Ordo Iudiciarius (altfriesisch)

Ordo Iudiciarius (altfriesisch)

Inhaltsverzeichnis

[Editorial]

Zur digitalen Version: Die Präsentation des digitalen Textes, der hier nur geringfügig umstrukturiert dargeboten wird, verdankt sich der freundlichen Erlaubnis der Erben von Wilhelm Ebel, der das Emsiger Recht ediert hatte. Der digitale Text wurde noch unter meiner Leitung im Deutschen Rechtswörterbuch hergestellt und dem Textarchiv hinzugefügt, woraus ich jetzt die altfriesische Übersetzung des "ordo iudiciarius antequam" herausgenommen habe und in dem Webportal zu diesem Ordo mit anderen Textzeugen zusammenstelle.
Heino Speer, Klagenfurt am Wörthersee, im November 2017.

Quelle: Das Emsiger Recht / hrsg. von Wybren Jan Buma ... - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1967. - 303 S. (Altfriesische Rechtsquellen ; 3).

Erläuterungen zum Text: Buma-Ebel S. 13-15:
"4. Seiner Herkunft nach nicht eigentlich friesisches Recht überhaupt und dem Emsland sozusagen nur zufällig zugeordnet ist das in diesem Band (unter D) mehr anhangsweise aufgenommene Stück vom "Foertgong des gastelika riuchtes". K. Frhr. v. Richthofen, der diese nur in einer Abschrift des 18. Jahrhunderts (von der Hand des Bremer Syndikus Gerhard Oelrichs; Hs. im Staatsarchiv Wolfenbüttel) erhaltene Quelle als erster veröffentlichte12, tat dies unter der unrichtigen Bezeichnung "Das Verfahren der Sendgerichte". Es handelt sich hier indes nicht um Sendrecht, vielmehr um die altfriesische Übersetzung eines im Mittelalter viel benutzten Kompendiums des kirchlichen Prozesses. Seit dem 13. Jahrhundert in vielen lateinischen Handschriften und später auch in (lateinischen und deutschen) Drucken verbreitet, führte es die Namen: Processus iudicii, Ordo iudiciarius, Summula de processu iuris oder auch, nach den Anfangsworten ("Antequam dicam de processu iuris ..."), Summula antequam. Jahrhundertelang schrieb man diese kurze Lehrbuchdarstellung des kanonischen Prozesses dem berühmten Juristen Johannes Andreae (geb. um 1270 bei Florenz, gest. 1348 zu Bologna) zu. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wies jedoch L. v. Rockinger13 nach, daß die erste Redaktion des Ordo nach dem Jahre 1215 verfaßt, noch vor 1254 aber, mit Rücksicht auf die Dekretalensammlung Papst Gregors IX. eine zweite, endgültige Fassung zustande gekommen sei — alles also, ehe Joh. Andreae geboren wurde. Die daneben seit dem 14. Jahrhundert unter Andreaes Namen umlaufenden Kompendien gleichen oder ähnlichen Wortlauts gehen wohl auf Nachschriften von Vorlesungen zurück, die der "fons et tuba iuris" über den Ordo gehalten hatte. Der Glanz seines Namens bewirkte, daß später auch der ursprüngliche Ordo iudiciarius ihm zugeschrieben wurde. Außer einer Anzahl erhaltener Handschriften zeugt auch die Tatsache, daß der Ordo schon im 15. Jahrhundert mehrfach [Seite: 13] gedruckt wurde (bis z. J. 1530 sind mindestens 20 Drucke erschienen), von seiner Verbreitung und praktischen Bedeutung. Sowohl Handschriften wie Drucke pflegten dabei ihre Brauchbarkeit dadurch zu erhöhen, daß sie die in dem Werkchen enthaltenen Formulare (citacio delegati, sententia definitiva, appellatio usw.) den örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten anpaßten. Sie nahmen als Papstnamen denjenigen ihrer Zeit und als Ort der Handlung den heimatlichen Kirchensprengel. Daraus können wir heute wieder auf das Alter der Handschrift und auf ihre Entstehungslandschaft (Salzburg, Köln, Mainz, Prag, Breslau usw.) Schlüsse ziehen.
Außer den lateinischen Hss. gibt es, wie schon bemerkt, auch eine ganze Anzahl deutscher Übersetzungen, dazu eine dänische (von 1498) und eine friesische. P. Gerbenzon14 hat nachgewiesen, daß die fünf erhaltenen altfriesischen Hss. des Processus iuris auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen15. Die Abschreiber dieser Vorlage haben aber bei den Formularen wieder ihre eigenen örtlichen und zeitlichen Beziehungen berücksichtigt, Personen- und Ortsnamen ihrer Landschaft eingesetzt, so daß die Hss. als zum Westergo, nach Franeker usw. gehörig zu bestimmen sind. Alle erhaltenen Handschriften sind ins 15. Jahrhundert zu setzen.
Eine von ihnen ist unser "Foertgong des gastelika riuchtes". Personen- wie Ortsnamen weisen ihn eindeutig ins Emsland. In den Formeln erscheint der Propst zu Emden, ein Pfarrer zu Wirdum, ein Bauer aus Wirdum usw., und geschrieben wurde die Hs., wie sie selbst am Schluß angibt, von einem Manne namens Folkhard aus Reide im Jahre 1457. In der Formel der citatio (D 12 b) wird ein Papst Gregor genannt. Da wir jedoch die Wahl zwischen Gregor IX. (1227—1241), X., XI. und XII. (1406—1415) haben, hilft dies nicht viel. Wir müssen uns mit der Feststellung begnügen, daß der Schreiber Folkhard von einer älteren Vorlage abgeschrieben hat, die in den Pontifikat eines Papstes Gregor fiel, aber wohl auch schon die emsländischen Bezüge enthielt (andernfalls hätte er wohl auch den Papstnamen geändert). Die Tatsache der Abschrift bestätigt den auch sonst bezeugten praktischen Gebrauch des Processus iudicii in den geistlichen Gerichten Frieslands im 15. Jahrhundert. Macht dies alles auch nicht die Hs. zu einer solchen des altfriesischen Rechts, so aber doch zu einer solchen der friesischen Rechtssprache. Dies allein sollte die (zusätzliche) Aufnahme in die Altfriesischen Rechtsquellen rechtfertigen."

[Kapitel I.]

[§. 1 ] Al eer ick begen tho spreken fon da foertgonghe des gastelika riuchtes, so schaltu aldereerst wyta hweth is riucht and da onderschedyngha des riuchtes and hwet dees personan wesa schelleth in da riuchte.
[Bevor ich von dem Verfahren des geistlichen Gerichtes zu sprechen anfange, sollst du zuerst wissen, was ein Gericht ist und die Arten des Gerichtes und welche Personen im Gericht zugegen sein sollen.]

[§. 2 ] Thet riucht is een ewa thrira mynschen, di riuchter, di onspreker and ti sitter, deer in da riuchte sent. Oers lyude send under thidum needtreftich in da riuchte, thi orkyn, di redesman, di bysitter, di voerspreka and dy thoharker.
[Das Gericht ist eine Rechtsverhandlung dreier Menschen, die im Gericht sind, (nämlich) des Richters, des Klägers und des Beklagten. Andere Leute sind zuweilen im Gericht erforderlich: der Zeuge, der Rechtsbeistand, der Beisitzer, der Prozeßvertreter und der Vernehmer.]

[§. 3a ] Di is riuchter, deer da seka schath. Hi wert heten riuchter, hwent hi det riucht deelt, iefta hi hath riuchter om da riuchtuerdicheith, hwent hi riuchtuerdich wesa schel.
[Richter ist derjenige, der die Sache entscheidet. Er wird Richter genannt, weil er das Recht zuerkennt, oder er heißt Richter wegen der Gerechtigkeit, weil er gerecht sein soll.]
[OIA.2 ]

[§. 3b ] Thrira honda riuchter sender, deth is di ordinarius and thi legaet and ti arbytrarius. Dees ordinarii send dees riuchters, deer hebbet da macht des riuchtes fon hym seelm als da proghesten and presteren and byscopen. Dees legaten send riuchteren, deer deth riucht byfelen is fon een orym als fon da pawes ief fon da pawes ryuchtere. Dees arbytrarii send ryuchteren, deer keren send fan beda egghum by hiarra ayna wylla.
[Dreierlei Richter gibt es, nämlich den ordentlichen Richter und den beauftragten Richter und den Schiedsrichter. Ordentliche Richter sind die Richter, welche die richterliche Gewalt aus sich selbst haben, wie die Pröpste und die Priester und die Bischöfe. Beauftragte Richter sind Richter, denen die Rechtsprechung von einem anderen, wie von dem Papst oder von dem päpstlichen Richter, übertragen worden ist. Schiedsrichter sind Richter, die von beiden Parteien aus freiem Willen gewählt sind.]
[OIA.3 ]

[§. 3c ] Thria seka sender, deer een mon neen riuchter vm wesa en mey, det is dyu nature, dyu ewe and di syd. Diu nature is, det een daef mon jefte stum jef dertin mon mey neen ryuchter wesa. Diu ewe is: een vrbond mon and een prester, der monslachtich is, and een myslawich mon and een heden mon mey neen riuchter wesa. Det is syd and plegha, det neen frouwe mei riuchter wesa um hyr onstedich syns wylla.
[Drei Gründe gibt es, aus denen ein Mann kein Richter sein kann, nämlich (solche) der Natur, des Gesetzes und der Sitte. Der natürliche (Grund) ist, daß ein tauber oder stummer oder wahnsinniger Mann kein Richter sein kann. Der gesetzliche (Grund) ist, (daß) ein im Banne befindlicher Mann und ein Priester, der jemanden getötet hat, und ein Ketzer und ein Heide nicht Richter sein dürfen. Es ist Sitte und Brauch, daß keine Frau, wegen ihres unsteten Wesens, Richter sein darf.]
[OIA.4 ]

[§. 4a ] Dy onspreker is di ghene, deer an oern onsprect in da ryuchte. Dy sitter is di iena, deer onspretzen werth.
[Der Kläger ist derjenige, der einen anderen vor Gericht verklagt. Der Beklagte ist derjenige, der verklagt wird.]

