Quelle: Wilhelm Baum, Der Klagenfurter Universitätsplan des Flacius Illyricus (1562) und der Flacianismus in Kärnten, in: Wilhelm Baum (Hrsg.), Kollegium, Lyzeum, Gymnasium, Klagenfurt 1991, 33-44. Der Text wurde mit freundlicher Erlaubnis des Autors aus dem Sammelband gescannt und mit einem OCR-Programm in maschinenlesbaren Text umgewandelt, der mit Markup entsprechend den Richtlinien der Text Encoding Initiative versehen. Für eventuelle Schreibfehler dieser elektronischen Version und für die Verlinkung mit im Aufsatz zitierten Quellen etc. bin allein ich verantwortlich.
Heino Speer, Klagenfurt im Juli 2015.
Der kroatische Reformator Mathias Flacius Illyricus (Matija Vlačić Ilirik) aus Albona (Labin) in Istrien gehört zu den bedeutendsten Reformatoren des 16. Jahrhunderts. Der Sohn eines Grundbesitzers wurde 1520 geboren und kam mit 16 Jahren nach Venedig, wo er früh humanistische Studien betrieb. Ein Verwandter, Baldo Lupetina, ein Mönch, der in Venedig als Ketzer verurteilt und 14 Jahre lebendig eingemauert war, hatte ihm den Weg zur Kritik an den Mißständen in der Kirche gewiesen. Seine dortigen Lehrer schickten ihn 1539 an die Universität Basel, wo ein großer Teil seines umfangreichen Werkes erschien. Bald kam er an die Universität Tübingen, die für den Protestantismus in Österreich von großer Bedeutung wurde; von 1530 bis 1614 studierten hier 712 Österreicher, darunter 69 Kärntner1. Von Tübingen aus kam Flacius dann an die Universität Wittenberg, wo er bald das Vertrauen Luthers gewann, der ihn 1543 zum Dogen nach Venedig schickte, um die Befreiung Baldo Lupetinas zu verlangen. Flacius erreichte jedoch nichts; 1562 wurde Lupetina in Venedig ertränkt. Anläßlich dieser Reise kam Flacius 1543 nach Albona zurück und dürfte auf der Rückreise auch Kärnten besucht haben.
1544 wurde Flacius mit 24 Jahren Professor für Hebräisch an der Universität Wittenberg. Luther protegierte ihn und war bei der Vermählung des Professors mit einer Frau aus der Umgebung Wittenbergs anwesend. Nach Luthers Tod kam es jedoch bald zu Spannungen zwischen Philipp Melanchthon und Flacius, der unerbittlich an der Rechtfertigungslehre, dem Kernstück der Lehre Luthers, festhielt. Luther hatte betont, daß die Natur des Menschen zum Bösen neige und daß der Mensch nur durch den Glauben und die Gnade Gottes gerettet werde, nicht aber aus eigener Kraft. Der Humanist Melanchthon betonte dagegen die Fähigkeit des Menschen. Entscheidend war jedoch, daß die Protestanten nach dem Sieg Kaiser Karls V. über den Schmalkaldischen [Seite: 34] Bund 1547 gezwungen waren, den Katholiken gegenüber Kompromisse zu machen. Die große Tragik im Leben des Flacius war, daß er wie kein Zweiter am Kerngedanken der Lehre Luthers festhielt und sich nicht wie die meisten Kollegen den neuen Machtverhältnissen anpassen wollte und damit zusehends in eine Isolation geriet.
