Dr. Philipp Harras Ritter von Harrasowsky, k. k. Landesgerichtsrath und Privatdocent an der Universität zu Wien, Geschichte der Codification des österreichischen Civilrechtes. Wien 1868. :: Transkription Speer 2012

Dr. Philipp Harras Ritter von Harrasowsky, k. k. Landesgerichtsrath und Privatdocent an der Universität zu Wien, Geschichte der Codification des österreichischen Civilrechtes. Wien 1868. :: Transkription Speer 2012

[Editorische Vorbemerkung]

Die Transkription erfolgte auf Grund des von Google digitalisierten Exemplars der Harvard University [WorldCat-Eintrag]. Die in diesem Exemplar fehlenden Seiten 111 und 112 konnten durch das freundliche Entgegenkommen des Instituts für geschichtliche Rechtswissenschaft der Universität Heidelberg aus dessen Exemplar ergänzt werden.

Vorrede.

Unter den Aufgaben, welche die Geschichte des österreichischen Civilrechtes zu lösen hat, blieb jene bisher ganz vernachlässigt, welche den Entwicklungsgang der Gesetzgebung seit dem Zeitpuncte darzulegen hätte, in welchem man zuerst an die Verwirklichung des Planes ging, an die Stelle der mannigfaltigen Provinzialrechte ein einheitliches, codificirtes Gesetzbuch zu setzen.

Die Lösung dieser Aufgabe wäre aber gerade für Oesterreich von einer weit grösseren Wichtigkeit, als die Lösung einer gleichartigen Aufgabe in irgend einem andern Lande. Es würde dadurch nicht bloss das Verständniss und die Anwendung des bestehenden Gesetzes erleichtert, sowie eine grössere Sicherheit für die Anknüpfung von Reformbestrebungen erzielt, man gewänne auch [Seite: p.4] einen besseren Einblick in die geistigen Kämpfe zwischen provinzieller Besonderheit und Rechtseinheit, zwischen Standesverschiedenheit und Rechtsgleichheit, aus denen unser heutiges Recht hervorging. Diese Kämpfe haben aber auf die fernere Rechtsentwicklung und auf die dadurch bedingte Gestaltung aller Lebensverhältnisse einen ungleich grösseren Einfluss geübt, als die Idee, in die Rechtsentwicklung durch eine Codification einen Abschluss zu bringen. Die Idee der Codification wurde in den österreichischen Ländern sehr frühzeitig zumeist im 16. und 17. Jahrhundert, zum Theil aber viel früher gepflegt. Dieselbe entsprang dem Bestreben, Gewissheit über das herbeizuführen, was als geltendes Recht anzusehen sei. Wenn auch in manchen Emanationen der älteren Gesetzgebung die Absicht durchleuchtet, zu verbessern, so erscheint doch — namentlich so weit es das Civilrecht betrifft — die Fixirung des Bestehenden als die Hauptaufgabe. Zu einer ganz andern Thätigkeit war man genöthigt, als man es unternahm, die Verschiedenheiten, ja die grellen Gegensätze der Provinzialrechte zu einem einheitlichen Rechte umzubilden, und als man diess zu einer Zeit unternahm, da sich ein staatlicher Umbildungsprocess in Oesterreich vollzog, während gleichzeitig die Gemüther von den allgemeinen geistigen Kämpfen des 18. Jahrhunderts erfüllt waren.[Seite: p.5]

In dem Nachstehenden wird der Versuch gemacht, den Gang der Codificationsarbeiten zu schildern, und mit der Darstellung des äussern Ganges dieser Arbeiten so viel von der inneren Rechtsgeschichte zu verbinden, als nöthig scheint, um die Reformbestrebungen jener Zeit zu characterisiren. Vorausgeschickt wurden einige Notizen über die Codificationsarbeiten, welche in den einzelnen Ländern vorhanden waren, als man an die Ausarbeitung eines für das ganze Reich bestimmten Gesetzbuches schritt, da jene Arbeiten ein Material bildeten, das bei der Codificirung unseres heutigen Rechtes benützt wurde. Die Vervollständigung dieser Notizen, namentlich so weit sie sich auf die Entstehungsgeschichte der provinziellen Codificationen beziehen, dürfte nur bei Benützung der in den einzelnen Ländern vorhandenen urkundlichen Quellen möglich sein. Dieser geschichtliche Versuch konnte sich nur zur Aufgabe setzen, durch Benützung der hier erreichbaren Quellen zur Benützung jener Quellen, welche Anderen leichter als dem Verfasser zugänglich sein dürften, anzuregen. Anregung war auch nach der Richtung hin der Zweck dieser Arbeit, als dieselbe bemüht war, erkennbar zu machen, welcher Gewinn aus der Benützung der vorhandenen Materialien für die Darstellung einer inneren Rechtsgeschichte unseres Civilrechtes erzielt werden könnte.[Seite: p.6]

Als Quelle dieser Arbeit dienten die Acten der bestandenen Gesetzgebungs-Hofcommission, oder vielmehr die bei dem Justizministerium befindlichen Reste dieser Acten; einige Mittheilungen wurden aus den Acten des obersten Gerichtshofes und des Ministeriums des Innern geschöpft. Die letzteren Acten wurden im Verlaufe dieser Arbeit genau bezeichnet; hinsichtlich der Acten der Gesetzgebungscommission schien diess nicht nöthig, weil dieselben jetzt ohne Schwierigkeit aufgefunden werden können, indem sie besondere, nur diesem Gegenstande gewidmete und nach der Zeitfolge geordnete Acten-Fascikel bilden.

Wien im Mai 1868.[Seite: p.7]

I. Codificationsarbeiten für einzelne Länder.

Das Bedürfniss nach Codificirung des bestehenden Rechtes trat unter den deutsch-österreichischen Ländern zuerst in Böhmen und Mähren an den Tag. Der erste Versuch, der in dieser Richtung in Böhmen gemacht wurde, fällt an das Ende des 13. Jahrhunderts in eine Zeit, in welcher politische Wirren den Mangel der Rechtssicherheit recht fühlbar machten, er fällt aber auch zusammen mit dem Beginne der Ausbreitung des römischen Rechtes in dem östlichen Theile Deutschlands. Der letztere Umstand macht es erklärlich, dass König Wenzel II. den Rechtslehrer Goczius aus Orvieto über Empfehlung des Kardinals Matteo Rosso an seinen Hof zog, um ihm die Codificirung der böhmischen Landesrechte zu übertragen, und als dieser Plan misslang, einen Mann aus Böhmen Namens Conrad an die Rechtsschule zu Orleans schickte, damit er sich dort durch das Studium des römischen und canonischen Rechtes die zur Uebernahme von Codificationsarbeiten nöthige Befähigung aneigne. Der Widerspruch der Stände war es, [Seite: S. 2] an dem der Versuch der Codificirung des Landesrechtes scheiterteS.2.1. Die damalige politische Lage und die nachfolgenden Ereignisse lassen erkennen, dass es der Kampf des Adels gegen das Königthum und gegen das Bürgerthum war, welcher die Stände bestimmte einer festen Abgrenzung ihrer Rechte in jener Zeit entgegenzutreten. Es war also der das öffentliche Recht betreffende Theil der Landesrechte, über den man sich nicht einigen konnte; der Schwierigkeiten, welchen man bei der Ausarbeitung des privatrechtlichen Theiles begegnet wäre, und die darin lagen, dass es sich um eine Compilation deutscher, slavischer und römischer Rechtselemente gehandelt hätte, scheint man sich damals nicht bewusst geworden zu sein.

Diese Schwierigkeiten hielten auch nicht ab in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine das materielle und formelle Recht in zwei Abtheilungen behandelnde Compilation des Landesrechtes zu verfassen. Die Stände waren jedoch aus den gleichen Gründen, die den Bestrebungen Wenzels II. entgegengesetzt wurden, nicht zu vermögen, den ihnen durch Carl IV. vorgelegten Entwurf der Landesordnung anzunehmen. Der Widerstand gegen diese Compilation war so gross, dass es zum Gegenstande eines eigenen Landtagsbeschlusses wurde, auszusprechen, dass dieselbe keine Gesetzeskraft haben solle.

Trotzdem gelangte dieser Entwurf als ein Rechtsbuch zur Geltung, wurde gleich einem Gesetze angewendet, erfuhr aber auch mehrere Aenderungen, welche über die Grenzen redactioneller Umarbeitungen hinausgingen. Diesen Zustand erklärte man erst dann als unbefriedigend, als es den höheren Ständen gelungen war, in den politischen Kämpfen die Oberhand zu gewinnen. Dann traten sie und [Seite: S. 3] zwar am Ausgange des 15. Jahrhunderts mit dem Begehren um Fixirung der Landesrechte vor.

In einer verhältnissmässig kurzen Zeit kam die im Jahre 1500 von Wladislaw II. sanctionirte Landesordnung zu Stande, die sich, da ja nur die mit dem öffentlichen Rechte zusammenhängenden Fragen einen Gegenstand des Streites bildeten, zum grossen Theile auf das unter Carl IV. zu Stande gekommene Rechtsbuch stützen konnteS.3.1.

Der durch diese Landesordnung geschaffene Zustand befriedigte nicht; noch im Laufe der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts beschäftigte man sich mit einer Revision, aus welcher die im Jahre 1665 sanctionirte Landesordnung hervorging. Diese wurde wieder die Grundlage von Revisionsarbeiten, deren Beendigung zur Zeit des Ausbruches des dreissigjährigen Krieges noch nicht erfolgt war. Nach der Schlacht am weissen Berge wurde die durch den Krieg unterbrochene Codificationsarbeit wieder aufgenommen. Die Feststellung des öffentlichen Rechtes bildete auch noch in dieser Zeit die Hauptaufgabe. Diess geht namentlich aus dem Hofdecrete hervor, in welchem die drei Hauptgesichtspuncte für die vorzunehmende Umarbeitung der nach dem Jahre 1620 beendeten Revision der Landesordnung vorgezeichnet wurden. Das Hauptaugenmerk sollte nach diesem Decrete darauf gelegt werden, dass "der katholischen Religion in nichts präjudiciret, das jus regium salviret, und ein aequabile jus privatorum zwischen denen eingebornen Böhmen und denen Ausländern so unter der Zeit — eingenommen worden oder künftig in das Land kommen möchten, festgesetzet werde." In dieser Aufgabe lag wohl [Seite: S. 4]auch der Grund, dass man die Durchführung dieser Codificationsarbeiten nach Wien an den Sitz der Centralregierung zu ziehen bemüht war. Auffallend ist hiebei auch die Plötzlichkeit, mit welcher man sich für diese Aenderung entschied. Am 12. März 1625 wurde eine Commission ernannt, welche die Umarbeitung der Landesordnung in Prag vornehmen sollte; wenige Wochen später und zwar am 7. April desselben Jahres wurde dagegen verfügt, dass die Umarbeitung in Wien vorgenommen und zu diesem Zweck ein der deutschen und böhmischen Sprache kundiger, in den Landes- und Stadtrechten bewanderter Mann nach Wien geschickt werde. Den Ständen wurde gleichzeitig aufgetragen, das Material zu dieser Arbeit zu liefern und die Landesordnung sowie die Landtagsschlüsse herauszugeben; ein Auftrag, mit dessen Erfüllung so sehr gesäumt wurde, dass eine Betreibung sich als nothwendig erwies. In dem Decrete, das die Codificationsarbeiten an den Sitz der Centralregierung verlegte, wurde zugleich die Aufgabe derselben dahin erweitert, die Gesetzgebung auf den Stand zu bringen, dass von allen Gerichten des Königreiches nach gleichem Rechte gesprochen werde, und zu diesem Ende auch die Stadtrechte zu revidiren. Diese letztere Aufgabe wurde zwar nicht erfüllt, jedoch auch nicht aufgegeben, sondern vielmehr in dem Kundmachungspatente zu der am 10. Mai 1627 sanctionirten Landesordnung der Zukunft vorbehalten.S.4.1 Durch diesen Act erhielten die Codificationsarbeiten, welche sich durch mehrere Jahrhunderte hingezogen hatten, einen Abschluss, und zugleich wurde die Bahn für die weitere Rechtsentwicklung vorgezeichnet, indem die landesfürstliche Machtvollkommenheit [Seite: S. 5] als die einzige Quelle der Rechtsbildung anerkannt, allen andern Rechtsquellen aber die rechtserzeugende Kraft ausdrücklich abgesprochen wurde. Im Hinblick auf diese Aenderung erscheint es doppelt bemerkenswert, dass die böhmische Landesordnung nach dem Ausspruche des Kundmachungspatentes mit Rücksicht auf die in den anderen österreichischen Ländern geltenden Rechte corrigirt wurde. An die gesetzgebende Gewalt des Landesfürsten wurde in der Folge auch sehr häufig appellirt, und man war schon am 1. Februar 1640 in der Lage, eine ziemlich umfangreiche Sammlung von Novellen und Declaratorien zu publiciren.

Aehnlich wie in Böhmen verhielt sich der Gang der Codificationsarbeiten auch in Mähren.

Die erste Codificirung des Landesrechtes trat gegen das Ende des 15. Jahrhunderts in's Leben, und zwar in der Form eines Rechtsbuches, welches Ctibor von Cimburg im Auftrag der Stände verfasste. Dieses mehrfach veröffentlichte und umgearbeitete Werk bildet die Grundlage der im Jahre 1535 genehmigten Landesordnung, welche durch eine im Jahre 1531 auf Andringen der Stände eingesetzte Commission verfasst worden war. Kaum waren drei Jahre nach der Sanctionirung dieser Landesordnung verstrichen, so drangen die Stände bereits auf eine Revision derselben, und erwirkten auch die Einsetzung einer mit dieser Aufgabe betrauten Commission. Dieselbe wurde im Laufe der Zeit wiederholt erneuert ohne ihre Aufgabe zu erfüllen. Es erschienen zwar im Jahre 1539 und im Jahre 1604 neue Ausgaben der Landesordnung, und zwar die letztere mit, die erstere ohne königliche Genehmigung; dieselben unterscheiden sich aber von der Landesordnung vom Jahre 1535 kaum anders als durch Aufnahme der Nachträge. Das Erscheinen dieser neuen Ausgaben [Seite: S. 6] unterbrach auch die Thätigkeit der Revisions-Commissionen, welche immer wieder von Neuem eingesetzt wurden, nicht. Diese Arbeiten fanden erst einen Abschluss, als Ferdinand II. nach der Schlacht am weissen Berge für Mähren eine Landesordnung am 10. Mai 1628 — fast gleichzeitig mit dem Erscheinen der böhmischen Landesordnung — aus eigener Machtvollkommenheit ohne Zuziehung der Stände oder ihrer Vertreter erliess. Dieselbe blieb auch gleich der böhmischen Landesordnung nicht lange ohne Erläuterungen und Novellen. Die umfangreichste dieser Novellen erfloss, veranlasst durch ein Einschreiten der Stände, schon am 29. Juli 1638.S.6.1

Die böhmische und mährische Landesordnung, welche durch gleichlautende Kundmachungspatente publicirt wurden, sind der Eintheilung und dem Inhalte nach, namentlich hinsichtlich der privatrechtlichen Bestimmungen, nahezu mit einander übereinstimmend. In beiden Landesordnungen sind die dem Civilrechte gewidmeten Titel an die Spitze des zweiten Theiles gestellt. Dieselben behandeln zuerst einzelne Theile des Obligationenrechtes, dann das eheliche Hüterrecht, die Vormundschaft und das Erbrecht, und schliessen mit den "Praescriptionen und Verjährungen". Keiner dieser Theile des Civilrechtes wird erschöpfend behandelt; jeder Titel enthält nur eine lose zusammengefügte Reihe von Bestimmungen, welche sich auf den Gegenstand der Titelüberschrift beziehen. Bei der grossen Uebereinstimmung des Inhaltes der beiden Landesordnungen muss das auffallen, dass die Art der Titelbezeichnung verschieden ist — in der böhmischen Landesordnung mit Buchstaben, [Seite: S. 8] in der mährischen mit Ziffern — und dass an dieser Verschiedenheit durch sehr lange Zeit mit grosser Zähigkeit festgehalten wurde.

Im 16. Jahrhundert, das in Böhmen und Mähren viele Codificationsarbeiten in's Leben rief, fanden gleichartige Arbeiten auch in den österreichischen Ländern — im engeren Sinne des Wortes — statt. Tyrol war das Land, welches die erste Landesordnung erhielt, die in neun Büchern, das öffentliche Recht, den Civilprozess, einzelne Theile des Civilrechtes, Verwaltungsvorschriften und das Strafrecht behandelt. Dieselbe wurde bei dem im Jahre 1525 in Insbruck abgehaltenen Landtage ausgearbeitet und im Jahre 1526 von Kaiser Ferdinand I. unter Vorbehalt der aus landesfürstlicher Machtvollkommenheit vorzunehmenden Aenderungen genehmigt. Die Stände begehrten aber schon im Jahre 1529 eine Revision dieser Landesordnung, welche zum Theile auch aus dem Grunde, weil die Landesordnung nicht in allen Landestheilen angenommen worden war, beschlossen wurde. Die Aufgabe der Revision fiel aber nicht den Ständen, sondern der Regierung zu, welche sich nur des Rathes der ständischen Verordneten bediente. Die aus dieser Revision hervorgegangene am 26. April 1532 genehmigte Landesordnung erscheint als bloss auf landesfürstlicher Machtvollkommenheit beruhend.

Dem Civilrechte ist das dritte Buch dieser Landesordnung ausschliesslich gewidmet, dasselbe beschäftiget sich mit dem ehelichen Güterrechte, dem Erbrechte und der Vormundschaft; ausserdem sind zahlreiche civilrechtliche Bestimmungen mit Verwaltungsvorsehriften, namentlich mit jenen verbunden, welche im fünften Buche enthalten sind und sich auf Reallasten beziehen. Viel länger als in Tyrol dauerten die Codificationsarbeiten in Nieder- und Oberösterreich, und lieferten fast nur ein Material für die [Seite: S. 8] Codificationsarbeiten des 18. Jahrhunderts; nur einzelne Theile der für Niederösterreich ausgearbeiteten Landesordnung erhielten Gesetzeskraft.

In Oberösterreich wurde nach dem Tode des Kaisers Max I. von einigen Ständemitgliedern eine Landesordnung ausgearbeitet, welche nur eine provisorische Wirksamkeit bis zur Einsetzung einer Regierung haben sollte; die verbindliche Kraft derselben beruhte nur auf der Vereinbarung, welche die Ständemitglieder, die die Landesordnung verfassten, unter einander trafen. Der Inhalt derselben bezieht sich zumeist auf die Aufrechthaltung der Sicherheit im Lande. Diese Landesordnung kann demnach nicht einmal als eine Vorläuferin der Codification angesehen werden, welche in der Zeit von 1571 bis 1618 über Anregung der Stände unter dem Namen einer Landtafel ausgearbeitet worden ist. Dieselbe behandelt in sechs Theilen das öffentliche Recht, den Civilprocess, einzelne Theile des Civilrechtes und das Lehenrecht. Der dritte Theil mit 46 Titeln ist den "Contracten" mit Einschluss des ehelichen Güterrechtes und der Vormundschaft, der vierte Theil mit 32 Titeln der testamentarischen und der fünfte Theil mit 15 Titeln der gesetzlichen Erbfolge gewidmet. Bestimmungen über das Verfahren in Nachlassfällen sind theils mit den Bestimmungen über die testamentarische, theils mit jenen über die gesetzliche Erbfolge verbunden. Die Unruhen, welche zu Anfang des 17. Jahrhunderts in Oberösterreich herrschten, standen der Durchführung regelmässiger Berathungen über den Entwurf der Landtafel entgegen. Nach Beendigung der Unruhen wurde die Revision dieses Entwurfes in Angriff genommen; die Initiative hiezu ging aber nicht mehr von den Ständen, sondern von der Hofstelle aus, welche die niederösterreichische Regierung mit der Begutachtung der obderensischen Landtafel betraute. [Seite: S. 9]

Das Gutachten liess lange auf sich warten, und machte wiederholte Betreibungen nöthig, die zum Theil über Andringen der Stände erfolgten, welche darüber Klage führten, "dass das Land von practicirten Leuten entblösst sei, und dass sowohl das Justizwesen als die ganze Polizei einer gewissen Regel und Richtschnur bedürfe." Der Inhalt der zu diesem Zwecke erlassenen Decrete ist für die Auffassung jener Zeit von grossem Interesse. In einem derselben vom 29. December 1628 wird dem zu erstattenden Gutachten als Zweck vorgezeichnet, sich darüber auszusprechen: "wie die Landtafel der Zeit und des Landes Stand und Beschaffenheit nach zu ihrer kaiserlichen Majestät Hoheit und Deputation auch des Landes Wohlfahrt in einem und andern zu corrigiren, renoviren und in beständig guter Ordnung zu erhalten sey." In diesem Decrete wird auch darüber Klage geführt, "dass durch die Landesunruhen und schädliche Rebellion allerlei Veränderungen und Confusionen in guten Satzungen, Ordnungen und Gebräuchen, dann dass Uebergriffe der Stände und namentlich der Unkatholischen über die Grenzen ihrer vermeintlich habenden Landesfreiheiten in die Rechte des Landesfürsten stattfanden, woraus sie gleichsam eine Libertät suchen und erzwingen wollen." Schliesslich wird die Versicherung abgegeben, dass der Kaiser die Landtafel zwar bestätigen wolle, aber nur "der landesfürstlichen Hoheit wie dem Vaterland und der Stände Ehren und Wohlfahrt zum Besten."

Das Gutachten der niederösterreichischen Regierung wurde dem oberösterreichischen Landeshauptmanne am 2. Juni 1631 mitgetheilt, nicht zu dem Ende, "damit die Stände daran etwas zu corrigiren oder zu ändern gedenken, sondern damit sie erinnern können, wenn etwas dem Land und der lieben Justiz in einem oder dem [Seite: S. 10] andern Puncte nützlicher fürgesorgt werden könnte, und desshalb das Werk, daran dem ganzen Lande viel gelegen, mit desto besserer Beständigkeit vorderst aber zu grösserer Reputation des Kaisers ausgefertigt und practicirt werden möge."

Dem Landeshauptmann wurde es hiebei anheim gegeben, wen er zu der Commission, die zu diesem Zwecke aus Landräthen und Mitgliedern der Stände gebildet werden sollte, zuziehen wolle.

Seit dieser Zeit scheint sich die Aufmerksamkeit der Centralregierung ausschliesslich den Codificationsarbeiten zugewendet zu haben, welche in Niederösterreich im Zuge waren. Dieselben begannen im Jahre 1565 mit Einsetzung einer Commission, die aus eilf Mitgliedern des Herren- und Ritterstandes so wie aus vier Doctoren der Rechte bestand, und die Landtafel, die Landgerichtsordnung und die Polizeiordnung ausarbeiten sollte. Diese Commission scheint jedoch nicht lange in Thätigkeit gewesen zu sein, denn schon im Jahre 1577 wird darüber Klage geführt, dass die Codificationsarbeiten durch die anderen wichtigeren Angelegenheiten, mit denen sich die Landtage zu beschäftigen haben, verdrängt werden. Gleichzeitig wird, "da dem Land an der Förderung dieser Angelegenheiten sehr gelegen ist und dem Kaiser die Verantwortung bei Gott obliegt," angeordnet, einige Landtagsmitglieder vor dem nächsten Zusammentreten des Landtages einzuberufen, damit diese die nöthigen Vorarbeiten machen, um den Landtag in den Stand zu setzen, die Codificationsarbeiten zu beenden.

Diesem Auftrage entsprachen jedoch die Ständemitglieder nicht, indem sie sich damit entschuldigten, dass die Reise und der Aufenthalt am Versammlungsorte des Landtages, den sie im Laufe des Jahres schon dreimal aufsuchen mussten, ihnen zu grosse Unkosten mache. Der [Seite: S. 11] Landtag beschloss sohin auch, die Landtafel, auf welche das grösste Gewicht gelegt worden zu sein scheint, im Landrecht berathen zu lassen. Der Entwurf einer Landtafel, welche später Landesordnung genannt wird, so wie auch der Landgerichtsordnung scheint auch auf diese Weise zu Stande gekommen zu sein, denn im Jahre 1628 wurde eine Commission eingesetzt, um die Landtafel und die Landgerichtsordnung zu revidiren, so wie eine Polizeiordnung zu verfassen. In dem zu diesem Zwecke erlassenen Decrete vom 29. Jänner 1628, welches der Zeit nach nahezu mit der Anordnung der Revision des Entwurfes der oberösterreichischen Landtafel zusammentrifft, wird darüber Klage geführt, dass bisher nichts geschehen sei, denn diess ist "dem gemeinen Wesen nachtheilig, weil sowohl in Land- und denen Justizsachen, als in der Polizei bei hohen und niedern Standespersonen allerlei beschwerliche Neuerungen, Missbräuche und schädliche Unordnungen eingerissen sind, welche nicht anders als durch ein wohlberathschlagtes Werk in die rechte Regel und Richtschnur wieder gebracht und gelegt werden können."

Die Codificationsarbeiten lagen in dieser und der folgenden Zeit nicht mehr ausschliesslich in der Hand ständischer Organe; diese bildeten vielmehr nur den Beirath während die Hauptarbeit von Regierungsorganen verrichtet wurde. Einzelne Arbeiten wurden, wie es scheint, besonderen Fachmännern übergeben. Das Hofdecret vom 9. März 1657 erwähnt eines von vier Rechtsgelehrten über Auftrag verfassten Lehentractates, welcher von den zur Revision der Landesordnung bestimmten Ausschüssen in Erwägung gezogen werden sollte. In diesem Decrete wird von einer durch Abgeordnete aus Nieder- und Oberösterreich gebildeten Lehenconferenz gesprochen, welcher der Lehentractat vor der Abgabe an die oben erwähnten Ausschüsse zur Prüfung mitgetheilt werden sollte. Diese Massregel verdient hervorgehoben zu werden, weil sie das erste Beispiel einer mehreren Ländern gemeinsamen legislativen Verhandlung bildet.

Trotz wiederholter Betreibungen gelang es nicht, die Ausarbeitung der Landesordnung zum Abschluss zu bringen. Mehr als ein Jahrhundert war seit der Einsetzung der ersten Commission verflossen, als man mit dem Decrete vom 6. September 1667 neuerlich mit Berufung auf den Wunsch des Kaisers und die Bitte der Stände darauf dringen musste, "dass das gemeinnützige und nothwendige Werk einer gewissen Landesordnung über vieljährige dahin schon angewendete kostbare Zeit, Mühe und Spesen dermalen zur Endschaft und Publication gebracht werde." Man suchte zugleich auf die wünschenswerthe Beschleunigung durch die Anordnung hinzuwirken, dass die einzelnen Theile der Landesordnung, so wie die Berathung derselben beendet würde, mit Umgehung der niederösterreichischen Regierung, unmittelbar der Hofstelle übergeben werden sollten. Die Durchführung dieser Massregel muss auf Schwierigkeiten gestossen sein, denn die Anordnung wurde im Jahre 1672 mit dem Beifügen wiederholt, dass die Hofstelle es sich vorbehalte, eine Berathung vor der Unterbreitung zur Sanction zu veranstalten, und zu derselben neue Räthe zuzuziehen.

Die Landesordnung sollte aus fünf Büchern bestehen, welche dem Civilprocesse, der Vormundschaft, dem Erbrecht, dem Lehenrecht und vielen Verwaltungsvorschriften gewidmet waren.

Dieselben erlangten nur zum Theile und in verschiedenen Zeiträumen die landesfürstliche Sanction. Zuerst wurde die Gerhabschaftsordnung, welche das zweite Buch der Landesordnung bilden sollte, und zwar als selbständiges [Seite: 13] Gesetz, mit der Genehmigung vom 18. Februar 1669 publicirt. Nach zehn Jahren erlangte der erste Theil des fünften Buches Gesetzeskraft, welcher unter der Bezeichnung tractatus de juribus incorporabilibus am 13. März 1679 sanctionirt wurde. Vom Lehenrecht waren die ersten zwei Titel im Jahre 1771 genehmigt worden; dieselben wurden jedoch über Andringen der Stände neuerlich in Berathung genommen, theils weil diese mit einzelnen Bestimmungen nicht einverstanden waren, theils weil in der Commission nicht alle vier Viertel des Landes vertreten waren. Damit gerieth die Arbeit wieder in's Stocken, so dass die Stände im Jahre 1684 wieder dringend um die Sanctionirung des Lehenrechtes bitten mussten, wobei sie zugleich ihre Bitte auch auf die Sanctionirung des Erbrechtes, dem das dritte und vierte Buch der Landesordnung gewidmet waren, ausdehnten. Der Theil des Erbrechtes, welcher die gesetzliche Erbfolge zum Gegenstande hat, wurde erst nach sechsunddreissig Jahren genehmigt und publicirt; die testamentarische Erbfolge erfuhr eine neue gesetzliche Regelung erst durch die Codificirung des ganzen Civilrechtes, welche den Abschluss der Codificationsarbeiten des 18. Jahrhunderts bildete; mit der Codificirung des Lehenrechtes fuhr man fort sich zu beschäftigen, ohne dieselbe bis zum heutigen Tage zum Abschlüsse gebracht zu haben.1

In den innerrösterreichischen Ländern fanden gleichfalls im 16. Jahrhundert Codificationsarbeiten statt; dieselben bewegten sich jedoch auf dem Gebiete des Strafrechtes und des Civilprocesses, nicht aber auf dem des Civilrechtes. Einzelne civilrechtliche Bestimmungen, die sich zumeist auf [Seite: 14] das Erbrecht und die Vormundschaft beziehen, finden sich vor in den Sammlungen der Landhandveste, welche für Steiermark in den Jahren 1583 und 1635, für Kärnthen im Jahre 1610 und für Krain im Jahre 1687 im Auftrage der Stände veranstaltet wurden.

Zu erwähnen sind noch die für Görz und Gradisca erlassenen Constitutionen, und die Statute der Stadt Triest, da dieselben in der Form von Codificationen erschienen. Die ersteren wurden im Jahre 1605 unter Erzherzog Ferdinand in lateinischer Sprache publicirt. An der Verfassung derselben, welche lange Zeit in Anspruch genommen zu haben scheint, nahmen auch Abgeordnete der Stände jedoch nur mit berathender Stimme Antheil. Als Motiv zum Erlassen dieser Constitutionen wird die lange Dauer und der unsichere Ausgang der Rechtsstreite angegeben. Die Constitutionen enthalten in fünf Abtheilungen Bestimmungen über den Wirkungskreis der Behörden, den Civilprocess, einzelne Theile des Civilrechtes und Verwaltungsvorschriften. Dem Civilrechte sind zwei Abtheilungen nahezu ganz gewidmet. Die eine mit der Ueberschrift "Von den Contracten" enthält einige Hauptstücke über die Fähigkeit sich zu verpflichten, und behandelt dann einzelne Verträge und zwar namentlich den Kauf, das Darlehen, die Miethe, das eheliche Güterrecht. In dieser Abtheilung finden sich aber auch Verwaltungsvorschriften vor. Die Abtheilung, welche die Ueberschrift "Von der Erbfolge" führt, enthält einige Bestimmungen über das Erbrecht und die Vormundschaft.

In einem Anhange, welcher sich den fünf Abtheilungen anschliesst, ist nebst Taxvorschriften ein Hauptstück über die Beobachtung dieser Constitutionen enthalten. Nach demselben sollen alle in diesen Constitutionen nicht entschiedenen Fälle nach den Regeln des gemeinen Rechtes entschieden werden. Die landesfürstlichen Anordnungen, welche [Seite: 15] später im Widerspruch mit dem Inhalte dieser Constitutionen erlassen werden sollten, sollen so angesehen werden, als wäre der Landesfürst schlecht informirt gewesen, und es soll gestattet sein, denselben nicht zu gehorchen. Daneben wird dem Landesfürsten aber auch das Recht vorbehalten, diese Constitutionen zu ändern, zu mehren und zu mindern.

Die Statuten der Stadt Triest, welche von Ferdinand I. im Jahre 1550 genehmigt wurden, entstanden aus einer Revision der älteren Statuten dieser Stadt. Die Revision wurde veranlasst durch Conflicte, welche zwischen dem Stadthauptmann und städtischen Organen ausgebrochen waren, bei denen man sich von beiden Seiten auf die bestehenden Statute berief. Um nun den Uebelständen abzuhelfen, welche aus der Undeutlichkeit und den einander widersprechenden Anordnungen der Statute entsprangen, wurden Räthe der Wiener Hofstelle, der niederösterreichischen Regierung und der tyrolischen Landesstelle nach Triest gesendet, um sich dort an Ort und Stelle bei dem Stadthauptmann und den städtischen Organen die nöthigen Informationen einzuholen, und sohin die Statuten zu revidiren. Das auf diese Weise entstandene Operat wurde vom Kaiser nach vorgenommener Prüfung angenommen. Die Statuten enthalten in vier Büchern Bestimmungen über den Wirkungskreis der Behörden, Civilprocess, Civilrecht, Strafrecht und Verwaltungsvorschriften. Die civilrechtlichen Bestimmungen sind dem Buche, das vom Civilprocesse handelt, eingefügt, und schliessen sich an die Bestimmungen über den Urkundenbeweis an; dieselben haben einige Verträge mit Einschluss des ehelichen Güterrechtes, das Erbrecht und die Vormundschaft zum Gegenstande.

Nach dem Kundmachungspatente soll, wenn sich ein Zweifel bei Auslegung der Statuten ergibt, die Interpretation durch den Landesfürsten angerufen werden. [Seite: 16] Hinsichtlich der Auslegung findet sich am Schlusse des vierten Buches folgende Weisung: "Statutorum nemo captet verba, sed in dubio ad normam aequitatis referat, et tria juris praecepta ob oculos habeat, hoc enim in his condendis semper nostrum fuit consilium, pravos scilicet et facinorosos punire, innocentes protegere et denique curae habere ne cuiquam fiat injuria."

II. Codificationsarbeiten für mehrere Länder.

Die bisher geschilderten Codificationsbestrebungen hatten vornehmlich zum Zwecke, das in jedem Lande geltende Recht durch die Schrift zu fixiren. Als eine ganz vereinzelte Erscheinung kann man es bezeichnen, dass Abgeordnete zweier Länder, nämlich von Unter- und Oberösterreich, zusammenzutreten hatten, um einen Entwurf des Lehenrechtes zu begutachten. Die Idee, für mehrere Länder ein gleiches Recht zu schaffen, wurde erst im 18. Jahrhunderte planmässig verfolgt.

Der erste Schritt auf dieser Bahn geschah durch Joseph I. im Jahre 1709, welcher in Prag und Brünn Compilationscommissionen einsetzte mit der Aufgabe, "eine uniformitas juris statutarii durch Combination der Landesordnungen mit ihren Nachträgen" herbeizuführen. Als Grenze der uniformitas des für diese beiden Länder zu schaffenden Rechtes wurde die Verschiedenheit in der Verfassung der Aemter und Stellen bezeichnet.

Jede dieser beiden Commissionen hatte unabhängig von der anderen zu arbeiten; die Brünner Commission wurde jedoch angewiesen, ihr Operat an die Prager [Seite: 18] Commission zu schicken, welche die Vorlage an die Hofstelle in Wien einzuleiten hatte. Die Commission, welche in Prag fünfzehn, in Brünn zwölf Mitglieder zu zählen hatte, wurde bloss aus Fachmännern durch Ernennung der Hofstelle zusammengesetzt. Sie bestand zum grössten Theile aus richterlichen Beamten; es waren aber auch Advocaten und Stadträthe der Landeshauptstädte in derselben vertreten. Unter den Mitgliedern hat der Advocat Wenzel Neumann von Puchholtz, welcher zum Protocollführer der Prager Commission bestellt wurde, in der Folge die grösste Bedeutung erlangt.6

Aus der für diese Commissionen ausgearbeiteten Instruction ist zu entnehmen, dass sie die beiderseitigen Landesordnungen zur Grundlage ihrer Berathungen nehmen und von Stelle zu Stelle unter Beifügung ihrer Bemerkungen durchgehen, dabei aber zugleich auch die Herbeiführung einer Gleichförmigkeit zwischen den Stadtrechten und den Landesordnungen anstreben sollten. Die Commissionen wurden verpflichtet, zweimal in der Woche Sitzung zu halten; dagegen wurde den Mitgliedern das ausschliessliche Vervielfältigungsrecht der neu zu schaffenden Landesordnung auf die Dauer von zehn Jahren als Entschädigung für ihre Mühe in Aussicht gestellt.7

Hinsichtlich der Aufgaben, welche man diesen Commissionen stellte, zeigte sich aber ein wiederholtes Schwanken. Mehrfach trat das Bestreben hervor, die Arbeit auf eine Compilirung der böhmischen Landesordnung mit ihren Nachträgen zu beschränken. Dafür spricht die schon im Jahre 1710 erlassene Anordnung, die in der böhmischen Landesordnung vorkommende Bezeichnungsweise — nach [Seite: 19] Buchstaben — für das neue Operat zu wählen, so wie die im Jahre 1724 ergangene Mahnung, von der in der böhmischen Landesordnung vorkommenden Stoffeintheilung so wenig als möglich und überhaupt nur dann abzuweichen, wenn diess wegen der Compilation mit den Nachträgen nothwendig erscheinen sollte. Der Commission wurde es auch verwehrt, sich in eine Textirung ihrer Vorschläge einzulassen; dieselbe hatte nur allgemeine Anträge auf Aenderungen oder Ergänzungen den entsprechenden Stellen der böhmischen Landesordnung beizufügen, und die Belege, auf welche sich diese Anträge stützten, in Abschrift anzuschliessen. Die Berathungen der Commission sollten darum auch fortdauern, und durch den Mangel von Entscheidungen über Vorfragen nicht aufgehalten werden; die Regierung lehnte es geradezu ab, auf einzelne Anfragen vor dem Schlusse der ganzen Berathung zu antworten. Die Herbeiführung einer Gleichförmigkeit zwischen Landesordnung und Stadtrecht, welche man noch in der im Jahre 1709 erlassenen Instruction als Aufgabe der Commission bezeichnet und schon in den Kundmachungspatenten zur böhmischen und mährischen Landesordnung in Aussicht gestellt hatte, gab man schon im Jahre 1710 auf, indem man die zu diesem Zwecke nöthigen Einleitungen einer späteren Zeit vorbehielt.

Die Besorgniss vor einem Ueberwiegen der böhmischen Einflüsse fand in einer Remonstration Ausdruck, welche die Brünner Commission desshalb erhob, weil die Arbeiten derselben nach Prag geschickt werden sollten, ohne dass eine Mittheilung der in Prag zu Stande gekommenen Operate an die Brünner Commission angeordnet worden war. Man besorgte in Brünn, die Sache gewinne den Anschein, als ob Mähren eine Dependenz von Böhmen sei. In der hierüber erlassenen Antwort der Centralregierung wird die [Seite: 20] Selbständigkeit Mährens anerkannt, und die getroffene Anordnung als im Interesse der Beschleunigung gelegen motivirt; zugleich wird zugesichert, man werde die Verschiedenheiten zu vereinigen wissen, und wenn nöthig das Gutachten der mährischen Commission einholen.

Die Aufgaben der Compilationscommission wurden aber in der Folge erweitert, und der Rahmen, den man durch das Zugrundelegen der böhmischen Landesordnung aufstellte, musste durchbrochen werden, als man sich später die Ausarbeitung von neun selbständigen Gesetzwerken, die den ganzen Rechtsstoff erschöpfen sollten, zum Ziele setzte. Der Zeitpunct, in welchem dieser Wendepunct eintrat, lässt sich nach dem vorhandenen Materiale nicht mit Gewissheit bestimmen. Die erste Veranlassung zu dieser Aenderung dürfte darin gelegen sein, dass die Arbeiten der Commission nicht mit der wünschenswerthen Beschleunigung vorwärts schritten, so lange man für die Compilation der ganzen Landesordnung sich mit nur Einem Referenten begnügte. Bereits im Jahre 1723, in welchem Jahre man sich die in's Stocken gerathenen Arbeiten neu zu beleben bemühte, wurde die Bestellung mehrerer Referenten mit sachlich begrenzten Aufgaben als nothwendig anerkannt, und es wird der oben erwähnte Neumann als der zur Ausarbeitung der den Civilprocess und das Erbrecht enthaltenden Theile bestimmte Referent genannt. Neben ihm sollte der Vice-Landschreiber die begonnene Ausarbeitung des dem öffentlichen Rechte gewidmeten Theiles fortsetzen, und überdiess ein dritter Referent bestellt werden. Die Bestellung des Letzteren unterblieb aber vorläufig und wurde sogar im Jahre 1724 über eine Vorstellung der böhmischen Statthalterei als überflüssig bezeichnet. Da aber nur jene Arbeiten vorschritten, welche den beiden im Jahre 1723 thätigen Referenten anvertraut worden waren, so griff man [Seite: 21] später wieder zu dem Mittel, die Arbeiten abzugrenzen und bestimmten Referenten zuzuweisen. Im Jahre 1738 suchte man in dieser Weise die Ausarbeitung aller neun Theile sicherzustellen.

