sie nun ohne jeden anderen Umstand, ipso facto zu einem wirksamen Rechte. Der Donatar konnte mit dem Gute auch zu seinen Lebzeiten nicht disponiren. Veräussern konnte man es überhaupt nicht, weil ja die fassio perennalis nur unter öffentlichem Siegel geschehen konnte, demzufolge es sich immer herausgestellt hätte, dass das Gut ein Donationsgut ist. Wenn aber die fassio perennalis nur unter einem Privatsiegel geschah, so hatte dies nur die Kraft eines Pfandrechtes und blieb das Eigenthumsrecht unverändert. Dasselbe betrifft auch die avitischen Güter und Titel. 58 I. des Werböczyschen Tripartitums zählt diejenigen ausdrücklich auf, zu deren Gunsten getroffene Verfügungen nichtig sind. Prinzipiell war auch eine solche Verpfändung, welche einigermassen dem römischen fiduciarischen Rechtsgeschäfte gleicht, ungiltig, doch zog das damalige Recht nicht immer die Konsequenzen seiner Normen, sondern liess mehr-weniger Abweichungen zu und wird es nicht überflüssig sein, auch diesen Konzessionen einen kurzen Blick zu widmen.

Das Tripartitum spricht wohl von »avitischen Liegenschaften«, als es diese Ausnahmen behandelt, was aber ganz was anderes bedeutet, wie Donationen. Es kann jedoch aus drei Umständen gefolgert werden, dass diese Verfügungen sich auch auf die Donationsgüter erstreckten: 1. aus der ratio dieser Verfügungen, welche praktisch genommen bei den Gütern beider Arten richtig ist und demselben Zwecke dient, 2. weil der Titel 58 des Tripartitums, welcher sich hiemit befasst, im vorangehenden Titel von solchen Gütern spricht, wie in dem 5. Titel, nämlich von den den Donationsgütern gegenüberstehenden Erwerbsgütern und den folgenden Abschnitt als Gegensatz dessen hinstellt; 3. schliesslich daraus, dass der angeführte 8. § für den Fall der nachstehend des Näheren zu erwähnenden fassio necessaria die königliche Genehmigung erlässt, diese fassio necessaria aber nur auf das Donationsgut sich beziehen kann, weil sie bei den übrigen Gütern ohnedies gegenstandslos wäre. [Faksimile Seite 17]

III.

Während also aus der Natur des Heimfalles (jus devulotionis) die vollkommene Unveräusserlichkeil des Besitzes folgt, gab es dennoch Fälle, in welchen die V'eräusserung wirksam war. Das praktische Leben half sich nämlich über diese Schroffheit derart hinweg, dass es einen Unterschied zwischen den Gründen der fassio machte, und so entstanden die dreierlei Arten der fassio oder wie sie das Tripartitum in dem erwähnten Titel nennt, der »possessionaria venditio«. Diese Arten waren die fassio simplex, die fassio rationabilis (utilis) und die fassio necessaria, welche Bezeichnungen Frank mit den Worten »unentschuldbare, entschuldbare und unumgängliche« wiedergibt, gleichzeitig hinzufügend, dass diese Unterscheidung Werböczys bereits erloschen ist, weil »der Gerichtshof in jedem vorkommenden Falle den Umständen gemäss besonders urtheilt.« Zu den Zeiten Werböczys war jedoch nur die fassio necessaria unbedingt giltig, als deren Beispiel das Entkommen aus der Gefangenschaft des Feindes, wenn sie nur durch den Verkauf des Gutes möglich war, erwähnt werden kann. Bei der fassio rationabilis hingegen hat das freie Ermessen den grössten Spielraum, weil sie das einemal wirksam ist, das anderemal nicht. Hingegen hatte der Verkauf ohne berechtigten Grund (simplex fassio) »vor dem Gesetze keinen Werth, sondern war einfach und direkt ungiltig und auch die Fassion kraftlos«. Was in solchen Fällen mit dem Heimfallsrecht der Krone geschieht, wie das Gut überhaupt jemals dem Fiskus zurückfällt, hierüber spricht das Tripartitum nicht. Im Falle der fassio necessaria war nämlich nicht einmal ein regius consensus nöthig und hing auf diese Weise auch die Berechtigung des neuen Erwerbers, bei welchem das Gut zum Erwerbe ward, mit welchem ein freies Verfügungsrecht verbunden war, nicht von der Krone ab. Später ward auch dieses Gut in den Händen der Nachfolger des Erwerbers zum avitischen Gute, niemals jedoch zu einem Donationsgute. Wir sehen also hier ein avitisches Gut, welches nicht auch gleichzeitig ein Donationsgut war. Darüber hielten sich unsere Vorfahren nicht auf, dass sie nicht sämmtliche Konsequenzen irgend einer aufgestellten Rechtsnorm zogen; sie schufen vielmehr derart wiedersprechende Rechtsinstitute, welche das Hauptinstitut vollkommen verdeckten, so dass man am Schlusse gar nicht sehen konnte, was dies eigentlich ursprünglich war. So geschah es auch mit dem Heimfalle. Die unterschiedlichen Erbfassionen wurden dermassen üblich, dass der Eintritt des Rückheimfalles an die Krone zur Seltenheit und aus der Regel eine Ausnahme ward. [Faksimile Seite 18]

Auch diese rechtliche Inkonsequenz hatte jedoch ihren tiefliegenden Grund, welcher in der Schroffheit der Rechtsnormen zu suchen ist, welche in speziellen Fällen unmöglich angewendet werden konnten. Es war eine Rechtsnorm, dass die Güter zu einem gewissen Zeitpunkte an die Krone zurückfallen, doch konnten im Leben Fälle eintreten, in welchen dies zu grossen Ungerechtigkeiten geführt hätte, welche nur so umgangen werden konnten, dass man die Regel hier nicht anwandte. Man ergänzte also die mangelnde Elastizität der kodifizirten Rechtsnorm derart, dass man sich nicht enthielt, dieselbe einfach beiseite zu legen. Die Rechtsbegriffe involviren als Verallgemeinerungen einer ganzen Menge nicht identischer Fälle stets mehr-weniger Schroffheit, welcher nur durch Ausnahmen abgeholfen werden kann. Dies thaten auch die Alten und waren sie demzufolge juristisch häufig illogisch.

Die zweite Abweichung bestand in dem Rechte des Besitzers, das Donationsgut bis zur Kraft des öffentlichen Schätzungswerthes zu verpfänden, beziehungsweise die Pflicht des Fiskus, solche verpfändete Güter bis zur Höhe des öffentlichen Schätzungswerthes abzulösen. Die Quelle dieses Rechtszustandes lag im 10. Titel I. des Tripartitums » . . . imo etiam pignoris titulo nullam de eisdem (sc. possessionibus) fassionem ultra communem aestimationem eorundem faciendi habet facultatem ... legitimo successore carens persona«. Hievon spricht auch der 60. Titel, welcher direkt ausspricht, dass gewisse Besitzrechte über der Höhe ihres öffentlichen Schätzungswerthes von Niemandem verpfändet werden können. Die Höhe dieser öffentlichen Schätzung (ihr Gegentheil war die Erbschätzung) war zur Verhinderung dessen, dass die Verpfändung (bei der Rücklösung) zu Wuchergeschäften benützt werde und dass bei der Auslösung grössere Schwierigkeiten auftauchen, mit einer fixen staatlichen Skala festgestellt, welche bezüglich vieler Fahrnisse und Liegenschaften am Schlusse des ersten Buches des Tripartitums besonders angeführt ist. Später setzte sich jedoch die Praxis auch hierüber hinweg, und löste der Fiskus auch die über der Höhe des öffentlichen Schätzungswerthes verpfändete Güter zurück. (Zsögöd : Vorträge.)

