In keinem der österreichischen und ungarischen Länder entsprang die Bewegung der Reformation als selbständige und ursprüngliche Erscheinung, obschon in Böhmen die Nachklänge des Hussitismus trotz aller gewaltsamen Unterdrückung im Stillen fortdauerten. Aber die durch Luther und Zwingli erweckte religiöse Belebung, in immer weiteren Kreisen ihre Wellen fortpflanzend, drang unaufhaltsam auch hieher vor. Dann traten hie und da Männer auf, welche, nachdem sie in sich selbst eine Reformation durchgelebt, dieses neue Geistesleben nach aussen zur Erscheinung brachten, weiter entwickelten und verbreiteten und das Bekenntnis desselben von Seiten immer zahlreicherer Anhänger zur öffentlichen Thatsache gestalteten. Wenn also auch die Thätigkeit derselben nicht, im strengen Sinne des Wortes, eine original reformatorische war und überdies blos auf ihr engeres Vaterland beschränkt blieb, so dürfen wir sie doch mit Recht Reformatoren nennen, weil sie für ihre Heimat dasselbe leisteten, was jene grossen ersten Reformatoren für die gesammte christliche Kirche gewirkt hatten. Zu diesen reformatorischen Männern im Gebiete des jetzigen österreich-ungarischen Kaiserstaates gehörten in Siebenbürgen der Schüler Luthers Johann Honter (1533), in Krain der mehr selbständig entwickelte Primus Truber (1530). Aber wie in manchen anderen Ländern, so sind auch in Krain die Vorgänge dieser kirchlichen Entwickelung von der Zeit ihres ersten Auftauchens bis zum Auftreten des Landesreformators ziemlich dunkel und unbekannt. Doch ist ihre Kenntnis zum vollen Verständnis der späteren offenen Erscheinung des Protestantismus in diesen Gegenden nicht weniger erforderlich, als diejenige der zu jener Zeit daselbst herrschenden geistigen, sittlichen und kirchlichen Zustände.
Wenn nun diese erste, so zu sagen, Vorepoche der Reformation in Siebenbürgen von 1519 bis 1533 dauert, so lässt sich dieselbe in Krain von [Seite: 22] 1523 bis 1530, wenigstens in einigen Spuren, verfolgen,1 wobei freilich manches auch nur aus den General-Decreten des über alle ober-, inner- und niederösterreichischen Länder (zu denen Krain gehört) herrschenden Landesfürsten gefolgert werden kann und muss.
So lässt sich nicht zweifeln, dass Erzherzog Ferdinand, welcher 1522 die Regierung in dem ihm am 28. April 1521 mit zugewiesenen Krain übernommen hatte, bei seinem General-Mandat vom 12. März 1523 gegen die Verbreitung lutherischer Schriften2 speciell auch Krain im Auge gehabt habe. Obgleich dafür bisher kein ausdrücklicher Nachweis beigebracht werden kann, so ist es doch undenkbar, dass die Schriften Luthers und seiner Anhänger allein hier keinen Eingang gefunden haben sollten, da sie doch in den ringsum liegenden Ländern bereits fast überall verbreitet waren.
Nicht anders verhält es sich wohl auch mit Erzherzog Ferdinands General-Mandat vom Jahr 1524 (wiederholt 1539 und 1548), mit welchem er allen seinen Unterthanen verbot andere Universitäten als diejenigen in Wien, Ingolstadt und Freiburg zu besuchen, was jedoch ebenfalls nicht mit besonderen Fällen aus Krain begründet werden kann.
Wenn der Landesfürst meinte durch derartige Verbote schriftlicher oder mündlicher Importation der neuerstandenen Religionsgrundsätze seine Länder vor deren Ansteckung bewahren zu können, so zeigte schon das folgende Jahr (1525), dass ihm dies in Krain nicht gelungen war, wie es denn überhaupt nicht gelingen konnte, so viel auch die obersten kirchlichen und landesfürstlichen Behörden sich dafür bemühen mochten. Beim krainischen Landtag dieses Jahres ward es zum ersten Mal offenbar, dass auch in diesem Lande die reformatorische Bewegung, und zwar unter dem Klerus selbst, in der letzten Zeit Platz gegriffen hatte. Zwar gelang es den Bemühungen des Bischofs Christoph Rauber und des Landesverwesers Jobst von Lamberg, dass die Landschaft in die Instruction ihrer Gesandten nach Augsburg auf den Reichstag die Worte einfügte3: "Es ist leider in dem Land grosser Irrsal, welcher am meisten durch die Prediger entstanden, aus Ursach, dass sie widerwärtig (widersprechende) Sachen auf der Kanzel und sonst anzeigen, die mehr zu Zerrüttung des Glaubens, zu Unfried und Aufruhr, als zu Einigkeit dienen." Aber eben damit bezeugten sie unwiderleglich die Erfolglosigkeit der bisherigen Massnahmen.
