Vorlage: Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols ; 3. 1866 - Seite 323 - 352. Das Digitalisat stammt aus dem Digitalen Archiv der Südtiroler Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann in Bozen.
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Heino Speer
Klagenfurt am Wörthersee
Maximilian I. übernahm die Regierung Tirols und der Vorlande im Jahre 1490 nicht sowohl aus den Händen Erzherzog Sigmund's, als vielmehr aus denen seines Vaters, dem die tirolischen Stände schon das Jahr zuvor als "dem ältesten Herrn und Landesfürsten in Oesterreich" gehuldiget hatten und welcher bereits bei Sigmund's Rücktritt von der Regierung im Jahre 1487 sich das Recht vorbehielt dem damals in Tirol eingesetzten ständischen Regentschaftsrathe zwei Räthe, die ihn dabei vertreten würden, beizugesellen.323.1 Mit diesem Regierungswechsel erlosch die politische Selbständigkeit Tirols für die Lebensdauer Maximilian's und noch auf einige Jahre darüber hinaus. Denn erst durch den Wormser Vertrag vom 21. April 1521 ward Tirol von dem Komplexe der österr. Erblande, den Maximilian oder eigentlich schon Friedrich III. vereiniget hatte, [Seite: 324] wieder losgelöst und auch diese Trennung war nur eine scheinbare, da Erzherzog Ferdinand‚ der souveräne Beherrscher des übrigen Komplexes, Tirol (und die Vorlande) als Statthalter seines Bruders regierte, bis im Jahre 1525324.1 offenkundig wurde, dass selbst diese Statthalterschaft nur eine Fiktion gewesen war, nachdem ja Karl V. schon im Februar 1522 dem Erzherzoge Ferdinand Tirol (und die Vorlande mit einziger Ausnahme des Elsasses) mit allen Herrscher-Rechten ins volle Eigenthum abgetreten hatte.324.2 Strenge genommen, erfreute sich also Tirol eigentlich nur vom April 1521 bis zum Februar des darauf folgenden Jahres politischer Selbständigkeit, wenn auch der Schein solcher dem Lande bis zum Jahre 1527 gewahrt blieb, wie weiter unten gezeigt werden wird. Ferdinand I. gewährte sie ihm thatsächlich durch die "Auszaichnung" von 1554, kraft deren sein gleichnamiger Sohn Tirol mit den dazu gehörenden Vorlanden als Erbtheil überkam324.3, freilich mit gewissen, die volle Souveränetät ausschliessenden Beschränkungen324.4, welche indessen vom Haussenior nie so strenge gehandhabt wurden, dass des Landes Selbständigkeit darunter gelitten hätte. [Seite: 325]
Ferdinand II. (als tirolischer Regent ist er eben der Zweite dieses Namens) regierte Anfangs Tirol von Prag aus, wo er bekanntlich als Statthalter Maximilian's II. residirte; im Jahre 1567 verlegte er aber und zwar gleich zu Anfang des Jahres seine Residenz nach Innsbruck325.1, wo es von da an bis zu seinem Tode demzufolge gar lustig und vornehm zugieng. Im August 1580 dachte Ferdinand daran, sich von den Regierungsgeschäften zurückzuziehen und bestellte den Kardinal Andreas von Oesterreich, seinen Sohn, zum Gubernator der ober- und vorderösterr. Lande. Doch stiess dieses Vorhaben bei den Ständen und im ganzen Volke auf grossen Widerstand325.2, so dass er davon wieder abgieng. Ohnehin dürfte ihn nur die Trauer über den Verlust seiner Philippine auf diesen Gedanken gebracht haben. Nach seinem am 24. Januar 1595 erfolgten Tode zog Kaiser Rudolph II. als Senior des Hauses die Regierung Tirols an sich und während des Erbschaftsstreites, der sich nun entspann, führte er dieselbe im Namen des gesammten Hauses von Prag aus fort. Die Erbhuldigung nahm Erzherzog Mathias als Repräsentant des Kaisers und der "mitinteressirten" Erzherzoge entgegen. Die am 31. März 1597 zu Wien eröffneten und allseitig mit grosser Erbitterung geführten Verhandlungen der steiermärkischen Linie mit Kaiser Rudolph und dessen Brüdern über die Zugehörigkeit der [Seite: 326] oberösterreichischen Lande hatten zunächst nur das eine Resultat: dass die Lande gemäss dem von den tirolischen Ständen unterm 3. März 1597 angemeldeten Proteste und gemäss der centralistischen Gesinnung des Kaisers ungetheilt blieben. Die tirolischen Stände erbaten sich aber schon bei diesem Anlasse wieder einen eigenen Landesfürsten; zugleich legten sie gegen die Ernennung des Kardinals Andreas zum Gubernator neuerdings Verwahrung ein. Auch den Markgrafen Karl von Burgau bezeichneten sie als eine für diesen Posten minder geeignete Persönlichkeit.326.1 Anderer Seits wünschte die steiermärkische Linie, wenn sie schon auf den Anfall eines Theiles der ober- und vorderösterr. Lande326.2 verzichten müsste, mindestens im Gouvernement derselben mit der Maximilianischen Linie zu alterniren, wovon aber wieder diese nichts wissen wollte. So verzögerte sich denn die Besetzung des fraglichen Gubernatorpostens bis zum Jahre 1602, wo auf Grund des Prager Rezesses vom 5. Februar dieses Jahres Rudolph den Erzherzog Maximilian (den Deutschmeister) mit dem Gouvernement der o. u. v. österr. Lande betraute und zwar dergestalt, dass, wenn mit diesem sich eine Veränderung zutrüge, allerdings die steierm. Linie