[§. 4b ] Dit is gastelik riucht, det een vrbond mon mei neen oenspreker wesa, huant hi heeth neen stal in da riuchte, hor hi noder syn vor spreka.
[Dies ist geistliches Recht, daß ein im Banne befindlicher Mann kein Kläger sein darf, weil er nicht vor Gericht auftreten darf, weder er noch sein Prozeßvertreter.]
[OIA.5 ]

[§. 5a ] Dy is orkyn, deer da werd foerthbrenck in det ryucht.
[Zeuge ist der, welcher im Gericht die Wahrheit bekunden (soll).]
[§. 5b ] Monigherleye wys vrbyuth det gastelika ryucht anne mon orkyn to wesan and dryften fon da ryuchte, det is forword, det slacht, dyu eelde, diu fryundscup, det quade hlud and det loech and dyu tyd.
[Aus mancherlei Gründen verbietet das geistliche Recht einem Manne, Zeuge zu sein, und schließt ihn vom Gericht aus; diese können sein: der Stand, das Geschlecht, das Alter, die Freundschaft, der schlechte Ruf und der Ort und die Zeit.]
Dyu forword is det een ayn knapa mey neen thiuch wesa; neen wyf mei wesa orkyn in ener haudseka, als ma sprect om thiufta ieft monslachte.
[Der Stand bedeutet, daß ein unfreier Knecht kein Zeuge sein darf; keine Frau darf Zeugin sein in einer Strafsache, wenn man wegen Diebstahls oder Totschlags klagt.]
Dit is gastelic riucht: diu eelde, det neen kynt mey orkyn wesa.
[Dies ist geistliches Recht: Das Alter (bedeutet), daß kein Kind Zeuge sein darf.]
Dit is fon quade hlude: so hwa byruchtiget is mit tiufte, myt monslacht, myt meened, mit morde ief myth dislicum, di mei neen orkyn wesa.
[Dies gilt von schlechtem Ruf: Wer übel beleumundet ist wegen Diebstahls, Totschlags, Meineides, Mordes oder dergleichen, der darf kein Zeuge sein.]
Dit is gastelic riucht: een erm mon mey neen orkyn wesa, huent det is weninghe, det hyt dwe om goed, and det to vrstonden fon da onhouwyscha [and] gyriga erma and naet fon al da ermen.
[Dies ist geistliches Recht: Ein armer Mann darf kein Zeuge sein, weil die Meinung herrscht, daß er es um des Gutes [Geldes] willen tue, und das soll verstanden werden von dem schamlosen und gierigen Armen und nicht von allen Armen.]
Dit is gastelic riucht, det een heden mon and een myslawych mon and een Iuda mey neen orkyn wesa.
[Dies ist geistliches Recht, daß ein Heide und ein Ketzer und ein Jude nicht Zeuge sein dürfen.]
Dy orkyn scal also weel spreka fon da loech and fon der tyd.
[Ein Zeuge soll sowohl über den Ort wie über die Zeit aussagen.]
[OIA.6 ]

[§. 6a ] Advocatus is di redesman, di da seke myde besprect um bede jefta omb goed.
[Advocatus ist der Rechtsbeistand, der die Sache auf eine Bitte hin oder gegen Entgelt mit (der Partei und dem Prozeßvertreter) bespricht.]

[§. 6b ] Manichfaelda seka vrbyadet anne mon redesmon tho wesa: det quade hluet and een ayn knapa, een blynd mon, een kynd, een monyck and een canonick. Een monick mei wesa redesman myt orlyff sins prelates. Al een ryucht ist fon da canonick, and det in hiarra ayne sekum jefta hiarra thziurka.
[Mancherlei Umstände verbieten einem Manne, Rechtsbeistand zu sein: ein schlechter Ruf und (wenn er) ein unfreier Knecht, ein blinder Mann, ein Kind, ein Mönch oder ein Kanoniker (ist). Ein Mönch darf mit Erlaubnis seines Prälaten Rechtsbeistand sein. Das gleiche Recht gilt von dem Kanoniker, und zwar in seinen eigenen Sachen oder (in denen) seiner Kirche.]

[§. 6c ] Dit is gastelic riucht, det een prester mei wesa neen redesman meer den in fiower sekum, in syner ayner seeck and syner tziurka and fon siner sybdeel, als fon brodren, sustern, newa and nyften, and ermer lyuden, wydua and wesa and lommer lyuden.
[Dies ist geistliches Recht, daß ein Priester kein Rechtsbeistand sein darf außer in vier Sachen: in seiner eigenen Sache und (in der) seiner Kirche und für seine Verwandten, wie Brüder, Schwestern, Neffen und Nichten, und für arme Leute, Witwen und Waisen und Gelähmte.]
[OIA.7 ]

[§. 7 ] Dy bysitter is di gena, deer by da ryuchter sit and deer di ryuchter redes fon fregath, ieef hy seluen naet neet.
[Der Beisitzer ist derjenige, der bei dem Richter sitzt und den der Richter um Rat fragt, wenn er ihn selber nicht weiß.]
[OIA.8 ]

[§. 8a ] Di foerspreka is di gena, deer enis monnis ief monnigher monna word sprect.
[Der Prozeßvertreter ist der, welcher das Wort eines (anderen) Mannes oder mehrerer Männer spricht.]

[§. 8a ] Om mannichfalda seka mucht een mon neen forspreka wesa als een rydder ief een frouwe ief een urbond mon ief een kynd ief een thorper.
[Aus mancherlei Gründen darf eine Person kein Prozeßvertreter sein, nämlich (wenn sie) ein Ritter oder eine Frau oder ein im Banne befindlicher Mann oder ein Kind oder ein (ungewandter) Dörfler (ist).]
[OIA.9 ]

[§. 9 ] Auditor is di gene, deer wrhert sulke wyslike punten als oerkenscup to foerstoenden.
[Auditor (Vernehmer) ist derjenige, der solche Beweispunkte wie etwa eine Zeugenaussage durch Verhör klärt.]
[OIA.9 ]

[Kapitel II.]

[§. 10a ] Dit is fon da onbegyn des gastelike riuchtes, hudeen hit se.
[Dies handelt von dem Anfang des geistlichen Gerichtes, wie er beschaffen ist.]

[§. 10b ] Allereerst so schel di ryuchter ladia den, den ma onsprect, det is de sitter. And als hi to ryuchte kumpt, so scel ma him (iewa) een libel, det is een wtscrift fon der oenspreeck. And nei da libel so aecht hi een first, hyn to byreden, hweder hi playtie so naet. Als di bereed to eynde is, deer hym iewen is, so scal hi tho da riuchte cuma, dy sitter, and so mei hi this playtis and des riuchtes naet ontgaen; so scel hi anderdia da oenspreker.
[Zunächst soll der Richter den, welchen man verklagt, das heißt den Beklagten, vorladen. Und wenn dieser vor Gericht erscheint, so soll man ihm eine Klageschrift (Libell) übergeben, das ist eine Abschrift der Klage. Und nach (Übergabe) der Klageschrift hat er Recht auf eine Frist, um sich darüber zu beraten, ob er einen Rechtsstreit führen soll oder nicht. Wenn die Bedenkzeit, die ihm gegeben worden, vorbei ist, so soll er, der Beklagte, vor Gericht erscheinen, und dann kann er der Verhandlung und dem Recht nicht entgehen; dann soll er dem Kläger antworten.]

[§. 10c ] Det hat lis contestata and is heten in da riuchte een vrgaderynghe des oensprekers and des sitters. Als diu spreke gadirkemen is in det riucht, so schel di oenspreker and ty sitter ayder anne eth swera, hwetsa di riuchter fregat fon der seke, deer hya umme playtiet, det hia da werd foertbrenghe and neen leyn by hiarra witam. Alhyr schellet da egghen foertbrengha da orkenschup. Alhyrney hiarra breef tho bywisen and tho progien hierra spreke. Alhyrney schel ma der orkenna spreka hera in da ryuchte on beda eggha ondwerdie fon der seka, deer hia vmme playtiath.
[Dies heißt litis contestatio, wie in der Rechtssprache eine Zusammenkunft des Klägers und des Beklagten genannt wird. Wenn Klage und Antwort beide beim Gericht eingereicht sind, sollen der Kläger und der Beklagte jeder einen Eid schwören, daß sie nach ihrem (besten) Wissen die Wahrheit und keine Lüge vorbringen sollen, was immer der Richter über die Sache, um die sie sich streiten, fragen mag. Hier(auf) sollen die Parteien die Zeugen vorführen. Danach (haben sie) ihre schriftlichen Beweismittel vorzuzeigen und ihre Klage zu beweisen. Danach soll man die Aussage der Zeugen über die Sache, um die sie sich streiten, in Gegenwart beider Parteien im Gericht hören.]

[§. 10d ] Als dit algadder deen is and di riuchter da seeck wrsteen heth tha punten der seke tho scheden, so schal di ryuchter da sentencie and det ordel dela. Is det ordel onryucht, so mey di iena byropa, deer onriucht scheet.
[Wenn dies alles geschehen ist und der Richter die Sache (genügend) zur Kenntnis genommen hat, um die Punkte der Sache zu entscheiden, so soll der Richter den Spruch und das Urteil fällen. Ist das Urteil ungerecht, so kann derjenige, dem Unrecht geschieht, Berufung einlegen.]
[OIA.11 ]

[§. 10e ] Dit is di voertgonch and dyu iowynghe des gastelika riuchtes als hyrney screuen is.
[Das Verfahren und die Gewohnheit des geistlichen Gerichtes sind so, wie in der Folge beschrieben ist.]

[§. 10f ] Allererst di riuchter ladeth den sitter. Aldeerney iewe hi det libellum, alderney syn fyrst fon der onspreke. And als da spreka thogadirkemen send ant da eeth den and dees orkenschijp derney and da festigat and epenberynghe der orkynna, aldeerney det playth, aldeerney diu sentencie. Is diu sentencie quaet, diu beropinghe fulgeth alderney.
[Zunächst lädt der Richter den Beklagten vor. Danach gebe er (ihm) das libellum, darauf seine Frist für die Klage(beantwortung). Und wenn die Klage und die Antwort beide eingereicht und die Eide geschworen und die Zeugen darauf (vorgebracht) und diese anerkannt sind und die Zeugenaussage (stattgefunden hat), (so soll) danach die Verhandlung (und) darauf der Urteilsspruch (erfolgen). Ist der Urteilsspruch ungerecht, (so) folgt darauf die Berufung.]
[OIA.12 ]

[Kapitel III.]

