Speyrer Prozeßordnung. Deutsche Übertragung des lateinischen Textes ediert von Otto Riedner, Die geistlichen Gerichtshöfe zu Speier im Mittelalter (Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, Sektion für Rechts- und Sozialwissenschaft H. 26), Bd. II: Texte, Paderborn 1915, S. 3-48 Nr. 1: Das Speierer Lehrbuch des kanonischen Zivilprozesses [Ordo Iudiciarius Antequam sive Ordo Iudiciarius Spirensis]. Vgl. die Interpretation der Prozeßordnung im folgenden Beitrag.
Anmerkung Heino Speer: Im Rahmen des Projektes DRQEdit wurden zwei deutschsprachige Drucke faksimiliert, die Übersetzungen des sogen. "ordo iudiciarius antequam" sind. Einmal der Druck von 1472, dann der Spiegel des Rechten von 1539. Bei der Transkription des ersteren Textes wurde mir deutlich, dass bei diesem vielschichtigen Text eine Präsentation der verschiedenen "Versionen" eine sinnvolle und spannende Aufgabe sein könnte, auch unter dem Aspekt der Informationstechnologie, die ich seit einigen Jahren für die deutsche und österreichische Rechtsgeschichte nutzbar machen möchte.
Da der "ordo iudiciarius" ursprünglich ein lateinischer Text ist, dessen Speyrer Exemplar in einer relativ modernen Edition vorliegt, sollte zunächst dieser Text digitalisiert werden. Dabei stieß ich darauf, dass es an einer — zumindest in Österreich — nicht unmittelbar zugänglichen Stelle, in "Palatia Historica. Festschrift für Ludwig Anton Doll zum 75. Geburtstag"[Titelaufnahme] sowohl eine deutsche Übersetzung des lateinischen Textes durch Andreas U. Friedmann als auch eine Abhandlung über den "ordo iudiciarius" von Pirmin Spieß, dem Herausgeber der Festschrift, gab. Herr Professor Spieß war so freundlich, mir auf Anfrage ein Exemplar der Festschrift zur Verfügung zu stellen. Er wie auch Andreas Friedmann erklärten sich mit schöner Selbstverständlichkeit mit der Erstellung einer digitalen Fassung und deren Präsentierung in meinem Webportal einverstanden. Dafür sei ihnen herzlich gedankt!
Herr Dr. Friedmann war auch so freundlich, seine Übersetzung noch einmal zu kontrollieren und einige Veränderungen vorzunehmen, die hier allerdings nicht dokumentiert sind. Da aber die Faksimileseiten aus der Festschrift Doll [demnächst] mit der digitalen Version verglichen werden können, scheint dies vertretbar zu sein.
Heino Speer
Klagenfurt am Wörthersee
20. November 2017
§ 1 Ein Prozeß ist das rechtlich normierte Zusammen- bzw. Gegeneinanderwirken dreier Personen, nämlich des Richters, des Klägers und des Verklagten. Je nach Umständen sind auch andere Personen nötig, z.B. Zeugen, Anwälte, Beisitzer, Vertreter oder Untersuchungsrichter.
§ 2 Richter ist, wer über den Fall entscheidet, indem er Recht festsetzt und spricht. Er muß gerecht sein, sonst ist er kein Richter.
§ 3 Drei Typen von Richtern gibt es: ordentliche, delegierte und Schiedsrichter. Ordentlicher Richter ist, wer eine eigenständige Jurisdiktion hat, d.h. eigene Amtsbefugnis, etwa ein Bischof, Propst, Dekan. Delegierter ist, wer sich fremder Rechtsprechungsbefugnis bedient, so werden etwa vom Papst und seinen Legaten Richter bestellt. Schiedsrichter hingegen werden von den streitenden Parteien selbst in gegenseitigem Einvernehmen bestellt.
§ 4 Drei Hinderungsgründe gibt es, Richter zu sein: Natur, Gesetz und Anstand. Die Natur verhindert den Tauben, Stummen, Jähzornigen, das Gesetz den Exkommunizierten, den sich seinem Mönchsgelübde entziehenden, den Häretiker und Heiden. Der Anstand verbietet schließlich einer Frau ob ihrer Unbeständigkeit, Richter zu sein. [Faksimile S. 140]
§ 5 Kläger ist, wer gegen einen anderen einen Prozeß betreibt. Verklagten nennt man, gegen wen geklagt wird, Verklagten — nicht Schuldigen! Wer exkommuniziert ist, kann nicht als Kläger auftreten, da weder er selbst noch sein Beauftragter Prozeßfähigkeit besitzt.
§ 6 Zeuge ist, wer vor Gericht Zeugnis ablegt. Viele Hinderungsgründe gibt es, Zeuge zu sein; folgender Merkvers zählt sie auf:
Stand, Geschlecht und Alter, Grips, Ruf,
Vermögen und Glaube, darauf acht’ an einem Zeugen;
auch Verwandte sowie häusliche Verhältnisse.
Der Klerus meidet den Laien und umgekehrt.
