Ständischer Entwurf einer Kammergerichtsordnung. 1486, April :: Transkription Speer 2010 / 2016

Ständischer Entwurf einer Kammergerichtsordnung. 1486, April :: Transkription Speer 2010 / 2016

Inhaltsverzeichnis

[Editorial]

[Quelle: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit / bearb. von Karl Zeumer. - 2., verm. Aufl. - Tübingen (1913) 276ff.]

[Vorbemerkung Zeumers]

Nach Minutoli, Das Kaiserliche Buch des Markgrafen Albrecht Achilles, Berlin 1850, S. 274ff., unter Berücksichtigung der Mitteilungen von Friedrich Wagner, Ztschr. für preußische Geschichte und Landeskunde, Bd. XVIII, S. 338 ff. — 1487 wurde derselbe Entwurf (Datt, de pace publ., S. 718 ff.) von den Ständen wieder zur Beratung vorgelegt; aus diesem neuen Entwurf wird nur die wichtigste Änderung in der Anmerkung zu § 21 gegeben.

Das keyserlich camergericht nachvolgendermaß zu ordnen:

[Abs. I]

Zum ersten, das keyserlich cammergericht zu besezen mit einem cammerrichter, der aufs wenigst ein grave sey, und zwölf beysizern [urteilern], die dreyzehen redlichs erbers wesens, wissens, ubung und ye der halb teil der recht gelert und gewirdigt, und die andern ufs geringst von der ritterschafft geborn sein sollen, und was die zwölf beysitzer oder der merer teil in sachen erkennten, und ob sie spennig und auf iglichen teil gleich wern, welchen dann der richter ein zufall tut, dabey soll es bleiben.

[Abs. II]

Des richters und beysitzer eyd. Item, die alle sollen zuvor der keys. maj. geloben und zu den heiligen sweren, sr. keys. gnad gericht getreulich und fleißig obzusein und nach des reiches recht und loblicher ubung des hofs, auch nach redlichen, erbarn und leidelichen ordenungen, statuten und gewonheiten der fürstenthümer, herrschafften und gericht, die für sie bracht werden, so ferrn die ordnung und satzung kays. geschriebner recht gemeß und leidenlich sein, dem hohen und dem niedern gleich zu richten, und kein unredlich sach sich dogegen bewegen zu lassen, und von partheyen oder niemand, keiner sachen halben, so in gericht hangt oder hangen würde, gabe, schencke oder einigen nutze durch sich selbs oder durch andre zu nemen, auch kein sundre parthey im gericht oder anhange und zufalle in urteiln zu suchen oder zu machen, und was in ratslagen von sachen aus böser meynung nicht aufhalten oder verziehen on alles geverde.

[Abs. III]

Ob aber nach erkannten entlichen urteiln von parthien dem hofrichter oder den beysitzern einen oder mer von eßenspeiß eins gülden werth ungeverlich zu einer erung geschenckt würde, solten sie die erbarkeit der partheien darinnen nicht verachten und möchten solches annehmen, als des reichs recht solches auch erlaubt, und eine erbere ubung ist.

[Abs. IV] Gerichtsschreiber eydt.

Item es sollen geordent werden zween glaubhafftige gerichtsschreiber und ein leser, die auch der keyserlichen maj. globen und sweren sollen, ihrem amt getreulich obzusein und auffzuschreiben, und den partheyen oder niemand zu offnen, wes von den Sachen in ratslegen des richters und urteilern gehandelt wirt, die heimlich gerichtshendel on laub und erkenntniß niemant offnen, leßen oder sehen laßen, auch kein besunder schenck noch nutz, außerhalb irer arbeit zu nemen oder ine zu nutz nemen lassen, ausgescheiden eins guldin werdt, nach entlichen urteilen, alles, wie nechst gemelt ist, alles on geverde.