Es muss hier noch des Treulohnes und des Mädchenviertels Erwähnung geschehen, weil zur Sicherstellung der Herausgabe derselben mit dem Tode des Donatars das Gut selbst vinkulirt blieb. Wenn nämlich bei irgend einem Donationsgute die Erbfolge abbricht und das Verfahren behufs Rückerwerbes des Besitzes beginnt, müssen die vorgehenden Organe vorerst prüfen, [Faksimile Seite 19] ob das Gut nicht auch der Mädchenlinie oder der Frau zusteht und wenn es sich ergab, dass das Gut thatsächlich der männlichen Linie gehört hat, »antequam de dominio dictarum possessionum excludantur, per regiam majestatem vel alios ad quos repertae fuerint, esse devolutae de earum dotibus et juribus plena satisfactio inpendatur«. Zu Gunsten der Gattin beschwerte die Krone die Rücklösung des Gutes bis zur Höhe des Treulohnsbetrages und zu Gunsten der Töchter bis zur Höhe der quarta. Die Witwe musste überdies nicht nur mit Geld befriedigt, sondern solange sie nicht neuerdings sich verehelichte, im Besitze des Gutes belassen werden, was ungefähr soviel bedeutet, dass der Rückheimfall nur mit dem Tode der Witwe oder mit deren Verehelichung eintrat, aber auch in diesem Falle nur so, wenn keine ledige Tochter zurückblieb, denn wenn der Verstorbene auch eine ledige Tochter hatte, so war für dieselbe ein Viertel des väterlichen Gutes auszuscheiden, und blieb dieser Theil bis zur Zeit der Ausheiratung unberührt; falls sie nicht heiratete, so blieb sie bis zu ihrem Tode darin. Nur nach der Verehelichung derselben fiel der Besitz an die Krone zurück, nachdem diese das Mädchenviertel früher in baarem Gelde bezahlt hat. Es dürfte auch nicht zu den Seltenheiten gehört haben, dass der im Geldmangel befindliche Fiskus die Quarta eher in natura ausfolgte, als deren Geldwerth zu bezahlen. Ja sogar, wenn das Mädchen irgend einen schmucken, jedoch armen jungen Mann lieben gelernt hat, welcher ausser seiner Liebe nichts hatte, so musste derselbe — sagt Werböczy — »nach den Gepflogenheiten des Landes in das als Mädchenviertel gebührende Gut mit ewigem Rechte eintreten und darin verbleiben«.

Wenn wir also ein wenig tiefer in die Sache hineinblicken, so können wir sehen, dass der Rückheimfall eigentlich nicht im Falle des defectus seminis eintrat, sondern blos mit dem Tode der Familie des ohne Nachkommen verschiedenen Individuums oder zumindest erst dann, wenn die Familie schon einigermassen versorgt war. Der Zeitpunkt des Eintrittes der Bedingung verschob sich also, oder trat die Bedingung — wie im letzthin berührten Falle — mit Bezug auf einen Theil des Gutes überhaupt nicht ein.

Welcher Zeitpunkt es ist, zu welchem der Heimfall des Donationsgutes eintritt, bezüglich dessen finden wir im 22. Titel des L Theiles des Tripartitums Aufklärung, wo Werböczy die Erklärung dessen gibt, was die Worte »per defectum seminis« im Donationsbriefe zu bedeuten haben. Er selbst erwähnt, dass diese Worte zu vielen Missverständnissen führten, nachdem es [Faksimile Seite 20] Leute gab, welche dies sehr weit ausgelegt haben. »Per semen virilis dumtaxat seu masculinus sexus et non femineus intelligitur« und eben darum wäre es überflüssig, den semen noch als männlichen zu bezeichnen. Die männliche Linie ist nämlich hierin ohnehin enthalten, weil es ein physiologischer Prozess ist, dass »aus dem überschüssigen Samen der Männer naturgemäss meistens ein Sohn entsteht« und hierin liegt die Erklärung dessen, dass das Aussterben der Familie nur in Ermangelung von männlichen Nachkommen eintritt.

Die Investitionen, welche der Donatar oder seine Nachkommen machen, konnten zum Beispiel die Mädchen selbstverständlich mit sich nehmen, ja sie konnten sogar nach Frank fordern, dass wenn der Transport mit unverhältnissmässig hohen Lasten verbunden wäre, der Fiskus dieselben ablöse.

Bisher hoben wir nur eine Seite des Heimfalles hervor, und zwar jene, welche dessen hauptsächlichen Charakterzug ausmacht und welche ihn zugleich vom Anfalle unterscheidet: dies ist der proprio iure Erwerb. Struktuell ist dies der vollkommene Gegensatz dessen, was wir Anfall oder Erbfolge nennen. Die Erbfolge ist nämlich eine species der successio, der Nachfolge. Succediren heisst aber soviel, wie in irgend ein Rechtsverhältniss mit dem Rechte der früheren Person, d. h. jure alieno eintreten. Was will dies bedeuten? Im Wesentlichen soviel, dass hier nur die Person wechselt, das Rechtsverhältniss selbst aber im statusquo verbleibt, d. h., dass das neue Rechtssubjekt nur diejenigen Rechte und Pflichten und so erwirbt, welche und wie sie sein Vorgänger hatte. Hierin liegt der grösste praktische Unterschiied zwischen Heimfall und Anfall, weil während es bei dem Heimfalle denjenigen, dem das Gut heimfällt, überhaupt nicht interessirt, wie sich der von ih!m darin befindliche gerirt und was dieser an seiner Stelle gethan hat, muss sich demgegenüber bei der Erbfolge der Eintretende mit seinem Vorgänger identificiren. sämmtliche transmissibilen Rechte und Pflichten mit dem Eintritte zu den seinigen machen, was übrigens durch den Eintritt ipso facto geschieht.

Es kann sein, dass die Erbfolge blos ein nomen inane ist, weil zwar ein Nachlass vorhanden, jedoch die Schuld noch grösser ist und ich derart in keinerlei Berechtigung succedirt habe, sondern einfach zum Werkzeuge der Regelung der Verhältnisse des Erblassers ward. Unmöglich ist dies aber bei dem Heimfalle, wo das jus devolutionis für mich stets auch ein Vermögen bedeutet, welches ich erhalten werde, beziehungsweise welches [Faksimile Seite 21] schon mir gehört, wobei das Nutzungsrecht gegenwärtig allerdings bei einem Anderen sein kann.

Die deutschen Pandectisten, besonders Dernburg, unterscheiden im Durchschnitte des Rechtserwerbes zwischen originärer und abgeleiteter Rechtsnachfolge (unverbundene, originäre oder abgeleitete, derivative Succession, s. Dernburg, Pandecten I. S. 181). Die Rechtsnachfolge ist nach Dernburg originär, wenn die Berechtigung des Nachfolgers an und für sich besteht, ohne ihre Rechtskraft dem Rechte des Vorgängers zu verdanken. Den Hauptfall dessen bildet die Ersitzung. Das Eigenthumsrecht des Ersitzers basiert nicht auf dem Rechte des Vorgängers. Bei der abgeleiteten Rechtsnachfolge hingegen entlehnt der Nachfolger die Daseinsbedingungen seines Rechtes den Rechten des Vorgängers. Die die Rechte des Vorgängers betreffenden Schranken belasten auch den Nachfolger, d. h. wenn der Vorgänger blos ein an eine Bedingung geknüpftes Recht hatte, so wird auch der Nachfolger kein anderes Recht haben.

Eine derartige originäre Art des Erwerbes ist auch der Heimfall und dennoch ist der Unterschied zwischen diesem und z. B. zwischen der Ersitzung ein auffallender. Der Heimfallsberechtigte ist im Falle des Rückheimfalls (heilige Krone) eine solche Person, dessen Recht ein ständig präexistirendes ist und seine Wirkung schon dann fühlen lässt, wenn das Gut noch in der Hand eines anderen ist. Sobald also der Rückheimfall eintritt, erwirbt die Krone kein neues Recht, wie der Ersitzer, sondern sie tritt in den Gebrauch ihrer alten Rechte und zwar ungeachtet dessen, welche Dispositionen die ihre Rechte inzwischen innegehabte Person traf.

Bei dem Heimfall ist der Heimfallsberechtigte schon nicht sein eigener Nachfolger, aber auch nicht Nachfolger seines unmittelbaren Vorgängers, sondern derjenige des Erwerbers. Diesem gegenüber ist er ein wirklicher Rechtsnachfolger, weil er das Gut so und mit solchen Rechten beschwert erhält, wie und mit welchen es der Auktor, also jener Vorfahre besass, welcher zugleich Vorfahre seines unmittelbaren Vorgängers war. Er ist jedoch kein Nachfolger gegenüber seinem Vorgänger, weil sich sein Recht nicht auf die Befugnisss des Vorgängers stützt und dasselbe auch hinsichtlich des Umfanges nicht deckt, sondern mit demjenigen des ersteren Auktors identisch ist.

Schliesslich fällt bei dem Heimfall auch jener Unterschied weg, welchen wir ebenfalls bei Dernburg finden (Seite 182, Anmerkung 4), nämlich ob es eine dingliche oder eine an die Person geknüpfte Aenderung ist, mit welcher der Berechtigte in den [Faksimile Seite 22] Genuss des Besitzes tritt, weil — wie wir sehen werden — bei einem heimfallenden Gute sowohl die dinglichen, wie die persönlichen Dispositionen des Besitzers gegenüber dem Nachfolger, d. h. dem Berechtigten (bei dem Rückheimfalle gegenüber der Krone, bei dem Heimfall gegenüber irgend einem Abkömmling des Auktors) kraftlos sind.

