Constitutio Criminalis Theresiana (1768/69) :: Transkription Speer 2016/17 [Artikel 1 — 26]

Constitutio Criminalis Theresiana (1768/69) :: Transkription Speer 2016/17 [Artikel 1 — 26]

Inhaltsverzeichnis

[Editorial]

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Heino Speer, Klagenfurt am Wörthersee, 26. 10. 2016Editorial.1

[Titel]

CONSTITUTIO CRIMINALIS THERESIANA. oder der Römisch-Kaiserl. zu Hungarn und Böheim etc. etc. Königl. Apost. Majestät Mariä Theresiä Erzherzogin zu Oesterreich, etc. etc. peinliche Gerichtsordnung.
WIEN, gedruckt bey Johann Thomas Edlen von Trattnern, kaiserl. königl. Hofbuchdruckern und Buchhändlern. 1769. [Seite: 9]

[Einleitung]

Wir Maria Theresia von Gottes Gnaden Römische Kaiserin, Wittib, Königin zu Hungarn, Böheim, Dalmatien, Kroatien, Slavonien, etc. Erzherzogin zu Oesterreich; Herzogin zu Burgund, zu Steyer, zu Kärnten, und zu Crain; Großfürstin zu Siebenbürgen; Markgräfin zu Mähren; Herzogin zu Braband, zu Limburg, zu Luzemburg, und zu Geldern, zu Würtemberg, zu Ober- und Nieder-Schlesien, zu Mayland, zu Mantua, zu Parma, zu Placenz, und Guastalla; Fürstin zu Schwaben; gefürstete Gräfin zu Habspurg, zu Flandern, zu Tyrol, zu Hennegau, zu Kyburg, zu Görz, und zu Gradisca; Markgräfin des heiligen Römischen Reichs, zu Burgau, zu Ober- und Nieder-Laußnitz; Gräfin zu Namur, Frau auf der Windischen Mark, und zu Mecheln etc. verwittibte Herzogin zu Lothringen, und Barr, Groß-Herzogin zu Toscana etc. etc.

Entbieten allen, und jeden in Unseren königlich-böheimischen, wie auch nieder- inner- ober- und vorder-österreichischen Erblanden sich befindenden hoch- und niederen Gerichtsstellen, Stadt- und Landrichtern, Halsgerichten, Landgerichtsinnhabern und Verwaltern, auch überhaupt all Unseren treugehorsamsten Unterthanen, und Innsassen, was Würde, Standes, oder Wesens dieselbe sind, Unsere Gnad, und fügen hiemit männiglich zu wissen: [Seite: 10] [Faksimile]

Demnach Wir unter anderen unseren Regierungssorgen nicht allein bey ruhigen Friedens- sondern auch den beschwerlichen Kriegszeiten das vorzügliche Augenmerk beständig dahin gerichtet, damit in Unseren Erblanden vor allem die Ehre Gottes sowohl durch Einführ- und Beybehaltung guter Sitten, und tugendhaften Wandels, als auch durch Vorbieg- und Ausrottung aller Gott beleidigend- und landesverderblichen Lastern fortgepflanzet, hiernach auch die, das gemeine Wesen alleinig erhaltende heilsame Justiz mittelst Schützung des Guten, dann Abwend- wie auch Bestraffung des Bösen sorgfältigst verwaltet werde; Und nun Wir während Unserer Regierung beobachtet haben, daß dem ordnungsmäßigen Lauff der Justiz-Pflege in Malefizangelegenheiten meistentheils nachfolgende Behinderungsursachen im Weg gestanden;

Erstlich: Weilen fast in einem jedweden Unserer Erblanden ein anderes sowohl in der Verfahrungsart, als in der Bestraffung der Verbrechen grossen Theils unterschieden-peinliches Recht eingeführet ist, und nach Verschiedenheit Unserer Landen theils nach der Carolinisch- theils nach der Ferdinandinisch- theils nach der Leopoldinisch- theils nach der Josephinischen Halsgerichtsordnung, und einiger Orten nach ihren alten Landesgesetzen, und endlich in Vorfällen, wo das Landesgesetz dunkel, oder mangelhaft ist, nach dem Römerrecht fürgegangen wird; welch so grosse Ungleichheit der Länderrechten sowohl Uns selbst, als Unseren Hofstellen bishero um so beschwerlicher hat fallen müßen, da Wir, und Unsere Hofstellen andurch in die Nothwendigkeit versetzet worden, bey jeder nach Hof eingelangten Criminal-Vorfallenheit nach Unterscheid des Landes ein ander- und anderes Recht vor Augen zu haben; wo doch [Seite: 11][Faksimile] im Gegenspiel nichts natürlicher, billiger, und ordentlicher, auch Justiz-beförderlicher seyn kann, als daß zwischen verbrüderten Erblanden unter einem nämlichen Landesfürsten ein gleiches Recht festgestellet und andurch Unsere Räthe, Unsere Rechtsgelehrten und gesamte erbländische Unterthanen in Stand gesetzet werden, daß, wenn sie nach erheischender Nothdurft in diesem, oder einem anderen Unserer Erblanden zu einer so beschaffenen Dienstleistung angestellet werden, oder um besseren Nutzen, und Bequemlichkeit willen ihren Wohnsitz aus einem in ein anderes Unserer Erblanden übertragen, aller Orten diensttauglich seyn können, und nicht immerhin ein ander- und anderes besonderes Landrecht mit grosser Beschwerlichkeit zu erlernen bemüßiget seyen.

Andertens: Befindet sich in vorbemeldten Halsgerichtsordnungen ein gar merklicher Abgang theils an einigen Haupt-Materien, welche zur Vollständigkeit einer peinlichen Gerichtsordnung unumgänglich erforderlich sind; theils an ausführlicher Abhandlung der rechtlichen Anzeigungen, dann deren ein jegliches Verbrechen beschwerend- oder milderenden Umständen; hauptsächlich aber an dem nöthigen Unterricht: welchergestalten, mit was Ordnung, und Vorsichten jegliche Gattung der Criminal-Verfahrungen von Anfang bis zum Ende Rechtsbehörigermassen auszuführen seye? und obzwar

Drittens: Zu Ersetz- und Verbesserung dieser Abgängen sowohl Unsere löblichste Vorfahren, als Wir selbst von Zeit zu Zeit zahlreiche Criminal-Novellen erlassen haben, so sind doch diese Nachtragsgesetze, zumalen selbe in keine ordentliche Sammlung zusammengetragen worden, denen neu angehenden Richtern grossentheils unbekannt geblieben; wo anbey die schon oben berührte Beschwerlichkeit mit-unterlauffet, daß die Nachtragsgesetze in [Seite: 12 ] [Faksimile]Gleichförmigkeit der in jedwedem Land schon bestehend-besonderen Halsgerichtsordnungen eingerichtet, und ausgemessen worden, somit die Ungleichheit der erbländischen Malefizordnungen nach dem Unterscheid Unserer Erblanden auch auf die Ungleichheit der nachgefolgten Novellen den nöthigen Einfluß gehabt habe; folgsam die genaue Uebersicht so vieler erbländisch ungleicher Malefizsatzungen sowohl Uns selbst, als Unseren Hofstellen über die Massen mühesam, und an behöriger Beförderung der Malefizangelegenheiten sehr behinderlich worden seye.

Um also diese, und andere dergleichen der heilsamen Justiz-Verwaltung zu grossen Abbruch, und Verzögerung gereichende Hindernißen, und Gebrechen aus dem Wege zu raumen, und damit das Malefizwesen sowohl in der Veranlass- und Einleitung, dann gänzlichen Abführung der Criminal-Proceßen, als auch in der Aburtheilung der Uebelthätern, und Vollstreckung der peinlichen Urtheilen in all- Unseren deutschen Erblanden durchgehends, so viel möglich, nach einerley rechtlichen Grundsätzen, und mit einer gleichen Verfahrungsart gebührend abgehandlet werde,

Als haben Wir in solch- gerechtester Absicht eine eigene Hof-Commission sub Praesidio Unseres wirklichen geheimen Raths, Rittern des goldenen Vliesses, und unserer obersten Justiz-Stelle Vice-Praesidentens Michael Johann Grafen v. Althann mit dem allergnädigsten Auftrag zusammengesetzet, auf daß selbe die bishero bestandene verschiedene Criminal-Ordnungen nebst den dießfälligen Nachtragsgesetzen vor Augen haben, das natürlichste, und billigste hieraus erwehlen, die Abgänge und Gebrechen nothdürftig verbesseren, somit eine neue auf die gemeine Wohlfarth Unserer Erblanden eingerichtet- [Seite: 13] [Faksimile]gleichförmige peinliche Gerichtsordnung verfassen, und Uns sodann zu Unser höchsten Einsicht, und Landesmütterlichen Entschliessung allergehorsamst vorlegen solle; welche Uns dann auch jüngsthin allerunterthänigst vorgeleget worden ist.

Und zumalen Wir solche Uns überreicht- verbesserte Halsgerichtsordnung gnädigst eingesehen, und so gründlich, als ordentlich verfaßt zu seyn befunden, so wollen Wir dieselbe nach gepflogen-zeitigen Rath, mit rechten Wissen, und aus Landesfürstlicher Machtsvollkommenheit in der Maß, Weis,und Gestalt, wie selbe von Artikel zu Artikel hernach folget, hiemit gnädigst bestättiget und solche untereinstens Unseren gesamten deutschen Erblanden zur rechtlichen Richtschnur, wornach sch in allen Criminal-Vorfallenheiten zu richten seye, gesetzgebig vorgeschrieben, zugleich aber alle vorhero in Malefizsachen ergangene Satz und Ordnungen, Gebräuch, Herkommen, und Gewohnheiten, so dieser Unser allgemeinen Halsgerichtsordnung zuwiderlauffen, allerdings aufgehoben und abgethan, anbey ernstgemessenst anbefohlen haben, daß in Malefizhandlungen dieser Unser- verneuerten Halsgerichtsordnung allein, und was Wir etwann sonst fürs künftige in ein- oder anderen vorkommenden Rechtsfall zu weiterer Erklärung dieser Unser- gesetzgebigen Ausmessung anordnen dürfften, unverbrüchig nachgelebet werden, die Verbindlichkeit dieses Unseren Criminal-Rechts aber nach einem Jahr von Zeit dessen beschehen- öffentlichen Kundmachung ihren Anfang nehmen solle.

Wir gebieten solchemnach allen Eingangs gedacht- Unseren deutsch-erbländischen Unterthanen, und Innsassen hiemit gnädigst, und nachdrucksamst, daß dieselbe dieser Unser- peinlichen Gerichtsordnung in allen Vorfällen bey ansonst auf sich ladend-schwerer Verantwortung sich unverbrüchig, und [Seite: 14] [Faksimile] gehorsamst nachachten; besonders aber allen hoch- und niederen Gerichtsstellen, und Obrigkeiten, daß selbe ob dem Vollzug, und durchgängig-genauen Beobachtung dieses Unseren allgemeinen Criminal-Rechts veste Hand halten, und Niemanden gestatten sollen, daß auf einige Weise darwider gehandlet werden möge. Wornach sich also Jedermänniglich zu richten, und für Schaden zu hüten wissen wird. Gegeben in Unserer k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien den letzten Monatstag Decembris im siebenzehenhundertacht, und sechszigsten, Unserer Reiche im neun, und zwanzigsten Jahre.

MARIA THERESIA.
L.S.

Rudolphus Comes Chotek, Reg“ Böh“ Supr“ & A. A prº Canc“

Ad Mandatum Sacrae Caes. Regiae Majestatis proprium.
Johann Bernhard von Zenker. [Seite: 15] [Faksimile] [Seite: 0] [Faksimile]

Erster Theil der allgemeinen peinlichen Gerichtsordnung, von der peinlichen Verfahrung
SEU DE PROCESSU CRIMINALI.

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Erster Artikel von den Verbrechen überhaupt.

§. 1. Ein Verbrechen ist, wenn von Jemanden wissentlich, und freywillig entweder, was durch die Gesetze verboten, unternommen, oder was durch die Gesetze geboten ist, unterlassen wird. Es ist demnach ein Verbrechen nichts anderes, als ein gesetzwidriges Thun, oder Lassen, so folgsam durch Thathandlung, oder Unterlassung begangen wird.

§. 2. Die Verbrechen unterscheiden sich nach dem beleidigten Gegenstand in öffentliche, wodurch mittel- oder unmittelbar die gemeine Wohlfahrt gestöret, und eben von darumen gegen selbe zur gemeinen Genugthuung eine öffentliche Straff verhänget wird; denn in privat- Verbrechen, wodurch Jemanden insonderheit Schaden, und Nachtheil zugefüget, und dieserwegen dem Beleidigten zu seiner Entschädig- und eigener Genugthuung die rechtliche Hülffe ertheilet wird.

§. 3. Gleichwie aber einige Verbrechen nur allein öffentliche, als die Gotteslästerung; andere aber nur allein privat-Verbrechen sind, als geringere Ehrenhändel; so kann auch einerley Verbrechen in ihrem verschiedenen Betracht sowohl zu den öffentlichen, als den privat-Verbrechen gehörig seyn, wenn nämlich durch einerley Mißhandlung, zum Beyspiel, im Raub, und Diebstahl etc. sowohl der Nebenmensch beleidiget, als der gemeine Wohl- und Ruhestand verletzet, somit nebst der gebührenden Entschädigung des Beleidigten von den Gesetzen zugleich auch eine öffentliche Genugthuung erheischet wird. Welcherley Verbrechen in jenem Verstande, in welchem sie zugleich einer öffentlichen Genugthuung unterliegen, durchgehends in dieser Halsgerichtsordnung unter dem Ausdrucke der öffentlichen Verbrechen mitbegriffen seyn sollen.

§. 4. Die öffentliche, und die privat-Verbrechen unterscheiden sich nicht nur in dem Gegenstand, und der Genugthuung, wie vorbemeldt; sondern auch in der Verfahrungsart, immassen die erstere nach der hier vorgeschriebenen peinlichen Verfahrung bey den Halsgerichten, und Blutbanns-berechtigten Gerichtsstellen; letztere hingegen nach dem gemeinen bürgerlichen Rechtsverfahren bey eines jedweden ordentlichen Gerichtsstand zu rechtfertigen, und auszuführen sind. [Seite: 3] [Faksimile]

§. 5. Die peinlichen Gesetze haben nur die öffentlichen Verbrechen zu ihrem Vorwurf: wannenhero in dieser allgemeinen Halsgerichtsordnung lediglich von den oberwähnten ersteren, von den letzteren aber nur in so weit, als selbe in ihrem verschiedenen Betracht in die öffentlichen Verbrechen einschlagen, gehandelt wird.

Zweyter Artikel von den halsgerichtlichen Fällen insgemein, und deren Unterscheid.

§. 1. Die öffentlichen Verbrechen werden peinlich, oder halsgerichtlich untersuchet, und zur gemeinwesigen Genugthuung mit öffentlicher Straffe beleget; in Rücksicht auf solche ihnen eigene Bestraff- und Verfahrungsart werden dieselbe gemeiniglich unter dem gleichdeutigen Ausdruck von Malefizhandlungen, Malefizverbrechen, und halsgerichtsmäßigen Fällen einbegriffen.

§. 2. Jedoch ist nicht jedwede sträffliche Handlung sogleich für halsgerichtsmäßig anzusehen, sondern nur diejenigen, so der Wohlfahrt, und dem Ruhestand des gemeinen Wesens mittel- oder unmittelbar entgegen stehen, und als dergleichen Mißhandlungen in dem anderten Theile dieser Halsgerichtsordnung eigends bestimmet, und ausgemessener sich befinden, oder nach Ausmaß des 104. Artikels denenselben ungefährlich gleich kommen.

§. 3. Die halsgerichtlichen Fälle, und Malefizverbrechen werden insgemein Laster- Übel- und Missethaten genennet, und vertheilen sich in überschwere, schwere, und geringere.

§. 4. Zu den überschweren sollen diejenige, welche als abscheulichste Thaten eine verschärffte Todesstraff nach sich ziehen; zu den schweren diejenige, worauf eine geschwindere Todesart als Galgen, oder Schwertschlag ohne anderweite Verschärffung, oder eine dem Tod gleich zu achtende Straff ausgemessen ist; alle übrige aber zu den gemeinen, und geringeren Missethaten gezogen werden.

Dritter Artikel auf was Weis, von wem, oder wider wen eine Uebelthat begangen werde?

§. 1. Eine Uebelthat ist bemeldtermassen eine freywillige Unternehmung des Verbotenen, oder freywillige Unterlassung des Gebotenen. Ein so anderes beschieht entweder aus bösem Vorsatz Jemanden ein Unrecht, Beleidigung, oder Schaden zuzufügen, oder aus blosser Schuldtragung.

§. 2. Vorsatz, und böser Wille kann gerad, und unmittelbar, oder nur mittelbar, und in der Folge auf eine geschehene Uebelthat gerichtet seyn. Ersteres, wenn man die Uebelthat, welche geschieht, eigends auszuüben vorhabens ist; letzteres aber, wenn man zwar die Uebelthat, so hernach erfolget, eigends zu begehen nicht gesinnet ist, jedoch in dem bösen Vorsatze Schaden zu thun, etwas unternimmt, woraus solche Uebelthat gemeiniglich zu erfolgen pfleget, oder leicht erfolgen kann. Zum Beyspiel: wenn wer den andern lediglich zu verwunden vorhätte, in dieser Absicht auf ihn schöße, und durch solchen Schuß denselben tödtete. In beyden Fällen wird die Missethat, es sey sodann solche aus mittel- oder unmittelbarem bösen Willen entsprungen, dem Thäter zugerechnet, und ist insgemein mit gleicher Straffe zu belegen.

§. 3. Es unterscheidet sich aber in peinlichen Fällen der böse Vorsatz von der blossen Schudtragung in dem : daß, wenn eine Uebelthat ohne Vorsatz und bösen Willen aus blosser Schuld begangen wird, der Thäter mit der auf solche That ausgesetzt- ordentlichen Straffe nicht angesehen, sondern nach Maß der schwerer- oder geringeren Schuldtragung willkührig bestraffet werden möge.

§. 4. Wo weder ein böser Vorsatz, weder eine Schuld unterlauffet, da ist auch kein Verbrechen, folglich keine Straff; es kann dahero ein blosser Zufall unter die Verbrechen nicht gezählet werden.

§ 5. Eines Verbrechens können sich all- und jede ohne Unterscheid des Standes, und des Geschlechts schuldig machen, welche den Gebrauch ihrer Vernunft, und freyen Willen haben; dahingegen jene, welchen es an einem, oder anderen ermangelt, eines Verbrechens unfähig sind. Was demnach vom unvernünftigen Viehe, von unsinnigen, und anderen der Vernunft beraubten Leuten, oder aus nicht widerstehlicher Gewalt geschieht, wird für kein Verbrechen geachtet. Wie weit aber das Alter, Trunkenheit, Schlaf, Unwissenheit, Irrthum, und andere dergleichen Umstände zu Behinder- oder Verminderung der Straffe dem Thäter zu statten kommen, wird im 11. Artikel erkläret werden.