[§. 11a ] Allereerst schella wy syaen det riucht fon der ladyngha.
[Zunächst wollen wir das Recht der Vorladung betrachten.]

[§. 11b ] Dyu ladynghe is een thwongh enes mynsches to da ryuchte and is een beghyn der seke, det ney da gastelika ryucht dyu seke bygunnen is.
[Die Vorladung ist die Nötigung eines Menschen, vor Gericht zu erscheinen, und ist Anfang des Rechtsstreits, so daß nach geistlichem Rechte die Sache (damit) begonnen hat.]

[§. 11c ] Dit is gastlic riucht. Ief een mon ladeth werth fon een ryuchter and di mon, deer denne ladet is to da ryucht, and hi faer den under een oer ryucht, so schal hi allycwel blywa under den riuchter, deer hym ladet heeth.
[Dies ist geistliches Recht: Wenn ein Mann von einem Richter vorgeladen wird und der Mann, der dann vor Gericht geladen ist, sich unter eine andere Gerichtsbarkeit begibt, so soll er dennoch unter dem Richter bleiben, der ihn vorgeladen hat.]
[OIA.13 ]

[§. 12a ] Nu schaltu wyta, det dyu citatio is diu laynghe, and is thyra honda wys, and ellick heth xiiii degan; ief een oeder, der beter is, diu hath peremptoria, det is begrypelick, and aldus wert di sitter begripelike ladet.
[Nun sollst du wissen, daß die Ladung citatio heißt und sie erfolgt zu drei Malen, und jede hat (eine Frist von) vierzehn Tagen; oder (es erfolgt) eine andere, welche besser ist, die heißt peremptoria, das bedeutet zwingend, und so wird der Beklagte zwangsmäßig geladen.]
[OIA.14 ]

[§. 12b ] Dit is gastelic riucht, det di ryuchter des pauses, det is di legatus, and di riuchter, deer det riucht heth fon des pauses ryuchter, als fon da legaet, da schelleth scriwa in hiarra citatio, det [is] in tha breue der ladyngha, da materie des pauses brewe iefta des riuchters, deer him det riucht befelen heth, ney der forma, deer det breef inhalt:
"Iohannes, bi der nede Godes progest in da loghe, befelen riuchter fon usa hera da pause, her Sybold, kercher tho Wyrdem, sillichede in Gode. Ick untfeen da breef uses hera des pauses in alduscher werd:
[Dies ist geistliches Recht, daß der päpstliche Richter, das heißt der Legat, und der Richter, der die Gerichtsbarkeit im Namen des päpstlichen Richters, nämlich des Legaten, ausübt, in ihrer citatio, das ist in der Ladungsschrift, den Inhalt des Schreibens des Papstes oder des Richters, der ihm die Rechtsprechung aufgetragen hat, in der Form, wie der Brief lautet, anführen sollen, (z. B.): "Johannes, von Gottes Gnaden Propst in dem Orte X., Richter im Auftrag unseres Herrn, des Papstes, (wünscht) Herrn Sybold, Pfarrer zu Wirdum, Seligkeit in Gott. Ich habe ein Schreiben unseres Herrn, des Papstes, mit folgendem Wortlaut erhalten:]
Gregorius, een knapa der knapena Godis, use liawe sune, thi progest to Ameda, selichede and pauslike benedynghe. Foer ws is ekemen clagian Peter fon Maienhof, thet B. and L. and oers presteren and leyen fon Astedel, thet hia Peter fon Maien scheldich send and wold dwe in syne gode. Alderumme byfele ick di myth der pausliker macht, thet du da egghen togaderladie and hiarra seka vrstand and wrher, sonder byropyngha, and thet thu se schede and dwe deer thu welt and byfelth hymmen by da bonne, thet hia det festelike halde. Da thiuch, deer aldeertho nometh send, ief hia da werde nelle nawet foertbrengha and hia det lete umme friundschup ief umbe haet, umbe [nith] iefta [ongest] , dettu hia thwynghe by da bonne, det hia da werd forthbrenghe. Vtjewen ty Rume."
["Gregorius, Knecht der Knechte Gottes, (wünscht) unserem lieben Sohne, dem Propst zu Emden, Seligkeit und (gibt ihm) den päpstlichen Segen. Vor uns ist Peter von Maienhof mit der Klage erschienen, daß B. und L. und andere Priester und Laien von Astedel ihm, Peter von Maien, (etwas) schuldig seien und Gewalttaten gegen sein Gut begangen hätten. Daher befehle ich Dir kraft der päpstlichen Gewalt, daß Du die Parteien zusammen vorlädst und ihre Sache zur Kenntnis nimmst und hörst, ohne Berufung (zuzulassen), und daß Du sie entscheidest und tust, wie es Dir beliebt, und ihnen bei dem Banne befiehlst, daß sie das unverbrüchlich einhalten sollen. Wenn die Zeugen, die dabei genannt sind, die Wahrheit nicht ans Licht bringen wollen, und sie das aus Freundschaft oder Haß, aus Neid oder Furcht unterlassen, so sollst Du sie bei dem Banne zwingen, daß sie die Wahrheit offenbaren. Ausgestellt zu Rom."]
By der selwa macht byfele ic ti, det thu da selwa B. and L. tofara ws ladie op den friendei efter pynxten to Amada, Onna burman tho Wirdum tho ryuchte and werde. Wtjewen tho Ameda."
[Kraft derselben Gewalt befehle ich Dir, daß Du die obengenannten B. und L. am Freitag nach Pfingsten zu Emden vor uns lädst, um Onna, Bauersmann zu Wirdum, gerichtlich Rede und Antwort zu stehen. Ausgestellt zu Emden."]
[OIA.15 ]

[Kapitel IV. Feiertage]

[§. 13a ] Alhyrney schaltu wyta, det thi ryuchter nanne mon ladia mey neer scal in der tyd, deer urbeden is; and send thria tyda, det send hachtida and diu arn [and] diu roscha tyd.
[Danach sollst du wissen, daß der Richter keinen Mann in der Zeit, in der (Gericht zu halten) verboten ist, vorladen darf oder soll; und solcher Zeiten gibt es drei, das sind die hohen Festtage und die Ernte und die unerwartet eintretende (Freuden)zeit.]
[OIA.16 ]

[§. 13b ] Da hachtida, deer set send in da era Godes and siner helghen, det is de sunnendei, alle aposteldeghar and oers alle helga deghar, der ma fireth. In disse hachtidum so ne mey di riuchter naet ladia ner riuchta, neen ordel dela, al ist by willa by beda egghum.
[Die hohen Festtage, die zu Ehren Gottes und seiner Heiligen angeordnet sind, sind der Sonntag, alle Aposteltage und alle anderen Heiligentage, die man feiert. An diesen hohen Festtagen darf der Richter weder (jemanden) vorladen noch verhandeln lassen noch ein Urteil fällen, wenn es auch mit Willen beider Parteien wäre.]
[OIA.17 ]

[§. 13c ] Dyu onlediga tyd, deer set is um da needdrefth derra lyudena, det is diu hatyd, diu korntyd.
[Die sehr beschäftigte Zeit, die wegen der Notdurft der Menschen angeordnet ist, ist die Heuzeit und die Getreideerntezeit.]
[OIA.18 ]

[§. 13d ] Diu roscha tyd is, als een londishera sprect, hi se op den dei bern, ief det him se een kynd bern, ief hi hebbe den sy wonnen wr syn fianden; disse tyd halt ma nu naet.
[Die unerwartet eintretende (Freuden)zeit ist da, wenn ein Landesherr sagt, er sei an dem Tage geboren, oder ihm sei ein Kind geboren, oder er habe den Sieg über seine Feinde gewonnen; diese Zeit hält man jetzt nicht ein.]
[OIA.19 ]

[Kapitel V. Kontumaz]

[§. 14 ] Dit is gastlic riucht, thi sitter se ladeth fon da riuchter, hi cume ief hi cume naet; kumtter naet and hi wrsma det ryucht, so schel di riuchter him tho bonne dwaen and scrywa in syn breef fan hwam hi det riucht hebbe, hwer fon da pawese sa fon des pauses riuchter sa fon hwam, and scriwa huervm hyn ladet hebbe and hine tho bonne dwe.
[Dies ist geistliches Recht: Ist ein Beklagter von dem Richter vorgeladen, so kann er erscheinen oder nicht; erscheint er nicht und verachtet er (damit) das Gericht, so soll ihn der Richter in den Bann tun und in seinem (Bann)brief schreiben, von wem er die Gerichtsbarkeit (erhalten) habe, entweder von dem Papst oder von dem päpstlichen Richter oder von wem immer; und (er soll auch) schreiben, weshalb er ihn vorgeladen habe und ihn in den Bann tue.]
[OIA.20 ]

[§. 15a ] Dit is gastelic riucht: kumtti sytter naet and mey hine untsceldigia itta nesta dey, so unscheldighia hi hine.
[Dies ist geistliches Recht: Erscheint der Beklagte nicht, und kann er sich am nächsten Tage entschuldigen, so mag er seine Entschuldigung vorbringen.]