Uebrigens war die Sache schon viel weiter gediehen, als jene starken, aber allgemeinen Worte zeigen. Das Krainer Land gehörte kirchlich damals nur zum kleinsten Theil zur Laibacher bischöflichen Diöcese, die grössere Hälfte unterstand dem Patriarchat von Aquileja, welches dieselbe durch einige von ihm ernannte Erzpriester verwalten liess. Nun ergab es sich, dass der damalige Erzpriester Innerkrains nebst einigen der ihm untergebenen Priester und Kapläne der evangelischen Richtung angehörten, wodurch natürlich der kirchliche Zwiespalt des Landes in bedenklichem Grade gesteigert wurde. Dies erhellt aus dem Schreiben, mit welchem Bischof Rauber die ihm vom Landesverweser zur Durchsicht mitgetheilte eben erwähnte Gesandten-Instruction am 27. Oct. 1525 diesem zurückschickte23.1, in welchem es heisst: „Hieneben möcht auch die Fürstliche Durchlaucht ersucht werden, der lutherischen Sachen halben gnädige Fürsehung der Billigkeit nach zu thun, damit nicht täglich mehr Irrsal der Obrigkeit wie bisher beschehen. Und sofern der Erzpriester morgen bei Euch sein wird, so sagt ihm, dass unser Rath ist, dass man ihn bei Ihrer Fürstlichen Durchlaucht als einen lutherischen Ketzer anzeige. Und er alles das leugt, so er nur reden kann. Das schreiben wir jetzo darumben, dass uns gestern angezeigt ist, wie seine (des Erzpriesters) Priester und Kapläne, so jetzo neulich auf S. Lukastag (18. Oct.) zu S. Lukas neben viel frummen Priestern Mess gelesen haben, lutherische Mess, und nicht wie die christenlich Kirchen solchs gesetzt, gelesen und Canones ausgelassen, solches sie von ihm gelernt.“ Mag nun immerhin dieser Anklage, vielleicht unbewusst, auch eine gewisse, aus der unpassenden kirchlichen Zertheilung des Landes entsprungene Bitterkeit und Eifersucht mit zu Grunde liegen, so geht doch unbestreitbar aus derselben hervor, dass bei einem Theile der katholischen Geistlichkeit des Landes reformatorische Ideen Eingang gefunden hatten. Und daraus, dass diese jetzt in öffentlicher That zu Tage traten, darf man wohl schliessen, dass sie bereits länger in der Stille vorbereitet und verbreitet gewesen sein mögen.
Unter diesen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, dass es im Jahre 1527 auch unter der Laibacher Domgeistlichkeit evangelisch gesinnte Männer gab, wie die Domherren Dr. Leonhard Mertlitz, Georg Dragolitz, Generalvicar, und Paul Wiener, welche zwanzig Jahre später dafür Excommunication, Gefängnis und Verbannung zu erdulden hatten. Für die Gleichgesinnten weltlichen Standes bildete Mathes Klombner den Mittelpunkt, ein hervorragender und begabter Mann, welchem wenige Jahre darauf (1530) die angesehene Stellung eines Landschreibers übertragen wurde. Um ihn scharten [Seite: 24] sich jüngere Männer aus den besten Familien des Beamtenstandes und der Bürgerschaft, wie späterhin Leonhard Budina, Hans Kisl, Georg Seyerle, Martin Pregl, Ulrich Koburger, Lukas Zweckl, Andreas Foresto, Adam Coucili, Christoph Prunner u. A.
Da also die früheren Absperrungsmassregeln nichts gefruchtet hatten, liess Erzherzog Ferdinand, nachdem er als König von Ungarn und Böhmen gekrönt worden war, am 20. August 1527 die durch ihren drakonischen Charakter berüchtigten Ofener Generalien gegen das Lutherthum ausgehen.24.1 Einhundertundsechzig gedruckte Exemplare derselben wurden nach Krain an den Landeshauptmann Veit von Thurn und den Landesverweser Jörg Gail gesendet mit dem Befehl, dieselben allerwärts im Lande zu publiciren. 24.2 Ihre eigene übertriebene Strenge machte jedoch diese Gesetze unausführbar.