die Anwartschaft hierauf haben und dann fernerhin beide Linien hierin abwechseln sollten.326.3 Der Artikel 3 [Seite: 327] jenes Rezesses bestimmte, dass "dem Hrn. Gubernatori von jeder Lini wegen zween Räth zuegeben vnd denen Ir Besoldung vnd vnderhalt auch von gemainem einckhommen (des Hauses) geschafft werden sollen." Maximilian war somit im Beginne seiner Wirksamkeit in Tirol weiter nichts, als das Haupt. der dortigen Regentschaftsbehörde, wie das auch aus der ihm vom Kaiser Rudolph unterm 31. Mai 1602 ertheilten Vollmacht erhellt.327.1 Darnach durfte er ohne des Kaisers und der übrigen Mitinteressenten Vorwissen weder Landtage ausschreiben, noch Lehengnaden austheilen, noch Gebietstheile abtreten, noch Ländereien verpfänden, noch hohe Aemter und Offiziersstellen vergeben, noch Konfiskationen vornehmen, noch auch sonstige Strafen von Belang verhängen. Die ihm zugeordneten geheimen Assistenzräthe waren Anfangs: seitens der steiermärk. Linie Karl Schurf Fhr. v. Schönwerth und Dr. Hieron. Manicor Fhr. zu Casetz, seitens seiner Brüder aber Ludwig von Molart Fhr. zu Reineck und Dr. Friedrich Altstätter.327.2 Unterm 7. Dzbr. 1605 ordnete ihm Kaiser Rudolph "von seinetwegen" den Freiherrn Sigmund von Welsberg zu.327.3 Diess beweist, dass Maximilian wirklich gewissermassen unter Kuratel stand. Rudolph machte auch noch im März 1607 den Versuch, den Maximilian ganz von dem Gubernatorposten zu verdrängen und diesen ganz einzuziehen, ohne dass ihm diess gelungen wäre.327.4 Zu grösserer Selbständigkeit schwang sich jedoch Maximilian erst nach dem Tode Rudolphs empor. Mittelst einer aus Prag vom 11. Oktober 1612 datirten Urkunde327.5 übertrug Mathias dem Maximilian die volle Regierungsgewalt über Tirol und die [Seite: 328] Vorlande. "Ohne alles Hintersichbringen" möge er nunmehr die vom Erzherzoge Ferdinand hinterlassenen Länder regieren und administrieren und gerade so sich benehmen, als wäre er des Mathias Alterego. Damit war freilich auch gesagt, dass Maximilian es sich nicht beifallen lassen dürfe, Tirol und die Vorlande als seine Länder zu betrachten und demgemäss "aus eigener Machtvollkommenheit" zu regieren. Derselbe war und blieb immer nur Statthalter, wenn auch Tirol damals mit dem Kerne der österr. Erblande weiter nicht zusammenhieng und sammt den Vorlanden allerdings einen Staatskörper für sich bildete. Die gleiche Bewandtniss hatte es nach dem Tode Maximilian's mit der Stellung des Erzherzogs Leopold als derselbe das Gouvernement von Tirol im Jahre 1619 antrat.328.1 In der Zwischenzeit hatte eine vom Kaiser Mathias und vom steiermärk. Erzherzoge Ferdinand gemeinschaftlich eingesetzte Regentschaftsbehörde, bestehend aus dem tirol. Geheimrathspräsidenten und Hofkanzler und einigen zugetheilten Räthen der oberösterr. Landesstelle, die Regierung provisorisch fortgeführt.328.2 Leopold regierte Tirol und die Vorlande gleichfalls als Statthalter bis Kaiser Ferdinand II. am 15 Novbr. 1623 mit ihm den bekannten Theilungsvertrag schloss, durch den er, wie es in dem Vertrage heisst, "Aigenthumbsherr von Tirol und sämmtlichen Vorlanden mit Ausnahme des Breisgaues, Sundgaues, Elsasses, der beiden Landvogteien Hagenau und Ortenau und der 4 Waldstädte am Rhein wurde.328.3 Von da an gab es wieder eine tirolische Dynastie; aber auch nicht länger als 42 Jahre. Denn dieselbe starb bekanntlich mit dem zweitgebornen Sohne Leopold's, dem Erzherzoge Sigmund Franz, am 24. Juni 1665 aus. [Seite: 329]
Schon am 29. Juni 1665 kündigte sich Kaiser Leopold I., an welchen Tirol und die Vorlande durch diesen Todesfall gekommen waren, seinen neuen Unterthanen in einer an den engeren Ausschusscongress der tirolischen Landschaft gerichteten Zuschrift als Herrscher an.329.1 Die staatsrechtliche Verbindung Tirols mit der österreichischen Monarchie, an deren Ausbau gerade Leopold I. seine ganze Kraft setzte, ist von jenem Tage an bis zum Anfange des laufenden Jahrhunderts nicht mehr unterbrochen worden. Die Bestellung von Statthaltern für Tirol und die Vorlande hat hieran weiterhin nichts geändert. Sie lockerte nicht einmal das feste Band administrativer Massregeln, mittelst welcher Tirol dem österreichischen Staatskörper eingefügt ward. Vielmehr diente sie nur dazu, diesen Verband zu kräftigen und die ihm widerstrebenden Elemente zu fesseln. Das war der Hauptzweck, dessentwillen Kaiser Leopold I. im Jahre 1679 den Feldmarschall Karl Leopold Herzog zu Lothringen und Kaiser Joseph I. im Jahre 1706 den Herzog Karl Philipp von Pfalz-Neuburg zum Gouverneur aller o. u. v. österr. Lande ernannte. Allerdings sollte damit auch der Sehnsucht Tirols nach einer Wiederkehr der Zeiten, wo ein dem Lande und seinen Appertinenzen ausschliesslich angehörender, aparter Landesfürst die Räume der Innsbrucker Hofburg bewohnte, einigermassen entsprochen werden; allein nur um unter dem Scheine einer solchen Konivenz die Absonderungsgelüste desto wirksamer bekämpfen zu können.