Der erste Theil von dem öffentlichen Rechte lag damals der Commission beendet vor; die Centralregierung hatte aber noch nicht die derselben vorbehaltene Redigirung der von der Commission gestellten Anträge unternommen.

Der zweite Theil, den man in zehn Titel einzutheilen beabsichtigte, sollte von der Gerichtsbarkeit, den Gerichtsstellen, und von der Zuständigkeit der letzteren handeln.

Der dritte vom Civilprocess und vom Concursverfahren handelnde Theil lag gleichfalls schon vor, harrte aber noch der bei der Centralregierung vorzunehmenden Redigirung der Commissionsvorschläge.

Der vierte Theil sollte dem Personenrechte mit Einschluss des Pflegschaftswesens gewidmet sein.

Im fünften Theile sollten die dinglichen Rechte behandelt werden.

Der sechste das Erbrecht umfassende Theil war von der Commission zwar noch nicht vorgelegt, jedoch schon dem Ende nahe gebracht worden. Die Berathung war beim letzten Titel in's Stocken gerathen.

Der siebente Theil sollte die Verträge behandeln.

Die beiden letzten Theile waren dem Strafrechte, und zwar der achte den Privatdelicten, der neunte aber den öffentlichen Delicten gewidmet.

Unter den bestellten Referenten verdient nur Neumann, der damals Professor war, hervorgehoben zu werden, da man bei den getroffenen Wahlen zumeist dem Rathe Neumann's folgte, oder die Bestellung mit der ausgesprochenen Erwartung motivirte, dass er hilfreiche Hand leisten werde.

Es hat auch keiner der im Jahre 1738 neben [Seite: 22] Neumann bestellten Referenten seine Aufgabe durchgeführt. Neumann selbst hat von den ihm zu dieser Zeit übertragenen Arbeiten nur die eine, nämlich die Beendigung des Erbrechtes, vollbracht; der anderen, welche in der Ausarbeitung des zweiten Theiles bestand, hat er sich nicht unterzogen. Er suchte dieser Aufgabe, noch ehe man sie ihm auftrug, zu entgehen, indem er rieth, einen Appellationsrath dazu zu bestellen. Das eigentliche Motiv seiner Ablehnung lag aber darin, dass er besorgte, sich durch einen die Stellung und den Wirkungskreis der Aemter betreffenden Gesetzesvorschlag zu verfeinden.

Um diese Ablehnung zu würdigen, muss man sich einerseits die ständischen Verhältnisse jener Zeit und anderseits die Schwierigkeiten vergegenwärtigen, mit welchen die Erforschung der bestehenden Jurisdictionsverhältnisse verbunden war. Wie wenig bekannt diese Verhältnisse waren, geht daraus hervor, dass die böhmische Commission die Jurisdictionszustände der Grafschaft Glatz nicht anders glaubte kennen lernen zu können, als dass sie im Jahre 1711 durch die Centralregierung einen Auftrag an die Stände erwirkte, wodurch diese angewiesen wurden, ihre auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit sich beziehenden Privilegien vorzulegen.

Trotz seiner Weigerung wurde Neumann, da man ihn für den zu dieser Arbeit geeignetesten Mann hielt, zum Referenten des zweiten Theiles bestellt, und man hoffte dadurch, dass man ihm Ehre und Lohn in Aussicht stellte, seine Bedenken zu beschwichtigen.

Es verdient hervorgehoben zu werden, dass man eine Civilprocessordnung ausgearbeitet hatte, und die Regelung der Jurisdictionsverhältnisse, welche schon in der im Jahre 1709 erlassenen Instruction als besonders dringend bezeichnet worden war, in Schwebe liess.[Seite: 23]

Die Arbeiten der im Jahre 1709 eingesetzten Compilationscommissionen blieben weit hinter dem ihnen gesteckten Ziele zurück, so dass man die Bedeutung derselben nicht so sehr in den für die weitere Rechtsentwicklung gelieferten Resultaten als in dem Einfluss auf die Erweiterung der Codificationsbestrebung suchen muss.

Die mährische Commission hat keinen der auszuarbeitenden Theile ganz berathen, und nur Gutachten über einzelne Titel geliefert.

Die Arbeiten der böhmischen Commission geriethen, nachdem einige Titel über das öffentliche Recht nach Wien eingeschickt worden waren, in's Stocken, und auch die Centralregierung liess mehrere Jahre verstreichen, ehe sie die eingetretene Unthätigkeit wahrnahm. Trotz mehrfacher Betreibungen gelang es seit dem Jahre 1713 durch mehrere Jahre nicht, eine Arbeit von der Compilationscommission zu erlangen.

Die Anwesenheit Carl's VI. in Prag im Jahre 1723 bot die Veranlassung, sich mit dem Bestande und der Thätigkeit der Compilationscommission eingehender zu beschäftigen. Die Erkenntniss des Einflusses, welchen die Berathungsweise auf die Ergebnisse der Berathung übt, gewann schon damals Raum, und man suchte zunächst durch die Abfassung einer neuen Instruction auf die Thätigkeit der Commission einen belebenden Einfluss zu üben.

Während man in der ersten Instruction das Hauptgewicht auf die Zusammenkünfte der ganzen Commission legte, wurde jetzt mehr Gewicht auf die Thätigkeit des Referenten gelegt. Man begnügte sich nicht mehr mit Einem Referenten, und ordnete an, dass das schriftliche mit Motiven versehene Referat vor der Sitzung unter den Mitgliedern circuliren solle, welche ihre Bemerkungen dem Referate beisetzen oder in det Sitzung vortragen sollten. [Seite: 24] Mit dieser Aenderung der Ansichten über die Bedeutung der Thätigkeit, welche man in Anspruch nahm, hängt es wohl zusammen, dass man das allen Commissionsmitgliedern als Entlohnung in Aussicht gestellte Privilegium der Vervielfältigung für unzureichend fand, um den Referenten für seinen Aufwand an Zeit und Mühe zu entschädigen. Man sagte diesem zu, bei den Ständen ein Honorar in Geld zu erwirken, und diese bewilligten auch im Jahre 1724 sechstausend Gulden für die Ausarbeitung des Civilprocesses und des Erbrechtes.

Der im Jahre 1723 gegebenen Anregung hat man es zu danken, dass in den nächsten Jahren eine regere Thätigkeit entfaltet wurde. Bis zum Jahre 1725 wurde der erste Theil vom öffentlichen Rechte und bis zum Jahre 1726 der dritte Theil vom Civilprocess und der Concursordnung fertig; die Berathung des sechsten Theiles vom Erbrechte war im Jahre 1729 bis zum letzten Titel gediehen. Dann trat aber wieder eine längere Pause ein, und auch von Seite der Centralregierung scheint man bis zu einer im Jahre 1737 ergangenen Mahnung wegen Einsendung von Arbeiten den Aufgaben der Compilationscommission kein besonderes Augenmerk gewidmet zu haben. Im Jahre 1738 versuchte man sowohl durch die Abtheilung der Arbeit in neun Referate und Ernennung von Referenten, als dadurch einen beschleunigenden Einfluss zu üben, dass man die Mitgliederzahl der böhmischen Commission auf achtzehn erhöhte und anordnete, dass die Commission in zwei getrennten Senaten, die sich ihre Operate gegenseitig mitzutheilen hätten, arbeiten solle.

Die nächsten Jahre brachten keine neuen Arbeiten. Als nach zehn Jahren die Commission neu besetzt wurde, war das Erbrecht noch immer nicht nach Wien eingeschickt worden. Aus dem an die Commission desshalb ergangenen [Seite: 25] Decrete ist aber zu entnehmen, dass der das Erbrecht enthaltende sechste Theil um diese Zeit bereits vollendet war; an die Centralregierung gelangte er erst in der Zeit zwischen 1748 und 1750.

Diese aus zwölf Titeln bestehende Arbeit bildet das einzige für die Codificirung unseres Civilrechtes wichtige Resultat der im Jahre 1709 eingesetzten Compilationscommission.

Das Werk zerfällt in zwei Theile, deren Abschnitte in der in der böhmischen Landesordnung üblichen Form mit Buchstaben bezeichnet sind. Der erste Theil behandelt die testamentarische Erbfolge und enthält in sechs Titeln — Von Testamenten — Vom Pflichtteile — Von Substitutionen — Von Vermächtnissen — Von Fideicommissen — Von Codicillen und Schenkungen auf den Todesfall — 54 Abschnitte. Der zweite Theil, welcher 42 Abschnitte enthält, umfasst gleichfalls in sechs Titeln die gesetzliche Erbfolge und die beiden Arten von Erbfolgen gemeinsamen Bestimmungen. Die Titel VII bis XII handeln: Von der gesetzlichen Erbfolge in der absteigenden Linie — Von der gesetzlichen Erbfolge in der aufsteigenden Linie — Von der gesetzlichen Erbfolge der Seitenverwandten — Von der gesetzlichen Erbfolge der Eheleute und des k. Fiscus — Von der Erbschaftsantretung, erblichen Einführung, dem jure transmissionis, accrescendi, von der Sperre, dann Erbschaftsinventur und andern Rechtswohlthaten — Von Theilungen, Einbringung des vorempfangenen Gutes und anderen Gemeinschaften.

Jeder Abschnitt zerfällt in mehrere Paragraphe, welche von der Commission zum grössten Theile vollständig ausgearbeitet wurden.

Die Commission wich aber nicht bloss in dieser formellen Beziehung von den derselben ursprünglich ertheilten [Seite: 26] Aufträgen ab; sie überschritt auch ganz entschieden die Grenzen, welche man ursprünglich der Arbeit, die nur in einer Compilirung der Landesordnung mit den Novellen derselben bestehen sollte, gezogen hatte.

Unter den bei jedem Titel genannten Quellen werden die Stadtrechte regelmässig angeführt, obgleich man der Commission bedeutet hatte, dass die Unificirung mit den Stadtrechten erst in späterer Zeit eingeleitet werden solle.

Bemerkenswerth ist es, dass neben den Landesrechten sehr häufig das gemeine — kaiserliche — Recht als Quelle benützt wird, um daraus Regeln für die im Landesrechte nicht entschiedenen Fälle zu schöpfen. Dieser Umstand verdient um so mehr hervorgehoben zu werden, weil man sich bald darauf die vollständige Ablösung vom römischen Rechte zum Ziele setzte, und dasselbe weder als bestehendes Recht noch als Quelle für ein zu gebendes Recht gelten lassen wollte.

Von der grössten Wichtigkeit aber sind die in diesem Entwurfe sich zeigenden Reformbestrebungen, welche schliesslich — allerdings erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts — zur Anerkennung des gleichen Erbrechtes führten. Dieselben verdienen aber eine um so grössere Beachtung, als sie der Zeit nach nahezu mit den gleichartigen Reformen zusammentrafen, die in Oesterreich unter und ob der Enns, dann in Steyermark durch die Successionsordnungen von den Jahren 1720 und 1729 in's Leben traten.26.1

Durch verschiedene Bestimmungen verfolgte man in diesen beiden Codificirungsarbeiten, die unabhängig von [Seite: 27] einander entstanden, denselben Zweck, der darin bestand, die Bevorzugung der männlichen gegenüber den weiblichen Erben, der Agnaten gegenüber den Cognaten, welche Bevorzugung sich in dem für die höheren Stände geltenden Erbrechte erhalten hatte, zu mildern.

Zu diesem Zwecke wurde in den österreichischen Successionsordnungen die Unterscheidung nach dem Ursprünge des Vermögens, je nachdem es vom Vater oder von der Mutter herrührt, aufgehoben;27.1 der böhmische Entwurf beseitigt die Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen.27.2

Der Ausschluss der weiblichen durch die männlichen Erben, der Cognaten durch die Agnaten wird in den österreichischen Successionsordnungen beschränkt, und den Agnaten bloss ein Einstandsrecht zugestanden;27.3 der böhmische Entwurf gewährt den Frauen ein gesetzliches Erbrecht, räumt denselben unter Umständen sogar einen Anspruch auf einen Pflichtteil ein, und sucht die noch als berechtigt anerkannte Bevorzugung des Mannsstammes dadurch zu erreichen, dass er einen Theil der Verlassenschaft zur ausschliesslichen Vertheilung unter die männlichen Erben bestimmt.27.4

Aus der Motivirung des von der böhmischen Commission vorgelegten Operates tritt die Idee der Gleichberechtigung aller Rechtssubjecte als die Grundlage der begonnenen Reform entgegen. Dieses Princip, in welchem man wohl eine Frucht der Verbreitung naturrechtlicher Lehren erkennen muss, wird ohne eine nähere Erörterung seiner Berechtigung so wie seiner Folgen als in der natürlichen [Seite: 28] Billigkeit begründet hingestellt. Ihm gegenüber wird das Gebot erhoben, für die Erhaltung der Geschlechter Sorge zu tragen. Zwischen diesen beiden einander ausschliessenden Forderungen suchte man zu vermitteln, jedoch ohne nach einem höheren Gesichtspuncte zu forschen, von welchem aus man die Richtschnur für die zu treffende Entscheidung hätte finden können, ohne die Tragweite der Wirkungen klar zu stellen. Man fand die Vermittlung dadurch, dass man keines der einander entgegengesetzten Principien consequent durchführte. Es verdient diess hervorgehoben zu werden, weil diese Art, legislative Fragen zu entscheiden, während der späteren Codificationsarbeiten häufig wiederkehrte.

Unter den Aenderungen, welche der Erbrechtsentwurf der böhmischen Commission anstrebte, ist noch die Erweiterung des richterlichen Einflusses auf die Regulirung der Verlassenschaften zu erwähnen. Während bisher ein amtliches Einschreiten nur dann stattfand, wenn sich ein unbewegliches Gut im Nachlasse befand, sollte in Zukunft das Gleiche geschehen, wenn der Nachlass nur aus Mobilien besteht. Unter den Gründen, mit denen diese Neuerung gerechtfertigt wird, erscheint auch folgende Erwägung und zwar als erster Grund angeführt: "Es müsse sowohl den Gläubigern des Erblassers, als denjenigen, die als Erben oder Miterben auftreten zu können glauben, sehr viel daran gelegen sein, dass sie aus dem öffentlichen Archive der k. Landtafel die Notiz erhalten können, wie diese oder jene auch in blossen Mobilien bestehende Erbschaft und ob sie mit der Rechtswohlthat des Inventars angetreten worden sei."28.1

Die Gleichzeitigkeit dieses von der böhmischen [Seite: 29] Compilationscommission ausgearbeiteten Entwurfes — welcher mit Ausnahme eines Titels schon im Jahre 1729 vollendet war — mit den oben erwähnten österreichischen Successionsordnungen macht es doppelt interessant, dass man, während in Prag und in Brünn über die Herbeiführung eines gleichförmigen Rechtes für Böhmen, Mähren und Schlesien berathen wurde, die Gleichförmigkeit auf einem, wenn auch kleinen Rechtsgebiete, für Nieder- und Oberösterreich und Steyermark in anderer Weise bewerkstelligte. Dem wiederholten Andringen der Stände folgend29.1 hat Carl VI. den von der gesetzlichen Erbfolge handelnden Theil des Entwurfes einer niederösterreichischen Landesordnung im Jahre 1720 sanctionirt und für Niederösterreich eingeführt. Diese Successionsordnung wurde kurze Zeit darauf nach einer mit den Ständen gepflogenen Verhandlung, zu welcher die Initiative von der Centralregierung ausging, in Steyermark unverändert und in Oberösterreich mit geringen Aenderungen als Gesetz in Wirksamkeit gesetzt. Das darin liegende Streben, gleichförmiges Recht in einem grösseren Ländergebiete zu erzeugen, kann um so weniger verkannt werden, als der für Oberösterreich ausgearbeitete Entwurf einer Landtafel, hinsichtlich dessen die Verhandlungen bei der Centralregierung gleichzeitig mit den Verhandlungen über die Ausarbeitung der niederösterreichischen Landesordnung im Zuge waren, gleichfalls eine vollständige Successionsordnung enthält, die man aber bei diesem Anlasse gar nicht berücksichtigt zu haben scheint.

Die zu diesen Successionsordnungen erlassenen Kundmachungspatente enthalten manchen Zug, welcher die Aufgabe kennzeichnet, die sich der Gesetzgeber in jener Zeit [Seite: 30] stellte. Die Besonderheiten des Landesrechtes werden als etwas Irriges, die Ungleichförmigkeiten als eine Quelle von Streitigkeiten hingestellt; der Kaiser, welcher von sich sagt, er lasse sich nichts mehr als die Administrirung der Justiz angelegen sein, betrachtet es als seine Aufgabe, durch Einführung "klarer Satzungen und Ordnungen" unnothwendige Rechtsführungen zu verhüten. Als nothwendig wird es ferner bezeichnet, dass das Gesetz in deutscher Sprache verfasst sei, damit es zu jeden gemeinen Mannes Belehrung dienen könne.

Man begegnet hier denselben Ideen, mit denen um wenige Jahre später die für das ganze Reich bestimmte Codificirung des gesammten Civilrechtes motivirt wurde.

In dem Kundmachungspatente für Niederösterreich wird das Bedauern ausgesprochen, dass Kriege und innere Unruhen den Abschluss der Berathungen über die Successionsordnung so lange hinausgeschoben haben. Dieselben Ursachen waren es wohl auch, denen man es zuzuschreiben hat, dass die im Jahre 1738 vorgenommene Vertheilung der Referate bei der Compilationscommission in Prag so wenig Früchte trug.

Als die Regierung Maria Theresia's ihre Aufmerksamkeit der im Zuge befindlichen Compilationsarbeit zuerst zuwandte, musste zunächst die ganze Commission neu zusammengestellt werden. Es geschah diess für Böhmen im Jahre 1748 und für Mähren im Jahre 1751.

Unter den neu ernannten Commissionsgliedern ist der Prager Advocat Joseph Azzoni zu erwähnen, dem bei den späteren Codificirungsarbeiten eine so bedeutende Aufgabe zufiel. Damals hatte man ihm die Ausarbeitung des neunten Theiles von den öffentlichen Delicten zugedacht. Von den übrigen Mitgliedern beider Commissionen kam keines in die Lage, sich durch eine Arbeit bemerkbar zu machen. [Seite: 31] Die Commissionen selbst wurden bald aufgelöst, da ihre Aufgabe, wesentlich erweitert, an ein anderes Organ überging.

Fast gleichzeitig mit dem Versuche, die Compilationscommissionen in Prag und Brünn zu neuer Thätigkeit anzuregen, fand die Einsetzung einer Compilationscommission in Wien statt.

Schon unter der Regierung Carl's VI. hatten die niederösterreichischen Stände um eine Erläuterung der in vielen Puncten "unklaren Landesordnung" gebeten, damit dadurch viele Rechtsstreite abgeschnitten würden. Die Klage über Streitigkeiten, welche durch eine Undeutlichkeit des Gesetzes veranlasst seien, wurde während der Regierung Maria Theresias durch die österreichische Hofkanzlei im Jahre 1748 wiederholt, als eine specielle Frage — die Zehendpflichtigkeit von Neurissen — Anlass zu verschiedenen Auslegungen einer Stelle im tractatus de juribus incorporabilibus bot. Es wurde der Kaiserin vorgestellt, dass dem gemeinen Wesen nichts schädlicher sei, als das Recht in Unsicherheit zu lassen, und derselben empfohlen, sowohl diesen Zweifel, als auch alle anderen Zweifel, die bei der Anwendung des erwähnten tractatus entstanden waren, durch Festsetzung eines jus certum, das für alle Fälle zur untrüglichen Richtschnur dienen solle, zu lösen. Zu diesem Zwecke wird die Einsetzung einer Commission unter dem Vorsitze des Statthalters vorgeschlagen, welche ihrer Aufgabe im Einvernehmen mit einem von den Ständen zu bestellenden Ausschusse zu entsprechen hätte. Die Mitwirkung des ständischen Ausschusses wird für nothwendig erklärt, weil viele Bestimmungen des tractatus finanzieller Natur sind.

Die Resolution der Kaiserin, aus welcher die unmittelbare Theilnahme der Kaiserin spricht, und die zugleich [Seite: 32] characteristisch für die damalige Art Staatsgeschäfte zu behandeln ist, lautet folgendermassen: "Die Sach in sich selber wäre zwar heilsam, wird aber langsam gehen, will also nicht erwarten, dass Alles ausgemacht sei, sondern so oft eine Materie pressirt und concertirt, die Sache herauf zu geben, um decidiren zu können."32.1)

Die Einsetzung der Compilationscommission fand jedoch wie es scheint aus dem Grunde nicht statt, weil in jener Zeit die so bedeutende Veränderung der Centralstellen, welche in der Errichtung einer vereinigten Hofkanzlei und einer obersten Justizstelle bestand, vorgenommen wurde.

Diese Angelegenheit kam zunächst bei der obersten Justizstelle im Jahre 1750 zur Sprache, als man über eine Denkschrift berieth, die mehrere Verbesserungen der Rechtspflege abgesondert für die österreichische und für die böhmisch-mährische Ländergruppe vorschlug. Für alle Länder wird hiebei der Mangel eines jus certum mit Bedauern hervorgehoben, und die Abhilfe im Gesetzgebungswege dringend empfohlen. Hinsichtlich der böhmisch-mährischen Länder wird an dem Zustandekommen der im Zuge befindlichen Compilationsarbeit verzweifelt, und darum lebhaft gewünscht, dass wenigstens durch die Beendigung der schon so lange vorbereiteten Arbeit über das Erbrecht Abhilfe für jene Verhältnisse gebracht werde, in denen die häufigsten Streitigkeiten entstehen. Die Folge dieser Anregung war, dass die Compilationscommission in Brünn neu zusammengesetzt, zur Fortsetzung der Arbeiten über den von der Processordnung handelnden dritten Theil angewiesen, derselben auch der von der böhmischen Commission eingeschickte sechste Theil vom Erbrechte zur Begutachtung zugesendet wurde.[Seite: 33]

Die Klage über den Mangel eines jus certum in den österreichischen Ländern fand bei dem Referenten der obersten Justizstelle, dem bei den späteren Codificirungsarbeiten in hohem Grade betheiligten Freiherrn von Buol, lebhaften Anklang. In seinem Referate sprach er den Wunsch nach Verfassung eines "jus statutarium scriptum" aus; verhehlte sich jedoch nicht, dass dieses Unternehmen ein sehr schwieriges werden und einen grossen Zeitaufwand erheischen würde. Da es ihm nicht rathsam schien, dieses grosse Werk sofort in Angriff zu nehmen, so bezeichnete er mehrere Gebiete der Gesetzgebung, in denen eine Abhilfe am dringendsten nöthig wäre. Nebst mehreren das gerichtliche Verfahren in Civilsachen betreffenden legislativen Arbeiten empfahl er eine Revision des tractatus de juribus incorporabilibus, des Gesetzes über die gesetzliche Erbfolge und die Ausarbeitung eines Gesetzes Uber die testamentarische Erbfolge.33.1

Unter diesen Anträgen scheint nur der Vorschlag, den tractatus de juribus incorporabilibus zu revidiren, einen Erfolg gehabt zu haben. Die oberste Justizstelle brachte bei der Kaiserin die Einsetzung der für diesen Zweck schon früher genehmigten Commission in Erinnerung, und dieselbe trat im Jahre 1751 in's Leben, so wie auch die Stände gleichzeitig den Aüsschuss bestellten, welcher sich mit der Commission der Regierung in's Einvernehmen setzen sollte.33.2 Unter den Räthen, aus denen die Commission zusammengesetzt wurde, ist der Regierungsrath [Seite: 34] Joseph Holger hervorzuheben, welcher nicht weniger als der fast um dieselbe Zeit zum Mitgliede der böhmischen Commission ernannte Azzoni an den unter Maria Theresia unternommenen grossen Codificationsarbeiten einen hervorragenden Antheil nahm.

Die oberste Justizstelle schrieb der Commission die Ordnung vor, in welcher die einzelnen Titel des tractatus de juribus incorporabilibus zur Berathung kommen sollten, und ertheilte derselben auch eine Instruction. Nach derselben sollte wöchentlich eine Sitzung gehalten und bei jeder Sitzung das Berathungsmaterial für die nächste Sitzung festgesetzt werden. Eine ausführliche Protocollirung der Berathung und eine wöchentliche Vorlegung der Sitzungsprotocolle wurde gleichzeitig vorgeschrieben. Ueberdiess sollte nach Beendigung eines jeden Titels ein motivirtes Gutachten nebst dem Entwurfe des Textes vorgelegt werden.34.1

Die Commission hat, ehe sie an die Arbeit schritt, von allen Städten und Märkten Niederösterreichs Berichte über den tractatus eingeholt, und als die Erledigung von Streitigkeiten aus dem Unterthansverhältnisse dem Rechtswege entzogen und einer besonderen Stelle zugewiesen wurde, auch diese Stelle um ihr Gutachten angegangen.

Bei dieser Behandlungsweise musste die Vermuthung der Kaiserin, dass die Sache langsam vor sich gehen würde, sich bewahrheiten. Es wurde nur der fünfte Titel "Von der Robot" durch die ganze Commission berathen, und der vierte Titel "Von der Grundobrigkeit" durch den Referenten Holger bearbeitet, bis Holger der Commission durch Berufung zu einer grösseren Aufgabe entzogen wurde.[Seite: 35] Dadurch verlor die Commission nicht nur ihre bedeutendste Arbeitskraft, es musste auch ihre Bedeutung, wenn sie auch noch zu tagen fortfuhr, bald in den Hintergrund treten. Die Aufgabe derselben überging auch bald an die im Jahre 1753 eingesetzte Compilationscommission, welche ein Civilrecht für alle unter der Verwaltung der obersten Justizstelle und der vereinigten Hofkanzlei stehenden Länder auszuarbeiten hatte.[Seite: 36]

III. Codificationsarbeiten für alle Erblande.

1. Arbeiten während der Regierung Maria Theresias.

In älterer Zeit entsprang das Verlangen nach Codificirung des Landesrechtes aus den Kämpfen zwischen den Ständen und dem Landesherrn. Die Schwierigkeiten, welche in der Lösung politischer Fragen lagen, waren es, die die Beendigung derartiger Codificirungsarbeiten in die Länge zogen.

Allmählig trat das Privatrecht in den Vordergrund, zunächst vielleicht wegen des Zusammenhanges mit den in politischer Beziehung so werthvollen Jurisdictionsbefugnissen.

Das Verlangen nach Gewinnung eines sichern Rechtes traf zusammen mit der Entwicklung moderner Anschauungen über die Aufgabe des Regenten, für das gemeine Wohl zu sorgen. Die herrschende Geistesrichtung musste diejenigen, welche die Lösung dieser Aufgaben in's Auge fassten, dahin drängen, sich mit Vorliebe der Justizpflege zuzuwenden. Naturrechtliche Schriften beschäftigten die Geister in hohem Grade, und mussten denen, die an diesen [Seite: 37] geistigen Kämpfen Äntheil nahmen, den Zusammenhang der Forschung nach dem, was recht ist, mit den höchsten Aufgaben des menschlichen Geistes vor die Seele führen. Die Pflege des Rechtes als einer gleichmachenden Kraft war der erst in der Entfaltung begriffenen Staatsgewalt förderlich; nicht minder machte es sich bald fühlbar, dass im Rechte eine Verbindende und erhaltende Macht liege.

Die Vorstellung von dem Nutzen und Werthe einer Codificirung verbreitete sich durch die vielfältigen und langjährigen Codificirungsarbeiten, welche in allen österreichischen Ländern stattgefunden hatten, in den weitesten Kreisen. Die Mangelhaftigkeit der gelieferten Resultate hat wenigstens nirgend eine andere Wirkung hervorgebracht, als dass man die Einsetzung neuer Commissionen begehrte, oder durch Aenderung der Instructionen auf die Thätigkeit der Commissionen einen belebenden Einfluss zu üben versuchte. Aller Zeitverlust und alles Misslingen steigerten nur das Verlangen nach dem Gelingen.

Verschiedene Umstände wirkten zusammen, um das Verlangen nach Codificirung des Landesrechtes zu unterstützen. Dazu sind zu rechnen, das Streben, das Recht zu popularisiren und sich von fremden Rechtsquellen zu emancipiren. Auf die Ausbildung des letztern Strebens musste nächst der Verbreitung naturrechtlicher Lehren der Umstand grossen Einfluss üben, dass die beginnende Krystallisation der staatlichen Elemente in Oesterreich diese Elemente notwendigerweise vom deutschen Reiche ablenken musste.

Indem man sich in dieser Weise von der gemeinsamen Rechtsquelle des gemeinen Rechtes entfernte, musste das Bedürfniss eines gemeinsamen Rechtes für die österreichischen [Seite: 38] Länder in anderer Weise befriedigt werden. Wiederholte Versuche für mehrere Länder gleiches Recht einzuführen, waren vorangegangen, und hatten jedenfalls für die Verbreitung der Idee der Rechtseinheit vorbereitet. Nach der Schöpfung von Centralstellen für die Rechtspflege und für die politische Verwaltung mussten die Anlässe sehr häufig eintreten, in denen die Verschiedenheit der Gesetzgebung als ein Hinderniss der Verwaltung erschien und zugleich auch das Rechtsgefühl verletzte. Dieser Missstand musste sich auf dem Gebiete der Rechtspflege viel häufiger als auf dem der politischen Verwaltung ergeben; eine Abhilfe schien aber für ersteres viel leichter als für letzteres zu erreichen. Die Landesverfassung und Alles, was mit dem damaligen Wirkungskreise der Stände im Zusammenhange stand, sollte in den einzelnen Ländern unverändert bleiben, es wäre aber kaum möglich gewesen, ein einheitliches Gesetzwerk ins Leben zu führen, wenn man sich vorher in Verhandlungen mit den Ständen aller Länder hätte einlassen müssen. Diese Verhandlungen hielt man aber bei Justizgesetzen, welche, wie man meinte, nicht in die Landesverfassung eingriffen, nicht für nöthig.

a. Einsetzung der Compilationscommission vom Jahre 1763.

Unter diesen Verhältnissen konnte ein geringer Anlass genügen, um die Ergreifung einer so bedeutenden Massregel, als es die Einsetzung der im Jahre 1753 einberufenen Compilationscommission war, herbeizuführen. Die in einer Aufschreibung eines Secretärs der Gesetzgebungs-Hofcommission enthaltene Mittheilung, dass eine im Jahre 1762 überreichte Denkschrift eines innerösterreichischen Appellationsrathes die Veranlassung zu dieser Einsetzung geworden sei, erscheint demnach nicht unwahrscheinlich.[Seite: 39]

Es liegt auch eine von Niemandem unterzeichnete Denkschrift vor, welche die Einsetzung einer ständigen Gesetzgebungscommission zur Herbeiführung einer Rechtseinheit in Oesterreich empfiehlt, und deren Argumente bei den zum Zwecke der Einsetzung der Compilationscommission ergangenen Verfügungen benützt wurden39.1.

In dieser Denkschrift, in welcher die Rechtseinheit der Einheit Gottes und des Landesfürsten an die Seite gesetzt wird, werden die mannigfaltigsten Vortheile der Rechtseinheit aufgezählt. Der Verkehr wird berücksichtigt, da derselbe durch die Verschiedenheit des Rechtes nicht minder als durch dessen Unsicherheit gefährdet werde. Daneben wird der Justizadministration gedacht, welche wesentlich erleichtert würde, wenn die Juristen des einen Landes in allen andern Ländern verwendet werden könnten.

Der Vice-Präsident der obersten Justizstelle, Otto Graf von Frankenberg, welcher sich, wie es scheint, aus Anlass dieser Denkschrift über die Idee der Codification eines einheitlichen Rechtes zu äussern hatte, ging auf diese Idee ein und erstattete Vorschläge über die Verwirklichung derselben39.2. Hervorzuheben ist unter diesen Vorschlägen die Zuziehung von Fachmännern aus den verschiedenen Ländern, die Entbindung derselben von allen andern Berufsarbeiten, die Festsetzung eines Generalplanes für das ganze Gesetzwerk; die Forderung, in Allem die [Seite: 40] Verbesserung der Justiz anzustreben, und die Hinweisung auf den Vergleich mit auswärtiger Gesetzgebung.

Bemerkenswerth ist es auch, dass Graf Frankenberg die Einberufung eines Gerichtsvorstehers aus Preussisch-Schlesien, dem er die Rolle des Referenten zudachte, empfahl, da dieser als ein Fremder bei der Entscheidung zwischen mehreren miteinander collidirenden Landesrechten nicht befangen sein würde.

Die Kaiserin billigte dem Wesen nach diese Vorschläge, und so konnte der oberste Kanzler Graf Haugwitz schon am 14. Februar 1753 der obersten Justizstelle die Einsetzung der zur Ausarbeitung des codex theresianus berufenen Commission anzeigen. Dieselbe sollte unter dem Präsidium des Grafen Frankenberg aus je einem Mitgliede für Böhmen, Mähren, Oesterreich und Steiermark bestehen. Diese Art der Berufung der Commissionsglieder wurde mit der Verschiedenheit zwischen den böhmischen und österreichischen Rechten motivirt. Die Commission wurde für den 1. Mai 1753 einberufen und am 3. Mai 1753 durch den obersten Kanzler in einer feierlichen Sitzung, an welcher nebst den einberufenen Commissionsgliedern die Räthe des Directorium und der obersten Justizstelle theilnahmen, eröffnet.

Um die Grösse der Aufgabe zu würdigen, an deren Lösung man durch Einsetzung dieser Gesetzgebungscommission schritt, muss man sich die Justizzustände jener Zeit vergegenwärtigen, und sowohl an die Elemente denken, von denen das Zustandekommen des Gesetzwerkes abhing, als auch an jene, durch welche das neue Gesetz angewendet werden sollte40.1.[Seite: 41]

Allgemein waren die Klagen über das Darniederliegen der Rechtspflege; in zahlreichen Denkschriften, welche der Kaiserin überreicht wurden, machten sich Beschwerden über Richter und Advocaten Luft, in denen man die Quelle aller Uebel erblickte. Die politische Verwaltung war mit der Rechtspflege selbst in den höheren Instanzen verbunden, und gering war die Zahl und das Ansehen der rechtsgelehrten Richter, welche an der Entscheidung von Justizsachen teilzunehmen hatten. Wissenschaftlich gebildete Leute konnten, wie es in einer Denkschrift heisst, gegenüber den Routiniers der Praxis nicht durchdringen. Aus einer Schilderung der Zustände des niederösterreichischen Landrechtes entnimmt man, dass dasselbe damals noch aus einer Herren- und Ritterbank bestand. Dem grössten Theile der Mitglieder wird sowohl die Befähigung als das Streben sich zu unterrichten abgesprochen. Mit sehr herben Worten wird der Vorgang in den Sitzungen, die Behandlung der Parteien und insbesondere die Leichtfertigkeit gegeisselt, mit welcher man jungen, unerfahrenen Leuten das votum decisivum einräume. Das Urtheil Uber dieses Gericht wird in den Worten zusammengefasst, dass diese Stelle allgemein verachtet sei; Jedermann trachte von derselben bald wegzukommen, man könne bei derselben weder Ehre noch Anregung finden; dazu komme die ganz unzulängliche materielle Stellung, unter zweiundzwanzig Posten seien nur acht besoldet, und auch diese nur mit einem Gehalte von 1500 fl. dotirt, welcher zu einem standesgemässen Unterhalte offenbar unzureichend sei.

Wenn ein Gerichtshof von der Bedeutung des [Seite: 42] niederösterreichischen Landrechtes sich in einem Zustande so traurigen Verfalles befand, welche Schlüsse muss man daraus auf die Beschaffenheit der Rechtspflege im Allgemeinen ziehen.

Die Schwierigkeit einer Reform geht sowohl aus den Gegenbestrebungen, als aus der Unklarheit hervor, mit welcher man einander direct entgegengesetzte Vorschläge motivirte. Den Denkschriften, welche damals über Gesetzgebungsfragen überreicht wurden, kam eine nicht geringe Bedeutung zu, denn sie waren zumeist mit Berechnung auf die bekannte Denkweise der Kaiserin ausgearbeitet und die Kaiserin liebte es, selbstthätig einzugreifen.

Bemerkenswerth ist die Abneigung gegen das römische Recht, welche sich in vielen dieser Aufsätze ausspricht. Dasselbe wird nur als Culturelement gleich andern römischen Alterthümern in Betracht gezogen; an der Rechtsschule und bei Gericht soll es entbehrlich gemacht werden.

Neben geradezu abenteuerlichen Vorschlägen, welche ernsthaft discutirt werden mussten, findet man aber auch manche Ideen ausgesprochen, deren Verwirklichung einer späteren Zeit vorbehalten blieb. So wird in einer dieser Denkschriften der Werth, den die Geheimhaltung des Referenten für die Unparteilichkeit der Rechtspflege habe, bezweifelt und beigefügt, dass es besser wäre, wenn der Vortrag des Thatbestandes und der Gründe dem Publicum bekannt würde. In einer andern Denkschrift wird verlangt, dass die Eltern das Recht haben sollen, neben dem Vormund Jemanden zur Controlle Uber den Vormund zu bestellen, und dass die Verwandten des Pflegebefohlenen das Recht haben sollen, den Vormund zu beaufsichtigen.

Von der grössten Wichtigkeit sind aber die gegen die Trennung der Justiz von der Verwaltung und gegen die Errichtung von Centralstellen gerichteten Bestrebungen. [Seite: 43] Die Einsetzung der obersten Justizstelle rief eine sehr entschiedene Remonstration hervor, in welcher der Kaiserin die Beunruhigung der Gemüther ihrer Unterthanen und die Beunruhigung ihres eigenen Gewissens in Aussicht gestellt wird. Diejenigen, welche dieser Ansicht huldigten, konnten den Aufgaben der Gesetzgebungscommission, welche mit hinreichenden in der Natur ihrer Aufgabe liegenden Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, nicht förderlich sein.

Wie sehr aber diese Bestrebungen namentlich gegen das Ende der Regierung Maria Theresia's an Raum gewannen, lässt sich daraus entnehmen, dass die oberste Justizstelle sich zu einer offenen Bekämpfung der bisherigen Codificirungsarbeiten bestimmt fand, indem sie dieselben als Ausfluss einer schädlichen Universalisirung hinstellte und der Kaiserin gleichzeitig rieth, die vereinigte Hofkanzlei aufzulösen und die Justiz mit der Verwaltung bei den zweiten Instanzen wieder zu verbinden.

Diese Verhältnisse machen die Klagen verständlich, welche die Mitglieder der Gesetzgebungscommissionen zu verschiedenen Zeiten gegen jene Kämpfe laut werden liessen, welche ausserhalb der Berathungszimmer geführt wurden, und über das Schicksal ihrer Arbeiten entschieden. Man findet es begreiflich, dass jene, die einen hervorragenden Antheil an diesen Arbeiten zu nehmen hatten, durch die Last ihrer Aufgaben aufgerieben wurden. Erklärlich findet man es endlich, dass die Codificirungen so oft, wenn sie ihrem Ziele nahe waren, scheiterten, und durch so lange Zeit unvollendet blieben.

Von diesen Schwierigkeiten hatte man allerdings bei Einsetzung der Compilationscommission keine klare Kenntniss. Man war vielmehr mit froher Zuversicht auf das Gelingen des Werkes erfüllt, und arbeitete mit einem staunenswerten Aufwande an Zeit und Mühe, der sich nur durch [Seite: 44] die Annahme erklären lässt, dass die Männer, welche sich an der Codification zu betheiligen hatten, für ihre Aufgabe begeistert waren.