Auch Ort und Zeit sind hier von Belang.
Im einzelnen: Eine Person hörigen Standes kann nicht Zeuge sein, auch eine Frau in Kriminalsachen nicht, also bei Eigentums- und Tötungsdelikten. Ein Kind kann nicht als Zeuge auftreten, Torheit hindert, Jähzorn, schlechter Leumund und Lasterhaftigkeit. Arme und Verarmte sind ungeeignet, da man unterstellt, sie seien in ihrer Armut durch Geschenke bestochen. Doch trifft das nur auf nichtsnutzige und ehrlose Arme zu, ein ehrbarer Armer kann nämlich ein trefflicher Zeuge sein. Auch ein Ungläubiger, also ein Häretiker oder Heide ist vom Zeugenstand fernzuhalten. Schließlich muß der Zeuge den genauen Ort und Zeitpunkt des Bezeugten angeben.
§ 7 Anwalt wird der genannt, der gegen Honorar eine Partei vertritt. Es gibt viele Hindernisse, Anwalt zu sein, nämlich: übler Leumund, Hörigkeit, Blindheit, Minderjährigkeit sowie Stand als Mönch oder Regularkanoniker. Doch auf Anordnung seines Abtes oder in Angelegenheiten seines Klosters kann auch der Mönch Zeuge sein, desgleichen der Kanoniker.
§ 8 Beisitzer ist, wer dem Richter beim Prozeß beisteht und ihn nötigenfalls instruiert.
§ 9 Vertreter nennt man den, der auf Geheiß seines Herrn einen oder mehrere Prozesse führt. Ritterstand, Exkommunikation oder etwa Minderjährigkeit disqualifizieren zur Rechtsvertretung, auch eine Frau oder ein Bauer können solche nicht übernehmen.
§ 10 Untersuchungsrichter ist, wem vom Richter die Untersuchung eines bestimmten prozeßrelevanten Sachverhalts übertragen wurde, etwa die Zeugenvernehmung.
Dies zu den Personen. [Faksimile S. 141]
§ 11 Zunächst lädt der Richter den Verklagten vor. Dort bekommt dieser die Klageschrift und erhält dann Bedenkzeit zu entscheiden, ob er in den Prozeß eintreten will oder davon abstehen. Nach Ablauf der Frist muß der Verklagte erneut vor Gericht erscheinen und — so ihm keine Einreden zukommen, durch die er den Prozeß abbiegen kann — dem Kläger gegenüber den Vorwurf einräumen oder abstreiten. Letzteres nennt man Streitbefestigung. Haben die Parteien also den Streit befestigt, so ist beiderseits der Kalumnieneid zu leisten. Darauf werden die Parteien, also Kläger und Verklagter, vom Richter zur Hauptsache befragt. Sodann müssen die Parteien zur Bekräftigung ihrer Rechtsauffassung Zeugen und Urkunden vorlegen. Darauf sind im Beisein beider Parteien die Zeugenaussagen vor Gericht zu verkünden, über die anschließend diskutiert wird. Wenn das alles abgeschlossen ist, muß der Richter — sowie er über den Sachverhalt genügend instruiert ist — den Prozeß entscheiden durch ein abschließendes Urteil, gegen das Berufung eingelegt werden kann, wenn es untauglich ist.
§12 Dieses prozessuale Vorgehen prägt der Merkspruch ein:
Erst lädt der Richter den Verklagten vor,
gewährt ihm dann nach Aushändigung der Klageschrift Bedenkzeit.
Über die umstrittene Sache erfolgt darauf die Streitbefestigung, nach ihr der Parteien Kalumnieneid.
Zeugen werden gesucht und Urkunden, werden produziert und veröffentlicht;
darüber wird entschieden und ein abschließendes Urteil verkündet.
Ist es schlecht, so soll der beschwerten Partei Berufung eingeräumt werden.
§13 Eine richterliche Vorladung ist das Herbeirufen einer Person zu Gericht. Sie ist das A und O des Prozesses, so daß das kanonische Recht durch diese den Prozeß als aufgenommen ansieht. Wenn also ein Richter jemanden vorlädt und der Vorgeladene nach Eingang der Ladung sich in die Jurisdiktion eines anderen, d.h. in die Gerichtszuständigkeit eines anderen Richters begibt, so kann er dadurch den Prozeß vor dem ersten Richter nicht mehr abbiegen, da ihm dessen Vorladung zuvorkam.
§ 14 Eine Vorladung muß vorgenommen werden entweder durch dreimalige Verkündung mit je l4tägiger Frist oder, was besser ist, peremptorisch so, daß der Verklagte bei erstem Antreffen peremptorisch geladen wird.