1549 mußte Flacius Wittenberg verlassen; er übersiedelte nach Magdeburg, wo er das "Interim" zwischen Katholiken und der Partei Melanchthons bekämpfte. Er lehnte jede Verhandlung mit denjenigen Protestanten ab, die in Glaubensfragen aus politischen Gründen Kompromisse gemacht hatten. In Magdeburg arbeitete er eng mit dem Prediger Nikolaus Gallus zusammen, der später in Regensburg Superintendent werden und in der Reformationsgeschichte Kärntens eine große Rolle spielen sollte. Bei seinen historischen Forschungen arbeitete er mit Kaspar Nydbruck, einem Berater des Kronprinzen Maximilian, zusammen, der in Wien eine große Bibliothek zusammengetragen hatte. Flacius plante die Organisation eines umfassenden und auf Quellenforschung beruhenden Geschichtswerkes, in dem Jahrhundert für Jahrhundert aufgezeigt werden sollte, wie der Geist des Evangeliums von der Verweltlichung und Verflachung bedroht worden sei. Daraus entstand das umfassende Werk der sogenannten "Magdeburger Centurien", die von 1559 bis 1574 in 13 Bänden erschienen. Bei einer zweiten Reise nach Albona dürfte er 1552 auch die Verhältnisse in Kärnten kennengelernt haben. In Klagenfurt fand damals das vom Gurker Bischof Johann von Schönburg initiierte Verfahren gegen den Lehrer Michael Kerner statt, bei dem man protestantische Bücher gefunden hatte2. Dies ist gleichzeitig der älteste Nachweis von der Existenz der protestantischen Ständeschule in Klagenfurt. Flacius muß davon Kenntnis erlangt haben, denn 1562 war er bei der Formulierung des Universitätsplanes über die Verhältnisse in Klagenfurt gut informiert3. 1556 veröffentlichte Flacius den "Catalogus testium veritatis", ein Werk, in dem etwa 400 bedeutende Gestalten vorgestellt werden, die sich kritisch gegenüber dem Papsttum geäußert hatten. In diesem Werk zeigte Flacius sich mit den Verhältnissen der Slowenen in Kärnten gut vertraut. [Seite: 35] [Porträt Mathias Flacius Illyricus (1520-1575)] [Seite: 36]
Um diese Zeit waren die Städte Kärntens bereits mehrheitlich protestantisch. 1555 übersiedelte der aus Kärnten stammende frühere steirische Landeshauptmann Hans Ungnad von Sonnegg nach Deutschland. Der "Luther der Slowenen", Primus Truber (1508-1586), der 1547 vom Laibacher Bischof exkommuniziert worden war, hatte 1550 mit dem "Catechismus in der Windischen Sprach" [Anm. H.S.: Digitalisat Ausgabe 1555] und dem "Abecedarium" in Tübingen die beiden ersten slowenischen Bücher drucken lassen. 1557 hatte er die Übersetzung der Evangelien ins Slowenische vollendet und übernahm 1562 die Organisation der evangelischen Kirche in Krain, im gleichen Jahr, in dem Ungnad in Urach bei Tübingen eine Druckerei gründete, in der viele slowenische und kroatische Bücher gedruckt wurden.
Flacius Illyricus war mittlerweile 1557 zum Professor für Neues Testament an die Universität Jena berufen worden. Hier machte sich die Spaltung der Protestanten in die Anhänger Melanchthons ("Philippisten") und "Flacianer" bald bemerkbar. Flacius und seine Anhänger wurden von etlichen Fürsten, besonders von Kurfürst August von Sachsen, heftig bekämpft. In einer einwöchigen Disputation bezeichnete Flacius 1560 die Erbsünde als zur Substanz des Menschen gehörig. Im Dezember 1561 kam es daher zur Entlassung der Flacianer an der Universität in Jena. Über Thüringen floh Flacius nach Nürnberg und von dort nach Regensburg zu seinem Freund Gallus, wo er im Februar 1562 ankam.