Den hervorragendsten Antheil an den Arbeiten44.1 nahmen während der ersten Periode derselben der Abgeordnete für Böhmen Joseph Azzoni, Professor und früher Advocat in Prag, der statt des ursprünglich zum Commissionsmitgliede bestimmten Advocaten Schutzbreth von Schutzwert zur Commission zugezogen worden ist, und der Abgeordnete für Oesterreich Regierungsrath Joseph Ferdinand Holger. Dieselben waren zugleich auch die bedeutendsten Repräsentanten der Landesrechte Oesterreichs und Böhmens, die im Verlaufe der Codificationsarbeiten einander als Gegensätze gegenübergestellt wurden.

Zu geringerem Einflüsse gelangten der Abgeordnete für Mähren Tribunalskanzler aus Brünn Heinrich Hayek von Waldstetten, und der Abgeordnete für Steyermark Regierungsrath von Thinnefeld aus Graz, der statt des ursprünglich ernannten Revisionsrathes Joseph von Luidl eingetreten war.

Die Commission, welche ursprünglich nur aus vier Mitgliedern bestehen sollte, wurde später noch durch einen Abgeordneten für Schlesien Rath von Burmeister und durch einen Abgeordneten für Vorderösterreich Rath von Hormayr vermehrt. Dieselben werden aber in den Berathungs-Protocollen fast gar nicht genannt.

Die Commission verlor noch vor ihrem Zusammentreten durch den Tod ihren designirten Präsidenten; statt seiner wurde der Präsident der Repräsentation und [Seite: 45] Kammer in Brünn Freiherr von Blümögen mit der Leitung der Commission betraut. Dieser Umstand wurde zur Ursache, dass Brünn zum Sitze der Commission gegen das Einrathen ihrer Mitglieder bestimmt wurde. Vergeblich hoben diese hervor, dass die Commission, wenn sie in Wien tagen könnte, von der Nähe der Bibliotheken und Archive so wie von der Erleichterung des Verkehres mit den Centralstellen Nutzen ziehen würde.

In Wien wurden nur einige Sitzungen abgehalten, um den Plan des ganzen Werkes festzustellen.

In der Eröffnungssitzung vom 3. Mai 1753 kam die Einteilung des Stoffes und die Geschäftsbehandlung zur Sprache. Im Eingange des über diese Sitzung aufgenommenen Protocolles wird nach Hervorhebung des Nutzens einer gleichförmigen Gesetzgebung und des persönlichen Anteiles, den die Kaiserin an dem Werke nehme, eine Grenze der vorzunehmenden Arbeiten dadurch gezogen, dass Alles, was mit dem öffentlichen Rechte und mit den bestehenden Jurisdictionsverhältnissen zusammenhänge, unverändert zu erhalten sei. Zugleich wird die bedeutungsvolle Mahnung erhoben, von der Vorliebe für die besonderen Einrichtungen der einzelnen Länder um des gemeinsamen Zweckes willen abzugehen.

Hinsichtlich der Einteilung des ganzen Stoffes beschloss man, sich nicht an das Schema irgend eines häufig benützten Handbuches des römischen Rechtes, deren mehrere zu diesem Zwecke vorgeschlagen worden waren, zu binden, und, überhaupt dem Ergebnisse der Berathungen nicht weiter vorzugreifen, als die Hauptabtheilung in drei Theile, welche von den Personen, Sachen und Obligationen sowie den daraus entspringenden Klagen handeln sollen — aufzustellen. Diese drei Haupttheile sollten nacheinander in Angriff genommen, die Unterabtheilungen aber gleichzeitig [Seite: 46] durch die verschiedenen Mitglieder bearbeitet werden. Die Grundsätze eines jeden Titels gedachte man vor Ausarbeitung des Textes durch Beschlüsse der Commission feststellen zu lassen, und hoffte den Einklang zwischen den einzelnen Theilen nach Vollendung des ganzen Werkes herstellen zu können. Damit es aber an einer Uebersicht nicht fehle, wurden die Mitglieder der Commission beauftragt, einen detaillirten Plan des ganzen Werkes zu verfassen. Diesem Auftrage entsprachen dieselben auch innerhalb der Frist eines Monates, indem sie einen von Azzoni vorgelegten Entwurf der Eintheilung beriethen und annahmen.

Die rasche Beendigung dieser Arbeit und die Vortheile, die sich aus der Einheit des Referates ergeben mussten, hatten zunächst zur Folge, dass man sich für eine Aenderung des über die Geschäftsbehandlung gefassten Beschlusses und für die Bestellung eines Hauptreferenten, den die übrigen Mitglieder vornehmlich durch Sammlung von Materialien zu unterstützen hätten, aussprach. Durch eine Zersplitterung der Arbeit in mehrere Referate würde, so besorgte man, nicht nur die Gleichartigkeit leiden, sondern auch die Gefahr eintreten, dass die einzelnen Mitglieder sich nur hinsichtlich des ihnen zur Bearbeitung zugewiesenen Stoffes erschöpfend vorbereiten würden.

Bei der Schlussberathung, welche nach Feststellung des Generalplanes gehalten wurde, erörterte man die Frage, ob es die Aufgabe der Commission sein solle, ein ganz neues, bloss aus der gesunden Vernunft abgeleitetes Recht zu verfassen, oder die bestehenden Landesrechte zu compiliren und die sich zeigenden Lücken aus dem allgemeinen Naturrechte und dem Völkerrechte auszufüllen.

Die ausführliche Motivirung, mit welcher man die Aufgabe der Commission in die Codificirung des bestehenden Rechtes verlegte, lässt darauf schliessen, dass man die [Seite: 47] Ertheilung eines entgegengesetzten Auftrages nicht für unmöglich hielt. Das bestehende Recht wird hiebei theils aus dem Grunde empfohlen, weil man für die Arbeit eines Musters bedürfe, theils weil man die Besonderheiten der Landesrechte achten müsse, und theils endlich, weil ein neues Recht schwer in die Lebensgewohnheiten übergehe. Zugleich wird die Annahme ausgesprochen, unvermerkt ein gleiches Recht herstellen zu können. In den meisten Dingen herrsche ohnediess Uebereinstimmung, und die Aenderungen, die man im Interesse der Gleichförmigkeit vornehmen müsste, würden nicht auffallen.

Das Betonen der Nothwendigkeit, an den bestehenden Landesrechten festzuhalten, musste den Mitgliedern der Commission die Verpflichtung nahelegen, sich mit den Rechtsquellen der verschiedenen Länder vertraut zu machen. Wenige Monate, so glaubte man,würden hinreichen, um jedes Commissionsglied in den Stand zu setzen, eine Darstellung des Rechtes seines Landes zu verfassen und zur Orientirung der übrigen Mitglieder vorzulegen. Zu diesem Zwecke sollten den Commissionsmitgliedern alle Archive zugänglich gemacht werden, in denen sie Materialien zur Darstellung der Landesrechte finden könnten.

Bei der am 9. Juni 1753 unter dem Vorsitze des obersten Staatskanzlers abgehaltenen Sitzung ging man auf die Anträge der Commission ein, und billigte namentlich den Vorschlag, Darstellungen der Landesrechte ausarbeiten zu lassen. Man hielt es zugleich für geeignet, die Spitzen der Behörden im Privatwege um Herbeischaffung der Landesrechte anzugehen, damit die Commissionsglieder nicht genöthigt seien, sich desshalb an die Stände zu wenden, welche leicht Schwierigkeiten machen könnten.

Bemerkenswerth ist es, dass man bei der Erörterung [Seite: 48]des von der Commission vorgelegten Generalplanes, den man genehmigte, nur eine Stelle in der Einleitung desselben beanstandete,nach welcher das römische Recht ausdrücklich ausser Kraft gesetzt werden sollte. Man wies zwar die Compilatoren an, bei ihren Ausarbeitungen von dem römischen Rechte gänzlich abzusehen, wünschte aber gleichwohl, dass nur eine Aufhebung der Landesrechte ausgesprochen werde, da man zur Entscheidung von Fällen, die in dem neu auszuarbeitenden codex theresianus unberücksichtigt geblieben sein dürften, doch werde zum römischen Rechte seine Zuflucht nehmen müssen. Ausserdem besorgte man durch eine ausdrückliche Abschaffung des römischen Rechtes, das die Grundlage des Rechtes der Länder des deutschen Reiches bilde, die auswärtige Kritik herauszufordern.

Diese Züge gewähren einigen Einblick in die Bestrebungen jener Zeit; zur Vervollständigung dieser Characteristik mag es dienen, von zwei Resolutionen Kenntniss zu nehmen, welche Maria Theresia selbst verfasste und eigenhändig auf die ihr vorgelegten Protocolle der oben geschilderten Sitzungen vom 3. Mai und vom 9. Juni 1753 niederschrieb. In der erstem fordert sie nach Beifügung des "placet" — "es wären alle zu ermahnen, dass nebst der Absicht der Gleichförmigkeit deren Gesetzen auch schleunigst selbe sollen besorgen, und hauptsächlich entdecken sollen, die in allen Erblanden eingeschlichenen Missbräuche, deren Verzögerung, wie abzuthun wären die sogenannten Vorurtheile, Schlendrian der sogenannten abusiven Gerichtsordnung und wie die Aufzüge und die angefochtene Unschuld wider die gewöhnlichen Advocatenkünste vor das Künftige können geschützt werden, und wie die gottlose Leut und Pest eines Staates und einer [Seite: 49] christliehen Gemeinde können angesehen und bestraft werden."

Wenn man aus dieser Resolution entnimmt, welche Ziele der Kaiserin vorschwebten, so ist es nicht minder interessant, aus der zweiten Entschliessung zu entnehmen, wie sehr der Blick am Kleinen haftete. Die Kaiserin verfügte nämlich, indem sie die Vertagung der Commission bis zum 1. October 1753 — zum Zwecke der Ausarbeitung von Darstellungen der Landesrechte — genehmigte, aus eigenem Antriebe, dass man den Commissionsgliedern die ihnen für die Zeit der Vertagung mit der Hälfte des ursprünglichen Betrages von 12 fl. bewilligten Diäten erst nach Ablieferung ihrer Arbeiten und nachdem man sich von der Beschaffenheit derselben werde überzeugt haben, auszahlen solle.

Das erste Resultat der Arbeiten der eingesetzten Commission ist der Generalplan des ganzen Werkes, welcher, wie schon oben erwähnt wurde, in der kurzen Zeit eines Monates zu Stande kam. Als Grundlage aller späteren Arbeiten verdient er einiges Interesse.

Die Vorbemerkung dazu gibt zunächst den Standpunct der Commission wieder. Die Herbeiführung einer Gleichförmigkeit des Rechtes betrachtete sie als ihre oberste Aufgabe, die sie zunächst durch eine Compilation der bestehenden Rechte zu lösen hoffte. So sehr man dabei aber betonte, dass man von Vorurtheilen für Landeseigenthümlichkeiten absehen müsse, so sollte dadurch doch nicht ausgeschlossen werden, dass manche Verschiedenheiten als Vorrechte einzelner Länder fortbestehen. Der Zweck der Codification ist schon im Titel des codex theresianus ausgesprochen; derselbe lautet: "Mariä Theresiae etc. etc. Allgemeines Recht für dero gesammte deutsche Erblande, nach welchem sämmtliche treugehorsamste Stände, [Seite: 50] Inwohner und Unterthanen und sowohl obere als untere Stellen als einem gleichförmig gewissen und festen Gesetz gerichtlich und aussergerichtlich hiefür sich betragen und lediglich darnach handeln und richten sollen."

Ueber die Art, wie die Commission zu arbeiten beabsichtigte, gibt ihre Versicherung Aufschluss, sie werde trachten: "damit jenes, so in der natürlichen Billigkeit gekündet, von sichern Hauptsätzen durch richtige Vernunftschlüsse abgeleitet von der echten Rechtslehre unentfernt, und mit dem Gebrauch deren gesittesten Völkern einstimmig ist, durchgängig beibehalten, all anders aber so diesen untrüglichen Quellen nicht beikommt, nach bisherigen ein und ander erbländigen heilsamsten Gesetzen und Rechtsverordnungen, dann wo es nöthig mittelst allerhöchster neuer Gesetzgebung verbessert, und soweit ein gleiches und allgemeines sicheres Recht eingeführet und festgestellet werde."

Der codex theresianus sollte abweichend von dem ursprünglich gefassten Beschlusse nicht in drei, sondern in vier Theile zerfallen, welche dem Rechte der Personen — der Sachen — der Verbindungen — und der Ordnung gerichtlichen Verfahrens gewidmet wurden. Jeder Theil wurde in mehrere Abhandlungen, von denen der erste 9, der zweite 15, der dritte 14 und der vierte 22 enthalten sollte, untergetheilt; jede Abhandlung sollte in mehrere Abschnitte, diese in Paragraphe und diese in Absätze zerfallen.

Der Generalplan enthält für jede Abhandlung und jeden Abschnitt eine kurze Characterisirung des Inhaltes derselben, zu dessen Begründung zumeist Citate des römischen Rechtes angeführt wurden. Bemerkenswerth ist es, dass man es nothwendig fand, diesen Vorgang insbesondere zu rechtfertigen, und sich dagegen zu verwahren, [Seite: 51] dass eine Bevorzugung des römischen Rechtes beabsichtigt sei. Als Grund dieser Schreibweise wird angeführt, dass die theoretische Vorbildung auf dem römischen Recht beruhe, und dass man besorge, durch das Bemühen, sich einer reinen deutschen Sprache zu befleissen bei der kläglichen Gewöhnung an die lateinische" undeutlich zu werden.

Wie lebhaft man sich mit der Frage über das Verhältniss des neu zu schaffenden Rechtes zum römischen Rechte beschäftigte, geht daraus hervor, dass man immer wieder darauf zurück kam. Die Richtung, die man einschlagen wollte, wird am besten durch folgende Bemerkung gekennzeichnet, die bei Skizzirung des Inhaltes eines Abschnittes in der ersten Abhandlung von der Gerechtigkeit und den Rechten eingeschaltet wurde. Das römische Recht sollte nicht mehr in gesetzlicher Geltung stehen, darum aber nicht aufhören, auf der Lehrkanzel vertreten zu sein; es sollte gelehrt werden, weil es zur Gesetzesanwendung geschickt mache und "die natürliche Billigkeit, in welche das allgemeine erbländische — erst zu schaffende — Recht gegründet ist, entdecke."

Die systematische Eintheilung, welche dem Generalplan zu Grunde liegt, gewährt einen Einblick in die Anschauungsweise der Compilatoren, und ist auch darum doppelt interessant, weil sie sich an keine der über einzelne Theile des Rechtsstoffes in den verschiedenen Ländern entstandenen Codificationen anlehnt, und zum Theile für die Stoffeintheilung in unserem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche massgebend blieb.

Der erste Theil: Von dem Recht der Personen zerfällt in folgende Abhandlungen:

I. Von der Gerechtigkeit und den Rechten mit den Abschnitten: 1. Von den Rechten insgemein. 2. Von [Seite: 52] öffentlichem und sonderbarem (privat) Recht. 3. Von dem beschriebenen Recht und denen Gewohnheiten. 4. Von dem gemeinen römischen und sonderheitlichen Länderrechten. 5. Von Ausdeutung deren Rechten und der natürlichen Billigkeit. 6. Vom Gegenstand des Rechtes.

II. Vom Stand des Menschen mit den Abschnitten: 1. Vom Stand der Freiheit. 2. Von dem Stand der Bürgerschaft. 3. Von dem Hausstand.

III. Von der väterlichen Gewalt mit den Abschnitten: 1. Von Vorrechten, so dem Vater über die Kinder zustehen. 2. Von dem Recht der Kinder in Ansehung des Vaters. 3.Von dem Recht zwischen Mutter und Kinder. 4. Wie die väterliche Gewalt erlanget werde und aufhöre.

IV. Von Eheverlöbnissen mit den Abschnitten: 1. Von Eheberedungen, Heirathsgut und Widerlage oder Gegenvermächtniss. 2. Von Leibgedingen und Witthum-Sitz. 3. Von Morgengabe und andern Schenkungen zwischen Braut und Eheleuten. 4. Von der Weiber Vermögen ausser dem Heirathsgut. 5. Von Versicherung der Heirathssprüche und derselben rechtlichen Forderung.

V. Von Anverwandten und Sippschaft mit den Abschnitten: 1. Von Unterschied und Stufen der Anverwandtschaft. 2. Von den Rechten deren Anverwandten untereinander.

VI. Von der Vormundschaft mit den Abschnitten: 1. Von letztwillig aufgetragener Vormundschaft. 2. Von Vormundschaft der nächsten Blutsfreunde und Anverwandten. 3. Von obrigkeitlich aufgetragener Vormundschaft. 4. Von Entschuldigung deren Vormündern. 5. Wie die Vormundschaft anzutreten. 6. Von Macht und Gewalt der Vormünder. 7. Von Verwaltung deren Unmündigen Vermögens. 8. Von Erlegung deren vormundschaftlichen Rechnungen. 9. Wann und welchergestalten die [Seite: 53] Vormundschaft aufhöre. 10. Von Abtretung der Vormundschaft und Einantwortung der Güter.

VII. Von Obsorge und Pflege deren minderjährigen und andern Personen mit den Abschnitten: 1. Von Sinnlosen und Blödsinnigen. 2. Von Verschwendern. 3. Von andern Fällen, wo Jemandem die Obsorge und Pflege fremden Vermögens gerichtlich aufgetragen wird. 4. Von Obliegenheiten deren, welchen die Obsorge und Pflege aufgetragen wird.

VIII. Von Herren und Unterthanen mit den Abschnitten: 1. Von leibeigenen Unterthanen. 2. Wie die Leibeigenschaft erworben werde, und die Entlassung davon beschehe. 3. Von andern nicht leibeigenen Unterthanen und derenselben Schuldigkeiten.

IX. Von Dienstpersonen mit den Abschnitten: 1. Wie ein Herr gegen seine unverraitteten Diener verfahren könne. 2. Von Schuldigkeit deren Dienstleuten.

Der zweite Theil von dem Rechte der Sachen enthält folgende Abhandlungen:

I. Von Sachen, so einem Jeden zustehen, mit den Abschnitten: 1. Von beweglichen und unbeweglichen Sachen, Gütern und Habschaften. 2. Von körperlichen und sonderkörperlichen Sachen. 3. Von Sachen, so gegenwärtig oder in der Hoffnung seind.

II. Von Erwerbung des Eigenthums mit den Abschnitten: 1. Von Erwerbung des Eigenthums durch das Natur- und Völkerrecht. 2. Von Erwerbung des Eigenthums durch das bürgerliche Recht. 3. Von Veräusserung der Sachen, Aufhör und Veränderung des Eigenthums.

III. Von Erbfolge aus letztem Willen mit den Abschnitten: 1. Von letzten Hauptwillen insgemein und dessen Feierlichkeit. 2. Von letzten Hauptwillen, so keine oder nicht so viel Feierlichkeit erfordert. 3. Von [Seite: 54] letztwilliger Nach- oder Nebenverordnung. 4 Von Unkräften oder Entkräftung des letzten Willens.

IV. Von der Erbeinsetzung mit den Abschnitten: 1. Von der Erbeinsetzung oder Enterbung der Kinder. 2. Von der Erbeinsetzung oder Enterbung deren Eltern oder Geschwistern. 3. Von willkürlichen oder fremden Erben.

V. Von zweiter Erbseinsetzung oder Nachberufung mit den Abschnitten: 1. Von der zweiten Erbseinsetzung, wenn der Erste nicht Erbe wäre. 2. Von Nachberufung auf den Fall, dass der Eingesetzte in der Unmündigkeit verstürbe. 3. Von Nachberufung zur Erbschaft aus Händen des eingesetzten Erben.

VI. Von Vermächtnissen und vertrauter Zustellung der Güter mit den Abschnitten: 1. Welcherlei Sachen und wem vermachet oder verschaffet werden können. 2. Von Sachen, so mehreren zugleich verschaffet werden. 3. Von Widerrufung oder Schmälerung deren Vermächtnissen.

VII. Von Erhebung eines letzten Willens und Darnachverhaltung mit den Abschnitten: 1. Von Eröffnung und Kundmachung des letzten Willens. 2. Von Bedenkzeit zur Erbserklärung. 3. Von Antretung der Verlassenschaft. 4. Von Theilung der Verlassenschaft.

VIII. Von Erbfolge oder Anfall nach den Rechten mit den Abschnitten: 1. Erbfolge deren Absteigenden. 2. Erbfolge deren Aufsteigenden. 3. Erbfolge deren Anverwandten. 4. Erbfolge deren Eheleuten. 5. Erbfolge zu Händen landesfürstlicher Kammer oder hiezu berechtigter Gemeinden. 6. Von Antretung einer durch das Recht angefallenen Verlassenschaft.

IX. Von Erb- oder Nachfolge durch Vergleichung oder Gemeinschaft der Güter mit den Abschnitten: 1. Von errichtender Gemeinschaft der Güter. 2. Von [Seite: 55] Erbverbrüderungen. 3. Von gemeiner Uebergabe der Güter, 4. Von Vereinigung der Kinder oder Einkindschaft.

X. Von Schenkungen auf den Todesfall und zwischen Lebenden mit den Abschnitten: 1. Von Wirkungen der Schenkungen auf den Todesfall. 2. Von Wirkungen der Schenkungen zwischen Lebenden. 3. Von Schenkungen, so nicht in blosser Freigebigkeit bestehen, 4. Von Widerruf und Entkräftung der Schenkungen.

XI. Vom Recht, so an den Sachen haftet, mit den Abschnitten: 1. Von nutzbar Eigenthum, Erb- oder Zinsrecht oder Zehend. 2. Von dem Recht der Oberfläche. 3. Von dem Recht der Nutzniessung oder Niessbrauch. 4. Von dem Recht des Gebrauchs und der Wohnung.

XII. Von Dienstbarkeiten an Stadt- und Landgütern mit den Abschnitten: 1. Von Dienstbarkeiten deren Land- und Feldgründe. 2. Von Dienstbarkeiten, deren Haus- und Wohngründe. 3. Wie derlei Dienstbarkeiten erworben und wieder geendiget werden.

XIII. Von Pfand und Unterpfand oder Versicherungsrecht mit den Abschnitten: 1. Von Art und Weise einer Pfands- oder Sicherheitsbestellung. 2. An welchen Sachen ein Pfand oder Sicherheit bestellt werden könne. 3. Von Veräusserung deren zum Unterpfand bestellten Sachen. 4. Wie das Pfand oder Versicherungsrecht aufgehoben werde.

XIV. Von der Sachen Besitz mit den Abschnitten: 1. Wie der Besitz erworben wird. 2. Wie der Besitz erhalten wird. 3. Wie der Besitz wieder erlanget wird.

XV. Von Verjährung der Sachen und Rechten mit den Abschnitten: 1. Von Verjährung beweglicher Sachen. 2. Von Verjährung unbeweglicher Sachen. 3. Von Verjährung deren an Sachen haftenden Rechten. 4. Wie die Verjährung unterbrochen werde. 5. Welche Sachen und Rechte nicht verjährt werden können.[Seite: 56]

Der dritte Theil von dem Rechte der Verbindungen zerfällt in folgende Abhandlungen:

I. Von Verbindungen und Rechtsforderungen insgemein mit den Abschnitten: 1. Von natürlicher Verbindung. 2. Von Verbindungen, wo das Recht beistehet, 3. Von Verbindungen, denen das Recht entgegen ist.

II. Von Verbindungen und Rechtsansprüchen aus dem Stand der Personen mit den Abschnitten: 1. Betreffend den Stand der Freiheit. 2. Betreffend den bürgerlichen Stand. 3. Den Hausstand betreffend.

III. Von rechtlichen Ansprüchen aus dem Eigenthum und andern an Sachen haftenden Rechten mit den Abschnitten: 1. Von rechtlicher Anforderung des Eigenthums. 2. Wann Jemand für den Eigenthümer gehalten wird. 3. Von Anspruch des nutzbaren Eigenthums. 4. Von Anspruch der Sachen wider die Verjährung. 5. Von Anspruch der Sachen aus dem Recht der Dienstbarkeit. 6. Von Anspruch der Sachen aus dem Pfand- und Unterpfandsrecht. 7. Von Anspruch der Sachen, welche zum Nachtheil deren Gläubigern veräussert wurden.

IV. Von Anspruch der Sachen aus erblichem Recht mit den Abschnitten: 1. Von Anbegehrung der Erbschaft aus beiderlei Erbfolge. 2. Von Anbegehrung einer auf Zustellung anvertrauten Verlassenschaft. 3. Von Anbegehrung deren Vermächtnissen. 4. Von Anbegehrung der Verlassenschaft entgegen dem letzten Willen. 5. Von anbegehrender Ergänzung des Pflichttheiles. 6. Von anbegehrender Erbtheilung.

V. Von persönlicher Verbindung aus allerlei Zusage Vergleichungen und Einverständniss mit den Abschnitten: 1. Von Unterschied deren Vergleichungen nach dem römischen Recht. 2. Von Unterschied deren Vergleichungen nach diesem allgemeinen Recht.[Seite: 57]

VI. Von Vergleichungen, wo nur Einer verbunden wird, mit den Abschnitten: 1. Von Zusagen und Versprechungen. 2. Von Bürgschaften oder Zusagen für andere. 3. Von Freigebigkeit und Schenkung. 4. Von Verleihung oder Erborgung. 5. Von Schuldbriefen und Schuldscheinen.

VII. Von Vergleichungen, wo einer haupt-, der andere rückverbindlich wird, mit den Abschnitten: 1. Von Lehnung zu Gebrauch. 2. Von anvertrauter Verwahrung oder Hinterlegung der Sachen. 3. Von Verpfändung und Sicherheit. 4. Von Gewalt und Vollmacht.

VIII. Von Vergleichungen, wo beide vergleichende Theile hauptsächlich verbunden werden, mit den Abschnitten: 1. Von Vertauschung. 2. Von Kauf und Verkauf. 3. Von rechtlicher Forderung zu Erfüllung des Kaufs und Verkaufs. 4. Von Rechtsklage wegen minderen Werth. 5. Von Rechtsklagen zu Abweichung von dem Kauf. 6. Von Rechtsklagen wegen Verkürzung über die Hälfte. 7. Von Bedingnissen des Kaufs und Verkaufs. 8. Von Gewährung der verkauften Sachen und der Vertretung. 9. Von Vermiethung und Miethung oder Bestand und Pachten. 10. Von Rechtsforderung und Klage, so dem Miether oder Bestandmann zustehet. 11. Von Gesellschaft.

IX. Von Verbindungen, so gleichsam aus einer Vergleichung entstehen, mit den Abschnitten: 1. Von Besorgung der Geschäften. 2. Von Verwaltung der Vormundschaft. 3. Von der Sachen Gemeinschaft. 4. Von erblicher Gemeinschaft. 5. Von Verbindung aus Erbsantretung. 6. Von Bezahlung einer bedunckenden Schuld (solutio indebiti).

X. Von Verbindungen, so aus Verbrechen entstehen, mit den Abschnitten: 1. Von Verbindung, so aus Diebstahl oder Entfremdung entsteht. 2. Von Verbindung, so aus gewaltsamer Beraubung entsteht. 3. Von Verbindung aus [Seite: 58] zugefügtem Schaden. 4. Von Verbindung, so aus Antastung der Ehre oder Handvergreifung entsteht. 5. Von Verbindungen, so aus allerhand anderen Misshandlungen und Uebertretungen entstehen.

XI. Von Verbindungen, so gleichsam aus Verbrechen entstehen, mit den Abschnitten: 1. Wenn Jemand aus Unerfahrenheit seines Amts, Kunst oder Gewerbes einem andern geschadet. 2. Wenn aus Jemandens Wohnung etwas hinabgeworfen, ausgegossen oder gefährlich aufgehängt worden wäre. 3. Wenn durch Leute, deren sich Jemand bedienet, ein Schaden zugefüget oder ein Diebstahl begangen wird. 4. Von andern Fällen, wo Jemanden etwas ohne seine Arglist zum Verbrechen gerechnet wird.

XII. Von Verbindungen aus blosser natürlicher Billigkeit, mit den Abschnitten: 1. Von Verbindung und Rechtsklage zu Vorlegung und Ersichtigung einer Sache. 2. Von Unbehinderung männiglichen Nutzens und Gemächlichkeit. 3. Von Verbindungen aus blossen der Sachen Hergang. 4. Von Verbindungen aus blosser zur Sachen Unbefugniss.

XIII. Von Zugleich- oder Nebenverbindungen, mit den Abschnitten: 1. Von Nebenverbindungen anderer Personen oder Sachen. 2. Von Sammt- oder Sondersverbundenen und von Verbindung deren Erben. 3. Von Zinsen, Nutzungen, Schäden, Unkosten, Zahlverweilung und was sonst von Sachen Ursach hat.

XIV. Was gestalten eine Verbindung aufhöre, behoben oder getilget werde, mit den Abschnitten: 1. Von der Sachen Untergang. 2. Von beidertheiliger Erlassung oder Vermischung des Vermögens. 3. Von Darstellung eines andern Schuldners oder Gläubigers und Erneuerung der Schuld. 4. Von Bezahlung, für bezahlt Annehmung und Gegenvergütung. 5. Von Verjährung gegen die Verbindungen.[Seite: 59]

Der Inhalt des vierten Theiles, welcher der "Ordnung gerichtlichen Verfahrs" gewidmet war, kann hier übergangen werden, weil man im Verlaufe der Codificationsarbeiten beschloss, den formellen vom materiellen Theile zu trennen.

Das Civilrecht und der Process wurden in der Folge auch ganz unabhängig von einander bearbeitet.

Nach der eben mitgeteilten systematischen Eintheilung wurden die Darstellungen der Landesrechte von den einzelnen Commissionsgliedern bearbeitet. Von diesen Arbeiten sind nur mehr die Holger's über Niederösterreich, Waldstädten's über Mähren und ein Bruchstück von Azzoni's Arbeit über Böhmen vorhanden. Nach dem Titel derselben sollten sie die Abweichungen des Landesrechtes vom römischen Rechte — Azzoni bezeichnete nebstdem auch andere Rechte als Vergleichsobject — darstellen; sie sind jedoch reicher an allgemeinen Betrachtungen als an quellenmässigen Mittheilungen. Zur Characterisirung des Standpunctes, auf den sich damals eine Compilationscommission stellen konnte, gereicht es, dass Holger, Waldstädten und Azzoni darin übereinstimmen, dass die Gewalt Gesetze zu geben nur beim Landesfürsten sei und dass die Vernehmung der Stände über ein zu erlassendes Gesetz mit der Begutachtung durch die Regierungsbehörde auf gleicher Linie stehe. In dieser Auffassung der gesetzgebenden Gewalt des Landesfürsten wurzelt auch die von Azzoni und Waldstädten ausgesprochene Ansicht, dass das römische Recht in Böhmen und Mähren keine Gesetzeskraft habe. Dieselbe wird auf die Anordnung der Landesordnung gestützt, dass die Entscheidung des Landesfürsten in allen durch die Landesordnung nicht normirten Fällen einzuholen sei. Da aber Azzoni nicht unterlassen kann beizufügen, dass das gemeine Recht von den Gerichten thatsächlich [Seite: 60] angewendet wurde, so sucht er diesen Widerspruch in folgender Weise zu erklären: "Ist daher ganz füglich zu schliessen, dass zwar das gemeine römische Recht, in wie weit es blosse willkürliche Gesätze enthaltet, in Böheimb nicht bündig seye; in wie weit aber dasselbe eine allgemeine natürliche Billigkeit in sich fasset, nicht zwar als ein Gesetz oder eigentlicher lex positiva, sondern als eine wegen Beifall deren gesitteten Völkern ungezweifelte natürliche Billigkeit und echter Vernunftschluss zur Richtschnur andiene."

b. Arbeiten während der Zeit, als Azzoni das Referat führte.

α. Ueber den ersten Theil.

Am 5. November 1753 trat die Compilationscommission in Brünn zusammen und beschäftigte sich zuerst mit der Regelung ihres Geschäftsganges. Nach dem Vorschlage Azzoni's, der inzwischen zum Hauptreferenten für das Gesetzwerk bestellt und zum Hofrath befördert worden war, beschloss man, dass er vor Ausarbeitung einer jeden Abhandlung den Entwurf der Hauptsätze unter den Commissionsgliedern circuliren lasse, damit diese darüber schriftliche Bemerkungen erstatten könnten. Hierauf sollten sogenannte Ante-Commissionalsitzungen zum Zwecke einer mehr formlosen Erörterung folgen, und das Ergebniss dieser Erörterungen bei einer Haupt-Commissionssitzung geprüft werden. Die Meinungsverschiedenheiten, welche nach diesem Vorgange noch aufrecht bleiben würden, sollten durch Entscheidung der Kaiserin behoben werden. Bei der Debatte über diese Angelegenheit machte sich bereits der Gegensatz der Landesrechte und ihrer Vertreter geltend. Holger und Thinefeld suchten dahin zu wirken, dass [Seite: 61] der Hauptreferent die Hauptsätze einer jeden Abhandlung erst nach dem Ergebnisse der Ante-Commissionalsitzungen ausarbeite, indem sie besorgten, dass das durch den Referenten vertretene Landesrecht ein zu grosses Uebergewicht erlangen werde, wenn dieser immer nur mit einem fertigen Operate vor die Commissionsglieder treten würde. Die Folge lehrte, dass diese Voraussicht nicht ungegründet war; so lange Azzoni das Referat führte, folgte die Commission in der That vorherrschend den Eigenthümlichkeiten des böhmischen Landesrechtes und die Commissionsbeschlüsse kamen überdiess immer einhellig zu Stande.

Da die Aufgabe der Commission darin bestand aus mehreren und verschiedenen Particularrechten ein allgemeines und gleichförmiges Recht zu schaffen, so musste es ihr als eine der nächsten Aufgaben erscheinen, sich über den Vorgang klar zu werden, der einzuhalten sei, wenn man Collisionen zwischen geschriebenem und Gewohnheitsrechte, oder zwischen den Sonderrechten der einzelnen Länder gegenüber stehe.

Die Commission beschloss, Grundsätze festzustellen, wie in einem solchen Falle vorzugehen sei, ungeachtet das Bedenken dagegen erhoben wurde, dass es kaum möglich sei, alle möglichen Fälle zu übersehen, und dass es hinderlich werden könne, wenn die Commission sich vorzeitig binde.

Diese von Azzoni entworfenen und nach seinem Vorschlage fast unverändert angenommenen Grundsätze enthalten in 37 Absätzen Anforderungen an die Compilations-Commission, welche über den nächsten Zweck — als Richtschnur für die Auswahl unter collidirenden Rechtsbestimmungen zu dienen, — weit hinausgingen, und als ein Programm der Commission angesehen werden können.

Characteristisch für die Bestrebungen jener Zeit ist es, [Seite: 62] dass die Commission einhellig Forderungen an sich stellte, deren Unausführbarkeit sie bei der ersten in die Sache selbst eingehenden Berathung erkennen musste, und die namentlich ein grösseres Mass an rechtsgeschichtlichen Kenntnissen voraussetzten, als es damals vorhanden war. Ausserdem gewähren diese Grundsätze einen interessanten Einblick in die rechtsphilosophischen Ansichten, denen die Commissionsglieder anhingen. Im Eingange zu diesen Grundsätzen begegnet man einer Bemerkung, die überrascht, wenn man sie mit den in jener Zeit herrschenden naturrechtlichen Anschauungen vergleicht. Es wird nämlich das Vorhandensein der Verschiedenheit der Landesrechte zurückgeführt auf die Verschiedenheiten der Verfassung der Sitten und der Gewerbe, und die Gleichförmigkeit des Rechtes davon abhängig gemacht, dass in diesen Dingen Gleichförmigkeit herrsche. Da nun, wie man glaubte, diese Voraussetzung zutreffe, so sei die Aufgabe der Compilationscommission, ein einheitliches Recht zu schaffen, eine berechtigte. Daran schliesst sich die Forderung, aus den Länderrechten das Natürlichste und Billigste auszuwählen und die Lücken aus der gesunden Vernunft, dann dem allgemeinen Natur- und Völkerrechte zu ergänzen.

Die Vorschriften, welche zum Zwecke der Erfüllung dieser Forderung gegeben werden, verlangen mit Rücksicht auf die Collision von Länderrechten die Erforschung der Entstehung und der Motive der einander entgegengesetzten Bestimmungen, sodann aber das Aufsuchen eines gemeinschaftlichen Grundsatzes, unter den die collidirenden Rechtssätze subsumirt werden könnten, und aus dem dann die zu gebenden Anordnungen auf dem Wege logischer Entwicklung abzuleiten waren.

Ausnahmen erscheinen nur unter dem Gesichtspunct, dass sie durch die Landesverfassung bedingt sind, zulässig; [Seite: 63] denn Alles, was in das Gebiet des öffentlichen Rechtes einschlägt, sollte unverändert bleiben und war dem Wirken der Commission entrückt.

Das Gewohnheitsrecht wird als Rechtsquelle anerkannt, und dem geschriebenen Rechte gleich geachtet. Azzoni wollte zwar, dass das Gewohnheitsrecht des einen Landes dem geschriebenen Rechte eines andern Landes gegenüber zurückstehen müsse; allein diese Ansicht wurde nicht gebilligt. Man besorgte, dass diesem Vorschlage das Bestreben zu Grunde liege, der böhmischen Landesordnung den österreichischen Rechtsgewohnheiten gegenüber das Uebergewicht zu verschaffen. Ausserdem wurde gegen das Unterordnen des Gewohnheitsrechtes dem geschriebenen Rechte gegenüber eingewendet, dass die Gewohnheiten unmittelbar aus dem allgemeinen Natur- und Völkerrechte — man dachte hiebei wohl an eine Art von Volksgeist — abgeleitet werden, während die geschriebenen Rechte nicht dieser Quelle ihre Entstehung verdanken, sondern als Privilegien das Bestehende sanctionirend verliehen wurden. Es lasse sich demnach gar nicht behaupten, dass das geschriebene Recht an und für sich besser sein müsse als das Gewohnheitsrecht; das geschriebene Recht sei vielmehr in vielen Bestimmungen sehr hart. Dem geschriebenen Rechte könne man auch nicht als einem sichern Ausdrucke des landesfürstlichen Willens den Vorzug vor dem Gewohnheitsrechte geben, denn jetzt herrsche ein anderer landesfürstlicher Wille, welcher nur dahin gerichtet sei, das Natürlichste und Billigste zum Gesetze zu machen.

Neben dem Gewohnheitsrechte wird noch der Gerichtsgebrauch als eine benützbare Rechtsquelle aufgezählt, jedoch zugleich an die Abstellung von Missbräuchen gemahnt.

Nach der Aufzählung der Rechtsquellen werden [Seite: 64] Bestimmungen über die Ausfüllung der Lücken durch Aufnahme naturrechtlicher Grundsätze gegeben. Bemerkenswerth ist der realistische Character der zu diesem Zwecke aufgestellten Postulate. Das Naturrecht wird nicht als etwas Abstractes, sondern als das Recht characterisirt, das allen gesitteten Völkern gemein ist.

Das Gemeinwohl wird wiederholt als das leitende Princip hingestellt und "das Bedürfniss" findet eine Anerkennung, welche man einer viel späteren rechtsphilosophischen Schule zuzuschreiben gewohnt ist. Von Interesse ist es an dieser Stelle, den in §. 17 a. b. G. B. verwerteten Satz zu lesen, dass dasjenige vorzuziehen sei, was der natürlichen Freiheit angemessen ist. Andere Aussprüche verdienen aus dem Grunde hervorgehoben zu werden, weil sich in ihnen das Bestreben ausprägt, die Grenzen des Rechtsgebietes zu erweitern. Es soll nicht bloss auf strenge Pflichten, sondern auch auf "Wohlanständigkeiten", bei denen eine besondere Billigkeit obwaltet, gesehen werden. Niemand soll an seinem Nutzen, seiner Gemächlichkeit, so weit es ohne Nachtheil Dritter möglich ist, gehindert werden. Niemand soll sich durch den Schaden eines Andern bereichern. Bei Motivirung des Generalplanes wird mit diesem Satze noch die Forderung verbunden, "es solle Einer das thun oder zulassen, was ohne seinen Schaden dem Andern zum Nutzen gereichen kann." (2. Theil, 12. Abhandl.)

Die letzten 4 Absätze sind der Aufzählung der Hilfsmittel gewidmet, deren sich die Commission bei ihrer Arbeit zu bedienen hat. Als ein solches Hilfsmittel wird das arbitrium boni viri genannt, und dabei ein vorurteilsfreier Vernunftgebrauch, ferner eine richtige Erwägung des Endzweckes, der Umstände und der Mittel empfohlen. Benützt werden sollen auch das römische Recht, als Ausdruck der [Seite: 65] natürlichen Billigkeit, die Gesetzgebung des Auslandes, und die Literatur.