§ 15 Ein delegierter, etwa vom Papst oder seinen Legaten bestellter Richter muß [Faksimile S. 142] der gerichtlichen Vorladung seine vom Papst oder dessen Legaten ausgestellte Ermächtigungsurkunde inserieren, etwa so:
W., von Gottes Gnaden Speyrer Domdekan und vom Papst bestellter Einzelrichter, an jenen Priester. Wir empfingen folgende päpstliche Litterae: "Papst Alexander grüßt seinen Sohn, den Dekan von Speyer, und gibt ihm seinen apostolischen Segen. Der Speyrer Bürger H., genannt an der Ecke, hat uns seine Klage darüber vorgetragen, daß der Ritter B. von Weißenburg und einige andere Kleriker und Laien aus den Städten bzw. Diözesen Mainz, Worms und Würzburg in bestimmten Schulden, Besitzungen und anderen Sachen ihm Unrecht täten. So beauftragen wir Dich mit diesen päpstlichen Litterae, die Parteien vorzuladen, sorgfältig zu verhören, den Fall ohne Appellationsmöglichkeit zu entscheiden und den Entscheid unter Androhung von Kirchenstrafen durchzusetzen, Zeugen aber, die benannt wurden und sich der Aussage aus Gunst, Haß oder Furcht entziehen wollen, mit gleichen Kirchenstrafen zu wahrhaftem Zeugnis zu zwingen. Gegeben zu Rom, den 27. April unseres vierten Pontifikatsjahres [= 1258]." Kraft dieses Mandates beauftragen wir Dich, genannten Ritter B. auf Freitag nach Pfingsten vorzuladen, um sich dort dem Speyrer Bürger H. gerichtlich zu verantworten. Gegeben zu Speyer am Tage des heiligen Servatius.1 |
§ 16 Der Richter kann und darf nicht an Feiertagen vorladen. Drei Arten von Feiertagen gibt es: die Festtage, die bäuerlichen Ferien und die außergewöhnlichen Feiertage.
§ 17 Festtage sind die, die zu Ehren Gottes und seiner Heiligen eingeführt, von Klerus und Volk gewöhnlich begangen werden, etwa Sonntage, Aposteltage und Heiligenfesttage.
§ 18 Bäuerlich werden die ob der menschlichen Bedürfnisse eingerichteten Ferien genannt, z.B. Erntezeit oder Weinlese. In dieser Zeit müssen alle Gerichtsverhandlungen ruhen. Doch im Einvernehmen mit den Parteien kann der Richter in derartigen Ferien vorladen, prozessieren und urteilen.
§ 19 Außergewöhnlich werden Feiertage genannt, die irgendein Fürst eingeführt hat ob seines Geburtstages, der Geburt eines Sohnes, der Erringung eines Sieges über seine Feinde oder irgendeines sonstigen Grundes. Derartige Feste sind aber ungebräuchlich. [Faksimile S. 143]
§ 20 Entweder der vom Richter vorgeladene Verklagte erscheint oder nicht. Erscheint er nicht oder entfernt er sich in Überheblichkeit, so ist er wegen Kontumaz zu exkommunizieren. Der ihn exkommunizierende Richter schreibe:
§ 21 Wenn aber der vorgeladene Angeklagte erscheint und ihm Prozeßeinreden zustehen, so muß er sie vorbringen.
§ 22 Die Prozeßeinrede ist ein Abschneiden des Prozesses. Sie ist eine Art Verteidigung seitens des Verklagten.
§ 23 Zwei Arten von Prozeßeinreden gibt es, die dilatorische und die peremptorische.
§ 24 Dilatorisch wird die Einrede genannt, durch die der Prozeß verzögert und behindert wird. Eine solche kann einmal vorgebracht werden gegen den Richter, den Kläger bzw. dessen Vertreter, gegen das Gericht oder den Zeitpunkt der Ladung.
§ 25 Gegen den Richter mag der Verklagte eine Einrede etwa so vorbringen: Herr, Ihr könnt nicht Richter sein, weil Ihr hörig, verrufen, exkommuniziert oder mir befangen erscheint aus bestimmtem Grunde, etwa als mir feindlich gesonnen oder mit meinem Gegner blutsverwandt wie wir das schon oben ausgeführt haben.
§ 26 Gegen den Kläger mag der Verklagte etwa einwenden: Ihr könnt nicht Kläger ein, da Euch als Exkommuniziertem keine Prozeßfähigkeit eignet. Gleiches, also Exkommunikation, kann der Verklagte auch gegen den Vertreter des Klägers einwenden.
§ 27 Gegen das Gericht des Richters kann der Verklagte etwa folgendes einwenden: Herr, Ihr könnt mich nicht vorladen, da ich Eurem Gericht nicht zugehörig bin, [Faksimile S. 144] stamme ich doch aus der Wormser Diözese, während Ihr Speyrer Richter seid. Diese Einrede ist nur gegen den ordentlichen Richter zulässig, nicht gegen einen päpstlich bestellten delegierten, da ein solcher auch aus anderen Diözesen vorladen kann.
§ 28 Gegen den Ladungstermin läßt sich etwa folgendes Vorbringen: Ich konnte zu dieser Zeit nicht vorgeladen werden, da es ein Feiertag war. Deshalb beantrage ich, meinen Gegner zur Übernahme meiner Spesen zu verurteilen.