§. 6. Eine Missethat wird begangen sowohl durch unmittelbare Thathandung, als durch Zuthat und Mitwirkung. Ersteres beschieht, wenn Jemand entweder allein, oder in Beyhülffe anderer Mitgespannen die Missethat selbst ausübet. Letzteres ergiebt sich, wenn Jemand bey Ausübung der Missethat zwar nicht selbst Hand anleget, jedoch auf ein- oder andere Art, als durch Geheiß, Befehl, Anrathung, Belobung, Gutheißung, Unterrichtung, Vorschub, und Hülffleistung, Einwillig- und Zulassung wissentlich- und gefährlicher Weis die Missethat veranlasset, oder befördert, und solchergestalt dabey mitwirket.

§. 7. Was hier, und anderwärts von eigenthätigen Handlungen geordnet wird, ist auf gleiche Weise durchgehends auch von Unterlassungen zu verstehen: daß nämlich Jedermänniglich nicht nur durch eigene Unterlassung dessen, was er selbst zu thun schuldig ist, sondern auch dadurch sich eines Verbrechens verfänglich mache, wenn durch seine Zuthat, oder Beywirkung andere zu Unterlassung dessen, was ihnen zu thun obgelegen wäre, verleitet, und bewogen werden. [Seite: 4] [Faksimile]

§ 8. Es wird zwar in dem anderten Theile, wo von den Missethaten insonderheit gehandelt wird, an behörigen Orten allschon maßgebig geordnet, wie es in dieser, oder jener Missethat der Helffern, Heelern, und Vorschubleistern halber mit der Straffverhängung zu halten sey ? Gleichwie auch daselbst der 102. Artikel die gesetzgebige Ausmessung von Verheelern, und Aufhaltgebern lasterhafter, und verdächtiger Leute insbesondere enthaltet; wobey es demnach sein Bewenden hat, und sich hiernach allerdings zu achten ist.

§. 9. Damit aber gleichwohl in Ansehen deren, so sich durch Zuthat, und Beywirkung einer Missethat theilhaftig machen, einige Regeln festgestellet werden, so wird folgendes zur Richtschnur vorgeschrieben.

§ 10. Zuvörderist ist dahin zu sehen: ob die Vorschubleist- und Mitwirkung vor- in- oder nach der Missethat beschehen seye? Ersteren Falls: wenn eine wissentliche, und gefährliche Vorschubgebung vorhergegangen, welche Anlaß, und Ursach zur erfolgten Missethat gegeben; ist solcher Vorschub als eine wahre Zuthuung, und Mitwirkung zur Missethat anzusehen.

§. 11. Anderten Falls: wenn Vorschub, und Hülffe zur Zeit der Missethat wissentlich, und gefährlich geleistet wird, und zu derselben sicheren Ausübung abgesehen ist, so hat es eben die Verhältniß, wie im ersten Falle, und hat sich der Mitwirker, wie der Thäter in einem, und anderen Falle eines gleichen Malefizverbrechens andurch theilhaftig gemacht. Dahingegen

§ 12. Im dritten Falle, wenn Jemand nach bereits vollbrachter Missethat wissentlich, und gefährlicher Weise dem Thäter mit Hulff, und Beystand beförderlich wäre, und wie immer erst nachfolglich daran Theil nähme, kann derselbe zwar als ein Mitwirker zu der schon vorhin beschehenen That nicht angesehen werden; er machet sich jedoch einer besonderen Missethat schuldig. Wäre es aber, daß zwischen dem Hülffleister, und dem Missethäter schon vor der That eine Einverständniß wegen gestattenden Aufenthalts, wegen Durchhelffung mit der Flucht, Verbergung des entfremdeten Guts, oder dessen Theilung, und dergleichen gepflogen worden, so ist ein solcher Helffer, Beförderer, oder Theilnehmer, wie im ersten und anderten Falle für einen wahren Mitwirker, und Lastergespann zu halten.

§ 13. Auch ausser dem Falle einer Zuthat, und Mitwirkung gereichet die alleinige Wissenschaft einer von Jemanden zu begehen vorhabenden, oder auch nur besorglichen, oder schon begangenen Missethat in denen in dem anderten Theile dieser peinlichen Gerichtsordnung ausgezeichneten Fällen dem wissenden zur Schuld, und Straffmäßigkeit, wenn selber entweder die vorsehende Missethat, die er wohl thuentlich verhindern könnte, wissentlich, und dazu stillschweigend geschehen läßt; oder die zu Abwendung einer besorglichen Uebelthat obliegende Warnigung, und Abhelffmittel vernachläßiget, oder die schuldige Anzeige der vollbrachten Missethat, und des Thäters ausser acht setzet.

§. 14. Ueberhaupt aber, und wenn schon in ein - oder anderen Begebenheiten diese peinliche Gerichtsordnung hierwegen nichts ausdrücklich verordnet, bleibt jedoch folgendes zur allgemeinen Maßregel festgestellet: Daß Jedermänniglich ein wissentlich bevorstehend - gemeinschädliches Uebel, wenn es in seiner Macht stehet, zu verhinderen, oder allenfalls zur gerichtlichen Vorkehrung zeitlich anzuzeigen; Wie nicht weniger eine frisch beschehene Missethat nebst dem wissentlichen Urheber, und die Beumständung der That ungesäumt bey dem gehörigen Gerichtsstand anzugeben verbunden seye, damit auf Erfindung der That, und des Thäters mit behänderer Wirkung nachgeforschet werden möge. Wer nun dieser allgemeinen Schuldigkeit zuwider handelt, kann nach Bewandniß einer unterlauffenden Gefährde, Schuld, oder Saumseligkeit von Landgerichts wegen gestraffet werden.

§ 15. Da eine Uebelthat durch Unternehmung des Verbotenen, und Unterlassung des Gebotenen verübet wird, so folget hieraus, daß blosse Gedanken, und innerliches böses Vorhaben insgemein nicht unter die Verbrechen gehörig, folgsam keiner halsgerichtlichen Straffe unterliegen; es wäre denn, daß der Bösgesinnte durch einige Bemühung, Bestrebung, und Versuch der That sich zur wirklichen Ausubung des Verbrechens angeschicket, somit das Vorhaben durch äusserliche [Seite: 5] [Faksimile]Kennzeichen veroffenbaret hätte. Wie aber eine unterstandene, und nicht vollbrachte Missethat zu bestraffen seye? wird in dem 13ten Artikel vorkommen.

§ 16. Jedes Verbrechen ist aus der Gefährde, und bösen Willen desjenigen, so etwas den Gesetzen zuwider thut, oder unterläßt, abzumessen; es ist also in den Mißhandlungen nicht blosserdings auf die Beschaffenheit dessen, so das Unrecht leidet, und etwan keiner Unbild fähig ist, als hauptsächlich auf die Bosheit des Thäters zu sehen. Zumalen die Uebelthaten auch an Unsinnigen, an Kindern, Schlaffenden, und Toden, ja sogar an denen, so ihren Schaden, und Untergang selbst verlangen, verübet werden, und bleibet der Thäter um der gemeinen Genugthuung willen den öffentlichen Straffen, die auf solche Missethaten ausgesetzet sind, allerdings unterworfen.

§ 17. Und sind dergleichen von Seite des beschädigten sich äusserende Umstände, da Jemanden, der sich nicht schützen kann, unverschuldeter Weise ein Uebel zugefüget wird, überhaupt so beschaffen, daß sie ehender eine Verschärffung, als eine Verringerung der ordentlichen Straffe verdienen.

Vierter Artikel von den Straffen überhaupt.

§. 1. Ein halsgerichtliches Verbrechen trägt die Verbindlichkeit zur Straffe auf sich, und liegt nichts daran: Ob das Gesetz die Gattung der Straffe namentlich ausgedrücket, oder nur überhaupt auf den Uebertrettungsfall eine Ahnd- und Bestraffung angedrohet habe; welch- letzteren Falls die Straffbestimmung dem vernünftigen Ermessen des Richters anheim gestellt bleibet.

§. 2. Die Straffverhängung führet hauptsächlich zum Endzweck, daß der Uebelthäter gebessert werde, dem beleidigten Staat Genugthuung wiederfahre, und solche Bestraffung bey dem Volk Erspieglung, und Abscheuen von dergleichen Mißhandlungen erwecke. Und dieses in denen die Todesstraff nicht nach sich ziehenden Fällen; dargegen in Todesstraffen die letztere zwey Absichten eintretten. [Seite: 6] [Faksimile]

§. 3. Die Malefizstraffen sind nach Maß der schwerer- oder geringeren Uebelthaten verschiedentlich, sie gehen an Leib, und Leben, Ehr, und Gut, und sind zum Theil durch das Gesetz auf diese oder jene That ordentlich ausgesetzet, theils ausserordentlich, und der Willkühr des Richters überlassen; von welch- jeglicher Gattung in nachfolgenden Artikeln besonders gehandelt wird.

§ 4. Diese Straffen werden insgemein nur gegen Missethäter verhänget; es folget also, daß diejenige allein, so eine Missethat begangen, zu bestraffen, und da mehrere Mitgespänne in Ausübung einer That verfangen wären, alle mit gleicher Straffe anzusehen seyen. Dahingegen die Straffmäßigkeit eines Thäters seinem Weib, Kindern, Anverwandten, seinen Erben, oder anderen dritten Personen, wenn sie an dem Verbrechen nicht Antheil haben, keinerdings zu Schaden, Nachtheil, und eigener Schmach gereichen kann. Wäre es aber um eine Straffe an Geld, und Gut zu thun, und der Thäter wäre der Missethat allschon geständig, oder überwiesen gewesen, oder hätte aus übeln Gewissenstrieb der begangenen Missethat halber sich selbst entleibet, so haben die Erben, so viel aus dessen Verlassenschaft an sie gekommen, für die Geldstraffe, und etwannige Vermögenseinziehung allerdings zu haften.

§. 5. In Ausmessung der Straffen ist sich nach Vorschrift dieser Malefizordnung unabweichlich nachzuachten, und dürfen nachgesetzte Richter ohne schwere Verantwortung nicht gelinder, weder schärffer, als das Gesetz vermag, fürgehen, weniger aber zu Abbruch unser landesherrlichen Hoheit die ausgesetzte Straffe in eine andere abzuändern, oder durch eine Vergleichshandlung abzuthun, oder wohl gar nachzusehen, sich anmassen.

§. 6. Nur allein in jenen Fällen, wo eine gesetzmäßige Ursach zu Verringer- oder Verschärfung der Straffe unterlauffet, stehet dem Richter von Rechtswegen zu, nach Maß deren die That minderend- oder beschwerenden Umständen fürzugehen, folgsam die ausgesetzt- ordentliche Straffe nach vernünftigem Ermessen zu milderen, oder zu verschärffen, wovon das mehrere in dem 11ten, und 12ten Artikel vorkommen wird.

§. 7. Auch in jenem Fall, wo auf das Verbrechen eine Geldstraffe gesetzt, der Thäter aber mittellos wäre, solle die Geld- in eine gemessene Leibsstraffe verwandelt werden, damit das Verbrechen nicht unbestrafft verbleibe.

§. 8. Befänden sich etwann ausser dieser deutschen Erblanden an den Orten, wo der Thäter haushaltet, wo er gesündiget, und wo er betretten worden, unterschiedene Straffgesetze, so ist derselbe insgemein nach den Gesetzen des Orts der begangenen Missethat zu bestraffen; ausser es hätte der Thäter die Ausübung der Missethat vorsetzlich- und gefährlicher Weis auf ein fremdes Gebiet, wo die That gelinder bestraffet zu werden pfleget, hinaus gespielet. Jenen Falls hingegen, da das Verbrechen an einem Ort angefangen, anderwärts aber vollbracht worden, stehet in der Willkühr des Richters: ob er die Straffe nach den Gesetzen des ersten, oder letzteren Orts verfügen wolle.

§. 9. Enthielte das Gesetz mehrere Straffen alternativè, oder Wählungsweis: das ist, daß dem Thäter diese, oder jene Straff anzuthun seye, so stehet die Auswahl bey Ermäßigung des Richters, mit welcher derselbe füglicher zu belegen seye?

§. 10. Wenn die Bestraffung einerley Verbrechens bey desselben öfterer Widerholung gradatim, oder Stuffenweis zu vermehren ist, zum Beyspiel: auf je ein Verbrechen wäre das erstemal eine geringere, das andertemal eine schärffere Leibes- und das drittemal die Todesstraff ausgesezet; in solchem Falle kann zu dem weiteren Bestraffungsgrad nicht fürgeschritten werden, ehe und bevor nicht die in dem vorhergehenden Grad ausgemessene Bestraffung an dem Thäter wirklich, und rechtmäßig vollzogen worden.

§. 11. Beschähe nun, daß der Thäter
1mo. Ein solches Verbrechen zwar öfters begangen, dieserwegen aber niemalen betretten, mithin niemalen bestraffet; oder [Seite: 7] [Faksimile]
2do. Zwar ergriffen, jedoch von dem Halsgericht ohne Straffe widerrechtlich entlassen; oder
3tio. Mit einer gelinderen ganz unterschiedenen, zum Beyspiel anstatt der Leibs- mit einer Geldstraffe beleget; oder
4to. Von einem unbehörigen Richter, als da wäre die Grundobrigkeit, abgestraffet; oder
5to. Durch unsere Gnad die Inquisition vollends aufgehoben, oder die schon gefällte Straffe nachgesehen worden wäre, so kann eine solche entweder gar nicht, oder gelinder, oder gesetzwidrig unternommene oder aus unserer Gnad blatterdings, und ohne Beysatz (daß bey einer künftig neuen Uebertrettung eines zum andern zu nehmen seye) nachgesehene Straff zu keinem Straffungsgrad angerechnet werden; jedoch machet solche vorhergegangene, obschon nicht gesetzmäßige Bestraffung eben sowohl, als die Mißbrauchung unserer landesfürstlichen Gnad einen stark beschwerenden Umstand, welcherwegen die ausserordentliche Straff um ein merkliches verschärffet werden mag.

§. 12. Bey Zuerkänntniß andaurender Straffen, als zu einer Schanz- Herrschafts- oder anderen öffentlichen Arbeit, solle allzeit die Straffzeit bestimmet werden. Falls jedoch in gewissen Fällen wegen einer Widerspänstigkeit, Verstockung, oder eines angewöhnten Lasterlebens, und dergleichen von Obergerichtswegen die Straffe auf eine ungemessene Zeit, als zum Beyspiel in Zucht- und Arbeitshäusern zu verhängen befunden würde, so ist zu gleicher Zeit dahin fürzudenken, daß von halb zu halb Jahr die Beschaffenheit: wie sich ein solcher Büssender zur Besserung anlasse? an das Obergericht zur weiteren Verfügung einberichtet werden solle.

§. 13. Die in dieser Halsgerichtsordnung ausgeworfene Straffen können nur von den zum Blutbann berechtigten Gerichten in Malefizfällen verhänget werden. Jedoch ist den mit dem Blutbann nicht befreyten Obrigkeiten, Stadt- und Markträthen, und überhaupt allen Niedergerichten unverwehrt, um Zucht, Ehrbarkeit, Gehorsam, und gute Ordnung in ihrem Gebiete zu erhalten, in minderen unter den halsgerichtsmäßigen Fällen nicht einbegriffenen Verbrechen, und Frevelsachen ihre straffmäßige Bürger, Insassen, und Unterthanen mit Burgerarrest, oder Kotter, allenfalls auch bey Wasser, und Brod, oder schmaler Atzung auf eine kurze Zeit, wie auch mit Amts- oder Dienstentsetzung, mit einer geringeren Geldstraffe, und bewandten Umständen nach widerspänstige Leute, so keine Bürger sind, mit etwelchen Stock- oder Karbatschstreichen, denn boshaft- und unbändige Jugend mit der Ruthen (in soweit ein- oder andere dieser Civil-Bestraffungen jeglichen Orts herkömmlich ist) zu züchtigen, und zu besseren. Wasmassen aber durch einen in bürgerlichen Rechtsführungen fällenden Ausspruch den strittverfangenen Parthen eine Ehrenmackel zugezogen werden könne? wird in dem 10ten Artikel von der Ehrlosigkeit erkläret werden. Dahingegen von anderweiten auf Leib, und Leben, Lands- oder Gebietsverweisung, oder Einziehung der Güter abgehenden, oder zu einer lebenslänglichen Beschimpfung durch öffentliche Ausstellung auf den Pranger, Schrägen, oder Schandbühne gereichenden Straffen die Obrigkeiten, so mit dem Blutbann nicht begabet sind, sich gänzlich zu enthalten haben.

§. 14. Wer schon zuvor eine gemessene Straffe, obschon bey einem unbehörigen Gericht überstanden, kann des nämlichen Verbrechens halber von einer anderen Obrigkeit nicht nochmalen bestraffet werden. Wenn im Gegenspiel eine gelindere, oder wohl gar eine Geld- anstatt der Leibsstraffe zur Ungebühr wäre zuerkennet worden, kann der Oberrichter nebst gebührender Ahndung des Unfugs die Rückgebung der Geldstraff, oder die Einstellung einer noch nicht vollstreckt- ungleichen Leibsstraffe veranlassen, und gegen den Thäter mit gemessener Bestraffung fürgehen lassen. Wäre aber eine gelindere Leibsstraffe an dem Thäter allschon vollzogen worden, so hat es in jenem Falle, wo die Bestraffungsart der Willkühr des Richters anheimgestellet ist, bey der verhängt obschon gelinderen Straffe sein Bewenden. Dahingegen in jenem Falle, wo das Gesetz eine gewisse Straff ausgemessen hat, und von dem Untergericht hievon widerrechtlich abgewichen worden, die bereits ausgestandene mindere Bestraffung dem Thäter in die ordentliche Straff einzurechnen kommet, folgsam derselbe über die schon erlitten- gesetzwidrige Bestraffung nicht mehr mit der ausgesetzt- [Seite: 8] [Faksimile]ordentlichen Straffe, sondern allenfalls nur mit einem ausserordentlichen Straffzusatz in so weit, damit zwischen dem Verbrechen, und der Bestraffung eine billige Gleichheit erreichet werde, beleget werden kann.

§. 15. Die Uebelthaten werden insgemein mit einfacher Straffe beleget; es mögen jegleichwohlen, besonders in willkührig- und ausserordentlichen Straff-Fällen nach Größe des Lasters, und nach Maß der beschwerenden Umständen nicht nur wegen verübt- mehrerer Missethaten, sondern auch wegen eines einzigen Verbrechens mehrerley Straffen, in soweit selbe füglich nebeneinander stehen können, zu gleicher Zeit statt haben: wovon das mehrere im 14ten Artikel wird geordnet werden.