Nachdem die Commission diese Grundsätze am 21. November 1753 angenommen hatte, begann sie am 7. November 1753 die Berathungen über das Gesetzwerk selbst. Characteristisch ist es, dass man beschloss, die Kaiserin in dem Gesetze selbstredend aufzuführen, und dass man die Debatte über die Zweckmässigkeit der Aufnahme einer Definition des Rechtes durch eine Berufung auf die Intentionen der Kaiserin abschloss, denen es nicht entsprechend wäre, "die Gerechtigkeit nach ihrem sittlichen Verstände unberührt zu lassen und dadurch Anlass zu dem Wahne zu geben, als ob es genug sei, sich den Gesetzen zu fügen, und nur äusserlich gerecht zu sein," während doch die aus allen Anordnungen der Kaiserin hervorleuchtende Absicht der Kaiserin dahin gerichtet sei, "nicht nur gute Unterthanen, sondern gute Christen zu haben."

Die Commission verfolgte ihre Arbeiten mit einem Fleisse, welcher nach den erhaltenen Bruchstücken der damals angesammelten Entwürfe und Protocolle beurtheilt werden kann, und der in der That ungemein gross gewesen sein muss. Die Umständlichkeit und Weitläufigkeit der Arbeiten jener Zeit geht aus dem einen Umstande hervor, dass die von Holger zum ersten Theile geschriebenen Motive 17 Foliobände füllten; der Gesetzestext dieses 1. Theiles allein, der übrigens mehr im Style einer Abhandlung als eines Gesetzes geschrieben ist, umfasst 3 starke Foliobände. Die Arbeit konnte wegen der Umständlichkeit der Berathung und der Weitläufigkeit des Inhaltes nur sehr langsam vorwärts schreiten; es verging nahezu ein Jahr, ehe die Commission in der Lage war, ein Resultat ihrer Thätigkeit vorzulegen. Dieses bestand in den ersten vier Hauptstücken des ersten Theiles, welche [Seite: 66] mit dem Ausdrucke der Befriedigung über das zu Stande Gebrachte, zugleich aber auch mit dem der Unterwerfung unter jedes Urtheil, das man nach einer von wem immer zu veranstaltenden Prüfung darüber fällen würde, am 5. October 1754 nach Wien geschickt wurden.

Die Notwendigkeit, sich darüber zu entscheiden, wie die Prüfung der Commissionsarbeiten einzurichten sei, wurde zur Veranlassung, dass die Angelegenheit der Codification mehr in den Vordergrund trat. Nicht unnatürlich ist es, dass dadurch auch die Gegenbestrebungen wach gerufen wurden. Eine Denkschrift, welche in dieser Zeit verfasst wurde, bekämpft die Codification als unausführbar und als unnöthig. Die Unausführbarkeit wird aus der Unerschöpflichkeit des Gegenstandes und daraus gefolgert, dass die Rechtszustände, die Verfassungs- und Verkehrsverhältnisse zu verschieden seien, um ein einheitliches Recht vertragen zu können. Characteristisch ist folgende Stelle: "Die Lage und die Luft deren Ländern, die Nahrung und die Lebensart, das Geblüt, die Gedenkens-Art, die Auferziehung deren Inwohnern, welche Stüke allesammt, wenn die Sache recht betrachtet wird, in die Verfassung deren Ländern sehr tief einschlagen, ist unter denen verschiedenen Nationen nicht gleich."

Als eine der Hauptverschiedenheiten wird insbesondere die Ungleichheit des Masses der persönlichen Freiheit, das dem Einzelnen in den verschiedenen Ländern zusteht, hervorgehoben. Nebenbei wird auf den Widerwillen, auf den das nur schwer zu erlernende Gesetz bei den Beamten, die dasselbe anwenden sollen, stossen würde, und in demselben Absätze zugleich auf die zum Theile beschworenen ständischen Privilegien hingewiesen, mit denen das neue Gesetz collidiren würde.

Die Absichten der Kaiserin könnte man nach der [Seite: 67] Ansicht des Verfassers der Denkschrift viel besser erreichen, wenn man das gemeine Recht, welches mit einem grossen Aufwande an Unkosten gelehrt werde, als Grundlage des Rechtes beibehalten und sich auf eine Revision der zerstreuten, bei verschiedenen Anlässen ergangenen landesherrlichen Verordnungen beschränken würde.

Neben diesen allgemeinen Betrachtungen wird gegen die Arbeit der Commission der aus der Beschaffenheit derselben geschöpfte Vorwurf erhoben, dass dieselbe mehr einem Lehrbuche als einem Gesetze gleiche und wegen ihrer Weitläufigkeit dem Zwecke, die Rechtskunde zu popularisiren, nicht entsprechen könne. Bemerkenswerth ist der Vorwurf, dass man in das Gesetz aus Rücksicht auf die Reinigkeit der Sprache, und im Bestreben, Alles deutsch zu machen, Unklarheit gebracht, und Anlass zu neuen Anständen gegeben habe.

Auf die der Codification entgegengesetzten Bestrebungen ging man nicht ein, nur die Ansicht, dass das Operat der Commission zu weitläufig sei und zuviel an Motivirungen enthalte, setzte sich fest und blieb nicht ohne Rückwirkung auf die Art der Prüfung, der man das eingeschickte Operat unterziehen liess. Die Entschiedenheit der gegen die Sache selbst gerichteten Bedenken dürfte mit dazu beigetragen haben, dass man beschloss, die Prüfung so einzurichten, dass sie zu einer Umarbeitung des ganzen Operates werden, und jedenfalls sehr viel Zeit in Anspruch nehmen musste.

Unter dem Vorsitze des Hofrathes Freiherrn v. Buol wurde eine eigene Commission aus Hofräthen der obersten Justizstelle und des Directoriums zusammengesetzt. Die Zahl der Mitglieder betrug neun, da man jedes Capitel des ersten Theiles, der nach dem Generalplane in neun Capitel zerfallen sollte, einem besonderen Referenten [Seite: 68] zugewiesen haben wollte. Nach der für diese Commission ausgearbeiteten Instruction sollte man alles Formelle bei Seite lassen und nur die materiellen Bestimmungen in Erwägung ziehen. Die Erörterung aller erheblichen Bedenken sollte aufgespart bleiben, bis die hervorragendsten Mitglieder der Brünner Commission, nämlich Azzoni und Holger nebst dem Präsidenten Freiherrn von Blümögen nach Wien kommen würden; nur über minder wesentliche Anstände wären schriftliche Aufklärungen einzuholen gewesen. Die Sorge für stylistische Verbesserungen sollte bis zur Beendigung der Berathungen über den ganzen ersten Theil aufgeschoben werden.

Der Umstand aber, dass man einer grösseren Zahl von Personen einen Einfluss auf die Prüfung des Werkes einräumte, das Vertheilen der Arbeit an mehrere Referenten, die Schwierigkeiten des Verkehres zwischen den Commissionen in Wien und Brünn, endlich die Recensenten-Stellung, in welche die Mitglieder der Wiener Commission unwillkürlich hineingeriethen, bewirkten, dass man die durch diese Instruction gezogenen Grenzen bald überschritt und eine völlige Umarbeitung der von der Brünner Commission vorgelegten Capitel übernahm, die sich sogar auf die Stylisirung erstreckte.

Der Geschäftsgang gestaltete sich allmälig so, dass der Aufsatz des Referenten, zu dem Freiherr v. Buol immer noch ein Correferat schrieb, unter den Mitgliedern circulirte; dann fand eine Sitzung statt, deren Beschlüsse durch den in jener Zeit viel genannten Secretär Ursini der "reineren Schreibart" wegen redigirt wurden; das so zu Stande gekommene Operat wurde neuerdings unter den Mitgliedern in Circulation gesetzt, was zu neuen Bemerkungen und Bedenken, die behoben werden mussten, Anlass gab. Der Gedanke, mit den Brünner [Seite: 69]Compilatoren unmittelbar zu verkehren, war gänzlich aufgegeben worden.

Die Brünner Commission, welche, noch ehe sie von der Einsetzung der Prüfungs-Commission in Wien Nachricht erhielt, den 2. Band des ersten Theiles vollendet und den 3. Band dem Ende nahe gebracht hatte — im Juni 1755 wurde der letztere nach Wien geschickt — war durch diese Nachricht in ihren Hoffnungen sehr herabgestimmt worden. Das Zerreissen der Arbeit in mehrere Theile und die Besorgniss, sich gegen die tadelnden Bemerkungen nicht vertheidigen zu können, waren es namentlich, welche die Furcht vor einer ungerechten Beurtheilung wach riefen. Sehr erschwert wurde die Aufgabe der Commission dadurch, dass man von ihr verlangte, sie solle die Ausarbeitung des zweiten Theiles sofort beginnen, während die Berathungen über den ersten Theil noch in Schwebe waren. Trotzdem hegte man die Hoffnung, dass die Arbeit, welche man gern mit einer Statue oder mit einem Baue verglich, so wohl gefüget werde befunden werden, dass kein Kritiker die Nothwendigkeit irgend einer Aenderung werde darthun können.

Als nun die Umarbeitung der ersten zwei Capitel durch die Wiener Prüfungscommission — welche ihre Thätigkeit am 9. April 1755 begann — nach Brünn gelangte, so glaubten die Mitglieder der Compilationscommission darin ein Zeichen erblicken zu sollen, dass man ihre Kraft für unzureichend halte. Der dadurch herbeigeführten Entmuthigung gaben sie in einer eigenen Rechtfertigungsschrift Ausdruck, in welcher sie zugleich auch dafür plaidirten, dass Jemand aus ihrer Mitte zu den Berathungen der Prüfungskommission zugezogen werde, damit diese doch die nöthige Aufklärung und Vertheidigung höre, ehe sie mühevolle Arbeiten ganz umstürze.[Seite: 70]

Mit dieser Rechtfertigungsschrift wurde eine Beantwortung der von der Prüfungscommission ausgesprochenen Bedenken verbunden. Da nun diese Beantwortung der Gegenstand einer neuen Berathung bei der Wiener Commission wurde, und dieser Vorgang sich bei jedem Capitel wiederholte, so konnte das Werk durch diesen Geschäftsgang nicht gefordert werden. Es häufte sich ein schwer zu bewältigendes Material an, dessen Masse um so drückender wirken musste, als die Differenzen zwischen den Arbeiten der beiden Commissionen sehr gross waren und die Aufgabe derjenigen, von denen die Entscheidung abhing, sehr erschweren mussten. Die Zeit verstrich unter mühevollen Anstrengungen, ohne dass man sich dem Ziele der Codification näherte. Die Compilationscommission in Brünn war entmuthigt und unsicher gemacht. Bei dieser Lage der Dinge suchte man eine Abhilfe zunächst durch eine Aenderung der Geschäftsbehandlung zu erzielen, und griff nach dem Beispiele der Wiener Prüfungscommission zu dem Mittel der Vertheilung der Referate, um mit der Ausarbeitung des zweiten Theiles rascher vorwärts zu kommen. Der Erfolg sprach aber nicht für die Zweckmässigkeit dieser Massregel; denn die erste Arbeit, welche nicht mehr von dem Hauptreferenten Azzoni, sondern von Thinefeld vorbereitet worden war — die Abhandlung vom Eigenthume —, wurde bei der Berathung gänzlich verworfen, und musste durch Azzoni umgearbeitet werden.

Nachdem man in dieser Weise fast ein Jahr verloren hatte, überreichten die Compilatoren eine Denkschrift, worin sie sich über die Schwerfälligkeit und Langsamkeit der Revisionsarbeiten beklagen, und namentlich hervorheben, dass sie in ihren weiteren Arbeiten gehemmt seien, so lange sie nicht wissen, welches Schicksal die im ersten Theile enthaltenen principiellen Bestimmungen, welche mit [Seite: 71] Gegenständen des zweiten Theiles in engem Zusammenhange stehen, haben werden. Die Beschlussfassung über die Principien, von denen sie geleitet wurden, oder die Aufstellung anderer Principien, die für sie in Zukunft massgebend sein sollen, wird besonders dringend empfohlen. Die Compilatoren erbieten sich zugleich in formeller Beziehung den gegen ihre Arbeit erhobenen Bedenken nachzugeben, und eine Umarbeitung mit Hinweglassung der doctrinellen Ausführungen und der Motive vorzunehmen. Zugleich wurde von ihnen hervorgehoben, wie förderlich es für die Arbeit wäre, wenn sie in die Lage kämen, an den Berathungen der Prüfungscommission Theil zu nehmen.

Diese Denkschrift war vielleicht die Veranlassung, dass die Kaiserin sich bewogen fand, einen Mahnruf am 29. Mai 1756 an beide Commissionen ergehen zu lassen, und die Anzeige der an der bisherigen Verzögerung schuldtragenden Personen zu verlangen, indem sie zugleich betonte, wie sehr ihr und dem gemeinen Wesen an der Förderung dieses heilsamen Werkes gelegen sei.

Die Rechtfertigungsberichte der Freiherren v. Buol und v. Blümögen legen den Sachverhalt dar, aus welchem hervorgeht, dass das Hinderniss nicht in dem üblen Willen oder in der Nachlässigkeit der Einzelnen, sondern in den Verhältnissen lag. Hinsichtlich der eine Abhilfe bezweckenden Vorschläge stimmen beide Commissionsvorstände darin überein, dass sie die Auflösung der Brünner Commission empfehlen. Von den Brünner Compilatoren sollten die Repräsentanten des österreichischen und böhmischen Landesrechtes — welche dadurch zugleich auch Repräsentanten römischer und deutscher Rechtselemente waren — zur Wiener Commission zugezogen werden, und mit der Ausarbeitung der Entwürfe betraut bleiben. Diese [Seite: 72] Auswahl wurde damit begründet, dass alle Meinungsverschiedenheiten, welche sich bei den bisherigen Berathungen ergaben, auf den Gegensatz zwischen den genannten zwei Landesrechten zurückzuführen seien. Anfangs hegte man die Absicht, die übrigen Mitglieder der Brünner Commission nach Vollendung der Entwürfe zu den Berathungen zuzuziehen, später wurde nur mehr eine schriftliche Begutachtung durch dieselben in Aussicht genommen; thatsächlich unterblieb in der Folge jeder Verkehr zwischen der durch die Zuziehung von Azzoni und Holger verstärkten Commission in Wien und den übrigen Mitgliedern der Brünner Commission.

Die Genehmigung dieser Vorschläge erfolgte bald nachdem sie gestellt worden waren. Nicht geringen Einfluss übte vielleicht auf die Annahme derselben die dadurch herbeigeführte Möglichkeit, in den Kosten der Commission erhebliche Ersparnisse zu erzielen. Die Kaiserin beschäftigte sich wenigstens in ihrer eigenhändigen Erschliessung mit der Kostenfrage, und verfügte Ersparungen, welche über die gestellten Anträge hinausgingen.

Mit der Auflösung der Brünner Commission, welche am 9. Juli 1756 erfolgte, wurde die Wiener Prüfungscommission in eine Gesetzgebungscommission umgestaltet, in deren Wirkungskreis allmälig die ganze Gesetzgebung fiel, und in welcher man einen Vorläufer der später eingesetzten ständigen Gesetzgebungscommission erblicken kann.72.1 [Seite: 73]

Nachdem die Compilatoren Azzoni und Holger ihre Stellung in Wien angetreten hatten, war es ihre erste Aufgabe, sich über die Geschäftsbehandlung auszusprechen. Sie widerriethen jede Theilung der Arbeit, und bekämpften namentlich die ursprünglich ausgesprochene Absicht, ihre Arbeiten durch Ursini formuliren zu lassen. Nach ihrem Vorschlage sollte Holger Materialien sammeln und andere Hilfsarbeiten verrichten; Azzoni aber die Entwürfe selbst ausarbeiten und mit Holger besprechen. Der beendigte Entwurf einer Abtheilung sollte dann unter Hinzutreten eines österreichischen und eines böhmischen Mitgliedes der Commission berathen und das hiebei Vereinbarte vor der ganzen Commission vorgetragen werden. Die Meinungsverschiedenheiten, die dann noch übrig bleiben würden, wären in Sitzungen unter dem Vorsitze des obersten Kanzlers auszugleichen gewesen.

Fast zwei Jahre vergingen, ehe die Compilationscommission mit einem Resultate ihrer Thätigkeit hervortreten konnte. Obgleich man die Fortsetzung der in Brünn begonnenen Arbeiten über den zweiten Theil ganz aufgegeben hatte, und sich ausschliesslich mit der Umarbeitung des ersten Theiles beschäftigte, so konnte man diesen der Kaiserin doch erst im Juni 1768 überreichen.

In dem Abschlusse dieses ersten Theiles des ganzen Werkes liegt ein bedeutendes Moment; damit war der [Seite: 74] thatsächliche Beweis geliefert, dass eine Vereinigung der Ansichten, die so weit auseinander zu gehen schienen, möglich sei. Es war ein Erfolg der Codificationsbestrebungen erzielt, welcher nicht wenig dazu beigetragen haben dürfte, dass man trotz der vielfältigsten Schwierigkeiten das vorgesteckte Ziel nicht aus den Augen liess, und mit zäher Ausdauer auf der betretenen Bahn fortschritt, die oftmals vergebliche Arbeit immer wieder von Neuem beginnend. Dieses Operat ist auch darum von grosser Wichtigkeit, weil es die Grundlage aller späteren Arbeiten wurde, und durch seine in sich abgeschlossene Existenz darauf Einfluss genommen haben dürfte, dass man später auf den Gedanken gerieth, den das Personenrecht behandelnden ersten Theil des zu schaffenden Gesetzbuches abgesondert als Gesetz einzuführen.

Das Materiale an Entwürfen, Vorträgen, Bemerkungen, Berathungsprotokollen, aus welchem dieses Operat entstand, ist zum Theile erhalten, und gewährt einen Einblick in die Anschauungen und Bestrebungen jener Zeit.

So sehr man bestrebt war, sich von dem römischen Rechte zu emancipiren, so sehr liebte man es, das zu schaffende Werk mit der Justinianischen Compilation auf eine Stufe zu setzen, und Aeusserlichkeiten nachzuahmen. Es sollte z. B. das Kundmachungspatent in der Form der Edicte Justinian's ausgefertigt werden, was jedoch unterblieb. Man unterliess es auch, gegen den bei Beginn der Berathungen gemachten Vorschlag sich in einer Einleitung über das Bedürfniss der Rechtseinheit zu verbreiten.

An theoretischen Ausführungen sind namentlich die ersten Entwürfe sehr reich, sie geben in den die ersten Abschnitte betreffenden Theilen die damals herrschenden naturrechtlichen Anschauungen wieder. Bei der starken theocratischen Färbung derselben ist das Bestreben, den [Seite: 75] Wirkungskreis der geistlichen Gerichtsbarkeit einzuschränken, doppelt bemerkenswerth.

Die Gewalt, Gesetze zu geben, wird als von Gott verliehen erklärt; dazu aber beigefügt, dass "die Gesetze sich auf die gemeine Wohlfahrt gründen."

Als Grundlage aller positiven Vorschriften wird das Gebot hingestellt: "Liebe Gott über Alles und den Nächsten wie dich selbst" und aus demselben die Pflicht der Ehre und des Gehorsames gegen Gott, der Selbstpflege gegen sich und der Erhaltung gegen die menschliche Gesellschaft abgeleitet. Das in dieser Weise characterisirte positive oder geordnete Recht, welchem das natürliche Recht entgegengehalten wird, soll in das göttliche und menschliche, und das letztere in das Völkerrecht und Civilrecht zerfallen. Diese Eintheilung bildete den Gegenstand einer Controverse zwischen der Brünner und Wiener Commission, indem letztere die Hauptabtheilung des Rechtes in das göttliche und menschliche gezogen wissen wollte, während erstere ihre Auffassung durch die Bemerkung unterstützte, dass sie dem Unterschiede dessen entspreche, was Gott als Urheber der Natur und was er als höchster Gesetzgeber gesetzt habe.

Ausser der Eintheilung waren es unter den in der ersten Abhandlung normirten Gegenständen namentlich das Gewohnheitsrecht und die Interpretationsregeln, welche in den zwischen den beiden Commissionen gewechselten Bemerkungen erörtert wurden. Die Brünner Commission gewährte dem Gewohnheitsrechte, das sie in dem stillschweigenden landesfürstlichen Willen gegründet fand, nur einen sehr geringen Einfluss, denn sie wies die Gerichte an, wenn sich eine Lücke zeige, durch Anfragen einen Act der Gesetzgebung zu provociren, ergriff besondere Vorsichtsmassregeln gegen den möglichen Einfluss des [Seite: 76] Gerichtsgebrauches, indem sie den Präjudicien jede verbindliche Kraft absprach, und machte die verbindliche Kraft einer Gewohnheit davon abhängig, dass sie vernunftgemäss und nicht wider die guten Sitten, das Recht und die gemeine Wohlfahrt sei. Nicht mit Unrecht wurde bei der Wiener Commission gegen diese Bestimmungen eingewendet, dass unter der Herrschaft derselben ein Gewohnheitsrecht weder entstehen noch bewiesen werden könne. Doch nicht bloss darum sprach man sich für die Weglassung des vom Gewohnheitsrechte handelnden Abschnittes aus, sondern weil durch Zulassung eines Gewohnheitsrechtes die Gleichförmigkeit des Rechtes aufgehoben und Anlass zu Missbräuchen geboten würde; denn das Gewohnheitsrecht sei ein foetus reipublicae democraticae. Die Brünner Commission vertheidigte sich lebhaft gegen diese Auffassung, indem sie gerade mit Rücksicht auf die Majestätsrechte sich dafür ausprach, dass die höchste Gewalt, wenn sie stillschweigend in ein entstehendes Gewohnheitsrecht einwilligen wolle, darin nicht zu beschränken sei. Ausserdem wird sich auf die Anerkennung des Gewohnheitsrechtes in vielen landesfürstlichen Verordnungen, so wie darauf berufen, dass fast das ganze österreichische Landesrecht auf Gewohnheiten beruhe. Zur Unterstützung wird ferner die Anerkennung des Gewohnheitsrechtes im Entwurfe des preussischen Landrechtes angeführt.

Unvermeidlich sei es übrigens hinsichtlich quantitativer Bestimmungen über Maass, Grösse, Zahl, Zeit, Ort den Landesbrauch als massgebend anzuerkennen; endlich sei die Anerkennung des Gewohnheitsrechtes auch darum nöthig, weil man nicht immer, wenn in der Gesetzesanwendung eine Lücke wahrgenommen werde, einen Act der Gesetzgebung hervorrufen könne.

Die Wiener Commission liess sich dadurch von ihrer [Seite: 77] Ansicht nicht abbringen, und erst, nachdem die Stellung dieser Commission sich änderte, und die Compilatoren Azzoni und Holger in dieselbe aufgenommen wurden, gelang es bei der letzten Revision, das Gewohnheitsrecht zur Anerkennung zu bringen. Einen gleichen Gang nahm die Controverse über die Aufstellung von Interpretationsregeln, welche nach der Intention der Brünner Commission gegen das Haften am Buchstaben gerichtet waren, und die häufigen Gesetzeserläuterungen überflüssig machen sollten. Bei der Wiener Commission nahm man aber Anstoss daran, dass zwischen dem Wortlaute und Sinne eines Gesetzes unterschieden werden könnte, und meinte, dass die Zulässigkeit dieser Unterscheidung aus der natürlichen so wie aus der christlichen Moral ausgerottet werden müsse, weil sonst Treu und Glauben darüber zu Grunde gehen würden. Die Aufrechthaltung einer Rechtseinheit und Rechtssicherheit hielt man für unmöglich, wenn jede Entscheidung von der Auslegung abhängen solle, die der einzelne Richter dem Gesetze geben wolle. Diesem Zustande gegenüber sei das Anhäufen von Declarationen das geringere Uebel. Die Brünner Compilatoren beharrten bei ihrer Ansicht, dass die Behelligung der gesetzgebenden Gewalt durch das Erbitten von Gesetzerläuterungen zu vermeiden sei, und legten Werth darauf, dass sie die Grundsätze der Interpretationskunst, welche man bisher zu den arcanis der Rechtswissenschaft rechnete, popularisirten und gemeinverständlich darstellten. Bei der letzten Revision wurden die Interpretationsregeln wieder in das Operat aufgenommen. Dadurch wurde die Stoffeintheilung der ersten Abhandlung mit jener nahezu übereinstimmend, welche von der Brünner Commission vorgeschlagen worden war; sie wich aber von dem ursprünglichen Generalplane ab, indem statt sechs Abschnitten [Seite: 78] nur vier, welche von den Gesetzen — den Gewohnheiten — den Freiheiten (Privilegien) — und der Ausdeutung handeln, angeführt werden, denen ein Eingang — von den Rechten insgemein — vorangeht.

Bei der zweiten Abhandlung vom Stand der Menschen behielt man die Eintheilung des Generalplanes in drei Abschnitte bei.

Im Stande der Menschen erblickte man nach der bei der Wiener Commission angenommenen Definition "eine Eigenschaft, kraft welcher Jemand als ein Mitglied einer menschlichen Hauptgesellschaft betrachtet und denen solcher Gesellschaft anklebenden Rechten theilhaftig wird."

Von solchen Hauptgesellschaften nahm man aber drei als vorhanden an, "die erste Gesellschaft unter allen freien Menschen, die zweite unter Gliedern eines Staates, die dritte unter Hausgenossen, daher denn auch der Stand der Menschen dreifach ist, der Stand der Freiheit, der bürgerliche Stand in einem Staate, der Hausstand."

Unter den Differenzen, welche hinsichtlich dieser Abhandlung zwischen den beiden Commissionen entstanden, verdient jene besonders hervorgehoben zu werden, welche sich auf die Frage bezieht, wer als Ausländer anzusehen sei. Die Brünner Commission hielt dafür, dass die Angehörigen der einzelnen Kronländer im Verhältnisse zu einander als Ausländer zu behandeln seien, und dass man von dieser Regel nur hinsichtlich der erbländischen Unterthanen eine Ausnahme machen könne, da die neue Gesetzgebung dazu beitragen solle, die Bande unter den Erblanden fester zu knüpfen. Die Wiener Commission sträubte sich dagegen, die nicht zu den Erblanden gehörigen Unterthanen der Kaiserin als Ausländer zu bezeichnen, und wollte nichts davon wissen, dass man die Anerkennung [Seite: 79] der Rechtsfähigkeit im Verkehre zwischen den Kronländern von der Reciprocität abhängig machen solle.

Die Bestimmungen, welche nach dem Generalplane den Inhalt der vorletzten Abhandlung von den Herren und Unterthanen bilden sollten, wurden von der Brünner Commission in zwei Abhandlungen vertheilt und der Abhandlung über den Stand der Menschen angereiht.

Die erste derselben, welche in zwei Abschnitte — von der Untertänigkeit und von den Wirkungen der Unterthänigkeit — zerfällt, handelt von der persönlichen Unterthänigkeit; die zweite, vier Abschnitte — von den Erbholden, von den Wirkungen des Erbholdrechts, von den eigengenannten Grundunterthanen, von den Wirkungen des grundobrigkeitlichen Rechtes — enthaltende Abhandlung ist der Normirung der Verhältnisse der anderen Gattungen von Unterthanschaft und den für alle Arten von Unterthänigkeit geltenden Bestimmungen gewidmet. Die in diesen Abhandlungen enthaltenen Anordnungen enthalten fast nichts, was mit dem gegenwärtigen Rechte zusammenhängen würde. Die Erörterungen, welche hierüber zwischen den beiden Commissionen stattfanden, sind nur darum interessant, weil sie für die Unsicherheit characteristisch sind, mit welcher man sich im Bestreben, die Lage der Unterthanen zu mildern, bewegte. Man hielt es z. B. für nöthig, den Ausspruch, dass es in den Erblanden keine Leibeigenschaft gebe, zu mildern, da die Bauern sich sonst als berechtigt fühlen und daraus gefährliche Folgerungen ableiten könnten. Nur der Abschnitt über die Wirkungen des grundobrigkeitlichen Rechtes enthält Bestimmungen über das Tubularwesen, welche mit dem heutigen Rechtszustande zusammenhängen. Es findet sich daselbst der Grundsatz ausgesprochen, dass man dingliche Rechte nur durch die grundbücherliche Eintragung erwerben [Seite: 80] könne; dieser Grundsatz blieb übrigens damals nicht ohne Anfechtung, denn man hielt bei der Wiener Commission dafür, dass die Eintragung nur zum Beweise diene, nicht aber für den Bestand des Rechtes wesentlich sei.

Die fünfte, dem Eherechte gewidmete Abhandlung, welche nach dem Generalplane der Abhandlung über die väterliche Gewalt folgen sollte, wurde nebst der Abhandlung über die Verwandtschaft vorangestellt und nach den zwei Abhandlungen über das Unterthänigkeitsverhältniss eingetheilt. Die Unterabtheilung dieser Abhandlung wurde gleichfalls etwas geändert, indem man den letzten Abschnitt "von der Versicherung der Heirathssprüche und derselben rechtlichen Forderung" wegliess, und den Inhalt der übrigen vier Abschnitte in sechs Abschnitte vertheilte. Der Inhalt dieser Abhandlung ist zum grössten Theile der Regelung der Vermögensverhältnisse gewidmet; nur der erste Abschnitt behandelt das Eheverlöbniss, und damit im Zusammenhange die Fälle, in denen die Eingehung einer Ehe von der Ertheilung einer Genehmigung abhängig ist. Das Eherecht festzusetzen hatte man keine Veranlassung, da die geistliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen aufrecht erhalten bleiben sollte. Im Laufe der Berathungen machte sich gleichwohl das Bestreben geltend, den Einfluss der geistlichen Gerichtsbarkeit einzuschränken. Es war namentlich die Wiener Commission, welche die Ansicht vertrat, dass das geistliche Gericht bei den Entscheidungen über den Bestand der Ehe an das weltliche Recht in Beziehung auf die Prüfung der persönlichen Rechtsfähigkeit gebunden sei. Bei dieser Commission war man auch bemüht, jeden Eingriff der geistlichen Gerichtsbarkeit in die Entscheidung über die Vermögensfragen fern zu halten; man entzog darum auch den vor dem geistlichen Gerichte in Vermögensangelegenheiten geschlossenen Vergleichen [Seite: 81] die Executionsfähigkeit. Anderseits lehnte man die von der Brünner Commission beantragten Bestimmungen ab, nach welchen die Vollstreckung auf Erfüllung eines Eheverlöbnisses durch den weltlichen Arm hätte erfolgen sollen. Die Wiener Commission war es auch, welche auf nicht katholische Unterthanen Rücksicht nahm, und darum die Bestimmung ablehnte, dass das Witthum durch den Abfall vom katholischen Glauben verwirkt werden solle.

In den vermögensrechtlichen Bestimmungen zeigt sich der Einfluss ständischer Unterschiede namentlich in Beziehung auf die Gültigkeit formloser Schenkungen unter Ehegatten, dann hinsichtlich der beschränkten Zulässigkeit von Erb- und Gütergemeinschaftsverträgen. Die Gestattung der Gütergemeinschaftsverträge mit der Beschränkung der Zulässigkeit auf "gemeine Leute" wurde erst bei der Wiener Commission mit Berufung auf die in Oesterreich bestehende Uebung ausgesprochen.

Bemerkenswerth sind die Vermittlungsanträge zwischen der den älteren namentlich dem böhmischen Rechte eigentümlichen Verpflichtung der Familie zum standesmässigen Unterhalte der Wittwe, so wie zum Unterhalte und zur Ausstattung der Töchter, dann dem Bestreben, diese ungewisse Verpflichtung hinsichtlich der Quantität der Leistung und der Person des Verpflichteten zu präcisiren. Dazu gehört die Verwandlung des Anspruches der Wittwe auf Unterhalt in einen Erbanspruch; die Entbindung der Seitenverwandten von der Verpflichtung zur Bestellung eines Heirathsgutes. Die Brünner Commission hat in letzterer Beziehung zwar anerkannt, dass die Brüder nicht schuldig sind, ein Heirathsgut zu bestellen, jedoch noch beigesetzt, dass eine solche Bestellung sehr geziemend sei: dieser Beisatz wurde erst bei der letzten Revisionsberathung gestrichen. [Seite: 82]

Die bevormundende Richtung der Zeit ist characteristisch in den Verboten ausgeprägt, durch welche verhütet werden sollte, dass man die Freiheit der Verfügung über das Vermögen bei Eingehung der Ehe in zu hohem Grade einschränke. Aus diesem Grunde sollte durch alle Verträge unter Ehegatten nicht mehr als ein Drittel ihres Vermögens gebunden werden.

Die Abhandlung von der Verwandtschaft unterscheidet sich in Beziehung auf die Stoffvertheilung von dem Generalplane nur dadurch, dass der erste Abschnitt in die zwei Abschnitte von den Gattungen der Verwandtschaft und von den Staffeln der Verwandtschaft zerlegt wurde. Bemerkenswerth ist das Hervorheben der Unterscheidung zwischen dem männlichen und weiblichen Stamme, welche Unterscheidung auch einen sehr bedeutenden Einfluss auf den Inhalt und Umfang der den Verwandten zustehenden Berechtigung hat. Zu den Rechten, welche beiden Arten von Verwandten gemeinsam zukommen, werden gerechnet, der Anspruch auf ein besonderes Verfahren in den unter Verwandten vorkommenden Streitigkeiten, auf besondere Schonung der Ehre und auf einige Ausnahmen im Vollstreckungsverfahren. Principielle Differenzen fanden aus Anlass dieser Abhandlung zwischen den beiden Commissionen nicht statt; die Wiener Commission beschloss nur, abweichend von der Brünner Vorlage, bei der Darstellung der verwandtschaftlichen Verhältnisse dem Beispiele der österreichischen Successionsordnung zu folgen.

Im Wesen der Sache wichen die beiden Commissionen auch hinsichtlich der Abhandlung von der väterlichen Gewalt nicht von einander ab. Die Stellung dieser Abhandlung und die Stoffvertheilung in derselben bekunden eine seit der Entwerfung des Generalplanes vor sich gegangene Aenderung der Ansichten. Nach dem letzteren sollte sie sich an [Seite: 83] die Abhandlung vom Stand der Menschen anschliessen; nach dem Entwürfe bildet sie den Uebergang zur Abhandlung von der Vormundschaft. Nach dem ursprünglichen Plane sollten die Abschnitte nach der Rechtssphäre der an dem Familienverhältnisse theilnehmenden Personen — Vater — Mutter — Kind — abgegrenzt werden; in dem Entwurfe ist aber der Stoff nach den Gesichtspunkten der Erlangung, Wirkung und Erlöschung der väterlichen Gewalt vertheilt.

Die im Jahre 1753 erfolgte Hinausschiebung der Grossjährigkeit bis nach Zurücklegung des vierundzwanzigsten Lebensjahres bereitete den Commissionen grosse Schwierigkeiten. Man suchte diese Massregel dadurch zu mildern, dass man die Dauer des väterlichen Fruchtniessungsrechtes auf die mit dem zwanzigsten Jahre endigende Unvogtbarkeit einschränkte, über diese Zeit hinaus nur die Ausübung einer Beistandschaft statt der väterlichen Gewalt zuliess, und zahlreiche Fälle festsetzte, in denen der vogtbare jedoch noch minderjährige Sohn von der Beistandschaft entbunden wurde. Als ein Vorläufer der spätern Aufhebung des elterlichen Fruchtniessungsrechtes verdient die Bestimmung hervorgehoben zu werden, welche den Vater verpflichtet, ein Drittel der Nutzungen des Kindergutes zur Abtragung der Schulden oder zu Meliorationen zu verwenden.

Dass man das Wesen der väterlichen Gewalt in Pflichten und nicht in Rechten des Vaters erblickte, dafür spricht einerseits die ausdrückliche Verwahrung gegen eine Verwechslung der Bestimmungen des Entwurfes mit der römischen Auffassung der patria potestas, anderseits die Controle, die gegen den Vater geübt wird, um eine schlechte Verwaltung oder gar eine Veräusserung des Kindergutes zu hindern.[Seite: 84]

Die Aenderungen in der formellen Behandlung der Bestimmungen über die Vormundschaft und Curatel, welche der Vergleich des Entwurfes mit dem Generalplane erkennen lässt, scheinen gleichfalls aus einer Aenderung in der Auffasung zu fliessen.

Die Vormundschaft und die Curatel, welche den Inhalt yon zwei besonderen Abhandlungen bilden sollten, wurden zu einer einzigen Abhandlung mit dem Titel "Von der Vormundschaft" vereinigt. Die Untertheilung in Abschnitte zeigt ferner, dass man der Verschiedenheit der Entstehungsgründe der Vormundschaft nicht die ursprüngliche Bedeutung beilegte, welche dazu bestimmte, jede Art der Vormundschaft in einem besonderen Abschnitte zu behandeln. Die ältere Auffassung, welche in der Vormundschaft nicht bloss eine Summe von Pflichten, sondern auch ein werthvolles Recht erblickt, klingt noch in dem Entwürfe durch, und ist bis auf den heutigen Tag nicht gänzlich beseitigt worden. Nach dem Entwurfe wird als Grundlage der verwandtschaftlichen Vormundschaft die Verbindung des Blutes, daneben aber auch die Erbanwartschaft bezeichnet, und darum verliert auch ein zur Vormundschaft berufener Verwandte, welcher sich zur Antretung der Vormundschaft nicht meldet, die Erbfähigkeit in Ansehung des Mündelvermögens. Die Consequenzen der Auffassung über das Wesen der Vormundschaft zeigen sich zunächst bei den Bestimmungen über die Entlohnung der Vormünder. Der Entwurf sollte zwischen den einander als Gegensätze gegenüber gestellten österreichischen und böhmischen Rechten, von denen ersteres die Belohnung nach richterlichem Ermessen bestimmen liess, letzteres aber dieselbe auf ein Sechstel des reinen Einkommens fixirte — vermitteln. Zu diesem Zwecke wurde eine Scala aufgestellt, nach welcher die Belohnung des Vormundes, je [Seite: 85] nachdem das Einkommen 3000 bis 30,000 fl. betrug, 500 bis 4000 fl. betragen konnte; bei einem Einkommen von mehr als 30,000 sollte die Belohnung vom Landesfürsten, bei einem Einkommen unter 3000 fl. nach richterlichem Ermessen bestimmt werden.

Bei der Wiener Commission hielt man es nicht für räthlich, diese Rechtsverschiedenheit zu beseitigen, und beschloss die Aufrechthaltung des bestehenden Zustandes mit dem Beisatze, dass die Belohnung dort, wo sie nach dem Ermessen bestimmt wird, nicht mehr als ein Sechstel des reinen Einkommens betragen dürfe.

Das Bestreben, die Wirkungen der Hinausschiebung der Grossjährigkeit zu mildern, zeigte sich bei der Behandlung der Vormundschaft in derselben Weise, wie diess hinsichtlich der väterlichen Gewalt erwähnt wurde.

Die letzte Abhandlung von den Dienstpersonen wurde dem Personenrechte angereiht, weil man annahm, dass dem Herrn eine Art von Gewalt über seine Diener zustehe, und weil man in dem Abschlusse eines Vertrages zwischen Herr und Diener keine ausreichende Grundlage zur Beurtheilung des gegenseitigen Verhältnisses erblickte.

Es war auch nicht bloss das Verhältniss zwischen Herr und Diener, dessen Regelung man sich zur Aufgabe machte, man hatte auch die Beziehungen vor Augen, in die eine Dienstperson als Diener einer Grundobrigkeit trat. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet erschien der Diener nicht bloss als Untergebener und Bevollmächtigter seines Herrn, sondern auch als Vorgesetzter der Unterthanen und als Träger staatlicher Aufgaben, die er als Patrimonialbeamte zu erfüllen hatte. Er hat demnach in Ausübung seiner Dienstespflichten auch für die Kundmachung und den Vollzug der Gesetze und Verordnungen zu sorgen; es wird ihm die Aufrechthaltung des Nahrungsstandes [Seite: 86] der Unterthanen, die Erhaltung guter Nachbarschaft, die Verbesserung der Landwirtschaft und Viehzucht an's Herz gelegt.