[Kapitel VI. Die Prozesseinrede und ihre Arten]

[§. 15a ] And du schalt wita, hwet dyu onscheldyngha se. [OIA.23] Diu onscheldingha is twyra honda wys, deer thi sitter hyn myde unscheldigia mei. [OIA.24] Diu erste diu hat dilatoria, det is untemelick, hwent aldeerby werth dyu seke vnteyn. Det is untemelick, als di sitter sprect toienes den riuchter, under tidum toienes det riucht, under tidum tojenes den onspreker jef syn foerspreka jefta tojenist da tyd, der hi uppa ladit is.
[Ferner sollst du wissen, was eine Entschuldigung [d.h. Einrede] ist. Die Entschuldigung [Einrede] , mit welcher der Beklagte sich der Klage entschlagen kann, ist von zweierlei Art. Die erste heißt dilatoria, das ist aufschiebend, denn dadurch wird die Sache aufgeschoben. Das ist aufschiebend: wenn der Beklagte Einspruch gegen den Richter erhebt, mitunter (auch) gegen die Gerichtsbarkeit, bisweilen (auch) gegen den Kläger oder dessen Prozeßvertreter oder gegen den Termin, zu dem er vorgeladen ist.]
[OIA.22
OIA.23
OIA.24 ]

[§. 15a ] Dit is gastelic riucht, det di sitter mei spreka thojenes den riuchter and queda aldus: "Hera, y mughen myn riuchter naet wesa, y send ayn; jefta aldervmme, det iu een quaet hlued wr geeth; ief y send in da bonne; iefta y send my wrsmalich, hwant y myn fiand send; iefta aldeerumme, det y myn wyrseka bisibbeth sent."
[Dies ist geistliches Recht, daß der Beklagte Einwände gegen den Richter erheben und wie folgt sprechen kann: "Herr, Ihr dürft mein Richter nicht sein, Ihr seid von unfreier Geburt; oder deswegen, weil Ihr in üblem Ruf steht; oder: Ihr seid in dem Banne; oder: Ihr seid mir verwerflich, weil Ihr mein Feind seid; oder deswegen, weil Ihr mit meinem Gegner verwandt seid."]
[OIA.25 ]

[§. 15d ] Dit is gastlic riucht, det di sytter mei spreka toienis dine onspreker and queda: "Hi ne mei mi naet onspreka, hwent hi is in da bonne, hi een heth neen stemma in da riuchte." Also mey spreka di sitter tojenis thine foerspreka this onsprekers.
[Dies ist geistliches Recht, daß der Beklagte einen Einwand gegen den Kläger erheben und sprechen kann: "Er darf mich nicht verklagen, weil er in dem Banne ist; er hat keine Stimme im Gericht."" Einen gleichen Einwand kann der Beklagte gegen den Prozeßvertreter des Klägers erheben.]
[OIA.26 ]

[§. 15e ] Dit is gastlic riucht, detti [sitter] mey spreka tojenis syn riuchter and queda: "Hera, y mughen my naet laya, hwent ick hera under iu riucht naet, ick byn onder da riucht fon Wtracht and [y] fan Colne." Dis onscheldingha doech tojenes den byscop and dine progest, mar thojenes den pawes so is se naet, hwant di pauwes mei laya wt alla riuchtin.
[Dies ist geistliches Recht, daß der Beklagte einen Einwand gegen (die Zuständigkeit) seines Richters erheben und sprechen kann: "Herr, Ihr dürft mich nicht vorladen, weil ich Euerem Gericht nicht unterstehe; ich stehe unter Utrechter und Ihr unter Kölner Gerichtsbarkeit." Diese Entschuldigung gilt dem Bischof und dem Propst gegenüber, aber dem Papst gegenüber ist sie nicht gültig, weil der Papst aus allen Gerichtssprengeln (jemanden) vorladen kann.]
[OIA.27 ]

[§. 15f ] Dit is gastlic riucht, detti sitter spreka schel fontter tyd and [queda] : "Riuchter, my mei ma naet laya in dyr tyd, hwant dit riucht rest nu. Alderumme, riuchter, aschie ic myne kostfellinga fon hym."
[Dies ist geistliches Recht, daß der Beklagte einen Einwand gegen den Termin erheben und sprechen mag: "Richter, man darf mich in dieser Zeit nicht vorladen, weil die Gerichtstätigkeit jetzt ruht. Deshalb, (Herr) Richter, fordere ich Ersatz meiner Kosten von ihm [dem Gegner] ."
[OIA.28 ]

[§. 15g ] Diu letere unscheldynghe is diu hat peremptoria, det is bygriplich; and di sitter da biprogia, sa wrwynt hi thine onspreker to lycker wys. And spreke thi sitter to da onspreker: "Du fregest to my tyaen merck and du hestes my al voriewen" iefta: "Du hest my untheten, dettu nawet op my schalt spreka om dit goed", als dit biprogat is, so scel di sitter fri wesa fon da riuchte and di oenspreker ewelic to swigiane.
[Die andere Entschuldigung [Einrede] ist die, welche peremptoria heißt, das bedeutet: zwingend; wenn der Beklagte die begründet, so besiegt er zugleich den Kläger. Und spricht der Beklagte zum Kläger: "Du forderst zehn Mark von mir und Du hast sie mir schon erlassen" oder: "Du hast mir versprochen, daß Du mich nicht wegen dieses Gutes belangen willst", so soll der Beklagte, wenn dies bewiesen ist, vom Rechtsanspruch befreit sein und (hat) der Kläger für immer davon zu schweigen.]
[OIA.29 ]

[§. 15h ] Dit is gastlic riucht: ief di sitter ladet is and kum to da riuchte and mei thisse foer[seida] unscheldingha nout hebba ief bewisa, so schel hi anderdia da onspreker.
[Dies ist geistliches Recht: Wenn der Beklagte vorgeladen ist und vor Gericht erscheint und diese vorerwähnten Entschuldigungen [Einreden] nicht geltend machen oder beweisen kann, so soll er dem Kläger Rede und Antwort stehen.]

[§. 16 ] Dit is gastlic riucht, det ma da sittere epenberia scel da onspreke fon da onsprekere and so schal ma him iewe een libellum fon dir onspreeck, als det gastelike riucht seyth. Soe aech hi first xx degan, der hi hine birede, hor hi in da riuchte stonde so hi hym bekanne.
[Dies ist geistliches Recht, daß man dem Beklagten den Anspruch des Klägers mitteilen soll, und so soll man ihm, wie das geistliche Recht sagt, ein libellum überreichen. Dann hat er Recht auf eine Frist von zwanzig Tagen, in der er sich darüber beraten mag, ob er sich vor Gericht verteidige oder sich schuldig bekenne.]
[OIA.30 ]

[Kapitel VII.] De libello convencionali.

[§. 17a ] Nu schaltu wita, hwet is det libel and hu met jeva scel and hu meth dichta schal.
[Von der gerichtlichen Klageschrift. Nun sollst du wissen, was ein Libell ist und wie man es überreichen und wie man es abfassen soll.]
[Konkordanzdatei fehlt. ]

[§. 17b ] Libellum is een scryfte der onspreke and scel oen wesa thi riuchter and thi noma des sitters and thi noma des oensprekers and det goed, der ma vmbe sprect, and scel aldus edicht wesa: "Hera riuchter, ic Peter fon da loghe, ick hebbe leend Paulo in da loghe c merka goldis bi der tyd tho bitaliane etc."
[Libellum ist eine Klageschrift und soll die Namen des Richters und des Beklagten und des Klägers und den Gegenstand, um den man klagt, enthalten, und soll so abgefaßt sein: "Herr Richter, ich Peter im Orte A. habe Paul im Orte B. hundert Goldmark geliehen, (die) zu der und der Zeit (zurück)zuzahlen (sind)."]
[OIA.31 ]

[§. 17c ] Nu schaltu wita, det dit libellum der onspreke hat aldeerumme een libel, hwent di sitter weert deermyde oenspreken jef vrwonnen fon da onspreker.
[Nun sollst du wissen, daß dieses libellum deswegen Libell heißt, weil der Beklagte damit von dem Kläger verklagt oder überführt wird.]

[§. 17d ] And thi onspreker schel en libel da riuchter iewa and thi riuchter da sitter.
Und der Kläger soll dem Richter eine Klageschrift überreichen und der Richter dem Beklagten.]

[§. 18a ] Als det libel iewen is dees sitter, so scel di riuchter iewa da sitter ferst tho byreden, hwer hi in da riuchte stonde jef fon da playte schede.
[Wenn die Klageschrift dem Beklagten überreicht ist, so soll der Richter dem Beklagten eine Frist geben, um sich darüber zu beraten, ob er sich vor Gericht verteidige oder vom Rechtsstreit abstehe.]
[OIA.32 ]

[§. 18b ] And schelleth aec wita, det dit libel naet diunck schel wesa; and wer hit dyunck, so fregia di sitter, det ma him clarie det libel to liker wys: Jef ti onspreker aschet fon da sittere xx merc, soe [scel] hi da sittere bywisa, hudeen ield jefta mente det hit se. Item de onspreker freget anne ecker londis jef oers hwet, so sprect di sitter: "Hocker is di ecker londes jefta hweer leit hit?" Item so schel di onspreker bywisa, hweeromme hi thine ecker ief det ield ief det hws onspreke, hwer hit myth wald byhalde soe hweeromme hyn onspreke.
[Und du sollst auch wissen, daß diese Klageschrift nicht dunkel sein soll; und wäre sie dunkel, so verlange der Beklagte, daß man ihm die Klageschrift erkläre; wie zum Beispiel wenn der Kläger zwanzig Mark von dem Beklagten fordert, so gebe er dem Beklagten an, was für Geld oder Münze gemeint sei. Ebenso wenn der Kläger einen Acker oder sonst etwas fordert, so spricht der Beklagte: "Welcher Acker ist es oder wo liegt er?" Ebenso soll der Kläger angeben, weshalb er den Acker oder das Geld oder das Haus einfordert, ob er [der Beklagte] es gewaltsam in Besitz behalte oder weshalb er ihn verfolge.]
[OIA.33 ]

[Kapitel VIII. Streitbefestigung.]