Der zweite unterscheidende Charakterzug des Heimfalls besteht in der absoluten Schranke, welche an dem heimfallenden (Donations- und avitischen) Gute haftet, nämlich dass der Vorgänger mit dem Eintritte der Bedingung so ausscheidet, wie wenn er nie im Rechtsverhältnisse gewesen wäre, dass seine sämmtlichen Dispositionen auf einmal entkräftet werden, ihre Wirksamkeit verlieren und derjenige, dem das Heimfallsrecht zusteht, das Gut in dem Zustande bekommt, respektive zurückbekommt, in welchem es zur Zeit der Donation und in Händen des ersten Ahnen sich befand. Wir zögen bereits die praktischen Konsequenzen dieser These und wiesen nach, dass dies in unserem alten Rechte nur cum grano salis zu nehmen sei und zählten jene Rechtsinstitute auf, an welchen diese Konsequenzen scheitern. Struktuell ändert dies jedoch nichts an der Natur des Verhältnisses und an dessen Gegensatze zu dem juristischen Wesen des Anfalls, bei welchem die Regeln der gewöhnlichen Rechtsnachfolge Anwendung finden. Den Anfallsberechtigten wird es also interessiren, wie sein Vorgänger verfügt hat und wird derselbe auch hinhalten müssen, solange etwas von dem Gute da ist.

Unser altes Erbrecht war von dem Rechtsinstitute des Heimfalls erfüllt. Unter den Adeligen war eine Erbfolge in dem Sinne, wie wir dies heute nehmen, eine Seltenheit. Nur der erste Nachfolger des Erwerbers war wirklicher Erbe, hingegen war jeder Spätere nicht mehr Erbe, nicht mehr Nachfolger des Verfahrens, sondern erwarb auf Grund seines im Avitizitätsgesetze gesicherten Rechtes von dem Acquisitor. Dies betrifft auch die Güter der Leibeignen, nur dass hier der Grundherr der Acquisitor war, von welchem der Besitz dem jeweiligen Erben heimfiel.

Bei den Gütern der städtischen Bürger trat die Erbfolge am klarsten hervor. Nachdem nämlich die Bürger der Städte gemeiniglich Ausländer waren, brachten sie ihr fremdes Recht mit sich, welches den Heimfall nicht kannte und emanzipirten sich sozusagen von unserem einheimischen Rechte. Wenn bei ihnen die Familie ausstarb, erbte — falls sie nicht verfügten — die Stadt. [Faksimile Seite 23]

IV.

Wir erwähnten bereits, dass es Viele gibt, die den im Falle der Untreue (nota infidelitatis) eintretenden Anfall der Güter mit dem im Falle des Aussterbens eintretenden Heimtalle identifiziren. Wir versuchen es im Nachstehenden zu beweisen, dass diese These auf einem Irrthume beruht, weil der im Falle der Untreue eintretende Gutswechsel ein ganz anderes Rechtsinstitut bildet, wie der andere und wollen beweisen, dass die beiden ausserdem, dass stets der Fiskus das neue Rechtssubjekt ist, was jedoch auch bei dem Anfalle vorkommen kann, mit einander nichts gemein haben.

Die ratio legis der Untreue finden wir im 13. Titel I. des Tripartitums in Folgendem dargelegt: «§ 5: Et ne pravorum hominum patrata malitia impunica relinqueretur, .... rursus ne fidelitas ac infidelitas simile praemium sortiretur, ad conterendam igitur infidelium proterviam et rebellionem, pravorumque et flagitiosorum hominum male agendi licentiam reprimendam, maiores nostri non solum iura possessionaria aliquorum in semine (ut dictum est) deficentium, verum etiam contra statum publicum Regni huius, ex eoque in despectum dignitatis Regiae maiestatis contumacitcr sese erigentium ac alios praeter iuris aequitatem absolute, temerarieque turbantium ad sacram Coronam dicti Regni Hungariae consequenterque collationem regiam, etiam superviventibus illis devolvenda esse, tum iuris rigore exigente, tum vero reipublicae utilitate exposcente, communi decreto sanxerunt, ac statuerunt: ut exemplo punitionis sceleratorum alii terreantur, alii vero ad opera fidelitatis exercenda, atque peragenda, si quibus forsitan talia bona collata fuerint ferventius accendantur.«

Das Erste, was hier ins Auge fällt, ist der erwähnte Irrthum, welcher also auf der kompetentesten und ersten Quelle basirt, tlass nämlich der Fall des Aussterbens und die Untreue auch bei Werböczy auf eine Leiste gezogen sind. Dies darf jedoch nicht aus dem Worte Heimfall (devolvenda) gefolgert werden, weil Werböczy die Worte Heimfall, Nachfolge, Erbfolge, Anfall, ohne jede Folgerichtigkeit gebraucht. Wir glauben uns nicht zu irren, wenn wir behaupten, dass weder Werböczy, noch sein Zeitalter, noch seine Nachkommen diesen Unterschied zwischen Heimfall und Anfall kannten. Besser gesagt: Sie kannten den Unterschied zwischen geschenktem, bezw. avitischem und erworbenem Gute und sie kannten die Wirkungen der das frühere bindenden dinglichen Schranke, den Heimfall selbst aber, als eine, von der [Faksimile Seite 24] ordnungsmässigen Erbfolge abweichenden Art des von Todeswegen erfolgenden Güterwechsels kannten sie nicht. Nur bei Frank sehen wir diesen Unterschied, wenn auch nicht ganz klar, aber dennoch wissentlich hervorgehoben, als nämlich Frank nach Prüfung der Erbfolge im avitischen Gute zur Schlussfolgerung gelangt, dass eigentlich jeder «Erbe» seine in solchen Gütern bestehende Erbschaft dem ersten Erwerber zu verdanken hat, weshalb der Erbe nicht Vertreter des letzten Besitzers, sondern Vertreter des ersten Erwerbers ist, was — um mit seinen Worten zu sprechen — «hinsichtlich der Tragung der Lasten und Schulden sehr viel wiegt.» Auch das kaiserliche Patent über die Avitizität ist in dem eben besprochenen Irrthume befangen, indem es «den im Falle des Aussterbens und den im Falle der Untreue eintretenden Heimfall» unter einem erwähnt. Das Tripartitum (I. 64) spricht z. B. von einem «der Art und dem Rechte der Erbfolge gemässen Heimfalls-Besitzrechte» und nennt den Fiskus einigemal einen «gesetzlichen Nachkommen» oder sagt im angeführten Titel: «Diese der heiligen Krone des Landes in Bezug auf den Heimfall und auf den Anfall der Liegenschaften und Besitzrechte zustehende Rechtswirkung .... hat stets dieselbe Kraft, wie die gesetzliche Erbfolge.» Werböczy will hiemit offenkundig nur sagen, dass mit dem Tode (im Falle des Aussterbens) die Krone zur Eigenthümerin wird und nicht das, was er dem Wortlaute nach sagt, nämlich dass der Heimfall von erbrechtlicher Wirkung sei.

Die Alten kannten keine feinen Distinktionen, sie begnügten sich vielmehr, wenn sie ein neues Rechtsinstitut in eine bereits bestehende Gruppe einreihen konnten. So erging es ihnen auch hiemit: sie idenfizirten dies mit der gesetzlichen Erbfolge des Fiskus und obgleich sie es stark betonten, dass die Krone Eigenthümerin jedes neuen Gutes ist, betrachteten sie die Krone dennoch als gesetzliche Nachfolgerin und begnügten sich auch die Juristen damit, den umgrenzten Verbotskreis zu bezeichnen, ohne das Wesen desselben eingehend zu analysiren.