[Abs. V]

Item die advokaten oder redner, so das gericht zu solchen aempten aufnimmt, sollen globen und sweren, daß sie die sachen, so sie annemen oder in bevolhen werden, iren partheyen zu gut mit vleis handeln und dorin kein geverlichkeit suchen oder furnemen wollen, wie recht sey, auch heimlichkeit der sachn zu schaden nicht eröffnen, das gericht und gerichtspersonen ern und fürdern und vor gericht erberkeit geprauchen und lästerung bey pene nach ermessung des gerichts sich enthalten, alles ungeverlich.

[Abs. VI]

Item cammerrichter und beysizer sollen aufsehen haben, daß die procuratores und redner, die die sachen vor gerichten handeln, verstendig und fleißig sein, die auch in irem aufnemen globen und sweren sollen, den partheien ihre sachen getreulich zu handeln, kein unwarheit wissentlich in sachen zu gebrauchen oder geverlich schub und dilation zu verlengerung der sachen zu suchen, des die partheien zu thun, oder zu suchen nicht unterweisen, und daß sie um ein anzahle des, so erlanget würde, mit der partheien nicht vereinigt sein, auch das gericht und die gerichtzpersonen zurücke mit unwarheit nicht schmehen, sondern ern und fürdern, und vor gericht bey penen und strafe nach erkenntniß des gerichts lästerung und schande sich zu enthalten, alles on geverde.

[Abs. VII]

Item ob fürsten, graven, herren, ritterschafft oder stette durch ire anwelde oder redner oder auch andre ire sachen selbst reden oder handeln wolten, des ydermann zu tun macht hat, so sollen dieselben anwelde und redner oder die partei disen vorgenanten eydt thun, zuvor und ehe die zu handeln zugelassen werden.

[Abs. VIII]

Item die geswornen boten sollen schreiben können und die gerichtsbrive denjenen, die die berüren, ob sie füglich mögen, zu handen oder aber in ihre gewönliche behausung oder heymwesen oder an die end in den briven angezaigt getreulich antworten, und copeien in gleich lauts inen oder an denselben enden lassen, auch des zeit und statt auf die briefe mit ihren henden zeichen, und des getreulichs dem gericht oder gerichtsschreiber relation thun, und das alles selbs tun und nymants anders bevelhen.

[Abs. IX]

Item des gerichts glaubhafftige geswornen boten sollen allenthalben im reiche der keyserlichen majestät und in allen churfürstenthümern, fürstenthümern, graveschafften, herrschafften und oberkeiten, iglichs churfürsten, fürsten, graven, herren und andern geleit, sicherheit und schirm haben; und ob in einicher der vorgemelten oberkeit die boten, einer oder mer, in gerichttzgeschefft beschedigt würden, solt derselbig churfürst, fürst, grave, herre oder andre, in des oberkeit die beschedigung bescheen wäre, solich schaden ablegen, so viel sich des boten zerung und das keyserliche wappen, op ime das genommen were, ungeverlich liefern und auch um den frevel der verletzung und verachtung der keyserlichen majestät gegen den beschedigern, iren gönnern und anhengern nach vermögen mit ernst handeln, und handeln laßen, bey den pflichten, so sie uns verwand seyn.

[Abs. X]

Item so der beysitzer einer oder mere oder auch ein gerichtsschreiber abkeme, solt der cammerrichter macht haben, mit rate der beysizer oder des merertails mit der kays. maj. wissen und willen einen andern des gleichen stands anzunemen und die stat zu ersezen, doch uf glubd und eyde, wie vorgeschrieben.

[Abs. XI]

Item als über den gerichtskosten den partheien aus den orten des reichs merglich kost und zerung uf die sachen geet, dadurch die partheien vilmahl zu verderben kommen, solten hinfür die zweite appellation zu der dritten rechtvertigung, so die hauptsache nicht über zweyhundert gülden antreffe, durch das cammergericht nit angenommen, sondern bey den fordern urteiln gelaßen werden.