[§. 19 ] Als umbkemen is diu tyd fon da bireed des libelli, so scelleth kumma da egghen, di onspreker and di sitter, to da riuchte, and di sitter scel onderdia da libello and queda aldus: "Ryuchter hera, der hi my umbe oensprecht, det bykan ic him" iefta: "Ic byseket".
[Wenn die Bedenkzeit für die Klageschrift verstrichen ist, so sollen die Parteien, der Kläger und der Beklagte, vor Gericht erscheinen, und der Beklagte soll auf die Klageschrift antworten und folgendermaßen sprechen: "Herr Richter, dasjenige, weswegen er mich verklagt, das erkenne ich an" oder: "Ich leugne es ab".]
[OIA.35 ]

Aldusdene bekannynghe iefta bysekynge det is beghyn des playtes and hat contestacio litis tofara da riuchte. By der claghe des oensprekers and by da antworde des sitters so bigent det playth, als di onspreker fregat and di sitter besecht.
[ Eine solche Anerkennung oder Ableugnung ist der Anfang der gerichtlichen Verhandlung und heißt vor Gericht litis contestatio. Mit der Klage des Klägers und der Antwort des Beklagten fängt die Gerichtsverhandlung an, wenn der Kläger einen Anspruch erhebt und der Beklagte den bestreitet.]
[OIA.36 ]

[§. 20 ] Dit is gastlic riucht, det al da oentamen deer hyr tofara scriuen send, da schel di sitter nyma, eer hi ontwardie da onspreker, and sunderlinghe eerst thoghenis den riuchter eer da antwerde. And wel hi spreka toienis thine onspreker iefta den forspreker ief togenist da commissio jefta oers breef, det schel hi dwaen eer da antworde.
[Dies ist geistliches Recht, daß der Beklagte von jeder Einrede, die oben beschrieben ist, Gebrauch machen darf, bevor er dem Kläger antwortet, und besonders — vor seiner Antwort — zuerst dem Richter gegenüber. Und will er Einwände erheben gegen den Kläger oder den Prozeßvertreter oder gegen dessen Auftrag oder sonstige Schriftstücke, so soll er das vor seiner Antwort tun.]
[OIA.37 ]

And wel hi widerspreka op thin onspreker, [so schel hi spreka] eer da antworde. Oers mei hi naet spreka, eer diu ara seek schat is, and so schel hi iewe det libel fon synre spreke.
[Und will er Einwände gegen den Kläger erheben, so soll er sich vor seiner Antwort äußern. Übrigens darf er keinen Einwand vorbringen, ehe über die vorhergehende Frage entschieden ist, und dann soll er das über seine Einwände errichtete Libell überreichen.]
[OIA.38 ]

[Kapitel IX.] De juramento calumnie. [Vom Gefährdeeid]

[§. 21 ] Als dit plait aldus begunnen is, so schel di oenspreker and thi sitter ayder anne eth swera, det is di eeth der werde, and is aldeerumbe set, det di oenspreker naet meer spreka scel den diu werd and di sitter onderdia da werd ney syn best. Dis eeth hat calumnie to latine. And hia scellath swera, det hia ney hiarra best da werd swerath and sprekath: and hwet so di riuchter fregath, det hia det epenberia and nene leyne spreka. And alsweel, det hia nene falsche bewysinghe foertbrenghe and neen frist nyme om unthame der seke. And alswal, det se neen goed iewen hebbe noer onheten noer onheta wolle um disse seke, det hiu foertgonge.
[Wenn diese Gerichtsverhandlung in solcher Weise angefangen hat, so sollen der Kläger und der Beklagte jeder einen Eid schwören, das ist der Wahrheitseid, und der ist deshalb vorgeschrieben, weil der Kläger nichts anderes als die Wahrheit reden und der Beklagte nach bestem Wissen wahrheitsgemäß antworten soll. Dieser Eid heißt im Lateinischen (juramentum) calumniae. Und sie sollen schwören, daß sie nach bestem Wissen die Wahrheit beschwören und reden wollen; und was immer der Richter fragt, daß sie das offenbaren und keine Lüge sprechen wollen. Und ebenso, daß sie keinen falschen Beweis führen und keine Frist zur Verzögerung der Sache verlangen wollen. Und gleichfalls, daß sie kein Gut gegeben noch versprochen haben noch versprechen werden wegen dieser Sache, damit sie Fortgang habe.]
[OIA.39 ]

[§. 22 ] Thit is gastlic riucht: nel thi onspreker den eeth naet swera, so is sin spreke orleren. And nel di sitter naet swera den eth, so is det sine pine, det hi scel wesa sceldich lycker wys jef hi in da riuchte wrwonnen were. Dis eth is funden aldeerumme. hu da liude naet jerne swere, hit ne se thet hia wene, det hia ene riuchte sake hebbe.
[Dies ist geistliches Recht: Will der Kläger diesen Eid nicht schwören, so wird seine Klage abgewiesen. Und will der Beklagte diesen Eid nicht schwören, so ist das seine Strafe, daß er schuldig sein soll, gleich wie wenn er vor Gericht überführt wäre. Dieser Eid ist deshalb eingeführt, weil die Leute nicht gern schwören, es sei denn, daß sie glauben, eine gerechte Sache zu verteidigen.]
[OIA.43 ]

[Kapitel X. Vernehmung und Aussage.]

[§. 23 ] Dit is riucht: als da egghen dissen eth sweren hebbeth, so scel ma fregia da eggen bede; des freghinga schelleth dwaen da redesman der eggena. Di redesman des oensprekers di scel bidda den riuchter, det hi fregia den sitter, mith hwet riuchte hi det goed bisitte and fon hwam det hit hym worden se. Ief di sitter sprect, hi hebbet kapeth, soe fregia hi fan hwam hyt kapeth hebbe and hu diure and hweer and in hwams ondert and foer hudeen geld. Alderney schel hi scriwa al sine ontwert, di redesman des oensprekers.
[Dies ist Recht: Wenn die Parteien diesen Eid geschworen haben, so soll man die Parteien beide befragen; diese Fragen sollen die Rechtsbeistände der Parteien stellen. Der Rechtsbeistand des Klägers soll den Richter darum bitten, den Beklagten fragen zu dürfen, mit welchem Recht er das Gut besitze und von wem es ihm zuteil geworden sei. Wenn der Beklagte sagt, er habe es gekauft, so frage er, von wem er es gekauft habe, und wie teuer, und wo, und in wessen Gegenwart, und um was für Geld. Danach soll er, der Rechtsbeistand des Klägers, all dessen Antworten aufschreiben.]
[OIA.44 ]

Item di redesman des bisitters di queth to da riuchter, det hi fregia da onspreker, mith hwet riuchte hi fregie det god fon da sitter. And ieft di onspreker sprect, hi hebbet kapeth, jef hit se hym iewen, jef hwet so hi sprect, det schal di redesmon merkia.
[Ebenso verlangt der Rechtsbeistand des (beklagten) Besitzers vom Richter, den Kläger fragen zu dürfen, mit welchem Rechte dieser das Gut von dem Beklagten fordere. Und wenn der Kläger sagt, er habe es gekauft, oder es sei ihm gegeben worden, oder was er auch spricht, das soll sich der Rechtsbeistand (des Beklagten) merken.]
[OIA.45 ]

[§. 24 ] Dit is riucht: hwet so di sitter bekant in da riuchte, deer tojenis him is, dermyde is hi vorwunnen; and bisect di sitter, so schell di onspreker hebba da bewisingha.
[Dies ist Recht: Was auch nur der Beklagte vor Gericht zugesteht, das gegen ihn spricht, dessen ist er überführt; und leugnet der Beklagte, so soll der Kläger die Beweislast haben.]
[OIA.46 ]

[§. 25a ] Nu sceltu wyta, det fule thertho [scel] , eir ene monne mughe schadia diu iecht.
[Nun sollst du wissen, daß manches dazu gehört, bevor ein Zugeständnis einem Manne schaden kann.]

[§. 25b ] Allererst jef een mon iecht and is hi bynna xiiii ierum, so mei him naet schadia diu iecht ney da riuchte.
[Zunächst, wenn ein Mann etwas zugesteht und er unter vierzehn Jahren alt ist, so kann ihm das Zugeständnis nach dem Rechte nicht schaden.]

[§. 25c ] Dit is riucht: ief en mon iecht fon ongesta, so thuret him naet schadia ney riuchte, hwent diu scrift seyth, det neen trouwa aghe tho stondene, deer in ongesta deen wert.
[Dies ist Recht: Wenn ein Mann aus Furcht etwas gesteht, so darf es ihm nach dem Rechte nicht schaden, denn das Gesetzbuch sagt, daß kein Vertrag bestehen soll, der aus Furcht geschlossen wird.]

[§. 25d ] Det thredde is: ief een mon in dwalinghe deth ene iecht and hi da dwalinghe mugha bywisa and biprogia, so ne schadet diu iecht naet.
[Das dritte ist: Wenn ein Mann aus Versehen ein Zugeständnis macht und er den Irrtum aufzeigen und beweisen kann, so schadet das Zugeständnis (ihm) nicht.]

[§. 25e ] Det fiarde is, det ma beth liuwith tham, deer een iecht deth toienis hym selme, then ma deer iecht mith him selme.
[Das vierte ist, daß man mehr demjenigen glaubt, der ein Zugeständnis zu seinem Nachteil macht, als dem, der etwas zu seinen Gunsten zugesteht.]

[§. 25f ] Det v. is, det en mon ene iecht dwe in tha riuchte tofara syn riuchter, det mey him scadia; and iecht hi buta riuchte, and di riuchter sere naet by, det mei hym naut schadia.
[Das fünfte ist: Wenn ein Mann im Gericht ein Zugeständnis vor seinem Richter macht, so kann ihm das schaden; und gesteht er außerhalb des Gerichts etwas zu, und ist der Richter nicht dabei, so kann ihm das nicht schaden.]

[§. 25g ] Det sexte is: ief een mon iecht, and di oenspreker and syn foerspreka deer naet by se, soe ne mey hym diu iecht naut schadia.
[Das sechste ist: Wenn ein Mann etwas zugesteht und der Kläger und sein Prozeßvertreter nicht dabei sind, so kann ihm das Zugeständnis nicht schaden.]

[§. 25h ] Det soghende is: iecht een mon biusterlick and dunkerlike fon ene tinghe, det mey hym naet schadia.
[Das siebente ist: Wenn ein Mann verwirrt und unklar ein Zugeständnis bezüglich einer Sache macht, so kann ihm das nicht schaden.]

[§. 25i ] Det achtende is: jef een mon jecht theer naet mughelic weer, diu gecht mei him naet schadia, tho liker wys ief hi quede: "Dit is myn suun", and di se x ierum aldra so hi.
[Das achte ist: Wenn ein Mann etwas zugesteht, was nicht möglich wäre, so kann das Zugeständnis ihm nicht schaden, wie wenn er sprechen sollte: "Das ist mein Sohn", und dieser wäre zehn Jahre älter als er.]