§ 29 Peremptorisch ist eine Prozeßeinrede, die — so gerechtfertigt — Klage des Klägers und Prozeß auf Dauer niederschlägt, z.B. wenn der Verklagte zum Kläger sagt: Du forderst von mir zehn Mark, die ich Dir angeblich schulde, aber Du hast mir die Schuld erlassen oder mit mir ein Stillhalteabkommen getroffen. Wenn das bewiesen ist, wird der Verklagte freigesprochen und dem Kläger wird beständiges Schweigen auferlegt.
§ 30 Hat der vorgeladene Verklagte keine derartigen Einreden, so muß er sich verantworten. Doch vorher ist die Beschuldigung des Klägers zu beurkunden. Dem Verklagten ist also eine Klageschrift gemäß dem Kanon zu übergeben: Dem zum Prozeß geladenen Verklagten ist eine Klageschrift auszuhändigen und er soll 20 Tage Bedenkzeit erhalten, ob er die Klage anerkennen oder kämpfen will.
§ 31 Eine Klageschrift ist ein Schreiben, das den Namen des Richters, des Verklagten und des Klägers enthält, das Geforderte sowie den Forderungsgrund. Sie ist folgendermaßen abzufassen:
§ 32 Klageschrift heißt diese, da durch sie der Kläger den Verklagten verklagt. Der Kläger hat sie dem Richter einzureichen. Der Richter stellt sie dem Verklagten zu und gewährt diesem dann Zeit zu überlegen, ob er die Klage anerkennt oder kämpfen will.
§ 33 Die Klageschrift muß klar abgefaßt sein. Wenn sie unklar ist, soll der Verklagte ihre Erläuterung fordern. Wenn etwa der Kläger 20 Mark fordert, welcher Währung sie seien. Oder wenn der Kläger einen Acker oder Weinberg fordert, die genaue Bezeichnung des Grundstücks und seiner Lage. [Faksimile S. 145]
§ 34 Besonders ist darauf zu achten, daß der Forderungsgrund, also weshalb der Kläger dies oder jenes vom Verklagten fordert, wie schon gesagt, zum Ausdruck kommt. Wenn z.B. der Kläger vom Verklagten diesen oder jenen Acker, Weinberg, Haus oder sonstige Sache fordert, muß er selbst den Grund angeben, weshalb er dies von ihm fordere. Z.B. Herr Richter von Speyer, ich H., Bürger von Speyer, erkläre vor Euch, daß dieser Ritter B. einen an diesem Orte gelegenen gewissen Acker unrechtmäßig in Besitz genommen hat, der qua Erbrecht oder aufgrund Kaufes mir gehört. Deshalb fordere ich, genannten Ritter B. zur Rückgabe dieses Ackers samt den daraus gezogenen Früchten zu zwingen. Man beachte, wie in dieser Klageschrift der Forderungsgrund durch qua Erbrecht oder aufgrund Kaufes mir gehört ausgedrückt wird.
Dies in Kürze zur Klageschrift und den Bedenkzeiten.
§ 35 Nach Ablauf der Bedenkzeit finden sich die Parteien, also Kläger und Verklagter, erneut vor Gericht ein und der Verklagte antwortet auf die Klageschrift: Herr Richter, ich gestehe zu bzw. streite ab, daß das, was der Kläger gegen mich vorbringt, zutrifft.
§ 36 Derartiges Eingeständnis bzw. Leugnung nennt man Streitbefestigung. Diese definiert sich wie folgt: Die Streitbefestigung ist die erste Vorbringung des Streitfalles vor dem zuständigen Richter. Sie kommt zustande durch die Darstellung des Klägers und den ihr entgegengesetzten Widerspruch des Verklagten. Eine Streitbefestigung könnte sich etwa mit folgenden Worten vollziehen: Wenn etwa der Kläger zum Verklagten sagt: Du schuldest mir 20 Mark und der Verklagte sagt: Ich schulde sie Dir nicht, so ist durch diese Worte der Streit befestigt.
§ 37 Alle dilatorischen Prozeßeinreden, von denen oben die Rede war, ganz besonders aber die peremptorische müssen vom Verklagten vor der Streitbefestigung vorgebracht werden. Ist der Streit befestigt, können sie nicht mehr vorgebracht werden und der Verklagte findet mit ihnen kein Gehör mehr. Will der Verklagte also Einreden gegen den Kläger, dessen Vertreter oder gegen den Erlaß, also die päpstliche oder sonstige Ermächtigungsurkunde, vorbringen, so muß er dies vor der Streitbefestigung tun. Insbesondere muß eine Einrede gegen den Richter, etwa wenn er ihm befangen scheint, noch vor Streitbefestigung erfolgen, da er ihn später nicht mehr ablehnen kann.
§ 38 Auch muß der Verklagte, wenn er gegen den Kläger in einer Sache Gegenklage erheben möchte, dies vor der Streitbefestigung tun. Später kann er das bis zum Abschluß des Prozesses nicht mehr tun. Wenn also der Kläger dem Verklagten die Klageschrift zukommen läßt, muß der Verklagte, so er Gegenklage gegen [Faksimile S. 146] diesen seinen Kläger erheben möchte, sofort seine Klageschrift dem Kläger zukommen lassen.