[Abs. XII]

Item zu fürderlicher vertigung, auch gewißheyt der parthey fürbrengens und irrung, die zu zeiten sich erzeigt hat, zu verhüten, sollen hinfür alle sachen, die sich anfenglich under dreyhundert gülden ungeverlich treffen, in schrifften gehandelt, also daß iglicher teil sein fürbrengen schriftlich tue und dem widerteil des abschrifft und schub gegeben werden, wie die notdurfft das ervordern würde. Ob auch in grössern sachen die parteien sich verwilligten, oder aber ein teyl des begert, so solten dieselben sachen auch schrifftlich werden gehandelt, uß ursachen, wie vor gemelt.

[Abs. XIII]

Item alle citationes und gerichtsbrive sollen ußgeen in namen und titel der keys. maj. und richter und beysizer, nicht in crafft eines bevehls, als commißarien und underrichter, sundern als ernannte von der keys. majestät ordentlich richten und erkennen über alle ständte in sachen, der keys. maj. unterworffen.

[Abs. XIV]

Item das cammergericht soll in der ersten instanz oder rechtfertigung auf niemants clag oder ansuchen ladung erkennen oder geben gegen denjenen, die der keyserlichen majestät und dem reiche nicht on mittel unterworfen sein, und doch sunst iren ordenlichen richter haben; und ob ymand die erlangt, solt mit samt allem handel darauf gevolgt null und uncräfftig, und der darüber ladung ußbrecht, kost und scheden, ob die dem widerteil darauf gangen wern, abzulegen schuldig sein, wann solchs des reichs rechten gemesse und in freyheiten der churfürsten und ander vervast ist.

[Abs. XV]

Item das cammergericht soll in der ersten instanz oder rechtfertigung auf niemants clag oder ansuchen ladung erkennen oder geben gegen denjenen, die der keyserlichen majestät und dem reiche nicht on mittel unterworfen sein, und doch sunst iren ordenlichen richter haben; und ob ymand die erlangt, solt mit samt allem handel darauf gevolgt null und uncräfftig, und der darüber ladung ußbrecht, kost und scheden, ob die dem widerteil darauf gangen wern, abzulegen schuldig sein, wann solchs des reichs rechten gemesse und in freyheiten der churfürsten und ander vervast ist.

[Abs. XVI]

Item zu dieser zeit solt das cammergericht an ein gelegen statt im reiche gelegt, gehalten und doselbst gelaßen werden, oder an ein ander treffenlich stadt gerückt werden, do die partheien gelarte und wissende leut zu ihren sachen bekommen mögen, biß so lang die keys. maj. sich wird niderlassen, ein gut zeit doselbst zu verharren und hofe zu halten.

[Abs. XVII]

Gedenckt, das gericht ungelts und beswerung in reichstädten zu freyen, ungeverlich.

[Abs. XVIII]

Item nach ansehen diß fürnemens ist not, cammerrichter, urteiler und ander personen, die dem gericht verpflichtet und zu warten verbunden sein sollen, redlich zu versolden, das doch alles von der keyserl. maj. darlegen geschehen möcht. Deshalb solten sportuln auf die sachen gesetzt und auch die gerichtsbrieve ziemlicher weiß taxiert werden, nemlich solt ein jeder clager, im anfangk des rechtens von der summ in seiner clag bestimt von yeden hundert gülden zween gülden, und der summ, die sich über tausend gülden lief, ye vom hundert ein gülden; aber so die summ über zwey tausend gülden lief, von dem übrigen ye von hundert ein halben gülden geben. Solch gelt, sportule genannt, die parthei, die nach der entlichen urteil in die kosten und scheden geteilt wirdet, der behabenden partheyen widergeben und ausrichten. Es solt auch für ein schlechte citation ein gülden und ein ohrt, für ein citation, darinn eine inhibition inserirt were, zween gölden und ein ohrt, für compulsorial- oder zwangsbrieve zween gülden und ein ohrt, für ein commission, kundschafft oder zeugniß zu verhören, 6 gülden und ein ort, und für ein commission, in welcher ein ganze sach mit allen anhängen und umbstenden zu endlichen entscheid bevohlen wirdet, auch für ein commission in appellationssachen und für urteilsbrive gegeben und genommen werden, nach anzale, auch auf masse und weise, wie vor von den sportulis angezeiget ist. Von solchem geld den gerichtpersonen ir solt volgen und ausgericht werden solt. Ob auch gebots- oder ander brive durch rechtlich erkentniß zu geben erkant oder sunst auf ansuchen und zu notdurfft der partheien außerhalb rechtlichs erkentniß gegeben, und ausgeen würden, dieselben sollen auch nach ziemlicher leidlicher weise taxirt, und die partheien darinn nit übersetzt noch beswert werden.