[§. 25j ] Det ixe is: ief een edelmon by synre dwalicheit and by synre eenfalldicheit dede ene iecht and det nere also naet, so muchte hym det naet schadia umme sine edelheed, hwant diu edellheit is een thing, der sere unstedich is.
[Das neunte ist: Wenn ein Edelmann infolge seines Irrtums und in seiner Einfalt ein Zugeständnis machte und das nicht richtig wäre, so könnte das ihm an seinem vornehmen Stande nicht schaden, weil der vornehme Stand etwas ist, was sehr unsicher ist.]

[§. 25k ] Det x is: ief een mon iecht gudis, der hia naet umme playtiat, det mei him naet scadia, to lyker wys ief di sitter quede: "Du fregest to my anne ecker londes" and ick spreke: "Ik aech tet hws naet" and hit en is dyn naet" ief: "hit is dyn"; dius iecht daecht naet.
[Das zehnte ist: Wenn ein Mann eine Sache zugesteht, um die sie sich nicht streiten, so kann ihm das nicht schaden, wie zum Beispiel wenn der Beklagte sprechen sollte: "Du forderst einen Acker von mir" und ich sage: "Ich habe das Haus nicht und es gehört Dir nicht" oder: "es gehört Dir"; dieses Zugeständnis gilt nicht.]

[§. 25l ] Det xie is: ief een iuda queth, hi hebbe ene kristene frouwe ief ene iuncfrouwa, det mei det riucht [naet] thelda. Disse fregingha halt ma nu naet in alla loghia and fregat ma nu naet.
[Das elfte ist: Wenn ein Jude sagt, er habe eine christliche Frau oder Jungfrau, das kann das Recht nicht dulden. Diese Befragungen nimmt man jetzt nicht an allen Orten vor, und man fragt (solches) jetzt nicht (mehr).]
[OIA.47 ]

[§. 26a ] Dit is gastlic riucht: als di sitter bysecht deer di onspreker om sprect, so ach di onspreker da oenprouingha, det hi det goed aecht, deer [hi] om sprect.
[Dies ist geistliches Recht: Wenn der Beklagte das leugnet, was der Kläger einfordert, so soll der Kläger den Nachweis erbringen, daß jener das Gut hat, das er [der Kläger] einfordert.]
[OIA.49 ]

[Kapitel XI. Beweis und Beweisarten]

[§. 26b ] Hwet is prouinghe? Diu prouinghe is een bywisingha der werde in twiuelicka thingum.
[Was ist ein Nachweis? Ein Nachweis ist der Beweis der Wahrheit in zweifelhaften Sachen.]
[OIA.50 ]

[§. 26c ] Diu bywisingha is sexerhonda wys.
[Der Beweis ist von sechserlei Art.]
[OIA.51 ]

[§. 26d ] Det erst is diu epenberlicheit der dede, als een prester, deer kynder heth in syn hws, so is diu deed epenbeer, dat he naet unthaldelick is.
[Der erste ist die Augenscheinlichkeit der Tat, wie z.B. bei einem Priester, der Kinder in seinem Hause hat; dann ist die Tatsache offenkundig, daß er nicht enthaltsam ist.]

[§. 26a ] Det lettere is diu unsiune des licma, als een famna queth, det hiu wrkreft se fon ene monne and da frouwen det teken in hyr fyndeth, det hit also naet en is.
[Der zweite ist die Besichtigung des Körpers, wie z.B. wenn ein Mädchen sagt, sie sei von einem Manne vergewaltigt worden, und die Frauen das Zeichen in ihr finden, daß dem nicht so ist.]
[OIA.52 ]

[§. 26f ] Det thredde is by ene hlude, det is als een hlued geeth wr al and allermonick wr een seyth, so ist een weninghe, det hit also se.
[Der dritte ist durch ein Gerücht, nämlich wenn ein Gerücht überall umgeht und alle Leute darin übereinstimmen, so liegt die Vermutung nahe, daß dem so ist.]
[OIA.53 ]

[§. 26g ] Det fiarde is een rosche weninghe, det is als ma siucht anne mon and ene frouwe bede naket togadere, so is det een weninghe, det hi hia bislepen hebbe.
[Der vierte ist eine sofort gehegte Vermutung, nämlich wenn man einen Mann und eine Frau beide nackt zusammen sieht, so liegt die Vermutung nahe, daß er sie beschlafen hat.]

[§. 27a ] Fule sent dir seke der weninghe.
[Es gibt viele Arten der Vermutung.]
[OIA.54 ]

[§. 27b ] Det is diu dumlike weninghe and halt ma naut to riuchte, and is ieft ma anne mon siucht hemelic spreken mith eenra frouwa, det scal ma naut wena, det it se umb bislepen.
[Dies ist die törichte Vermutung und die beachtet man nicht im Rechte: nämlich wenn man einen Mann heimlich mit einer Frau reden sieht, da soll man nicht glauben, es sei wegen des Beischlafs.]

[§. 27c ] Diu dumme weninge is een weninghe, der kumt fon wrsmainghe and fon ene hlude, men di riuchter sceller naet folgia ner nene sentencie umme dela.
[Die unbesonnene Vermutung ist eine Vermutung, die von Verleumdung und von einem Gerücht herrührt, doch soll der Richter ihr keine Folge leisten noch deretwegen ein Urteil fällen.]
[OIA.55 ]

[§. 27d ] Diu trouwelika weninga is di kumt fon lika sekum, det is det een iowe wer syn onderseta pond, so ist to wenen, det him al bitalet se. And dis weninghe lat dine riuchter derto, det hi en ordel dele, hit ne se thet ma det bet biwisa mughe.
[Die glaubhafte Vermutung ist die, welche von übereinstimmenden Sachen herrührt, nämlich wenn jemand das ihm übertragene Pfand wieder herausgibt, so steht zu vermuten, daß er völlig bezahlt sei. Und diese Vermutung bringt den Richter dazu, ein Urteil zu fällen, es sei denn, daß man es besser beweisen könne.]
[OIA.57 ]

[§. 27e ] Item diu weninghe ief diu prowynga is bi oentame des riuchtes, als di ena da orym det riucht naet last, iefta det hi [naet] swerth, dit is aldus iefta aldus naet.
[Ebenso liegt eine Vermutung oder ein Beweis vor in der Verweigerung des Eides, wenn der eine dem anderen den Eid nicht leistet, oder wenn er nicht schwört, dies sei so oder nicht so.]
[OIA.59 ]

[Kapitel XII. Der Zeugenbeweis]

[§. 27f ] And diu provinghe, deer mith orkenschup to proghien is, diu doech; fon lika sekum al een riucht.
[Und der Beweis, der mit Zeugen zu führen ist, gilt (am meisten); für gleiche Sachen (gilt) völlig gleiches Recht.]

[§. 28a ] Allermonnick mey orkyn wesa buta da iennir, deer hyr tofara scriuen sent in disse boke by disse teken [Pfeil] .
[Ein jeder darf Zeuge sein, außer denen, die hier oben in diesem Buche bei dem Zeichen (= Pfeil) geschrieben stehen.]

[§. 28b ] Item da sibben onder hymmen and foer hymmen mughen nene orken wesa. And een knapa and een fanne neer thianslude mughen thiuch dwaen foer hiarra hera. And di leya mey neen orken wesa toienist an prester.
[Ebenso dürfen Verwandte nicht untereinander und füreinander Zeuge sein. Und ein Knecht und eine Magd und Bediente dürfen kein Zeugnis für ihren Herrn ablegen. Und der Laie darf kein Zeuge gegen einen Priester sein.]
[OIA.60 ]

[§. 29a ] Dit is gastlic riucht, detter noech is in twam nogelika thiugum, als det evangelium seit: "In ore duorum vel trium stat omne verbum"; in da werda twira iefta thrira so steeth alle thiu werde, hwant enes monnis thiuch daecht naet.
[Dies ist geistliches Recht, daß zwei taugliche Zeugen genügen, wie das Evangelium sagt: "In ore duorum vel trium stat omne verbum", durch zweier oder dreier (Zeugen) Wort besteht alle Wahrheit, denn das Zeugnis eines (einzelnen) Mannes gilt nicht.]
[OIA.61 ]

[§. 29b ] Da orkennen scelleth naet to riuchte come, eer det playt begonnen is. [OIA.63] Da orkennen schellath swera, oers en is hymmen naet to lewen. Dit schellath hia swera, det hia da werd telle and nene leyna alder oenbrenghe fon desen, der ma hymmen fregath fon der seke and als ofta sa ma hymmen fregath fon da riuchter, and det hia naet swere om goed noer umb frundschup noer om haet noer umb bata, deer hia derfon hewen hebbet ieft hebba mughen ief hebba schelleth.
[Die Zeugen sollen nicht vor Gericht erscheinen, bevor die Verhandlung begonnen hat. Die Zeugen sollen schwören, sonst ist ihnen nicht zu glauben. Dies sollen sie schwören: daß sie die Wahrheit reden und keine Lüge dabei vorbringen wollen in bezug auf das, was man sie über die Sache fragt und so oft als sie vom Richter vernommen werden, und daß sie nicht schwören wollen um Gut noch aus Freundschaft noch aus Haß noch um Vorteil, den sie davon gehabt haben oder haben können oder haben werden.]
[OIA.62 ]
[OIA.63 ]

[§. 29c ] Ney disse eethe so lat di riuchter da orkenen bi sida, to progiane elken bysunderlinghe, den ene efter da orym, and scrift al hiarra weerd and fregath, hweer hi deerby weer. Queth hi, det hi deerby were, so fregat hi in hwetta loghe, op hocken dei ief op hocke nacht, fon hocker tyd in da jera, hu monich jeer ist wesen and hwa was derby, and oers so mei dy riuchter fregia, hwet so hi wel elka orkyn.
[Nach diesem Eide läßt der Richter die Zeugen beiseite führen, um jeden besonders zu prüfen, den einen nach dem anderen, und er schreibt all ihre Worte auf und fragt (jeden), ob er dabei gewesen sei. Sagt er, er sei dabei gewesen, so fragt er [der Richter] : an welchem Orte, an welchem Tage oder in welcher Nacht, zu welcher Jahreszeit, wie viele Jahre vergangen seien und wer dabei gewesen sei? und sonst kann der Richter jeden Zeugen fragen, was er nur will.]
[OIA.64 ]