Als Maximilian I. die Regierung Tirols antrat, gab es an seinem Hofe noch keine Behörden (Dikasterien) [Seite: 330]sondern nur einen die politischen und Justizgeschäfte referirenden Kanzler mit mehreren Sekretären, bald darauf (seit August 1491) einen "Schatzmeister-General", der die Finanzverwaltung in höchster Instanz leitete330.1‚ seit Juli 1492 einen "Gegenschreiber-General" zur Kontrole330.2 und von Alters her einzelne Räthe, die bei der Feststellung wichtigerer Entschliessungen nach Belieben und Bedarf zu Rathe gezogen wurden. Erheischte es das Bedürfniss, so wurden wohl auch s. g. "Hausräthe" beigezogen, d. h. Räthe, welche insgemein auf ihren Burgen (bei Hause) sich aufhielten und nur in Folge einer speziellen Vorladung am Hoflager sich einfanden, gleichwohl aber den Titel landesfüstlicher Räthe führten und auch in des Landesfürsten Sold standen. Im Jahre 1496 machte Maximilian mit der Errichtung von Hofbehörden den Anfang, indem er dem "Schatzmeister-General" mehrere Beamte zuordnete und der so gebildeten "Schatzkammer" einen eigenen Statthalter vorsetzte. Unter dieser Hofbehörde standen nun alle landesfürstlichen Gefällsämter, zunächst die Kammermeister der verschiedenen Ländergruppen. Im darauf folgenden Jahre organisirte Maximilian ein ständiges Hofrathskollegium, welches sofort nach einer ihm genau vorgezeichneten Dienstordnung bestimmte, ein für alle Male ihm zugewiesene Geschäfte erledigte, während zuvor die eben am Hofe anwesenden oder dahin berufenen Räthe nur von Fall zu Fall sich versammelt hatten und regellos vorgegangen waren, auch es lediglich im Belieben des Landesfürsten stand, welche Räthe er im einzelnen Falle hören wollte. [Seite: 331]
Der Wirkungskreis des neuerrichteten "Hofrathes" (wie das Kollegium kurzweg hiess) erstreckte sieh indessen nicht viel über die Revision richterlicher Urtheile hinaus, bei welcher der Umstand, dass Maximilian der beliebigen Einvernehmung dieser oder jener Räthe entsagt und sich verpflichtet hatte, jederzeit das von Vorne herein gebildete Kollegium zu hören, — allerdings am schwersten ins Gewicht fiel. — Rechtshändel von geringerer Bedeutung konnte der Hofrath selbst ohne des Königs Zustimmung einholen zu müssen, in dessen Namen durch Stimmenmehrheit erledigen; bloss bei "schweren Händeln" sollte vor Ausfertigung der Revisionsurtheile ihm der Rathsschluss vorgelegt und seine persönliche Entscheidung abgewartet werden. Der Vortrag hatte durch den Hofkanzler in Gegenwart des Hofrathspräsidenten, des Hofmeisters und des Hofmarschalls zu geschehen. Der Hofmeister liess die Sitzungen ansagen und eröffnete dieselben mittelst Ankündigung der zu erledigenden Geschäfte. Der Hofmarschall sammelte die Stimmen. Ein Hofsekretär trug vor, ein anderer schrieb die gefassten Beschlüsse nieder. Der Hofkanzler überwachte die Ausfertigung der Revisions-Urtheile und sonstigen, vom Hofrathe gefassten Rechtserkenntnisse, damit der Wortlaut der hinauszugebenden Dekrete ja nicht abweiche von dem der gefassten Beschlüsse, beziehungsweise von den etwaigen Modifikationen, die der König anzuordnen befunden hatte. Alle Dekrete mussten "im offenen Rathe" gesiegelt werden, nachdem sie zuvor noch darin verlesen und als übereinstimmend mit den betreffenden Konzepten anerkannt worden waren. Jeder Hofrath musste Geheimhaltung der Amtsvorkommnisse, Unbestechlichkeit und Unparteilichkeit geloben und keiner durfte eine "Prokurei" am Hofe übernehmen d. h. irgend einer Partei dortselbst als Sachwalter oder Fürsprecher beistehen. In der Hofraths-Registratur waren die Akten theils nach Materien, theils nach Ländern geschieden. Für jene aus Tirol‚ Elsass, Sundgau, Breisgau und "was lannd (sonst noch) weilentt Erzherzog Sigmund zu Oesterreich der [Seite: 332] kuniglichen Majestät übergeben hat" existirte ein besonderes Register.332.1
Der Hofrath folgte dem Hoflager; die Schatzkammer dagegen nicht. Sie hatte zu Innsbruck ihren Sitz und war mit der dortigen Landesstelle ursprünglich aufs engste verbunden, so zwar, dass die Räthe dieser auch an den Sitzungen des eigentlichen Kammer-Kollegiums Theil nahmen.332.2 Im Jahre 1498 änderte diess Maximilian, indem er die Finanzgeschäfte einer ihm allenthalben hin folgenden "Hofkammer" zuwies und zwar sowohl die des röm.-deutschen Reiches als die seiner Erblande. Für jede dieser beiden Geschäfts-Abtheilungen bestand eine eigene Rathssektion unter dem betreffenden Schatzmeister. Als Hofkassier fungirte ein "Pfennigmeister." Das neue Hofkammer-Gremium bestand aus einem Statthalter (dem Bischofe Melchior von Brixen) und vier Räthen. Zur stylistischen Aufrichtung der Akten, zum Vormerken und Hinausgehen dessen, was untergeordneten Aemtern oder einzelnen Parteien zu intimiren war, hatte das Gremium einen Sekretär, einen Registrator und einen Expeditor zur Seite. Klagen finanzieller Natur, insbesondere über Zinsen- und Soldrückstände, die vom Aerar gefordert wurden, nahm ein eigener Sollicitator und zwar protokollarisch auf. Die Entscheidung darüber stand übrigens [Seite: 333] dem Hofrathe zu. Die wichtigste Neuerung aber, welche mit Errichtung der Hofkammer Platz griff, war, dass Maximilian nun auch in Ansehung des finanziellen Gebahrens sich gewissen Beschränkungen unterwarf, gleich wie er es im J. 1497 rücksichtlich der Behandlung der nach Hof appellirten oder von ihm nach Hof gezogenen Rechtshändel gethan hatte. Ausdrücklich versprach er inn der Hofkammer-Ordnung, keinen Zahlungsauftrag mehr ertheilen zu wellen, der nicht zuvor dieser Ordnung gemäss behandelt, d. h. im Gremium der Hofkammer berathen und von einem darauf beeideten Beamten derselben zum Beweise, dass das Gremium beigestimmt habe, unterzeichnet worden. Hinwider verbot er dem obersten Schatzmeister, der die Hofhaltungsauslagen zu bestreiten hatte, einem von ihm allein ausgehenden, d. h. der Kontrasignatur der Hofkammer ermangelnden Zahlungsauftrage Folge zu leisten. Ferner verbot er den Rentmeistern und Amtleuten unterster Kategorie, so wie allen diesen vorgesetzten Vicedomen, Steuer-Kollektanten etc., die von ihnen einkassirten Gelder Jemandem Anderen, als dem betreffenden Schatzmeister, auszuhändigen