Der letzte Paragraph des obigen Titels stellt die Richtigkeit dieser Ausführungen ausser Zweifel. Dieser Paragraph spricht nämlich davon, dass dem nur seit Ludwig dem Grossen so sei, wie es eben ist, dass früher die freie Disposition der Edlen bestand und die «oberwähnte Rechtsobrigkeit nur in dem Falle Platz griff, wenn jemand ohne Erben, in Ermangelung jeder Verwandtschaft und ohne Hinterlassung eines Testamentes starb». Dies ist aber ein kolossaler Irrthum, weil diese «erwähnte [Faksimile Seite 25] Rechtsobrigkeit früher niemals bestand, niemals bekannt war. Wahr ist nur soviel, dass in den erwähnten Fällen der Fiskus einfach geerbt, nicht aber jure proprio erworben hat. Freilich ist dies im Endresultate auch ein jure proprio Erwerb, wie ja der Staat auch heute jure proprio erwirbt, aber nicht in dem Sinne, wie im Falle des Heimfalls. Schliesslich gehört ja in ultima analysi alles dem Staate und gibt es überhaupt kein individuelles Eigenthum, weil ja der Staat, wenn es ihm beliebt, auch heute aussprechen kann, dass jedes Gut ihm gehöre und seine Mitglieder blos ein Genussrecht haben. Vor dem Jahre 1351 war der Fiskus blos ein Erbe, welchen als solchen die Dispositionen des ohne Verwandten Verstorbenen gebunden haben, umsomehr, weil ja diese Dispositionen den Eintritt dieser Succession geradeso überhaupt ausschliessen hätten können. Die auf den Heimfall bezügliche Rechtsobrigkeit der Krone ist aber demgegenüber ein solches Imperativum, welches beliebige Dispositionen ausschliesst, insofern nicht diesbezüglich eventuell mit späterer Genehmigung eine Ausnahme statuirt wurde. Der Begünstigte war auch im Falle einer solchen Genehmigung kein Erbe des Verstorbenen, sondern Donatar der Krone, welche den Zeitpunkt des Eintrittes der Bedingung abänderte, beziehungsweise eine neue Bedingung stellte.

Aber auch die gemeinsame und gleiche Regelung des im Falle des Aussterbens und im Falle der Untreue eintretenden Gutswechsels spricht unbedingt dafür, dass die beiden Verhältnisse struktuell nicht unterschieden, sondern vielmehr ausdrücklich identifizirt wurden.

Hiemit glaube ich nachgewiesen zu haben, dass Werböczy niemals zur Erkenntniss gelangt sei, wonach Heimfall und Erbfolge völlig abweichende Rechtsinstitute sind, welche ausser dem einzigen Berührungspunkte, dass sie für den Todesfall lautende Verfügungen sind, gar keine gemeinsamen Züge aufweisen.

Der Weg, den wir angetreten, führt zur Erkenntniss der Untreue. Wollen wir also auf ihn zurückkehren, um ganz genau wahrzunehmen, worin dieselbe besteht. Bisher hatten wir blos die ratio legis des Gesetzgebers gelesen. Die Fälle der Untreue zählt das Tripartitum im 14. Titel des I. Theiles auf und gehören hauptsächlich jene strafbaren Handlungen hieher, welche gegen die Person des Königs, gegen die Verfassung oder gegen die öffentliche Macht verübt werden, und welche wir heute unter den Namen öffentliche Urkundenfälschung, Geldfälschung, gefährdende Verbrechen u. s. w. kennen. Die Aufzählung ist eine [Faksimile Seite 26] taxative, offenbar aus dem Grunde, weil es mehr Garantie gegen die Willkür bot, wenn solche, mit schweren Strafen belegte Handlungen im Vorhinein ziffermässig festgestellt waren.

Nun taucht die Frage auf, welche Strafe denjenigen traf, der das Verbrechen der Untreue beging. Der 14. Titel, I. Theil des Tripartitums antwortet auf diese Frage wie folgt: «in quibus (sc. casibus) regia majestas bona aliquorum eisdem superviventibus, qui voluerit de jure libereque donandi habet facultatem.» Das Vermögen des Untreuen wurde also konfiscirt und erhielt darüber der König schon zu Lebzeiten des Verurtheilten freie Verfügung. Bemerkenswerth ist, dass es sich hier um «Güter» handelt, woraus mit Recht geschlossen werden kann, dass der Verurtheilte alle seine Güter, also sein ganzes Vermögen verliert. Im 16. Titel können wir ebenfalls sehen, dass da von dem Verluste der «Erbschaft» die Rede ist, dass also der Betreffende «alle seine liegenden Güter und Besitzrechte verliert und dass der von diesen hegenden Gütern und Besitzrechten einem solchen Untreuen zustehende Antheil, dessen Söhnen niemals wieder anfällt.» Dieser letztere Satz sagt offenbar wieder etwas anderes, indem er von der dem Untreuen zustehenden Portion spricht, was nichts Anderes sagen will, wie dass im Falle der Untreue nur die Portion des Verbrechers konfiscirt wird. Was bedeutet aber dies und wie vermochte man die Grösse dieser Portion feststellen? Die Antwort hierauf suchen wir vergebens. Worin mochte die Portion des Erwerbers eines Donationsgutes bestehen, wo doch das ganze Gut seine Portion war? Wir können uns daher nichts anderes vorstellen, als dass man erst einen Theil als Mädchenviertel, einen Theil für die Witwe, und ebenso für die Söhne ausschied. Oder gab es vielleicht auch hiefür eine fixe Skala.

Die Untreue liess also die Existenz der Familie unberührt, weil die Familie trotzdem das ihrige bekam, wenn auch nicht das Ganze, was sie bekommen hätte, wenn die Missethat nicht erfolgt wäre, sondern nur mit Abzug der Portion des Schuldigen. Die Avitizität berührt dies nur insofern, als auch der Heimfall rascher eintritt, weil das Gut nicht an der Hand des jetzigen Besitzers bleibt und auch nicht bleiben kann, da ja die Untreue die Todesstrafe nach sich zieht, der Untreue aber, selbst wenn diese nicht eintreten sollte, jedes Rechtes betreffs dieser Güter verlustig wird.

Vergleichen wir nun nach alldem den «Heimfall», welcher im Falle der Untreue und denjenigen, welcher im Falle des [Faksimile Seite 27] Aussterbens eintritt. Die im Falle der Untreue eintretende Aenderung bedeutet eine strafweise Konfiscation, eine Art der Strafe, welche gar häufig vorkam, bis man schliesslich zur Einsicht gelangte, dass diese Strafe eine sehr ungerechte sei, in erster Linie darum, weil sie die unschuldige Familie des Schuldigen trifft. Der Verbrecher büsste nämlich seine Schuld in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit seinem Kopfe und konnte ihn also die Strafe der Verarmung nicht mehr treffen. Auch unsere Ahnen scheinen dies eingesehen zu haben, weil sie die Konfiskation nur auf die Portion des Schuldigen beschränkten und auf diese Weise wenigstens die Existenz der Familie sicherten. Diese Art der Strafe ist auch in unserem heutigen Rechte bekannt, allerdings in einer ganz milden Ausgabe, nämlich hauptsächlich im Falle der Einschmuggelung von gefälschten Lebensmitteln und von Waaren, welche Gegenstände eines Monopols bilden. Demgegenüber sahen wir, dass im Falle des Aussterbens blos eine immer bestandene, jedoch ruhende Berechtigung frei ward.

Auch die Qualität des Gutes war belanglos. Ob das Gut ein erworbenes, oder ein geschenktes war, ja sogar bei städtischen Bürgern — wo es ja Donationsgüter überhaupt nicht gab — blieb dies belanglos und kam das Vermögen im Falle der Schuldigkeit zur Konfiscation. Dies war aber auch ganz natürlich, weil es für allerlei Schuldige gleichsam eine Strafe bedeutete, wenn man ihnen das Vermögen entriess, wie immer dasselbe geortet war. Wie wir aber sahen, erstreckte sich die Konfiscation nicht auf das ganze Gut, sondern blos auf einen Theil desselben.

Die beiden Rechtsinstitute unterscheiden sich von einander auch darin, dass der «Heimfall« ex defectu seminis, als solcher ein Rechtsinstitut mortis causa ist, bei welchem also ebenso wie bei der Erbfolge der Tod des Donatars nöthig war. Die Konfiscation hingegen konnte auch zu Lebzeiten des Verurtheilten eintreten und trat auch thatsächlich ein, weinn dieser auch am Leben blieb und stand es dem König frei, das Gut noch zu Lebzeiten des Schuldigen gesetzmässig einem Anderen zu schenken. Unser Endresultat besteht also darin, dass auch die Untreue eine Art des Anfalls, also eine wirkliche Succession bildet und zwar eine Succession puniendi causa, welche sich aber struktuell von den anderen Successionen nicht unterscheidet und daher ein von dem Heimfalle gänzlich abweichendes Rechtsinstitut bildet. [Faksimile Seite 28]

V.