§. 16. Die Straffen pflegen gemeiniglich gegen die Missethäter, wenn sie annoch bey Leben, nicht aber, da sie vor der Aburtheilung, oder vor Vollstreckung des Urtheils verstorben, verhänget, und vollbracht zu werden. Diese Regel leidet aber einen Abfall in überschweren, und abscheulichen Lastern, auch in besonders bösgearteten Mißhandlungen, die ein großes Aufsehen, und Aergerniß bey dem Volk erwecket, oder woraus leichtlich gefährliche Folgen entstehen könnten: daß nämlichen in solchen Begebenheiten zu allgemeinen Schrecken, und Abscheu, jedoch allemal mit Vorwissen, und nach Gutbefund des Obergerichts, an welches der Vorfall jedesmal gleich anzuzeigen, und von dortaus die Belehrung einzuholen ist, an dem entseelten Körper des Thäters die verdiente Straffe, in so weit es thunlich, vorgenommen, oder demselben eine öffentliche Unehr, und Spott angethan, oder allenfalls gleich einem Viehe unter die Richtstatt, oder einen anderen schmählichen Ort verscharret werden solle. Jedoch ist solchen Falls allzeit erfoderlich, daß der Thäter entweder schon verurtheilet, oder wenigstens der That geständig, oder überwiesen, und daß überhaupt die Sache so beschaffen gewesen seye, daß selber, falls er gelebet hätte, zu solcher Straffe hätte verurtheilet werden können.

§. 17. Die gegen einen Uebelthäter zur öffentlichen Genugthuung erkennte Straffen behinderen keinerdings, daß die durch den Thäter beleidigt- oder benachtheilte Personen an denselben, oder an dessen Vermögen, und Erben ihre Entschädig- und Genugthuung Rechtsbehörig ersuchen mögen.

Fünfter Artikel von Lebensstraffen.

§. 1 Die in diesen Erblanden übliche Todesstraffen sind zweyerley: die härtere in überschweren, die gelindere in schweren Verbrechen.

§. 2. Die härtere beschehen erstlich: durch das Feuer mit lebendiger Verbrennung; oder wenn die Umstände eine Linderung zugeben, mit vorheriger Enthauptung des Missethäters. Andertens: durch das Viertheilen. - Drittens: durch das Radbrechen von untenhinauf, oder von obenherab. Wobey anzumerken, daß, wenn auf die lebendige Feuerstraffe, oder das Radbrechen von untenhinauf [Seite: 9] [Faksimile] zu erkennen befunden wird, der Vorfall allemal an das Obergericht einzuberichten, und der diesfällige Bescheid: ob, und welchergestalten einem bußfertigen armen Sünder zu Abwendung der Verzweiflung eine Milderung in Vollziehung des Urtheils angedeyen möge ? abzuwarten seye.

§. 3. Bey diesen Todesstraffen kann nach Maß der unterwaltend- schwereren Umständen die Pein noch weiters durch Schleiffung zur Richtstatt, durch Reissung mit glüenden Zangen, durch Riemenschneiden, durch Zungenabschneid oder zum Nackenausreissung vermehret, und nach Beschaffenheit der Missethaten eines,oder mehr hievon dem armen Sünder vor der Todesstraff angethan werden.

§. 4. Zur Gattung der härteren Todesstraffen gehören auch die sonst gemeine Todesarten, wenn dieselbe nach Schwere der Umständen durch erstbemeldte, oder andere übliche Straffzusätze verschärffet werden: als durch Verbrenn- oder Durchpfählung des todten Körpers, durch Flechtung des Körpers, wenn es ein Mann ist, auf das Rad, mit- oder ohne einem hieruber aufgericht- kleinen Galgen; durch Handabschlagung mit- oder ohne Aufsteckung des Kopfs, oder Kopf, und Hand, oder der Hand allein auf ein Rad, oder Pfahl, oder Anheftung der Hand an den Pranger.

§. 5. Einige härtere Todesstraffen, als das Ertränken, das Schinden, das lebendige Vergraben, das lebendige Pfählen etc. wie auch das Viertheilen und Radbrechen der Weibsbildern sind in diesen Landen nicht gewöhnlich, es ist sich auch deren künftig nicht zu gebrauchen; eben also ist sich auch des Spiessens (ausser in in Aufruhren, und Landesverräthereyen) noch ferners zu enthalten.

§. 6. Die gelindere, oder gemeine Todesstraffen beschehen durch den Schwertschlag, und den Galgen ohne eine beygefügt- anderweite Straffverschärffung. Das Henken jedoch ist in Ansehen der Weibspersonen nicht gebräuchig, sondern dieselbe werden an statt des Strangs mit dem Schwert hingerichtet.

§. 7. Der Todesstraff wird gleich geachtet die Verurtheilung zur ewigen Gefängniß, welche aber gemeiniglich nur durch unsere höchste Verordnung im Weg der Gnaden an statt einer verdienten Todesstraff verhänget wird. Der Todesstraff ist auch gleich zu schätzen, da einer mit Leib und Leben Jedermänniglich Preis gegeben, und Vogelfrey erkläret wird.

§. 8. Wie, und auf was Art aber in vorbemeldt- Tod- berührenden Fällen die urtheile abzufassen seyen? wird in dem 40ten Artikel ausgeführet werden.

Sechster Artikel von Leibsstraffen.

[Seite: 10] [Faksimile] §. 1. Die Leibsstraffen sind
Erstlich: Und hauptsächlich jene, welche unmittelbar eine Leibespein, oder leiblichen Schmerzen verursachen;
Andertens: Jene, welche ausser eines unmittelbaren Leibsschmerzen in der Folge durch Anhaltung zur öffentlichen Arbeit den Leib plagen, und leiden machen; dann
Drittens: Jene, wodurch Jemand zur öffentlichen Schand leiblich ausgestellet wird; und endlich
Viertens: Sind auch jene Straffen anhero zu ziehen, welche die Freyheit des Aufenthalts an gewissen Orten benehmen, oder einschränken.

§. 2. Die unmittelbar an Leib gehende Straffen, welche in diesen Erblanden einen Gebrauch haben, sind Staupenschlag, Brandmarchung, Verstümmlung an Gliedmassen, denn Karbatsch- oder Stockstreiche.

§. 3. Das Ausstreichen mit Ruthen, Auspeitschen, oder Staupenschlag wird vorgenommen nicht nur damalen, wenn solche Straffe auf ein Verbrechen durch das Gesetz ausdrücklich geordnet ist, sondern auch in ausserordentlichen Strafferkanntnußen, wenn nach richterlicher Ermäßigung in Fällen, die den Tod nicht nach sich ziehen, entgegen gefährliche, und ruchlose Leute um schwerer Verbrechen halber diese Straffe zu erkennen befunden wird. Ueberhaupt aber ist bey der Ruthenstraffe zu merken;
Erstlich: Daß ein ganzer Schilling 30. ein halber Schilling 15. Streich habe.
Andertens: Daß man die Ruthen nicht vergiften, weder solche Straff durch anderwärtige Mittel, oder nach Willkuhr des Freymanns wider das Urtheil verschärffen lassen solle; und daß
Drittens: Solcher Straffe allemal die ewige Landesverweisung aus all- diesen deutschen Erblanden nebst Abnehmung eines Hals- Reverses beyzurücken seye; daß endlichen
Viertens: Wider die eingebohrne erbländische Unterthanen, dann wider jene, so in diesen Erblanden von Jugend auf erzogen worden, oder in einem derenselben sich beständig durch 10. Jahr vorhero ehrlich aufgehalten haben, solche Ruthenstraff ohne unser- ausdrückliche Verordnung nicht verhänget werden solle. Welchenfalls jedoch, wenn ein eingebohrner, hierlands erzogener, oder durch 10. Jahr sich aufgehaltener Mensch durch seine Uebelthat nach dem Gesetz die Auspeitschung verdienet hätte, derselbe mit einer anderweiten, der Ruthenstraffe ungefähr gleich kommend- wohl abgemessenen Straffe, entweder bey dem Halsgericht selbst, oder mit Vorwissen, und Gutbefund des Obergerichts in einer Vestung, Zucht- oder Arbeitshaus zu belegen ist. Annebst ist diese Ausnahm nur von Christen, und nicht von diesländig-jüdischen Unterthanen, wie auch nur von dem öffentlichen Staupenschlag zu verstehen: immassen mit einem heimlichen Schilling auch gegen innländische Uebelthäter zu ihrer Züchtig- und Besserung fürgegangen werden kann.

§. 4. Die Brandmarchung, oder Einschrepfung des Straffzeichens ist gemeiniglich gegen diejenige, welche ihrer großen Missethaten, und Gemeinschädlichkeit halber aus allen diesen Erblanden verwiesen werden, vorzunehmen, damit solche landsgefährliche Leute bey ihrer Ruckkehr desto leichter erkannt werden mögen; ausser es würde dem Landsverwiesenen die Brandmarchung aus landesfürstlicher Gnade nachgesehen. Dahingegen in jenen Fällen, da Jemand nur aus der Stadt, dem Halsgericht, oder sonst einem gewissen Ort allein zu verweisen, folgsam in den deutschen Erblanden zu gedulden kommet, ist ein solcher um seines ferneren Fortkommens willen mit dem Brandmahl zu verschonen. Wobey noch weiters zu bemerken: daß
Erstlich: Die Einbrennung des Straffzeichen nur auf dem Rucken zu beschehen habe; auf die Stirn, und in das Gesicht aber Niemanden ein Mahl zu brennen seye. Und damit man
Andertens: Bey Betrettung einer mit dem Brandmahl gezeichneten Person verläßlich wissen möge, in welchem Erbland dieselbe gebrandmarchet worden? um [Seite: 11] [Faksimile] hinnach die nöthige Urkunden desto behender einholen zu können; so sollen nebst dem bishero gewöhnlichen R. annoch die besondere 2. Anfangsbuchstaben desselben Erblandes, daraus die Verweisung beschiehet, eingeschrepfet werden, wie folget:

In Ansehen Böhmen R. Bo.
Mähren.R. Mo.
Des Antheil Schlesien.R. Si.
N. Oe. Unter der Ennß.R. A. I.
N. Oe. Ob der Ennß.R. A. S.
SteyerR. St.
KarnthenR. Ka.
Krain.R. Cr.
GörzR. Go.
Triest.R. Tr.
FiumeR. Fi.
Tyrol.R. Ty.
Breysgau.R. Br.
Schwäb. Oester.R. Su.
Vorarlberg.R. Ar.
GradiscaR. Gr.
wie denn auch
Drittens: Zu Behinderung, damit das frisch eingebrennte Merkmahl nicht ausgesogen, oder sonst getilget werde, allzeit Pulver darein gerieben, und der Verwiesene wenigstens 8. Täg nach vorgenommener Einschrepfung in der Gefängniß anzuhalten ist.

§. 5. Die Verstümmlung am Leibe, als Hand- und Fingerabhauung, und dergleichen können zwar zur Verschärffung einer Todesstraffe verhänget werden. Dahingegen solche Verstümmlung an Gliedmassen in Ansehen jener Uebelthäter, welche nur zeitweilig zu bestraffen sind, und am Leben zu verbleiben haben, hiemit gänzlichen aufgehoben wird: allermassen solche Straffverhängung nicht nur die durch das Gesetz abzweckende Besserung nicht wirken, sondern vielmehr im Gegenspiel zur Verzweiflung, und neuen Missethaten in der Folge verleiten wurde.

§. 6. Die Züchtigung mit Karbatsch- oder Stockstreichen hanget meistentheils als eine ausserordentliche Straff von Ermäßigung des Richters ab. Diese Straff kann bewandten Umständen nach in mehrerley Wege zuerkennet werden,
Erstlich: In geringeren Malefizfällen: daß dem schuldig-befundenen eine empfindliche Wahrnigung mittelst einiger Streichen vor- oder bey seiner Arrestentlassung gegeben werde; oder
Andertens: Zu Bezwing- und Bändigung eines, der in dem gerichtlichen Verhör nicht antworten will, oder ansonst gegen den Richter, oder in der Gefängniß sich widerspänstig, oder ungebührlich aufführet; oder
Drittens: Zu einer verdienten Straffvermehrung: daß der Uebelthäter bey dessen Uebernehm- oder Wiederentlassung in dem Straffort zum Willkomm , und Abschied gewisse Streiche bekomme, oder, daß selber währender Zuchthaus- oder einer anderen Straffe mit etwelchen Streichen heimlich, oder öffentlich auf einer Bühne durch den Gefangenwarter, den Gerichtsdiener, oder Wächter gebüsset, und gezüchtiget werden solle.

§. 7. Oeffentliche Arbeitsstraffen sind gemeiniglich: da Jemand in ein hungarisches Gränizhaus oder eine deutsch-erbländische Vestung zur Schanzarbeit; item in ein Spinn- oder Zuchthaus; item in Stadtgraben, Stockhaus, oder ein anderes in dem betreffenden Land gewöhnliches Straffort; item zu einer bey dem Halsgericht, oder bey der Herrschaft selbst zu verrichten kommend- öffentlichen Arbeit verurtheilet wird. Die Straffen zur Ruderbank, und Bergwerksarbeit bleiben derzeit bis auf unser- anderweite Verordnung eingestellet. Bey diesen Straffarbeiten ist aber besonders zu beobachten: daß [Seite: 12] [Faksimile]
Erstlich: Wenn die Gattung der Arbeit in dem Urtheil namentlich bestimmet ist: als zur härteren, mitteren, ringeren Zuchthausarbeit, oder zur öffentlichen Kehrung der Gassen, oder zur Wartung der Kranken in einem Spital, und dergleichen; so hat es dabey zu verbleiben, und kann solchenfalls die zuerkennte Arbeitsgattung nicht anderst, als aus erheblicher Ursache, und allemal mit Vorwissen, und Gutbefund des Obergerichts, auch nur in eine ungefähr gleichkommende, keinerdings aber in eine schwerere Arbeit verwandelt werden. Wäre aber Jemand zur öffentlichen Arbeit nur überhaupt verurtheilet, so hat die Obrigkeit, oder der Vorsteher des Strafforts die Arbeit zwar willkührig zu gemeinem Nutzen, jedoch mit vernünftiger Maß in Rucksicht auf das Verbrechen, und auf die Kräften der büssenden Person anzuordnen. Daß
Andertens: Die öffentlichen Straffarbeiten allemal in Band, und Eisen zu verrichten seyen. Denn
Drittens: Daß jene Straffverhängungen, so in dem Halsgericht selbst nicht können vollstrecket werden, sondern ihre Wirkung über den halsgerichtlichen Gezirk erstrecken, zum Beyspiel: die Verurtheilung zur Schanz- oder Zuchthausarbeit, und sofort, allzeit bey dem Obergericht zu dem Ende anzuzeigen seyen, damit von dortaus, um das Urtheil zum Vollzug zu bringen, das behörige vorgekehret werden möge. Und endlich
Viertens: Wenn die öffentliche Arbeit ausser des Halsgerichts besonders in Zucht- und Gränitzhäusern mit Verschickung des Uebelthäters zu überstehen ist, solle die Straffzeit wenigstens ein ganzes Jahr zu dauren haben, auf eine kürzere Zeit aber keine Verschickung beschehen. Was die Länge der Straffzeit anbetrifft, mögen die Halsgerichte von einer einjährig- bis 10. jährigen Straffarbeit (als welch-letztere der Todesstraffe nächst beykommet) von selbst die Erkanntnuß schöpfen; wenn es aber auf eine lebenslängliche Straffarbeit ankäme, solle vorhin die Bestättigung des Urtheils bey Uns eingeholet werden.

§. 8. Die Schandstraffen sind unterschiedliche, als: an den Pranger, oder vor der Kirchen in die Prechel stellen; in das Narrenhäusel einsperren; Vorstellung auf einer öffentlichen Bühne, oder Schrägen, oder auf einer Schandsäule, ohne- oder mit Anhängung der gestohlenen Sache, oder eines das Verbrechen enthaltenden Zettels, und was mehr dergleichen Straffen sind. Wobey in acht zu nehmen, daß
Erstlich: Wenn ein- oder andere dieser Straffen ausdrücklich auf ein Verbrechen in den Gesetzen verhänget ist, solche Straff zum Schrecken, und Erspieglung anderer ihresgleichen ohne weitere Rucksicht zu vollziehen seye. Nebst deme können
Andertens: Solche Schandstraffen gegen jene, die zugleich des Halsgerichts, Stadt, Burgfrieds, oder Landes verwiesen werden, nach Bewandniß des Verbrechens unbedenklich erkennet werden; besonders in Fällen, wo die öffentliche Vorstellung auf der Bühne zu dem Ende beschiehet, damit der Uebelthäter von der Volkmenge in genaue Erkänntniß gebracht, und bey seiner verbotenen Ruckkehr desto geschwinder entdecket werde. Zum Fall aber
Drittens: In kleineren Verbrechen der Straff-Fällige in der Gemeinde bey seinem weiteren Nahrungsstand zu gedulden wäre, sollen dergleichen zur blossen Schand, Hohn, und Spott gereichende, und an dem weiteren ehrlichen Fortkommen überaus behinderliche öffentliche Ausstellungen ohne gar erhebliche Ursache nicht vorgekehret werden.

§. 9. Die Straffen, wodurch die Freyheit des Aufenthalts auf einige Zeit, oder für beständig benommen wird, sind 1mo Gefängniß. 2do. Verweisung aus einem einzelen Orte mit Beylassung der Landeshuld. 3tio. Verweisung aus allen Erblanden, welcher auch 4to. die Verweisung aus einem Erbland gleich zu halten. 5to. Verweisung an ein gewisses Ort, oder Confinirungsstraff.

§. 1o. Die Gefängnißstraff erstrecket sich entweder auf Lebenslang, jedoch auf unser vorhergehende Verordnung, wie im Art. 5. §. 7. gemeldet; oder sie ist nur zeitwierig, und bestehet in einem Schloß- Vestungs- Stadt- oder Hausarrest, oder beschiehet in einem öffentlichen Kerker, mit- oder ohne Anschlagung der Eisen, auch gestalten Dingen nach mit schmaler Atzung, oder durch gewisse Täg in Wasser, und Brod zu fasten, oder auch mit einer anderweiten Straffvermehrung. [Seite: 13] [Faksimile]

§. 11. Die sonderheitliche oder particular Verweisung, so mit Beylassung der Landeshuld nur aus dem Halsgerichtsgezirk, oder einem gewissen Ort mit- oder ohne Urphed, auf eine benannte Zeit, oder auf ewig beschiehet, wird gemeiniglich damalen verhänget, wenn die Uebelthäter zwar keines gemeinschädlichen Verbrechens sich theilhaftig gemacht; deren Verbleiben jedoch an dem Orte, wo sie gesündiget, entweder eine besondere Aergerniß, oder neuen Anlaß zum Ruckfall in die vorige Mißhandlung geben würde; gleichwie es sich bey denen in minderen Grad betrettenen Gottslästerern, bey Gemeindeaufwicklern, Wildprätschützen, Schwärzern, denn in fleischlichen Vergehungen, und dergleichen ergiebt. Zumalen aber der Gezirk, und Umfang der Halsgerichten, und Ortschaften denen Verwiesenen eigentlich nicht bekannt seyn mag, annebst in einigen dieser Erblanden die Halsgerichtsgezirke mit anderen zu ihrem Blutbann nicht gehörigen Landgütern verschiedentlich untermenget sind, als solle zu Vermeidung aller Ausflucht, und Unterschleifes, derley particular Verweisung künftighin nicht blatterdings aus dem Halsgericht, Burgfried, Stadt, oder Gezirk, sondern ausdrücklich auf 2. oder bewandten Umständen nach auf 3. oder höchstens 4. Meilen Wegs von dem benennten Ort, wovon der Thäter zu verweisen ist, erkennet, und von einer sogestalten Verweisung allemal denen in solchem Umkreis gelegenen Obrigkeiten, Städten, und Märkten die erfoderliche Nachricht nebst beyfügend- genauer Beschreibung des Verwiesenen gegeben werden.