[§. 29d ] And thi riuchter schel aldus scriwa: "Det Petrus, der sweren heth, dam heb ic fregath fon der seke, der is twiscka B. fan Awerick and Hinrick van Husum, and quath, hi were alderby, da Hynrick dit lond kapath um x merck aeldes jeldis wr thrim jerum; and der were bi her Symon fon Loghe to Loghe, and in da loge kapath uppa houwe. Um hoc tyd fon da dei? Um prymtyd." [OIA.66] And oers punten mei di riuchter fregia, jef hi wel. Item so schel hi fregia da lettera orken and da thredda, ister meer, and scriwa al hierra werd.
[Und der Richter soll in dieser Weise schreiben: "Ich habe Peter, der [als Zeuge] vereidigt ist, nach der Sache gefragt, die zwischen B. zu Aurich und Heinrich zu Husum vorliegt; und er sagte, er sei dabei gewesen, als Heinrich vor drei Jahren dieses Land für zehn Mark in altem Gelde gekauft habe; und (weiter) sei Herr Simon aus dem Orte soundso zugegen gewesen, und es sei in dem Orte soundso auf dem Kirchhof gekauft (worden). Und welche Tageszeit? Zur ersten Gebetsstunde". Und (auch) über andere Punkte kann der Richter fragen, wenn er will. Ebenso soll er den zweiten Zeugen fragen und den dritten, wenn es mehrere gibt, und all ihre Worte soll er aufschreiben.]
[OIA.65 ]
[OIA.66 ]

[§. 29e ] Aldernei so schel di riuchter setta anne dey to epenberiane der orkena word. And als di dei kumt, so schel ma lesa in da riuchte hera spreken wt da brewe an der eggha antworde.
[Danach soll der Richter einen Tag ansetzen, um die Zeugenaussagen bekanntzumachen. Und wenn dieser Tag kommt, so soll man im Gericht ihre Aussagen aus dem Schriftstück in Gegenwart der Parteien verlesen.]
[OIA.67 ]

[§. 30a ] Als dit deen is, so schel di sitter ief syn redesman bidda in da riuchte da nomen der orkena. And so schel bydda di sitter jef syn redesman fon da riuchter anne dei to byreden, hwet hi spreka tojenis da orkenen and hiarra spreke.
[Wenn dies geschehen ist, so soll der Beklagte oder sein Rechtsbeistand im Gericht um die Namen der Zeugen bitten. Und auch soll der Beklagte oder sein Rechtsbeistand sich vom Richter einen Tag erbitten, um sich darüber zu beraten, was er gegen die Zeugen und ihre Aussage einwenden wolle.]
[OIA.68 ]

[§. 30b ] Deernei mei hi spreka, jef hi wel, tojenest da orken aldus: "her riuchter, Bertolt mey neen orkyn wesa, hi is Godfridus broder jef sustersun jef syn newa jef syn knapa jef syn kynd jef hi heth een quad hlud jefta meenedich jef hi is in wrhoer jef thiaf jef scaker jef monslachtich jefta hit [is] een frouwe. Dit is tojenist da personam derre lyudena.
[Danach kann er, wenn er will, in dieser Weise Einspruch gegen die Zeugen erheben: "Herr Richter, Bertold darf kein Zeuge sein, er ist Gottfrieds Bruder oder Schwestersohn oder sein Neffe [Brudersohn] oder sein Knecht oder sein Kind, oder er hat einen schlechten Ruf, oder er ist meineidig oder ehebrüchig oder ein Dieb oder Räuber oder Totschläger, oder es ist eine Frau. Dies sind (die Einwände) gegen die Person der (aussagenden) Leute.]
[OIA.69 ]

[§. 30c ] Dit is hu di sitter spreka mey jef syn redesmon: "ryuchter hera, ic leckie Bertolt aldeeromb, hwent hi seyd naet also Albert, hwent Albert seyt, it were oppa houwe di kaep and B(ertolt) seith op tha merkede. Item B(ertolt) queth op an monendei and A(lbert) op an frigendei; aldeerom spreck ic: "Dius orkenscup daecht naet, omdet hia en twa spreketh fon da loge and fon der tyd. And umdet hi naet bywiset sine spreke, als hy wtbeden heth, soe bidde ick, det y my quyt dele siner spreec and him da swiga todele."
[Hier folgt, wie der Beklagte oder sein Rechtsbeistand (weiter sprechen kann: "Herr Richter, ich verwerfe Bertold deshalb, weil er nicht so wie Albert aussagt; denn Albert sagt, der Kauf sei auf dem Kirchhof (abgeschlossen), und Bertold sagt: auf dem Markte. Ebenfalls erklärt Bertold, (es sei) an einem Montag (gewesen) und Albert: an einem Freitag; deswegen sage ich: Dieses Zeugnis ist untauglich, weil sie [die Zeugen] nicht in dem Orte und in der Zeit übereinstimmen. Und weil er [der Kläger] seinen Anspruch nicht beweist, wie er angeboten hat, so bitte ich Euch, mich von seinem Anspruch zu befreien und ihm Stillschweigen aufzuerlegen."]
[OIA.70 ]

[Kapitel XIII.] De specie probationis. [Von den Arten des Beweises]

[§. 31a ] Dit is fon der proginghe jef bewysinghe, der ma deth myt brewen, der hetet instrumenta. Instrument is een breef, der maket is een [thing] myde to progiane. Twira honda instrument sentter, een epenbeer and een hemelic.
[Dies handelt von dem Nachweis oder Beweis, den man mit Schriftstücken führt, welche instrumenta genannt werden. Ein Instrument [Urkunde] ist ein Schriftstück, das aufgesetzt ist, um damit etwas zu beweisen. Zweierlei Urkunden gibt es: öffentliche und private.]
[OIA.71 ]

[§. 31b ] Det epenbeer instrument is menichfald. Aldereerst so ist een breef, den scriuen heth des keysers orkyn. Leter feer hattet een epenbeer instrument, deer sigelt is myth des biscopes sighel jef sines capellanes ief oers myth een grata hera sigel. Item so hattet een epenbeer instrument fon der macht, deer noghelic is. Fiarda tyt so ist een epenbeer instrument alderomme, det hit in da riuchta scriwen is ande wert. Fifta feer hat hit een epenbeer instrument aldeeromme, det derein scriwen sent tween of three orken. Sexta feer so hat hit en epenbeer instrument, det hit scriwen is wt een epenbeer rekenboke, der ma alle gode in scrift.
[Die öffentliche Urkunde ist mannigfaltig. Zunächst ist es ein Schriftstück, das des Kaisers Urkundsperson [der Notar] abgefaßt hat. Zweitens heißt (das) eine öffentliche Urkunde, was mit dem Siegel des Bischofs oder seines Vikars oder sonst mit dem Siegel eines großen Herrn besiegelt ist. Ebenso heißt eine öffentliche Urkunde, (was) von der Behörde, die zuständig ist, (ausgestellt wurde). Viertens ist es deshalb eine öffentliche Urkunde, weil sie im Gericht geschrieben ist und wird. Fünftens heißt es deshalb eine öffentliche Urkunde, weil darin zwei oder drei Zeugen genannt sind. Sechstens heißt es eine öffentliche Urkunde, weil sie aus einem öffentlichen Rechnungsbuch, in das man alle Güter einträgt, abgeschrieben ist.]
[OIA.72 ]

[§. 31c ] Een hemelic instrument is een breef, deer en mon him let scriwa jef een oern ief him and een orim togadir. [OIA.74] [Ief] bede da egghen hebbet instrumenta jef breef, deer hia welleth hweta myde bywisa, [so] schelle hia det dwaen tofara da epenberinge der orkenna. And ayder ig schel hebbe fon oders brewe een wtscrift, and als da wtscrift scrywen send, so iewe een jewelyc orim syn breef wyder.
[Eine Privaturkunde ist ein Schriftstück, das ein Mann sich oder einem anderen oder sich und einem anderen zusammen aufsetzen läßt. Wenn beide Parteien Urkunden oder Schriftstücke haben, mit denen sie etwas beweisen wollen, so sollen sie dieses vor der Bekanntgabe der Zeugen tun. Und jede Partei soll eine Abschrift des Dokumentes des anderen haben, und wenn die Abschriften angefertigt sind, so gebe jeder dem anderen sein Schriftstück zurück.]
[OIA.73 ]
[OIA.74 ]

[§. 31d ] Monigher honda wys mei ma spreka tojenest det instrument jef det breef. Aldereerst tojenest den threed, tojenes da hond, det is diu scrift, toienest den bulla jef det sighel, and dit is det mast in da pawesbrewin. Een instrument, wonnen fon een wrbonda monne, det doech naet; jef is det instrument bretsen jef det breef, det en daech naet.
[Auf mancherlei Weise kann man Einspruch gegen eine Urkunde oder ein Schriftstück erheben. Zunächst gegen den Faden [Siegelschnur] , gegen die Hand, das heißt die Schrift, gegen das Petschaft oder das Siegel, was am meisten bei Papsturkunden vorkommt. Eine Urkunde, die man von einem im Banne befindlichen Manne bekommen hat, ist ungültig; oder auch wenn die Urkunde oder das Schriftstück beschädigt ist, hat es keine Gültigkeit.]
[OIA.75 ]

[§. 32a ] Deerney, det det sidzane der orkynna and da spreka send deen and da wtscrifte scriwen, and da redesman fon ayder syda hebbeth spreetzen, soe schel di riuchter him wyslike byreda ney da wordem der orkenna and der brewa and sunderlike ney der redene der prouinge der redesmon fon ayder syda. Als di riuchter dit fulkumelike wrsteen heeth, so scel hi da seke dela mith ener endeliker sententien. Hwerumbe hat hit en endelike sententie? Aldeerumb, det hiu anne eynd maket fon der seke, der ma in da riuchte umbe tziweth.
[Danach, wenn die Aussagen der Zeugen und die Klagevorträge beendet und die Abschriften angefertigt sind, und die Rechtsbeistände von beiden Seiten gesprochen haben, soll sich der Richter (das) reiflich überlegen gemäß den Worten der Zeugen und der Schriftstücke und namentlich gemäß den Beweisführungen der Rechtsbeistände von beiden Seiten. Wenn der Richter dies völlig erfaßt hat, so soll er die Sache durch ein Endurteil entscheiden. Weshalb heißt es ein Endurteil? Deshalb, weil es der Sache, um die man sich vor Gericht streitet, ein Ende macht.]
[OIA.76 ]

[Kapitel XIV.]