Wir sahen in dem Obigen den Inhalt des Heimfalls, welcher auch das absolut wirksame Veräusserungs- and Belastungsverbot enthielt, solange nämlich der Besitzer am Leben war, nachher aber die intestate Erbfolge, welche eine für den Todesfall lautende Disposition ausschloss. Der eigentliche Zweck des Rechtsinstitutes bestand in dem letzteren, nämlich in der Sicherung einer gewissen Erbfolgeordnung, oder vielmehr eines für den Todesfall lautenden Gutswechsels und zu diesem Ziele führte der Weg des Veräusserungsverbotes. Das letztere ist ein blosses Mittel; denn wie sollen die hiezu Destinirten nach dem Tode des Besitzers den Besitz erwerben, wenn sie nicht einmal wissen, in wessen Hand sich das Gut befindet und wenn sie auch, falls sie dies wüssten, nichts thun könnten, weil es ja der jetzige Eigenthümer rechtskräftig erwarb. Zu diesem Behufe war das dinglich wirksame Verbot nöthig, selbst in Fällen, wo es etwa irgend einem Besitzer gelungen wäre, in fraudem posteriorum vel coronae das Gut zu veräussern, damit es die Berechtigten zurückerstehen können sollen.

Dieser Faden der Erbfolge führt bei dem Donationsgute bis zur Hand der Krone, d. h. mit dem Eintritte der Bedingung fiel das Donationsgut an die Krone zurück. Wir müssen nun sehen, wie dieser Faden bei dem avitischen Gute im vorhinein festgestellt war. Das diesbezügliche Grundprinzip ist im 17. Titel I des Tripartitums niedergelegt und betrachtete man diese Stelle als solche, welche eine den speziellen nationalen Charakter tragende Regelung unseres alten Erbrechtes ist. (Zsögöd : Vorträge.) «Sola enim sanguinis propago et fraternalis mutua divisio efficit ex se mutuam et reciprocam bonorum in alterutrum condescensionem atque devolutionem.» Dieser Satz ist eigentlich nichts anderes, wie der Grundgedanke des Erbrechtes. Es ist für den Erwerber eine ethische Belohnung, wenn er in dem Bewusstsein sterben kann, dass die ihm am nächsten Stehenden seine Güter als Frucht seiner Arbeit bekommen. Die Nähe aber ist auf die Abstammung von seinem Blute basirt. Seinen Nachlass werden diejenigen geniessen, die mit den engsten Ketten der Blutsverwandtschaft an ihn geknüpft sind.

Werböczy spricht von einem Uebergang und einem Heimfall der Güter, worüber wir bereite versucht haben nachzuweisen, dass er den Unterschied zwischen den Beiden nicht kennt. Der Uebergang (Erbfolge) der Güter war zwischen den Adeligen, auf welche sich dies bezieht, eine Seltenheit, weil nur die [Faksimile Seite 29] unmittelbar nach dem Erwerber kommenden Erben sind und auch diese nur hinsichtlich der nicht geschenkten Güter. Die übrigen aber sind schon keine Erben, ebenso wie die Krone im Falle des Aussterbens keine Erbin ist. Der Heimfall der Güter an die Krone hat in der Gruppe der «sanguinis propago» keinen Platz und dennoch hielt man das «Erbfolgerecht» der heiligen Krone für zweifellos. Wenn wir aber das Oberwähnte vor Augen halten, steht diese Durchbrechung der Regel ganz klar vor uns. Es gibt aber auch eine andere Ausnahme von dieser Regel, im Falle welcher die Güter auch ohne Blutsgemeinsamkeit heimfallen und ergibt sich dieser im 48. Titel des Tripartitums erwähnte Fall dann, wenn die Namen des Mannes und der Frau im Donationsbriefe beisammen fungiren; in diesem Falle werden die beiden auch nach einander erben. Dies ist bereits eine entschiedene Durchbrechung der «sola enim sanguinis propago». Werböczy erklärt dies aus dem Wesen des Verhältnisses, welches stärker sei, als das geschwisterliche Band.

Die obige These bedeutet auch die Ausschliessung der Testirungsberechtigung, weil auch der in dem Gesetze bezeichnete Faden der intestaten Erbfolge ein Imperativum ist, welches von privater Disposition nicht berührt werden kann. Dieser Faden führt aber zuerst zu den Kindern des Verstorbenen, welche die Güter ihres Vaters zu gleichen Theilen erhalten. (Trip. I. 40.) Von diesen fällt dann das Gut abermals den Nachkommen zu und falls der Verstorbene keine Nachkommen hätte, «sofort dem ihn überlebenden und mit Erben gesegneten Elternkinde» heim, wenn nämlich dieselben den Antheil beweisen können. «Nach dem Erlöschen einer Linie fällt das Gut denjenigen heim, die hinsichtlich der Theilung einer näheren Linie angehören, wobei es manchmal geschehen kann, dass jemand, der hinsichtlich des Verwandtschaftsgrades ferner steht, einem anderen Näherstehenden zuvorkommt.» (Frank: S. 506.) So wie also das Gut vor der Vornahme der Theilung gemeinsam der Familie gehört hatte, also gemeinsam war, so blieb es auch nach vorgenommener Theilung gemeinsam und aus diesem Grunde fiel die dem ohne Erben Verstorbenen zugewendete portio den theilenden Elternkindern zu. Was wir unter Geschwistern verstehen müssen, bezüglich dessen entscheidet die Beschaffenheit des Gutes, nämlich ob das Donationsgut blos den Söhnen oder auch den Töchtern zugedacht war und beziehungsweise ob das Gut kein erworbenes war, wobei hier unter Erwerb das Gegentheil der Donation zu verstehen ist. Im letzten Falle, sowie im Falle der [Faksimile Seite 30] beiden Linien zugewandten Donation konnten Söhne und Töchter gleichsam theilen. Eine Ausnahme erwähnen die 41. und 42. Titel des Tripartitums, nämlich dass das Wohnhaus des Vaters des Verstorbenen, sowie die Bewahrung des Familienarchives, welche dem jüngsten und beziehungsweise dem ältesten der Geschwister zustand, hier nur den Söhnen gebühren kann.

Wenn der Donationsbrief nur zu Gunsten der männlichen Nachkommen lautet, bekommen die Töchter von dem Gute ab intestato keinen Theil, — mit Ausnahme der Auszunehmenden. (Mädchenrechte.) Ein solches Gut ist aber gegenüber der Familie in der Hand des ersten Erwerbers ein erworbenes, d. h. er konnte hier disponiren, wie es ihm gefiel, und konnte also zum Beispiel das Gut den Söhnen und Töchtern zu gleichen Theilen hinterlassen. Diese Disposition konnten die Söhne nicht anfechten, weil das Gut in Händen ihres Vaters kein avitisches war und hatte auch die Krone nichts dreinzusprechen, weil ihr Recht nur im Falle des defectus seminis zu neuer Kraft gelangte. Nachdem aber noch Söhne vorhanden waren, galt diese Verfügung auch gegenüber dem Fiskus. Hier stehen sich also die Klausel des Donationsbriefes und die Disposition des Erwerbers gegenüber und kommt die letztere zur Geltung. Die Geltung dieser Verfügung währte selbstverständlich nur insolange, als die männliche Linie nicht ausstarb, weil sobald dies geschah, die Töchter in den Hintergrund treten mussten und die Krone das Gut zurücknehmen konnte.

Konnte das Gut auch den Aufsteigenden heimfallen? Hier müssen wir wieder den oberwähnten Unterschied zwischen den Gütern beachten. Ein Donationsgut konnte niemals an die Aufsteigenden übergehen, weil die Klausel des Donationsbriefes immer nur von heredibus et posteritatibus spricht, worunter ausschliesslich Abkömmlinge, Nachfolger zu verstehen sind. Hingegen stand dem nichts im Wege, dass ein avitisches Gut, wenn es kein Donationsgut war, gerade auf Grund der Gegenseitigkeit in Ermangelung von Nachkommen zürückfalle, beziehungsweise das nicht avitische, erworbene Gut auch bei dem Vorhandensein von Nachkommen nebst ausdrücklicher Verfügung von den Aufsteigenden geerbt werde.