Mittlerweile waren neue Pläne in ihm gereift. Er erkannte, daß man die Balkanvölker nur dann für einen Kampf gegen die Türken gewinnen könne, wenn man sie in ihrer Sprache ansprechen würde. Flacius verband nun Grundgedanken des Humanismus mit dem Eifer für die Reformation. Es sollten Bücher in den slawischen Sprachen gedruckt und der Bildungsstand der Balkanvölker angehoben werden. Regensburg und das zweisprachige Klagenfurt — es gab damals in Klagenfurt auch eine Pfarrei mit slowenischem Gottesdienst — sollten dabei eine führende Rolle einnehmen. Überall dort, wo es protestantische Universitäten gab, konnte die neue Lehre tiefere Wurzeln schlagen. Damit sollte das Netz der Wirksamkeit der Jesuiten an den Universitäten in Ingolstadt, Wien und Padua unterbrochen werden. Eine Buchdruckerei sollte die geplante Universität in Regensburg und die "Halbuniversität” ("Semiacademiola") in Klagenfurt in ihrer Wirksamkeit unterstützen. Allerdings war Flacius skeptisch, ob der Stadtrat von Regensburg und die Kärntner [Seite: 37] Stände als Stadtherren von Klagenfurt sich dieses Schatzes würdig erweisen würden. Flacius hatte offenbar schlechte Erfahrungen mit den Kärntner Ständen gemacht. Er arbeitete nun Vorschläge ("Cogitationes") aus. Mit Mathias Klombner (Clomberger), dem ehemaligen Sekretär der Krainer Stände, hatte er diesbezüglich Kontakte aufgenommen. Am 12. Jänner 1562 schrieb er an Nikolaus Gallus nach Regensburg und teilte ihm die "Cogitationes" mit, die Gallus in deutscher Sprache an Ungnad, die österreichischen Protestanten und nach Laibach und Klagenfurt sandte. Diese sind uns im Original erhalten4. Flacius wollte zunächst in Regensburg für die aus Jena geflüchteten Studenten Vorlesungen halten, dachte dann aber auch an Hörer aus Österreich. Weiters wollte er eine protestantische Intelligenz heranbilden, die in der Lage sei, die Führung der Kirchen zu übernehmen. Von seiner Heimat aus hoffte er auch, in Venedig und Norditalien den Protestantismus verbreiten zu können. Auch vertrat er die Ansicht, daß die Reformation, die zwar die nationalen Literaturen fördern sollte, letztlich eine internationale Kulturbewegung sei. Deswegen bot sich Klagenfurt in einem bereits protestantischen Umfeld und am Schnittpunkt der deutschen, slawisch-"illyrischen” und italienischen Kulturwelt als idealer Standort für eine Hochschule an. Er fürchtete jedoch, daß die Kärntner Stände nicht genügend Mut aufbringen würden, eine protestantische Universität zu gründen. ("Sed non audebunt id illi homines facere, nec vel mediocrem defensionem lectoribus polliceri poterunt.") Nikolaus Gallus reichte den Antrag am 17. Februar 1562 kurz nach der Ankunft des Flacius in Regensburg beim Stadtrat ein. Er erwähnte jedoch nicht, daß Flacius in erster Linie mit Studenten aus den Gebieten des Kaisers rechnete, von dem die Reichsstadt in gewisser Weise abhängig war. Von einer Reaktion der Stadtväter in Regensburg und der Kärntner Stände ist nichts bekannt. Unterstützt wurde das Projekt jedoch von einigen österreichischen Adeligen (Rosenberg und Enenkel), die zum Unterhalt der Universität [Seite: 38] beitragen wollten. Klombner schrieb aus Laibach an Ungnad, man wolle Flacius unterstützen, "damit das Werk der halben hochen Schul angieng"5. Aber auch die Gegner waren bereits am Werke, denn ein Gelingen des Planes hätte die Stellung des Flacius innerhalb des Protestantismus enorm gestärkt. Schon Anfang 1562 ersuchte Kurfürst August von Sachsen Hans Ungnad, den Druck kroatischer Schriften des Flacius zu vereiteln.
Das Scheitern der Pläne des Reformators, die protestantische Schule in Klagenfurt zu einer Hochschule auszubauen, ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, daß Maximilian II., der als Prinz den Druck der "Magdeburger Centurien" gefördert hatte, angesichts der Türkenbedrohung umschwenkte. Ungnad fügte sich dem Wunsch des Kurfürsten, der sich zusehends mit Maximilian II. arrangierte.