[§. 32b ] Twyra handa sententie sentter, diu eerst hat interlocutoria and is een hale sentencie, deer deelt wert under da riuchte hoer vm den oenbeghin noer vm den eynd, mer om elkes seka, deer falleth and da playte als fon da libello to jewen jef to clariane jef um ferst jef det libel to riuchtene jef deslika. Diu oder sentencie hat diffinitiva, det is endelic, deer den onbegin des playtes schat and anth.
[Zweierlei Urteile gibt es: das eine heißt Zwischenurteil und ist [in der Sache] ein halbes Urteil, das im Rechtsstreit weder über den Grund noch über das Ende (der Sache) gefällt wird, sondern über andere Fragen, die während der gerichtlichen Verhandlung vorkommen, wie z.B. die Übergabe oder Erklärung eines libellum oder die (Gewährung einer) Frist oder die Berichtigung eines Libells oder dergleichen. Das andere Urteil, das den Grund des Rechtsstreites entscheidet und (diesen) beendet, wird (sententia) diffinitiva genannt, das heißt endgültig.]
[OIA.77 ]
[OIA.78 ]
[OIA.79 ]

[§. 32c ] Nu scaltu wyta, det diu sentencie scel deen wesa and deeld wesa fon da riuchte riuchter. Alsweel schaltu wita, det ma da sententia dela schel sittende and naet stondende, and in da riuchte loghe, der ma plegath to riuchten, naet in der tauerna neer biarbanckum, and in beda egga antwerde, hit ne se det di oeder egh det riucht vrsmaie, so scel di riuchter da sentencie allycwal dela.
[Nun sollst du wissen, daß das Urteil von dem zuständigen Richter gegeben und gefällt werden soll. Ebenfalls sollst du wissen, daß man das Urteil sitzend und nicht stehend fällen soll, und an dem rechtmäßigen Orte, wo man zu richten pflegt, nicht im Wirtshaus oder auf den Bierbänken, und in Gegenwart beider Parteien, es sei denn, daß die eine Partei das Recht verachtet, dann soll der Richter gleichwohl das Urteil fällen.]
[OIA.80 ]
[OIA.81 ]

[§. 32d ] Di riuchter scel da sententie in scrifta iewa and dwaen, jef hiu en daecht naet, and schel da sentencie aldus dichta: "Ick Iohannes progheste to Ameda, riuchter in dir seka twyscha Peter [fon] da ene egghe and Paulus fon da oder egghe um det goed, der hia um playtigat, and heb herd hiarra riucht and hiarra spreke fon disse playte proghet and wrsteen fullcumelike fon der seke by rede frodera lyudena; so deel ic Peter to da swigha ewelika vm det goed fan der macht mynes riuchtes and dele Paulus det gued tho and da kostfellingha, deer hi deen heth buta riuchte and in da riuchte. Dise sentencie is deen to Ameda in da iera uses heren etc."
[Der Richter soll das Urteil schriftlich abfassen und ausfertigen, sonst ist es ungültig, und er soll das Urteil in dieser Weise aufsetzen: "Ich Johannes, Propst zu Emden, Richter in der Sache zwischen Peter einerseits und Paul andererseits wegen des Gutes, um das sie sich gerichtlich streiten, habe ihre Rechtsansprüche und ihre Klagevorträge wegen dieser Sache in dieser Gerichtsverhandlung gehört, geprüft und nach Beratung mit erfahrenen Männern völlig erfaßt; daher erlege ich Peter kraft der Gewalt meines Richteramtes für immer Stillschweigen über dieses Gut auf und spreche Paul das Gut zu und (dazu) Ersatz der Kosten, die er außerhalb des Gerichtes und vor Gericht gehabt hat. Dieses Urteil ist gegeben zu Emden im Jahre unseres Herrn usw."]
[OIA.82 ]

[Kapitel XV.] Appellatio. [Berufung]

[§. 33a ] Appellatio is een beropinghe fon da mynra riuchter to da marra riuchter um een unriuchte sentencie jef om een onriucht bisweringe. Jef di riuchter ene onriuchte sentencie deth jef biswericht, soe mei hyt biropa fon da mynra to da marra riucht, als fon da progest to da byscope, fon da byscop to da pawes, and naet fan da [marra] riucht to da mynra.
[Appelatio ist die Berufung von einem niederen Richter an einen höheren Richter gegen ein ungerechtes Urteil oder gegen eine unberechtigte Beschwerung. Wenn der Richter ein ungerechtes Urteil fällt oder (jemand zu Unrecht) beschwert, so darf dieser dagegen Berufung von dem niederen an das höhere Gericht einlegen, wie z.B. von dem Propst bei dem Bischof, von dem Bischof bei dem Papst, und nicht von dem höheren Gericht an das niedere.]
[OIA.84 ]

[§. 33b ] Nu scaltu wita, det diu byropyngha wesa schel bynna tyaen deghum fon da dei, deer diu sentencie deen is, hwent efter da tyanda dei so mei nemen byropa. And hwasa byropt, di scel sine byropingha bifolgia bynna jere and dei, hit ne se det him syuke oefnyme jefta fangnisse, soe mei hyr bifolgie binna twam jerum.
[Nun sollst du wissen, daß die Berufung innerhalb von zehn Tagen nach dem Tage, an dem das Urteil gefällt ist, erfolgen soll, weil niemand nach dem zehnten Tage Berufung einlegen darf. Und wer Berufung einlegt, der soll seine Berufung binnen Jahr und Tag durchführen, es sei denn, daß Krankheit oder Gefangenschaft ihn daran hindern, dann darf er sie innerhalb zweier Jahre durchführen.]
[OIA.87 ]
[OIA.88 ]

[§. 33c ] Dyu byropinghe scel maket wesa inna scrifte in alduscher wys:
"Ick B[ertolt] weet my beswereget fon juwer sentencie, her progest fon Ameda, der j deeld hebbeth togenest my foer Iohannes omme det goed, and byrope an dene byscop jef an den arsebyscop jef an den pawes and bidde ju, det j my jewe des apostelen."
[Die Berufung soll schriftlich in folgender Weise abgefaßt sein:
"Ich Bertold fühle mich über Euer Urteil beschwert, Herr Propst zu Emden, das Ihr gegen mich zugunsten des Johannes über dieses Gut gefällt habt, und lege Berufung bei dem Bischof oder dem Erzbischof oder dem Papst ein und bitte Euch, mir eine Berufungsbescheinigung zu geben."]
[OIA.89 ]

[§. 33d ] Nu sceltu wita, det dees apostelen send breef, der ma an myde wtsant and dicht ma aldus:
"Allerhellichsta feder and synhera this helligha stolis to Rume, da helliga biscope, her Iohan, een mylde progest to Ameda, al byn ickes onwerdich, mith riuchter eerhafticheit [kyntlike] underdenich[eit] in alle thinghum.

Juwer hellicheed [dwe ick] to wytane, det her Bertolt, toner dir brewa, [heth byropen tofara my] fon der sentencie, deer ick deeld hebbe tojenest [him] foer Iohannes um det goed, deer hia umme playtteten under hymmen. Alderumme so leet ic her Bertold fri and quyt fon myne riuchte and senden juwer helliched myt disse jenwardighe brewem."
[Nun sollst du wissen, daß die Berufungsbescheinigung ein Schreiben ist, mit dem man jemanden ausschickt und das man in dieser Weise abfaßt:
"Dem allerheiligsten Vater und Gerichtsherrn des Heiligen Stuh les zu Rom, dem Heiligen Bischof, [gebe] ich, Herr Johann, demütiger Propst zu Emden, obgleich ich dieses [Amtes] unwürdig bin, mit schuldiger Ehrfurcht meine kindliche Untertänigkeit in allem [zu erkennen] .
Eurer Heiligkeit tue ich zu wissen, daß Herr Bertold, Vorzeiger dieses Briefes, vor mir Berufung eingelegt hat gegen das Urteil, das ich gegen ihn gefällt habe zugunsten des Johannes über das Gut, um das sie sich untereinander gerichtlich gestritten haben. Deshalb entlasse ich Herrn Bertold aus meiner Gerichtsbarkeit und schicke ihn mit dem vorliegenden Schreiben zu Eurer Heiligkeit."]
[OIA.90 ]

[§. 33e ] Nu scaltu wita, det di riuchter, der ma to biropt, di schel urstonda det playt des oenbegyns and den eynd des playtes and riuchta da sentencie, jef diu onriucht is.
[Nun sollst du wissen, daß der Richter, an den man Berufung einlegt, das Gerichtsverfahren vom Anfang bis zum Ende überprüfen und das Urteil, wenn es ungerecht ist, berichtigen soll.]
[OIA.91 ]

[§. 33f ] Allhyr is bigripen di processus, det is di foertgonek fon da gastelika riuchte.
[Hier ist ausgeführt der processus, das heißt das Verfahren des geistlichen Gerichtes.]

[§. 33g ] Explicit processus judicii etc.
Homo est possessor hujus libri.
Conscriptus est liber iste per
me Folcardum, scriptorem de
Reyda, anno domini MCCCCLVII.
[Hier schließt der processus iudicii usw.
N. N. ist Besitzer dieses Buches.
Niedergeschrieben wurde das Buch von mir Folkhard,
Schreiber aus Reide, im Jahre des Herrn 1457.]

Fußnoten
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14.
Excerpta legum S. 225 ff.
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15.
Stärkstes Argument dafür ist das allen vorhandenen Hss. gemeinsame Mißgeschick bei der Übersetzung des lat. condicio (scil. servilis) als "forword" (= Bedingung), obwohl es "Stand" (des Unfreien) bedeutet. S. unsere Ausgabe D 5 b
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