Wir erwähnten bereits, dass der Heimfall ebenso eine mortis causa successio sei, wie die Erbfolge und dass es also insolange keinen Heimfall gibt, als der Besitzer am Leben ist. Diese unsere These widerspricht dem 51. und den folgenden Titeln des Tripartitums. Die Vornahme der Theilung, beziehungsweise die Ausfolgung des Antheils kann nämlich in gewissen [Faksimile Seite 31] Fällen auch zu Lebzeiten des Besitzers Platz greifen. Dem Vater steht das Recht zu, den Sohn in den im 52. Titel aufgezählten Fällen zur Vornahme der Theihmg zu zwingen und umgekehrt dem Sohne, den Vater in dem im 53. Titel angeführten Fällen zur Theilung der Liegenschaften und des Vermögens. Am plastischesten tritt dies in dem diesbezüglichen Gutachten Franks hervor. «Es muss zugestanden werden, dass die Lehre Werböczys auf sehr schwachem Fusse steht, weil 1. jede Erbschaft nur im Todesfalle anfällt, von einem Lebenden aber keine Erbfolge ausgehen kann, 2. weil einem schuldigen Sohne eine Strafe geziemt und nicht ein Antheil. Hinsichtlich der väterlichen Irrthümer hat aber das Gesetz anders verfügt . . . Werböczy scheint das römische Gesetz befolgt zu haben, in welchem die Enterbung aus ähnüchen Gründen, aber doch anders vorkommt. Die Sache passte jedoch nicht zu den entgegengesetzten Gepflogenheiten unseres Vaterlandes. Man kann auch nicht behaupten, dass die Nation Werböczys Ansicht (ausser den Büchern, in der That) recipirt hätte».

Wenn wir weissen, dass die Fälle der Theilung sämmtlich Missethaten sind, welche besonders zu jener Zeit sehr schwere waren, so ist die Verfügung des Tripartitums wahrhaft unverständlich. Der Sohn verübt gegen seinen Vater einen Mordversuch und die Folge dessen soll sein, dass er seinen Antheil, welcher ihm nur nach dem Tode seines Vaters zugestanden wäre, herausbekommt : dies scheint ganz absurd. Und hiebei hebt das Tripartitum besonders hervor, dass der Vater den Sohn nicht enterben karm; er kann ihn wohl vermöge seines gesetzlichen Rechtes züchtigen und sogar einsperren lassen. Ist es denkbar, dass je ein solcher Brauch bestand? Achten wir nur auf die Fassung: «Pater potest filium ad divisionem hereditatum et aliarum rerum compellere». Der Vater kann dies thun, er kann aber dazu nicht gezwungen werden. Es ist wahrlich undenkbar, dass solche Gründe, welche die gerechte Ausschliessung aus der Theilung nach sich ziehen, wie dies im römischen Rechte der Fall ist, dass solche Gründe die vorzeitige Ausfolgung des Antheiles nach sich ziehen sollen. Der Sohn ist mit allem im Status quo verblieben und hatte es nur in dem einen besser, dass er seine portio früher herausbekam. Es kann nicht anders sein, wie dass — wie dies auch Frank behauptet — die Nation niemals annahm.

Ein solches Recht des Sohnes bleibt aber auch in dem Falle unbegründet, wenn der Vater sich nicht so aufführt, wie es sich schickt. Es standen genug Mittel zur Verfügung, mit [Faksimile Seite 32] welchen der Sohn in solchen Fällen seine Interessen vertheidigen konnte, wie zum Beispiel die Sperre, die Suspendirung der väterlichen Macht u. s. w. Es ist wohl wahr, dass in diesen Fällen nur das avitische Gut zur Vertheilung gelangte und nicht zugleich auch das erworbene, aber selbst in diesem Falle konnten dies der nüchterne Verstand und die Scharfsicht der ungarischen Nation unmöglich acceptirt haben. Nicht gering dürften jedoch auch die Schwierigkeiten gewesen sein, welche sich der Ausführung in den Weg gestellt hatten. Der Vater hat beispielsweise blos einen Sohn, welcher ihn zur Theilung zwingt. Er gibt nun den Antheil hinaus, dessen Grösse — nehmen wir an — auf irgend eine Art festgestellt war. Inzwischen kommt nun ein anderer Sohn zur Welt. Quid nunc? Es bleibt nichts anderes übrig, wie den ausgefolgten Antheil zurückzufordern und eine neuerliche Theilung vorzunehmen. Der Sohn kann aber auch einen Theil verschwendet haben (Ausflüchte fanden sich auch) u. s. w. u. s. w.

All diese Verfügungen können nicht anders erklärt werden, als dass sie unrichtig aufgefasste Nachahmungen eines fremden Rechtssystems waren, welche stets nur auf dem Papier blieben.

So fand die Verhältnisse der G.-A. 15 vom Jahre 1848, welcher «die vollständige und vollkommene Aufhebung der Avitizität» anordnet. Ob die Verfügung des Gesetzes wörtlich zu nehmen sei, oder ob sie blos die Intention desselben bedeute, ist strittig. Sicher ist hingegen, dass das Gesetz blos die Befreiung des Verkehrslebens von den in der Avitizität enthaltenen Fesseln bezweckt hat und das dieser 'Zweck durch die Freisprechung der Dispositionen zwischen Lebenden erreicht war. Es steht auch fest, dass in unseren damaligen Reformbewegungen nirgends eine Spur der Bestrebung zu finden ist, unsere Erbgesetze abzuändern. (Mot. zum Entwurfe eines ungarischen bürgerlichen Gesetzbuches V. B. D. 36. S.) Die Verkehrsfreiheit war nur durch die inter vivos bestehende dingliche Schranke, das blosse Mittel der Sicherung des Heimfallsrechtes, gehemmt und hatte die Aufhebung dieser Schranke das individuelle Eigenthum bereits befreit, beziehungsweise erschaffen. Die unter dem Vorsitze des Judex curiae abgehaltene Konferenz, deren Aufgabe es war, unsere alten rechtlichen Institutionen mit dem modernen Fortschritt in Einklang zu bringen, hob diese dingliche Schranke ausdrücklich auf, räumte aber zugleich mit dem Wesen unseres alten Systems bei der Regelung der Erbverhältnisse gründlich auf. Die Konferenz hob den Heimfall des avitischen Gutes [Faksimile Seite 33] gänzlich auf, wodurch das Gut aufgehört hat Familieneigenthum zu sein und als individuelles Eigenthum in dem Rechtskreise der Person zur vollkommenen Auflösung gelangte. Nicht des ersten Erwerbers (Acquisitor) Vermögen fiel dem Nachkommen zu, sondern das Vermögen des unmittelbaren Vorgängers, dessen Rechtsnachfolger wirklicher Erbe ist. Es ist auch nicht das avitische Gut selbst, was den Gegenstand der Erbfolge bildet, weil der Eigenthümer mit diesem machen kann, was ihm gefällt, sondern blos der Werth des Gutes und auch dieser ist nur in dem Falle Gegenstand der Erbschaft, wenn dies dem Erblasser beliebt, welcher — wenn er will — mit einer für den Todesfall lautenden Disposition sämmtliche vormals imperativ bestandene Faden der ab intestato Erbfolge abschneiden konnte. Es kann nicht unser Zweck sein, diesen Verfügungen hier ausführlichere Erörterungen zu widmen, weil diese in dem kontemplirten engeren Rahmen kaum Platz hätten, soviel müssen wir aber jedenfalls konstatiren, dass dasjenige, was die Konferenz von unserem alten Erbfolgesystem übrig liess, sozusagen auf nichts zusammengeschrumpft ist und können wir füglich behaupten, dass die Bestimmungen des G.-A. 15 vom Jahre 1848 wörtlich zur Vollstreckung gelangten.

Auch der auf dem Donationsgute basirte Unterschied erlosch gänzlich, weil das Avitizitätspatent, obgleich es vom Jahre 1852, derzufolge Rechtskontinuität bei uns niemals in Geltung war, dennoch auch heute noch rechtskräftig ist, weil es durch den § 20 der Jurisdiktionsnormen der Konferenz ins Leben gerufen wurde. Der erste Paragraph dieses Patentes verfügt über das Donationsgut folgendermassen : «Das im früheren ungarischen Staatsrechte bestandene System der Donationen ist ausser Kraft zu setzen und wird das aus diesem System, in Folge Ermangelung von dem Donationsbriefe entsprechenden Erben und der in den bisherigen Gesetzen bezeichneten Untreue abgeleitete Heimfallsrecht (successio fisci regii ex defectu vel ex nota) aufgehoben». Und ebenso verfügt diesbezüglich auch § 3 der Normen der Konferenz. Wir können also ohne Zögern behaupten, dass das hier besprochene fundamentale Institut unseres alten Rechtes blos als eine geschichtliche Reminiscenz aber nicht als Rechtsinstitut von praktischem Werlhe Bedeutung hat.

VI.