1563 reiste Flacius ein drittes Mal zurück in seine Heimat nach Albona. Auf der Rückreise besuchte er in Laibach den Superintendenten Primus Truber, der 1562 aus dem Exil in Deutschland zurückgekehrt war und 1563 die "Slowenische Kirchenordnung" verfaßt hatte, die auch ein regelrechtes Schulwesen mit Volksschule und Slowenisch als Lehrfach vorsah. 1563 wurde ähnlich wie zuvor in Klagenfurt auch in Laibach eine ständische Schule gegründet, deren Rektor Sebastian Krell, ein Schüler des Flacius Illyricus, wurde, der in Tübingen und Jena studiert hatte und nun mit Flacius nach Laibach gekommen war. Während Truber eher auf Württemberg ausgerichtet war, tendierte Krell in Richtung Regensburg. Trubers Wirksamkeit in Krain wurde von Klombner, der bisher die führende Rolle in Laibach gespielt hatte, bekämpft. Der Flacianismus gewann vor allem nach Trubers Vertreibung im Jahre 1565 an Einfluß, da er "in Klombner einen leidenschaftlichen Anwalt fand und eine Reihe von Geistlichen ihm nicht abgeneigt war"6.
Truber hatte Flacius 1563 acht Tage lang freundlich als Gast aufgenommen, obwohl ihm bewußt war, wie isoliert der Reformator war. Der eifersüchtige Klombner erwartete sich vom Besuch des Flacius eine Stärkung seiner eigenen Position. Flacius begriff in der Folge nicht, daß die Zeit gegen ihn arbeitete. 1566 veröffentlichte er sein Werk "De [Seite: 39] translatione Imperii Romani ad Germanos", mit dem er den neuen Kaiser Maximilian II. für sich zu gewinnen hoffte. Als er dem Kaiser jedoch im gleichen Jahr in Augsburg gegenübertrat, spürte er bald, daß Maximilian sich von den Vorstellungen seiner Jugendzeit distanziert hatte. Im Oktober 1566 mußte Flacius Regensburg verlassen. Er übersiedelte nun nach Straßburg, wo er bis 1573 blieb und unter dem Schutz des Theologen Johannes Marbach stand, dessen Sohn Philipp von 1585 bis 1593 Rektor des Klagenfurter Gymnasiums war.
Wie sah es nun um 1563, als Flacius Illyricus vermutlich letztmals in Kärnten war, mit dem Flacianismus in dieser Gegend aus? 1517 war der Villacher Student Georg Krainer Student in Wittenberg; 1526 schenkte Sigmund von Dietrichstein der Stadt Villach das Patronatsrecht über die Stadtpfarrkirche St. Jakob, und 1527 war Georg Krainer Pfarrer in Maria Gail. Michael Kerner, der erwähnte Leiter der Klagenfurter Ständeschule, war 1536 in Wittenberg Student bei Luther und Melanchthon gewesen. Der aus Katau in Böhmen stammende Klagenfurter Pfarrer Martin Knorr führte 1563 die deutsche Messe in Klagenfurt ein. Zu dieser Zeit war der Protestantismus in Klagenfurt bereits die vorherrschende Kraft. Die ersten Prediger waren allesamt vorher katholische Pfarrer gewesen. Problematisch wurde es, als man mit diesen Predigern nicht mehr auskam.