Dies zur Streitbefestigung.
§ 39 Nach derartiger Streitbefestigung müssen Kläger und Verklagte sofort den Kalumnieneid ablegen, d.h. schwören, guten Glaubens und ohne Arg zu klagen bzw. sich zu verantworten, zu klagen als Kläger, sich zu verantworten als Beklagter. Kalumnie ist eine falsche Forderung oder Klage. Und wenn man vom Eid der Kalumnie spricht, so ist in Gedanken immer zu ergänzen "der zu meidenden", der Sinn ist also die Vermeidung der Kalumnie, daß die Parteien, wie gesagt, unredliche Prozeßführung meiden sollen.
§ 40 Dieser Eid ist sofort nach der Streitbefestigung zu leisten.
§ 41 Der Eid vollzieht sich etwa so: Der Kläger soll schwören, daß er glaubt, einen gerechten Klagegrund zu haben, entsprechendes wird der Verklagte schwören. Jeder von beiden wird zweitens beeiden, daß er auf des Richters Fragen sich nicht weigern wird, die Wahrheit zu sagen auch nicht wissentlich falsche Angaben machen oder auf Verzögerung hinarbeiten, also Bedenkzeit nur zur Prozeßverschleppung fordern wird. Drittens wird jeder von beiden, Kläger und Verklagter also, schwören, daß er weder etwas gegeben hat noch geben wird, weder versprochen hat noch versprechen wird dafür, daß das Urteil zu seinen Gunsten ausfällt. Bei diesen Schwüren ist die Hand auf ein (Evangelien-)buch zu legen.
§ 42 Diese Form des Kalumnieneides beschreibt folgender die fünf Punkte enthaltender Merkspruch:
Beeidet soll werden, daß einem der Streit gerecht erscheint und man in der Klage bei der Wahrheit bleibt, man nicht besticht oder falsch Aussag’ spricht oder Aufschub nur zur Verschleppung sucht. |
§ 43 Wenn der Kläger diesen Eid nicht leisten will, kann er nicht klagen. Will ihn der Verklagte nicht leisten, so wird er als der Klage überführt angesehen. Dieser Schwur wurde eingeführt, damit die Leute vom Gewicht dieses Eides bewegt nicht leichtfertig prozessieren, sondern nur, wenn sie glauben, einen gerechten Grund dafür zu haben.
Dies in Kürze zum Kalumnieneid. [Faksimile S. 147]
§ 44 Nach geleistetem Kalumnieneid sind die Parteien zu befragen, und zwar haben die Anwälte der Parteien jene Fragen zu formulieren. Z.B. kann der Anwalt des Klägers den Richter bitten zu fragen, mit welchem Recht der Verklagte diesen Weinberg oder jenen Acker besitzt, der Gegenstand des Streites bildet. Antwortet der Verklagte darauf, daß er ihn qua Erbrecht besitze, wird weiter gefragt, wer der Erblasser war, in dessen Besitz er eingetreten sei. Oder wenn der Verklagte antwortet, daß er ihn qua Kauf besitze, kann gefragt werden, von wem und um wieviel er ihn gekauft hat, wo, vor welchen Zeugen und um welche Währung. Alle Antworten des Verklagten sind durch den Anwalt des Klägers niederzuschreiben.
§ 45 In gleicher Weise kann der Anwalt des Verklagten den Richter bitten, den Kläger zu befragen, mit welchem Recht er diesen Acker oder jenen Weinberg vom Verklagten fordere. Wenn der Kläger antwortet, daß er ihn aufgrund Kaufes oder Schenkung einfordere und so weiter, hat der Anwalt des Verklagten alles, was der Kläger auf die Frage hin antwortet, niederzuschreiben.
§ 46 Alles, was der Verklagte vor Gericht einräumt gegen seine Position, soll für bewiesen angesehen werden. Wenn der Verklagte aber leugnet, was der Kläger behauptet, so obliegt dem Kläger der Beweis, d.h. er muß beweisen, was er sagt.
§ 47 Vieles ist dazu nötig, daß jemandem sein Eingeständnis schade, gemäß dem Merkvers:
Älter, freiwillig, wissentlich, gegen sich selbst, wo das Recht ist und der Feind, bestimmt und nicht der Natur, der Begünstigung, dem Streit oder dem Recht zuwider. |
§ 48 Derartige Vernehmungen werden nicht immer und überall durchgeführt sondern sehr häufig von den Anwälten übergangen. Genug also zu Vernehmung und Geständnis.
§ 49 Nachdem wir nun besprochen haben, was rechtens ist, wenn der Verklagte auf die Befragung hin gesteht, ist im folgenden zu betrachten, was rechtens ist, wenn der Verklagte das gegen ihn Vorgebrachte leugnet. Wenn der Kläger einen Acker fordert, der sein Eigen sei, und der Verklagte genau dies leugnet, so obliegt der Beweis dem Kläger, d.h. er muß beweisen, daß jener von ihm geforderte Acker tatsächlich sein Eigen ist.