[Abs. XIX]

Wie man uff ungehorsam einichs teyls volfar etc. Item, so parthein zu recht erstlich erfordert und vertagt sein, erscheint der cläger nit oder nymand von seinen wegen, also daß die sach mit clage und antwort unvorfast ist, so soll uf des antworters anruffen der cläger ungehorsam und den gerichtskosten abzulegen erkant werden; were aber die sache mit clage und antwort verfast, so möcht das gericht vollfaren und urteiln für den cleger oder antworter, nach gestalt des gerichtshandels; doch solt der gehorsame teil, op derselbe die urteil verlohren hette, den gerichtskosten abzulegen nicht schuldig sein.

[Abs. XX]

Würd auch der antworter in der ersten rechtvertigung oder in der appellationsach ungehorsam, so solt durch des clägers anruffen das gericht kundschafft und ander fürbrengen hören und vollnfaren biß zu entlicher urteil; und ob für den ungehorsamen urteil gesprochen würde, so solt doch der gehorsame cleger der kost und scheden entledigt werden.

[Abs. XXI]

Item zu volstreckung der urteil und fürderung der gerechtigkeit soll der hofrichter macht haben, uf erkentniß des gerichts die achturteil zu sprechen und in die acht zu verkünden, wie die keys. maj. hie vor persönlichen gethan hat, und das gericht ferner proceß darauf geben und vollnfarn und auch durch ander weg execution thun, wie die in iglicher sachen die füglichsten angesehen werden.

[Abs. XXII]

Item als teglich durch unnotdürftig und freveliche appellationes, die von beyurteiln, interlocutoriä genannt, geverlich verlengerung des rechten beschehen, auch vil kost und scheden erlitten werden, soll hinfür das cammergericht die appellationes von solchen interlocutorien nicht annemen, wo die beswerung in der appellation bestimt, durch die appellation von den enturtel der hauptsachen möcht erstatt und widerbracht werden, wie das in kays. rechten geordent und begriffen ist.

[Abs. XXIII]

Item das cammergericht soll seinen stracken lauf haben, unverhindert einicher restitution oder aufslege, die aus ordentlicher form und erkentniß des gerichts nicht erlangt oder durch beede parthien gewilliget weren.

[Abs. XXIV]

Item so die gerichtsbrive ausgeen sollen under titel, namen und sigel der keys. maj., so ist not, daß darauf bey dem gericht ein sigel oder secret sey, gleich der kays. maj. cantzleisecret, doch mit etwas unterscheide, auf daß nichtz dann gerichtzhändel darunter mögen ververtigt werden.

[Abs. XXV]

Item das cammergericht soll drey tag in yder wochen werden gehalten, ausgescheiden was Got zu lobe oder zu notdurfft der menschen gebannte ferien sind, ungeverlichen.

[Abs. XXVI]

Wir wollen auch nymant hiemit sein oberkeit, privilegien oder freyheit benemen und abschneiden, sundern vorbehalten haben, yedoch ob ymant begnadigt wer, des reichs echter zu halten, wollen wir, daß dieselben freyheit wider vollnstreckung der urteil unsers keyserl. cammergerichts nicht gebrucht, und die echter dawider nicht sollen geschüzt oder enthalten werden.

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