§. 12. Die Verweisung aus all- unseren deutschen Erblanden nebst jedesmaliger Abnehmung der Urphed hat insgemein statt, wenn ein Uebelthäter in einem gemeinschädlichen, die Todesstraff nicht nach sich ziehenden Verbrechen einkommet, von welchem zugleich theils wegen der in einerley Verbrechen bereits fruchtlos verhängten Bestraffung, theils wegen der durch öftere, und durch eine geraume Zeit in das Werk gesetzte Schandthaten an sich gezogenen bösen Gewohnheit eine Besserung nicht wohl zu hoffen, sondern vielmehr die wiederholende Ausübung seiner Verbrechen zu besorgen stehet. Es bleibt jegleichwohlen dem Gutbefund der Obergerichten bevor, mit solcher Länderverweisung auch jenen Falls, wo nicht eben all- vorbesagtes zusammen trifft, gegen gar gefährliche Bösewichte, von denen sich in Zukunft nichts Gutes zu versehen ist, furzugehen, und von solchem Unrath die Länder zu reinigen.

§. 13. Die Verweisung aus einem Erblande solle aus Kraft Rechtens ebenfalls die Wirkung einer allgemeinen Landesverweisung nach sich ziehen, folgsam diejenige Uebelthäter, so wegen eines landschädlichen Verbrechens aus einem Erblande verwiesen zu werden verdienen, aus der gegründeten Beysorge, damit solche gefährliche Leute nicht etwann anderen erbländischen Unterthanen mit neuen Unthaten zu Last fallen, allemal aus all- übrigen deutschen Erblanden verwiesen werden.

§. 14. Hiebey sind nachfolgende Anmerkungen in acht zu nehmen; und zwar
Erstens: Daß bey jedwederer Verweisung, selbe beschehe aus einem besonderen Ort, oder aus allen Erblanden, allzeit die verweisende Person vorhero dreymal an verschiedenen Wochenmärkten auf einer öffentlichen Bühne mit einem ihr Verbrechen, und Straffe enthaltenden Zettel zu dem Ende vorzustellen seye, damit selbe von der Volkmenge besser erkannt, und bey ihrer unerlaubten Ruckkehr desto geschwinder ausgekundschaftet, und angezeiget werden möge: ausser es würde solche öffentliche Vorstellung aus erheblichen Ursachen nach Ermäßigung des Obergerichts nachgesehen.
Andertens: Daß diejenige, so nur aus einem Orte allein verwiesen werden, mit der Brandmarchung zu verschonen seyen; dahingegen diejenige, gegen welche die Verweisung aus allen Erblanden zu verhängen ist, allzeit gebrandmarchet werden sollen, ist schon oben § 4. geordnet worden. Ferners solle
Drittens: Bey jenen, so der Erblanden zu verweisen sind, solche Verweisung auch jedesmal auf unser Hoflager, wo immer selbes sich befinden wird, erstrecket; und
Viertens: Jedesmal eine ausführliche Beschreibung der Person des Landesverwiesenen von den nachgesetzten Halsgerichten an das Obergericht zur weiteren [Seite: 14] [Faksimile] Kundmachung im Land überreichet, annebst von dem Obergericht solche Beschreibung sammt Urtheil an die gubernial-Stellen unser übrigen deutschen Erblanden zu dem Ende eingesendet werden, damit selbe das behörige auch ihrer Seits hierinfalls vorkehren können. Wohingegen
Fünftens: Die allgemeine Verweisung aus allen Erblanden gegen dieserländige Unterthanen, dann gegen jene, so von Jugend auf in diesen Ländern erzogen worden, oder vorhin durch 10. Jahr beständig in einem dieser Erblanden sich ehrlich aufgehalten haben, ohne unsere ausdrückliche Verordnung nicht verhänget, sondern vielmehr solche inländische Uebelthäter mit längerer Anhaltung in öffentlichen Strafforten zur Buß, und Besserung bezwungen werden sollen. Es ist endlichen
Sechstens: Die blosse Abschaffung mit der Halsgerichts- oder Landesverweisung nicht zu vermengen: allermassen letztere lediglich in Malefizfällen statt hat; die erstere hingegen auch ausser eines halsgerichtlichen Verbrechens gegen Personen, die unserem Hof, dem Staat, oder einer Gemeinde zur Ueberlast fallen, auch gegen unbekannte herumfahrende, oder verdächtige Leute, besonders gegen Ausländer aus politisch- und bürgerlichen Ursachen verfüget werden kann.

§. 15. Die Verweisung an ein gewisses Ort, oder Confinirungsstraff ist, wenn zum Beyspiel Raubschützen, aufwicklerische Unterthanen, und dergleichen für sich allein, oder mit Weib, und Kindern gegen Abnehmung der gewöhnlichen Urphed in ein gewisses Land, Gezirk, oder Ort auf eine benannte Zeit, oder lebenslänglich verschaffet werden, um alldort ihre Nahrung zu suchen, und von dannen nicht auszutretten.

Siebenter Artikel von außerordentlich- und willkührlichen Straffen.

§. 1. Die ordentlichen Straffen sind, welche das Gesetz auf die Verbrechen namentlich ausgesezet. Dahingegen die willkührigen und ausserordentlichen Straffen damalen eintretten, wenn erstlich: das Gesetz auf ein Verbrechen keine gewisse Straffe ausgemessen, sondern stillschweigend, oder ausdrücklich die Bestraffungsart der Willkuhr des Richters überlassen hat; oder andertens: wenn zwar das Gesetz eine gewisse Straffe auf ein Verbrechen überhaupt ausgesetzet hat, jedoch ein rechtmässiger, das ist, ein in dieser Halsgerichtsordnung enthaltener Milderungs- oder Beschwerungsumstand erheischet, von der sonst vorgeschrieben- ordentlichen Straffe abzugehen. Wo demnach in dem ersteren die Bestimmung einer gemessenen Straffe; in dem letzteren Straff-Fall hingegen die Verminder- oder Verschärffung der ordentlichen Straffe auf richterlicher Ermäßigung beruhet.

§. 2. Bey Verschärfung der ordentlichen Straffe hat der Richter zu bestimmen, mit was für, und wie viel Zusätzen dieselbe zu vermehren, oder ob anstatt derselben eine härtere zu verhängen seye? Bey Verminderung der ordentlichen Straffe [Seite: 15] [Faksimile] hat selber zu ermessen: ob von einer verschärfften Todesstraffe nur die Verschärffung nachzusehen, oder ob die härtere in eine gelindere Todes- oder nur in eine Leibs- oder andere Straffe zu verwandeln, oder gestalten Dingen nach der Inquisit gar aller Straffe zu erlassen seye?

§. 3. Die dem Richter solchenfalls eingeraumte Willkuhr bestehet aber keinerdings in einem blossen Eigenwill; er kann demnach, wo ein wahres Verbrechen ist, den Thäter nicht strafflos lauffen lassen, oder ein gütiges Abkommen mit ihme treffen, vielweniger die durch das Gesetz ausgesetzte Straff ohne Rechts-gegründete Ursach minderen, oder mehren, veränderen, oder gar erlassen, sondern derselbe hat in all- solch- willkührigen Straff-Fällen die Erkanntnuß vernünftig so einzurichten, damit in wohlerwogenen Gegenhalt aller beschwerend- und linderenden Umständen zwischen dem Verbrechen, und der Straffe eine Ebenmaß, und billige Gleichheit gehalten, somit weder einer allzugroßen Strenge, weder allzuvieler Gelindigkeit sich gebrauchet werde. Wobey annoch zu beobachten, daß
Erstlich: In geringeren, oder zweifelhaften Straff-Fällen die Gelindigkeit der Schärffe vorzuziehen; und daß
Andertens: Die willkührige Bestraffungen nicht auf die Todesstraffe zu erweiteren seyen: ausser es wäre solche Macht durch das Gesetz selbst in ein- oder anderen Verbrechen dem Richter eingeraumet. Welch- letzteren Falls, wenn das Gesetz nur überhaupt die Todesstraff androhet, dieselbe lediglich von einer gemeinen Todesart, und zwar insgemein von dem Schwert, als der gelindesten Todesstraffe zu verstehen ist.

§. 4. Die willkührliche, und ausserordentliche Straffen, so von richterlicher Ermessung abhangen, sind vielfältig, und unterschiedlich. Es können also nach vorbemeldten Maßregeln alle in diesen Erblanden übliche Straffen in ausserordentlich- und willkührlichen Straff-Fällen gestalten Dingen nach verhänget werden, wo jedoch in Betreff der willkührig erkennenden Geldstraffen sich nach der in dem nachfolgenden 8ten Artikel einkommenden Anordnung zu achten ist.

§. 5. Kriegsdienste sind keinerdings unter die Straffen zu rechnen. Es kann demnach in Malefizfällen das Soldatenleben durch ein Urtheil nicht zur Straffe auferleget werden. Nachdem aber der Soldatenstand eine Lehrschul zu Angewöhnung des Gehorsams, Mühe und Arbeit ist, als wird hiemit gestattet, daß taugliche, junge, und ehrliche Mannspersonen, welche wegen ihres müßigen Herumfahrens, wegen Frevelhändel, oder sonst geringerer, keine Ehrenmackel auf sich tragenden Verbrechen sich verfänglich gemacht, ohne Schöpfung eines Urtheils zu Soldaten abgegeben werden mögen; und dieses nicht zur Straffe, sondern zu gemeiner Wohlfahrt, und ihrem eigenen Besten, damit sie von müßigen, oder sonst ungebührlichen Lebenswandel abgezogen, und nützliche Mitglieder des Staats hieraus erzieglet werden.

Achter Artikel von Geldstraffen.

[Seite: 16] [Faksimile] §. I. Die Geldbußen sind entweder als eine ordentliche Straff auf geringere Verbrechen ausdrücklich durch das Gesetz ausgemessen, oder selbe werden in ausserordentlich- und willkührlichen Straff-Fällen durch richterliche Erkanntnuß auferleget; wo jedoch zu merken, daß zwar den Obergerichten in all- willkührlichen Straff-Fällen nach vernünftigen Ermessen mit einer Geldstraffe fürzugehen allerdings gebühre; dahingegen die nachgesetzten Halsgerichte nur damalen auf eine Geldbuß erkennen mögen, wenn das Gesetz selbst in ein- oder anderen Fall ausdrücklich dahin lautet, daß der Thäter bewandten Umständen nach willkührig mit dieser, oder jener Leibs- oder auch einer Geldstraffe beleget werden könne.

§. 2. Wenn aber das Gesetz auf ein gewisses Verbrechen eine eigene Straff ausgesetzet hat, kann solche durch den Richter in eine Geldbuß nicht veränderet, um so weniger nebst der ordentlichen Straffe noch eine weitere Bestraffung in Geld vorgenommen werden.

§. 3. Ueberhaupt aber hat man in Erkanntnuß ausserordentlich- und willkühriger Straffen mit den Geldbußen eine vernünftige Maß zu halten; es ist demnach in schweren, eine öffentliche Erspieglung, und Abschrecken erheischenden Mißhandlungen nicht sowohl auf eine Geld- als eine Leibsstraffe anzutragen. Gleichfalls ist

§. 4. Bey mittellosen Unterthanen, wo durch Abnahm der Geldstraff ihr Hausstand zum Nachtheil des unschuldigen Weibs, und Kindern empfindlich geschwächet, oder gar zu Grund gerichtet würde, vielmehr zu ihrer Abbüßung eine Leibsstraff zu verhängen. Da aber

§ 5. Nach Gestalt der Sachen auf eine Geldstraff zu erkennen befunden wird, ist solche (falls nicht etwann eine gewisse Summe in dem Gesetz selbst schon bestimmet wäre) nach Beschaffenheit des Verbrechens, und nach dem Vermögen des Uebelthäters abzumessen, anbey allemal der eigentliche Geldbetrag auszuwerfen.

S. 6. Es kann auch nebst anderen gelinderen Straffen, als Gefängniß, Dienstentsetzung, Ehrloserklärung, und dergleichen nach Bewandniß der Umständen eine Geldbuß zur Straffvermehrung beygefüget, und andurch zwischen dem Verbrechen, und denen zusammgesetzten geringeren Straffen eine billigmäßige Ausgleichung getroffen werden. Dahingegen

§. 7. Ist nicht erlaubt die Lebens- oder auch sogestalte Leibesstraffen, wobey ein Schmerz, öffentliche Arbeit, Ausstellung vor dem Volk, oder Verweisung unterlauffet, durch willkührige Erkanntnuß mit einer Geldbuß zu vermehren.

§. 8. Die aus halsgerichtlichen Verbrechen einkommende Straffgelder, in soweit selbe durch unsere vorhin ergangene Ausmessungen nicht in anderweg zu einem gewissen Gebrauch schon gewidmet, oder etwann durch das Urtheil selbst zu einer besonderen Anwendung bestimmet sind, sollen den betreffenden Halsgerichten zu Uebertrag- und Bestreitung der Malefizkosten, und anderen Halsgerichtsnothdurften anheim fallen. [Seite: 17][Faksimile]

Neunter Artikel von Einziehung des Vermögens.

§ 1. Die Verwirkung der Haabschaft beschiehet einzeln, oder gehet auf das ganze Vermögen.

§. 2. Einzeln ergiebt sich dieselbe, wenn nur sonderheitliche Sachen verwirkt, und als verfallen zur landesfürstichen Kammer eingezogen werden. In welchen Fällen aber, und welchergestalten die Verwirkung gewisser Sachen, deren Ein- oder Ausfuhr, Gebrauch, oder Innhabung gesetzgebig verboten ist, in diesen Erblanden statt habe? ist theils aus den Polizeysatzungen, theils aus dieser Halsgerichtsordnung zu entnehmen.

§ 3. Die gänzliche Verwirk- und Einziehung des Vermögens hanget keinerdings von willkührlicher Erkanntnuß der nachgesetzten Gerichtsstellen ab, sondern hat nur dazumalen statt, wenn solche Vermögenseinziehung in dieser Halsgerichtsordnung auf ein Verbrechen ausdrücklich geordnet ist, oder in einer ausserordentlichen Malefizbegebenheit nach Schwere der Umständen von Uns selbsten verhänget wird.

§. 4. Ueberhaupt aber verstehet sich die Vermögenseinziehung allemal nach Abzug der rechtmäßigen Schulden, und lediglich von des Uebelthäters eigenem Vermögen: wannenhero die von ihme innhabende Lehen, wie auch die auf Ruckstellung vertraute, oder sogenannte Fideicommiss-Güter unter dem verwirkten Haab, und Gut nicht mitbegriffen sind.

§ 5. Vorstehende Regel leidet jedoch den Abfall, daß, wenn einer aus dieserländigen Innwohnern, und Unterthanen wider Uns, und den gemeinen Staat, und also im ersten Grad der beleidigten Majestät sich einer solchen Aufruhr, und Rebellion theilhaftig machen würde, welche vielen gemein, und durch Kriegsmacht gedämpfet, und bestritten werden müßte, in solch- alleinigen Fall neben des Missethäters frey- eigenen zugleich die besessene Fideicommiss- und Lehengüter, sie seyen gleich für einen Stamm allein, oder ganze Familien gewidmet, ohne Unterscheid unser- landesfürstlichen Kammer verwirkt, und verfallen seyn sollen. Da aber Jemand sich einer solchen Sach vergriffe, welche zwar in dem ersten Grad der beleidigten Majestät hinein lieffe, jedoch derley kostbaren Kriegszwang nicht bedörffte, so solle unsere Kammer allein die Nutzniessung der von dem Missethäter besessenen Fideicommiss- und Lehengüter so lange behalten, als lang der Missethäter im Leben ist. Wobey annoch

§ 6. Zu merken, daß wenn die auf ein Verbrechen ausgesetzte ordentliche Straffe Jemanden im Weg der Gnaden nachgesehen würde, solche Begnädigung nicht zugleich auf Nachsicht der Vermögenseinziehung zu erweiteren seye: es wäre dann in unserer Gnadertheilung auch hievon deutliche Meldung beschehen. [Seite: 18] [Faksimile]

Zehenter Artikel von der Ehrlosigkeit.

§ 1. Nicht das peinliche Verfahren, wie weit es immer damit gekommen seyn möge, weder die Straffe, weder das Ort der Abbüssung machen Jemanden unehrlich, oder ehrlos, sondern die Unehrlichkeit entspringet aus der Missethat selbst, als ihrer wahren Ursache.

§. 2. Jedoch nicht jedwedes halsgerichtliches Verbrechen ziehet sogleich die Ehrlosigkeit auf dem Rucken nach sich, sondern damit die That und der Thäter für ehrlos gehalten werden können, ist erforderlich, erstlich: daß die That unter jenen Mißhandlungen, welche mit der Mackel der Ehrlosigkeit allhier, oder sonst in dieser peinlichen Ordnung ausdrücklich beleget sind, einbegriffen; andertens: daß der Thäter aus einer solchen Missethat wirklich abgeurtheilet worden seye.

§. 3. Unter die ehrlose Mißhandlungen, welcherwegen den Missethätern die Ehrlosigkeit mit all- ihrer Wirkung anklebet, gehören zuvörderist ihrer Abscheulichkeit halber alle überschwere Missethaten, von deren Eigenschaft oben Art. 2. §. 4. Meldung beschehen.

§. 4 Aus den übrigen halsgerichtlichen Verbrechen sind nur diejenige von Rechtswegen für ehrlos zu halten, worauf in dieser peinlichen Gerichtsordnung, oder in einem anderen dieserländigen Gesetz die Ehrlosigkeit ausdrücklich verhänget ist.

§. 5. Es wird jedoch in einigen Verbrechen durch das Gesetz dem vernünftigen Ermessen des Richters überlassen: ob der Thäter gestalten Sachen nach der Ehre verlustig zu erklären seye, oder nicht? welchen Falls der Erfolg der Ehrlosigkeit mittelbar aus dem Gesetze, unmittelbar aber aus richterlicher Erkanntnuß herrühret.

§. 6. Wobey zu merken, daß solch- letzteren Falls, wenn die Ehrloserklärung der richterlichen Willkuhr eingeraumet ist, der Richter auf Befund der bös gearteten Umständen den Thäter ausdrücklich für Ehrenverlustig zu erklären habe. Würde in derley Fällen das Urtheil von einer Ehrenmackel nichts enthalten, so verfallet der Thäter um eines solchen Verbrechens halber nicht in die Ehrlosigkeit.