1542 war in Regensburg die Reformation eingeführt und im Jahre darauf Nikolaus Gallus zum Superintendenten bestellt worden. 1552 dankte Sigmund Georg von Dietrichstein Gallus für alle Wohltaten, die er Kärnten erwiesen habe7. Zur Vorbereitung des Landtages des Jahres 1566 wollte man sich gegen die Vorwürfe des neuen Regenten, Erzherzog Karls, schützen und ließ ein "Christliche einfeltige bekendtnus" drucken, das von Gallus verfaßt war und zu den frühesten Drucken gehört, die von Kärnten aus initiiert wurden. 26 ehemals katholische Pfarrer hatten das Bekenntnis unterschrieben, das bis 1578 in Kärnten in Geltung blieb. "Viele Formulierungen des Kärntner Bekenntnisses atmen den kompromißlosen Geist des Flacius. Gallus stand in dauerndem Briefwechsel mit Kärntner Pfarrern, die ihn als theologische Autorität anerkannten und ständig um Rat fragten. Es ging so weit, daß Gallus sogar Kärntner [Seite: 40] Pfarrer ordinierte."8 Auch in abgelegenen Orten in Kärnten wurde die Postille des Cyriakus Spangenberg gefunden, der in Eisleben Führer der Flacianer war. Man kann dieses Bekenntnis von 1566 jedoch nicht als Beweis dafür ansehen, daß der Flacianismus damals in Kärnten vorgeherrscht habe. Immerhin waren der Villacher Pfarrer Hauser und der Lieseregger Pfarrer Balthasar Wurzer Flacianer und standen nachweislich seit 1565 im Briefkontakt mit Gallus, der Flacius bis zu diesem Jahr die Treue hielt. 1568 entschuldigte Hauser sich gegenüber Gallus wegen seiner Nachlässigkeit in Äußerlichkeiten. Als Martin Knorr Klagenfurt 1570 verließ, wurde Hauser Superintendent von Kärnten. Auch Pfarrer Balthasar Wurzer von Lieseregg, der das Bekenntnis mit unterschrieben hatte, ersuchte Gallus 1565, den Prädikanten Stefan Haßler zu ordinieren9. 1569 erwähnt Pfarrer Peter Lasacher zu Krems im Liesertal in einem Brief, daß auch Mag. Adam Raunacher in Klagenfurt zu den Predigern gehöre, die von Nikolaus Gallus eingesetzt worden seien.
Spürbar wird der Einfluß der Flacianer in Kärnten zu einem Zeitpunkt, als Gallus sich bereits von Flacius getrennt hatte. Eine zentrale Rolle spielte dabei Andreas Lang aus Eger, der 1566 als Pfarrer in einem Ort bei Chemnitz entlassen wurde, weil er Flacianer war, und der nun in den Dienst von Ludwig Ungnad von Sonnegg trat, der ihn 1569 auf seine Herrschaften Waldenstein im Lavanttal, nach Cilli zu seiner Herrschaft Rann in Unterkrain als Begleiter mitnahm. 1570 erschien sein Buch "Fünff Hunger Predigten allen Christen zur warnung, Lehre und Trost", die den Kärntner Ständen gewidmet waren. Allein der Magistrat von St. Veit subskribierte 16 Exemplare des Buches. Von seinem 1569 in Chemnitz erschienenen Buch "Von der Seligkeit" gab er 1576 als Prediger in Klagenfurt eine 2. Ausgabe heraus; 1587 erschien noch nach Langs Tod eine weitere Auflage. 1571 erschien sein Predigtband "Der hohe thewre Eydt Gottes, Hezekiels am XXXIII. Cap. in sechs Busspredigten".