Das Gewaltverhältniss zwischen Herr und Diener findet seinen Ausdruck namentlich darin, dass die Herren, welche zugleich Grundobrigkeiten waren, die Jurisdiction über ihre Dienstpersonen selbst ausüben, und in Rechnungsstreitigkeiten selbst entscheiden sollten. In Ausübung dieser Gerichtsbarkeit konnte ein Herr seinen Beamten, wenn er bei der Scontrirung der Casse Anstände wahrnahm, verhaften. Nach dieser Auffassung des Verhältnisses zwischen Herr und Diener konnten die Pflichten des Letzteren nicht scharf abgegrenzt werden. Die Grundlage für die Beurtheilung der Pflichten sollte nicht bloss in der vertragsmässigen Uebernahme der Pflichten, sondern darin liegen, dass der Herr dem Diener Vieles anvertrauen müsse. Es sollte daher der Umfang der Verpflichtung und ausserdem das Verschulden eines Dieners nach Ermessen beurtheilt werden. Als Leitfaden für die Anwendung dieses Ermessens wurde aber die Regel aufgestellt, es entspreche der Milde des Gesetzes und der Menschlichkeit, hiebei mehr die Milde als die Strenge walten zu lassen. Diese Unbestimmtheit war es namentlich, welcher man im Schoosse der Wiener Commission abzuhelfen suchte; ausserdem war man da bestrebt, die Jurisdictionsgewalt des Herrn über den Diener einzuschränken.

Hinsichtlich der formellen Behandlung ist nur zu erwähnen, dass man den dritten Abschnitt des Brünner Entwurfes, welcher "von dem Recht und Verbindung des Herrn aus Handlungen der Dienstpersonen" handelt, als in den dritten Theil gehörig wegliess.[Seite: 87]

ß. über den zweiten Theil.

Nach Beendigung des ersten Theiles wurde die Commission gedrängt, die bereits in Brünn begonnenen Arbeiten über den zweiten Theil wieder aufzunehmen.

Während die Revisionsarbeiten über die erste Redaction des ersten Theiles bei der Wiener Prüfungscommission sich im Zuge befanden, wurden in Brünn die Abhandlungen über die Sachen im Allgemeinen, über das Eigenthum, über Schenkungen bearbeitet und Vorarbeiten für die das Erbrecht betreffenden Abhandlungen gemacht. Die ersten Entwürfe der Abhandlungen über die Sachen und über das Eigenthum, welche von Thinefeld herrührten, wurden bei der Berathung verworfen. Dieselben waren reich an Bestimmungen, welche dem Gebiete der Verwaltung angehören, und sich namentlich auf die Benützung des fliessenden Wassers und Schutzanstalten gegen Wasserschäden, dann auf die Herstellung und Erhaltung von Wegen bezogen.

Erwähnenswerth ist die Debatte, welche aus Anlass der Aufzählung der dem Verkehre entzogenen Sachen über das Asylrecht entstand. Die Beseitigung desselben hielt man damals noch für unzulässig, und suchte sich durch das Betreten eines Mittelweges und Verweigerung des Asylrechtes für gewisse Verbrechen zu helfen. Das Asylrecht soll nur zur Erhaltung des Lebens, nicht aber zur Verhinderung der Züchtigung dienen, und darin seine Grenze finden, dass die Geistlichkeit, wenn man auch die Anhaltung eines Missethäters von ihr nicht verlangen könne, demselben doch nicht zur Flucht verhelfen dürfe.

Characteristisch für die Bestrebungen jener Zeit ist es, dass man einerseits nur Katholiken den Erwerb unbeweglicher Güter gestattete, während man anderseits die [Seite: 88] todte Hand vom Erwerbe unbeweglicher Güter ausschloss und den weltlichen Ständen ein Einstandsrecht hinsichtlich der von der Geistlichkeit früher erworbenen Güter einräumen wollte.

Die Umarbeitung, welcher Azzoni die beiden erwähnten Abhandlungen Thinefeld's unterzog — die Abhandlung über die Schenkungen kam gar nicht zur Berathung — wich in der Eintheilung des Stoffes von dem ursprünglich festgesetzten Generalplane wesentlich ab. Die Abhandlung von den Sachen enthält nebst einem Eingange sieben Abschnitte, — von den Sachen, die Gott geheiligt sind, — von den Sachen, die in dem Gebrauche aller Menschen sind, — von den Sachen eines Staates oder Landes, — von den Sachen derer Gemeinden, — von den Sachen derer einzelnen Personen, — von beweglichen und unbeweglichen Sachen, — von unkörperlichen Sachen.

Die Abhandlung vom Eigenthum zerfällt in drei Abschnitte: von Erwerbung, von Uebertragung und von den Wirkungen des Eigenthums.

Nach diesen Entwürfen gibt es keine herrenlosen Sachen, denn alle Sachen werden entweder vererbt, oder das landesfürstliche Heimfallsrecht findet auf dieselben Anwendung. Die Occupation gewährt nur Besitz. Dem Landesfürsten steht das Eigenthum an allen öffentlichen Sachen, deren Gebrauch freigegeben ist, zu. Als Grundlage des Sondereigenthums, das erst nach dem Aufhören der ursprünglichen Gemeinschaft der Güter entstand, wird sowohl das Naturrecht als die Uebereinstimmung aller Völker angeführt; die Ausübung der Eigenthumsrechte beruht auf der Anerkennung der bürgerlichen Gesellschaft unter Vorbehalt der Berechtigung zur Expropriation.

Diese beiden Abhandlungen waren noch während der Dauer der in Brünn eingesetzten Commission redigirt [Seite: 89] worden, und wurden nach Auflösung dieser Commission nur mehr einer kurzen Revision durch die Compilatoren, welche nach Wien übersiedelten, unterzogen.

Um so mehr Zeit nahm die Ausarbeitung der das Erbrecht betreffenden Abhandlungen in Anspruch. Dieselben wurden schon, während die Commission in Brünn tagte, in Angriff genommen, und man beschäftigte sich damals namentlich mit der Ausarbeitung eines allgemeinen Theiles, welcher abweichend von der im Generalplane enthaltenen Anordnung des Stoffes den Bestimmungen über die testamentarische und die gesetzliche Erbfolge vorangehen sollte. Es liegen hierüber zwei Entwürfe Azzoni's vor, welche von den Erbschaften und dem Erben überhaupt handeln. Man findet darin den Gedanken ausgeführt, dass die Rechte des Erblassers auf den Erben, ohne der Entstehung einer Lücke Raum zu geben, übergehen sollen, und dass die Gesetzgebung dafür zu sorgen habe, dass der Rechtsnachfolger nicht ungewiss sei. Die positive Gesetzgebung erscheint als die alleinige Grundlage der Erbfolge; die Gestattung der testamentarischen Erbfolge wird aus dem Eigenthumsrechte des Erblassers und aus der natürlichen Billigkeit abgeleitet, die Zulassung der gesetzlichen Erbfolge auf den vermutheten Willen des Erblassers zurückgeführt. Diese Entwürfe enthalten ausserdem noch Grundsätze über das Verhältniss des Erben zu dritten Personen, und darunter die Anordnung, dass kein Erbe sich eigenmächtig in den Besitz des Nachlasses setzen und vor Rechtfertigung seines Erbrechtes mit den Nachlassgegenständen verfügen dürfe.

Als die Compilatoren zu Ende des Jahres 1758 sich wieder mit dem Erbrechte zu beschäftigen begannen, glaubten sie sich ihre Arbeit dadurch zu erleichtern, dass sie im Gegensatze zu der in Brünn angenommenen [Seite: 90] Aufeinanderfolge der Arbeiten, welche sie vom Allgemeinen zum Besonderen fUhren sollte, nunmehr zuerst den besonderen Theil in Angriff zu nehmen beschlossen. Nach der von ihnen angenommenen Eintheilung sollte das Erbrecht in drei Abhandlungen erledigt werden, von denen die eine der testamentarischen Erbfolge, die zweite der gesetzlichen Erbfolge und die dritte den beiden Arten der Erbfolge gemeinschaftlichen Bestimmungen gewidmet wurde.

Der enge Zusammenhang aller das Erbrecht betreffenden Normen liess es bald als unzweckmässig erkennen, die Commission früher zu Berathungen zusammentreten zu lassen, ehe ihr das vollständige Operat der Compilatoren vorliegen würde. Das Unterbleiben der Sitzungen der Compilationscommission, welche man sich schon als ein ständig wirkendes Organ anzusehen gewöhnt hatte, rief anderseits drängende Massregeln hervor und man suchte namentlich durch das Abfordern periodischer Rechenschaftsberichte einen beschleunigenden Einfluss zu üben. Die Ungeduld, mit welcher man die Beendigung des Erbrechtes erwartete, wird erklärlich, wenn man erwägt, dass man gerade auf dem Gebiete des Erbrechtes den Mangel eines "gewissen" Rechtes am lebhaftesten beklagte. Namentlich die niederösterreichischen Stände, welche es unter Karl VI. erwirkt hatten, dass man aus dem Entwurfe der Landesordnung den die gesetzliche Erbfolge behandelnden Theil ausschied und zum Gesetze erhob, waren es, welche auf die gesetzliche Regelung der testamentarischen Erbfolge drängten. Die Unsicherheit des Erbrechtes, die Vielfältigkeit der Rechtsstreite, welche aus dem Rechtsübergange von Todeswegen entstehen, wurde in jener Zeit mit lebhaften Farben in vielen Denkschriften geschildert und um Abhilfe gebeten. Diesen Verhältnissen wird man es zuzuschreiben haben, dass schon bei Beginn des Jahres 1759 [Seite: 91] der Gedanke auftauchte, das von der Commission auszuarbeitende Erbrecht noch vor Beendigung des ganzen codex theresianus als Gesetz einzuführen.

Die vielfältigen an die Compilatoren ergangenen Mahnungen verfehlten nicht die Wirkung, dass diese mit einem staunenswerten Aufwand an Fleiss arbeiteten. Ihre umfangreichen, schwer zu bewältigenden Entwürfe, Denkschriften und Protocolle, — welche nur zu einem geringen Theile erhalten sind, — geben Zeugniss bievon. Die Fülle des Stoffes übte aber bei der geringen Fähigkeit, allgemeine Regeln zu abstrahiren, und bei der ängstlichen Sucht, für alle möglichen Fälle Vorsorge zu treffen, einen erdrückenden Einfluss.

Dem allseitigen Drängen nachgebend brachten die Compilatoren Bruchstücke ihrer Arbeit von der Errichtung von Testamenten und von der Erbseinsetzung zur Berathung, welche die erste Hälfte des Jahres 1759 ausfüllte.

Bemerkenswerth ist das hiebei an den Tag tretende Streben, die Testirungsfähigkeit zu erweitern und die Aufrechthaltung letzter Willenserklärungen durch Verminderung der Förmlichkeiten zu fördern.

Man bekämpfte namentlich die Testirungsunfahigkeit, welche die Compilatoren als eine Folge einer jeden Verurteilung wegen eines Verbrechens ausgesprochen wissen wollten, und beschränkte sie schliesslich auf die Fälle einer Verurteilung zum Tode, und auch dann sollten Verfügungen, welche fromme Stiftungen enthalten und nicht mehr als ein Viertel des Vermögens in Anspruch nehmen, in Geltung bleiben. Die Zulassung von minder feierlichen Testamenten — Hauptgeschäfte genannt — bezweckte eine sehr wesentliche Vereinfachung, da die Zuziehung von zwei Zeugen zur Giltigkeit der letzten Willenserklärung genügen sollte, während zu einem feierlichen [Seite: 92] Hauptgeschäfte fünf Zeugen erfordert wurden. Das minder feierliche Testament wurde zugleich für sehr grosse Kategorien von Fällen anwendbar erklärt, z. B. für alle Testamente des Landvolkes, für Testamente zu Gunsten von gesetzlichen Erben, frommen Stiftungen. Der Einfluss der ständischen Gliederung macht sich darin fühlbar, dass die Zuziehung von drei Zeugen zu einem feierlichen Hauptgeschäfte, das nach der Regel fünf Zeugen erfordert, für ausreichend erklärt wird, wenn die zugezogenen Zeugen dem Herren- oder Ritterstande angehören.

Andere Bestimmungen sind dadurch characteristisch, weil sie zeigen, bis zu welchem Grade diejenigen, welche die Einführung eines sichern Rechtes anstrebten, genöthigt waren, dem subjectiven Ermessen, der Würdigung concreter Umstände Raum zu geben. Dahin gehören das Verbot, so viele Erben einzusetzen, dass eine Vertheilung des Nachlasses unthunlich werde; ferner die Bestimmung, dass jene Bedingungen ungiltig seien, "zu deren Beifügung der Erblasser keine billige Ursache haben kann, oder die dem gemeinen Wohl, Nutzen, Zierde des Geschlechtes, Ehrbarkeit, Wohlstand, Erhaltung des Vermögens und guter Wirthschaft zuwider, — ganz gleichgiltig — ohne alle nutz- oder ehrbare Absicht in blossem Eigensinn gegründet sind."

Den grössten Schwierigkeiten begegnete die Commission aber erst dann, als sie zur Berathung des Abschnittes über den Pflichttheil schritt. Einstimmig schien man der Ansicht gewesen zu sein, dass die für den Herren- und Ritterstand geltenden Sonderbestimmungen, nach denen die Töchter nur einen standesmässigen Unterhalt und die Bestellung eines Heirathsgutes fordern konnten, zu Gunsten der Töchter zu ändern seien. Die gleiche Einstimmigkeit herrschte aber auch in der Richtung, dass die Söhne zum [Seite: 93] Zwecke der Erhaltung der Geschlechter bevorzugt werden müssen. Aus dem Bestreben, diesen zwei ganz entgegengesetzten Richtungen gerecht zu werden, entsprangen die mannigfaltigsten Vorschläge.

Nach dem ersten Entwürfe Azzoni's sollten die Töchter eine Abfertigung, für welche eine Minimalgrenze festgesetzt wurde — 6000 fl. beim Herrenstand, 3000 fl. beim Ritterstand — erhalten. Darin fand man aber eine Begünstigung von sehr zweifelhaftem Werthe und suchte den Töchtern einen Anspruch auf eine Quote am Nachlass, welche von Einigen mit 1/4 von Anderen mit 1/6 oder mit 1/8 bemessen wurde, einzuräumen. Besondere Combinationen wurden dann noch angewendet, um zu verhindern, dass nicht ein Sohn, wenn sehr viele Söhne mit Einer Tochter concurriren, weniger als eine Tochter erhalte, und dass anderseits die den Töchtern bestimmte Quote zur Bestreitung des Lebensunterhaltes unzureichend sei. Diese Frage, welche die Commission in der ersten Hälfte des Jahres 1760 beschäftigte, wurde in diesem Stadium der Berathungen nicht zum Abschlusse gebracht. Unentschieden blieb auch eine andere Frage, welche durch viele Jahre einen Gegenstand der Verhandlungen bei den Centralstellen bildete, und welche durch die Arbeit der Compilatoren neuerlich in Fluss gebracht worden war. Es handelte sich um die Pflichttheilsberechtigung und um die Erbberechtigung der Geistlichen die Compilationscommission, welche zunächst den Regularclerus vor Augen hatte, sprach sich gegen dieselbe aus, da der Grund dieser Berechtigung, nämlich die Fürsorge für die Erhaltung, wegfalle, und es im öffentlichen Interesse liege, den Erwerb der todten Hand zu beschränken. Die desshalb an die Kaiserin gerichtete Anfrage, welche sich an die früheren Verhandlungen beim Directorium, — das sich gegen und in der [Seite: 94] Ministerconferenz, die sich für die Erbfähigkeit entschieden hatte, — anschloss, kam unresolvirt zurück, und die Commission beschloss, die Sache auf sich beruhen zu lassen.

Die Abhandlung vom Pflichttheil gab noch zu mehreren erwähnenswerthen Anträgen Anlass. Die Pflichttheilsberechtigung der Ascendenten wurde auf eine Pflicht zur Erhaltung aus Dankbarkeit begründet; da diese aber nicht bis zu einer Bereicherung zu gehen habe, so wurde der Anspruch auf ein Drittel beschränkt und ausserdem von Azzoni die Bestimmung vorgeschlagen, dass den Eltern, wenn sie mit den Geschwistern des Erblassers zusammentreffen, nur der Fruchtgenuss, den Letztern aber das Eigenthum an der Pflichttheilsquote zukommen solle. Diese Bestimmung wurde aber von der Commission abgelehnt, und der weitere Vorschlag Azzoni's, den Geschwistern und Geschwisterkindern einen Pflichttheil einzuräumen, nur für den Fall angenommen, dass eine unehrenhafte Person zum Erben eingesetzt würde.

Zu den Schwierigkeiten, welche das Zustandekommen des Gesetzwerkes so lange Zeit hindurch verzögerten, gesellte sich auch noch der Umstand, dass Azzoni, auf dem die Hauptlast der Aufgabe ruhte, unter derselben zu erlahmen begann. Aus einem Berichte des Grafen Althann, welcher bei Beginn des Jahres 1760 das Präsidium der Compilationscommission statt des Freiherrn von Buol übernahm, ist zu entnehmen, dass Azzoni nicht bloss von Kränklichkeit, sondern auch von Missmuth befallen wurde. Die an ihn gestellten Anforderungen waren in der That sehr gross. Ausser der Ausarbeitung des codex theresianus lag ihm die Betheiligung an den Berathungen über die gleichzeitig in Angriff genommene Compilation der österreichischen und böhmischen Strafgesetzgebung ob, und überdiess hatte er die laufenden Geschäfte als Hofrath bei [Seite: 95] der obersten Justizstelle zu erledigen. Die Besorgung dieser Geschäfte scheint er namentlich für unerlässlich gehalten zu haben, um sich auf seinem Posten zu erhalten. Das langsame Vorwärtsschreiten des Werkes, das er mit voller Kraft in einer hervorragenden und ehrenvollen Stellung begann, die sich durch eine lange Reihe von Jahren hinziehenden aufreibenden Debatten, und endlich auch der fortgesetzte Kampf mit wie es scheint, unsichtbaren Gegnern mussten ihn niederdrücken. Hiezu kamen Nahrungssorgen. Er hatte eine einträgliche Stellung in Prag aufgegeben, um sich der ihm übertragenen legislativen Aufgabe widmen zu können. Die Taggelder, die er während seines Aufenthaltes in Brünn bezog, scheinen einen sehr unvollkommenen Ersatz für die Einbusse gebildet zu haben, die er an seinem Einkommen erlitt. Nach seiner Uebersiedlung nach Wien fielen die Taggelder weg; als einer der jüngsten Hofräthe bezog er nur einen Gehalt von 2500 fl. und sollte davon die Kanzleiauslagen für die Codificationsarbeiten bestreiten. Diese waren aber bedeutend, da die sehr umfangreichen Entwürfe für alle Commissionsmitglieder copirt werden mussten. Unter diesen Umständen musste er sein Vermögen aufzehren und in wirtschaftliche Unordnung gerathen. Es bedurfte wiederholter sehr demüthiger Bitten von seiner Seite und der sehr nachdrücklichen Verwendung des Freiherrn von Buol, ehe ihm eine Erhöhung seines Gehaltes auf 5000 fl. zu Theil wurde.

c. Arbeiten während der Zeit, als Zenker das Referat führte.

Die zunehmende Kränklichkeit Azzoni's veranlasste, dass man eine neue Kraft zur Ausarbeitung des Gesetzwerkes heranzuziehen beschloss. Die Wahl fiel auf den [Seite: 96] Hofrath Zenker, welcher ein Mitglied der Compilationscommission war, als solches bei der Revision des ersten Theiles das Referat über die Abhandlung von der Vormundschaft geführt hatte, und schon damals von dem Präsidenten der Commission als besonders tüchtig bezeichnet worden war. Da man dem noch thätigen Azzoni nicht die Arbeit entziehen wollte, mit welcher er sich beschäftigte, so wurde Zenker im November des Jahres 1760 mit der Ausarbeitung des dritten Theiles beauftragt. Dieser Auftrag wurde nach dem bald darauf erfolgten Tode Azzoni's im Jahre 1761 auf die Ausarbeitung des zweiten Theiles und auf die Umarbeitung des ersten Theiles ausgedehnt. Gleichzeitig wurde Holger, der Mitarbeiter Azzoni's, beauftragt, sich ausschliesslich denArbeiten bei der Criminalcommission zu widmen.

Zenker beschäftigte sich dem ihm ertheilten Auftrage gemäss zunächst mit Ausarbeitung des dritten Theiles, es mussten daher die durch Azzoni's Tod unterbrochenen Berathungen über den zweiten Theil inzwischen ruhen. Da nun längere Zeit verstrich, ohne dass die Commission Resultate ihrer Thätigkeit aufweisen konnte, so erliess die Kaiserin eine sehr ernste Mahnung. Bitter beklagt sie sich in der Entschliessung, welche sie eigenhändig auf einen Vortrag vom 10. November 1762 niederschrieb, darüber, dass der Präsident und die Räthe der Commission ihr so oft die Versicherung gegeben haben, dass das ganze Werk in vier Jahren beendet sein würde, während nun bereits eine doppelt so lange Frist verstrichen sei, ohne dass man sich dem Ziele merklich genähert habe. Es wird nun aufgetragen, dass Zenker sich ausschliesslich mit der Ausarbeitung des codex theresianus beschäftigen solle, und nicht einmal die Sitzungen der obersten Justizstelle besuchen dürfe; ausserdem wurde ein wöchentlicher [Seite: 97] Bericht Zenker's über den Stand seiner Arbeiten abverlangt.

Aus diesen Berichten, welche Zenker in der That bis zur Vollendung des ganzen Werkes erstattete, geht hervor, dass er vor Ausarbeitung des Textes die Grundzüge eines jeden Hauptstückes entwarf, diesen Entwurf mit den Hofräthen und Mitgliedern der Compilationscommission Cetto und Mühlendorf besprach, und erst den fertigen Text zur Berathung in die Commission brachte.

Ohne erheblichen Zwischenfall wurden die Arbeiten der Commission fortgesetzt, bis gegen Ende des Jahres 1766 der ganze codex theresianus vollendet und sammt dem Entwurfe eines Kundmachungspatentes der Kaiserin übergeben worden war. Bemerkenswerth scheint es, dass zuerst der dritte, dann der zweite Theil und endlich der erste Theil bearbeitet wurde. Die Umarbeitung des ersten Theiles, welche schon zur Zeit Azzoni's beschlossen worden war, hatte wesentlich nur den Zweck der Abkürzung des Textes. Sie scheint gleichwohl längere Zeit in Anspruch genommen zu haben, und nach dem Materiale zu schliessen, welches der Commission mitgetheilt worden ist, scheint man die Absicht gehabt zu haben, namentlich das Hauptstück von der Vormundschaft einer eingehenden Erörterung zu unterziehen. Die oberste Justizstelle hat nämlich gegen Ende des Jahres 1765 Gutachten und Entwürfe über das Pupillenwesen, welche den Behörden in Böhmen, Mähren, Schlesien, Ober-, Vorder- und Innerösterreich abgefordert worden waren, an die Commission zur Benützung bei ihren Arbeiten geleitet.

Von den Materialien, aus denen man den Gang der Berathungen entnehmen könnte, ist fast gar nichts erhalten; ausser dem Texte steht nur das Referat Zenker's, welches eine Art Motivenbericht bildet, zur Verfügung.[Seite: 98] Es scheint jedoch, dass an der Arbeit Zenker's durch die Commissionsberathungen nicht sehr viele Aenderungen vorgenommen wurden. Den Ansichten des Referenten wurde damals ein sehr grosser Einfluss eingeräumt; wie weit dieser ging, lässt sich aus folgendem Umstände entnehmen. Dieselben Commissionsglieder, welche zur Zeit Azzoni's den übertriebensten Purismus in der Sprache, welcher jedes aus einer nicht deutschen Wurzel gebildete Wort perhorrescirte, ohne Widerspruch dagegen zu erheben, walten liessen, beschlossen, nachdem Zenker an die Stelle Azzoni's getreten war, einhellig, die üblichen Fremdworte zu gebrauchen, und namentlich zur Erhöhung der Deutlichkeit die deutschen Rubriken durch lateinische zu ersetzen. Eine ähnliche Wandlung vollzog sich hinsichtlich der Auffassung des römischen Rechtes, auf das sich Zenker in seinem Referate sehr häufig stützt, und das nach dem Entwurfe des Kundmachungspatentes als Subsidiarrecht in Geltung bleiben sollte; denn demselben sowie den Landesrechten wurde nur in so weit derogirt, als in dem codex theresianus etwas von dem bestehenden Rechte Abweichendes angeordnet wird.

Das Kundmachungspatent ist in mehrfacher Beziehung von Interesse, zunächst als Ausdruck der Auffassung der Aufgaben der gesetzgebenden Gewalt. Man liess die Kaiserin mit Berufung auf die bei ihr allein ruhende gesetzgebende Gewalt sich hierüber in folgender Weise aussprechen. Es gehöre zu den vorzüglichsten Regierungssorgen, gegen Gebrechen der Rechtspflege Abhilfe zu finden. Sie habe sich daher bemüht, durch die bei verschiedenen Anlässen ergangenen Verordnungen Missbräuche abzustellen, Dunkelheiten aufzuklären, Zweifel zu entscheiden, Lücken auszufüllen, und dabei eine Gleichheit der Gesetzgebung herzustellen oder zu erhalten. Das Uebel [Seite: 99] konnte jedoch wegen der Unvollständigkeit, Dunkelheit und Verschiedenheit der Landesrechte, die dem Verkehre grosse Hindernisse bereiten, nicht von Grund aus behoben werden. Diese Uebelstände standen aber auch dem Bestreben entgegen, die unter der gleichen Botmässigkeit vereinten Lande mit einander enger zu verbinden. Aus der Erwägung dieser Verhältnisse entsprang nun der Entschluss, ein gewisses und gleichförmiges Recht einzuführen, und demgemäss ein klares, deutliches, verlässliches, immerwährendes und alle Lande gleich verbindendes Recht verfassen zu lassen. Von diesem Entschlusse habe sich die Kaiserin weder durch die Misserfolge der Vorfahren noch durch die grossen Schwierigkeiten der Sache abbringen lassen, da sie von dem Nutzen, der daraus für die Unterthanen entspringen soll, überzeugt sei.

In dem Kundmachungspatente, das die Wirksamkeit des Gesetzes auf ein Jahr nach der Kundmachung hinausgeschoben wissen wollte, wird ferner der Entschluss ausgesprochen, die Gerichtsordnung, welche ursprünglich den vierten Theil des codex theresianus hätte bilden sollen, nicht mehr als integrirenden Bestandtheil desselben zu behandeln.

Erwähnenswerth ist noch der Umstand, dass bei Erwähnung der Einsetzung der Compilationscommission nur der letzten Thätigkeit derselben gedacht wird, und der Bestand derselben zu der Zeit, als Azzoni das Referat führte, gänzlich ignorirt bleibt. Dieser Zug wiederholt sich später in jedem Stadium der Codificationsarbeiten; jeder der verschiedenen Gesetzentwürfe, die im Verlaufe der Zeit zu Stande kamen, stellt sich als eine ursprüngliche Arbeit dar und lässt die Quelle, aus der er entsprang, unberücksichtigt.

Die äussere Form des Zenker'schen Entwurfes weicht [Seite: 100] von der Form der Azzoni'schen Entwürfe etwas ab. Jeder Theil zerfällt in Hauptstücke, diese in Paragraphe, welche die Stelle der Abschnitte vertreten, mehrere Hauptstücke sind überdiess in Artikel eingetheilt, von denen jeder mehrere Paragraphe umfasst; die Paragraphe zerfallen in Absätze. Die Numerirung der Paragraphe und der Absätze ist für jedes Hauptstück eine fortlaufende, und fängt mit jedem Hauptstücke neu an.

Die systematische Eintheilung weicht, soweit es den ersten Theil betrifft, nur unbedeutend von der letzten unter Azzoni's Referat beendeter Redaction ab; die wichtigste Aenderung besteht in der Ausscheidung der von den Unterthanen und von den Grundunterthanen handelnden Hauptstücke, deren Inhalt fortan von dem Gebiete des Civilrechtes ausgeschieden blieb. Hinsichtlich des zweiten Theiles lagen für Zenker verhältnissmässig wenig Vorarbeiten aus der Zeit seines Vorgängers vor, an die er sich hätte halten können. Die systematische Eintheilung kann daher nur mit der in dem ursprünglichen Generalplane enthaltenen Anordnung des Stoffes verglichen werden.

Zwischen den Hauptstücken, welche von den Sachen und vom Eigenthume handeln, erscheint ein neues Hauptstück "von den dinglichen Rechten überhaupt" eingeschaltet. Das Eigenthumsrecht, welchem nach dem Generalplane nur Eine Abhandlung gewidmet werden sollte, wird in sieben Hauptstücken behandelt, in deren Reihe die Hauptstücke über Schenkungen, — die im Generalplane nach dem Erbrechte eingereiht wurden —, und über Verjährungen — die den Schluss des zweiten Theiles bilden sollten — aufgenommen wurden.

Diese sieben Hauptstücke führen die Titel von dem Eigenthume — von den Erwerbungsarten des Eigenthums und insbesondere von der Ergreifung — vom Zugang oder [Seite: 101] Zuwachs — von willkürlicher Uebertragung des Eigenthums und insonderheit von Uebergabe eines Dinges — von Schenkungen unter Lebenden und auf den Todesfall — von Uebertragung des Eigenthums aus Macht Rechtens — von Verjährungen.

Die Einreihung der Bestimmungen über Schenkungen an dieser Stelle erscheint dadurch motivirt, dass die Schenkung als eine Abart der Erwerbungsart durch willkürliche Uebertragung neben der Tradition aufgefasst wird. In ähnlicher Weise wird der Platz für die Verjährung bestimmt, da sie eine Art der Uebertragung des Eigenthums aus der Macht Rechtens neben der Erwerbung durch grundbücherliche Intabulation, — durch richterlichen Spruch — und durch rechtmässige Erwerbung mit gutem Glauben — bilde.

Die Stoffeintheilung der meisten dieser Hauptstücke, namentlich jener über die Occupation und über den Zuwachs ist dieselbe, wie sie in unserem a. b. Gesetzbuche vorkömmt; alle späteren Entwürfe hatten nur die Aufgabe, den Text zu kürzen. Erwähnenswerth ist, dass der Antheil des Staates an einem gefundenen Schatze zuerst über Anregung Holger's noch zur Zeit Azzoni's festgesetzt worden war, indem man sich auf das Heimfallsrecht des Staates an einem erblosen Gute berief.

Die Bestimmungen über Schenkungen schreiben die gerichtliche Anzeige für alle Schenkungen von Immobilien und von Mobilien, wenn diese mehr als 500 fl. werth sind, als zur Giltigkeit der Schenkung wesentlich vor. Die gerichtliche Anzeige wird auch für Schenkungen auf den Todesfall angeordnet, und hat die Wirkung, dass die Schenkung bis zur gerichtlichen Anzeige widerrufen werden kann, und als widerrufen gilt, wenn sie nicht ausdrücklich im Testamente bestätigt wird. Die Schenkung des ganzen [Seite: 102] Vermögens wird nicht zugelassen, da darin ein Act der Verschwendung, nicht aber der Freigebigkeit liege; ausserdem ist aus dem Referate Zenker's zu entnehmen, dass diese Massregel gegen die Bereicherung geistlicher Körperschaften gerichtet war.

Von besonderem Interesse ist die Richtung, welche sich in der Behandlung der Erwerbungsarten aus Macht Rechtens ausprägt, und die dahin geht, das Recht des Einzelnen der Rücksicht auf die allgemeine Rechtssicherheit unterzuordnen. Mit Berufung auf das Obereigenthumsrecht des Staates wird namentlich gefordert, dass der in der Nichtberechtigung des Vormannes liegende Mangel der Tradition im Interesse der allgemeinen Rechtssicherheit durch das Gesetz behoben werden müsse. Es soll demnach ein rechtskräftiger Titel und der gute Glaube zur Erwerbung des Eigenthums ohne Rücksicht auf die Berechtigung des Vormannes ausreichen.

Aus der gleichen Rücksicht auf die Sicherheit des Verkehres wird die Anordnung abgeleitet, dass man unbewegliche Güter nur durch die Eintragung in die öffentlichen Bücher erwerben könne, und dass eine Ersitzung gegen den Inhalt des öffentlichen Buches nicht zugelassen werde.

Die Rücksicht auf die Sicherheit des Verkehres bildet auch die Grundlage für die Zulassung der Eigenthumserwerbung durch Verjährung; denn Niemand könnte sich in seinem Eigenthume sicher fühlen, wenn nicht eine bestimmte Zeit festgesetzt würde, nach deren Verlauf das Eigenthum jeder Anfechtung entrückt sei. Das Hauptstück von der Verjährung behandelt die Ersitzung und die Verjährung, beide Begriffe unter der letzteren Bezeichnung zusammenfassend. Erwähnenswerth ist die Zulassung einer Unterbrechung der Verjährung durch Eintragung einer [Seite: 103] Protestation im eigentlichen Buche, welche gleich einer Vormerkung gerechtfertigt werden sollte.

In der Behandlung des Erbrechtes folgt der Zenkersche Entwurf dem ursprünglich von Azzoni betretenen Wege, indem er ein allgemeines von der Erbfolge handelndes Hauptstück voranstellt, das aber nur zum Zwecke hat, eine Uebersicht über die Vertheilung des ganzen Stoffes zu geben. Das hiezu geschriebene Referat gibt Zenker Gelegenheit, sich dem römischen Rechte gegenüber mit Berufung auf die bestehenden Landesrechte dafür auszusprechen, dass der Erbe durch den Erbanfall allein Eigenthum und Besitz an den Nachlassgegenständen erwerbe. Ausserdem wird dem Erbrechte die Eigenschaft eines dinglichen Rechtes mit dem Beifügen bestritten, die Eigenschaft des Nachlasses als einer Gesammtsache mache es nicht nöthig, Abweichungen von den allgemeinen Rechtsbegriffen aufzunehmen.

Die zur Zeit Azzoni's beschlossene Eintheilung des Stoffes wurde auch insoweit nachgeahmt, dass die Bestimmungen, welche bei jeder Art der Erbfolge Anwendung finden sollten, in drei besonderen Hauptstücken — von Antretung der Erbschaft — von Theilung der Erbschaft — und von Einbringung vorausempfangenen Gutes — nach dem Hauptstücke von der rechtlichen Erbfolge eingereiht wurden.

In Ansehung der Behandlung der testamentarischen Erbfolge sind im Vergleiche mit dem Generalplane folgende Aenderungen getroffen worden. Die Bestimmungen über den Pflichtteil werden in zwei besonderen Hauptstücken — von dem Pflichtteile und von der Enterbung notwendiger Erben — behandelt; dieselben sind zwischen den Hauptstücken von der Aftererbseinsetzung und von den Vermächtnissen eingereiht. An die Stelle der Abhandlung [Seite: 104] — von Erhebung eines letzten Willens und Darnachverhaltung — sind die drei Hauptstücke von Eröffnung, Kundmachung und Vollziehung des letzten Willens — von Ungiltigkeit und Entkräftung des letzten Willens — von denen, die sich einer Erbschaft oder Vermächtniss verlustig und unwürdig machen — getreten; dagegen erscheint an der Stelle der Abhandlung von Erb- oder Nachfolge durch Vergleichung oder Gemeinschaft der Güter kein demselben Inhalte gewidmetes Hauptstück.

Das Erbrecht ist dasjenige Rechtsgebiet, auf welchem die grössten Verschiedenheiten unter den bestehenden Landesrechten bestanden, und auf welchem unificirende Bestrebungen am tiefsten eingreifen mussten. Zenker schritt hinsichtlich der vorzunehmenden Reformen auf der durch die Vorarbeiten Azzoni's betretenen Bahn fort, und schloss sich an diese Vorarbeiten an. Die in den letzteren gemachte Unterscheidung zwischen feierlichen und minderfeierlichen Testamenten wurde beibehalten; die Anwendung derselben jedoch dadurch wesentlich geändert, dass die Zulassung eines minderfeierlichen Testamentes in den früher wegen der Person des Erben begünstigten Fällen abgelehnt, dagegen für ein am Lande errichtetes feierliches Testament nur die Zuziehung von zwei Zeugen verlangt wird. Für die Errichtung eines Codicilles wurden weniger Förmlichkeiten, als für die Errichtung eines Testamentes vorgeschrieben. Diese Verschiedenheit der Förmlichkeiten musste die Frage entstehen lassen, ob die in einem Testamente enthaltenen Anordnungen als Vermächtnisse bestehen können, wenn den Anordnungen über Errichtung von Codicillen, nicht aber jenen über Errichtung von Testamenten entsprochen wurde. Diese Frage wurde dahin entschieden, dass die Giltigkeit dieser Anordnungen von dem Beisatze der Codicillarclausel abhängig sei.[Seite: 105]

Der Einfluss ständischer Unterschiede, welchem hinsichtlich der Zeugnissfähigkeit bei Testamenten in Uebereinstimmung mit dem Azzoni'schen Entwürfe Raum gegeben wurde, zeigte sich auch in dem Hauptstücke von der Einsetzung eines nachberufenen Erben. Es sollte nämlich ein den höheren Ständen angehöriger Vater, wenn er seinem unmündigen Kinde einen Erben substituiren will, hiezu nur einen Agnaten wählen können. Am meisten trat aber der Einfluss der ständischen Verschiedenheit in den Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht und den Pflichttheil der Töchter höherer Stände hervor. An dem zu Azzoni's Zeit gemachten Fortschritte, dass die Töchter einen Anspruch auf eine Quote des Nachlasses haben, und nicht mit einem unbestimmten Betrage abgefertigt werden sollen, wurde festgehalten. Diese Quote wurde mit einem Viertheil bestimmt; wenn aber die Zahl der Söhne mehr als das Doppelte der Zahl der Töchter betragen würde, so sollten die Söhne und Töchter nach Köpfen theilen.

Das Hauptstück von der Enterbung nothwendiger Erben enthält eine Bestimmung, welche sich viel länger erhalten hat, als die Grundlage, auf welche sie damals gestützt wurde. Es werden nämlich Apostasie und Ketzerei insoweit als Enterbungsgründe anerkannt, als der Uebertritt zu einer Religion erfolgt, welche nach den Landesgesetzen erbunfähig macht.

Das Hauptstück von Vermächtnissen enthält eine Bestimmung, durch welche eine zwischen den österreichischen und böhmischen Ländern bestehende Rechtsverschiedenheit ausgeglichen werden sollte. Dieselbe besteht in der Einführung der falcidischen Quart, welche der Erbe in Oesterreich, nicht aber in Böhmen abzuziehen befugt war. Die Generalisirung dieses dem Erben eingeräumten Befugnisses wird damit gerechtfertigt, dass darin ein Mittel liege, um [Seite: 106] den Erben zum Antreten der Verlassenschaft zu bestimmen. Bemerkenswerth sind die Ausführungen Zenker's darüber, dass den Legataren keine stillschweigende Generalhypothek, welche auf allen Rechtsgebieten abgeschafft wurde, zukommen könne; statt dessen wird den Legataren für den Fall der Gefährdung ein gesetzlicher Titel zur Erlangung eines Specialpfandes eingeräumt.

Trotz der Aufnahme besonderer Hauptstücke, welche die gemeinschaftlichen Bestimmungen für beide Arten der Erbfolge enthalten und sich namentlich auf die Regulirung der Verlassenschaft beziehen, wurden doch nach dem Beispiele früherer Gesetze und Entwürfe in die der testamentarischen Erbfolge gewidmeten Hauptstücken viele Bestimmungen über das Verfahren bei Verlassenschaftsabhandlungen aufgenommen. In demselben wird der amtlichen Ingerenz sowohl in Beziehung auf die Ermittlung des Erben als hinsichtlich der Erfüllung des letzten Willens ein sehr weiter Spielraum eingeräumt. Diess zeigt sich in der Sorge für die Auffindung und Publication der Testamente, Verständigung der Erben, Bestellung eines Curators, welcher die Aufgabe eines Testamentsexecutors — falls ein solcher nicht vom Erblasser eingesetzt wurde — zu erfüllen hat. Man fand hiebei auch Anlass, eine auf den Standesunterschied gegründete Rechtsverschiedenheit zu beseitigen. In Böhmen war eine Confirmation der Testamente zu erwirken, diese konnte aber nicht vor Ablauf einer bestimmten Frist ausgesprochen werden, die für die höheren Stände mit drei Jahren sechs Wochen, für die niederen Stände aber kürzer bemessen war. Statt dessen wurde vorgeschlagen, dass der Nachlass nicht vor Ablauf von sechs Wochen an den Erben — durch eine im einundzwanzigsten Hauptstücke enthaltene Bestimmung erscheinen die grossjährigen Kinder des Erblassers von dieser [Seite: 107] Beschränkung ausgenommen — ausgefolgt werden dürfe, und dass alle später, jedoch innerhalb der Verjährungszeit von drei Jahren und sechs Wochen erhobenen Ansprüche auf den Rechtsweg verwiesen werden sollen. Unter den die Ungiltigkeit einer letzten Willenserklärung betreffenden Bestimmungen ist zu erwähnen, dass der Verlust der Testirungsfähigkeit ein vor dem Eintritte dieses Verlustes errichtetes Testament entkräften sollte. Die in Folge der Verurtheilung wegen eines Verbrechens eintretende Testirungsunfähigkeit wurde auch auf Selbstmörder angewendet, die sich im Bewusstsein einer Schuld das Leben nahmen.