und der Ablieferung der Steuern an die selbe sammelnden Vicedome hatte sogar ausser einem Finanzinspektor ("Superintendenten") noch ein Landrath beizuwohnen. Maximilian band sich also selbst die Hände und es ist bezeichnend für die Motive, wesshalb das geschah, dass zur Ueberwachung des gesammten Gebahrens der Hofkammer wieder eigene "Superintendenten" aufgestellt waren, nämlich aus den Reihen der vornehmsten Staatsgläubiger.333.1 — Die zu Innsbruck verbliebene Schatzkammer gestaltete Maximilian gleichzeitig in eine Kontrol-Behörde ("Raitkammer") um, welche die Richtigkeit der Rechnungen aller Finanzorgane zu prüfen, die von der Hofkammer ausgestellten Bestallungs- und Schuldbriefe zu registrieren, deren [Seite: 334] Giltigkeit durch Mitunterzeichnung zu vervollständigen und den Rechnung legenden Beamten die üblichen Absolutorien hinauszugeben hatte.334.1 Diese Kontrolbehörde verblieb bis zum Tode Maximilian's in Thätigkeit. Die eine Hofkammer spaltete sich jedoch schon im Jahre 1501, indem für die niederösterr. Lande eine besondere Hofkammer zu Linz errichtet ward334.2 und für die oberösterr. Lande die zu Innsbruck befindliche Rait-Kammer zugleich die Funktionen der Hofkammer übernahm. Wenigstens ist von da an von einer finanziellen Centralstelle am Hofe selber keine Rede mehr. Erst auf dem Innsbrucker Ausschusstage vom J. 1518 regte Maximilian wieder die Errichtung einer solchen an334.3, was für sich schon ein Beweis ist, dass die Behörde mittler Weile eingegangen war. Das gleiche Schicksal hatte der Hofrath ; jedoch mit dem Unterschiede, dass dieser wenigstens vorübergehend hie und da auftaucht334.4, wobei es freilich fraglich ist, ob wir es mit dem im J. 1497 organisirten oder [Seite: 335] nur mit einem willkürlich vom Könige zusammengesetzten Hofrathe zu thun haben. Für letztere Vermutung spricht der Umstand, dass Maximilian auf dem Innsbrucker Ausschusstage von 1518 das Versprechen leistete, fürderhin in der Regel nur der designirten Hofräthe nicht aber geheimer Hausräthe zu den Staatsgeschäften sich bedienen zu wollen.335.1 Anderer Seits kann sich dieses Versprechen wohl auch nur auf die Eigenschaft von Landes-Repräsentanten beziehen, die nach dem von ihm auf jenem Ausschusstage entwickelten Programme der Mehrzahl der Räthe, aus welchen er einen neuen Hofrath bilden wollte, eigen sein sollte.335.2 Letzteres Programm wurde zwar vom Ausschusstage angenommen335.3 und Maximilian schritt unverzüglich zu dessen Ausführung, so dass während er zu Wels im Sterben lag, zu Linz wirklich ein darnach zusammengesetzter Hofrath zu amtieren anfieng.335.4 Allein Maximilians Tod vereitelte dessen wie auch der neu zu gründenden Hofkammer vollständiges Inslebentreten. Selbst die Raitkammer zu Innsbruck stellte als Centralbehörde damals ihre Funktionen ein.335.5 Sie bestand nur als Provinzialbehörde im Anschlusse [Seite: 336] an die o. ö. Regierung fort und besorgte jetzt (wie vielleicht auch früher schon) die oberöst. Finanz-Verwaltung überhaupt. Das von Karl V. im eigenen und seines Bruders Ferdinand Namen im J. 1519 bis zu seiner Ankunft eingesetzte "Obrist Regiment" vereinigte in sich alle Regierungsbefugnisse über sämmtliche Erblande. Es war Hofrath und Hofkammer und Central-Raitkammer zugleich.336.1 Als Karl V. im November 1520 zuerst deutschen Boden betrat, nahm er die Regierung der österr. Erblande, somit auch die von Tirol, an sich336.2 und er führte dieselbe von seinem Hoflager aus fort,. bis er Ende April 1522 seinen Bruder Ferdinand zum Statthalter der o. ö. Lande ernannte. Ferdinand I. unterhielt, wie es scheint, an seinem Hofe keine besondere tirolische Kanzlei, obschon er die tirolische Landesstelle d. d. Nürnberg 27. Oktbr. 1522 anwies "alle treffenliche und beschwerliche Sachen, ausgenommen was verzug noch pitt nit erleidet" ihm mittelst Post zuzuschreiben und seiner Antwort gewärtig zu sein.336.3 Doch schloss er mit dem vorigen Hofkanzler Cyprian von Sarentein, der, unter Maximilian I. auch zum tirolischen Kanzler ernannt, nie aufgehört hatte, den Titel eines solchen neben dem eines Hofkanzlers zu führen, am 4. Juni 1522 zu Ulm einen Vertrag, wornach er ihm, so oft und so lange er sich am Hoflager befände, einen Monatssold von 100 fl. zusichert; wäre er bei seinem Amte in Tirol, so soll er monatlich die Hälfte dieser Summe beziehen.336.4 [Seite: 337] Hieraus erhellt, dass Ferdinand wenigstens des mündlichen Beirathes eines mit den tirolischen Verhältnissen so vertrauten Mannes nicht entbehren wollte, wenn er ihn schon nicht mehr als Hofkanzler behandelte. Letztere Würde bekleidete an seinem Hofe zuerst, wie es scheint, der verhasste Salamanca337.1, nach dessen Sturze aber Leonhard von Harrach, ein Steiermärker, und nach dessen im Dezember 1527 erfolgten Tode der Kardinal Bernhard von Cles, welchem im J. 1540 Dr. Georg Gienger aus Ulm, 1558 Dr. Jakob Jonas, gleichfalls ein Schwabe, und 1560 Dr. Georg Sigismund Seld folgten. Gemäss der Hofkanzlei-Ordnung vom 11. Novbr. 1525337.2 zerfiel die Hofkanzlei Ferdinand's in 3 Abtheilungen. Eine davon hatte die oberösterr., also speziell auch die tirolischen Angelegenheiten wahrzunehmen,während eine andere die des röm.-deutschen Reiches und die dritte jene der niederösterr. Lande besorgte. Nach der Hofkanzlei-Ordnung vom 12. Febr. 1528337.3 aber zerfiel die Hofkanzlei in 7 Abtheilungen, worunter eine alle Justizsachen ohne Unterschied des Landes umfassende, dann eine die Angelegenheiten des röm.-deutschen Reiches, Tirols, Würtemberg's, Schwaben's, der übrigen Vorlande und der Schweiz (so weit Oesterreich hier einzugreifen berufen war), behandelnde Abtheilung sich befand. Langjähriger Vorstand dieser letzteren Abtheilung war unter Ferdinand I. der Hofsekretär Joh. Fernberger aus Auer in Südtirol.337.4 Ihm [Seite: 338] waren 1 Kopist und 2 Ingrossisten zugetheilt. In der Registratur waren die ober- und vorderösterr. Akten vereiniget, während für "Pundtssachen" (damit sind wohl Sachen des schwäbischen Bundes gemeint) und für "Reichssachen" abgesonderte Register bestanden. Bei dieser Eintheilung der Geschäfte hatte es, so lange Ferdinand I. lebte, sein Bewenden.