Ein weiteres Indiz für den Einfluß der Flacianer in Kärnten ist die Berufung des Hieronymus Haubold zum Leiter der Klagenfurter Ständeschule (1574). Dieser war von 1566 bis 1568 Rektor der Schule zu [Seite: 41] [Abbildung: Brief des Flacius Illyricus vom 12. Jänner 1562 an Nikolaus Gallus, in dem er ihm den Plan mitteilt, in Klagenfurt eine Akademie zu gründen (Regensburg, Stadtarchiv)] Geringswalde bei Rochlitz in Kursachsen gewesen, die als "Flacianernest” von Kurfürst August nach nur zwei Jahren geschlossen wurde. Haubold floh nun nach Regensburg, wo er ebenfalls Rektor des Gymnasiums wurde. Nach dem Tode des Nikolaus Gallus († 1570) wurde Wolfgang Waldner sein Nachfolger, der sich 1574 ganz der Richtung des Augsburger Bekenntnisses Philipp Melanchthons zuwandte. Haubold wurde 1574 wegen seiner scharfen Verteidigung der Erbsündenlehre des Flacius in Regensburg entlassen und übernahm die Leitung des "Collegium Sapientiae et pietatis" in Klagenfurt. Am 21. Oktober 1574 erließ er eine neue Schulordnung, die leider nicht mehr erhalten ist. Als es 1574 zum Streit zwischen Andreas Lang und dem aus Württemberg kommenden Stadtpfarrer Ambrosius Ziegler kam, weil letzterer die Erbsünde als "Accidenz" und nicht als "Substanz" des Menschen sah, trat Haubold auf die Seite Langs. Am Ende des heftigen Streites wurden alle am 26. September 1575 von den Ständen entlassen. Lang und Haubold ließen eine Rechtfertigungsschrift drucken, die leider nicht mehr erhalten ist. Lang wurde dann Pfarrer in Wülfersdorf bei Mistelbach a. d. Zaya, wo er 1583 starb. Seine Schriften blieben in Kärnten populär und gehören zur noch nicht geschriebenen "Vorgeschichte" des Buchdruckes in Kärnten. Hieronymus Haubold kam nach Eferding, wo er bis zu [Seite: 42] seinem Tode im Jahre 1579 wirkte. Cyriakus Spangenberg betreute nun die Kärntner Flacianer von der Grafschaft Mansfeld aus; zu Hausers Katechismus von 1574 lieferte er eine Vorrede. Johann Hauser mußte Villach 1579 verlassen, aber noch 1582 und 1594 wurde sein Katechismus neu gedruckt. Mit der Entlassung von Hauser, Lang und Haubold verloren die Flacianer in Kärnten ihre wichtigsten Anführer. 1579 mußte auch Hausers Freund Peter Lasacher aus Bleiberg weichen, ebenso Blasius Gemmerer aus Seeboden und Johann Weißensteiner aus Pusarnitz. Diese drei Prediger ließen noch im gleichen Jahr die Schrift "Christliche ware Bekendtnus von der ERBsünde Petri Lasacher, Johan Weysensteiner, Blasij Gemmerer, auß Kärndten verurlaubten Predigern" drucken — ein weiteres Beispiel für die kulturschöpferische Kraft des Flacianismus, der in Kärnten zu Druckwerken führte, als es noch keine Buchdruckerei gab! Cyriakus Spangenberg tröstete die Getreuen 1579 in seiner "Christlichen Ermanungsschrifft" an die "guten Freunde alle im Bleyberg, zu Villach, zum Spittal und Gmünde, auch andre in Kärndten, sonderlich am Lurnfeldt". Der Rostocker Professor David Chyträus, der sich große Verdienste um das protestantische Schulwesen in Innerösterreich erwarb, arbeitete 1578 eine Kirchenordnung für die Steiermark, Kärnten und Krain aus, in der der Flacianismus als Irrlehre abgewiesen wurde. Die protestantischen Reichsstände arbeiteten eine "Formula concordiae" aus, die Primus Truber auf Befehl des Herzogs von Württemberg Ende 1579 den Ständen in Innerösterreich übersandte. 1580 erschien die Konkordienformel in Tübingen gedruckt; Primus Trubers Sohn Felician brachte sie nach Graz, Klagenfurt und Laibach und sammelte die Unterschriften der Prediger. 85 Pfarrer und Lehrer aus Kärnten unterschrieben die Formel; ihre Namen finden sich im "Christlichen wiederholetem einmütigem Bekendtnuss", das 1582 in Heidelberg gedruckt wurde. Damit hatte die Augsburger Richtung endgültig über den Flacianismus in Kärnten gesiegt. Interessant ist jedoch, daß sich der Geheimprotestantismus in Kärnten in den Gebieten am besten behauptete, die flacianisch gewesen waren.