Den mehrfachen im codex theresianus enthaltenen Bestimmungen, welche eine Einziehung zu Gunsten des Fiscus anordnen, muss die Aufhebung der Massregel gegenüber gestellt werden, nach welcher früher das einem Erbunwürdigen Angefallene dem Fiscus heimfiel.

Die belangreichsten Reformen wurden hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge vorgeschlagen. Der Unterschied zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen sollte auf die Erbfolge keinen Einfluss mehr üben. Nicht so entschieden war man bei Beseitigung des Einflusses, der dem Unterschiede des Geschlechtes eingeräumt war. Ausser der schon früher erwähnten Bevorzugung der Söhne vor den Töchtern erhielt sich noch das den Agnaten im Falle des Zusammentreffens mit Cognaten eingeräumte Einlösungsrecht, ferner die Bestimmung, dass die weibliche Descendenz nicht nach Stämmen, sondern nach Köpfen zu theilen habe. Von grosser Wichtigkeit ist auch die Milderung der Anordnung des böhmischen Rechtes, welche die legitimirten Kinder von der Erbfolge ausschloss; nur im Falle der Legitimation durch die Gnade des Landesfürsten sollte die Erbberechtigung der legitimirten Kinder, wenn sie mit ehelichen Kindern zusammentreffen, nicht [Seite: 108] weiter reichen, als ihnen im Legitimationsacte zugesichert wurde.

Eine Verbesserung der rechtlichen Stellung der unehelichen Kinder trat auch in der Richtung ein, dass gestattet wurde, ihnen einen Theil des Nachlasses zuzuwenden, welcher aber ein Sechstel und wenn eheliche Kinder vorhanden sind, ein Zwölftel nicht übersteigen sollte.

Dem überlebenden Ehegatten wurde nicht bloss der Fruchtgenuss, sondern das Eigenthum an einer Quote des Nachlasses als Erbtheil für den Fall zuerkannt, dass der überlebende Gatte mit Kindern in der Erbfolge concurrirt. Es geschah diess, wie es scheint, aus dem Grunde, um den Schwierigkeiten einer neuen Vertheilung der durch Wegfall des Fruchtgenussrechtes frei werdenden Masse zu entgehen.

Die Hauptstücke, welche den für beide Arten der Erbfolge gemeinschaftlichen Bestimmungen gewidmet sind, behandeln zunächst die Antretung der Erbschaft. Der Inhalt dieses Hauptstückes gab gleichfalls Anlass, Verschiedenheiten der Landesrechte auszugleichen. Die durch die böhmische Landesordnung vorgeschriebene Immission des Erben, welche man als zur Antretung der Erbschaft gehörig behandelte, wurde beseitigt; dagegen die in den österreichischen Ländern zum Zwecke der Auseinandersetzung der Vermögensverhältnisse stattfindende Verlassenschaftsabhandlung und insbesondere die einen Bestandtheil derselben bildende Convocation der Gläubiger wurde allgemein eingeführt.

Die Antretung der Erbschaft, hinsichtlich deren die Fiction gelten soll, dass sie im Augenblicke des Anfalles erfolge, nebst der sich daran anschliessenden Untersuchung des Erbrechtes wurde von der Verlassenschaftsabhandlung [Seite: 109] abgesondert behandelt. Bei Festsetzung der Frist zur Erklärung über die Antretung der Erbschaft folgte man dem Vorbilde der für Böhmen erlassenen Pragmatiken vom 14. März 1717 und vom 9. März 1722 und bestimmte dieselbe mit drei Monaten unter Anwesenden und mit sechs Monaten unter Abwesenden. Den Interessenten wurde es ermöglicht, den Ausspruch des Eintretens der mit Versäumung der Frist verbundenen Folgen zu erwirken. Diese bestanden aber den Nacherben gegenüber in dem Verluste des Erbrechtes, den Nachlassgläubigem gegenüber in der Fiction des Antrittes der Erbschaft, und dem Ausschlusse von der Rechtswohlthat des Inventars. Die Erklärung über die Antretung war zur Eintragung in die öffentlichen Bücher bestimmt.

Die amtliche mit Anlegung der engen Sperre beginnende Intervention sollte in jedem Nachlassfalle eintreten, und im Wege der Verlassenschaftsabhandlung, bei deren Normirung man sich auf ein für die österreichischen Länder erlassenes Edict vom 31. Jänner 1760 berief, zu einer Liquidirung und Vertheilung des Vermögens führen, so dass jeder Gläubiger und Erbe das ihm Gebührende erhalte.

Die Erbtheilung, welche in einem besonderen Hauptstücke behandelt wurde, sollte in den Formen des nicht streitigen Verfahrens durchgeführt werden. Sie war nicht mittelst einer Klage, sondern mittelst eines Gesuches einzuleiten; die durchgeführte gerichtliche Theilung sollte nicht im Rechtswege, sondern nur im Beschwerdewege angefochten werden können. Die Verschiedenheit der Fristen, welche früher in Böhmen für diese Anfechtung galten, je nachdem es sich um bewegliche oder unbewegliche Sachen handelte, wurde beseitigt. Hinsichtlich der Durchführung der Theilung ist hervorzuheben, dass der [Seite: 110] Grundsatz: "der Aeltere theilt, der Jüngere wählt" beibehalten und die Erwirkung einer Fristbestimmung für die Theilung und Wahl ermöglicht wurde. Beibehalten wurde auch eine Bevorzugung der männlichen Agnaten in der Richtung, dass diese ausschliesslich berechtigt blieben, die unbeweglichen Güter bei der Erbtheilung gegen Abfertigung der übrigen Miterben zu übernehmen.

Unter den Bestimmungen über die Einbringung vorempfangenen Gutes, welche sich in einem besonderen Hauptstücke denen über die Erbtheilung anschliessen, ist hervorzuheben, dass das Vorempfangene entweder in natura eingebracht oder dessen Werth der Nachlassmasse zugerechnet werden sollte.

Nach dem Generalplane hätten auf die dem Erbrechte gewidmeten Abhandlungen die Abhandlung von dem Recht, so an Sachen haftet, folgen und das getheilte Eigenthum so wie die persönlichen Dienstbarkeiten behandeln sollen: die Dienstbarkeiten an Stadt- und Landgründen waren für eine besondere Abhandlung bestimmt, die unmittelbar an die vorher erwähnte angereiht wurde.

Der Inhalt dieser beiden Abhandlungen ist im codex theresianus in fünf Hauptstücke — vom Erbzinsrecht — von dem Recht der Oberfläche — von dem Recht der Dienstbarkeit überhaupt — von persönlichen Dienstbarkeiten — von Grunddienstbarkeiten — vertheilt worden. In dem die Grunddienstbarkeiten betreffenden Referate Zenker's wird die Behauptung ausgeführt, dass die Servitut nicht bloss in einer Verpflichtung zu dulden bestehen müsse, sondern auch in einer Verpflichtung zu leisten bestehen könne.

Diesen Hauptstücken wird im codex theresianus das Hauptstück von dem Rechte des Besitzes vorangestellt, das nach dem Generalplane erst nach der Abhandlung [Seite: 111] vom Pfand und Unterpfand oder Versicherungsrecht hätte folgen sollen; während das Hauptstück von dem Pfandrechte den Schluss des zweiten Theiles im codex theresianus bildet.

In seinem Referate spricht Zenker Ansichten aus, die zum Theile von massgebendem Einflusse auf die spätere Gesetzgebung geworden sind, zum Theil einen Einblick in die Entstehung von noch jetzt herrschenden Anschauungen gewähren. Er polemisirt gegen jene, die in dem Besitze bloss einen factischen Zustand erblicken, und vindicirt demselben die Eigenschaft eines Rechtes schon aus dem Grunde, weil es sonst an der Grundlage zur Ableitung der Schutzmittel des Besitzers fehlen würde.

Mit grosser Lebhaftigkeit bekämpft Zenker die in Böhmen entstandene Praxis, welche sich durch die sich steigernde Leichtigkeit in Ertheilung von Sicherstellungsmitteln herausbildete, und die dahin führte, dass man jedem, der eine Forderung einklagte, die Eintragung im öffentlichen Buche zur Sicherung der Priorität bewilligte, und die Erlangung des Pfandrechtes nur von der Liquidirung der Forderung abhängig machte. Nach dem Entwurfe soll ein richterliches Pfandrecht nur zum Zwecke der Execution oder bei nachgewiesener Gefahr ertheilt werden.

Eine andere in Böhmen herrschend gewordene Praxis, die noch heute ihre Vertheidiger findet, wird gleichfalls von Zenker bekämpft, und zwar die Einräumung eines gesetzlichen Pfandrechtes für Forderungen an rückständigen Kaufschillingsgeldern. Im codex theresianus wird ein gesetzliches Pfandrecht nur zur Sicherheit von Steuern und Grundabgaben, dann zum Schutze von Mieth- und Pachtzinsforderungen eingeräumt.

In allen die Erwerbung dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen betreffenden Hauptstücken wird der [Seite: 112] Grundsatz durchgeführt, dass diese Erwerbung nur durch die Eintragung im öffentlichen Buche bewirkt werden könne.

In der Stoffeintheilung des dritten Theiles wich Zenker sehr erheblich von dem Generalplane ab. Die wesentlichsten Aenderungen bestehen darin, dass die Abhandlungen, in denen die Geltendmachung von Ansprüchen behandelt werden sollte, die aus dem Personenrechte, dem Sachenrechte oder dem Erbrechte abgeleitet werden, wegblieben, und dass die einzelnen Arten von Verträgen, die nach dem Generalplane unter die Abhandlungen von Vergleichungen, wo nur einer verbunden wird — von Vergleichungen, wo einer haupt-, der andere rückverbindlich wird — von Vergleichungen, wo beide vergleichende Theile hauptsächlich verbunden werden — eingetheilt werden sollten, in dreizehn abgesonderten Hauptstücken nach Vorausschickung eines allgemeinen Hauptstückes — von benannten Contracten insgemein — behandelt werden. Diese dreizehn Hauptstücke führen die Titel — von sachlichen oder Realcontracten und insbesondere vom Leihen oder Borgen — vom Leihen zum Gebrauch — von Anvertrauung oder Hinterlegung eines Gutes — von Pfandcontracten — von Bürgschaften — von Kauf und Verkauf — vom Tauschcontract — vom Schätzungscontract — vom Mieth-, Pacht, Bestand und Dingungscontract — vom Erbzinscontract — vom Gesellschaftscontract — vom Befehlscontract — vom Gewährungs- oder Versicherungscontract. Ausserdem ist noch der Aenderung zu gedenken, dass der Inhalt der Abhandlung — von Zugleich- oder Nebenverbindung — welche als die vorletzte eingereiht war, in zwei Hauptstücke — von Zinsen, Nutzungen und andern aus Contracten schuldigen Nebengebühren — und — von Unterhändlern, Handlungsvorgesetzten, Schiedsmännern und andern bei Contracten einkommenden Personen — vertheilt [Seite: 113] wurde, welche ihren Platz nach dem von dem letzten der benannten Contracte handelnden Hauptstücke fanden.

Die allgemeinen Bestimmungen sind in den drei ersten Hauptstücken — von Verbindungen insgemein — von Zusagen, Verträgen und Vergleichen — und von den benannten Contracten insgemein — enthalten. Bei der Abfassung dieser Hauptstücke so wie des ganzen dritten Theiles konnte man sich nur ausnahmsweise an die Landesrechte anlehnen; dagegen wurde, wie aus dem Referate Zenker's zu entnehmen ist, das gemeine Recht, dem man bei der Motivirung des Generalplanes ein Uebermass an Förmlichkeiten vorgeworfen hatte, vielfach benützt. In manchen Dingen wich man allerdings von der gemeinrechtlichen Lehre ab und suchte die zur Zeit herrschenden naturrechtlichen Anschauungen zu verwirklichen.

Das Referat Zenker's enthält einige bemerkenswerthe Ausführungen in dieser Richtung. Die auf der Einwilligung beruhende Art sich zu verpflichten, wird als eine mittelbare der durch das Gesetz entstehenden unmittelbaren Verpflichtung entgegengesetzt. Die Unterscheidung der Verträge in pacta stricti juris und bonae fidei wird bekämpft, da alle Verträge als bonae fidei zu behandeln und ex aequo et bono auszulegen seien. Eben so wird die Unterscheidung zwischen Verbal- und Consensualverträgen verworfen, da die Worte nicht einen Verpflichtungsgrund bilden und nur gebraucht werden, um die Uebereinstimmung des Willens zu erklären und den Beweis für die Zukunft zu erleichtern. In der Uebereinstimmung des Willens erblickte man schon bei Ausarbeitung des Generalplanes die gemeinsame Quelle, auf welche alle Verbindungen zurückzuführen sind.

Nicht ohne Interesse ist die adoptirte Eintheilung aller verbindlichen Handlungen; sie werden zunächst [Seite: 114] unterschieden in erlaubte und unerlaubte; die erlaubten rühren her aus Freigebigkeit, aus einer Verpflichtung oder aus Billigkeit. Die Verpflichtung kann aus einem benannten oder unbenannten Vertrage entspringen; der Vertrag beruht auf einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung, er kommt zu Stande durch die Erklärung des Einverständnisses oder durch Uebergabe einer Sache. Die Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen werden auf die eigene Schuld oder auf das Verschulden eines Dritten zurückgeführt. Die Beibehaltung der Unterscheidung zwischen benannten und unbenannten Verträgen wird damit begründet, dass die benannten Verträge nicht alle möglichen Formen der abzuschliessenden Verträge erschöpfen. Den hier angeführten Distinctionen wird in dem von den Contracten insgemein handelnden Hauptstücke noch die in einseitige und zweiseitige Contracte hinzugefügt und die Notwendigkeit dieser Unterscheidung als wesentlich bezeichnet, um daraus einerseits die den Paciscenten zustehenden Klagen abzuleiten und anderseits die Grundsätze aufzufinden, die bei Beurteilung eines Verschuldens und bei der Zurechnung der Folgen einer Handlung oder Unterlassung massgebend sein sollen.

Die Stoffeintheilung in den Haüptstücken, welche die einzelnen Arten von Verträgen behandeln, ist eine gleichförmige. Vorangestellt werden die Bestimmungen über die wesentlichen Eigenschaften des Vertrages, dann folgen die Anordnungen über die persönliche Fähigkeit der Paciscenten und über die Beschaffenheit der Leistung, daran reiht sich die Normirung der Rechte und Pflichten, welche für jeden der beiden Paciscenten aus dem Vertrage entspringen, und den Schluss bildet in der Regel die Regelung der Haftbarkeit für Schuld, Gefährde und Zufall. Dazwischen werden in besonderen, die Form von Abschnitten [Seite: 115] vertretenden Paragraphen die Bestimmungen, welche einzelnen Arten von Verträgen eigenthümlich und die namentlich im Hauptstücke vom Kauf und Verkauf sehr zahlreich sind, eingereiht. Diese Bestimmungen enthalten auch sehr viele processuelle Anordnungen.

In dem Hauptstück vom Darlehensvertrag wird die Errichtung, Beweiskraft und Amortisirung von Urkunden, dann die Einwendung des nicht zugezählten Geldes behandelt. Die Beweislast hinsichtlich der Thatsache der Zuzählung trifft den Gläubiger, wenn die Einwendung binnen zwei Monaten nach Abschluss des Darlehens geltend gemacht wird; diese Frist beträgt aber ein Jahr, wenn der Aussteller des Schuldscheines innerhalb zwei Monaten nach der Ausstellung starb. Man hielt es für nothwendig, ausdrücklich beizusetzen, dass die Nichtzuzählung ohne Beschränkung auf eine Frist eingewendet werden könne, wenn sie vom Schuldner bewiesen werde, weil, so lautet die Begründung, derjenige mehr zu begünstigen sei, der einen Schaden von sich abwenden will, als wer einen Gewinn zu erlangen strebt.

Dieses Hauptstück, so wie jenes vom Pfandcontracte enthält viele Bestimmungen, welche schon in dem dem Pfandrechte gewidmeten Hauptstücke des zweiten Theiles ausgesprochen wurden, und die namentlich den Ausschluss von Generalhypotheken und die Forderung eines besonderen Titels zum Pfandrechte zum Gegenstande haben. Ganz consequent hielt man aber an der Forderung des Titels nicht fest, denn im Hauptstücke vom Kaufvertrage wird der in Böhmen herrschenden Praxis so weit nachgegeben, dass eine besondere Einräumung eines Pfandrechtes für einen rückständigen Kaufschilling überflüssig wird, wenn nur der Kaufvertrag überhaupt auf Grund der hinsichtlich des Eigenthumsrechts ertheilten [Seite: 116] Intabulationsclausel zur Eintragung in das öffentliche Buch gebracht wird.

Bei Normirung der Nebenverträge, die mit dem Pfandvertrage verbunden werden können, suchte man der Möglichkeit einer Uebervortheilung oder Ausbeutung des Schuldners dadurch vorzubeugen, dass man den Abschluss mancher Verträge an eine gerichtliche Intervention knüpfte und die Giltigkeit von der nach Untersuchung des Sachverhaltes zu ertheilenden Genehmigung des Gerichtes abhängig machte.

Eine Anlehnung an das römische Recht liegt darin, dass das Handpfand und die Hypothek in abgesonderten Abtheilungen normirt werden. Dem römischen Rechte folgte man auch in dem Hauptstücke von der Bürgschaft theilweise, indem man unter die Beschränkungen hinsichtlich der persönlichen Fähigkeit zu bürgen auch die Bestimmung aufnahm, dass Frauen nicht bürgen können, obgleich man sonst in keiner Richtung einer Geschlechtstutel Raum gab. Dieses Hauptstück gab auch Anlass, sich auf böhmisches Landesrecht zu berufen, nach welchem die Einklagung des Schuldners den Bürgen befreite, und die Verpflichtung des Bürgen nicht auf seine Erben überging, welche Bestimmungen auch adoptirt wurden. Dem gemeinen Rechte entgegen wurde ferner als eine dem Bürgen zukommende Rechtswohlthat die Bestimmung aufgenommen, dass die Verschwendung des Schuldners ein Befreiungsgrund für den Bürgen sei.

Bei Normirung des Kaufvertrages fand man Raum zur Aufnahme einer Reihe polizeilicher Bestimmungen, durch welche Sachen dem Verkehre entzogen werden, die Aufstellung von Preistaxen und ein solches Eingreifen in den Verkehr gerechtfertigt wird, wodurch der Kauf oder Verkauf in gewissen Fällen geboten oder verboten werden [Seite: 117] soll. Einen hervorragenden Platz nehmen hiebei die Massregeln zur Verhütung einer Hungersnoth ein. Sehr ausführlich sind auch die an die Gewährleistung sich anschliessenden processuellen Bestimmungen über die Vertretungsleistung, als deren Quelle das in Böhmen bestehende Recht bezeichnet wird. Diesem wurden namentlich die Bestimmungen entlehnt, dass der Geklagte von der Klage entbunden werde, wenn der Denunciat statt seiner in den Process eintrete, und dass der Hauptprocess durch den Process zur Erlangung einer Vertretungsleistung sistirt werde.

In den Bestimmungen über Gewährleistung, dann über Reugeld tritt das Bestreben an den Tag, den Schwierigkeiten eines Schadenersatzprocesses dadurch vorzubeugen, dass die Berechnung des Schadens überflüssig gemacht wird, indem das Gesetz eine Quote des Werthes als Aequivalent des dem Verletzten zugefügten Schadens bezeichnet. Im Zusammenhange mit den Abarten des Kaufvertrages wird auch das gesetzliche Einstandsrecht behandelt, und bei diesem Anlasse das Einstandsrecht der Verwandten als der Freiheit des Verkehres hinderlich aufgehoben.

Das Hauptstück vom Erbzinscontract behandelt in seiner zweiten Abtheilung den Rentenkauf unter der Bezeichnung: "Zinscontract" und entbindet denselben für den Fall, dass er von dem Zinsberechtigten nicht aufgelöst werden kann, von den gesetzlichen Zinsbeschränkungen.

Das von den Nebengebühren handelnde Hauptstück, welches nach den die einzelnen Arten von Verträgen normirenden Hauptstücken eingereiht ist, zerfällt in fünf Abtheilungen — von Zinsen — von Nutzungen und Früchten — von Zuwachs oder Zugängen — von Aufwand und Verbesserungskosten — von Schäden und Unkosten. Die erste, den Zinsen gewidmete Abtheilung enthält die [Seite: 118] gesetzlichen Zinsbeschränkungen, die bald nach Ausarbeitung des dritten Theiles geändert werden mussten, da die gesetzlichen Zinsen von 5 auf 4 % herabgesetzt worden waren. Bemerkenswerth ist es, dass das Referat Zenker's die Rechtmässigkeit des Zinsennehmens insbesondere motivirt und sich in eine Rechtfertigung dessen einlässt, dass es nicht unerlaubt sei, im Verlaufe der Jahre an Zinsen eine Summe zu beziehen, welche die Höhe des Kapitals überschreitet, so wie dass es gestattet sei, bezogene Zinsen fruchtbringend anzulegen.

In dem Hauptstücke, das von den Nebenpersonen handelt, wird der Stoff in drei Artikel — von Unterhändlern — von denen für Andere contrahirenden Personen — von Schiedsmännern — vertheilt, und im dritten Artikel zugleich auch das schiedsgerichtliche Verfahren geregelt.

Der erste Artikel enthält eine Bestimmung über die Entlohnung der Unterhändler, welche nach dem Vorbilde des böhmischen Rechtes nicht über 1% betragen soll.

Nach den Contracten folgen "die Handlungen, welche den Contracten gleich kommen". Die Formulirung dieser Titel-Ueberschrift geschah mit Absicht, und ist gegen die gemeinrechtliche Theorie von den Quasicontracten gerichtet. Schon bei der Motivirung des Generalplanes wurde bemerkt, man bedürfe nicht der Fiction eines Quasicontractes, die verbindende Kraft liege in der Handlung selbst. Die Zahl der Fälle, in denen ein dem Contracte gleichkommendes Verhältniss eintreten solle, wurde im codex theresianus vermehrt; denn zu den im Generalplane angeführten Abschnitten wurden noch die Paragraphe — von der Grenzscheidung — von Aufladung auf ein Schiff oder Wagen oder Abladung in einen Gasthof — von Befestigung des Kriegs (Litiscontestation) — hinzugefügt.

Daran reihen sich die aus blosser natürlicher Billigkeit [Seite: 119] verbindenden Handlungen, welche im Generalplane erst nach den aus Verbrechen entspringenden Verbindungen hätten folgen sollen.

In dem ersten, von den allgemeinen Grundregeln handelnden Paragraphe wird von der die Ausarbeitung des Generalplanes herrschend gewesenen Tendenz abgegangen, nach welcher man zu einem positiven Handeln, das ohne eigenen Schaden dem Andern zum Nutzen gereiche, verpflichten wollte. Man begegnet nur mehr der einen Grundregel, es solle sich Niemand mit dem Schaden eines Andern bereichern. Dieses Hauptstück hat auch einen von dem Generalplane ziemlich abweichenden Inhalt bekommen, der aus den folgenden Paragraphen-Ueberschriften entnommen werden kann — von Zurückforderung einer Sache, wegen nicht erfolgter Ursache, aus der sie gegeben wurde, — von Zurückforderung einer aus ungebührlicher oder unbilliger Ursache empfangenen Sache — von Zurückforderung des ohne Ursache vorenthaltenen fremden Gutes — von Wiedererstattung des zu Jemands Nutzen verwendeten fremden Gutes — von gleichem Betrag zu Vergütung eines in Nothfällen wegen gemeinsamer Rettung erlittenen Schadens.

Der letzte Paragraph gab dem Referenten Anlass, sich über die Anwendbarkeit der lex rhodia de jactu auf die gleichartigen, aus Anlass einer Feuersgefahr sich ergebenden Fälle auszusprechen. Er erklärt sich dagegen und hält die Bildung eines öffentlichen Fondes, aus dem die Entschädigung zu leisten wäre, für sehr wünschenswerth.

Das Hauptstück von Verbrechen hat gleichfalls im Verhältniss zum Generalplane eine Erweiterung seines Inhaltes erfahren. Dasselbe zerfällt in vier Artikel, von denen der erste dem allgemeinen Theile gewidmet ist und nebst der Zurechnung, dann der Entstehung, dem Uebergang [Seite: 120] und der Erlöschung der aus Verbrechen entspringenden Verbindlichkeiten auch noch das Verhältniss zwischen dem Civil- und Strafverfahren behandelt. Damit die Verbindlichkeit auf den Erben übergehe, soll nicht mehr die Litiscontestation gefordert werden, sondern die Vorladung genügen. Der im Strafprocesse Losgesprochene soll nicht mehr civilgerichtlich belangt werden können. In Ehrenbeleidigungsachen schliesst überdiess schon die Einleitung des Strafverfahrens das spätere Betreten des Civilrechtsweges und umgekehrt die Civilklage die Strafanzeige aus.

Der besondere Theil behandelt in den folgenden drei Artikeln — die an Jemands Person ausgeübten Verbrechen — die zum Abbruch fremder Rechte und Güter gereichenden Verbrechen — Ehrenhändel, Schandbriefe und andere Jemandens Ehre und guten Leumund antastende Verbrechen. In jedem dieser Artikel werden nur jene Verbrechen insbesondere angeführt, die zur Quelle einer civilrechtlichen Verbindlichkeit werden können.

Der erste Artikel insbesondere berührt in drei besonderen Paragraphen nur einige Verbrechen, durch welche die körperliche Integrität — die persönliche Freiheit und — die Geschlechtsehre gefährdet werden können. Es fanden übrigens in diesen Artikeln auch Bestimmungen Eingang, welche mit dem Inhalte derselben nur in einem sehr losen Zusammenhange stehen. So enthält der Artikel von den Verbrechen an Sachen auch einen Paragraph "von der zur Abwendung eines befahrenden Schadens gebührenden Rechtshilfe" und der von Ehrenhändeln handelnde Artikel schliesst mit dem Paragraphen "von den Jemandens Person oder Gut nachtheiligen Berühmungen eines hieran habenden Rechtes."

Das Hauptstück von den für Verbrechen geachteten Handlungen weicht von der im Generalplane ersichtlichen [Seite: 121] Stofffeintheilung nur insoferne ab, dass von der Beschädigung durch fremdes Vieh ausdrücklich gehandelt wird; dagegen werden unter den Beschädigungen, welche durch Unerfahrenheit in Ausübung des Berufes zugefügt werden können, an dieser Stelle nur mehr die Beschädigungen durch Unerfahrenheit eines Richters angeführt, dagegen aber die Beschädigungen durch Unerfahrenheit in Ausübung einer Kunst oder eines Gewerbes übergangen.

Der Inhalt der letzten Abhandlung des Generalplanes erscheint im codex theresianus in die zwei Hauptstücke — von Verwandlung und Uebertragung der Verbindungen an Andere — und von Aufhebung und Erlöschung deren Verbindungen — aufgelöst. In dem Referate zu dem ersteren dieser Hauptstücke bekämpft Zenker die lex anastasiana als der Leichtigkeit des Verkehres und den Interessen der Geldbedürftigen hinderlich.

Das letzte Hauptstück enthält viele processuelle Bestimmungen und behandelt die Tilgung durch Einreden oder Einwendungen als eine besondere Erlöschungsart der Verbindungen. In dem von den Quittungen handelnden Paragraphen werden die Bestimmungen über die Einwendung des nicht zugezählten Geldes auch auf die Beweislast in dem Falle angewendet, wenn die Richtigkeit einer Quittung angefochten wird. Der Beweis der erfolgten Zuzählung kann nicht mittelst der Quittung hergestellt werden, wenn die Anfechtung derselben binnen dreissig Tagen nach dem Ausstellungstage erfolgt.

Dreizehn Jahre waren seit der Einsetzung der Compilationscommission in Brünn verstrichen, mehr als dreimal war die Zeit von vier Jahren, welche man als zur Vollendung des ganzen Gesetzwerkes ausreichend in Aussicht gestellt hatte, abgelaufen, ehe man der Kaiserin den codex theresianus, an dessen Zustandekommen sie so lebhaften [Seite: 122] Antheil genommen hatte, überreichen konnte. Das Ziel, dem man im Interesse des Verkehres, der Rechtspflege, des Staatsverbandes, der allgemeinen Wohlfahrt eine so grosse Bedeutung beilegte, schien nahezu erreicht. Mit der Beendigung der Codification des Civilrechtes traf fast gleichzeitig die Beendigung der constitutio criminalis theresiana zusammen: und es war daher die Möglichkeit geboten, den grössten Theil der Gesetzgebung zu reformiren, und eine einheitliche Reichsgesetzgebung an die Stelle der vielfältigen Landesgesetzgebungen zu setzen.

Allgemein glaubte man, dass die Sanctionirung des codex theresianus nicht ausbleiben werde, und unterhandelte sofort sowohl wegen des Druckes des deutschen Textes — der in drei Bänden bei Trattner in Wien erscheinen sollte — als auch wegen Uebersetzung desselben in das Böhmische und Italienische. Die Uebersetzung in diese beiden Sprachen wurde auch thatsächlich mit Genehmigung der Kaiserin begonnen.

Die Verhandlungen hierüber füllten einen Theil des Jahres 1767 aus. Es fehlte hiebei nicht an Stimmen, welche die Vornahme von Uebersetzungen für überflüssig hielten, da die Kenntniss der deutschen Sprache in allen Provinzen hinreichend verbreitet sei. Man wies auch auf Ungarn hin, wo man alle Gesetze nur in einer und zwar in der lateinischen Sprache kundmache, ohne Uebersetzungen für die verschiedenen in Ungarn wohnenden Nationen zu veranstalten. Bei dem Entschlusse Uebersetzungen zu veranstalten hielt man jedoch an der Ansicht fest, dass nur der deutsche Text Gesetzeskraft erlangen könne.

Da mehrere Monate seit der Vorlage des Textes an die Kaiserin verstrichen waren, ohne dass die Sanction erfolgte, so wurde das Bedenken laut, ob es gerathen sei, mit den Uebersetzungen vor der Sanctionirung des Textes [Seite: 123] zu beginnen. Man glaubte jedoch nicht früh genug mit den Uebersetzungen beginnen zu können, damit dieselben zur Zeit als das Gesetz wirksam sein solle, fertig seien; vorausgesetzt wurde hiebei, dass der Gesetzestext unverändert oder nur mit unbedeutenden Aenderungen, die in den Uebersetzungen leicht durchzuführen sein würden, sanctionirt werde.

Mannigfaltig waren die Vorschläge, die Uebersetzung auf eine möglichst öconomische Weise zu bewerkstelligen. Mit einiger Mühe nur konnte man die Ansicht zur Geltung bringen, dass die Uebersetzung oder wenigstens die Revision derselben einem Juristen anvertraut werden müsse. Statt des Honorars wollte man zur Entschädigung der Mühe das ausschliessliche Privilegium der Vervielfältigung ertheilen. Als sich kein Uebersetzer finden wollte, der auf diese Bedingungen eingegangen wäre, unterhandelte man mit einem Verleger in Prag, der die Kosten der Uebersetzung bestreiten, und gegen Einräumung des ausschliesslichen Verlagsrechtes ein Exemplar nicht über den Maximalpreis von vier Gulden verkaufen sollte. Zur Rechtfertigung dieses Preises wird angeführt, dass das Absatzgebiet für böhmische Exemplare des Codex ein kleines sein werde und dass zur Zeit Papiermangel in Böhmen herrsche, weil die Statthalterei bei der herrschenden Trockenheit den Betrieb der Papiermühlen im Interesse der Mahlmühlen eingestellt habe.

Gleichzeitig mit der Veranstaltung der Uebersetzung in das Böhmische und Italienische — der Antrag, den codex in das Wendische übersetzen zu lassen, wurde abgelehnt, da diese Sprache zu wenig verbreitet sei — beschäftigte man sich auch mit Vorschlägen über Errichtung von Lehrkanzeln für den codex theresianus an den Universitäten [Seite: 124] in Wien und Prag und mit der Einsetzung von Commissären, welche die Gesetzesanwendung überwachen sollten.

Alle diese Vorbereitungen, welche auf der Voraussetzung beruhten, dass der Entschluss, ein einheitliches codificirtes Recht zu schaffen, in seiner früheren Kraft fortbestehe, und die vielleicht auch den Zweck hatten, zum Ausspruch der Sanction zu drängen, waren vergeblich. Das Jahr 1768 verstrich, ohne dass die Sanction erfolgte; man beschloss vielmehr, sich in eine eingehende Prüfung des ganzen Operates einzulassen.

Zu diesem Zwecke wurden die Bemerkungen, die von verschiedenen Seiten über den codex theresianus gemacht worden waren, der Compilationscommission zur Begutachtung mitgetheilt, und das Operat zugleich dem Staatsrate zur Prüfung übergeben. Diese Revisionsarbeit begann im Jahre 1769 und nahm mit den sich häufenden Bemerkungen, Erwiederungen und Beantwortungen der Erwiederungen immer grössere Dimensionen an.

Im Staatsrate herrschte zunächst das Streben vor, bloss auf eine Abkürzung des codex theresianus hinzuwirken, und man liess sich in einen probeweisen Versuch einer derartigen Abkürzung ein. Noch im Jahre 1769 wurde in diesem Sinne vom Staatsrath Binder eine Umarbeitung des Hauptstückes von den Testamenten vorgenommen. Man blieb jedoch dabei nicht stehen, sondern überging bald in eine sachliche Kritik, die sich theils über allgemeine Grundsätze, teils über einzelne Bestimmungen verbreitete, und deren Resultate an die Compilationscommission zur Begutachtung geleitet wurden.

Die belangreichsten Einwendungen bezogen sich auf den Erwerb unbeweglicher Güter durch Fremde, die Vormundschaft, die Rechte der aus einer Scheinehe abstammenden Kinder, das eheliche Güterrecht, den Erwerb des [Seite: 125] Eigenthums durch Uebertragung von einem Nichteigentümer, die Wirkungen der grundbücherlichen Eintragung, die gesetzliche Erbfolge und die Bestimmung des Pflichttheiles, die Aenderung der Verjährungsfristen, und die Abkürzung der Fristen, innerhalb welcher gewisse aus Verträgen entspringende Forderungen geltend gemacht werden können, endlich die Festsetzung einer Quote für die Forderung des Interesse in Ersatzprocessen.

Die verschiedensten Richtungen fanden ihre Vertretung in diesen Anmerkungen. Während einerseits angefochten wird, dass die Berufung zur gesetzlichen Vormundschaft sich nach der Erbfolgeordnung richte, eine ausnahmslose Cautionspflicht der Vormünder fortbestehen und die Verschiedenheit der Gesetzgebung in Beziehung auf die Entlohnung der Vormünder aufrechterhalten bleiben solle — wird anderseits der im codex theresianus enthaltene Vermittlungsversuch, welcher gegen die ausschliessliche Bevorzugung der Söhne gegenüber den Töchtern in Bezug auf die gesetzliche Erbfolge und den Anspruch auf einen Pflichttheil gerichtet ist, lebhaft bekämpft und die Aufrechthaltung der in Böhmen und Mähren für die höheren Stände geltenden Erbfolgegesetze verlangt.

d. Arbeiten aus der Zeit, während Horten das Referat führte.

Die Compilationscommission hat die ihr mitgetheilten Anmerkungen in sechs sehr umfangreichen Vorträgen, welche in die Zeit vom 23. Mai 1769 bis zum 16. Juli 1771 fallen, beantwortet. Noch ehe jedoch alle diese Vorträge einlangten, begann man im Staatsrathe an eine Umarbeitung des codex theresianus zu schreiten. Zuerst wurde der erste Theil in Angriff genommen, und mit der Umarbeitung der Staatsrathsconcipist Johann Bernhard Horten, [Seite: 126] der an der Kritik des codex theresianus einen hervorragenden Antheil genommen zu haben scheint, und dem man auch die Beantwortung der von der Compilationscommission erstatteten Vorträge übertrug, — beauftragt. Diese im Jänner 1771 begonnene Arbeit, bei welcher sich Horten aller materiellen Aenderungen enthalten sollte, war im Mai 1771 beendet, und bildete die Grundlage für eine zu Ende Juli und Anfangs August 1771 im Staatsrate gehaltene Berathung, zu welcher auch Zenker als Referent der Compilationscommission über Auftrag der Kaiserin zuzuziehen war.

Das Resultat dieser Berathung sollte Horten verarbeiten, wobei ihm empfohlen wurde, nicht zu viele Detailbestimmungen aufzunehmen, und namentlich die casus rariores zu übergehen. Gleichzeitig wurde von der Kaiserin die Einstellung der Uebersetzungen, an denen man in der Zwischenzeit fortgearbeitet hatte, angeordnet.

Nach diesen Schritten musste man die Absicht, das unter Zenker's Referat ausgearbeitete Werk zu sanctioniren, als endgültig aufgegeben ansehen; und nach dem Verluste von vier Jahren, nach dem Aufwände unsäglicher Mühe stand man wieder beim Beginne des Werkes. Den gedeihlichen Fortgang der ferneren Arbeiten musste man geradezu als gefährdet ansehen, da durch die über den codex theresianus geübte Kritik so wie durch die Erwiederung derselben und die Beantwortung dieser Erwiederung eine sehr gereizte Stimmung entstanden war, die in den Vorträgen der Compilationscommission und in den hierüber erfolgten Aeusserungen Horten's einen sehr herben Ausdruck fand. Die Fruchtlosigkeit der durch nahezu zwanzig Jahre mit allem Eifer betriebenen Arbeiten konnte nicht verfehlen, einen sehr entmutigenden Einfluss zu üben und die Ausführbarkeit so wie die Zweckmässigkeit des ganzen Unternehmens neuerlich in Frage zu stellen. [Seite: 127]

Horten, dem die Aufgabe der Umarbeitung zufiel, war zugleich in der Lage, Zenker's Arbeit gegen viele Angriffe in Schutz zu nehmen und solche Anträge abzuwehren, welche darauf berechnet waren, das Zustandekommen des Werkes in unabsehbare Fernen hinauszuschieben und dadurch unmöglich zu machen. Dahin gehörten die Anträge, die Vervollständigung des Werkes durch Ausarbeitung des vierten Theiles über die Gerichtsordnung abzuwarten, das Ganze zur Einführung in die nicht zu den deutschen Erblanden gehörigen Besitzungen der Kaiserin zu adaptiren und vor der Sanctionirung das Gutachten aller Landesstellen einzuholen. Für den letzteren Vorschlag wurde namentlich auch die Rücksicht geltend gemacht, dass sich die Länder an dem Zustandekommen des Gesetzes mitbetheiligen sollen, und dass man aus den einlangenden Gutachten die abzuändernden Gesetze kennen lernen werde.

Zur Characteristik der Einwendungen, denen man damals begegnen konnte, dient es, dass in einer aus jener Zeit herrührenden Denkschriften der Vorwurf erhoben wird, in dem Zenker'schen Entwürfe des Kundmachungspatentes werde von den Gebrechen der bestehenden Gesetzgebung gesprochen, darin sei aber eine Beschuldigung gegen alle Vorfahren der Kaiserin, welche diese Gesetzgebung entstehen und bestehen liessen, enthalten.