§ 50 Beweis ist nach der Definition Tancreds das Verfahren, durch Beweismittel Vertrauen zu einem umstrittenen Sachverhalt herzustellen [mit Eid]. Und probatio wird der Beweis im Lateinischen genannt vom Adverb probe, richtig, weil, wer beweist, was er sagt, richtig handelt.
§ 51 Es gibt sechs Arten der Beweise: durch offensichtlichen Sachverhalt und durch körperliche Untersuchung, durch den Ruf, durch eidliche Aussage, durch Zeugen, durch Urkunden und durch Vermutung.
§ 52 Wenn z.B. ein Kleriker kleine Kinder im Haus hat, so wird durch offensichtlichen Sachverhalt bewiesen, daß er sexuell nicht enthaltsam lebt. Desgleichen kann etwas durch körperliche Untersuchung bewiesen werden, etwa wenn ein Mädchen behauptet, sie wäre von einem Mann berührt worden, und Frauen stellen bei Untersuchung ihres Geschlechtes fest, daß sie noch Jungfrau ist. [Faksimile S. 149]
§ 53 Durch den Ruf kann etwas bewiesen werden, etwa wenn die ganze Nachbarschaft, also alle Nachbarn, übereinstimmend der Ansicht ist, daß sich etwas so verhält.
§ 54 Auch durch Unterstellung kann etwas bewiesen werden, etwa wenn ein Sachverhalt etwas sehr nahelegt. Wenn z.B. ein Mann und eine Frau allein nackt gesehen werden, wird geschlechtlicher Verkehr zwischen ihnen unterstellt. Der Vermutungen gibt es verschiedene Grade, die einen sind kühn, die anderen wahrscheinlich, dritte sind zwingend und vierte notwendig.
§ 55 Eine kühne Vermutung ist ungenügend und wird vom Recht nicht zugelassen, sie darf das Denken des Richters nicht beeinflussen. Wenn ich etwa einen abgesondert auf eine Frau einredenden Mann sehe, darf ich noch nicht vermuten, daß er sie zum Geschlechtsverkehr drängt, tue ich dies aber, so ist dies eine kühne Unterstellung.
§ 56 Wahrscheinlich ist eine Annahme, die sich aus Verdacht und Gerücht ableitet, doch darf der Richter ihr nicht soweit folgen, daß er auf sie allein gestützt ein Urteil gegen jemanden fällt.
§ 57 Zwingend ist eine Vermutung, die auf sehr wahrscheinlichen Dingen beruht, etwa wird unterstellt, daß einem Schuldner die Schulden erlassen sind, dem sein Gläubiger die Unterpfänder zurückgegeben hat. Derartige Annahmen kann der Richter seinem Urteil zugrundelegen, es sei denn, deren Gegenteil wird erwiesen.
§ 58 Notwendig ist eine Vermutung, wie etwa die, daß es unwahr ist, wenn eine Frau, die lange Zeit hindurch aus eigenem Antrieb einem Mann beiwohnte, später sagt, sie habe ihn gegen ihren Willen geheiratet.
§ 59 Auch durch Ablegung eines Eides kommt ein Beweis zustande, wenn eine Seite der anderen einen Eid leistet, also schwört, daß sich etwas so und nicht anders verhält.
§ 60 Alle können Zeuge sein außer einigen, die dafür nicht in Frage kommen: ein Knecht etwa, eine Frau, ein Knabe unter 14, ein Blöder oder Einfältiger, Verrufener, ehrloser Habenichts, Häretiker, Muslim oder Jude; auch können Blutsverwandte untereinander und füreinander nicht Zeuge sein, desgleichen Knechte, Mägde und Gesinde nicht für ihre Herrschaft, auch nicht der Laie gegen einen Kleriker. Das alles wurde in obigem Merkvers "Stand, Geschlecht..." aufgeführt. [Faksimile S. 150]
§ 61 In jedem Fall reichen zwei taugliche Zeugen, und dies ist regulär, weil die Regel des Evangeliums besagt, alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen Mund. So reicht also das Zeugnis eines einzelnen nicht aus und vermag nichts vor Gericht.
§ 62 Zeugen sind erst nach Streitbefestigung in das Verfahren einzuführen.
§ 63 Sie müssen schwören, unvereidigten Zeugen gebührt kein Glaube. Die Schwurformel besagt, daß eben diese Zeugen die Wahrheit sagen sollen und keinerlei Unwahrheit, in welcher Sache und sooft sie vom Richter auch vernommen werden, sowie daß sie nicht für Geld, aus Freundschaft bzw. Haß oder für irgendeinen daraus zu irgendeinem Zeitpunkt zu ziehenden Gewinn aussagen.