Wohl um sich vom Erfolge dieser neuen, die völlige Unterdrückung und Ausrottung der lutherischen „Ketzerei“ in den österreichischen Ländern beabsichtigenden Massregel zu überzeugen, verordnete König Ferdinand im Einvernehmen mit Cardinal Matthäus Lang, Erzbischof von Salzburg und Bischof von Gurk, und Christoph Freiherrn von Rauber, Bischof von Laibach, am 24. März 1528 eine Commission aus Geistlichen und Weltlichen, um zu untersuchen, wie es in seinen Ländern mit den Unterthanen rücksichtlich der katholischen und evangelischen Religion bestellt sei.24.3 Die betreffende Visitation wurde, wie in Oesterreich24.4 und Steiermark24.5, so ohne Zweifel auch in Krain und den übrigen Erbländern abgehalten, worüber jedoch bis jetzt die Acten nicht bekannt geworden sind. Jedenfalls zeigten ihre Ergebnisse, dass die Ideen der Reformation sich schon allerwärts und in weit grösserem Masse, als man geglaubt hatte, bei der Bevölkerung und selbst unter der Geistlichkeit verbreitet hatten. In Folge davon fand König Ferdinand sich veranlasst, am 20. Juli 1528 ein Mandat wegen Bestrafung der Ketzer als Verbrecher24.6 und am 24. Juli 1528 ein neues landesfürstliches General-Mandat ausgehen zu lassen, durch welches er abermals Druck und Verkauf „sectischer“ Bücher in allen seinen Ländern, somit auch in Krain, strengstens verbot.[Anm. 6] Ebenso mögen manche hierbei zu Tage getretenen und zur Sprache gekommenen Thatsachen und Klagen Ursach zu einem Schreiben König Ferdinands [Seite: 25] vom 15. November 1528 gegeben haben, worin derselbe dem Patriarchen Marinus von Aquileja seinen Schutz gegen das Lutherthum in den demselben unterstehenden Kirchenprovinzen von Steier, Krain und der Windischen Mark verheisst, und alle unkatholische Lehre daselbst, auch die Verweigerung des Zehnten mit Geld- und Leibesstrafen bedroht.25.1
Bei alle dem fand König Ferdinand angezeigt und nothwendig, am 16. November 1529 das Verbot des Verkaufs evangelischer Bücher in seinen Ländern zu wiederholen25.2, wodurch er allerdings nur einen neuen Beweis für den Irrthum derjenigen lieferte, welche auf dem Gebiete des geistigen Lebens mit derartigen Absperrungs- und Unterdrückungs-Massnahmen etwas ausrichten zu können vermeinen, wo doch nur geistige Uebermacht oder rücksichtsloseste Gewaltthat die Oberhand behalten können. Allein die erstere war nicht vorhanden, und zur zweiten griff erst zwei Menschenalter später Ferdinand II.; so hatte denn einstweilen die Sache den gleichen Fortgang.
Im folgenden Jahre wiederholte König Ferdinand mittelst Mandates d. d. Wien 14. October 1530 an den Landeshauptmann Hans Kazianer (der später am 27. Oct. 1538 zu Kastainica in Kroatien ein trauriges Ende nahm) das Verbot der evangelischen Bücher in Krain. Dasselbe lautet also:25.3
Ferdinand von gots gnaden Zu Hungern vnd Behaim etc. khunig,
Infannt in Hispanien. Ertzhertzog Zu Oesterreich etc.
Lieber getrewer, Wiewol Wir nun Zu offtermals maniglichen in vnnsern Furstenthumben Lannden vnnd gebietten bey ernnstlicher straff Mandiern vnnd gepietn haben lassen, die druckh puecher vnnd schrifften, so von den Vorgeern derNewen Secten gemacht werden, nit allain nit Zulesen, sonnder dieselben gar Zuuertilgen, vnnd abweg zethun, so lanngt vnns doch an, das solchen vnnserm gepott wenig gelebt, sonnder von den Oberkaitn minders vnnd merers stanndts zuegesehen werde, vil fremder ergerlicher schrifft vnnd puecher Zukhauffen, vnnd Zulesen, das den gemainen Man in seiner Conscientz mer Irrig, dann ain Ruebig gemuet machet, aus dem nichts annders dann grosser Irrsal vnnsers Cristennlichen glaubens, dann Er sich noch ye ertzaigt hat, erfolgen thut. Derhalben ernnstliches einsehn zuhaben treffennlich von nötten ist. Empfelhen dir demnach ernnstlich vnnd wellen, das du allenthalben in vnnserm Lannde deiner verwalltung in Stetten, Märkhtn, gerichten, gepietten, von vnnsern vnd Haubtmanschafft wegen bey ernnstlicher straf [Seite: 26] durch Mandat, beuelh, offen brief vnd in anndern fuegsam weeg, deinem guetbedunkhen nach darob vnd daran seyest, Verordnest vnd bestellest, Das nyemands wer der sey, der berurtn Newen Sect anhennger puechl und schrifften, so Im Drukh aufganngen sein, Vnd noch weitter an tag khumen, nit khauffen noch lesen, sonnder derselben muessig steen, auch denen, so sollich auch der gleichn puecher vnnd schrifft, die also ergerlich sein, in das Lannde fuern, nemben, Vnnd darumben nach gelegenheit straffen lassest, Vnnd hier Innen mit notdurfftiger nachsehung vnnd erkhundigung kainen fleiss nit sparest Damit vblers das noch bey disen leuffen Zubesorgen ist, fürkhomen, vnnd verhuet werde. Daran thust du vnnser sonnder gefellige vnnd Ernnstliche Maynung Geben in vnnser Stat Wienn am xjjjj tag octobris Anno etc. im xxx ten Vnserr Reiche im Vierdten.