§. 7. Die gesetzliche Wirkungen, welche mit der rechtsförmigen Ehrlosigkeit verknüpfet sind, bestehen in folgenden, erstlich: wenn Jemand um einer unehrlichen That halber mit dem Tod gestraffet wird, oder nach gefällten Urtheil sonst mit Tod abgehet, stirbt er als ehrlos, und ist sein Nam aus der Matrikel, oder Einverleibungsbuch desjenigen Mittel, wo er vorhin ein Mitglied gewesen, auszuthun. Würde aber andertens: ein solcher Thäter nur mit einer Leibsstraffe beleget, so ist er von allen [Seite: 19] [Faksimile] Ehrenstellen, Würden, Diensten, Landmannschaft, oder Burgerrechte abzusetzen, weder zu Erlangung solcher Vorzüglichkeiten im gemeinen Wesen fürtershin fähig, auch aus allen Zünften, Bruderschaften, und Zusammenkünften ehrlicher Leute, dann von Abgebung einer glaubwürdigen Zeugenschaft für seine Person von Rechtswegen in allweg auszuschliessen; und endlichen drittens: kann überhaupt ein ehrloser Mensch, es seye eine Todes- oder Leibsstraffe wider denselben erkannt, weder ein Testament machen, weder zu Erben eingesetzet werden. In wie weit selber jegleichwohlen eine minderfeyerliche letztwillige Anordnung errichten, oder aus eines anderen Testament eine Vermächtniß beziehen möge, dieserwegen ist sich nach der rechtlichen Ausmessung unseres erbländischen Codicis civilis zu halten.

§ 8. Die Ehrlosigkeit, womit sich jemand durch seine Uebelthat beflecket hat, kann aber wiederum aufgehoben, und ausgelöschet werden. Diese Aufhebung der Ehrenmackel beschiehet auf zweyerley Art, entweder durch einen besonderen von Uns ertheilten Ehrenbrief, oder durch die gemeine Ehrlichmachung.

§. 9. Unser Gnaden- oder Ehrenbrief, wodurch einer wiederum zu Ehren gebracht werden solle, ist erforderlich in jenen Fällen, wo Jemand zu Würden Ehrenstellen, Diensten, vorzüglichen Eigenschaften und Rechten, wovon in vorhergehenden §. 7mo. Erwähnung beschehen, wiederum fähig gemacht werden wollte. Allsolche Unsere Gnaden- und Ehrenbriefe erstrecken sich jedoch nicht weiter, als in wie weit dieselbe wortdeutlich lauten.

§. 10. Die gemeine Ehrlichmachung hingegen hat überhaupt statt in allen Verbrechen, welcherwegen in dem Urtheil keine Landsverweisung beygerucket ist: dergestalten, daß die zugezogene Ehrenmackel durch die überstandene Straffe wiederum aus Kraft Rechtens von sich selbst gereiniget wird; wo sodann das Halsgericht, bey welchem der Thäter abgeurtheilet worden, nach verlittener Straffzeit demselben einen gerichtlichen Ehrenschein zu ertheilen schuldig ist.

§. 11. Die hauptsächliche Wirkung dieser gemeinen Ehrlichmachung bestehet in deme, daß der gestraffte Thäter ohne all- mindesten Vorwurf des abgebüßt- und gereinigten Verbrechens in gemeinen Umgang, Handel, und Wandel unbeirret zu gedulden, und seine ehrliche Nahrung zu suchen berechtiget seyn solle.

§ 12. Ausser dieser Wirkung erstrecket sich die gemeine Ehrlichung nicht weiter. Derjenige, so aus einer ehrlosen That abgestraffet worden, bleibt auch nach überstandener Straffe unfähig, in die oben § 7. angeführte besondere Rechten, deren er sich verlustig gemacht, wieder einzutretten, oder dergleichen neuerdings zu erlangen. Ingleichen ist derselbe in Zeugenschaften nicht gleich anderen je- und allzeit wohlverhalten-gewesenen Unterthanen für ganz untadelhaft zu achten, sondern dem vernünftigen Ermessen des Richters wird allerdings anheimgestellet, in wie weit beschaffenen Sachen nach seiner Aussag Glauben beygemessen werden könne? Die Fähigmachung zu obbemeldt- vorzüglichen Rechten, dann zur untadelhaften Kundschaftgebung, somit die vollkommene Herstellung in vorigen Ehrenstand bleibet forthin Unserer höchsten Gewalt vorbehalten, und kann ohne Unser- besonderen Gnadenbrief nicht wieder erworben werden.

§. 13. Würde jemand eines gemeinschädlichen Verbrechens halber aller Erblanden verwiesen, so hat selber die aus der Mißhandlung an sich gezogene Ehrlosigkeit mit sich zu tragen, damit dessen Ruckkehr durch solch- anhängigen Schandfleck, und den ihme andurch abgeschnitten- ehrlichen Umgang desto sicherer hindangehalten werde. Dahingegen diejenige, welche nur sonderheitlich aus einem Orte verwiesen sind, und in diesen Erblanden zu verbleiben haben, ebenfalls der obbemeldten nach vollbrachter Straffzeit allen erbländischen Insassen zu guten kommend- gemeinen Ehrlichung zu geniessen haben.

§ 14. Bisher ist von der Unehrlichkeit aus dem Rechte gehandelt worden. Die Unehrlichkeit aus der That pfleget insgemein dahin verstanden zu werden, wann auf ein- oder andere That durch das Gesetz zwar keine Ehrlosigkeit ausgesetzet ist, jedoch nach Dafürhalten ansehnlich- ehrlicher Männer solche Handlung, Thun, oder Lassen für schlecht, und schändlich, folgsam derjenige, so selbe begangen, für eine schandhafte Person geachtet werden will. Zumalen aber diese Gattung der Unehrlichkeit [Seite: 20] [Faksimile] auf bloß willkührlich- und unsicheren Urtheil, und Muthmassung beruhet, und niemand ohne rechtliche Verurtheilung für unehrlich zu halten ist; als sollen die hieroben § 7, auf die gesetzmässige Ehrlosigkeit ausgesetzte Wirkungen sich mit Nichten auf eine solche vermeintliche Unehrlichkeit erstrecken, weder unter solchem Vorwand Jemanden eine Unehrlichkeit vorgerupfet werden. Vielmehr ist ein solch- widerrechtlicher Vorwurf als eine Ehrenverletz- und Verleumdung anzusehen, und bewandten Umständen nach ein solcher Ehrenschänder nach Ausmaß des 100ten Artikels halsgerichtlich zu bestraffen.

§ 15. Belangend die gemein- Verächtlichkeit gewisser Personen; da nämlichen einige nicht um einer begangenen Uebelthat halber, sondern entweder wegen unächter Geburt, oder wegen ihrer verächtlicher Handthierung, und dergleichen, insgemein für schlechte, und verächtliche Personen gehalten werden. Dieserwegen sind in den dieserländigen Polizeyordnungen die behörige Maßregeln, welchergestalten solchen Leuten zu ihren ehrlichen Unterkommen, und Nahrung zu verhelffen seye? allschon vorgeschrieben, wornach sich also zu achten ist.

Eilfter Artikel von den Umständen, welche die That selbst verringeren, somit die Straffe milderen.

§. I. Der Richter ist seinen Pflichten, und Gewissen gemäß verbunden, in Abführung der peinlichen Verfahrung nicht nur auf die beschwerende Umstände, sondern zugleich, und hauptsächlich auf all- dasjenige, was dem Inquisiten zur Entschuldig- oder Minderung der That, und Verringerung der Straff fürtragen kann, fleissig nachzuforschen, die solch- fällige Umstände, so viel thunlich, mit rechtlicher Gewißheit zu erheben, und bey Fällung des Urtheils die billige Rucksicht hierauf zu nehmen.

§. 2. Die Umstände, welcherwegen gestalten Dingen nach die Straffe in etwas zu linderen, auch in etwelchen Fällen gänzlich zu erlassen ist, sind gemeiniglich nachfolgende. Vor allen aber ist zu beobachten: ob nicht ein Gebrechen, und Abgang an Vernunft, und Sinnen unterwalte.

§. 3. Wo eine völlige Gemüthsverruckung vorhanden ist, als bey Toll- und Unsinnigen etc. kann der Thäter gar nicht gestraffet werden. Wenn jedoch derselbe gewisse Abwechslungen hätte, und der Richter anstünde, zu welcher Zeit die That geschehen, solle er den gelinderen Weg erwählen.

§. 4. Bey einer vorfindend- gar grossen Tummheit, Blödsinnigkeit, und Einfalt, womit keine gänzliche Vernunftlosigkeit verknüpfet ist, sonderlich bey Taub- und Stummen ist die Straffe nach Beschaffenheit einer etwann gleichwohlen mit [Seite: 21] [Faksimile] unterlauffenden Bosheit abzumessen. In all- solchen Fällen aber, wo ein Gebrechen an der Vernunft erscheinet, wenn solches nicht ehedem offenkundig wäre, solle die wahre der Sache Beschaffenheit: ob nämlichen die Sinnlosigkeit, Tummheit, oder Einfalt nicht etwann verstellet seye, oder in welchem Grade sich dieselbe befinde? durch beeydigte, oder zu diesem Ende eigends zu beeydigende Aerzte mittels öfteren zu verschiedenen Zeiten vornehmenden Besuche, und durch anderweite geschickte Prüffungsmittel auf das genaueste alles Fleißes erforschet werden.

§. 5. In zufälliger Vernunftschwächung, so durch Rausch, oder Sinnverwirrung beschiehet, ist in acht zu nehmen:
Erstlich: Ob dem Thäter die Berausch- oder Sinnverwirrung ohne alle seine Schuld zugestossen, zum Beyspiel: wenn er entweder von ungefähr, oder aus eines Drittens Veranlassung durch unbekanntes Getränk, Speiß, Rauchwerk, oder in anderweg von Sinnen wäre gebracht, oder da er mit wahren Gewalt zu Nehmung was dergleichen wäre genöthiget worden. Solchenfalls hat der verwirrt-gemachte wegen der in einer gänzlichen Sinnberaubung verübten That keiner Straffe zu unterliegen; wäre jedoch derselbe nicht gänzlich von Sinnen gekommen, sondern sich noch genug gegenwärtig gewesen, so ist nach Maß der Umständen wider selben eine willkührliche Straff zu verhängen. Dahingegen wider die Ursachere der Sinnverwirrung, wie auch wider die gewaltthätige Annöthigere nach Beschaffenheit der Gefährde, oder Bosheit, besonders wenn selbe den Erfolg der That vorgesehen, oder leicht vorsehen können, oder vielleicht gar auf den Erfolg abgezielet hätten, bewandten Umständen nach mit aller Schärffe zu verfahren ist. Da aber
Andertens: Die Berauschung obschon auf fremdes Zutrinken, und Zureden, aus ungezwungenen freyen Willen beschehen, und hieraus eine völlige Sinnberaubung entstanden wäre, so ist auf den Unterscheid zu sehen: ob keine Feindschaft, Droheworte, oder sonst was vorher gegangen, welches einige Zubereitung, oder Anlaßgebung zu der trunkener Weis verübten That argwohnen machete, ein solcher Mensch auch das Vollsauffen nicht in Uebung gehabt, und derentwegen nie gestraffet, oder abgemahnet worden? oder vielmehr das Widerspiel sich dargezeiget habe? ersteren Falls ist die Straff in etwas zu linderen; letzteren Falls ist auf Verminderung der ordentlichen Straffe kein Bedacht zu nehmen. Wie dann
Drittens: In all-jenen Fällen, wo der Rausch den Gebrauch der Vernunft nicht gänzlich benommen, sondern der Thäter seines Thun, und Lassens sich wohl bewußt gewesen, einer Strafflinderung ebenfalls kein statt zu geben ist.

§. 6. Unter die Milderungsursachen gehöret auch das gar junge, oder gar hohe Alter, jedoch mit nachstehender Mäßigung, daß
Erstlich: Bey erster Kindheit bis auf das siebente Jahr, und überhaupt bey unmündigen Knaben, und Mägdlein, welche näher bey dem 7ten als 14ten Jahr sind, insgemein halsgerichtsmäßige Straffen nicht statt haben; gleichwohlen aber können böse Kinder, wenn Kennzeichen gefährlicher Bosheit, und ziemlicher Begriff der begangenen Uebelthat bey ihnen vorhanden, gar wohl auf Kinderart, als mit Ruthen gezüchtiget, und eine so beschaffene Abstraffung gestalten Sachen nach, entweder derenselben Eltern, oder Lehrmeistern anbefohlen, oder von Gerichtswegen vorgenommen werden. Dahingegen sind
Andertens: Unmündige Kinder, so näher bey dem 14ten als dem 7ten Jahr sind, und um so mehr die mündige Personen beyderley Geschlechts, welche nämlich das 14te Jahr ihres Alters allererst erfüllet haben, der peinlichen Bestraffung zwar unterworfen; jedoch ist gemeiniglich mit einer Todes- oder sonst ordentlichen härteren Straffe wider selbe nicht fürzugehen: ausser in überschweren Missethaten, welcherwegen, wenn die Bosheit das Alter übertrifft, zum Schwertschlag, und bewandten Umständen nach auch zu einiger Verschärffung der Schwertstraffe gegen selbe geschritten werden kann.
Drittens: Das weitere jugendliche Alter entschuldiget nicht von ordentlichen Straffen; es wäre dann, daß der Thäter oder Thäterin nicht über 2. Jahr nach der Mündigkeit, somit nicht über 16. Jahr zurückgeleget hätte, anbey keine vorzeitige Bosheit, sondern vielmehr gute Hoffnung künftiger Besserung sich äusserte [Seite: 22] [Faksimile] In Ausrechnung des Alters aber ist allemal die Zeit des begangenen Verbrechens zur Richtschnur zu nehmen. Endlichen ist
Viertens: Bey dem hohen Alter nicht soviel auf die Anzahl der Jahren, als die Beschaffenheit des Leibes, und des Verstandes zu sehen. Wegen der Leibsgebrechlichkeit kann die ordentliche Leibsstraffe, wenn bey dero Vornehmung das Leben Gefahr lauffete, in eine gelindere veränderet werden. Gebräche es aber an Gemüthskräften, so ist die Straffe nach dem Verhalt der Einfalt, Unverstandes,oder Blödsinnigkeit abzumessen, zu linderen, oder nachzusehen.

§. 7. Eine schwere Krankheit, oder beständige Leibesschwachheit enthebet zwar bewandten Umständen nach von den ordentlichen Leibsstraffen, wenn solche ohne Lebensgefahr nicht können vollzogen werden, niemalen aber von der Todesstraffe. In welch-letzterem Fall, da der Thäter krank, mit der Urtheilvollstreckung bis zu dessen Genesung zuzuwarten, mit einem beständig schwach- oder schadhaften aber damit fortzusetzen ist. Wäre aber die Krankheit, als bey schwermüthigen, oder melancholischen, preßhaften, und dergleichen mit beharrlicher Schmerzhaftigkeit, und Wehemuth behafteten Leuten zugleich mit einer Gebrechlichkeit, oder Schwächung an Sinnen verknüpfet, so ist in der Strafferkanntnuß allemal der mildere Weg zu ergreiffen.

§. 8. Es beschiehet auch durch heftige Gemüthsbewegungen, daß man in einige Verwirrung gerathen kann, als durch Zorn, Schrecken, durch drohsame Befehl der Oberen. Wobey zu merken:
Erstlich: Zorn, Gähheit, und Uebereilung kann nur damalen für einen milderenden Umstand dienen, wenn man aus gegebener großer Ursach, und gerechten Empfindlichkeit, auch ohne selbst eigenen schuldhaften Anlaß zu unmäßigen Zorn, und Ereifferung verleitet, annebens die That gleich in erster Gemüthsbewegung ohnüberlegter verübet, und darnach wahrhaft bereuet worden.
Andertens: Wenn Gewalt, Noth, und Forcht zur Entschuldigung vorgeschützet wird, ist zu erwegen: ob solche Zunöthigung so beschaffen gewesen, daß auch eine standhafte Person sich hieran entsetzen können? dann wie schwer die Rettungsmittel gewesen? und ob man sich nicht selbst muthwillig darein gestürzet habe? nebst deme soll man eines jeden seinen besonderen Stand, Leibs- und Gemüthsbeschaffenheit, und andere dergleichen Umstände wohl in acht nehmen, und darnach ermessen, wie weit die Straffe zu milderen, oder nachzusehen seyn möchte.
Drittens: Den Befehl der Oberen, und Vorgesetzten belangend, ist darauf zu sehen, wie weit die Gewalt der Oberen gegen die Untergebene sich erstrecke? je größer die Gewalt, Macht, und Ansehen der Oberen ist, je weniger, und gelinder kann der Untergebene wegen Vollziehung des widerrechtlichen Befehls gestraffet werden. Hiernächst ist der Inhalt des Befehls wohl zu betrachten, dann was ohne bedrohlich- oder ernsthaften Befehl nur auf der Oberen, und anderen blosses Anrathen, Vollmacht, Versprechen, Ersuchen, Hülff, Gutheissen, oder Veranlassen geschiehet, verdienet in überschweren gar keine, und in anderen Verbrechen nicht leicht eine Straffmilderung.

§ 9. Wo es am nachdenklich- sinnlichen Gebrauch, oder am Willen ermanglet, kann mit den ordentlichen Straffen nicht fürgegangen werden. Es können demnach
Erstlich: Wegen Unwirksamkeit der Vernunft schlaffende, und mondsüchtige, wann selbe im Schlaffe, und ihrer Nachtwanderung ein Uebel anrichten, nicht bestraffet werden; ausser in soweit etwann einige ihre Schuld in Unterlassung der behörigen Abhülffs- und Vorsichtsmitteln vorhergegangen wäre. So gebricht es auch
Andertens: An Willen, wo Irrthum, oder Unwissenheit unterlauffet. Irrthum enthebet von aller Straffe, wenn der Irrende mit erlaubten Sachen umgehet, und ihme der Irrung halber keine Schuld kann beygemessen werden. Wenn aber der Irrthum aus Schuld des Irrenden herrühret, so wird die Straffe nur gemildert; ausser es wäre die That, welche der Irrende vorgehabt, eben so sträfflich, oder noch sträfflicher gewesen, als jene, welche aus Irrthum wirklich von ihme begangen worden. Gleichfalls mag [Seite: 23] [Faksimile]
Drittens: Die Unwissenheit in Sachen, wo das Gesetz etwas gebietet, oder verbietet, bewandten Umständen nach, wenn selbe nicht gar schuldhaft, zwar von der ordentlichen, nicht aber von aller Straffe entledigen. Dahingegen in Sachen, die eine innerliche Bosheit, und Straffmäßigkeit auf sich tragen, kein Bedacht darauf zu nehmen: ob der Thäter das eigentliche Gesetz, welches eine gewisse Straffe ausmesset, gewußt habe, oder nicht? genug, daß ihme die Unzulässigkeit der That nicht unbekannt seyn können.