§ 64 Nachdem die Zeugen das beschworen haben, wird der Richter sie an einen abgeschiedenen Ort führen und jeden einzelnen separat vernehmen, damit keiner den anderen hört. Jedes einzelnen Aussage wird protokolliert. Der Richter wird die einzelnen Zeugen befragen: Waren Sie bei diesem oder jenem dabei? Und wenn jener mit Ja antwortet, wird er fragen: Wo ereignete sich dies, an welchem Wochentag, zu welcher Zeit des Jahres, vor wievielen Jahren und in wessen Gegenwart trug sich das zu? Über diese und andere Umstände befragt der Richter die einzelnen Zeugen.
§ 65 So sollen die Zeugenaussagen notiert werden:
§ 66 Wenn er will, kann der Richter auch nach anderen Umständen fragen. In gleicher Weise ist der zweite und gegebenenfalls weitere Zeugen zu vernehmen. Und alles, was jeder einzelne von ihnen sagt, ist so zu notieren wie beim ersten Zeugen.
§ 67 Nachdem die Zeugenaussagen entsprechend aufgezeichnet worden sind, hat der Richter für die Parteien einen Termin anzuberaumen zur Verlesung, also Veröffentlichung der Zeugenaussagen. An diesem Termin werden sodann die Zeugenaussagen vor Gericht in Anwesenheit beider Parteien veröffentlicht, also verlesen, weil es Gesetz ist, daß die Zeugenaussagen in Anwesenheit beider Parteien zu verlesen sind. Nachdem also die Zeugenaussagen öffentlich vor Gericht verlesen worden waren, kann der Beklagte oder sein Anwalt fordern, daß ihm eine Kopie jener Zeugenaussagen gegeben wird. [Faksimile S. 151]
§ 68 Der Anwalt des Klägers oder dieser selbst kann auch vom Richter verlangen, ihm einen Termin anzuberaumen, Einwendungen zu erheben gegen die Personen oder Aussagen der seitens des Klägers produzierten Zeugen.
§ 69 Gegen die Personen kann er etwa einwenden: Herr Richter, ich behaupte, daß dieser nicht Zeuge sein kann, da er der Bruder oder Sohn des Bruders oder sonstwie blutsverwandt mit dem Kläger ist oder diesem nahestehend bzw. weil er ein Knecht, eine Frau, ein Kind, lasterhaft oder verrufen ist, etwa als Simonist, Dieb, Räuber, Mörder oder Meineidleister. Derartige Einwendungen nennt man persönliche, da sie gegen die Person des Zeugen erhoben werden und in dem Merkspruch "Stand, Geschlecht ..." zusammengefaßt werden.
§ 70 Gegen die Aussagen der Zeugen kann der Beklagte oder sein Anwalt etwa einwenden: Herr Richter, ich stelle fest, daß die Aussage dieses oder jenen Mannes nichts taugt, da sie betreffs Ort bzw. Zeit im Widerspruch zu jenem Zeugen steht, sagt doch der eine, daß dies auf dem Marktplatz geschehen sei, der andere aber, in der Kirche, und sagt der eine, daß es am Sonntag war, der andere am Samstag. Deshalb sage ich, daß diese Zeugenaussage ob dieser Abweichung in Orts- und Zeitangabe ungültig ist. Da aber der Kläger seine Forderung mit den von ihm benannten Zeugen nicht belegen kann, bitte ich, mich von dessen Klage freizusprechen und ihm beständiges Schweigen aufzuerlegen.
§ 71 Eine Urkunde ist ein zu Beweiszwecken angefertigtes Schriftstück. Es wird Urkunde genannt, weil es etwas kundtut. Es gibt zwei Arten von Urkunden: öffentliche und private.
§ 72 Öffentlich ist eine Urkunde, die öffentliche Gewähr hat. Deren gibt es eine Reihe von Unterarten: Eine wird öffentlich genannt, da sie von öffentlicher Hand, also von einem öffentlichen Notar geschrieben wurde; eine zweite, weil sie mit authentischem Siegel besiegelt ist, also mit dem Siegel eines Bischofs, Kapitels oder einer anderen hochgestellten Persönlichkeit; eine dritte, da sie authentisch ist durch richterliche Autorität; eine vierte, weil sie bei Gericht geschrieben wurde; eine fünfte, weil sie die Unterschrift von zwei oder drei lebenden Zeugen trägt; eine sechste, weil sie aus öffentlichem Archiv produziert wird, etwa ein Urbar, also Einkünfteverzeichnis.
§ 73 Privat ist eine Urkunde, die jemand für sich, nur für einen anderen oder für sich und einen anderen anfertigte. [Faksimile S. 152]
§ 74 Wenn jede der beiden Seiten Urkunden hat, mit denen etwas bewiesen werden soll, so müssen sie diese vor der Veröffentlichung der Zeugenaussagen produzieren. Wenn nun eine Partei eine Urkunde der Gegenpartei inspizieren oder auch abschreiben möchte, soll ihr dazu eine Kopie vorgelegt werden, die anschließend wieder an die Partei zurückgeht, deren Eigentum sie ist.