Dieser unbedingten Verehrung des Bestehenden stehen in einer anderen Denkschrift die Ansichten eines sehr entschiedenen Neuerers gegenüber, der das Naturrecht als die einzige Rechtsquelle anerkennen will. Er bekämpft es namentlich, dass nach dem codex theresianus das römische Recht als Subsidiarrecht fortbestehen soll. Mit Berufung auf Thomasius wird es für lächerlich erklärt, dass die Deutschen so viel Mühe auf die Aneignung des römischen Rechtes verwenden, da doch die örtlichen Verhältnisse, die [Seite: 128] Sitten, die Lebensart, die Interessen und die Regierungsform der deutschen Länder verschieden seien von den Zuständen des Gebietes, für welches das römische Recht entstand. Man müsse das römische Recht gänzlich abschaffen und die subsidiäre Anwendung, ja sogar das Citiren desselben ausdrücklich verbieten, wenn man die der Rechtspflege so gefährlichen Chicanen und Rabulistereien beseitigen wolle. Ohne diese Massregel könnte man den beabsichtigten Zweck nicht erreichen; die bestehende Verwirrung würde nur noch grösser werden, wenn man ein voluminöses Gesetz an die Seite statt an die Stelle des römischen Rechtes setzen würde.

In eben dieser Denkschrift wird auf einen Vergleich mit auswärtigen Gesetzen hingewiesen und die preussische, sardinische und dänische Gesetzgebung als Muster vorgehalten.

Horten nahm in diesen Kämpfen eine Mittelstellung ein. Von der Compilationscommission wegen der Kritik des codex theresianus lebhaft angefeindet, suchte er gleichwohl den Auftrag der Umarbeitung so lange als möglich fern zu halten, indem er dafür hielt, dass nur einzelne Verbesserungen nöthig seien. Nachdem ihm aber der Auftrag der Umarbeitung geworden war, musste er sich gegen jene wenden, welche unerfüllbare Erwartungen hinsichtlich der Gemeinverständlichkeit eines Gesetzes hegten. In einem an den Präsidenten des Staatsrates gerichteten Vortrage spricht er sich darüber aus, es sei unmöglich, ein Gesetzbuch so abzufassen, dass es jedem Laien verständlich sei; die Jurisprudenz werde nie aufhören, eine Wissenschaft zu bleiben, die nur jenen zugänglich sei, welche sich ihr widmen.

Am 17. November 1771 legte Horten die ihm aufgetragene Umarbeitung des ersten Theiles vor; dieselbe wurde [Seite: 129] ohne Zuziehung der Compilationscommission im Mai und Juni 1772 berathen und von der Ministerconferenz angenommen.

Trotzdem nun Alles vorbereitet schien, um einen definitiven Entschluss fassen zu können, entschied man sich doch für einen Mittelweg. In dem kaiserlichen Handschreiben vom 4. August 1772 — das wie alle Entschliessungen in der Verhandlung wegen Sanctionirung des codex theresianus nicht an den Präsidenten der Compilationscommission, sondern an den Präsidenten der obersten Justizstelle gerichtet ist — wird die Genehmigung der von Horten verfassten Umarbeitung des ersten Theiles zwar ausgesprochen, dieselbe aber gleichwohl an die Compilationscommission zum Zwecke der Berathung gewiesen.

Man wollte aber doch wieder nicht der Compilationscommission, welche angewiesen wurde, Horten zu ihren Sitzungen beizuziehen, völlig freie Hand lassen. Es wurde ihr demnach bloss gestattet, einzelne sehr wichtige Anstände zur Entscheidung der Kaiserin zu bringen; zugleich theilte man der Commission die Grundsätze mit, die für die durch Horten vorgenommene Umarbeitung massgebend waren, und die auch für die Arbeiten der Commission zur Richtschnur dienen sollten.

In diesen Grundsätzen wird verlangt: 1. den Stoff zu sichten und dasjenige, was in ein Lehrbuch gehöre, nicht in das Gesetz aufzunehmen, 2. sich möglichst kurz zu fassen, unnöthiges Detail, namentlich über Dinge, die dem Gesetzgeber gleichgiltig sind, und die casus rariores zu übergehen, vielmehr die Aufteilung allgemeiner Sätze anzustreben, 3. Zweideutigkeiten, Undeutlichkeitcn, unnützige Wiederholungen und Weitläufigkeiten in Anordnungen, die kein Vernünftiger bezweifelt, zu vermeiden, 4. sich nicht an römisches Recht zu binden und die natürliche Billigkeit [Seite: 130] zur Grundlage zu nehmen, 5. sich in keine Subtilitäten einzulassen und sich der möglichsten Einfachheit zu befleissen.

In eindringlicher Weise wurde die Commission gleichzeitig zur Beschleunigung gemahnt. Diese Mahnung schien übrigens wenig Aussicht auf Erfolg zu haben, denn die Commission erklärte bei ihrem ersten Zusammentreten, es sei unmöglich, in jeder Woche eine Sitzung zu halten, sie beschloss ferner, das ihr mitgetheilte Operat vorläufig Zenker zu übergeben, damit er seine Gegenbemerkungen machen könne.

Wenige Tage nach diesem am 11. August 1772 gefassten Beschlusse wurde Zenker seines Referates mit Rücksicht auf seine sonstigen Amtsgeschäfte enthoben und Horten, den man zum Regierungsrathe befördert hatte, um ihm eine angesehenere Stellung in der Commission zu sichern, zum Referenten bestellt. Die Berathungen begannen sohin am 25. August 1772 unter dem Präsidium des Grafen Sinzendorf und dauerten bis zum Mai 1773.

Die Ergebnisse der Berathung wurden capitelweise in einem an die Kaiserin gerichteten Vortrage dargestellt und es erfolgte über jeden Vortrag eine besondere Entschliessung, wodurch die gestellten Anträge angenommen oder abgelehnt wurden. Die Entschliessungen waren aber nicht so abgefasst, dass man sie ihrem Wortlaute nach in den Text hätte aufnehmen können; man musste vielmehr wiederholt Erläuterungen erbitten, um sich nur eine Gewissheit über die Tendenz der Erschliessung zu verschaffen. Bei dieser Sachlage konnten die einzelnen Resolutionen, bei denen man gar nicht in der Lage war, den Zusammenhang der verschiedenen Capitel eines und desselben Theiles zu würdigen, die legislative Arbeit nicht zum Abschlusse bringen; immer blieben noch die Wege zu nachträglichen [Seite: 131] Aenderungen offen. Man sieht daraus, dass es an der Entschiedenheit in der Durchführung des vor zwanzig Jahren gefassten Beschlusses, eine einheitliche codificirte Gesetzgebung zu schaffen fehlte, und nicht mit Unrecht wird man die Folgerung ziehen können, dass der Entschluss selbst zum Wanken gebracht worden sein dürfte.

Die Art des Fortganges der legislativen Arbeiten während der letzten Regierungsjahre Maria Theresia's gibt Zeugniss von einem allgemeinen Ermatten, das um so überraschender ist, als es zur Zeit des äusseren Friedens, der Erholung nach langen Kriegsleiden Raum gewann, während man zur Zeit der grössten äusseren Bedrängniss sich von dem gestellten Ziele nicht abwendig machen liess und demselben mit unerschütterter Ausdauer zusteuerte.

Das Operat, das aus diesen Berathungen hervorging, unterscheidet sich in seiner Stoffeintheilung von dem unter Zenker's Referat zu Stande gekommenen Werke nur dadurch, dass das siebente Hauptstück von den Dienstpersonen weggelassen wurde. Dasselbe fehlt schon in der Horten'schen Umarbeitung, die der Commission mitgetheilt wurde, ist aber noch in dem ersten Entwurfe enthalten, den Horten zu der Zeit ausarbeitete, als die Sanctionirung des Zenker'schen Operates noch nicht endgiltig aufgegeben war.

Viele der Streitfragen, welche die Commission früher bewegt hatten, tauchten in diesem Stadium der Berathung wieder auf und wurden zum Theile anders als während der ersten Zeit der Compilationsarbeiten entschieden. Bei der Berathung über das erste Hauptstück war es namentlich die Frage über das Gewohnheitsrecht und die Gesetzesauslegung, welche die Debatte beschäftigte.

Hinsichtlich des Gewohnheitsrechtes blieb man zwar bei dem früher mit Mühe erkämpften Beschlusse, dasselbe [Seite: 132] als Rechtsquelle anzuerkennen, dagegen glaubte man alle Auslegungsregeln unter ausschliesslicher Zulassung der Wortinterpretation beseitigen zu können.

Das dem Eherechte gewidmete Hauptstück, das die Ueberschrift "von den Rechten zwischen Mann und Weib" erhielt, gibt Zeugniss von den gegen die geistliche Gerichtsbarkeit gerichteten Bestrebungen. Bei der Berathung sprachen sich mehrere Stimmen für Beseitigung der geistlichen Gerichtsbarkeit in Ehesachen aus, und auch die Majorität, welche sich für die Aufrechthaltung derselben aussprach, that diess nur, weil sie ein Verhältniss, das seit langer Zeit bestand, zu ändern Anstand nahm. Die geistliche Gerichtsbarkeit wurde hiebei als eine vom Staate delegirte aufgefasst und darum verlangt, dass die geistlichen Consistorien zum Theil mit weltlichen Richtern besetzt werden, damit man eine Gewähr habe, dass die weltlichen Gesetze über die Befähigung zum Abschlusse eines Ehevertrages beobachtet werden. Gefordert wird ferner, dass die Geistlichen, welche mit Ignorirung dieser Gesetze Trauungen vornehmen, zur Strafe gezogen werden. Die Vollstreckung der Erkenntnisse in Verlobungsstreitigkeiten, welche bisher der geistlichen Gerichtsbarkeit zustand, wurde für die weltliche Macht in Anspruch genommen und sollte nach den Bestimmungen über die Vollstreckung eines Erkenntnisses ad praestandum factum erfolgen.

Hinsichtlich der das eheliche Güterrecht betreffenden Bestimmungen wurde die bemerkenswerthe Aenderung vorgenommen, dass man die früher beschlossenen Beschränkungen für die Zulassung der Gütergemeinschaft unter Ehegatten aufgab.

Auffallend ist die Tendenz, Adoptionen zu erleichtern, welche sich bei der Berathung des Hauptstückes über die Rechte zwischen Eltern und Kindern kundgab. Die Altersgrenze [Seite: 133] für die Adoptiveltern wurde auf vierzig Jahre herabgesetzt und die Bestimmung, welche eine bestimmte Altersdifferenz zwischen den Adoptiveltern und dem Adoptivkinde verlangt, beseitigt. Die Adoption wurde hiebei als ein Mittel aufgefasst, sich eine Stütze für die Zeiten eines gebrechlichen Alters zu verschaffen. Aus diesem Grunde fand man es wünschenswerth, die Zulassung der Adoption nicht erst bis auf den Eintritt eines hohen Alters aufzuschieben und hielt es nicht durch das Wesen der Sache geboten, dass man eine Altersdifferenz verlange, welche einer Analogie mit dem Verhältnisse zwischen natürlichen Eltern und Kindern entspringen würde.

Sehr belangreiche Aenderungen wurden in dem Hauptstücke von der Vormundschaft vorgenommen. Dem Eide, den der Vormund hätte leisten sollen, wurde ein Gelöbniss substituirt, indem man zugleich das Abfordern von Eiden, durch die bloss einer Form genügt werden solle, bekämpfte.

Hinsichtlich der Geltendmachung der Cautionspflicht des Vormundes wurde dem richterlichen Ermessen ein weiterer Spielraum, der die Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles ermöglichte, eingeräumt.

Die Bemessung der Entlohnung des Vormundes wurde ferner im Gegensatz zum bisherigen Rechte ausschliesslich dem richterlichen Ermessen anheimgegeben und damit die Rechtseinheit auf einem Gebiete hergestellt, auf welchem nach den früheren Beschlüssen der Compilationscommission eine Verschiedenheit der Gesetzgebung hätte fortbestehen sollen. Es fehlte auch diessmal nicht an Stimmen, welche für die Bestimmung des böhmischen Rechtes eintraten und die Festsetzung einer bestimmten Quote des Einkommens als Entlohnung des Vormundes verlangten, indem sie besorgten, man werde in Böhmen keine tüchtigen Vormünder [Seite: 134] finden, wenn diese dem richterlichen Ermessen, das leicht in Willkür übergehen könne, preisgegeben würden.

Man suchte das Princip dadurch zu retten, dass man vorschlug, die Quote, welche nach dem böhmischen Rechte ein Sechstel betrug, auf ein Achtel, und wenn es sich um ein leicht zu verwaltendes Vermögen handelt, auf ein Zwölftel herabzusetzen. Die über diese Vorschläge erfolgte kaiserliche Entschliessung hielt jedoch an dem schon bei einem früheren Anlasse ausgesprochenen Beschlusse fest, hinsichtlich der Entlohnung der Vormünder die in Oesterreich geltenden Bestimmungen, welche die Festsetzung der Entlohnung dem richterlichen Ermessen überliessen, in allen Ländern zur Anwendung zu bringen.

Die Verlängerung der Vormundschaft, welche man früher über die Zeit des vierundzwanzigsten Jahres hinaus zulassen wollte, wurde lebhaft bekämpft, indem man hervorhob, dass derjenige, welcher mit vierundzwanzig Jahren keine innere Selbständigkeit erlangt habe, nie zu einer geistigen Reife gelangen werde. Der Hinweisung auf verschwenderische Neigungen, in welche junge Leute leicht geraten, wurde die Bemerkung entgegengesetzt, dass der Geizige für das Gemeinwohl fast nachtheiliger sei als der Verschwender, und dass man sich darum doch nicht in curatorische Massregeln zur Verhütung des Geizes einlassen werde. Schliesslich beschränkte man die Verlängerung der Vormundschaft in ihrer Anwendung auf die Angehörigen höherer Stände und machte dieselbe von einem Beschlusse der obersten Justizstelle abhängig.

Noch ehe die Commission mit der Beratung der sechs Hauptstücke des ersten Theiles zu Ende kam, suchte man durch eine Aenderung ihrer Geschäftsordnung eine Beschleunigung ihrer Arbeiten zu erzielen; diess schien auch notwendig, da man glaubte berechnen zu können, dass [Seite: 135] die Arbeiten bei Einhaltung der eingeschlagenen Verfahrungsweise neun Jahre in Anspruch nehmen würden. Das Wesen des der Kaiserin gemachten Vorschlages geht dahin, dass Horten die Bemerkungen, die er über den zweiten und dritten Theil zu machen habe, unmittelbar an die Commission leite, ohne dass dieselben vorher einer Prüfung durch den Staatsrath unterzogen würden, und dass das Hauptgewicht der Berathungen in die schriftlichen Bemerkungen gelegt werde, welche zwischen Horten und den Commissionsgliedern auszutauschen wären.

In dem Handschreiben, das die Kaiserin am 31. März 1773 ergehen liess, spricht dieselbe, indem sie auf Beschleunigung dringt, die Erwartung aus, dass die ganze Arbeit in zwei Jahren beendet sein werde. Den vorgeschlagenen schriftlichen Verkehr billigt sie keineswegs und verlangt, dass die Commissionsglieder sich vor der Sitzung vorbereiten, und dass nur jene Stellen des Textes zum Vortrage gebracht werden, welche zu Abänderungsanträgen Anlass geben. Sie überlässt es der Commission, stylistische Aenderungen durch Majoritätsbeschlüsse vorzunehmen, wenn aber die Majorität eine sachliche Aenderung vorzunehmen beschliesst, so hat sie die Entscheidung der Kaiserin einzuholen. Gleichzeitig wird der Commission die Entscheidung über jene den zweiten Theil betreffenden Bemerkungen eröffnet, welche der Commission noch zur Zeit als Zenker Referent war, zur Begutachtung mitgetheilt worden waren; diese Entscheidung sollte die Commission bei ihren Berathungen zur Richtschnur nehmen, gleichwohl aber aus höchst wichtigen Gründen dagegen Vorstellungen machen dürfen.

In demselben Handschreiben wurde auch aufgetragen, dass die oberste Justizstelle die Uebersetzung des ersten Theiles in das Böhmische und Italienische bewirken solle, so wie eine Abtheilung des Gesetzwerkes fertig würde.[Seite: 136]

In Befolgung dieses Auftrages wurde die Uebersetzung sofort in Angriff genommen und capitelweise fortgesetzt, obgleich die Frage der Sanction des Urtextes in Schwebe blieb.

Die Commission, in welche um diese Zeit Martini, der später einen hervorragenden Antheil an den Codificationsarbeiten nahm, eintrat, überging zur Berathung des zweiten Theiles, ohne die Frage der Sanction des ersten Theiles zu einer Entscheidung zu bringen.

Aus den Protocollen der Commission ist zu entnehmen, dass man ihre Aufgaben erweitert hatte, obgleich man sich so schwer entschliessen konnte, das Begonnene zum Abschluss zu bringen. Aus einer Commission, welche berufen war, ein Civilgesetzbuch auszuarbeiten, war sie allmählig zu einer Gesetzgebungscommission geworden. Neben der Codificirung des Civilrechtes war sie auch mit der Ausarbeitung der Gerichtsordnung, die nicht mehr einen Bestandteil des codex theresianus bilden sollte, beschäftigt und hatte ausserdem über viele einzelne Gesetzgebungsfragen zu verhandeln.

Vor diese Commission brachte nun Horten die Fortsetzung einer Umarbeitung des codex theresianus zur Berathung. Nach der ihm erteilten Aufgabe hatte er sich zunächst auf die Verfassung eines Auszuges zu beschränken. Das Bemühen abzukürzen führte ihn in mancher Beziehung zu einer Aenderung der Stoffeintheilung; einzelne materielle Aenderungen waren durch die über das Zenker'sche Operat eingeleiteten Berathungen und die darauf ergangenen kaiserlichen Erschliessungen notwendig geworden.

In Folge der Verminderung des Inhaltes der einzelnen Hauptstücke wurde es möglich, die verschiedenen Unterabtheilungen derselben aufzugeben, und die Hauptstücke erscheinen nur mehr in Paragraphe, die den Absätzen des Zenker'schen Operates entsprechen, abgeteilt. Die Bezifferung [Seite: 137] derselben beginnt mit jedem Hauptstücke. Man sieht daraus, dass auch die zunächst bloss für die Uebersicht und das Citiren wünschenswerten Vereinfachungen nur allmählig Raum gewannen. Im Josephinischen Gesetzbuche behielt man die Einrichtung des Horten'schen Entwurfes bei, das westgalizische Gesetzbuch hat für jeden Theil eine durchlaufende Paragraphenfolge, erst im a. b. Gesetzbuche nahm man eine durch das ganze Gesetzbuch gehende Paragraphenfolge an.

Die von Horten im zweiten Theile vorgenommenen Aenderungen der Stoffeintheilung bestehen in der Weglassung der zwei Hauptstücke, welche von den dinglichen Rechten und von der Erbfolge im Allgemeinen handelten, da dieselben nur eine Uebersicht der in die folgenden Hauptstücken aufgenommenen Bestimmungen enthielten.

Das Hauptstück von den Schenkungen wurde weggelassen, da man die Schenkung als einen Vertrag im dritten Theile zu normiren beschloss. Die Bestimmungen über Fideicommisse wurden aus dem Hauptstücke von der Nachberufung eines Erben ausgeschieden und in einem eigenen Hauptstücke behandelt. Das von Antretung der Erbschaft handelnde Hauptstück wurde in zwei Hauptstücke — von dem Erbrechte und dessen Erwerbung — und — von der Verlassenschaftsabhandlung zerlegt. Dagegen wurden die von der Emphyteuse und Superficies handelnden Hauptstücke zu einem vereinigt.

Im dritten Theile beschränken sich die vorgenommenen Aenderungen der Eintheilung darauf, dass die ersten vier Hauptstücke des Zenker'schen Operates, welche die allgemeinen Bestimmungen enthalten, in die drei Hauptstücke — von Verträgen — von Vergleichen — von Zulagen — umgestaltet, mit dem letzteren die Bestimmungen über Schenkungen verbunden und das dem ersten Theile entnommene [Seite: 138] Hauptstück von den Dienstpersonen nach dem Hauptstücke von Bestandverträgen eingeschaltet worden.

Die Umarbeitung, welche Horten capitelweise vornahm, gelangte nur theilweise zur Berathung und nur ein Theil des bei diesen Berathungen erzielten Resultates wurde der Kaiserin zur Entscheidung der an den Tag getretenen Differenzen vorgelegt.

Die belangreichsten Meinungsverschiedenheiten ergaben sich bei den Berathungen über die Ausnahmen, welche in Ansehung der gesetzlichen Erbfolge und des Pflichtteiles für die höheren Stände gelten sollten. Die einander entgegengesetzten Bestrebungen, Bevorzugung der Söhne und Billigkeit gegen die Töchter wirkten fort und es gelang noch nicht, dieselben unter einen gemeinschaftlichen höheren Gesichtspunct zu vereinigen. Man entschied sich dafür, die eine Hälfte des Nachlasses ausschliesslich den Söhnen vorzubehalten und die andere unter alle Kinder ohne Unterschied des Geschlechtes vertheilen zu lassen; der Pflichtteil sollte, wenn nur Töchter vorhanden sind, die Hälfte, ausserdem aber drei Viertel des Nachlasses betragen.

In der eingeschlagenen Richtung, welche die dem Individuum gebührende Berücksichtigung gegenüber der Rücksicht auf die Erhaltung der Geschlechter erweitert, machte man aber zwei sehr belangreiche Fortschritte.

Der eine bestand darin, dass man das Repräsentationsrecht hinsichtlich der Töchter eines vor dem Erblasser verstorbenen Sohnes ausnahmslos zur Anwendung brachte, und alle früher beabsichtigten Ausnahmen aufgab.

Die andere bestand aber in der Anerkennung des Grundsatzes, dass, wer in einem Lande die Landstandschaft habe, im ganzen Reiche der Anwendung der für die höheren Stände geltenden Gesetze unterliege. Wenn man sich mit diesem Gedanken befreundete, so musste man dahin [Seite: 139] gelangt sein, den socialen Unterschied zwischen dem persönlichen und dem Grundadel zu übersehen. Damit musste aber auch das Motiv, das den für die höheren Stände bisher angewandten Sonderbestimmungen zu Grunde lag und das in der Erhaltung eines grösseren geschlossenen Grundbesitzes bestand, in den Hintergrund gedrängt werden. Dachte man sich aber diese Sonderbestimmungen auf den zahlreichen im Mittelpuncte des Reiches wohnenden Adel, der eines grösseren Besitzes entbehrte, angewandt, so musste die Verschiedenheit der Erbberechtigung nach dem Stande und nach dem Geschlechte als eine zwecklose Anomalie erscheinen. In dem Beschlusse der in einem Lande erworbenen Landstandschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Rechtsanwendung für alle Erblande einzuräumen — welcher Beschluss der Absicht entsprang, einen Reichsadel anzuerkennen — liegt der Keim, aus welchem in kurzer Zeit die Anerkennung der gleichen Erbberechtigung von Söhnen und Töchtern und die Beseitigung des Einflusses, den man dem Standesunterschiede in Beziehung auf das Erbrecht einräumte, erwuchs.

Ein nicht uninteressanter Differenzpunkt ergab sich bei der Berathung über die Testamente. Der Hofkriegsrath, welcher um sein Gutachten über die Bestimmungen hinsichtlich der Militärtestamente angegangen worden war, hielt dafür, dass das Civilgesetzbuch nicht für Militärpersonen gelten könne, und dass man vielmehr ausdrücklich die unveränderte Aufrechthaltung der Militärfreiheiten aussprechen solle. Die Commission negirte hierauf sehr entschieden den Bestand von Militärfreiheiten im Sinne von Privilegien und führte aus, dass das Militär bisher nur darum unter der Herrschaft eines besonderen, nämlich des römischen Rechtes stand, weil die Landesrechte sehr verschieden seien und es daher an einem Bestimmungsgrunde [Seite: 140] zur Entscheidung der Frage, welches Landesrecht auf das Militär anzuwenden sei, gefehlt hätte. Wenn aber ein einheitliches Recht für das ganze Reich geschaffen werde, so sei kein Grund vorhanden, warum man das Militär von der Anwendung desselben ausnehmen wolle.

Diese Meinungsverschiedenheit sollte bei der Berathung einer gemischten Commission ausgetragen werden; dieselbe scheint jedoch nicht stattgefunden zu haben.

Die Berathungen der Compilationscommission selbst wurden bald darauf und zwar im August 1776 abgebrochen, nachdem sie bis zu dem Hauptstücke — von der Einbringung vorempfangenen Gutes — gediehen waren.

Die letzten Hauptstücke des zweiten Theiles und der dritte Theil kamen nicht mehr zur Berathung. Der Grund dessen dürfte darin gelegen sein, dass die Gegner einer einheitlichen und einer codificirten Gesetzgebung einen überwiegenden Einfluss gewonnen hatten. Dafür spricht der Umstand, dass man die mit Bestimmtheit in Aussicht gestellte Sanction der Gerichtsordnung, welche der Kaiserin fast gleichzeitig mit dem Ende der Berathungen über das Civilgesetzbuch unterbreitet worden war, und die auf Entscheidungen principieller Vorfragen beruhte, hintertrieb.

Von welcher Art die Strömungen waren, welche zu Ende der Regierungszeit Maria Theresia's, also zu einer Zeit, in welcher die muthige Energie der früheren Jahre einer sehr verzagten Stimmung Platz gemacht hatte, sich geltend zu machen wussten, kann man aus zwei Vorträgen entnehmen, welche im Jahre 1780 an die Kaiserin erstattet wurden. Die Veranlassung bot die an den Präsidenten der obersten Justizstelle gerichtete Aufforderung, vier in Preussen erlassene Verordnungen von sehr verschiedenem Inhalt — darunter eine Instruction für die Justizcollegien und eine Verordnung über die Anlegung lebendiger Zäune — [Seite: 141] zu begutachten. Der Präsident Graf Seiler hielt sich in seinem Gutachten nicht sehr bei dem Inhalte der zu besprechenden Verordnungen auf und verbreitete sich über die Art, Gesetze abzufassen. Hierbei wird gegen die schädliche Neigung des Universalisirens angekämpft und hervorgehoben, es sei eine weise und bescheidene Vorsicht eines Souveräns, der mehrere ausgebreitete Länder zu beherrschen hat, nicht in allen Ländern zugleich neue Systeme einzuführen, sondern die beabsichtigten Reformen zuerst in einem Lande zu verwirklichen, um die dabei gemachten Erfahrungen bei der Ausdehnung derselben auf andere Länder benützen zu können.

Diese Bemerkungen bestimmten die Kaiserin, ein Gutachten über die Frage zu verlangen, wie Gesetze abzufassen seien. Dieses Gutachten wurde nicht mehr von dem Präsidenten der obersten Justizstelle, sondern von dem Gerichtshofe selbst über Antrag des Referenten Kees, der sich bald in sehr hervorragender Weise an Codificationsarbeiten zu betheiligen hatte, erstattet. In demselben wird das Abfassen von Gesetzbüchern als zu kostspielig verworfen; mit besonderem Nachdrucke aber das Erlassen allgemeiner Gesetze über einzelne Fragen bekämpft. Dieser Art von Gesetzen wird vorgeworfen, dass sie ohne Nothwendigkeit und ohne gehörige Vorbereitung erlassen werden, so dass bald Erläuterungen und Modification nachfolgen müssen. Vor Allem sei es aber nachtheilig, dass diese Gesetze für alle Länder eingeführt werden. Die Gesetze sollen dem Geiste der Nation, der Denkungsart, Moralität des Volkes, der Lage und Beschaffenheit des Landes entsprechen. Wenn man diess übersehe, so gelange man in gewaltsame, gekünstelte Operationen, welche selten von langer Dauer seien. Man müsse das Volk behandeln wie es ist, nicht wie es sein sollte, und sich insbesondere in Oesterreich vor [Seite: 142] einer Universalisirung hüten, wo die Verschiedenheit der Verhältnisse so gross sei, dass selbst die Majestätsrechte auf ungleichen Quellen beruhen. Diese Betrachtungen gipfeln in den als unabweislich bezeichneten und für die herrschende Richtung characterischen Forderungen, die Vereinigung der böhmischen und österreichischen Hofkanzlei wieder aufzulösen, dagegen bei den Länderstellen die Leitung der Justiz und der politischen Verwaltung zu verbinden. Nebenher wird der Frage, wie Gesetze abzufassen seien, welche den Hauptgegenstand des Gutachtens hätte bilden sollen, gedacht. Die in dieser Beziehung gestellten Anträge zielen dahin, den gesetzgeberischen Acten durch die Entscheidung einzelner Fälle oder durch Belehrungen auszuweichen, den Landesorganen das Hauptgewicht bei legislativen Verhandlungen einzuräumen und die erlassenen Gesetze nur in einzelnen Ländern einzuführen.

Diese Bestrebungen reichten gleichwohl nicht aus, um die Kaiserin zu bestimmen, das von ihr mühsam Geschaffene geradezu zu zerstören, allein so mächtig waren sie doch, um die schöpferische Wirksamkeit der zur Herbeiführung einer Rechtseinheit eingesetzten Organe zu lähmen.

2. Arbeiten während der Regierung Joseph's II.

Eine entschiedene Aenderung trat mit der Uebernahme der Regierung durch Joseph II. ein. Bald nach seinem Regierungsantritte liess er sich durch den Präsidenten der Compilationscommission über deren bisherige Thätigkeit Bericht erstatten.

Zunächst galt es, die Berathungen über die Gerichtsordnung zu fördern, die in's Endlose zu gerathen drohten, da man das fertige Operat der Compilationscommission, [Seite: 143] dessen Sanction bereits in Aussicht gestellt war, einer besonderen Deputation zur Ueberprüfung vorgelegt hatte, deren Elaborate an die Compilationscommission und mit dem Gutachten der letzteren an den Staatsrath gelangen sollten. Durch die Aufhebung der Deputation und durch den Anspruch, dass der Kaiser es sich vorbehalte, den Staatsrath von Fall zu Fall zu einer Begutachtung aufzufordern, wurde aber nicht bloss die Gesetzgebung in Beziehung auf die Gerichtsordnung gefördert, sondern der Compilationscommission eine freiere Stellung eingeräumt, welche beitragen musste, ihre Thätigkeit auf allen Gebieten der Gesetzgebung zu unterstützen.

In Beziehung auf die Civilgesetzgebung beschloss der Kaiser über Antrag des Grafen Sinzendorf, die Beendigung des ganzen Gesetzwerkes nicht abzuwarten, sondern den ersten Theil abgesondert als Gesetz kundzumachen.

Der Realisirung dieses Beschlusses, welcher erst am 1. November 1786 verwirklicht wurde, ging eine Reihe von Verordnungen über Gegenstände des Civilrechtes voran, welche tiefgreifende Reformen in dem bestehenden Rechtszustande vornahmen. Als die belangreichsten können die Patente vom 16. Januar 1783 Nr. 117 und vom 3. Mai 1786 Nr. 543 hervorgehoben werden, da sie für die zur Zeit ihres Erscheinens herrschenden Bestrebungen characteristisch sind.

Das erstere nahm für den Staat die Befugniss in Anspruch, gesetzliche Vorschriften über das Eingehen von ehelichen Verhältnissen zu geben und die aus diesen Verhältnissen entstehenden Rechtsstreite vor das Forum der weltlichen Gerichtsbarkeit zu ziehen. Diesen Schritt muss man als einen sehr bedeutenden anerkennen, wenn man erwägt, dass zwanzig Jahre vorher die ausschliessliche Competenz der geistlichen Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit in [Seite: 144] Ehesachen von den Mitgliedern der Compilationscommission als unbezweifelbar erkannt wurde, ja dass man noch vor zehn Jahren sich nur damit abmühte, die geistliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen einzuschränken, wozu man sich die Berechtigung dadurch zu schaffen glaubte, dass man die geistliche Gerichtsbarkeit als auf der Delegation der Staatsgewalt beruhend ausgab.

Nicht minder einschneidend war die durch das letztere Patent durchgeführte Reform, denn dieselbe führte für alle Stände und Länder eine gleiche Erbfolgeordnung ein, welche in Beziehung auf das frei vererbliche Vermögen in allen Fällen der Intestaterbfolge eintreten sollte. An der Mannigfaltigkeit der Versuche, welche man in früherer Zeit anstellte, um eine Vermittlung zwischen den Sonderbestimmungen, welche für die Erbfolge bei den höheren Ständen galten und den Grundsätzen zu finden, die in den für die andern Stände bestehenden Erbfolgeordnungen Anerkennung erlangt hatten, lässt sich ermessen, von welch grossem socialen und volkswirtschaftlichem Einflüsse diese Massregel gewesen sein muss. Da die Differenzen der verschiedenen Landesrechte auf dem Gebiete des Erbrechtes die bedeutendsten waren, so lässt sich nicht mit Ungrund behaupten, dass das Erbfolgepatent, welches diese Differenzen beseitigte, das Zustandekommen eines für alle Länder gleichen Rechtes, auf das man allerdings noch lange warten musste, möglich gemacht habe.

Nebst diesen zwei umfangreichen Gesetzen liess der Kaiser noch eine Reihe von einzelnen Verordnungen und Erschliessungen ergehen, welche theils kundgemacht wurden, theils nur bestimmt waren, als Richtschnur für die Compilationscommission zu dienen, und die einen sehr entscheidenden Einfluss auf die Umarbeitung des ersten Theiles ausübten.[Seite: 145]

Die geistige Richtung, die in denselben ausgeprägt ist, schliesst sich an die Reformbestrebungen an, die schon zur Zeit Maria Theresia's an den Tag traten. Die Verhältnisse aber, an denen diese Bestrebungen früher erlahmten, hatten sehr viel an ihrer Widerstandskraft eingebüsst, und mit Entschiedenheit schritt man der Verwirklichung der Ideen entgegen, welche zu Ende des vorigen Jahrhundertes die Geister beherrschten. Es handelte sich dabei namentlich um die Durchführung der Gleichheit vor dem Gesetze mit Beseitigung des Einflusses, welcher ständischen Unterschieden bisher auf dem Gebiete des Privatrechtes eingeräumt war, und ausserdem um die Erweiterung der dem Individuum zustehenden Freiheitssphäre gegenüber den Beschränkungen, welche die Bande der Familie, des Standes und der Gemeinde auferlegten.

Die Berathungen über die Umarbeitung des ersten Theiles mussten sich in die Länge ziehen, weil man zunächst darauf bedacht war, die Gerichtsordnung in's Leben treten zu lassen, die Jurisdictionsverhältnisse zu regeln so wie die zur Durchführung dieser Gerichtsordnung nöthigen Gerichte einzusetzen, und sich überdiess neben der Codification des Civilrechtes auch mit der Codification des Strafrechtes und des Strafprocesses beschäftigte.

Erst im October 1785 wurde dem Kaiser die von Horten vorgenommene Umarbeitung des ersten Theiles vorgelegt. In einem sehr ausführlichen Vortrage wurden die an dem früheren Operate vorgenommenen Aenderungen motivirt, so wie auch die in der Minorität gebliebenen Abänderungsanträge erörtert. Die systematische Eintheilung erlitt nur die Aenderung, dass das Hauptstück — von den Rechten der Anverwandten — weggelassen wurde, da der Inhalt desselben nur eine theoretische Uebersicht der in anderen Hauptstücken enthaltenen Bestimmungen gewährt [Seite: 146] hätte. Ausserdem muss in Beziehung auf die äussere Form das Weglassen der Marginal-Rubriken hervorgehoben werden, da es im Zusammenhange mit dem Bestreben steht, den Wortlaut des Gesetzes als das allein Massgebende gelten zu lassen.

Dieses Bestreben machte sich auch in der Entscheidung der immer wiederkehrenden Controversen über das Gewohnheitsrecht und über die Interpretation der Gesetze geltend. Die Interpretation sollte gänzlich überflüssig gemacht werden, da man dafür hielt, dass das Gesetz klar sei, und dass unvorhergesehene Zweifel nur durch den Gesetzgeber, an den man sich wegen Erlangung einer Erläuterung zu wenden hätte, gelöst werden können. Der Controverse über das Gewohnheitsrecht wurde dadurch ein anderer Inhalt gegeben, dass man zwischen Hauptsachen und Nebenbestimmungen unterschied, unter den Letzteren aber, für welche man der Geltung von Gewohnheiten Raum geben wollte, nicht Rechtssätze, sondern quantitative Bestimmungen verstand.

Bemerkenswerth ist es, dass man bei Bezeichnung des Geltungsgebietes den bisher üblichen Ausdruck "deutsche Erblande" zu vermeiden suchte, weil das Gesetzbuch auch in Galizien eingeführt werden sollte.

Das dringende Bedürfniss nach gesetzgeberischer Thätigkeit, das sich bei Uebernahme der Verwaltung in Galizien fühlbar machte, hat, wie es scheint, zu Ende des vorigen Jahrhunderts einen nicht geringen Einfluss auf die Erhaltung der codificatorischen Thätigkeit geübt.

Die Aenderungen, welche in Ansehung der einzelnen Bestimmungen beantragt wurden, sind von grosser Zahl und zum Theile auch von sehr grosser Tragweite; von Interesse sind überdiess nicht bloss die Anträge, sondern auch deren Begründungen.[Seite: 147]

Die Aufhebung des landständischen Einstandsrechtes, welche jetzt allgemein erfolgte — nachdem man früher die bei öffentlichen Versteigerungen vorgenommenen Veräusserungen davon ausgenommen hatte — wurde ausschliesslich aus dem volkswirtschaftlichen Gesichtspuncte gefordert, dass der Werth des Grundes sinken müsse, wenn der Käufer nicht sicher sei, ob er nicht durch Dritte aus seinem Eigenthume verdrängt werden könne.

Das Hauptstück vom Eherechte nahm die durch das Ehepatent geschaffenen Reformen in sich auf; es behielt auch neben den neu aufgenommenen Bestimmungen über den Ehevertrag alle früher an diesem Platze behandelten Bestimmungen über das eheliche Güterrecht bei. Während aber früher die Dispositionsbefugniss der Gatten im Verhältnisse zu einander sehr eingeschränkt wurde, weil man an der Ueberlegungsfähigkeit derselben zweifelte und dieselben in der Lage erhalten wissen wollte, für ihre Kinder zu sorgen, sah man jetzt von derartigen Rücksichten gänzlich ab und ging von der Annahme aus, dass das, was ein Gatte an dem Vermögen des anderen zu beanspruchen habe, durchaus nicht zu einer Beeinträchtigung der Pflichttheilsberechtigung der Kinder werden könne, da diese auf das Vermögen, das die Eltern zur Zeit ihres Lebens besitzen, keinen Anspruch erheben können. Derselbe Gesichtspunct, nach welchem die Gesetzgebung nur berufen erscheint, den Unterhalt der Kinder bis zur Erlangung einer eigenen Erwerbsfähigkeit zu sichern, machte sich auch bei Motivirung der Bestimmungen geltend, durch welche die Curatel wegen Verschwendung aufgehoben wird. Auch bei diesem Anlasse wird es abgelehnt, für die Erhaltung des den Kindern gebührenden Pflichtteiles Sorge zu tragen, da ihr Wohlergehen und ihr Nutzen für den Staat nur von ihrer Erwerbsfähigkeit, nicht aber von dem [Seite: 148] Erbtheil, den sie erlangen können, abhänge. Die Verschwendung wurde nebenbei von der Majorität als etwas für den Staat, in welchem das vergeudete Vermögen der Voraussetzung nach bleibe, ganz Gleichgültiges behandelt, ja in der fortwährenden Capitalisirung der Ersparnisse eine Gefahr für den Volkswohlstand entdeckt.

Das Bestreben, die Rechtssphäre des Einzelnen scharf abgegrenzt zu erhalten, spricht sich in vielen Bestimmungen aus. Dieses Motiv liegt der Ablehnung des Antrages zu Grunde, die Vermuthung der Gütergemeinschaft hinsichtlich bäuerlicher Ehegatten auszusprechen. Aus demselben Gesichtspunkt ging man bei Behandlung der Adoption aus, indem man die Festsetzung der Wirkungen derselben der freien Vereinbarung überliess und die Adoption auch beim Vorhandensein ehelicher Kinder gestattete. Das Ignoriren der Familienbande, das in der grundsätzlichen Gleichstellung der ehelichen und unehelichen Kinder und darin seinen Ausdruck fand, dass man das Bestreiten der ehelichen Geburt nahezu unmöglich machte, lässt sich auf denselben Grundgedanken zurückführen. Dahin gehört auch die Aufhebung des Fruchtgenussrechtes, das den Eltern an dem Vermögen der Kinder zustand.