Erzherzog Ferdinand, dessen Nachfolger in Tirol, restaurirte die seit nahezu 90 Jahren ruhende Würde eines tirolischen Hofkanzlers. Er ernannte hiezu noch in Prag den Dr. Johann Wellinger von Vehingen. Derselbe erscheint auf einem Reskripte Ferdinand's vom 19. August 1564 an die o. ö. Regierung, zum ersten Male unterzeichnet.338.1 Auch die Oberleitung der tirolischen Finanzen, welche unter Ferdinand I. die im J. 1 527 errichtete allgemeine Hofkammer besorgte, gieng jetzt auf eine von dieser Stelle gesonderte Hofbehörde oder vielmehr auf einen Hofkammerrath, der nicht Mitglied derselben war, sondern direkt und allein vom Erzherzoge Ferdinand abhieng, über. Dieser tirolische Finanzminister hiess Erasmus Haidenraich von Pidenegg. Er erscheint als solcher zuerst auf einem Aktenstücke vom 4. Mai 1565.338.2 Nach dem Tode [Seite: 339] Haidenraich's wurde aber die Stelle nicht wieder besetzt.339.1 Die bezüglichen Geschäfte besorgte sofort das tirolische Geheimraths-Kollegium, dessen Mitglied der jeweilige Präsident der vereinigten. oberösterr. Regierung und Kammer war. Erst im Jahre 1707, also vier Dezennien nach der Wiedervereinigung Tirols mit dem Hauptkörper der oberösterr. Monarchie sah sich die oberösterr. Kammer neuerdings unter die unmittelbare Aufsicht und Leitung einer Hofkammer, nämlich der Wiener, gestellt. Letztere beeinflusste zwar mittelbar die tirolische Finanzverwaltung seit dem Jahre 1665339.2; doch in ostensibler Weise und unmittelbar geschah dies erst vom Jahre 1707 an.
Das tirolische, oder richtiger : oberösterreichische Geheimraths-Kollegium entstand gegen das Ende der Regierung des Erzherzogs Ferdinand (II.) wahrscheinlich auf Betreiben des Obersthofmeisters Don Juan Manriquez de Lara. Es war für Tirol jedenfalls eine dem ganzen Volkswesen fremde und daher auch unbeliebte Schöpfung. Unter Ferdinand I. hatte allerdings das am Hofe dieses Kaisers befindliche Geheimraths-Kollegium auch hie und da auf Tirol eingewirkt; allein nie als Behörde, sondern nur sozusagen hinter den Koulissen stehend mittelst der Rathschläge, die es dem Monarchen gab.339.3 Darum kommt auch dasselbe hier nicht weiter in Betracht. Vom Ende des 16. Jahrhdts. an dagegen nistete sich diese exotische Pflanze auch in Tirol immer fester ein und es gab Zeiten, wo die ganze [Seite: 340] Regierung des Landes unverblümt und unverbrämt in den Händen eines solchen Geheimraths-Kollegiums ruhte. Das war z. B. im Jahre 1618 nach dem Tode des Erzherzogs Maximilian340.1, dann wiederholt unter dem Erzherzoge Leopold340.2, ferner nach dessen Tode während der vormundschaftlichen Regierung, die nun eintrat,340.3 und auch späterhin öfter340.4 der Fall bis endlich durch den Heimfall Tirols an Altösterreich der oberösterr. "Geheime Rath" zum Range einer blossen Vermittlungsbehörde herabsank, welche einer Seits die aus Wien einlangenden Aufträge vollziehen zu machen und anderer Seits die häufigen Kompetenzkonflikte zwischen den tirolischen Landesstellen zu schlichten hatte. Ihm war, so lange Tirol mit den Vorlanden einen Staat für sich bildete, insbesondere die Justizpflege in höchster Instanz obgelegen, welcher Aufgabe er sich bekanntlich nicht immer auf rühmliche Weise entledigte.340.5 Unter Ferdinand I. hatte diesen Beruf der Hofrath, den dieser Monarch nach dem von seinem Oheime auf dem Ausschusstage von 1518 so warm befürworteten Vorbilde im Jahre 1527 mit einem die Rechtsanliegen aller deutschösterr. Erblande und des gesammten röm.-deutschen Reiches [Seite: 341] umfassenden Wirkungskreise errichteten341.1 und welcher, seit Ferdinand deutscher Kaiser geworden, in seinem Wirken auf die Erblande beschränkt bis zu des Kaisers Tod und vielleicht noch ein paar Jahre darüber hinaus fortbestand.341.2 Erzherzog Ferdinand (II.) behielt für die oberösterreichischen Lande diese Einrichtung mindestens insoferne bei, als er im Jahre 1573 eine gleichnamige Revisions-Instanz schuf, deren Beisitzer theils inländische Adelige (Landleute) theils Rechtsgelehrte waren.341.3 Bei ihrer Errichtung war das "gelehrte" Element durch die Hofräthe Dr. Anton Schratenberger und den Licentiaten der Rechte Joh. Dreyling vertreten.341.4 Die gefassten Beschlüsse trug der Hofkanzler (1573 Joh. Frhr. v. Schneeburg, 1593 Dr. Justin Moser) oder der Vice-Hofkanzler (1573 Jakob Holtzapfel) im Beisein des Hofrathspräsidenten und einiger Räthe zur Approbation vor. Während der Zwischenregierung unter Kaiser Rudolph II. mag wohl auch der Reichshofrath, d. h. die oberste Justizstelle des röm.-deutschen Reiches manches Rechtsurtheil in tirolischen Angelegenheiten gesprochen haben. Denn an diese Behörde ging eben nach Auflösung des österreichischen Hofrathes die Revision der Prozesse erbländischer Unterthanen über, bis Kaiser Ferdinand II. diesen Instanzenzug aufhob oder vielmehr gestattete, dass der Reichshofrath der bezüglichen Geschäfte sich entschlage.341.5