§ 10. Die weitere Milderungsursachen, so sich in Ansehen der That, der gerichtlichen Verfahrung, oder der Person des Inquisiten ergeben, sind nachstehende:
Erstlich: Wenn sich an der Gewißheit der That, oder corpore delicti Mangel hervor thut, da entweder Jemand eine Uebelthat bekennet, der Richter aber nicht eigentlich darauf kommen kann, daß solche wirklich beschehen; oder da zwar die That bekannt, die wahre Beschaffenheit und Beumständigung derselben aber zur Ueberweisung des Verdächtigen nicht genüglich ausfindig gemacht werden kann.
Andertens: Langwierige schwere Gefängniß, worzu der Thäter keine Ursache gegeben, sonderlich wenn selbe bey kalter Winterszeit, und geringer Unterhaltung in Kleidern, Speiß, und Trank geschehen; dahingegen solch- schädlicher Verzug gegen diejenige, so Schuld daran tragen, desto nachdrucksamer zu ahnden ist.
Drittens: Gebrechen, und widerrechtliche Fürgänge in der gerichtlichen Verfahrung geben bewandten Umständen nach auch einen billigen Beweggrund an Handen, daß von Obergerichts wegen, besonders in geringeren Verbrechen zu Vermeidung einer verzögerlich- neuen Proceßabführung, und um den Thäter wider Gebühr nicht länger im Kerker schmachten zu lassen, durch eine ausserordentliche gelindere Straffverhängung der Sache ein Ende gemachet werden könne. Wäre es aber um schwerere Verbrechen zu thun, so ist allerdings das Abgängige nachzutragen, die Gebrechen zu verbesseren, und nach Gestalt der Sachen auf Unkosten des Schuldtragenden die Inquisition von neuem anzufangen: wie behörigen Orts ausführlicher wird geordnet werden.
Viertens: In Absicht auf den Thäter machen auch nachstehende Umstände eine etwelche Milderung.
1mo. Wenn der Thäter vor einer fremden Angebung und vor seiner Verhaftnehmung, da er wohl hätte entfliehen können, oder seine Mißhandlung sonst verdeckt geblieben wäre, sich selbst aus purer Reu freywillig angiebt, und die Uebelthat gutwillig bekennet. Dann
2do. Da Jemand ein Verbrechen auszuüben zwar unternommen, jedoch selbes nicht vollbracht worden. Was aber für ein Unterscheid in angemaßten, und nicht zur Wirkung gekommenen Mißhandlungen zu machen seye? wird in dem folgenden 13ten Artikel des mehreren geordnet. Was hingegen

§ 11. Diejenige Umstände, so anderwerts beyfallen, als des Thäters sonst wohl, und christlich geführter Lebenswandel; die Angebung nebst beygefügter Hülff zu gefänglicher Einbringung einiger in anderen Verbrechen, als der Angeber begangen, verfangener Missethäter, an deren Entdeckung dem gemeinen Wesen besonders gelegen ist; oder da ein Vater, oder Mutter ihr leibliches Kind, so sich einer Missethat schuldig gemacht, der Obrigkeit freywillig überantwortet; item des Thäters Verdienst gegen das Vaterland, adeliche Geburt, vornehme Freundschaft, besondere Geschick- oder Künstlichkeit, bewegliche Vorbitten, Vergebung des Beschädigten, und dergleichen anlanget, von diesen solle sich der Richter zu Linderung der ihme rechtlich vorgeschriebenen Straffe nicht bewegen lassen, sondern es bleibet allein Unser- Landesfürstlichen Macht vorbehalten, solche Gnadenbehelffe, wenn sie auf Anzeigung der Obergerichten, oder in anderweg bey Uns vorkommen, in Erwegung zu ziehen, und nach Gestalt der Sachen entweder die Milde der Schärffe vorzusetzen, oder denen Rechten ihren Lauf zu lassen. Wo hiernächst

§. 12. Anzumerken, daß nebst denen hier angeführt- gemeinen Milderungsumständen zugleich auch, und vorzüglich auf jene milderende Umstände, welche einem jeglichen Verbrechen eigen sind, und in dem anderten Theil an seinen Orten vorkommen, der behörige Bedacht zu nehmen seye. [Seite: 24] [Faksimile]

Zwölfter Artikel von den Umständen, welche die That schwerer machen.

§. 1. Auf die im vorhergehenden Artikel angeführte Strafmilderungsursachen folgen nun die Umstände, so die That, somit auch die Straffe schwerer machen. Es handelt sich aber allhier nicht um jene beschwerende Umstände, wodurch die Gattung der Missethat geändert wird; zum Beyspiel: die Ertödtung eines Menschen kann entweder ein gemeiner Todschlag seyn, oder nach Bewandniß der schwereren Umständen in eine andere Gattung der Mißhandlung, als Meuchel- Strassenmord, bestellte Mordthat, Vergiftung etc.einschlagen: In so beschaffenen schwereren Umständen bestehet die Wesenheit der besonderen Missethat, auf welche eine eigene Straffe ausgemessen ist; sie gehören demnach nicht hieher, sondern werden in dem anderten Theile, als die wesentliche Erfodernissen eines jeglichen besonderen Verbrechens angezeiget werden. Es sind aber solche Umstände eben von darumen, weilen sie die Eigenschaft eines sonderlichen Verbrechens ausmachen, bey jeder Inquisition hauptsächlich in acht zu nehmen.

§. 2. Die beschwerende Umstände, wovon hier die Rede ist, sind jene, welche zwar das Verbrechen in seiner Gattung nicht änderen, jedoch einige Verschärffung der Straffe mit sich bringen.

§ 3. Wo es demnach bey sich hervorthuenden Beschwerungsumständen auf eine Straffvermehrung ankommet, da bleibet in ausserordentlich- und willkührlichen Straff-Fällen, und in allen jenen Verbrechen, worauf nur eine Leibs- oder andere ringere Straffe ausgesetzet, weder die Verschärffungsart durch das Gesetz selbst vorgeschrieben ist, die gebührende Straffverschärffung dem vernünftigen Ermessen des Richters anheimgestellet. Dahingegen

§. 4. In Betreff jener Missethaten, mit welchen der Thäter aus Anordnung Rechtens das Leben verwirket, in dem anderten Theile dieser peinlichen Gerichtsordnung an seinen behörigen Orten zugleich wird ausgemessen werden, welchergestalten um deren beschwerenden Umständen halber die Todesstraffe zu verschärffen seye? wornach sich also in peinlichen Erkanntnussen allerdings zu achten ist.

§. 5. Die gemeine Beschwerungsumstände, worauf der Richter in Straff-Fällen, so nicht an das Leben gehen, allemal zu sehen hat, sind meistentheils folgende:
Erstlich: Wo die Aergerniß gar zu groß, die Missethat gar zu freventlich, oder gar vielfältig wiederholet, oder gar zu gemein worden wäre, da mag zu mehreren Abscheu die Straffe wohl in etwas verschärffet werden.
Andertens: Wenn der Gefangene wegen seines vorher geführt- bösen Lebens schon gerichtlich gewarnet, oder gar derentwegen schon ein- zwey- oder mehrmalen vorhin gestraffet, oder bereits von uns begnadet worden, und sich dannoch nicht gebessert hätte. [Seite: 25] [Faksimile]
Drittens: Wenn ein Vater, Mutter, Herr, Frau, oder Obrigkeit, und all- jene, so die Uebelthat hätten abstellen, oder verhüten können, und sollen, selbst darzu geholffen hätten.
Viertens: Wenn die beleidigte Person arm, krank, schwach, Erbarmnußwürdig, oder ansehnlich, oder eine vorgesetzte Person wäre, oder wohl gar durch ein Verbrechen das Vaterland, oder die Obrigkeit merklich beleidiget würde.
Fünftens: Wenn Jemand gegen jene Personen, die ihme zu schützen, zu unterweisen, oder zu pflegen untergeben, und anvertrauet sind, eine Lasterthat verübet.
Sechstens: Da einer andere, sonderlich junge, unschuldige Leute zu den Mißhandlungen verführet hätte.
Siebentens: Wenn er die That gar arglistig, oder gefährlicher Weise angegriffen, auch etwas ärgeres daraus hätte entstehen können.
Achtens: Wenn sich etliche miteinander vereiniget, oder zusammen geschworen haben, und gleichsam ein Handwerk aus den Uebelthaten machen.
Neuntens: Wenn einer die Missethat an geweiheten, befreyten, oder sonst hohen oder an abseitigen Orten, oder in Gegenwart fürnehmer oder ihme fürgesetzter Personen begangen; oder
Zehentens: Nächtlicher Weile, in der Dunkle, besonders in betrübten, und gefährlichen Zeiten, als zur Zeit der Pest, Feindesgefahr, Hungersnoth, Wasserschaden, oder Feuersbrunst etc. eine Uebelthat, als Diebstahl, und dergleichen vollbracht hätte.
Eilftens: Wenn der Thäter zu Bewerkstelligung der That viele Zeit angewendet, oder großer Schaden hieraus erfolget ist. Nebst diesen hier angeführten ist

§. 6. Auch auf jene beschwerende Umstände, so in dem anderten Theil bey jeglichen Verbrechen insbesondere vorkommen werden, der behörige Bedacht zu nehmen. Ueberhaupt aber ist

§. 7. Zu beobachten, daß die Linder- oder Beschwerung der Straffe entweder aus der That selbst, oder aus der Person des Thäters, oder aus der Person dessen, dem ein Unrecht geschehen, oder aus der anderweiten Beumständung, nämlichen: mit was für einem Gemüthe, und Vorbereitung, an was für einem Ort, zu welcher Zeit, oder auf was Art, und Weis die That vollzogen worden? zu ermessen seye.

Dreyzehenter Artikel ob, und wie der Versuch der That zu bestraffen seye?

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§ 1. Daß blosse Gedanken, so durch äusserliche Wahrzeichen sich nicht zu Tage legen, keiner weltlichen Straffe unterliegen, ist oben Art. 3. § 15. gemeldet worden. Die Verbrechen beschehen also durch äusserliche Handlungen; zumalen aber diese zuweilen zwar angemasset, jedoch nicht vollbracht werden, so kommet hier auszumessen: welchergestalten eine Thatanmassung, und unausgeführte Unternehmung einer Mißhandlung straff-fällig seye?

§. 2. Die Bemüh- Bestreb- Anmassung, oder Versuch einer Missethat ist, wenn Jemand durch äusserliche Zeichen, oder Werk sich derselben unterziehet, solche aber entweder durch eigene Reu, oder Ohnvermögenheit, oder aus fremder Behinderung, oder durch Zufall nicht vollbracht worden.

§. 3. Die Thatanmassung ist entweder erstlich: noch entfernt, und bestehet nur in einer ernstlichen Willensäusserung, oder einer vorbereitlichen Ankehrung, woraus die That selbst unmittelbar noch nicht erfolgen kann; oder sie ist andertens: zur That schon näher gekommen, und allschon zubereitet, daß nichts, als der wirkliche Vollzug abgehet; oder sie ist drittens: ein wirklicher Thatvollziehungsversuch, wo von Seite des Thäters alles, was zu Bewerkstelligung der That in seiner Macht gestanden, angewendet worden.

§. 4. Es wird zwar in dem anderten Theil an seinen behörigen Orten geordnet werden, wie in ein- oder anderem Fall die blosse Anmassung gleich dem wirklichen Verbrechen zu bestraffen, und in welch- anderen Mißhandlungen dieselbe zu einer Straffmilderung fürtragen möge? wornach sich allerdings zu achten seyn wird. Indessen werden für jene Verbrechen, bey welchen von Bestraffung der blossen Anmassung keine Meldung beschiehet, nachfolgend- allgemeine Maßregeln vorgeschrieben. Und ist

§. 5. Zuvörderist bey jeder Anmassung darauf zu sehen: ob die Tatvollziehung durch eigene des Anmassers unverstellte Reu, und freywilliges Abstehen, ohne daß ein anderweiter Umstand, als die bewußte Entdeckung des Vorhabens, fremde Abmahnung, und dergleichen hierzu Anlaß gegeben, ruckstellig geblieben? oder ob selbe in anderweg wider seinen Willen unterbrochen worden seye?

§. 6. Ersteren Falls kann nach Ermessen des Richters, wenn es nur um ein geringes Verbrechen zu thun, und der Anmasser frühzeitig von seinem Vorhaben abgestanden wäre, entweder die Straff gänzlich nachgesehen, oder bey einem ernstgemessenen Verweis, Geldbuß, oder anderer minderen Straffe beruhet werden; dahingegen in schweren, und überschweren Verbrechen, besonders wenn es schon nahe, oder wohl gar schon am allernächsten zur That gekommen, die bereute, und freywillig abgelassene Anmassung zwar willkührlich, und gelinder, als eine wider Willen von anderwärts ruckstellig gemachte Unternehmung zu bestraffen, jegleichwohlen aber allemal eine vernünftige Ebenmaß, und Ausgleichung der Straffe mit dem Unternehmen nach dessen größeren, oder minderen Grad zu halten ist.

§. 7. Im anderten Fall enthebet eine in anderweg erfolgte Thatbehinderung den Anmasser keinerdings von der Bestraffung, selbe wirket jedannoch einen milderenden Umstand in Absicht auf die ordentliche Straffe, wobey aber der Richter allemal: ob es ein schweres, oder geringeres Verbrechen betreffe? und ob die Anmassung noch entfernt, und blos vorbereitlich; oder schon nahe, und zubereitet; oder wohl gar am allernächsten, und allschon werkthätig gewesen seye? den Bedacht zu nehmen, und hiernach die ausserordentliche Bestraffung nach der in Art. 7. §. 2. & 3. gegebenen Anleitung schärffer, oder gelinder abzumessen hat.

§. 8. Bey dem anderten Fall werden jedoch ausgenommen die überschwere Verbrechen, in Ansehen welcher das Unternehmen, und werkthätige Anmassung, wenn nämlich der Anmasser schon Hand angeleget, und an Bewerkstelligung der That seines Orts nichts erwinden lassen, der wirklich vollbrachten That gleich zu halten, und mit der ordentlichen Straffe zu belegen ist. [Seite: 27] [Faksimile]

Vierzehenter Artikel wie es zu halten, wenn unterschiedliche Missethaten zusammen treffen?

§ I. Da einer mehr als ein Laster begangen, ist billig, und nothwendig, daß jedwedes, so viel sich thun läßt, abgestraffet werde. Wobey nachstehende Maßregeln zu beobachten:

§. 2. Wenn Jemand in einerley Verbrechen zum Beyspiel: in Ehebruch öfters gesündiget hat, und darüber nicht gestraffet worden, ist solches nur für eine That zu halten, und wird deswegen, falls sonsten keine beschwerende Umstände darzustossen, die Straffe nicht geschärffet. Dahingegen hier nur von jenen Verbrechen gehandelt wird, die verschiedener Gattung sind, wenn deren mehrere bey einem Uebelthäter zusammen kommen.

§ 3. Wenn demnach einer zweyerley schwere Uebelthaten verübet hat, deren jedwedere die Todesstraff nach sich ziehet, solle man nur diejenige Straff zuerkennen, welche unter beeden die schärffeste ist. Zum Beyspiel: Wenn Jemand einen Diebstahl, und eine vorsetzliche Mordthat begangen, solle er als ein Mörder durch das Rad hingerichtet, und zum Zeichen des Diebstahls ein Galgen auf das Rad gemachet; dahingegen wenn Jemand einen großen, oder gar bösgearteten Diebstahl, und beynebens einen solchen Todschlag, welcher allein die Straff des Schwerts auf sich trüge, begangen hätte, solle derselbe nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Strang, oder mit der ansonsten nach Eigenschaft des Diebstahls daraufgesetzt- schärfferen Straffe hingerichtet werden.

§. 4. Käme aber ein überschweres mit einem anderen schweren, oder zwey überschwere Verbrechen zusammen, solle der Richter die ordentliche Straff des größeren wegen des kleineren durch Zangenreissen, an die Richtstattschleiffen, Handabhacken, Zungenausreissen, oder Riemenschneiden, Aufsteckung des Kopfs, oder Aufhenkung anderer Glieder auf die Strassen, doch mit großer Bedachtsamkeit, und reiffer Erwegung der Umständen vermehren.

§. 5. Wenn solche Verbrechen zusammentreffen, deren eines die Lebens- das andere aber eine blosse Leibsstraff ob sich trägt, so ist es genug, wenn allein die Lebensstraff wider den Verbrecher erkannt wird. Gleichwie auch

§. 6. In Leibsstraffen, wenn einer deren etliche verdienet hätte es an einer, und zwar der schärffesten genug ist: es wären dann die Verbrechen groß, gar ärgerlich, und viel, wo durch eine einfache Leibsstraffe dem gemeinen Wesen keine hinlängliche Genugthuung beschähe; welchen Falls bewandten Umständen nach zwey, oder mehrere nebeneinander stehen mögende Leibsstraffen auferleget werden können; zum Beyspiel an den Pranger mit - oder ohne Ruthen, mit - oder ohne Schwert, mit - oder ohne Strang an den Hals angehängter habend vorzustellen, anbey zur Schanz- oder anderen öffentlichen Arbeit zu verurtheilen; item einen ganzen [Seite: 28] [Faksimile] oder halben Schilling geben zu lassen, zu brandmarchen, und darnebens der Erblanden zu verweisen etc. Wie denn

§. 7. Nach Gestalt der Sachen, und nach Schwere eines, oder mehrerer Verbrechen nebst den Leibsstraffen, auch mindere Straffvermehrungen, so nicht an Leib gehen, als Dienstentsetzung, unfähig-Erkennung zu weiteren Diensten, ehrlos-Erklärung und dergleichen, wie oben Art. 4. § 15. gemeldt, zugleich statt haben können. Ob aber, und welchergestalten

§ 8. Eine Geldbuß nebst anderen Straffen zugleich bestehen möge? ist oben Art. 8. §. 6. 7. nachzusehen.

Fünfzehenter Artikel welchergestalten die Straffen erlöschen, und aufhören.

§. 1. Die Straffen, so um begangener Uebelthaten halber geordnet sind, hören auf, und erlöschen auf unterschiedliche Weis: und zwar

§. 2. Durch den Tod eines Thäters wird insgemein all- peinliches Verfahren, so viel es den Verstorbenen betrifft, somit auch die Straffe aufgehoben; und dieß ohne Unterscheid: wie weit es immer mit der Inquisition gekommen, und obschon derselbe als schuldig bereits abgeurtheilt worden wäre. Welchergestalten jegleichwohlen in gewissen Fällen nach einem verstorbenen Missethäter mit der Inquisition, und Erkanntnuß fortgesetzet, auch wider dessen todten Leichnam zu Erspieglung des Volks mit Straffverhängung fürgegangen werden könne? ist oben Art. 4. §. 16. die rechtliche Ausmessung beschehen.