Die belangreichsten Aenderungen wurden in dem Hauptstücke von der Vormundschaft vorgenommen. Mit Zuhilfenahme des Unterschiedes zwischen Vormundschaft und Curatel gelangte man zur Anerkennung dessen, dass der Wirkungskreis eines Vormundes sich auf das ganze Geltungsgebiet des Gesetzes erstrecken solle, so dass nur die ausserhalb des Landes, in dem der Vormund seinen Sitz hat, gelegenen Immobilien unter einer als Curatel bezeichneten besonderen Verwaltung stehen sollten. Wie sehr diese Massregel gegen die herrschenden Anschauungen abstach, welche die einzelnen Länder im Verhältnisse zu [Seite: 149] einander als abgesonderte Staaten in jurisdictioneller Beziehung behandelten, lässt sich daraus entnehmen, dass man es für nöthig fand, ausdrücklich die Verwendung der in einem Lande erzielten Einkünfte zur Verwaltung der in einem andern Lande gelegenen Vermögensbestandtheile zu gestatten.

Die Auffassung der Vormundschaft als eines öffentlichen Amtes drang in immer reinerer Form durch. Der bisher festgehaltene Zusammenhang zwischen dem Erbrechte und dem als Pflicht behandelten Rechte, eine Vormundschaft anzutreten, wurde gelockert, indem der Verlust der Erbberechtigung nicht mehr als Strafe für die Unterlassung der Vormundschaftsantretung angedroht wurde. Als eine Consequenz dieser Aenderung kann man es ansehen, dass die dem Vormunde bisher gesetzlich auferlegte Sicherstellungspflicht gemildert und es sowohl dem Vater des Mündels als dem Gerichte möglich gemacht wurde, dieselbe ganz oder theilweise zu erlassen.

Bemerkenswerth ist es, dass man sich von der Richtung lossagte, welche den Minderjährigen dadurch schützen wollte, dass sie diejenigen, welche mit ihm in geschäftliche Verbindung treten, in eine rechtlich nachtheiligere Lage versetzte. Man hielt den Schutz, der in der Ungültigkeit aller von dem Mündel ohne vormundschaftliche Genehmigung geschlossenen onerosen Verträge liegen sollte, für ausreichend und hob namentlich auch die Strafbestimmungen auf, welche denjenigen angedroht waren, die einem Mündel Geld borgten.

Mit Einstimmigkeit sprach sich die Commission ferner dafür aus, die Grenze der Minderjährigkeit herabzusetzen. Man fand es ungerechtfertigt, dass der Mensch ein Drittel und oft die Hälfte seines Lebens am Gängelbande der Vormundschaft zubringen solle. Es wurde darauf [Seite: 150] hingewiesen, dass man Bauern, Gewerbs- und Handelsleute lange vor Erreichung des vierundzwanzigsten Jahres zur Eigenberechtigung zulasse. Wenn die Angehörigen niederer Stände früher im Leben selbständig auftreten können, so lasse sich kein Grund finden, warum man annehmen sollte, dass die geistige Reife bei den Angehörigen höherer Stände später eintrete, und dass man nicht einmal die Zeit als Grenze der Minderjährigkeit sollte festsetzen können, in welcher man seine Ausbildung an einer Hochschule vollendet habe. Als Grenze der Minderjährigkeit wurde das einundzwanzigste Jahr als Durchschnitt der in den österreichischen Ländern früher bestandenen Minoritätsgrenzen vorgeschlagen. Dieser Vorschlag, welcher auch noch damit unterstützt wurde, dass die Grossjährigkeitserklärungen zu einer blossen Formalität geworden waren, erlangte nicht die kaiserliche Genehmigung. Uebersehen wurde aber dabei, dass die Commission den Unterschied zwischen Vogtbarkeit und Grossjährigkeit mit den an die erstere geknüpften Erweiterungen der Dispositionsfähigkeit des Minderjährigen in der Voraussetzung beseitigt hatte, dass die Grenze der Minderjährigkeit auf einundzwanzig Jahre werde herabgesetzt werden. Die Voraussetzung traf nicht zu, das Stadium der Vogtbarkeit blieb aber beseitigt.

Wenn man den eben dargestellten Vortrag, mit welchem die Sanction des Josephinischen Gesetzbuches erbeten wurde, mit der Art der Erörterungen vergleicht, welche in früherer Zeit über dieselben legislativen Fragen gepflogen wurden, so macht sich namentlich der Unterschied bemerkbar, dass man bei Erstattung dieses Vortrages sich namentlich die Anwendung des Gesetzes auf bürgerliche Kreise und auf mittlere Vermögensverhältnisse vor Augen hielt, während man früher die Beispiele der Rechtsanwendung mit Vorliebe den Verhältnissen der höheren Stände entlehnte.[Seite: 151]

Die kaiserliche Erschliessung, welche am 21. Februar 1786 herablangte, machte mehrere Aenderungen des Entwurfes nothwendig, welche die Commission nach den Anträgen Horten's sofort vornahm, so dass die Sanction des Entwurfes mit der Anordnung der Publication schon am 31. März 1786 erfolgen konnte.

Die Publication selbst aber erlebte Horten nicht mehr; denn dieselbe erlitt eine Verzögerung dadurch, dass der Kaiser an Sonnenfels den Auftrag ergehen liess, den Entwurf in stylistischer Beziehung noch vor dem Drucke zu rectificiren. Dieser Auftrag wurde aber als Anhaltspunct zu Untersuchungen benutzt, die in die Sache selbst eingingen; und die Hofkanzlei, welche gegen mehrere Bestimmungen Bedenken erheben zu müssen glaubte, hielt sich berufen, mit der Kundmachung zurückzuhalten. Es bedurfte eines neuen, entschiedenen Auftrages des Kaisers, damit die Kundmachung endlich am 1. November 1786 — nur zwei Monate vor dem schon früher auf den 1. Jänner 1787 festgesetzten Beginne der Wirksamkeit des Gesetzes — erfolgen konnte.

In der Zwischenzeit war Horten gestorben, und die Aufgabe, das Kundmachungspatent zu entwerfen, fiel schon dem Hofrath von Kees zu, der von nun an das Referat bei den das Civilrecht betreffenden Codificationsarbeiten führte. Als Grundlage seiner Arbeiten benutzte er den von Horten über den zweiten und dritten Theil ausgearbeiteten Entwurf, und die Ergebnisse der über die ersten zwanzig Hauptstücke des zweiten Theiles gepflogenen Berathungen.

Zunächst beabsichtigte man, unter Festhaltung an dem Plane, das Gesetzwerk bruchstückweise erscheinen zu lassen, als zweiten Theil die das Erbrecht betreffenden Hauptstücke zu publiciren, da man dafür hielt, dass auf diesem Gebiete [Seite: 152] das Bedürfniss nach einem einheitlich codificirten Gesetze am lebhaftesten gefühlt werde. Die Genehmigung zur Befolgung dieses Planes wurde vom Kaiser erwirkt, allein die Realisirung desselben blieb aus. Ein Erklärungsgrund dafür lässt sich darin finden, dass die Aufgabe der Compilationscommission allmählig auf nahezu alle Zweige der Justizgesetzgebung erweitert worden war. Sie hatte überdiess nicht bloss neue Gesetzbücher vorzubereiten; es erwuchs ihr eine besondere und nicht geringe Aufgabe aus der Beantwortung der vielfachen Anfragen um Erläuterung der erlassenen Gesetze.

Von nicht geringem Interesse ist die Erweiterung, welche der Wirkungskreis der Commission nach einer andern Richtung hin erfuhr. Angeregt durch eine von Hofrath von Kees eingereichte Denkschrift verfügte der Kaiser in einem zu Semlin am 22. Mai 1788 ausgefertigten Handschreiben, dass Mitglieder der ungarisch-siebenbürgischen Hofkanzlei an den Berathungen der Compilationscommission theilnehmen sollen. Förderung des Bekanntwerdens der Landesverhältnisse war das Motiv, welches der von Kees beantragten Massregel zu Grunde gelegt wurde.

3. Arbeiten während der Regierung Leopold's II.

Dem Aufschwunge, welchen die Codificationsarbeiten unter Kaiser Joseph nahmen, folgte nach seinem Tode ein starker Rückschlag. Es trat nicht bloss eine sehr bedeutende Störung in dem Fortgange der Codificationsarbeiten ein, sondern es wurde auch der Bestand der publicirten Gesetzbücher in Frage gestellt.

Kaiser Leopold II. liess sich bald nach seinem Regierungsantritte von dem Präsidenten der [Seite: 153] Compilationscommission einen Vortrag über deren Geschäftsgang und Wirksamkeit erstatten. Dieser Vortrag konnte nicht geringe Resultate der während der unmittelbar vorangegangenen Periode angewandten Mühe aufzählen. War es doch gelungen, die Gerichtsordnung, den ersten Theil des bürgerlichen Gesetzbuches, das Strafrecht und die Criminalgerichtsordnung in's Leben zu rufen und ausserdem eine Reihe sehr wichtiger Reformen durch Gesetzesnovellen durchzuführen.

Trotz dieser Erfolge, mit denen die legislatorischen Arbeiten — seit dem Beginne des achtzehnten Jahrhunderts zum ersten Male — gekrönt waren, fand Leopold II. sich dennoch bestimmt, die Compilationscommission am 2. April 1790 aufzulösen und unter dem Präsidium Martini's eine neue Commission, zu welcher kein Mitglied der früheren Commission zugezogen wurde, einzusetzen. Diese Commission wurde "mit der Untersuchung der bis nun ergangenen Civil-, Criminal-, sowie auch der einschlagenden politischen Gesetze und der bis jetzt bestehenden Gerichtsordnung" betraut.

Trotz dieser beschränkten Aufgabe erachtete sich diese Commission doch berufen, die Fortsetzung der im Zuge befindlichen Codificationsarbeiten vorzubereiten. Ein zu diesem Zwecke schon im August 1790 gemachter Vorschlag lässt zugleich die Richtung erkennen, welche durch Einsetzung dieser Commission zur Herrschaft gelangt war. Die Commission fand nämlich für gut, indem sie einen Rückblick auf die früheren vergeblichen Codificationsarbeiten warf, sich darüber auszusprechen, dass sie dem Kaiser "nie etwas, was wider die allgemeine Denkungsart ist" anrathen und namentlich nicht empfehlen wolle, dass allen Provinzen, "wo die Localität und andere eintretende wichtige Ursachen ein Hinderniss machen können," das nämliche Gesetz [Seite: 154] gegeben werde. Damit nun die provinziellen Eigentümlichkeiten zur Geltung kommen können, sollte der von Horten verfasste Entwurf aller drei Theile des bürgerlichen Gesetzbuches nach einer vorläufigen Revision der Begutachtung von Commissionen unterzogen werden, welche bei allen Appellationsgerichten einzusetzen, und zu denen auch Abgeordnete der Stände zuzuziehen wären.

Der Kaiser genehmigte diesen Vorschlag; das Bedürfniss nach einer Rechtseinheit war aber doch schon so stark geworden, dass er sich bewogen fand, trotz der herrschenden Strömung in seine Entschliessung den Beisatz aufzunehmen, man habe sich als Grundsatz gegenwärtig zu halten, "dass in der Regel in allen deutschen und böhmischen Erbländern nur einerlei Gesetz sein solle, und dass nur insoweit, als die Umstände des einen oder des anderen Landes ein anderes erheischen, eine Ausnahme von der Regel Platz zu greifen habe."

Dieser vom Kaiser genehmigte Vorschlag kam zunächst nicht zur Ausführung, man beschäftigte sich vielmehr damit, im Centrum der Regierung eine Reform des zur Zeit Joseph's II. publicirten ersten Theiles des bürgerlichen Gesetzbuches vorzubereiten.

Die Entschiedenheit dieser Reformbestrebungen reichte aber nur aus, um eine Novelle zu Stande zu bringen, welche dem Kaiser am 27. November 1790 vorgelegt und von diesem am 22. Februar 1791 sanctionirt wurde. Dieselbe enthält acht Puncte, unter denen namentlich die Beseitung des Gebotes, im Falle eines Zweifels eine Gesetzeserläuterung beim Landesfürsten zu erbitten, und die Beschränkung des Anspruches unehelicher Kinder auf Gewährung des Unterhaltes bis zur Erlangung der eigenen Erwerbsfähigkeit die belangreichsten sind.

Nach dem Erscheinen dieser Novelle liess sich die [Seite: 155] Commission, bei welcher Hofrath von Haan das Referat führte, in eine Umarbeitung des Josephinischen Gesetzbuches selbst ein. In dem Vortrage, mit dem sie die von ihr beantragten Aenderungen der kaiserlichen Sanction am 30. Juli 1791 unterbreitete, fand die Bemerkung Raum: "dass der guten Ordnung, dem sichern Eigenthume, dem allgemeinen innerlichen Wohlstande nichts schädlicher sei, als die immer abwechselnden Aenderungen in Gesetzen, Verfassungen und Einrichtungen, wodurch meistens einer eingebildeten Verbesserung zu Liebe das Gedeihen überhaupt gestöret und schon wieder ausgerissen wird, was kaum Wurzel zu fassen die Zeit gehabt hat."

Die in dieser Aeusserung sich aussprechende Unsicherheit der Aenderungstendenzen herrschte auch dort vor, wo man über die Anträge der Commission zu entscheiden hatte; denn viele derselben wurden weder angenommen noch abgelehnt, sondern zur neuerlichen Berathung verwiesen.

4. Arbeiten wahrend der Regierung Franz' I.

Das Resultat der Berathung über das Josephinische Gesetzbuch erlangte erst nach dem Eintritt eines Regierungswechsels am 27. März 1792 die kaiserliche Genehmigung.

Diese Genehmigung bildet die Grundlage eines Entwurfes des ersten Theiles des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, in welchem nur die vom Josephinischen Gesetzbuche abweichenden Textesstellen aufgenommen erscheinen und den man sofort mit Berufung auf den unter Kaiser Leopold ertheilten Auftrag an die Appellationsgerichte zur Begutachtung überschickte. In dem Erlasse, der desshalb an diese Gerichte erging, unterliess man nicht hervorzuheben, dass die Rechtseinheit in allen deutschen [Seite: 156] und böhmischen Erblanden die Regel bilden solle, und knüpfte daran die Folgerung, "daher der Entwurf nicht zu kritisiren, sondern nur aus dem Gesichtspuncte zu beurteilen ist, ob derselbe den besonderen wesentlichen Landesgesetzen zuwider, nicht deutlich genug bestimmt, in einem oder anderen Absätze ganz überflüssig oder nicht erschöpfend sei." Um zur Kürze zu nöthigen (man hoffte nämlich alle Gutachten vor Schluss des Jahres 1792 zu erhalten), gestattete man nur, jene Erinnerungen zu machen, die von dem Entwurfe einer Textesverbesserung begleitet wären.

Bemerkenswerth ist es, dass man es für notwendig fand — wahrscheinlich wegen der zuzuziehenden ständischen Vertreter — ausdrücklich zu verbieten, dass die einer Körperschaft angehörigen Mitglieder der zu errichtenden Commissionen ihr Votum nur unter dem Vorbehalte des Beschlusses der Körperschaft, welcher sie angehören abgeben.

Fast gleichzeitig mit den Gerichten wurden auch Professoren der Universitäten Wien, Prag, Lemberg, Innsbruck und Freiburg aufgefordert, ihr Gutachten über den Entwurf abzugeben.

Das Resultat dieser Begutachtungen wurde von Hofrath von Kees, welcher bald nach dem Regierungsantritte des Kaisers Franz in die Gesetzgebungscommission wieder aufgenommen worden war, verarbeitet. Die Redaction des neuen Entwurfes, welcher dem Kaiser am 3. Mai 1794 unterbreitet wurde, übernahm Freiherr von Martini.

Der neue Entwurf unterscheidet sich von seinen Vorgängern in Beziehung auf seinen Inhalt dadurch, dass demselben mit Berufung auf die früheren Codificationsarbeiten ein neues Hauptstück — von den Rechten und Pflichten zwischen Herrschaften und Dienstpersonen — hinzugefügt [Seite: 157] wurde. Durch dasselbe beabsichtigte man die unter Kaiser Joseph II. erlassene Dienstbotenordnung dem Gesetzbuche einzuverleiben und dieselbe zugleich zu reformiren. Dieses Hauptstück sollte nach dem Antrage der Gesetzgebungscommission sofort in Wirksamkeit treten, während die Publication des übrigen Theiles des Entwurfes bis zur Sanction des zweiten und dritten Theiles des bürgerlichen Gesetzbuches aufgeschoben bleiben sollte.

In den anderen am Entwürfe vorgenommenen Aenderungen treten keine neuen Grundsätze, sondern nur Meinungsverschiedenheiten über Detailbestimmungen und über die Reihenfolge derselben an den Tag.

Bei der Redaction und Berathung des Entwurfes scheint man den aus den verschiedenen Ländern eingelangten Gutachten keinen sehr grossen Einfluss eingeräumt zu haben; man glaubte wenigstens den Umstand, dass wenige der in einem Gutachten enthaltenen Bemerkungen sich in anderen Gutachten wiederholen, kein einziger Aenderungsantrag sich aber in allen Gutachten übereinstimmend finde, so auffassen zu sollen, dass der Entwurf von den vernommenen Commissionen mit Stimmenmehrheit unverändert angenommen wurde.

Den grössten Raum nahmen die Erörterungen über die in das erste Hauptstück aufzunehmenden allgemeinen Sätze ein, in welchen man die Rückwirkungen der gleichzeitigen französischen Bewegung wahrnehmen kann. Bemerkenswerth ist es, dass aus Böhmen der Antrag kam, in dem ersten Hauptstücke staatsrechtliche Grundsätze auszusprechen. Dieser Antrag wurde zwar in dem über die Ländergutachten ausgearbeiteten Referate sehr wegwerfend behandelt, in den Entwurf wurden aber dennoch Definitionen über den Staat, den Staatszweck, das Gesetzgebungsrecht aufgenommen. Diese allgemeinen Sätze, dann die [Seite: 158] Definitionen des Rechtes, die Erklärung der angebornen Rechte, des Masses von Freiheit und Gleichheit, das Jedem im Staate zukomme, scheinen das Haupthinderniss der Sanctionirung des Entwurfes gebildet zu haben.

Es entspann sich ein eigentümlicher Kampf zwischen der Gesetzgebungscommission und der — Directorium genannten — obersten Verwaltungsbehörde, welche einen Einfluss auf die Begutachtung des Entwurfes zu erlangen strebte. Die Gesetzgebungscommission hatte es unterlassen, dem Directorium den Entwurf vor der Vorlage an den Kaiser mitzutheilen, da sie denselben nur als eine neue Redaction ansah, und beschränkte sich darauf, dem Directorium das dem Entwürfe neu hinzugefügte Hauptstück über die Rechtsverhältnisse zwischen Dienstherren und Dienstleuten gleichzeitig mit der Vorlage des ganzen Entwurfes an den Kaiser zuzuschicken.

Das Directorium begehrte aber den ganzen Entwurf zur Einsicht und beanspruchte das Recht, sich über denselben gutächtlich auszusprechen. Von diesem Begehren wurde auch nicht abgegangen, nachdem die Gesetzgebungscommission vorgestellt hatte, dass der Entwurf in seiner früheren Fassung mit der obersten Verwaltungsbehörde vereinbart worden war, und die Commission sah sich genötigt, die Rückstellung des Entwurfes vom Kaiser zu erbitten, um ihn dem Directorium mittheilen zu können.

In dem zu diesem Zwecke erstatteten Vortrage wird darüber Klage geführt, dass das Directorium die legislativen Arbeiten ungebührlich verzögere: so sei über die vor mehr als einem Jahre erfolgte Mittheilung des Seerechtes noch gar nichts geschehen. Dringend wurde darum gebeten, dem Directorium Beschleunigung aufzutragen, und dasselbe zugleich anzuweisen, sich bei seinem Gutachten nur auf [Seite: 159] die Beziehungen des Entwurfes zu den Aufgaben der politischen Verwaltung zu beschränken.

Statt diesen Anträgen stattzugeben, fand sich der Kaiser bestimmt, am 21. Juli 1794 bei dem Directorium eine besondere Commission unter ausschliesslicher Zuziehung von Verwaltungsorganen einzusetzen, dieselbe mit der Prüfung des von der Gesetzgebungscommission vorgelegten Entwurfes zu beauftragen, und weiter anzuordnen, dass die Berathungsresultate der neu eingesetzten Commission der Gesetzgebungscommission mitgetheilt und sammt den hierauf folgenden Erörterungen dieser Commission dem Kaiser vorgelegt werden sollten.

Eine ähnliche Massregel hatte man gegen das Ende der Regierungszeit Maria Theresia's ergriffen, um die zur Sanction vorliegende Gerichtsordnung in das Stadium endloser Berathungen zurückzuwerfen. Nach der Art, in welcher die neu eingesetzte Revisionscommission an die Lösung ihrer Aufgabe schritt, musste man ernstlich besorgen, dass die Berathungen derselben das Grab der durch nahezu ein halbes Jahrhundert beharrlich fortgesetzten Codificationsbestrebungen werden würden.

Mehr als ein Jahr verstrich, ehe die Commission zur ersten Sitzung zusammentrat, und als sie ihre Berathungen begann, gingen dieselben äusserst langsam von statten.

Die Gesetzgebungscommission, welche, nachdem die Revisionscommission mit der Berathung des dritten Hauptstückes zu Ende gekommen war, vom Kaiser angewiesen wurde, eine gemeinschaftliche Sitzung mit der Revisionscommission zur Austragung der sich herausstellenden Meinungsverechiedenheiten zu veranstalten, benützte diesen Anlass, um dem Kaiser vorzustellen, dass die Beendigung des Gesetzwerkes bei dem eingeschlagenen Vorgange, nach welchem die Arbeiten der einen Commission der Prüfung [Seite: 160] einer neuen Commission unterzogen werden, nicht abzuwarten sein werde. In dem Bestreben zu verbessern gehe die Zeit und aller Vortheil verloren, den ein einheitliches, codificirtes — wenn auch minder vollkommenes — Gesetz herbeiführen könnte. Je mehr Köpfe sich an der Arbeit betheiligen, desto mehr Meinungsverschiedenheiten werden auftauchen, und man "werde immer einem neuen Anfange näher als dem Ende rücken". An einer Reihe von Beispielen wird gezeigt, von welch geringfügiger Bedeutung die Aenderungen sind, welche die Revisionscommission in Beziehung auf die Stoffverteilung und Ausdrucksweise vornahm, und die es nicht zu rechtfertigen scheinen, dass man, wie es von Seite der Revisionscommission geschah, den Entwurf vollständig umarbeite. Von welcher Tendenz die vorgenommenen Aenderungen in der Ausdrucksweise waren, lässt sich aus folgender Bemerkung der Gesetzgebungscommission entnehmen, dass sie "gerne die aus den Umständen der Zeiten so verhasst gewordenen Worte von bürgerlicher Freiheit, von Gleichheit der Rechte ganz hinweglassen wolle, in der Ueberzeugung, dass desswegen dem Kopfe und dem Herzen des Gesetzgebers so wie seiner Rathgeber zu einer klugen, sanften und gerechten Regierung, die der Ruhe und Zufriedenheit der Völker so notwendige Lehre tief eingeprägt sein werde, dass Recht und Pflicht alle Classen der Unterthanen in gleicher Art treffen, und die Freiheit des Menschen nicht weiter, als es das wahre Wohl der bürgerlichen Gesellschaft fordert, beschränkt werden soll."

Die Gesetzgebungscommission hatte umso mehr Anlass, für die Zukunft der Codificationsarbeiten besorgt zu sein, da sie während der Zeit, als die beim Directorium eingesetzte Commission mit der Revision des ersten Theiles beschäftigt war, den Entwurf der beiden andern Theile [Seite: 161] vollendet hatte und nun wünschen musste, dass hinsichtlich der Berathung dieses Operates solche Anordnungen getroffen werden, welche Garantien eines gedeihlichen Erfolges bieten.

Als unerlässlich wurde hervorgehoben, dass nicht zwei, sondern nur Eine Commission mit der Prüfung des Entwurfes betraut werde, denn eine einheitliche Richtung müsse vorherrschen, sonst wäre es ja dem Kaiser unmöglich, unter den von den verschiedensten Gesichtspuncten ausgehenden Anträgen zu wählen. Einheit sei auch darum nothwendig, weil der Commission, welche die Ausarbeitung des Gesetzwerkes zu Stande bringt, auch die Aufgabe wird zufallen müssen, die Beobachtung des Gesetzes zu überwachen und alle auftauchenden Anfragen und Zweifel im Sinne des Gesetzes zu erledigen.

Mit Berücksichtigung dieser Anträge verfügte der Kaiser am 20. November 1796, dass das fertige Gesetzeswerk als Entwurf den zur Begutachtung des ersten Theiles eingesetzten Ländercommissionen mitgetheilt und zugleich als eine Privatarbeit der literarischen Kritik des Inlandes und Auslandes unterzogen werde.

Den Ländercommissionen sollte eine Frist von zwei Jahren zur Erstattung ihrer Gutachten gegeben und durch Bestimmung von Preisen auf die Belebung literarischer Thätigkeit hingewirkt werden. Das auf diese Weise erzielte Materiale wäre einer Commission zu übergeben, die aus den Mitgliedern der beiden Commissionen gebildet werden sollte, und die das Resultat ihrer Berathungen capitelweise dem Kaiser vorzulegen hätte. Dieser Commission sollte auch die Ueberwachung der Gesetzesanwendung und die Erledigung aller Anfragen über die Auslegung des Gesetzes übertragen werden.

Fast noch wichtiger, als diese Massregel, welche etwas [Seite: 162] mehr Entschiedenheit in den Gang der Berathungen brachte, war es für das Gelingen der Codificationsarbeiten, dass der Entwurf des ganzen Gesetzes fast gleichzeitig mit der Einleitung der Begutachtung desselben, in Westgalizien und später auch in Ostgalizien als provisorisches Gesetz eingeführt wurde.

Die Vorbereitungen für den weiteren Gang der Berathungen, mit denen sich die Gesetzgebungs- und die Revisionscommission in gemeinschaftlichen Sitzungen zu beschäftigen hatten, führten zu einigen nicht unerheblichen Aenderungen der oben erwähnten Verfügungen des Kaisers.

Man gab es namentlich auf, den Entwurf als Privatarbeit zu publiciren und die literarische Kritik durch die Aussetzung von Preisen aufzumuntern, weil man sich wenig Erfolg von dieser Massregel versprach, und weil man es für unpassend hielt, zur Kritik eines Operates aufzufordern, das man gleichzeitig in Galizien als Gesetz einführe. Ferner wurde beschlossen, die einzusetzende Berathungscommission nicht erst nach dem Einlangen der Gutachten, sondern sofort zu bilden, damit die Mitglieder der Commission Zeit gewinnen, sich vorzubereiten, und die Commission sowohl die aus Galizien einlangenden Anfragen über die Auslegung des dort als Gesetz eingeführten bürgerlichen Gesetzbuches erledigen, als auch die im Zuge befindlichen Codificationsarbeiten über andere Zweige der Justizgesetzgebung fortsetzen könne.

Bei Erstattung der Vorschläge für die zu ernennenden Mitglieder der Commission wurde an dem Grundsatze festgehalten, die oberste Justizstelle und die oberste Verwaltungsbehörde durch gleich viel Mitglieder vertreten zu lassen. Bei der Auswahl der der obersten Verwaltungsbehörde angehörenden Mitglieder suchte man für jede der drei Ländergruppen — Böhmen, Mähren, Schlesien mit Galizien[Seite: 163] Nieder-, Ober- und Innerösterreich — dann Tyrol mit den Vorlanden — je einen Vertreter. Einem vierten Mitgliede wollte man den mehr theoretischen Theil der Aufgabe so wie die Redaction übertragen, wofür wahrscheinlich Sonnenfels, der bei der Revisionscommission das Referat geführt hatte, in Aussicht genommen wurde. Von Seite der bei dieser gemeinschaftlichen Sitzung betheiligten Justizmänner wurde der Rücksicht auf die Vertretung der Provinzen die Rücksicht auf die juristische Ausbildung als das gewichtigere Moment entgegengesetzt, und darnach bei der Auswahl der einzelnen Mitglieder vorgegangen. In Folge des bei diesem Anlasse gemachten Vorschlages kam der Appellationsrath von Zeiller in die Commission, der bei den folgenden Berathungen über die Codification des Civilrechtes das Referat führte.

Gleichzeitig schieden zwei Männer aus der Commission, welche einen hervorragenden Antheil an den früheren Codificationsarbeiten genommen hatten, und die man, wie es scheint, allseitig zugezogen zu sehen wünschte. Es waren diess Froidevo, der zur Zeit Maria Theresia's den Entwurf der Gerichtsordnung, welcher die Grundlage des jetzt geltenden Gesetzes bildet, ausgearbeitet hatte, und Freiherr von Martini, der unter Mitbetheiligung des Hofrathes von Kees den an die Ländercommissionen versandten Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches redigirt hatte. Zunehmendes Alter war der angegebene, Verstimmung über das Verschleppen und die Erfolglosigkeit aller Arbeiten wahrscheinlich der wirkliche Grund des Rücktrittes dieser Männer.

Beiläufig vier Jahre vergingen, ehe alle abgeforderten Gutachten eingelangt waren und die Commission ihre Thätigkeit beginnen konnte. Den Berathungen derselben wurde nebst dem an die Ländercommissionen vertheilten [Seite: 164] Entwurfe ein Auszug zu Grunde gelegt, den Zeiller aus den eingelangten Gutachten verfasst und nach der Paragraphenfolge des Entwurfes geordnet hatte.

Im Jahre 1802 war die Commission in der Lage, dem Kaiser den ersten Theil des bürgerlichen Gesetzbuches sammt den Berathungsprotocollen vorzulegen; die Sanctionirung dieses Theiles, die man damals erwartet zu haben scheint, blieb aber aus, und erst im Jahre 1804 wurde der Commission bedeutet, dass der Kaiser die Vorlage bloss zur Kenntniss genommen habe. Um diese Zeit scheint die Tendenz, die man bei den Codificationsarbeiten bisher verfolgte und nach welcher man alle verschiedenen Landesgesetze durch Ein Reichsgesetz zu ersetzen bestrebt war, in's Wanken gerathen zu sein, denn in demselben Jahre erging der Auftrag, in den verschiedenen Ländern die aufrechtzuhaltenden Landesstatute zu sammeln. Diese Vermuthung dürfte sich um so mehr als gerechtfertigt herausstellen, als der Versuch, die Provinzialgesetze neben dem bürgerlichen Gesetzbuche in Geltung zu erhalten, von dem Präsidenten der Gesetzgebungscommission noch bei Gelegenheit der Einholung der kaiserlichen Sanction für das fertige Werk gemacht wurde.

Die Commission hatte die Berathungen über alle drei Theile des Gesetzbuches im Jahre 1806 beendet; das Resultat derselben wurde über Anregung Zeiller's einer Revision durch ein kleines Comité unterzogen.

Am 19. Jänner 1808 wurde dem Kaiser der fertige Entwurf des ganzen Gesetzbuches, nebst den Berathungsprotocollen und einem Vortrage, welcher die durch diesen Entwurf erfüllte Codificationsaufgabe characterisiren und einen Vergleich mit dem römischen Rechte, dem preussischen Landrechte und dem code civil ziehen sollte, ferner der Entwurf eines Kundmachungspatentes vorgelegt. Dieser [Seite: 165] letztere Entwurf schien dem Präsidenten der Gesetzgebungscommission, Graf Rottenhann, zu wenig schwunghaft abgefasst, und er legte dem Kaiser am 29. Februar 1808 einen eigenen Entwurf vor, welcher sich von dem Entwurfe der Commission namentlich dadurch unterschied, dass er die Anwendbarkeit des bürgerlichen Gesetzbuches auf die in den Provinzialrechten nicht entschiedenen Fälle eingeschränkt wissen wollte. Diese Provinzialrechte, deren Sammlung seit dem Jahre 1804 im Zuge war, sollten aber gleichzeitig mit dem bürgerlichen Gesetzbuche sanctionirt und kundgemacht werden. Die Commission war über diesen Punct anderer Meinung und hielt dafür, es wäre in einem späteren Zeitpuncte zu bestimmen, ob und welche Sonderbestimmungen der Provinzialrechte aufrechterhalten werden sollen; gleichzeitig beklagte sie sich, dass die vor bereits vier Jahren eingeleitete Sammlung trotz vielfacher Betreibungen nicht von statten gehe.

Nahezu zwei Jahre verstrichen, ehe irgend eine Verfügung über die dem Kaiser gemachte Vorlage herablangte, und als sie erschien, sah sich die Commission wieder in das Stadium der Berathungen zurückgeworfen, indem angeordnet wurde, einige aus dem Staatsrathe herrührende Bemerkungen in Erwägung zu ziehen.

Die Commission, in deren Präsidium inzwischen ein Wechsel vor sich gegangen war, indem an die Stelle des verstorbenen Grafen Rottenhann der Oberst-Landrichter von Haan trat, ging rasch an's Werk, beschränkte sich in ihren Berathungen auf die ihr mitgeteilten Bemerkungen und erledigte dieselben in einem kleinen Comité. Bereits am 22. Jänner 1810 war die Commission in der Lage, dem Kaiser das ganze Operat vorzulegen; bei diesem Anlasse sprach sie sich zugleich über die inzwischen eingelangten Sammlungen der Provinzialstatute und zwar in dem [Seite: 166] Sinne aus, es sei nicht nothwendig, ein "besonderes, die Gleichförmigkeit des Rechtes störendes Statut" als Gesetz gelten zu lassen.

Ein neues Hinderniss trat aber der vollständigen Beendigung des ganzen Werkes dadurch entgegen, dass eine Verhandlung mit der allgemeinen Hofkammer wegen der Redaction einiger Paragraphe im Hauptstücke vom Darlehensvertrage eingeleitet worden war, welche, da die Hofkammer mit ihrer Antwort zögerte, nicht zu Ende gebracht werden konnte.

Nach beiläufig einem halben Jahre sanctionirte der Kaiser den Entwurf mit Ausnahme der durch die Verhandlung mit der Hofkammer in Schwebe gehaltenen Gesetzesstellen, und ordnete zugleich an, dass die Hofkammer längstens binnen acht Tagen ihr Gutachten abgebe. Da nun die endliche Erledigung der Aufgabe, an der man sich durch mehr als ein halbes Jahrhundert abmühte, ganz nahe bevorzustehen schien, so wurde über Auftrag des Kaisers mit dem Drucke des Gesetzbuches und zugleich auch mit der Abhaltung von Vorträgen über dasselbe an den Universitäten begonnen. Gleichwohl neigte sich das Jahr 1810 zu Ende, ehe die vereinbarte Fassung der beanständeten Gesetzesstellen dem Kaiser unterbreitet werden konnte, dem man vorstellte, welch peinliches Aufsehen es im Inlande und Auslande erregen müsste, wenn das angekündigte Erscheinen des Gesetzbuches lange auf sich warten liesse, oder wenn gar die begonnenen Lehrvorträge abgebrochen werden müssten. Diess würde aber unvermeidlich sein, wenn die Sanction nicht bald erfolgen würde.

Statt der Sanction kam aber am 15. März 1811 der Auftrag, die durch das Finanzpatent vom 20. Februar 1811 nothwendig gemachten Aenderungen im Gesetzbuche durchzuführen. Die Commission widerrieth es sehr entschieden, [Seite: 167] dass man den Inhalt des Finanzpatentes, da dieses doch nur Massregeln von vorübergehender Bedeutung enthalte, in das Gesetzbuch aufnehme, und empfahl nur durch das Kundmachungspatent auf die Aufrechthaltung der Finanzmassregeln hinzuweisen.

Diesem Antrage wurde stattgegeben und durch die Entschliessung vom 26. April 1811 die endgültige Sanction des ganzen Gesetzbuches ausgesprochen.

Mit dem Ausdrucke des Wunsches, "dass dieses wichtige Werk den Ruhm des Gesetzgebers so wie die Wohlfahrt seiner Völker auf fortwährende Zeiten befestigen möge," überreichte der Präsident der Gesetzgebungscommission dem Kaiser am 24. Juni 1811 das Gesetzbuch und brachte so die Codificationsarbeiten zum Abschluss.

Fußnoten
S.2.1. ↑ (Zurück)
S.3.1.
Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. 5. Jahrgang, 4. Heft 6. Jahrgang, 3. Heft. Abhandlungen von Julius Lippert und Dr. Franz Pelzel.
↑ (Zurück)
S.4.1.
Hofdecrete vom 12. März, 7. April, 5. Juli 1625. Archiv des Ministeriums des Innern. II. A. 1.
↑ (Zurück)
S.6.1.
Chytil, Die Landesordnungen des Markgrafenthums Mähren. Schriften der historisch-statistischen Section der k. k. m. schl. Gesellschaft des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. 4. Heft. Jahrg. 1852.
↑ (Zurück)
1.
Die Daten über die Codificationsarbeiten in Nieder- und Ober-Oesterreich sind den Acten des obersten Gerichtshofes entnommen. Fascikel 106.
↑ (Zurück)
6.
Hofdecret 6. October 1700. Reg. d. obersten Gerichtshofes.
↑ (Zurück)
7.
Instruction 2. October 1709. Reg. d. obersten Gerichtshofes.
↑ (Zurück)
26.1.
Successionsordnung für Niederösterreich vom 28. Mai 1720 Cod. Aust. Suppl. P. I. p. 952; für Oberösterreich vom 16. März 1729 Cod. Aust. Suppl. P. II. p. 539; für Steyermark vom 26. Jänner 1729, Graz 1737.
↑ (Zurück)
27.1.
2 Titel § 10.
↑ (Zurück)
27.2.
2. 7. 9. Titel.
↑ (Zurück)
27.3.
9. Titel § 3, 12. Titel.
↑ (Zurück)
27.4.
2. 7. 9. Titel.
↑ (Zurück)
28.1.
11. Titel, zu P. 26.
↑ (Zurück)
29.1.
Bericht der ständischen Verordneten vom 23. December 1684. Regist. d. Ob. Gerichtshofes.
↑ (Zurück)
32.1.
Vortrag vom 3. December 1748. Reg. d. Ob. Gerichtshofes.
↑ (Zurück)
33.1.
Protocoll der obersten Justizstelle vom 28. November und 3. December 1750. Ob. Ger. Hof.
↑ (Zurück)
33.2.
Vortrag vom 6. September 1751; Bericht der niederösterreichischen Stände vom 23. September 1751. Ob. Ger. Hof.
↑ (Zurück)
34.1.
Decret vom 1. October 1751. Ob. Ger. Hof.
↑ (Zurück)
39.1.
Vorschlag, dass eine allgemeine Gerichtsordnung und gleiches Landrecht in allen benachbarten österreichisch deutschen Erblanden einzuführen sei.
↑ (Zurück)
39.2.
Vorläufiger ohnmassgebiger Entwurf, wie nach der a. h. k. Intention zu Verfassung einer neuen Gerichtsordnung oder eines sogenannten codicis theresiani etc. festgesetzet werden könnte, vom 3. Februar 1753.
↑ (Zurück)
40.1.
Bei der folgenden Darstellung ist eine Sammlung von meist anonymen Denkschriften benützt worden, welche zur Zeit Maria Theresia's aus dem Cabinetsarchive an Graf Sinzendorf ausgefertigt worden sind. Dieselben befinden sich derzeit im Archive des Justizministeriums.
↑ (Zurück)
44.1.
Bei dem Folgenden wurde ein Referat benützt, das eine Chronik der Compilationscommission vom 3. Mai bis zum 13. Nov. 1753 enthält.
↑ (Zurück)
72.1.
Die Neigung zur Erweiterung der Brünner Commission zu einer ständigen Gesetzgebungscommission zeigte sich schon beim Beginne ihrer Wirksamkeit. Die Operate der in Wien zum Zwecke der Erläuterung des tractatus de juribus incorporabilibus tagenden Commission wurden im Jahre 1753 an die Compilationscommission in Brünn zur Benützung bei ihren Arbeiten, und zur Ausscheidung des privatrechtlichen Theiles geleitet. Die oberste Justizstelle wurde ersucht, der Compilationscommission Gesetzgebungsmateriale mitzutheilen, und keine Verordnung in Justizsachen zu erlassen, ohne sich vorher an das Directorinm zu wenden, das hierüber die Compilationscommission zu vernehmen beabsichtigte. Das Directorium sprach ferner schon im Jahre 1753 die Ansicht aus, dass es zu den Aufgaben der Commission gehören müsse, auch das Strafrecht zu behandeln.
↑ (Zurück)


Date: