Auf dem Reichstage zu Worms im Jahre 1521 (26. Mai) war Luther nebst seinen Anhängern in die Acht erklärt worden. Wo man dieses „Wormser Edict" vollzog, steigerte sich die Begeisterung für den heldenmüthigen Bekenner und seine Sache. Bereits 1522, am ersten Sonntage nach dem Epiphanienfest (12. Januar), verkündigte der Schwabe Paul Speratus in der Stephanskirche zu Wien reformatorische Lehren. Die Predigt machte grossen Eindruck. Seit dieser Zeit wurden lutherische Schriften massenhaft ins Erzherzogthum eingeführt und eifrigst gelesen. Dadurch sah sich der Erzherzog Ferdinand zu einem Edict vom 12. März 1523 veranlasst, dem ersten in Oesterreich gegen die Reformation. „Wir wollen, dass ihr hinführo keine Schrifften, Bücher und Lehren, so von bemelten Martin Luther oder seinen Nachfolgern bishero ausgegangen seyn oder noch künfftiglichen wider Päbstlich und Kayserlich Verbot ausgehen möchten, nicht mehr annehmet, haltet, kauffet, verkauffet, leset, abschreibet, drucket noch drucken lasset, noch solches jemand andern zu thun gestattet.“ Um so mehr wurden nun diese Schriften gelesen. Die Reformation hatte sogar in des Fürsten Umgebung Freunde gefunden. Während des Reichstags zu Nürnberg 1524 (Jan.), dem Ferdinand beiwohnte, benutzten über Dreissig vom Hofstaat die Gelegenheit in der evangelischen Stadt das heil. Abendmahl unter beiden Gestalten zu empfangen. Noch in demselben Jahre (Juli) schloss der Erzherzog mit süddeutschen Reichsfürsten eine Vereinbarung zu energischem Vollziehen des Wormser Edicts in ihren Landen.
Alsbald zeigten sich in Oesterreich die Folgen dieser Vereinbarung. Es wurden mehrere Anhänger der Reformation ins Gefängnis gesetzt. Der bedeutendste unter ihnen war Kaspar Tauber, ein Wiener Bürger. Er hatte die neue Lehre wie mündlich so durch eine (verloren gegangene) Schrift [Seite: 12] zu verbreiten gesucht, in welcher er sich vornehmlich für das allgemeine Priesterthum der Christen und gegen die Transsubstantiationslehre ausgesprochen. Die geistliche Untersuchungs-Commission erklärte und verurtheilte ihn als Ketzer: er sollte an drei Sonntagen seine Irrthümer öffentlich vor dem Hauptthore der Stephanskirche widerrufen, um den Hals einen Strick, unbedeckten Hauptes und barfuss, dann ein Jahr im Gefängnis sein, bis zum Tode das Kreuzeszeichen auf seinem Kleide tragen. Am 8. September 1524 wurde derselbe auf die vor jener Kirche errichtete Tribüne gebracht. Hier erklärte er, dass er von seinen Richtern keines Irrthums überwiesen worden und darum nicht widerrufen könne. Als hartnäckiger Ketzer dem weltlichen Gericht zur Todesstrafe überliefert, wurde er am 17. d. M. in aller Frühe zur Richtstätte geführt, die sich vor dem Stubenthor befand, nahe dem heutigen „Stubenring“. Daselbst, den Blick gen Himmel gerichtet, sprach Tauber: „O Herr Jesu Christe, der du um unsertwillen und für uns gestorben bist, ich sage dir Dank, dass du mich Unwürdigen erwählet und würdig erachtet hast, um deines göttlichen Wortes willen zu sterben.“ Dann kniete er nieder und sprach dreimal mit lauter Stimme: „Herr Jesu Christe, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ Nach diesen Worten ward er enthauptet und der Leichnam dort auf einem Scheiterhaufen verbrannt.
Solch’ strenges Verfahren konnte die neue Bewegung hemmen, nicht unterdrücken. Auch durfte wegen der Türkengefahr die öffentliche Meinung des evangelischen Deutschlands nicht ganz unberücksichtigt bleiben. Viele Adelige Oesterreichs, von denen manche bald — nachweisbar zuerst der Freiherr von Starhemberg (1523) — mit Luther in Briefwechsel getreten, liessen nunmehr ihre Söhne in Wittenberg, der evangelischen Universität, studieren und riefen von dorther Lehrer auf ihre Schlösser. Sie giengen mit Vorsicht zu Werke. Das bisherige Religionsexercitium behielten sie öffentlich bei, in der Stille pflegten sie den Samen evangelischer Lehre. Und da der Adel viele Vorrechte besass und insbesondere die Landesverwaltung in seinen Händen hatte, besetzten sie allmählich die öffentlichen Ämter, auch die Pfarreien, deren Patrone sie waren, mit Leuten ihrer religiös-kirchlichen Gesinnung, die auf gleiche Art in ihrer Stellung wirkten, und die Unterthanen pflegten nachzufolgen, in ihren Herzen empfänglich für Aufnahme des in der lutherischen Reformation Dargebotenen. Diese „Ritter und Herren“ sowie den Stand der Städte hatte der Landesfürst in Berücksichtigung zu ziehen: ihre Hilfe musste er häufig wegen des beständigen Krieges mit der Türkei in Anspruch nehmen; mit ihnen, der Religion halber, mochte er nicht brechen. Ebenfalls in den Städten unter den Bürgern hatte der neue Geist Eingang gefunden. Bald nach Anfang des Jahres 1524 sammelten sich in Gmunden [Seite: 13] evangelisch Gesinnte um den Messpriester Kaspar Schilling, welcher, vielleicht nach Anleitung der gegen Ende des vorigen Jahres von Luther publicierten Revision des Messrituals, beim Gottesdienst Einiges hinwegliess, — der erste nachweisbare Fall einer Abänderung des Cultus im Erzherzogthum, — und zu Steyer trat im selben Jahre der Franciscaner Calixtus auf, welcher in seinen vielbesuchten Predigten mit Nachdruck manche in die Kirche eingedrungenen Missbräuche rügte. Selbst Klostergeistliche wurden von der neuen Ketzerei angesteckt, wie sogar die Karthäuser, diese „vornehmen Heiligen“, deren Hauptziel ist Abschliessung von aller Verführung und allem Verkehr mit der Welt. Als Urban, Prior der Karthäuser zu Mauerbach (bei Wien), im Jahre 1525 die Einflüsse der neuen Lehre unter den Seinen wahrnahm und mit Entschiedenheit dagegen auftrat, verliessen viele das Kloster und einige derselben wendeten sich nach der benachbarten Ortschaft Hadersdorf, wo schon damals geheime Lutheraner lebten. Der erste Adelige, welcher einen lutherischen Prediger anstellte, war der junge Ritter Christoph von Jörger; auf sein Ersuchen hatte ihm Luther den Magister Michael Stifel aus Wittenberg, der später durch die Ausbreitung der Algebra in Deutschland berühmt geworden, als einen „frommen und gelehrten Menschen“ mit einem Empfehlungsschreiben d. d. 3. Juni 1525 nach Schloss Tollet (in Oberösterreich) gesendet.
Als Ferdinand sah, dass sich nicht nur die Evangelischen in seinen Landen immer weiter verbreiteten, sondern auch die (übrigens von den deutschen und schweizerischen Reformatoren stets mit Entschiedenheit bestrittenen) Wiedertäufer viele Anhänger gefunden, letztere besonders in Mähren, schritt er mit grösster Strenge ein. Am 24. Februar 1527 war derselbe zum König von Böhmen und noch in demselben Jahre am 3. November zum König von Ungarn gekrönt worden. Er erliess am 20. August d. J. von Ofen aus ein Generalmandat wider die Lutheraner, Zwinglianer („Sacramentierer“, die sich namentlich in Ungarn fanden) und Anäbaptisten, welches die strengsten Strafen ankündigte; selbst wer solche Ketzer beherbergt, soll ipso facto infamis und zu jeglichem Amt unfähig sein. Zuwiderhandelnde Städte sollen ihre Privilegien verlieren. In Betreff der Mitglieder des Herren- und Ritterstandes („so Gericht und Obrigkeit haben“) wird blos angedeutet, dass der König sich gegen dieselben „die Strafe vorbehalte“, welche er in jedem einzelnen Falle bestimmen werde.
Mochte jenes Generalmandat auch die schwärmerische Secte der Wiedertäufer, deren Haupt Hubmör in Erdberg, jetzt eine Vorstadt Wiens, am 10. März 1528 den Scheiterhaufen besteigen musste, gänzlich unterdrücken, mit welcher die Bekenner des Evangeliums nichts gemein hatten, weder im Glauben noch im Leben: das Licht des Evangeliums konnte es nicht [Seite: 14] auslöschen. Eine durch Patent vom 24. März 1528 angeordnete Visitations-Commission der Gemeinden im Erzherzogthum Oesterreich und in ganz Innerösterreich (Steiermark, Kärnten, Krain) berichtete nach Vollendung ihres Geschäfts, dass die bisher erlassenen Verordnungen wenig beachtet, lutherische Bücher sogar in Frauenklöstern fleissig gelesen, die geistlichen Stellen von den weltlichen Patronen nach ihrem Gutdünken besetzt, die kirchlichen Güter und Einkünfte ihrer ursprünglichen Bestimmung entzogen würden, ja dass in Oesterreich unter und ob der Enns im Herren- und Ritterstand sowie unter den Beamten mehr Lutherische denn Katholische seien. Aber das landesfürstliche Edict, durch welches sofort die im Erzherzogthum Oesterreich vorgefundenen Missbräuche für die Zukunft bei schwerer Strafe verboten wurden, kam wegen der dagegen erhobenen Beschwerden der Stände niemals zur Ausführung.
Bald darauf legten die evangelischen Reichsstände Deutschlands, unter ihnen der mächtige Kurfürst Johann von Sachsen, gegen den zu Speyer erlassenen Reichsabschied (März 1529), durch welchen alle innere Fortentwickelung und alle äussere Weiterverbreitung der neuen Lehre verboten worden, eine feierliche Protestation ein (19. April) und traten auf diese Weise zum ersten Mal als „Protestanten“ ihren Widersachern gegenüber. Kurz nach diesem Reichstage dichtete Luther das Lied, welches die Parole der Protestanten geworden, „Ein’ veste Burg ist unser Gott“ (Ps. 46).
Es drohete ein schwerer Krieg. Dadurch wurde Ferdinands Blick auf längere Zeit von der kirchlichen Frage abgelenkt. Suleiman II. rückte mit einer ungeheueren Kriegsmacht in Ungarn ein, wo sich Zapolya, Wojewode von Siebenbürgen, der sich König von Ungarn nannte, demselben anschloss. Am 4. September 1529 erschienen die Feinde vor Ofen, am 21. vor Wien. Lange brannte die Flamme des Kampfes. Ein letzter furchtbarer Sturm, am 14. October, wurde abgeschlagen. Am folgenden Tage ertönten alle Glocken von den Thürmen Wiens zum Zeichen, dass das Reich gerettet. Aber die Noth war selbst nach dem Abzug der Türken gross. Sie steigerte sich. Noch wüthete der Krieg in Ungarn fort. Der Sultan war wieder auf dem Marsche gegen Wien (1532). Man bedurfte um jeden Preis der mächtigen Hilfe des deutschen Reichs. Diese Hilfe wurde von den protestantischen Reichsständen, welche 1531 zu ihrer Sicherung den schmalkaldischen Bund geschlossen, so lange nicht gewährt, als der Abschied des Augsburger Reichstags vom Jahre 1530 in Kraft bestand, laut dessen die Evangelischen, welche dort ihr Bekenntnis (Confessio Augustana) vor Kaiser und Reich bekannt gegeben, nur als eine neue gründlich widerlegte und auszurottende Secte betrachtet wurden. Also sah sich der Kaiser gedrängt zum Abschluss des [Seite: 15] Religionsfriedens von Nürnberg 1532 (23. Juli), kraft dessen beide Theile bis zu dem verhiessenen künftigen allgemeinen Concilium, auf welchem die Religionsfrage ihre Erledigung finden sollte, alle gegenseitige Fehde zu unterlassen versprachen. Nun kam schnell ein stattliches Reichsheer zusammen, das mit Karls' und Ferdinands Truppen vereinigt zwischen Wien und Wiener- Neustadt die Scharen Suleimans erwartete. Doch dieser schwenkte plötzlich ab und kehrte durch Steiermark und Kroatien in sein Reich zurück. Die türkische Invasion hatte schlimme Folgen. Viele Kirchen und Klöster waren zerstört oder geplündert worden; viele Gemeinden hatten ihre Seelsorger verloren und konnten keine anstellen, theils wegen ihrer Armut, theils wegen Mangels an Candidaten.
Noch im Jahre 1532 wagten die evangelischen Bekenner aus dem Herren- und Ritterstande Oesterreichs feierlich um Religionsfreiheit zu bitten.
Ferdinand hatte bisher die stille Übung evangelischen Gottesdienstes, welche ihm nicht verborgen bleiben konnte, keineswegs mit Strenge unterdrückt. Die evangelisch gesinnten Stände stellten fernerhin, ohne ausdrückliche Bewilligung, auf ihren Schlössern und in ihren Patronatspfarren Geistliche an, welche der evangelischen Lehre Augsburgischer Confession zugethan und in ihrer Mehrzahl aus dem evangelischen Deutschland (vorzüglich aus Sachsen und Schwaben) berufen waren, und Hessen, wenigstens in ihren Schlosskapellen, deutschen Gottesdienst mit Weglassung des Messopfers und mit Ausspendung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt halten, zunächst für sich und ihre Hausgenossen. Sie liessen, ungeachtet des früheren Verbots, ihre Söhne in Wittenberg studieren. Ebenfalls in den Städten gewann die neue Lehre immer grössere Verbreitung, und wenn eine Stadt keinen Prediger lutherischer Richtung hatte, so giengen die Einwohner zu den Prädicanten auf den benachbarten Sitzen und Herrschaften der Edelleute. Uebrigens wird es sich damals mit dem Cultus der Evangelischen in Oesterreich ebenso verhalten haben wie im evangelischen Deutschland, namentlich in Kursachsen, wo derselbe während Luthers Lebzeiten noch viele Ähnlichkeit mit dem katholischen Cultus hatte. „Es sind, Gott Lob,“ schreibt Luther im Anfang des Jahres 1541 an den kursächsischen Kanzler Brück, „unsere Kirchen in den Neutralibus so zugericht, dass ein Laie oder ein Spanier, der unser Predigt nicht verstehen könnte, wenn er sähe unser Messe, Chor, Orgeln, Glocken, Caseln u. s. w., würde er müssen sagen, es wäre eine recht päbstisch Kirche und kein Unterschied oder gar wenig gegen die, so sie selbs unter einander haben.“ Nämlich für den Sonntags-Gottesdienst hatte Luther im December 1823 eine Revision des alten Messrituals abgefasst: „Formula Missae et Communionis.“ Es fielen weg die Sequenz, Offertorium und [Seite: 16] Kanon, und an die Stelle der letzteren trat die einfache Consecration und Distribution des Abendmahls in beiden Gestalten. Im Jahre 1526 veröffentlichte er die „Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdiensts“, gleichfalls dem alten Rituale nachgebildet, doch es mehr vereinfachend. Erst im Jahre 1543 schaffte er bei der Abendmahlsfeier die Elevation ab, welche bis dahin geschehen (und vielleicht noch länger in Oesterreich geschah), wie ein Zeitgenosse berichtet, „procidentibus ad sonitum tintinnabuli et pectora mox pulsantibus“. Als Hauptsache des Cultus galt dem Reformator die Predigt des göttlichen Worts und die Verwaltung der Sacramente.
Wäre der Brief echt, welchen Ferdinand am 1. Februar 1537 an Luther geschrieben haben soll, so würde er durch Luthers Schriften und durch seinen Beichtvater, der auf dem Sterbebett bekannt, dass er ihm den rechten Weg zur Seligkeit niemals gewiesen, zu dem Versprechen bewogen worden sein, sich als römischer König auf einem Reichstage mit den Ständen des heiligen römischen Reichs nach Luthers und anderer Schriftgelehrten Rath wegen der Religion zu vergleichen. Damals begann er allerdings, wie sein Bruder Karl und einige katholische Reichsfürsten, in der Erwägung, dass die katholische Kirche in vielen Stücken einer Reform bedürftig, die protestantische Kirche aber im Ganzen und Grossen (hauptsächlich durch Abschaffung der Hierarchie) zu weit gegangen sei, und in dem Wunsche, dass die Kirche nicht gespalten bleibe, sich mit dem Gedanken zu tragen, ob nicht durch genauere Bestimmung der streitigen Glaubenslehren eine Versöhnung beider Theile erzielt werden könne. Zu diesem Behufe ernannte der Kaiser auf dem im April 1541 zu Regensburg zusammengetretenen Reichstage mehrere Theologen beider Theile, die in einem Colloquium (es begann am 27. April in jener Stadt) sich über die wichtigsten Artikel des Glaubens verständigen sollten. Bei den katholischen Collocutoren machte sich der Einfluss des päpstlichen Legaten Contarini geltend, der wie damals viele Prälaten Roms augustinisch gesinnt war und den Protestanten in der Rechtfertigungslehre nahe stand. Auch Melanthon war zugegen. Wirklich einigten sich die Theologen in den vier Dogmen von ursprünglicher Gerechtigkeit, Erbsünde, freiem Willen und Rechtfertigung. Aber nur schwer kam ein theilweiser Vergleich im Artikel von der Kirche und gar kein Vergleich im Artikel vom Abendmahl zu Stande, denn diese Artikel berührten unmittelbar Verfassung und Cultus der herrschenden Kirche. Der Kaiser vertagte im Reichsabschied am 29. Juli die endliche Beilegung auf ein demnächstiges Generalconcilium: bis dahin sollten sich beide Theile, unter Berücksichtigung der vier verglichenen Artikel, friedlich zu einander verhalten. Kurz zuvor, am 21. Mai, war ein [Seite: 17] sehr schlimmer Gegner der Reformation, der Bischof Johann III. (Faber) von Wien, gestorben.
Die evangelischen Stände hofften endlich die ersehnte Freiheit öffentlicher Religionsübung zu erlangen. Sie benutzten die Gelegenheit eines gemeinschaftlichen Landtags der fünf Erblande in Prag, welcher nach dem unglücklichen Kriege im Jahre 1541 mit den Türken die Mittel zur Fortsetzung des Feldzuges bieten sollte, dem anwesenden Landesherrn am 13. December dieses Jahres eine ausführliche Bittschrift zu überreichen, in welcher sie auf sein Bemühen, „die Religionsspaltung zu vergleichen" und auf jenen Regensburger Reichsabschied hinwiesen, der mit Beziehung auf einige verglichene Glaubensartikel einen „gemeinen Frieden in der Religionssache bis auf weitere Vergleichung" vorgeschrieben habe, in welcher auch sie, als die Unterthanen des Königs, hofften einbegriffen zu sein. Diese Supplication hatte ein Ausschuss von 24 Herren (Pilgram v. Puchheim, Ludwig v. Polheim, Erasmus von Stahremberg, Ott v. Liechtenstein, Hans Ungnad v. Sonnegk, Georg v. Herberstein u. s. w.) und Rittern (Abel v. Kolnek, Georg v. Berckheim, Ehrenreich v. Künsperg u. s. w.) sowie 10 Städten (darunter Wien, Linz, Graz, Laibach) für Oesterreich, Steiermark, Kärnten, Krain und die Grafschaft Görz unterzeichnet. Der Bescheid vom 8. Januar 1542 vertröstet die Petenten im Sinne des Regensburger Reichsabschieds auf ein allgemeines Concilium, welches die streitige Religionsfrage zur endlichen Vergleichung bringen werde.
Die Stände fuhren fort auf ihren Edelsitzen und in ihren Stadtpalästen, jetzt wohl gleichfalls in den Patronatskirchen, auch ohne landesfürstliche Erlaubnis in der Stille den Gottesdienst nach ihrer Weise zu halten, hauptsächlich das Abendmahl in beiden Gestalten zu geniessen. Wohl selten scheint der Fall eingetreten zu sein, dass sie einen Prediger zu entlassen sich genöthigt sahen. Damals, auf einem Reichstage zu Speyer 1542, versprachen die Reichsstände dem Könige Ferdinand Hilfstruppen gegen die Türken, stellten aber unter Anderem die Bedingung, dass die evangelischen Soldaten evangelische Feldprediger erhielten. Letztere kamen mit den Truppen in Ferdinands Lande, wo sie — dazu wird sich oftmals Gelegenheit geboten haben — auch von Bürgern und Bauern gehört wurden.
Immermehr verödeten die Klöster, die Mönche, besonders die aus den Mendicantenorden, waren Gegenstand des Gespötts geworden; immer auffallender nahm der Klerus ab, es fehlte an einem tüchtigen Nachwuchs. Einzelne Geistliche verehelichten sich, ohne aus der katholischen Kirche auszutreten, wie z. B. der Conventual aus dem Kloster Garsten Wolfgang Waldner, welcher als Pfarrverweser zu Steyer (seit 1545, im Geiste der Reformation [Seite: 18] predigte, ohne im Gottesdienst eine Aenderung vorzunehmen; er liess sich mit seiner Haushälterin trauen. In einem Briefe an Morone, ehemaligen Nuntius am königlichen Hofe, klagt der Doctor der Rechte Martin Stella zu Wien 1544, dass man in Oesterreich an manchen Orten den neuen Gottesdienst eingeführt habe.
Im Jahre 1547 (1.—20. September) versammelten sich die Ausschüsse der fünf österreichischen Erblande zu Steyer, um über ihre Religionsgravamina zu berathen. Sie beschlossen, von neuem — zum dritten Mal — um freie Religionsübung nach Vorschrift der Augsburgischen Confession bittlich einzukommen. Die königliche Antwort verwies wieder auf das allgemeine Concilium. Doch ein Einschreiten mit Strenge wurde seitens des landesfürstlichen Regiments nicht für rathsam erachtet, wozu auch der Hinblick auf die damaligen politisch-kirchlichen Verhältnisse im Deutschen Reiche bewegen mochte.
Vier Jahre später (1551) kamen die Jesuiten ins Land. Es wurde 1554 der Gebrauch des Kelchs durch Edict vom 20. Februar verboten und ein vom Jesuiten Canisius in demselben Jahre veröffentlichter Katechismus („Summa doctrinae et institutionis christianae“) durch Edict vom 14. August eingeführt.
Zu Augsburg war am 25. September 1555 der Religionsfriede geschlossen worden. In demselben Jahre hatten die Türken ihre Streifzüge bis in die südliche Steiermark unternommen. Ein Ausschusslandtag der fünf österreichischen Erblande wurde nach Wien berufen, 15. Januar 1556, um die zum Türkenkriege erforderlichen Subsidiengelder zu bewilligen. Bevor die Stände sich hierüber erklärten, überreichten sie am 31. d. M. eine Supplik, in der sie an ihre öfteren Bitten erinnerten und auf den Augsburger Religionsfrieden hinwiesen, mit dem Ersuchen, sie nicht von diesem Frieden auszuschliessen. Ferdinand antwortete, dass sie jenen Frieden nicht für sich anführen könnten, denn in demselben sei nur soviel enthalten, dass die Unterthanen, falls sie nicht auswandern wollten, sich nach der Religion ihres Fürsten zu richten hätten. Er gab aber eine den evangelischen Ständen wichtige Zusage: „Damit sie seine Bereitwilligkeit, ihnen gefällig zu sein, erkennen möchten“, wolle er das Edict vom 20. Februar 1554 in Betreff der Feier des heiligen Abendmahls unter beider Gestalt ausser Kraft setzen. Der Papst Paul IV., welcher bereits gegen den Augsburger Religionsfrieden protestiert hatte, war über die Genehmigung des Kelchs höchst aufgebracht.
Als Ferdinand im März 1558 die Kaiserwürde, welcher Karl V. entsagt hatte, zu Frankfurt a. M. empfangen, unterbreiteten ihm die österreichischen Stände die Bitte um endliche Ordnung der Religionssache. Derselbe gab eine [Seite: 19] gnädige Erklärung: er werde sich in Bezug auf die Ausführung der in der Religionssache von ihm erlassenen Edicte "so erzeigen, dass sie sich füglich nicht beschweren könnten.“
Bald veröffentlichten evangelische Geistliche Glaubensbekenntnisse, ohne deswegen Anfechtungen zu erdulden; es waren Privatconfessionen, die eine allgemeine Anerkennung nicht erlangten. Zuerst gab Martin Moseder, Pfarrer bei der ritterlichen Familie Jörger in Oberösterreich, ein „Bekanntnus des Glaubens“ u. s. w. 1561 („Gedruckt zu Regenspurg durch H. Geisler.“ 4 °) heraus, welches 24 Artikel enthält. Aus einer anderen Confessionsschrift, die Christoph Reutter, Schlossprediger zu Rosenburg in Unterösterreich, eine nachmals in einflussreicher Art hervortretende Persönlichkeit, 1562 (ebendas. gedruckt, 4 °) erscheinen liess, geht deutlich hervor, dass in der evangelischen Geistlichkeit Oesterreichs durch die ultralutheranische Partei mancherlei Zwistigkeiten hervorgerufen worden.
Ferdinand in seiner kaiserlichen Stellung bestrebte sich einen Ausgleich der zwischen beiden Kirchen herrschenden Divergenzen herbeizuführen. Damals tagte das Generalconcilium zu Trient. Er in Gemeinschaft mit dem Herzog Albrecht V. von Bayern liess dem Concilium durch eine Gesandtschaft 1562 (7. Juni) sechsundzwanzig Postulate überreichen, darunter die Forderung des Laienkelchs und der Priesterehe. Das Concilium wies die eine Forderung zurück und stellte die Gestattung des Kelchs für gewisse Kirchen, wo es nöthig sein sollte, dem Ermessen des römischen Stuhls anheim. Pius IV. bewilligte den Kelch, „um die Wankenden zu befestigen, die Gefallenen aufzurichten, die Irrenden auf den Weg des Heils zurückzuführen;“ das diesbezügliche Breve vom 17. April 1564 wurde vom 18. Juni an mehrere Tage nacheinander in der Stephanskirche zu Wien verlesen.
Mit Trauer bemerkte Kaiser Ferdinand, dass das Trienter Concilium die Aussöhnung des Katholicismus und Protestantismus nicht bewerkstellige, vielmehr die Differenz verschärfe. Nun wollte er, nachdem jene dem Concilium vorgelegten Reformvorschläge unbeachtet geblieben, in seinem Bestreben, die kirchlichen Gegensätze zu vereinigen, wenigstens in seinen Landen eine Vereinigung derselben bewirken. Er beschloss zu diesem Behufe den Rath erfahrener Männer zu vernehmen und lud 1564 die Theologen Wizel und Cassander nach Wien, damit sie sich über die Mittel zu einer möglichen Versöhnung beider Theile aussprächen. Der greise Fürst konnte ihre Rathschläge nicht mehr vernehmen; denn bald darauf, 25. Juli 1564, starb er. Kurz vor seinem Hinscheiden hatten die drei Stände des Erzherzogthums unter der Enns bei ihm um freies Religionsexercitium angesucht und die Vertröstung erhalten, er sei auf Mittel bedacht, durch die in seinen Landen [Seite: 20] die zwiespältige Religion, auch zur Zufriedenheit der Stände, zu einem christlichen Verstand und zur Einträchtigkeit könne gebracht werden.
Ferdinand war seit Publication der Augustana entschieden milder gegen die Evangelischen gestimmt und liess nicht mehr die Edicte wider dieselben in ihrer vollen Strenge zur Ausführung bringen; er nahm seit dem Regensburger Religionsgespräch und besonders in den letzten Regierungsjahren seinen Standpunkt fast über den Parteien, deren Reunion er anstrebte.