§ 75 Einwendungen gegen Urkunden können auf vielerlei Art und Weise erhoben werden, nämlich gegen die Siegelschnur, die Ausdrucksweise oder das Siegel. Dies ist am stärksten bei Papsturkunden zu beachten, so der Merkvers:
Auch mag gegen eine Urkunde eingewandt werden, daß sie von einem Exkommunizierten erlangt wurde, sie ist dann ungültig. Genauso, wenn sie an einer Stelle Rasur aufweist, dies nämlich ist verdächtig.§ 76 Nachdem also die Zeugenaussagen veröffentlicht, die Urkunden produziert und beides beiden Parteien zwecks Einsichtnahme und Kopie zur Verfügung gestellt worden waren, nachdem auch die Anwälte oder die Parteien selbst ihre Einwände vorgebracht haben, muß sich der Richter nach den Zeugenaussagen, Urkunden und insbesondere den Einwendungen und Argumenten der Anwälte ein Bild machen. Wenn er schließlich den Sachverhalt nach allen Seiten geprüft und durchdacht hat, muß er den Prozeß mit einem abschließenden Urteil entscheiden.
§ 77 Ein Urteil ist folgendermaßen definiert: Ein Urteil ist eine gerichtliche Entscheidung, die Meinungsverschiedenheiten, d.h. Rechtsstreitigkeiten, ein Ende setzt, die Verurteilung oder Freispruch enthaltende Verkündung des Richters. Es gibt zwei Arten richterlicher Urteile: das abschließende und das Zwischenurteil.
§ 78 Das Zwischenurteil ist ein halbvollständiges Urteil, das zwischen Prozeßbeginn und -ende nicht in der Hauptsache verkündet wird, sondern über zwischenhinein auftauchende Fragen, etwa über die Zustellung bzw. Korrektur einer Klageschrift oder über Gewährung bzw. Verweigerung von Aufschub und derartiges.
§ 79 Das abschließende ist das Urteil, das die Hauptsache abschließt und Freispruch bzw. Verurteilung enthält.
§ 80 Ein solches Urteil ist vom zuständigen Richter abzugeben, sonst ist es ungültig. [Faksimile S. 153]
§ 81 Auch muß der Richter dies im Sitzen, nicht im Stehen abgeben und am dafür vorgesehenen Ort, wo er gewöhnlich dem Gericht vorsitzt oder einem angesehenen Ort, nicht im Bordell oder in der Küche, und er muß es verkünden in Anwesenheit beider Parteien oder in Abwesenheit einer der beiden Parteien, die sich in Kontumaz fernhält.
§ 82 Das Gerichtsurteil ist schriftlich auszuformulieren und zu verkünden, sonst verdient es den Namen Urteil nicht.
§ 83 So ist ein Urteil schriftlich abzufassen:
§ 84 Appellation ist die von einem niedereren Richter zum höheren angestrengte Berufung gegen ein schlechtes Urteil oder gegen eine ungerechte Verurteilung.
§ 85 Immer ist vom niedereren an den höheren Richter zu appellieren, etwa vom Speyrer Bischof an dessen Metropoliten, d.h. den Mainzer Erzbischof, nie umgekehrt.
§ 86 Immer ist Schritt für Schritt zu appellieren, etwa vom Bischof an den Metropoliten, von diesem an den Legaten des Heiligen Stuhles und von diesem an den Papst. Doch kann von jedem kirchlichen Richter unmittelbar an den Papst appelliert werden.
§ 87 Vom Tag der Urteilsverkündung an, also vom Tag an, an dem der Richter das Urteil verkündet hat, ist die Berufung binnen zehn Tagen einzulegen, da nach zehn Tagen niemand mehr den Appellanten hören wird und seine Berufung ungültig ist.
§ 88 Der Appellant muß seine Berufung innerhalb eines Jahres verfolgen, bei Vorliegen triftiger Gründe oder Hindernisse wie Krankheit oder Gefangenschaft, ist ihm dafür ein Zeitraum von zwei Jahren zu gewähren.[Faksimile S. 154]
§ 89 Eine Berufung ist schriftlich einzulegen in dieser Form:
§ 90 Als Apostel wird der Entlassungsbrief bezeichnet, der etwa so abzufassen ist:
§ 91 Es ist Aufgabe des Richters, an den appelliert wurde, das Urteil zu bestätigen, zu kassieren oder korrigieren.
Dies in Kürze zum geordneten Fortschreiten des Gerichtsverfahrens.
§ 92 Hier werden keine neuen Rechte eingeführt, sondern eher bestehende ausgelassen und das nicht aus Unwissen des Autors, sondern um der Schwäche der Lernenden entgegenzukommen, zu deren Fortkommen dieses Lehrbüchlein verfaßt worden ist, und die noch der Milch, nicht fester Speisen, bedürfen. Jeder gute Gelehrte darf nicht nach Lob und eitel Ruhm streben, sondern nach dem Fortkommen derer, die er unterweist.
Ende der Gerichtsordnung.
Dieses Lehrbüchlein wurde abgefaßt am 12. August 1260.