Die Erteilung der Religionskonzession am 18. August 1568, womit den protestantischen Adelsständen Niederösterreichs die Ausübung der neuen Lehre freigegeben wurde, rief begreiflicherweise in der ganzen katholischen Welt einen Sturm der Entrüstung, bei den Protestanten dagegen eitel Jubel hervor; da wie dort aber wirkte sie als ein sensationelles Ereignis: sie war überraschend gekommen. Die Religionskonzession Kaiser Maximilians II. bildet auch für den Geschichtsforscher eine Überraschung; denn sie bedeutet ganz entschieden eine Abkehr von seiner bisher befolgten Religionspolitik, welche auf einen kirchlichen Ausgleich der beiden Konfessionen hinarbeitete. Aufgabe der folgenden Blätter soll es nun sein, diese Wandlung zu erklären, die verschiedenen Beweggründe innerer und äußerer Natur, welche zu dem folgenschweren Schritte führten, des näheren zu beleuchten.400.1
Die Religionspolitik der "Sphinxnatur"400.2 Kaiser Maximilians II. ist von seiner persönlichen Glaubensmeinung wohl zu scheiden. Wenn es auf diese allein angekommen wäre, so hätte Maximilian den Protestanten die lange ersehnte Religionsfreiheit wohl gleich bei seiner Thronbesteigung ohne besondere Bedenken gewähren können. Damit soll nun noch nicht gesagt sein, daß er auch [Seite: 401] wirklich Protestant war. Die vielerörterte Frage, welcher Religion er eigentlich angehörte, ist leider noch eine offene und Skeptiker meinen, sie werde sich auch niemals beantworten lassen.401.1 Der Kaiser hat sich protestantischen Fürsten gegenüber wiederholt als Anhänger der Augsburger Konfession erklärt und betont, darin sein Leben beschließen zu wollen; auf der anderen Seite aber hat er mindestens ebenso oft die besorgten Vertreter der alten Kirche versichert, als "katholischer" Fürst "leben und sterben" zu wollen.401.2 Der Versuch Hopfens, die religiöse Haltung Kaiser Maximilians II., seine eigentümliche Mittelstellung, als "Kompromißkatholizismus" auf eine einheitliche Formel zu bringen401.3, wurde mit Recht ziemlich einmütig abgelehnt und dem gegenüber gesagt, daß die einzig richtige Bezeichnung "Verwirrung" wäre, ein Vorwurf, der überhaupt die meisten der namentlich den Humanistenkreisen entstammenden Reformkatholiken der vortridentinischen Zeit trifft,401.4 So viel werden wir indessen doch behaupten dürfen, daß Maximilian — seine letzten Lebensstunden, da er die Sterbesakramente zurückwies, beweisen dies zur Genüge — der römischen Kirche entfremdet war und der neuen Lehre innerlich sehr nahe stand, auch dann, als er nach dem unglücklichen Ausgang der Warnsdorfischen Sendung im Sommer 1560 den "Entschluß" gefaßt hatte, bei der alten Kirche zu bleiben. Damals als sein Hilferuf von den evangelischen Fürsten so schmählich abgelehnt wurde und die ganze Schwäche und Haltlosigkeit des deutschen Protestantismus in sinnfälliger Weise zutage trat, hat der von Haus aus macchiavellistisch veranlagte und dann in diesem Geiste der kühlen Berechnung am spanischen Hofe weitergebildete Habsburger gelernt, Religion und Politik zu trennen401.5, und nun sehen wir ihn nach außen hin ganz in dem Fahrwasser seines streng katholischen Vaters steuern.
Auch bei Kaiser Ferdinand I. hatte sich übrigens — nur nach der anderen Seite — eine bemerkenswerte W andlung vollzogen. [Seite: 402]
Seine aus Spanien, dem blutgedüngten Lande der Glaubenskämpfe, mitgebrachten Kreuzzugs- und Autodafé-Gelüste waren im Laufe der Jahre einer versöhnlichen Stimmung gewichen: Schritt für Schritt hatte er sich dem Protestantismus, der sich als ein unausrottbarer Machtfaktor erwiesen, genähert. Sehr bezeichnend in dieser Hinsicht ist seine Äußerung, die er zum Nuntius Hosius machte, als ihn dieser zu einem strengeren Vorgehen gegen die Protestanten mahnte: Er habe alles getan, um die Ketzer auszurotten; er habe viele verbrennen, köpfen, aufhängen lassen, aber je härtere Strafen verhängt wurden, desto mehr sei ihre Zahl angewachsen, so daß er von ihrer Verfolgung abstand.402.1 Ferdinand war es ja auch, der im Augsburger Religionsfrieden den Protestanten die reichsgesetzliche Anerkennung der Gleichberechtigung brachte. Es war ein "beständiger, beharrlicher und unbedingter" Friede, nicht mehr zeitlich beschränkt, wie seine Vorgänger, und Ferdinand hat ihn trotz der heftigen Anfeindungen Roms getreulich gehalten. Allein die Hoffnung, den Riß, der jetzt durch die abendländische Christenheit ging, durch einen kirchlichen Ausgleich der beiden Konfessionen — sie war ja auch im Religionsfrieden ausgesprochen worden — aus der Welt zu schaffen, hat Ferdinand ebensowenig wie sein Bruder Kaiser Karl V. aufgegeben. Der Protestantismus verdankte nach der Auffassung der beiden Kaiser seine Existenz und seine Machterfolge den sittlichen Gebrechen und Mißbräuchen der alten Kirche; durch deren Beseitigung und durch einige Zugeständnisse sollte ihm nun der Boden abgegraben werden. Dies ist der Grundgedanke des kaiserlichen Reformprogramms, um dessen Durchführung sich die beiden Brüder in Rom unausgesetzt bemühten. Allein das Konzil von Trient hatte diesen Bestrebungen nur sehr wenig Rechnung getragen: denn die Festlegung der Dogmen im bewußten Gegensatze zum Protestantismus stand im Vordergrund der kurialen Interessen. Die dort gefaßten Beschlüsse waren nicht auf die Versöhnung, sondern auf die Vernichtung des Gegners gestimmt, und so war das Ergebnis der mit so großen Erwartungen begrüßten Kirchenversammlung, daß die Gegensätze vertieft, ja unheilbar gemacht wurden. In Trient hatte die Idee der Gegenreformation, der Grundsatz der Unversöhnlichkeit gesprochen: von nun an schieden sich die Geister. Daher denn auch die schwere Verstimmung bei K. Ferdinand und vor allem bei seinem Sohne Maximilian, dem [Seite: 403] eigentlichen Urheber des im Frühjahr 1562 zu Trient überreichten "Reformationslibells".403.1 Maximilian, der sich von vornherein vom Trienter Konzil nicht viel versprochen und den Gedanken eines Nationalkonzils vertreten hatte, sprach jetzt bitter von einer "Versammlung von Menschen voll Leidenschaften und besonderer Interessen".403.2