Was das Militärwesen anbelangt, so hat ein besonderer Hofkriegsrath für die oberösterreichischen Lande [Seite: 342] nie dauernd bestanden; vorübergehend aber allerdings, im 17. Jahrhundert nämlich so oft irgend eine Kriegsgefahr drohte, welche ausserordentliche Anstrengungen bedingte, und bevor noch jene Lande ihre politische Selbstständigkeit wieder einbüssten.342.1 Kaiser Leopold I. beeilte sich, nach der Uebernahme Tirols und der Vorlande einen vom Wiener Hofkriegsrathe instruirten General nach Innsbruck zu senden, wo derselbe nicht nur das Kommando über das gesammte reguläre Militär in den o. ö. Landen, so weit es nicht zur Besetzung fester Plätze verwendet war, übernahm, sondern auch im hiesigen "Geheimen Rathe" Sitz und Stimme erhielt342.2, so dass er in die Lage kam, auch die Landesvertheidigung, die fortifikatorischen Arbeiten und die Besatzungen fester Plätze den von Wien aus angeordneten strategischen Massregeln gemäss zu beeinflussen. Die betreffenden Befehle zu erlassen, war freilich Sache des o. ö. Geheimen Rathes oder insoferne es sich nur um die Durchführung gewisser, von diesem bereits genehmigter Veranstaltungen handelte, der o. ö. Kammer, beziehungsweise der o. ö. Regierung oder beider Landesstellen zugleich, je nachdem der Geldpunkt oder das dienstliche Interesse dabei in erster Reihe sich geltend machte oder beide Rücksichten Hand in Hand mit einander giengen. Der erste österreichische General, welcher besagtes Amt (gleichsam eine Expositur des Wiener Hofkriegsrathes) versah, war der [Seite: 343] G. M. Freiherr von Kayserstein. Diesem folgten Graf Capliers, 1608 F. M. L. Joh. M. Gschwindt, 1704 Graf Gutenstein.343.1 Wollte übrigens der Wiener Hofkriegsrath damals seinen Anliegen in Betreff der oberösterreichischen Lande einigen Nachdruck verleihen und es nicht blos von der Ueberredungskraft, welche sein Vertreter im o. ö. Geheimen Rathe zu Innsbruck entwickelte, abhängig machen, ob diese oder jene Massregel, die er für nöthig erachtete, in jenen Landen Eingang und Unterstützung fand oder nicht, so musste er sich darüber mit der Wiener Hofkanzlei ins Einvernehmen setzen und diese erst erliess dann an den o. ö. Geheimen Rath die erforderlichen Weisungen, welchen sich derselbe insgemein anbequemte, wenn ihm gleich das Recht, Gegenvorstellungen zu erheben, zustand. im Jahre 1707 änderte sich diess. Gleich wie von diesem hierin Epoche machenden Jahre an die Wiener Hofkammer in den meisten Stücken des Umweges, den ihre Anordnungen bis dahin einschlagen mussten, um in Tirol und den Vorlanden zur Ausführung zu gelangen, enthoben war, so verfügte von da an auch der Wiener Hofkriegsrath nicht blos über die in den o. ö. Landen stehenden mobilen Truppen, sondern auch über die hiesigen Festungen und deren Garnisonen, über die Pulver- und Saliter-Erzeuger, Zeughäuser, Kanonen- und Kugelgiessereien "in puris militaribus" ohne weitere Dazwischenkunft der Wiener Hofkanzlei, des o. ö. Geh. Rathes und der Landesstellen zu Innsbruck.343.2 Bevor ich aber diese tief eingreifende Veränderung ausführlicher bespreche, muss ich Dasjenige nachholen, was zur Aufklärung der Stellung dient, welche die Wiener Hofkanzlei seit dem Jahre 1665 bis 1707 den tirolischen Verwaltungsbehörden gegenüber einnahm.
Kaiser Leopold I. hatte bei der Uebernahme Tirols, offenbar [Seite: 344] um dem Lande den Verlust seiner politischen Selbständigkeit vorerst noch weniger fühlen zu lassen, in der Person des Reichshofrathes und früheren o. ö. Regimentsrathes Dr. Paul Hocher einen Hof-Vicekanzler ernannt, der bei der Erbhuldigung, , die der Kaiser im Oktober 1665 zu Innsbruck entgegennahm, als dessen tirolischer Kanzler fungirte.344.1 Derselbe folgte dem Kaiser nach Wien, wo er als Adlatus des österr. Hofkanzlers Grafen Sinzendorf die nun hier etablirte, einen Bestandtheil der allgemeinen österr. Hofkanzlei bildende o. ö. Hofkanzlei leitete, welche als eine besondere Abtheilung Ersterer fortan bis zum Jahre 1749 durch die Bezeichnung "Wienerische o. ö. Hofkanzlei" von dieser sowohl als auch von der Kanzlei des o. ö. Geheimen Rathes zu Innsbruck (die auch "Hofkanzlei" hiess) unterschieden wurde.344.2 Ein besonderer tirolischer Hofkanzler aber ward nicht wieder ernannt und was dem Dr. Hocher von der spezifischen Eigenschaft eines solchen etwa ankleben mochte, gieng in dem weiten Begriffe eines österreichischen Hofkanzlers auf, zu welcher Würde Dr. Hocher am 2. Januar 1667 erhoben ward. Freilich präsentirte sich der jeweilige österr. Hofkanzler dem Lande Tirol fortan als dessen spezieller Hofkanzler, insoferne er in dieser Eigenschaft eine namhafte Gehaltszulage aus dem tirolischen Kameralfonde bezog und er vergalt diese Zulage dem Lande [Seite: 345] dadurch, dass er die nach Tirol bestimmten Erlässe der allgemeinen Hofkanzlei als Vorstand der nominellen o. ö. Hofkanzlei in Wien unterfertigte.