Als Livius bei der Verfassung seiner Geschichte bei dem 21. Buche derselben angelangt war, bat er seine Leser, dass es ihm gestattet sei, die Gründe zu unterbreiten, welche ihn zur [Faksimile Seite 34] Abfassung seiner Geschichte bewogen, obgleich er dies eigentlich schon zu Beginn des ersten Buches thun hätte sollen. (Dies war wohl insofern überflüssig, als das Lesen der vorangehenden Theile dieses ausgezeichneten Werkes die Berechtigung der Abfassung desselben vollkommen bewies.)

Es sei uns nicht als Unbescheidenheit angerechnet, wenn wir bei der Abfassung dieser Studie nacli dem Beispiele des grossen Meisters hier am Schlusse unsere praefatio vorlegen, was wir eigentlich schon am Anfange thun hätten sollen. Am Ende unserer Ausführungen sind wir nämlich zur Konklusion gelangt, dass der Heimfall heute bereits gar keine praktische Bedeutung hat und kann daher sehr leicht die Frage auftauchen, wozu man sich mit einem Rechtsinstitute befassen soll, welches der praktischen Bedeutung entbehrt. Es ist wohl nicht uninteressant, unsere Rechtsinstitute lediglich vom rechtshistorischen Gesichtspunkte» zu untersuchen, doch schulden wir an dieser Stelle das Geständniss, dass uns nicht diese Absicht geleitet hat, oder wenigstens dass es nicht unser direkter Zweck war, uns mit Rechtsgeschichte zu befassen «Nicht selten wirft aber das Alterthum auf das lebende Gesetz vollkommenes Licht», wie Frank, unser ausgezeichneter Jurist, im Vorworte seines «Közigazság» sagt, um die Berechtigung dessen zu begründen, dass er sich mit dem alten Rechte befasst. Kann dieser Beweggrund auch unter unseren Verhältnissen angeführt werden? Unsere obigen Ausführungen scheinen diese Frage zu verneinen, weil wir ja zur Schlussfolgerung gelangt sind, dass diese These in unserem neueren Rechte kaum zutrifft.

Trotz alledem war es vielleicht niemals zeitgemässer, uns mit unserem einheimischen Rechte gründlich zu befassen, wie gerade heute. Wir leben im Zeitalter der Kodifikation. Von allen Seiten ertönen fieberhafte Urgenzen, laute Klagen und ungeduldige Erwartungen. Urgenzen, dass die brennenden Fragen erschöpfende und einheitliche Regelung erhalten, Klagen, weil unsere Judikatur in Folge des unkodificirten Rechts Schwankungen und Unsicherheit aufweist, und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, bei deren Verwirklichung die Kodifikation eine der ersten Rollen spielen muss. Unter solchen Umständen ist es überaus erwünscht, bevor wir ein Wort endgiltig aussprechen, wenigstens einen Blick auch hinter uns zu werfen und unser Augenmerk nicht blos dem um uns herum Bestehenden zu widmen. Und ebenso wie der übertriebene Konservativismus des Gesetzgebers ein grosser Fehler ist, ebenso wie dieser bei der Schaffung praktischer Gesetze niemals zum ausschliesslich leitenden [Faksimile Seite 35] Prinzipe werden darf, ebenso wäre es ein Fehler uns über die Traditionen einfach hinwegzusetzen, ohne vorher jedes Korn derselben kritisch durchzusieben, bevor wir es verwerfen. Wir können unser altes Recht bei der Errichtung unseres neuen bürgerlichen Gesetzbuches keinesfalls unbeachtet lassen, weil obgleich unsere Lebensverhältnisse bedeutende Aenderungen erfahren und obgleich mit denselben auch das Recht sich ändern muss, diese Aenderungen stets im Einklang mit einander vor sich gehen müssen und können wir nicht völlig neue und mit den für uns fremden Verhältnissen in Relation stehende Rechte recipiren, ohne uns hiemit schweren Erschütterungen auszusetzen.

Und thatsächlich: wenn wir die Vorarbeiten unseres Gesetzbuches, besonders in ihrem erbrechtlichen Theile beobachtet haben, müssen wir unbedingt bemerkt haben, dass in der erwähnten Richtung sowohl anlässlich der Verfassung des Motivenberichtes, wie in den Aeusserungen der im Gefolge dess Motivenberichtes lautwerdenden öffentlichen juristischen Meinung die eingehendste Debatte stattfand. Gerade ein solch letzteres Moment diente als unmittelbarer Impuls, um uns im Rahmen dieser Abhandlung mit der Frage des Heimfalls zu befassen. In der am 5. November 1904 erschienenen Nummer der «Ügyvédek Lapja» erschien nämlich mit der Ueberschrift «Örökjoge a kinestár háramlási joga ?» (Ist das Heimfallsrecht des Fiskus ein Erbrecht?) ein Artikel, dessen Verfasser jenen im § 1810 des Entwurfes unseres bürgerlichen Gesetzbuches eingenommenen Standpunkt missbilligt, wonach der Kodex die hinsichtlich des Vermögens eines ohne Erben und ohne Testament Verstorbenen dem Fiskus zustehende Berechtigung in dem Abschnitt der gesetzlichen Erbfolge aufnahm, wodoch dies keine Erbfolge sondern ein Heimfall ist.

Der Verfasser des Artikels motivirt diesen seinen Standpunkt damit, dass juristische Personen, wie eben auch der Fiskus, jener Rechte nicht theilhaftig werden können, welche ein verwandtschaftliches Band voraussetzen und also auch keine gesetzliche Erben sein können. Ueberdies sei die im § 1810 des Entwurfes statuirte Berechtigung auch darum kein Erbrecht, weil diese Berechtigung auch im wesentlichen kein gesetzliches Erbrecht, sondern ein Heimfallsrecht ist. Und nachdem quod contra rationem iuris introductum est, non est producendum ad consequentias, darf dieses, von der gewöhnlichen ratio iuris abweichende Recht des Fiskus vom Gesichtspunkt der Konsequenzen mit der Erbfolge nicht identifizirt werden, selbst dann nicht, [Faksimile Seite 36] wenn dies auch die ausländischen Kodexe, insbesondere das deutsche bürgerliche Gesetzbuch ihrerseits thun.

Blicken wir nun dieser Beweisführung gegenüber kurz auf die obigen Ausführungen über den Heimfall zurück und prüfen wir, ob unser obbesprochener Standpunkt eine Daseinsberechtigung hat?

Wir gelangten bei der Analyse des Rechtsinstitutes des Heimfalls zum Resultate, dass der Heimfall ein von der Succession abweichendes zweifaches Spezifiikum hat. Vorerst ist nämlich der Heimfall eine acquisitio proprio jure, d. h. der Heimfallsberechtigte tritt nicht mit dem Rechte des Vorgängers, sondern mit seinem bereits präexistenten Rechte in das Rechtsverhältniss des Vorgängers; das zweite Spezifikum liegt in jener absolut geltenden Schranke, welche, auf dem Gut mit dinglicher Kraft lastend, jede, auf die Veräusserung gerichtete Disposition des jeweiligen Besitzers schon ab ovo entkräftete. Ob der Besitzer im Falle der Ermangelung eines Abkömmlings von Todeswegen verfügt hat oder nicht, der Heimfall des Gutes trat unbedingt ein.

So bestand dies prinzipiell in voller Reinheit. Inwiefern dann die Praxis diese Prinzipien umwandelte, inwiefern sie Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen zuliess, wie sie den Zeitpunkt des Eintrittes der Heimfolge hinausschob, wie der Fiskus verpflichtet war, das verpfändete Gut bis zur Höhe des öffentlichen Schätzungswerthes abzulösen und die Witwe mit dem Betrage des Treulohns zu entschädigen, alldiese, in praktischer Hinsicht wohl erstklassigen Fragen wollen wir als solche, welche die Struktur des Heimfalles nicht berühren, nicht weiter verfolgen.