Aussen: Vnnserm lieben getrewen Hannsen Catzianer vnnserm öberisten velldthaubtman der dreyer Lannd, Steyr, karnndten vnd Crain, Vnnd Lanndsshaubtman daselbst in Crain — Charm.
Da die reformatorischen Ideen sich dennoch immer mehr in Krain verbreiteten und sogar in Predigten öffentlich verbreitet wurden, glaubte die Landesregierung den Ansichten des Landesfürsten gemäss mit ernsteren Massregeln vorgehen zu sollen. Am 17. Juli 1531 erliess der Landeshauptmann H. Kazianer folgenden strengen Befehl gegen die evangelischen Prediger, deren gefängliche Einziehung er anordnete26.1:
Landtsobrigkeitliches Patent, darinnen die Luthrischen Predigen anZuhören im Landt Verpotten werden, mit beuelh die Predicanten gefanglich einzuziehen.
Ich Hanns Katzianer Riter etc. Thue meniglich mainer landshaubtmansverwaltung vnnderworfen, denen diser brief fürkhumbt Zuuernemben, das Ich glaubwürdig bericht bin, wie sich etlich der lutherischen Sect, wider die vilueltigen vnnd ernstlichen kay. vnnd ku. gn. hieuor aussgeganngen Mandatte neben anndern khetzerischen artigkhln, wider das hochwürdig sacrament vnnsers seiligmachers, vnnd wider die hochgelobt kunigin Junkhfrau Maria in winckhln heimblich Zu predigen vnnd den gemainen man von dem Rechten [Seite: 27] weeg der göttlichen warhait vnnd vnnsers christlichen glaubens abZuwenden vnd mit Inen Zuuerfüren vnndersteen sollen, das mir aber Zugestatten khains wegs gebürtt, noch gemaint ist. vnnd hab deshalben beuelh thon, wo die selben betrettn mügen werden, das man sy on alles verziehn, fännkhlich annemb, vnnd gegen Inen mit gebürlicher straff, laut der voraussgeganngen kay. u. k. Mandat verfar. Darauf ist in namen Irer Ku. Mt. etc., auch von lannds vnnd öberster veldhaubtmanschafft wegen, an euch all al vnnd einen yeden in sonnderheit main beuelh vnnd ernstlich begern, das Ir den dasigen, so dergleichen angeZeigt khetzerisch Personen behenndigen würden, bei verlierung eurs leibs vnd guets khein verhinderung, noch Irrung, sonnder Inen Zum aller höchsten hilff vnd beystannd thuet damit durch die selben Personen vnd winkhlPrediger kheynerlay newe khetzerische vnd verfürische leer einwurtzl. Das will Ich mich also Zu euch versehen, vnd Ihr thuet daran, on das Ir solches Zu handhabung vnd beschitzung vnsers christlichen glaubens schuldig seit, hochgedachter k. Mt. ernstliche maynung. laybach am 17 tag Julj Ao etc. 31.
H Kaz. etc.
Schnell genug ist die Entwicklung von jenen allgemeinen Bücherverboten zu diesem Verhaftungsbefehl evangelischer Prediger in Krain vor sich gegangen. Namen werden nicht genannt, doch kann kein Zweifel sein. Denn schon hatte seit dem vorigen Jahre der junge krainische Priester Primus Truber an den Ufern der Save bei Ratschach gegen allerlei Aberglauben zu predigen begonnen, und evangelische Anschauungen und Grundsätze verkündigt, die sich alsbald durch das Land verbreiteten und den Beginn der evangelischen Kirche in Krain begründeten.