Wenn Etwas dieser Fiktion Berechtigung verlieh, so war es der Umstand, das für die o. ö. Lande im Status der damaligen Wiener Hofkanzlei fortan ein eigener Referendär mit einem eigenen Kanzleipersonale ausgewiesen erschien345.1 und die bezüglichen Hofkanzleierlässe wirklich stets die Gegenzeichnung jenes o. ö. Referendärs trugen. Die Fiktion ward, wie gesagt, erst unter Maria Theresia fallen gelassen. Es war nun bis zum Jahre 1707 Aufgabe der nominellen o. ö. Hofkanzlei in Wien, auch in militärischen und Finanzangelegenheiten scheinbar verfügend aufzutreten, wobei natürlich der Wiener Hofkriegsrath und die Wiener Hofkammer der mangelnden Sachkenntniss im Auftrage des Kaisers durch Zuschriften nachhalfen, die, wenn auch der Form nach freundschaftliche "Noten", doch in Wirklichkeit massgebende Weisungen und eigentlich an die Adresse der oberösterr. Landesstellen gerichtet waren. Es sollte dadurch der Wahn, als hätten der Wiener Hofkriegsrath und die Wiener Hofkammer mit Tirol und den Vorlanden nichts zu schaffen, genährt und der vermeintlichen tirolischen Hofstelle in Wien das scheinbare Vorrecht gewahrt werden, der ausschliessliche Vermittler [Seite: 346] zwischen der Person, des Kaisers und den tirolischen Landesbehörden zu sein.346.1 Genau dieselbe Bewandtniss hatte es damals mit der Zustellung der Weisungen des Hofkriegsrathes und der Wiener Hofkammer an die ungarischen und böhmischen Behörden im Wege der ungarischen, beziehungsweise böhmischen Hofkanzlei, nur mit dem Unterschiede, dass diese Kanzleien keine integrirenden Bestandtheile der allgemeinen österr. Hofkanzlei sondern in der That Hofstellen [Seite: 347] für sich waren. Hier wie dort wollte man die Personalunion als das Band , welches allein die verschiedenen Theile der österr. Monarchie zusammenhalte, erscheinen lassen , während doch diese Verbindung in der That längst schon den Charakter einer Realunion angenommen hatte. Auch dem Komplexe der innerösterreichischen Länder gegenüber ward bis zum Jahre 1707 an diesem Grundsatze festgehalten. Die allgemeine österr. Hofkanzlei in Wien schloss auch eine besondere "innerösterreichische Hofkanzlei" dem Namen nach in sich , welche gleicher Massen den Deckmantel für die Verfügungen des Wiener Hofkriegsrathes und der Wiener Hofkammer abgeben musste.
Kaiser Joseph I. beschloss wenige Wochen, nachdem er zur Regierung gelangt war, diesem Versteckenspiel ein Ende zu machen. Den ungarischen Behörden gegenüber gelang ihm diess nicht und versuchte er es vielleicht auch nicht einmal ernsthaft genug. Die übrigen Länderstellen fügten sich aber, wenn gleich erst nach vielem Hin- und Herschreiben und mit sauerer Miene.347.1) So traten denn vom Jahre 1707 an der Wiener Hofkriegsrath und die dortige Hofkammer auch mit den tirolischen Landesstellen in unmittelbare Berührung. Zwar lief die Korrespondenz derselben mit den gedachten Hofstellen noch immer durch die Hände einer Mittelsperson, nämlich des nach Innsbruck geschickten Gubernators; doch hatte dieser die Vertheilung des Einlaufes von Oben und Unten vorzunehmen347.2 und die Hofkanzlei in Wien [Seite: 348] blieb, wenn es sich um rein militärische oder rein finanzielle Dinge handelt, sofort ganz ausser dem Spiele. Ihrem Ressort waren in diesen Beziehungen nur die s. g. Mixta vorbehalten , wo es auf Grund mehrseitig einzuholender Gutachten zwischen sich kreuzenden Interessen eine Entscheidung zu treffen galt oder die Natur des Gegenstandes es mit sich brachte, dass die Hofkanzlei sich ins Mittel legte, wie das z. B. bei Regelung der tirol. Landesvertheidigung, bei der Approvisionirung der Truppen, bei Regelung des Vorspannsdienstes etc. der Fall war. Solche Angelegenheiten wurden daher auch herkömmlicher Weise zum Theile nicht einmal den Mixtis, sondern geradezu den Publicis beigezählt, für welche die Hofkanzlei selber von jeher die höchste Instanz gewesen war. Eine dritte Gruppe von Gegenständen, deren Entscheidung und systematische Regelung der Wiener Hofkanzlei anheimgestellt blieb, bildeten die s. g. Justitialia, welche Leopold I. schon im Jahre 1665 derselben zugewiesen hatte, so dass der o. ö. Geh. Rath nur mehr ein Votum informativum darüber abzugeben hatte. Letzterer hörte überhaupt schon mit dem Jahre 1665 auf, eine mit Verfügungsgewalt ausgerüstete Hofstelle zu sein. Seine Gutachten bildeten seither nie mehr die massgebende Grundlage landesfürstlicher Entschliessungen, sondern gelangten immer nur als Beilagen zu den von der Wiener Hofkanzlei zu formulirenden Anträgen zur Kenntniss des Kaisers. Der Charakter einer Hofstelle blieb ihm gleichwohl äusserlich dadurch erhalten., dass ein wirklicher kaiserlicher Geheimrath den Vorsitz darin führte und der oberste Platz an der Spitze des Rathstisches für des Kaisers Majestät reservirt war.348.1 Gleichzeitig mit den oben [Seite: 349] besprochenen Reformen, durch welche Joseph I. in die Verwaltung Tirols umgestaltend eingriff, vollzog sich im Schoose der Wiener Hofkanzlei eine Trennung der bis dahin dort gehäuften Geschäfte, welcher zufolge der oberste Hofkanzler fürderhin blos die auswärtigen Angelegenheiten, alles Uebrige aber (die innere Verfassungs- und Verwaltungspolitik sammt der Justizpflege in höchster Instanz) ein zweiter Hofkanzler besorgte und beide nur in Kommunikation unter einander standen.349.1 Für Tirol war das nur insoferne von Bedeutung, als nun der erste und der zweite Hofkanzler aus dem tirolischen Kameralfonde zu honoriren waren. Weiter ausgebildet ward jene Trennung der Geschäfte in den Jahren 1720 und 1742, so dass vom letztgenannten Jahre an in Wien eine besondere Staatskanzlei für die auswärtigen Angelegenheiten und daneben eine besondere Hofkanzlei für die inneren (das Militär- und Finanzwesen ausgenommen) bestand.349.2 Und so wie die geh. Hofkanzlei sich spaltete, so theilte sich auch das Wiener Geheimraths-Kollegium unter Joseph I. in eine engere und [Seite: 350] weitere Konferenz. Erstere hatte vornehmlich die auswärtigen, Letztere die inneren Angelegenheiten zu berathen.350.1 Es besteht zwischen der vorerwähnten Trennung der Hofkanzlei-Geschäfte und dieser Scheidung des Geheimraths-Kollegiums ein unverkennbarer Zusammenhang, den ich jedoch aktenmässig nachzuweisen nicht im Stande bin.