Wir haben nun die Entwicklung des Flacianismus in Kärnten von den Anfängen an untersucht und sind dabei den Ereignissen rund um den Universitätsplan für Klagenfurt (1561/62) und die letzte Reise des Reformators in seine Heimat, auf der er auch Kärnten besucht haben dürfte (1563), weit vorausgeeilt. Leider sind uns so gut wie keine Quellen über diese Zeit im Leben des Flacius erhalten. Klagenfurt und Kärnten [Seite: 43] aber blieben immer ein Teil seiner Pläne und Kombinationen10. Zunächst fällt auf, daß Ungnad den Reformator auf ein Gebot des sächsischen Kurfürsten hin nicht mehr bei seinem Plan unterstützte, in Klagenfurt slowenische und kroatische Bücher drucken zu lassen. Die Stände schoben finanzielle Probleme vor. Am 12. März 1563 schrieb Ungnad an Gallus, er habe ihm "des Herrn Illyricus halben geschrieben von wegen des Krabatischen und cyrilischen Druck, und dass ein Landschaft in Kärnten und Krain möcht den teuern Mann dazu gebrauchen, dann er in den höchsten Sprachen erfahren. Nu sag ich, dass die Landschaften wenig sich hierum beladen werden ... Die Landschaften haben Schulden, werden nicht weiter zahlen. Was sie tun wollten, das haben sie geleistet."11 Dem gemäßigteren Primus Truber gewährten die Kärntner Stände 1561 jedoch großzügig eine Unterstützung von hundert Talern12. Auch weiterhin spielen Kärnten und Klagenfurt in der Korrespondenz zwischen Flacius und Nikolaus Gallus bis 1566 eine Rolle, gelegentlich sogar noch in der Straßburger und Frankfurter Zeit. Gallus blieb Flacius auch nach 1567 verbunden, als er sich theologisch von ihm getrennt hatte. 1566 druckte Flacius in Regensburg die "Otrozha biblia" (Kinderbibel) mit einem Katechismus auf kroatisch, slowenisch, deutsch, lateinisch und italienisch, der als Lehrbuch in der Schule zu Laibach dienen sollte. Über Antwerpen und Frankfurt kam er 1568 nach Straßburg, wo er fünf Jahre blieb. 1570 starb sein Freund Gallus in Regensburg. Die Bemühungen des Tübinger Theologen Jakob Andreae um die Konkordienformel führten auch in Straßburg zur Vereinsamung des Flacius. Nach seiner Vertreibung aus Straßburg besuchte er noch einmal seine Getreuen in der Grafschaft Mansfeld und in Schlesien und Berlin. Müde und erschöpft kam er Ende 1574 nach Frankfurt, wo er am 11. März 1575 starb. Er hinterließ etwa 270 Schriften, unter denen besonders die "Magdeburger Centurien", der "Catalogus testium veritatis" und das hervorragende theologische Werk "Clavis scripturae sacrae" — ein 1567 in Basel erschienenes Werk über biblische Hermeneutik (Schriftauslegung) — noch heute berühmt sind. Der Philosoph Wilhelm Dilthey nannte Flacius den "Begründer der neueren Hermeneutik". Seine Vorstellung, der wahre Geist [Seite: 44] des Evangeliums zeige sich im Laufe der Kirchengeschichte am ehesten bei den Ketzern, ist noch heute aktuell. Er be kämpfte die Versuche derFürsten und bürgerlichen Magistrate, die Kirche dem Staat zu unterwerfen. Als "radikaler" Denker ging er zurück zu den Wurzeln der christlichen Lehre und betrieb systematische Quellenforschung in einer Zeit, in der dies noch keineswegs üblich war. Mathias Flacius Illyricus war sicherlich die historisch bedeutendste Persönlichkeit, die mit dem Klagenfurter Gymnasium in Verbindung stand. "Er war ein leidenschaftlicher und konsequenter Streiter für die Sache des Glaubens, ein bedeutender Humanist, hervorragender Forscher, glänzender Methodologe, umsichtiger Organisator und Systematisator großangelegter und für die Zeit neuartiger wissenschaftlicher Unternehmen."13 Die meisten Druckwerke des 16. Jahrhunderts in Kärnten waren flacianische Schriften. Das Scheitern seines Klagenfurter Universitätsplanes führte dazu, daß der Kärntner Raum für Jahrhunderte durch ein Bildungsdefizit gekennzeichnet war, das bis in die Gegenwart spürbar geblieben ist.