§. 3. Gleichfalls höret all- fernere Nachforschung, und Bestraffung auf, alsbald ein Beinzüchtigter von dem zugemutheten Verbrechen durch rechtliches Endurtheil völlig losgesprochen worden. Wo sodann derselbe, wenn er irgendwo des vorhin angeschuldigten Verbrechens halber von neuem halsgerichtlich angefochten werden wollte, sich auf solch- seine Lossprechung rechtskräftig beruffen, und damit schützen kann.

§. 4. Nicht weniger ziehet die Verjährung der Missethaten eine gänzliche Straffbefreyung nach sich, wovon in dem 16ten Artikel besonders wird gehandelt werden.

§. 5. Von Aufhebung des peinlichen Proceß, wenn nämlichen Wir aus Unser Machtsvollkommenheit Jemanden vor ergangenen Urtheil der halsgerichtlichen Untersuchung erlassen, und die Criminal-Verfahrung gänzlichen abzuthun anbefehlen, wird das mehrere in dem 17ten Artikel vorkommen.

§. 6. Von Begnadung der Missethäter, wider welche ein Straffurtheil wirklich gefället worden, und welchergestalten in Einleitung der Gnadengesuchen sich rechtlicher Ordnung nach zu verhalten seye? wird in dem 42ten Artikel die behörige Ausmessung beschehen. Dahingegen kann [Seite: 29] [Faksimile]

§ 7. Ein zwischen dem Thäter, und dem beleidigten Theil eingegangener Vergleich dem gemeinen Wesen, zu dessen Genugthuung eine öffentliche Straff ausgesetzet ist, keinerdings zu Abbruch gereichen. Es entsprünget vielmehr aus einem solchen Vergleich, als einer aussergerichtlichen Bekanntniß eine nächste Anzeigung der verübten Missethat. Noch weniger ist den nachgesetzten Obrigkeiten erlaubt, mit den Thätern um eines ihnen zu Last gehenden Verbrechens halber ein gütliches Abkommen zu treffen, sondern selbe sind allerdings schuldig, die in Erfahrung gebrachte Mißhandlungen rechtlicher Ordnung nach zu untersuchen, und den Gesetzen gemäß abzustraffen.

Sechzehenter Artikel von Verjährung der Straffen.

§. 1. Es kann ein Thäter um ein Verbrechen, so schon verjähret ist, ob nicht verurtheilet werden. Damit aber die Verjährungszeit ihre rechtliche Bestimmung überkomme, als wird hiemit zur Richtschnur gesetzet, und geordnet, daß nachfolgende Verbrechen sich in den hernachgesetzten Zeiten verjähren.

§. 2. All- diejenige Missethaten, welche keine Lebens- sondern nur eine Leibs- oder andere geringere Straffe auf sich tragen, verjähren sich in 5. Jahren. Ingleichen auch der Ehebruch, wenn kein Nothzwang, oder Blutschand damit zusammentrifft.

§. 3. In 10. Jahren verjähren sich die gemeine Diebstähl, worbey kein Einbruch, noch Kirchen- oder Strassenrauberey unterloffen.

§. 4. In 20. Jahren verjähret sich ein gemeiner Todschlag; ingleichen da einer aus Neid, Rach, oder Feindschaft eine schädliche Brunst verursachet; item ein Nothzwang: ferner die Blutschand an der Seiten-Linie, wo zugleich ein Ehebruch darzukommet; wie auch eine gewaltthätige Entführung ehrlicher Weibsbilder; dann das Laster zweyfacher Ehe; und endlichen überhaupt all- unausgenommene Lasterthaten, welche nach dem Gesetz mit einer Todesstraffe zu belegen wären.

§. 5. Dieser Zeitverlauf ziehet die rechtliche Wirkung nach sich, daß nach derselben Verstreichung ein Thäter durch die Verjährung selbst von all- peinlicher Klag, Frag, und Straff sicher, und ledig, auch wider ihn weiter nicht zu verfahren ist; annebst ist ein verjährtes Verbrechen an Ehren ganz unnachtheilig, kann ohne Unbild von Niemanden vorgeworfen, weder bey einer neu hervorbrechenden Missethat für eine rechtliche Anzeigung, oder für einen Beschwerungsumstand gehalten werden, sondern ein solches Verbrechen ist für gänzlich getilget, und erloschen anzusehen.

§. 6. Die Verjährung fanget allzeit an von dem Tag des begangenen Verbrechens; in jenen Verbrechen aber, die öfters widerholet, oder durch längere Zeit fortgesetzet worden, fanget selbe von jener Zeit an, da das Verbrechen zum letztenmal geschehen. Wobey zu merken, daß in die Malefizverjährung alle Täge ohne Unterscheid einzurechnen seyen. [Seite: 30] [Faksimile]

§. 7. Es ist nicht nöthig, daß der Thäter die ihme zu guten kommende Verjährung zu seiner Vertheidigung vorbringe, und ausdrücklich einwende; genug daß selbe aus der gerichtlichen Verfahrung erscheine, wo sodann der Richter von Amts wegen schuldig ist, hierauf den rechtlichen Bedacht zu nehmen, und den Angeschuldigten loszusprechen.

§. 8. Jedoch sind all- diese Verjährungen nicht auf flüchtige Uebelthäter, wider welche man wegen ihrer Flucht, oder ihrer Verborgenhaltung mit der verdienten Straffe nicht hat verfahren können, sondern allein auf jene Fälle zu verstehen, wenn entweder erstlich: die Missethat zwar kundbar, die Thäter aber ohngeachtet, daß sie sich in Erblanden befunden, und leicht hätten zur Verhaft gebracht werden können, durch die ganze Verjährungszeit unbewußt geblieben; oder andertens: wenn das Verbrechen selbst in geheim beschehen, und erst nach solch- verflossener Zeit kundbar worden.

§. 9. Es sind aber einige hohe Verbrechen insonderheit ausgenommen, bey welchen einige Verjährung nicht statt haben solle.
Erstlich: Grausame, bedächtliche Gotteslästerungen.
Andertens: Das Laster der beleidigt- weltlichen Majestät.
Drittens: Landesverrätherey, darunter auch die bestellte Mord- und Traidbrenner, wie auch solche Falsarii, oder falsch-Begehere begriffen sind, welche dem Land, oder Obrigkeit, wie die vorige, einen großen Schaden zufügen.
Viertens: Die bestellte Mordthat, da sich nämlich Jemand einen anderen zu tödten bestellen läßt, oder einen anderen darzu bestellet.
Fünftens: Eine fürsetzlich- und bedachte Mordthat.
Sechstens: Vater- Mutter- Kinder- Bruder- Schwester- Herrn- oder Frauenmord, wie auch jener Mord, so aus Rach, oder Feindschaft an fremden unschuldigen Kindern begangen wird.
Siebentens: Falscher Geburt Unterlegung.
Achtens: Nothzwang in auf- oder absteigender Linie.
Neuntens: Die stumme, oder sodomitische Sünd wider die Natur.
Zehentens: Die falsche Münzer.
Eilftens: Welche Christen denen Türken, oder Juden verkauffen.

Siebenzehenter Artikel von Landesfürstlicher Nachsicht, und Aufhebung der peinlichen Verfahrung.

§. 1. Die Nachsicht, und Abthuung der peinlichen Verfahrung, oder Abolition ist eigentlich, wenn Wir entweder wegen großer Wahrscheinlichkeit der Unschuld, oder weilen beträchtliche Entschuldigung der That angebracht worden, oder aus sonst erheblichen Bewegnüßen, oder auch aus bloßer Gnad eine bevorstehende, oder schon angefangene Inquisition gänzlich einstellen, den peinlichen Proceß aufheben, somit die angeschuldigte Personen vorgesprochenem Urtheil aller weiteren Criminal-Untersuchung völlig erlassen, [Seite: 31] [Faksimile]

§. 2. Die Nachsicht der peinlichen Verfahrung betrifft entweder mehrere Straffverfangene zugleich, als da wegen einer erfolgt- glücklichen Begebenheit, oder sonst aus gemeinwesigen Ursachen mehreren Personen, so einiger Verbrechen schuldig, oder derentwegen verdächtig sind, mittelst eines allgemeinen Pardon, Amnestie, und öffentlicher Aussöhnung all- weitere peinliche Untersuchung, und Straff nachgelassen wird. Oder sie geschiehet in Particular-Vorfallenheiten zum Besten, und zur Entledigung einzelner Personen, die wegen eines ihnen zugemutheten Verbrechens eine peinliche Untersuchung zu befürchten haben.

§. 3. Eine so gestalte Aufhebung der peinlichen Verfahrung wirket, daß das vorgekommene Verbrechen für abgethan, getilgt, und nicht beschehen zu achten seye, und daß derjenige, deme dasselbe zu Last geleget worden, eben andurch von aller Klag, Frag, Straff, Ehrenmackel, und künftigen Vorstoß gänzlichen enthoben, ledig, und sicher gestellet werde.

§. 4. Dahingegen erstbemeldte Rechtswirkung auf jene Begnadung, so von Uns erst nach gefällten Straffurtheil den Uebelthätern wiederfahret, sich keinerdings erstrecket. Ein solch- abgeurtheilter Missethäter, so hernach Gnad erhält, hat sich derselben nicht weiter, als es Unsere Gnadertheilung wortdeutlich vermag, zu erfreuen, und bleibt all- anderen dem Verbrechen anklebenden Nebenstraffen, so ihme nicht ausdrücklich nachgesehen sind, forthin unterworffen.

Achtzehenter Artikel von dem Blut- oder Halsgericht überhaupt.

§. 1. Ein Blut- Hals- oder Landgericht ist das Recht, und Macht in peinlichen Sachen über Leib, Gut, und Blut der Menschen zu richten.

§. 2. Zu gebührender Ausübung dieses Rechts sind die Blutgerichten befugt, und lieget ihnen auch von Amtswegen ob: auf die Missethäter nachzuforschen, den Uebelthätern mit rechtlicher Gewalt nachzustellen, selbe zu ergreiffen, gefänglich einzuziehen, gütlich, oder wo es vonnöthen, peinlich zu fragen, in solchen Sachen zu urtheilen, und die Vollziehung der Urtheilen zu verordnen; alles auf Maß, und Weis, wie in dieser Halsgerichtsordnung vorgeschrieben ist.

§. 3. Zumalen aber all- und jede, somit auch die peinliche Gerichtsbarkeit, als ein oberherrliches Vorrecht bey Uns als höchster Landesfürstin beruhet, so folget von selbst, daß der Blutbann, oder Halsgerichtsgerechtigkeit nur denenjenigen [Seite: 32] [Faksimile] zustehen könne, welche solches Recht von Uns, oder Unseren Vorfahrern an der Regierung durch besondere Belehn- oder Verleihung, durch landesfürstliche Freyheitsbriefe, oder andere wohlhergebrachte Rechtstiteln erworben haben.

§. 4. Der Blutbann ist entweder vollkommen, und unbeschränkt verliehen, welchen Falls demselben alle Rechtswirkungen, wie selbe allererst beschrieben worden, anhängig sind; also daß der Blutbannsberechtigte in all- peinlichen Sachen handeln, und Recht sprechen möge: ausser jenen Malefizfällen jedoch, die durch das Gesetz zu Unser- unmittelbaren, oder Unser- oberen Gerichtsstellen Erkanntnuß vorbehalten, und namentlich ausgenommen sind.

§ 5. Oder derselbe ist beschränkt, und dieses auf mehrerley Art und Weis; als
Erstlich: Wenn das Hals- oder Landgericht die Macht nicht hat, ein Urtheil zu fällen, sondern nach vollführter Inquisition allemal die geschlossene Acten dem Obergericht zu Schöpfung der Erkanntnuß einsenden muß; oder
Andertens: Wenn selbes zwar das Urtheil abzufassen befugt, oder auch schuldig ist, jedoch ohne Unterscheid der Verbrechen solches allemal vor dessen Ankündung sammt den Inquisitions-Acten, und beygefügten Amtsbericht dem Obergericht zur höheren Erkanntnuß, nämlichen zur gut befindenden Bestättig- oder Abänderung vorhero zu überreichen hat: und was mehr dergleichen von Unserer Willkuhr abhangende Einschränkungen sind.

§. 6. Ueberhaupt ist all- und jede Halsgerichtsberechtigung nach dem Buchstaben der Verleihung, mithin weder in engeren, weder in weiteren Verstand je auszudeuten; allenfalls aber, wo es um alt-hergebrachte Halsgerichten zu thun wäre, ist sich wegen derselben Befugniß, und rechtsgebührlicher Ausübung an jedesortige kundbare Landesverfassung zu halten.

§. 7. Wo demnach der Blutbann, oder Halsgericht einem Landgut von Alters her als eine darzu gehörige Herrlichkeit anklebet und solchergestalt von Besitzer zu Besitzer übertragen worden, da ist der Herrschaftsinnhaber, in so lang er solches Recht durch Uebertrettung dieser peinlichen Gerichtsordnung nicht verwirket, bey solch- seinem zum Gut geniessenden Halsgericht forthin zu erhalten, und zu schützen.

§. 8. Uns bleibet jedoch allerdings bevor, von den dermaligen Blutbannsbesitzern den Beweis ihres durch unfürdenkliche Zeit verjährten Besitzes, oder anderweiten Rechtstitels ihrer der Zeit ausübenden Halsgerichtsherrlichkeit abzuforderen, in Ermanglung des ein so anderen aber das unbefugt innhabende Halsgericht einzuziehen, und darmit anderweite Fürkehrung zu treffen.

§. 9. Die Pflichten, und Schuldigkeiten, so den Halsgerichten obliegen, werden in dieser Gerichtsordnung behöriger Orten vorkommen, überhaupt aber haben selbe nachstehenden Ausmessungen unverbrüchig nachzuleben.

§ 10. Es ist nämlich ein jeder Hals- oder Landgerichtsherr schuldig in seinem Halsgerichtsgezirk die Zeichen des innhabenden hohen Gerichts, als Galgen, Rabenstein, Pranger etc. an geziemenden Orten, jedoch auf seinem Grund, und Boden (er wäre dann von Altersher befreyet, und berechtiget, dergleichen auf einem fremden Grund zu setzen) zu erheben, und bey Eingehung derselben solche nach jeden Orts guter Gewohnheit, und Gerechtigkeit zu erneueren, und forthin zu unverlängten Vollzug der gefällten Urtheilen in Bereitschaft zu halten.

§ 11. Derselbe ist auch schuldig zu Verführung der Malefizhandlungen verständige und erfahrne Leute zu gebrauchen, zu sicherer Verwahrung der einkommenden Uebelthätern genugsame, und taugliche Gefängnißen zu errichten, zu den Verhören, und Gerichtshandlungen eine Gerichtsstuben, und was sonst noch zu gesetzmäßiger Verhandlung des Malefizrechts erforderlich, beyzuschaffen, auch die nöthige Hatscher, Halsgerichts- oder Frohndienere zu unterhalten.

§ 12. Da es in schweren, wichtigen, oder sonst zweiffelhaften Malefizfällen auf eine Rathseinhol- und Belernung ankäme, solle dieselbe von den nachgesetzten Halsgerichten nirgends anderst, als bey dem behörigen Obergericht, oder bey jener oberen Landesstelle, zu dero Erkanntnuß gestalten Dingen nach das Verbrechen eigends gehörig ist, angesuchet, zu solchem Ende die gesammte bis [Seite: 33] [Faksimile] dahin abgeführte Inquisitions-Acten ordentlich zusammen gerichtet, und mit einem ausführlichen Bericht, oder Belernungsgesuch an die höhere Behörde einbegleitet werden.

§. 13. Damit ferner all- fürgegangene peinliche Gerichtshandlungen, wenn es die Noth erfordert, zu aller Zeit aufgefunden, vorgewiesen, und eingesehen werden mögen, so sollen alle Blut- und Halsgerichten verbunden seyn, über die Malefizproceße eigene Gerichtsbücher zu halten, und all-dasjenige, was in jeglicher Malefizverfahrung vorfallet, getreu, und ordentlich eintragen zu lassen, damit sie sich hiedurch in allen Vorfallenheiten rechtsbehörig auszuweisen vermögend seyen.

§. 14. Die weitere Pflicht der Halsgerichtsobrigkeiten ist, daß selbe all-vierteljährig das ist mit 1ten Febr. 1ten May 1ten August, 1ten Novemb ob, und wie viel, auch in was für einem Verbrechen betrettene, oder beinzüchtigte, oder angeklagte Uebelthäter, und Inquisiten sich bey jeglichem Halsgericht in Verhaft befinden, dann wie weit mit ihnen in der Inquisition fürgeschritten worden? nach Maßgebung des sub N. 1mo. angeschlossenen Eremplar getreulich anzumerken, und die sogestalt- ausgefüllte Verzeichniß nebst ihrem Bericht an das Obergericht verläßlich zu überreichen, in dem diesfälligen Begleitungsbericht aber all jenes, was etwann sonst noch in Ansehen solch- hangender Malefizhandlungen von Amtswegen zu erinneren seyn dürffte, beyzurucken; auch, wenn sich gleich fügete, daß bey ein- oder dem anderen Gerichtsstand in ein- oder dem anderen Vierteljahrsgang kein Missethäter in Verhaft wäre, deme ohngeachtet ein solches, daß nämlich der Zeit kein Uebelthäter innliege, ohne Unterbruch behörig anzuzeigen haben. Wobey zu merken, daß auch jene Personen, denen wegen erhalten- sicheren Geleits, oder wegen geleisteter rechtsgenüglichen Bürgschaft sich freyen Fußes zu vertheidigen, und auszuführen gestattet ist, in der Anzahl der Inquisiten einzubringen, jedoch in dem zweyten Absatz der Tabell die Ursach, warumen sie ausser Verhaft gelassen worden? beyzusetzen ist.

§. 15. Endlichen sind all- peinliche Verhandlungen ihrer Wichtigkeit halber, da es hierinnfalls gestalten Dingen nach um Leib, und Leben, Ehr, und Gut der Menschen zu thun ist, wohlbedächtlichst ohne Uebereilung, ohne Abstrickung der den Malefizverfangenen zu guten kommenden Vertheidig- und Rettungsmitteln, und mit genauester Beobachtung aller in dieser Gerichtsordnung vorgeschriebenen Maßregeln vorzunehmen; dahingegen von aller Fahrlässigkeit, unnöthigen Verschub, und Verzögerung, wodurch die arme Inquisiten, ohne ihres Orts eine Ursach dazu gegeben zu haben, viele Zeit in harter Gefängniß herumgezogen, und andurch widerrechtlich gekränket werden, bey schwerer Verantwortung, und unausbleiblicher Straffe der Schuldtragenden sich zu enthalten, und überhaupt in all- peinlichen Sachen schleunig, jedoch ordentlich zu verfahren ist.