Vom Jahre 1715 an hing die Verwaltung der tirolischen Finanzen auch von einer das Jahr zuvor in Wien errichteten neuen Hofstelle ab, nämlich von dem s. g. "Bankalitäts-Governo", dessen Hauptaufgabe die Sorge für die gehörige Dotirung der Kriegskassen und die Ueberwachung des Finanzdienstes war.350.2 Unter Maria Theresia trat die s. g. Ministerial-Banko-Deputation in dessen Fussstapfen und entwickelten sich aus dieser wieder verschiedene neue Hofbehörden, insbesondere die Hofrechnungskammer, deren Entstehung aber schon in eine Zeit fällt, die ausserhalb des Rahmens gegenwärtiger Abhandlung liegt.
Gleichzeitig mit dem Inslebentreten der "Universal-Bankalität", wie jene Neuerung kurzweg genannt zu werden pflegte, erfolgte die Eintheilung der Wiener Hofkammer in 7 Hauptsektionen oder Referate350.3, worunter 3 reine Länder-, 3 reine Materienreferate (Militär, Rechnungswesen und Fundus perpetuus) und ein gemischtes Referat (Hof- und Reichssachen) waren. Eines der 3 Länderreferate umfasste alle deutsch-österr. Erblande.350.4 Der betreffende Referent, den sonach auch die tirolischen Finanzen angingen , war unter Karl VI. durch viele Jahre Joh. Baptist Wenser. Diesen [Seite: 351] löste Ant. Thad. Vogt von Summerau ab, dessen Wirksamkeit noch ziemlich weit in die Theresianische Zeit hineinreicht. Die ärarischen Bergbauten in Tirol leitete von Wien aus fast während der ganzen Regierungszeit Karls VI. der Hofkammerrath Joh. Baptist von Zuana.
Im Jahre 1745 übertrug Maria Theresia die Leitung des Münz- und Bergwesens der ganzen Monarchie, das Bergwesen der böhm. Kronländer allein ausgenommen, einer "independenten Hofkommission in montanisticis et monetariis" ‚ die aber, wie es in der betreffenden Resolution heisst, doch noch immer als "Pars Camerae" betrachtet werden sollte351.1) und deren Seele abermals Zuana war. Aus dieser Hofkommission ging dann im Jahre 1747 das Münz- und Bergwesens-Direktions-Hof-Kollegium hervor351.2), dessen Titel schon die schwulstige Schwerfälligkeit verräth, mit welcher die Staatsmaschine sich damals bewegte und welche für einige Zeit zu bannen, dem erleuchteten Staatsminister Friedrich Grafen von Haugwitz bald darauf gelang.
Für Gewerbe- und Handels-Angelegenheiten hatte schon Karl VI. besondere "Hofkommissionen" eingesetzt351.3, welche als Vorläufer der nachmaligen, stabilen Hofstelle für diese Angelegenheiten, nämlich des Kommerz-Direktoriums‚ anzusehen sind, dessen Gründung übrigens ein Werk der Theresianischen, vom Geiste des Staatsministers Haugwitz getragenen Reformperiode ist und als solches uns hier nicht beschäftiget. Jene Hofkommissionen liessen in Tirol mannigfache Spuren ihrer Wirksamkeit zurück. Dazu rechne ich unter Anderem die Umlegung der Strassenzüge zwischen Mitteldeutschland und dem adriatischen Meere, die Verminderung der Zölle an der venetianischen Grenze und die [Seite: 352] Einführung der den diessfälligen deutschen Reichssatzungen angepassten General-Zunft-Artikel in Tirol.352.1
Dagegen ging die Wirksamkeit der "Geheimen Finanz-Konferenz", welche Karl VI. im Jahre 1716 der Hofkammer und der Bankalität als Kontrolbehörde vorsetzte und mit der Ueberprüfung aller Finanzprojekte, einschliesslich der Staatsvoranschläge, betraute352.2, an Tirol , so weit ich es zu beurtheilen vermag, spurlos vorüber, ungeachtet diese Hofstelle bis zum Jahre 1741 bestand.
Schliesslich ist hier als Hofbehörde noch das Oberstjägermeisteramt zu erwähnen, welches, durch Erzherzog Ferdinand (II.) im Jahre 1569 errichtet, unmittelbar unter dem jeweilen im Lande residirenden Landesfürsten, in dessen Abwesenheit aber unter der vereinigten o. ö. Regierung und Kammer stand.352.3 Es hatte seine eigene Gerichtsbarkeit (über Wilddiebe), verlieh das "Raiss-Gejaid" und befehligte das gesammte Jagdpersonal. Unter Kaiser Leopold I. verlor es schon viel von seinem Ansehen und da von da an kein Landesfürst mehr im Lande residirte, hörte es auch mit dem Jahre 1665 auf, eine Hofbehörde zu sein. Kaiser Joseph II. beseitigte es vollends.352.4
Innsbruck, im August 1866.