Was folgt nun aus alldem? Besteht dieses Heimfallsrecht des Fiskus thatsächlich auch heute noch? Aus dem Bisherigen geht zur Genüge hervor, dass das Heimfallsrecht ganz anders beschaffen ist, wie die im Falle der Caducität dem Fiscus hinsichtlich der hereditas vacans zustehende Berechtigung. Diese letztere ist eine wirkliche Succession, welche aber nicht auf einem bereits imperative bestehenden eigenen Rechte des Fiskus, sondern auf dem Erbrechte basirt. Dies war schon bei den Römern bekannt und fand in der lex Papia Poppeia Regelung. Wenn der Verstorbene keine Verwandten hatte, oder die Verwandten die Erbschaft nicht annehmen wollten, stand die Erbschaft dem Fiskus zu. Der Fiskus war wirklicher Erbe, welcher ad vires hereditatis für die Lasten der Verlassenschaft ebenso haftbar war, wie jeder, des beneficium inventarii sich bedienende andere [Faksimile Seite 37] Erbe ; und erhielt der Fiskus, wenn etwa die Nachlassverbindlichkeiten das Vermögen überstiegen, ebenso nur einen inane nomen heredis (Berechtigung ohne Inhalt), wie jeder Andere. Vollkommen unrichtig ist jene Auffassung, welche diese Berechtigung des Fiskus als das occupationelle Recht desselben auf den herrenlosen Nachlass darstellt. Die Unrichtigkeit dessen geht besonders dann hervor, wenn wir auch die Konsequenzen dieser These ziehen, weil wir sehen müssen, dass diese Auffassung vom Gesichtspunkt der Konsequenzen zu den grössten Anomalien führt. Wenn nämlich dieses Recht des Fiskus thatsächlich ein ius occupandi wäre, so überginge die ganze Erbschaft derart in das Eigenthum des Fiskus, dass die Nachlassschulden diesem gegenüber nicht geltend gemacht werden könnten; nachdem nämlich die Occupation eine originäre Erbschaft ist, hätte der Fiskus in diesem Falle überhaupt keinen Rechtsvorgänger, dessen Rechte und Verpflichtungen er übernehmen muss, sondern bekäme einfach und ohne weiteres die herrenlosen Nachlassgüter, [eine? Zeile fehlt] Lasten des Nachlasses und beziehungsweise für die Schulden des Erblassers aufkommen muss und weil es ja — wie bereits erwähnt — geschehen kann, dass die Passiven des Nachlasses den aktiven Stand desselben übersteigen und daher der Fiskus de facto gar nichts bekommt, was im Falle der Okkupation unmöglich wäre. Wir könnten zur Rechtfertigung unseres Standpunktes noch andere Beweise anführen, wir halten jedoch schon diesen einen für genügend, um die Unrichtigkeit der gegnerischen Auffassung zu demonstriren.

So zweifellos es ist, dass jede erwerbsfähige juristische Person auch unentgeltlich erwerben kann, so steht auch dem nichts im Wege, dass sie auch Erben sein können. Warum denn nicht ? Worin entscheidet sich in struktueller Hinsicht die successio inter vivos von der successio mortis causa? Dass die gesetzliche Erbfolge ein verwandtschaftliches Band voraussetze, entbehrt jeder Grundlage, selbst dann, wenn wir unser Augenmerk auf die rechtspolitische Seite der Erbfolge richten. Denn wozu ertheilt das Recht für den Todesfall die Dispositionsfreiheit ? Man pflegt zu sagen, zur ethischen Belohnung des Verstorbenen, um dass das Vermögen im Kreise derjenigen bleibe, die ihm, als Familie, am nächsten stehen. Dies kann wohl nicht als ausschliesslicher legislativer Grund dienen, weil es ja dem letztwillig Verfügenden freisteht, mit seinem Vermögen so zu verfügen, dass seiner Familie, besonders wenn keine Nachkommen vorhanden sind, nichts davon zukomme. Wenn er sein Vermögen einem völlig Fremden [Faksimile Seite 38] oder einem Waisenhause hinterlässt, werden beide Erben sein, trotzdem sie mit dem Erblasser durch kein verwandtschaftliches Band verbunden sind. Und testirte er dem Staate, so würde auch dieser Erbe sein.

Oder ist es etwa par excellence die gesetzliche Erbfolge, welche das Verwandtschaftsband voraussetzt? Die gesetzliche Erbfolge tritt — wie wir wissen — dann ein, wenn der Verstorbene entweder nicht testirt hat, oder wenn er wohl testirt hat, jedoch seine letztwillige Verfügung aus welchem Grunde immer hinfällt. In solchen Fällen ist es nur recht und billig, dass die Nächststehenden das Vermögen erben sollen. Am nächsten aber stehen dem Erblasser die Verwandten. Was soll aber geschehen, wenn der Verstorbene keine Verwandtschaft hatte? Wenn es Ketten des Gefühls gibt, welche einen solchen ohne Verwandte Verblichenen an Jemanden knüpfen, so unterliegt es keinem Zweifel, dass diese» Gefühlsketten ihn mit Niemandem enger verbinden, als gerade mit seinem Vaterlande, dem er ja schliesslich im Endresultate Alles zu verdanken hat, welches ihm half, sein Vermögen zu erwerben, welches ihm beistand, dasselbe zu erhalten und welches ihm dessen Genuss sichert. Und wenn wir diese Gesichtspunkte nicht unberücksichtigt lassen, verschwindet selbst der Mangel des erwähnten rechtspolitischen Motivs und werden wir das Erbfolgerecht des Fiskus selbst dann für etwas selbstverständliches halten, wenn die Erbfolge wirklich solche Gefühlketten voraussetzte, was aber thatsächlich nicht der Fall ist.

Man könnte» höchstens eine, auf das Wesen der Frage nicht bezughabende Einwendung erheben, wenn nämlich statt des Fiskus jene Gemeinde erben würde, in welcher der Erblasser wohnhaft war. Diese Idee ist auch bei der Redaktion des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches aufgetaucht (Motivenbericht, Band V, Seite 366) und geschieht deren auch im Motivenberichte unseres Entwurfes Erwähnung (Band V, Seite 33). Die Ausführung dessen kann auf wirtschaftliche, um nicht zu sagen, technische Schwierigkeiten stossen, denn wenn z. B. eine Millionenerbschaft einer kaum einige hundert Insassen zählenden Gemeinde hinterbliebe, sagen wir zum Zwecke einer daselbst zu errichtenden Universität, so würden sich offenkundig hinsichtlich der Verwendung der Erbschaft grosse Schwierigkeiten ergeben. Andererseits verursachte in concreto auch dessen Feststellung Schwierigkeiten, welche Gemeinde den ohne Verwandtschaft und letztwillige Verfügung Verstorbenen beerben soll : diejenige, in welcher das [Faksimile Seite 39] Vermögen liegt oder etwa diejenige, deren Insasse der Verstorbene zuletzt war u. s. w. ?

Ausser den angeführten dogmatischen Rücksichten sprechen aber noch andere Umstände dafür, dass der Fiskus wirklicher Erbe sei, vor allen der, dass wenn nach der seitens des Fiskus bereits geschehenen Uebernahme der Erbschaft eine erbberechtigte Person sich meldet, der Fiskus als gutgläubiger Besitzer verpflichtet ist, die Verlassenschaft dem sich Meldenden auszufolgen.

Schliesslich bedarf es noch der Hervorhebung eines bedeutenden Gesichtspunktes. Der Anspruch des Fiskus auf die Verlassenschaft einer ohne Verwandte verstorbenen Person ist eine privatrechtliche Berechtigung und ist der Fiskus in diesem Verhältnisse ebenfalls nichts anderes, wie eine privatrechtliche Person. Der Rückheimfall des Gutes an die Krone im Falle der Caducität ist hingegen ein staatsrechtliches Institut, dessen Grundlage — wie wir sahen — in der Staatslehre der heiligen Krone wurzelt. Die heilige Krone fungirt hier nicht als Privatperson, sondern als solches staatsrechtliches Subjekt, welchem hinsichtlich jedes seiner Obrigkeit unterworfenen Stückes Boden das ausschliessliche und nach seinem Gutdünken verwendbare Eigenthumsrecht zusteht.

Die aus dem Dargelegten abzuleitenden Konsequenzen sind nun natürlich. Wir können dem, auch im § 18 der unter der Leitung des Judex Curiae stattgefundenen Konferenz angenommenen Standpunkte des Entwurfes unseres bürgerlichen Gesetzbuches nur beipflichten, selbst dann, wenn § 1936 des deutschen Gesetzes eine ähnliche Verfügung enthält. Es ist vollkommen unnöthig und wäre unseres Erachtens gänzlich verfehlt, wenn unser Entwurf die gesetzliche Erbfolge des Fiskus irrthümlicherweise «Heimfall» nennen und in einem besonderen Titel regeln würde. Irrthümlich wäre dies darum, weil das Heimfallsrecht mit der Errichtung der 1848er Gesetze gänzlich erlosch und wenn wir einige Ueberbleibsel unseres vorachtundvierziger Rechtes den Anforderungen unseres heutigen Rechtssystems gemäss aufarbeiten oder gar sie einfach recipiren wollen, so müssen wir hiezu andere Gebiete suchen, wie sie sich für unser zu errichtendes Gesetzbuch noch immer sehr zahlreich darbieten.