§ 16. Da nun ein Land- oder Halsgericht, oder eine zu solchem Gerichtsstand gehörige Person denen sowohl allhier, als anderweit in dieser Gerichtsordnung einkommend- rechtlichen Ausmessungen zuwider handelte, so ist hauptsächlich darauf Acht zu haben: ob solche Uebertrettung aus schuldbaren Versehen, Unverstand, und Unerfahrenheit, oder wohl gar vorsetzlich aus Gefährde, Rach, Haß, Eigennutz, oder anderen bösen Absichten beschehen seye? in ein- und anderem Fall sind die widerrechtliche Fürgänge von Obergerichtswegen ernstgemessen zu ahnden, und willkührlich nach Beschaffenheit der Umständen gelinder, oder schärffer zu bestraffen.

§. 17. Solch- willkührliche Bestraffung bestehet entweder in einem blossen Verweis, oder in einer Geldbuß, Gefängnißstraffe, unfähig-Erklärung zu derley weiteren Amtsverrichtung, in Ersetzung der aufgeloffenen, und, da der widerrechtlich abgeführte Proceß von neuen anzufangen wäre, auch der ferners auf lauffenden Aezungs- und Gerichtsunkosten, denn gegen die Halsgerichtsinnhabere in Verwirk- und Einziehung der Blutbannsgerechtigkeit. Welch- erstbemeldte Straffen nach obergerichtlichen Gutbefund einzeln, oder nach Gestalt der Sachen mehrere zusammen gegen die Uebertrettere verhänget, auch nach Schwere des Vergehens wohl gar mit einer Leibsstraffe fürgegangen werden mag. Annebst kann der schuldig befundene bewandten Dingen nach zur Genugthu- und Entschädigung dessen, deme [Seite: 34] [Faksimile] durch den gesetzwidrigen Fürgang Unrecht beschehen, verhalten werden. Da es aber in vorerwehnten Straff-Fällen auf Verlust des Halsgerichts ankäme, ist die Anzeig vorläuffig an Uns zu machen, und Unsere höchste Entschliessung abzuwarten.

Neunzehenter Artikel von der Gerichtbarkeit in peinlichen Sachen, nebst dero Wirkungen.

[Seite: 35] §. 1. Jedes Blutgericht hat gewisse Personen, und einen bestimmten Gezirk unter ihrem Gerichtszwang, und Botmässigkeit, welche Untergebung gewisser Personen, und Orten eigentlich die Gerichtsbarkeit ausmachet. Es verstehet sich demnach durch die peinliche Gerichtsbarkeit erstlich: die Gerichtsgehörde: was nämlichen für Personen unter den Zwang jeglichen Blutgerichts gehörig seyen ? dann andertens: der Umfang des Gebiets: in wie weit nämlich, und auf was für Orte die Gewalt jeglichen Blutgerichts sich erstrecke?

§. 2. Die Gerichtsgehörde entstehet aus 3. Hauptursachen; diese sind der Ort des begangenen Verbrechens, die Betrettung des Missethäters, dann dessen gewöhnliche Wohnstatt. Es ist also der ordentliche Gerichtszwang gegen einen Uebelthäter an allen 3. Orten, wo er die Missethat ausgeübet, wo er sich betretten läßt, oder wo er meistentheils sich aufhält, dergestalten gegründet, daß jede von denen Obrigkeiten, welche selbiger Orten den Blutbann haben, mit peinlicher Inquisition, und Straffe gegen ihn zu verfahren berechtiget ist; und dieses ohne Unterscheid: ob der Thäter ein eigener, oder eines fremden Herrn Unterthan, oder sonst ein Landesinnsaß, oder wohl gar ein Ausländer seye?

§. 3. Vor allem aber wollen Wir der wirklichen Ergreiffung das Vorrecht um so mehr eingeraumt haben, weilen dem gemeinen Wesen hauptsächlich daran gelegen, daß lasterhafte Leute aller Orten aufgesuchet, und zu Stand gebracht werden. Es hat demnach dasjenige Halsgericht, so den Thäter zuerst ergriffen, und handvest gemachet, den Vorzug vor jenen Blutgerichtsorten, wo er gesündiget, oder wohnhaft ist, dasselbe ist anbey von Amtswegen schuldig, wider den ergriffenen Thäter mit der peinlichen Verfahrung fürzugehen.

§. 4. Es verstehet sich jedoch erstbemeldter Grundsatz nur auf jenen Fall, wo die Sache noch in ihrer Gänze, wenn nämlichen um eines solchen Verbrechens halber bey einem anderen sonst rechtmässigen Richter noch keine Gerichtshandlung, so nach Unseren Gesetzen das Vorgriff- oder Bevorkommungsrecht wirket , vorhergegangen ist.

§. 5. Wäre aber eine so gestalte Gerichtshandlung ehe bevor schon anderwärts gegen den Uebelthäter vorgenommen worden, als
Erstlich: Da der Thäter seines Verbrechens halber mit dem Stadt- Haus- oder engen Arrest von einem behörigen Richter allschon beleget worden, und darauf entwichen wäre; oder derselbe wäre
Andertens: Mündlich, oder schriftlich zum Gerichtsstand fürgeforderet worden, und dieses ohne Unterscheid: ob solche Furforderung, oder Citation dem Uebelthäter selbst, oder zu Handen dessen Obrigkeit, worunter er sitzet, mittelst eines gerichtlichen Ersuchschreibens beschehen seye; oder
Drittens: Da derselbe durch einen gewöhnlich- öffentlichen Anschlag zu seiner persönlichen Gestell- und Verantwortung wäre vorgeladen worden.

§ 6 In allen diesen Fällen wirket der vorherige Arrest, wie auch ein- und andere der ersterwehnten Vorladungen in Ansehen jener Uebelthäter, welche namentlich vorgeladen worden, von dem Tag der Arrestir- oder Vorladung den rechtlichen Vorgriff dergestalten, daß ein solcher Uebelthäter, wenn er hernach aus dem Arrest entronnen, oder gleich anfangs flüchtigen Fuß gesetzet hätte, und sohin irgendwo zu Stand gebracht worden wäre, dem ersteren Halsgericht, welches vorbemeldtermassen die Hand schon eingeschlagen, und eben andurch anderen Gerichten vorgekommen ist, auf dessen Unkosten unweigerlich abzufolgen seye.

§. 7. Ergäbe sich etwann, daß erstgedachte Vorsichten wegen Haabhaftwerdung eines Thäters von mehreren Halsgerichten zugleich vorgekehret würden, zum Beyspiel: der Thäter wäre schon bey einem Gericht in Verhaft gewesen, und daraus entkommen, bey einem anderen Gericht aber wäre derselbe auf diese, oder jene Art vorgeladen, und erst hernach irgendwo zu Stand gebracht worden; bey solcher Zusammentreffung mehrerer rechtmässigen Richtern ist allzeit der vormalige Arrest, woraus der Thäter entflohen, der mündlich- und schriftlichen Citation, diese aber der [Seite: 36] [Faksimile] Edictal-Ladung, und da etwann die nämliche Vorladungsart von mehreren Gerichten vorgenommen worden, die frühere der späteren vorzuziehen.

§. 8. Gleichfalls solle der Vorgriff, und andurch der Vorzug in der peinlichen Verfahrung bey nachfolgenden Begebenheiten statt haben.
Erstlich: Wenn das Halsgericht desjenigen Orts, wo der Uebelthäter das Verbrechen begangen, oder seinen Wohnsitz hat, sogleich, und ehebevor anderswo dieserwegen was vorgekehret worden, wider den flüchtigen Thäter die gerichtliche Steckbriefe an ein- oder andere Gerichten, wo er vermuthlich zu betretten seyn dürffte, ablauffen lassen, und der Thäter erst hernach, wo immer zu Verhaft gebracht würde, hat dasselbe dadurch den Vorzug erworben.
Andertens: Wenn ein Verbrechen an einem Orte angefangen, an dem anderen vollendet worden, ist die peinliche Gerichtsgehörde an beeden Orten gegründet, somit der Zuvorkommung, oder Vorgriff Platz zu geben.
Drittens: Auf gleiche Weise, wenn der Körper eines entleibten Menschen an der Gränzung von zweyerley Halsgerichte gefunden würde und ungewiß wäre, an welchem Orte die Entleibung eigentlich erfolget seye. Nicht minder
Viertens: Wenn zwischen 2. Obrigkeiten der Blutbann strittig, und wegen des mitlerweiligen Besitzes annoch kein richterlicher Ausspruch ergangen wäre.

§ 9. Aus blos gemeiner Nachforschung aber, wodurch nur überhaupt die Erfahrung von einer fürgegangenen bösen That, und dero Umständen eingeholet wird, wie auch aus Beschreib- und Beschlagnehmung des flüchtigen Thäters seiner Haabschaft, und anderen dergleichen, die Person des Thäters nicht verstrickenden Ankehrungen entspringet kein Vorgriffsrecht.

§. 10. Dieses Vorgriffsrecht, Kraft dessen der Uebelthäter dem Richter, so oberwehntermassen zuvorgekommen, ausgefolget werden muß, ist nur zwischen dieserländigen Blutgerichten, welche unter Uns, als ihrem nämlichen höchsten Oberhaupt stehen, zu beobachten; dahingegen an ausländische Gerichten, weder wegen eines vorschützenden Vorgriffs, weder aus anderer Ursach ein Thäter ausgeliefert werden solle: ausser es wären wegen Auslieferung der beederseitigen Uebelthätern mit den benachbarten Staaten besondere Verträge vorhanden, oder es würde sich von auswärtigen Mächten zu Erwiederung eines gleichen Bezeigens anheischig gemachet, welchen Falls in Ausfolglassung fremder Missethäter, jedoch allemal mit Vorwissen des Obergerichts zu gewilligen ist.

§ 11. Annebst ist alles, was hieoben von der ordentlichen Gerichtsgehörde, und dem Vorgriffsrecht geordnet worden, mit der Einschränkung zu verstehen, wenn nicht etwann der vorfallende Malefizhandel zu einem befreyten Gerichtsstand gehörig ist, welchenfalls die ordentliche Gerichten (ausser der gefänglichen Einzieh- dann Aufnehmung der summarischen Verhör, und was etwann sonst gestalten Umständen nach ohne Verzug zu erheben, und vorzukehren, unumgänglich nöthig seyn dürffte) sich der Sache nicht weiters zu unterziehen haben, sondern der Thäter an seine befreyte Gerichtsgehörde zu übergeben ist.

§. 12. Einer befreyten Gerichtsgehörde geniessen jene Personen, welche nicht unter jedwedem Halsgericht, wo sie etwann ihren Wohnsitz haben, oder ein Verbrechen begangen, oder betretten worden, inquiriret, und abgeurtheilet werden können, sondern ihrer aufhabenden Würde, Amts, oder anderen vorzüglichen Eigenschaft, und Befreyung halber so, wie in bürgerlichen Klagfällen, also auch in Malefizsachen ihrem ordentlichen Gerichtsstand unterworffen bleiben, und ihre Person sammt dem summarischen Verhör, den Anzeigungen, und dem corpore delicti dahin abzulieferen ist. In welcherley Begebenheit die Obrigkeit, worunter ein solcher Thäter wohnhaft, oder das Verbrechen verübet, oder in Verhaft gebracht worden, den Vorfall ungesaumt, und umständlich an das Obergericht anzuzeigen, und die weitere Verordnung zu ihren Nachverhalt von dortaus zu erwarten hat.

§. 13. Dergleichen befreyte Personen sind:
Erstlich: Unsere Minister, Personen von Unserem Hofstaat, und unmittelbaren Hofstellen, von fremden Gesandschaften, auch Hofbefreyte, Künstler, und Gewerbführer an Unserem Hoflager. [Seite: 37] [Faksimile]
Andertens: Die wirkliche Landleute Herrn- und Ritterstandes nach Maßgab der den Landesständen verliehenen Privilegien.
Drittens: Unsere Räthe, und Beamte, ausländische Standespersonen, auch jene ansehnlichere Personen, welche unter den adelichen Gerichtsstand gehörig sind;
Viertens: Geistliche;
Fünftens: Unsere Kriegsleute, und all- jene, welche nach Innhalt der von Uns zwischen denen deutscherbländischen civil, und militar-Stellen Gesetzgebig ausgemessenen, untern 31ten Decemb. 1762. erlassenen Jurisdictions-normae der militar Gerichtbarkeit untergeben sind.
Sechstens: Die wirkliche Studenten, und all-jene akademische Mitglieder, Kunstverwandte, und Freyheitsgenossene, welche der Universitätsgerichtbarkeit unterworffen sind, haben auch in Malefizsachen daselbst Urtheil, und Recht zu nehmen, alles nach Maß der den hohen Schulen ertheilten Freyheiten, und nachgefolgt- zielgebigen Verordnungen.

§. 14. Was insbesondere den befreyten Gerichtsstand der geistlichen Gerichten in Malefizsachen anlanget finden Wir nöthig zum allgemeinen Unterricht jene Maßregeln beyzurucken, welche in der alten Verfassung dieser Unseren Erblanden sich begründen, und durch mehrere nachgehende Landesgesetze zur beharrlichen Richtschnur vorgeschrieben, und fest gesetzet worden.

Es verstehet sich nämlich die geistliche Gehörde insgemein nicht auf weltliche Personen, allermassen in den peinlichen Handlungen Unser- weltlichen Landesinnsassen, und Unterthanen alle Gerichtsbarkeit, somit die gefängliche Einzieh- und nachfolgliche Verwahrung, dann die Untersuchung, Erkanntnuß, und Bestraffung lediglich Uns in Kraft Unser Landeshoheit, und Unseren nachgesetzt- weltlichen Richtern gebühret, und zuständig ist.

§. 15. Nur damalen wirket die geistliche Gerichtbarkeit seinermassen gegen weltliche Missethäter, wenn es auf Entscheid- und Erklärung einer blossen geistlichen Frage ankommet. Zum Beyspiel: ob diese, oder jene Lehr ketzerisch seye? ob in Sachen einer angeschuldet- zweyfachen Ehe die erstere Ehe gültig- oder ungültig seye? und so weiters. Die Entscheidung so gestalter Vorfragen gehöret allemal zur geistlichen Gerichtbarkeit, und hat der weltliche Richter solchenfalls alle zu verläßlicher Ausfindung der That diensame Anzeigungen, vorhin aufgenommene Verhören, und zur Sache einschlagende Nothdurften dem geistlichen Gericht in beglaubten Abschriften zuzustellen, und in allweg hülffliche Hand zu bieten.

§. 16. Wenn es nun solchen Falls auf Verhörung des Thäters ankommet, somit dessen persönliche Erscheinung bey der geistlichen Gehörde nöthig ist, sollen zu solchem Ende die weltliche Uebelthäter auf allmaliges Verlangen zu dem geistlichen Gerichtsstand wohl verwahrt gestellet, nach Beendigung aber einer jeglichen Handlung allzeit wiederum in die weltliche Gefängniß zuruckgeliefert werden.

§. 17. Wäre es aber, daß die Gefangene von dem geistlichen Gericht ziemlich entfernet oder bey der Ueberlieferung eine Entweichungsgefahr, oder bewandten Umständen nach ein bedenklicher Zusammenlauff des Volks, oder andere Ungebühr zu besorgen stünde, so sollen dieselbe von den geistlichen Abgeordneten bey dem Halsgericht verhöret, der Geistlichkeit hierzu ein gebührlicher Ort eingeraumet, und dieselbe in solch- ihrer Verrichtung von Niemanden beirret werden.

§ 18. Wenn sodann die Erkanntnuß über die geistliche Vorfrage geschöpfet, dieselbe samt darzugehörigen Nothdurften dem weltlichen Richter mitgetheilet und hierdurch der weltliche Unterthan eines Verbrechens schuldig befunden worden, so hat das weltliche Gericht in Absicht auf die öffentliche Genugthuung forthin allein wider selben die Malefizverfahrung der Ordnung nach fortzusetzen, die Straffe nach Maßgab dieserländiger peinlichen Gesetzen auszumessen, und zum Vollzug zu bringen.

§. 19. Da es hingegen um keine sogestalte von der Geistlichkeit erst zu entscheiden kommende Vorfrag zu thun, sondern die wahre Eigenschaft läge bereits am Tag; zum Beyspiel: die Unternehmungen, und Glaubenssätze eines weltlichen Unterthans befänden sich so beschaffen, daß sie eine allschon erklärt- kundbare Ketzerey [Seite: 38] [Faksimile]auf sich trügen, bey solcher Bewandniß hat es der Zuthuung der geistlichen Gerichten nicht nöthig, sondern der weltliche Richter hat unaufhältlich in allen Malefizhandlungen den peinlichen Proceß wider den Thäter vorzunehmen.

§ 20. Es beschränket sich demnach die geistliche Gerichtsbehörde in Malefizsachen hauptsächlich auf die ihrer Gerichtbarkeit untergebene geistliche Personen. Die geistliche Gerichten sind jedoch auch in Ansehen geistlicher Uebelthäter verbunden, sich nach dieser allgemeinen Malefizordnung zu achten, und, wenn nach Ausmaß Unserer Gesetze das Laster ein Blut- oder Lebensstraffe nach sich ziehet, solche Missethäter zu degradiren, und der weltlichen Obrigkeit zur Bestraffung zu übergeben. Dahingegen weltliche unter einem geistlichen Kleid versteckte, und verstellte Missethäter dem weltlichen Richter zur Malefizverfahrung alsogleich abzufolgen sind.

§. 21. Damit aber die Halsgerichten ihr Malefizrecht, und peinliche Gerichtbarkeit nicht zur Ungebühr übertreiben, sondern in allen rechtsbehörig fürgehen mögen, ist erforderlich, gesetzmässig vorzuschreiben: wie es mit Verfolg- Ergreiff- und Einziehung der Uebelthäter, dann mit derselben Schieb- und Auslieferung an andere Gerichten zu halten? item ob, und welcher gestalten erlaubt seye die halsgerichtliche Amtshandlungen durch andere Personen verrichten zu lassen? und was deme ansonst noch anhängig ist: weßhalben den folgenden Ausmessungen nachzuleben.

§. 22. Die Verfolg- Einzieh- und Gefangennehmung eines berüchtigten Uebelthäters stehet eigentlich und insgemein nur denen Halsgerichten, und jener Obrigkeit zu, welche an dem Orte, wo sich der Thäter befindet, das hohe Gericht verwaltet, und welcher sodann die fernere Inquisition mit- oder ohne Erkanntnuß zu Bestraffung des Verhaften gebühret.

§. 23. Zu solchem Ende, und damit die Zustandbringung gefährlicher Leute desto sicherer bewirket werde, solle von allen Landesinnwohnern, und Beamten, und überhaupt von männiglichen, weß Standes, oder Wesens dieselbe sind, den Halsgerichten alle mögliche Hülffe, Beystand, und Vorschub zu Haabhaftmachung der Missethätern bey Vermeidung empfindlicher Straffe geleistet werden.

§ 24. Wenn aber der Thäter auf einer offenen Missethat, und wie man zu sagen pfleget, auf handhafter That von einer des Blutbanns unbefugten Obrigkeit, oder auch von einer privat-Person, wer die auch wäre, ertappet, oder aber in der Flucht ergriffen würde, so solle er allerdings angehalten, und sodann dem ordentlich ausgesetzten Landgericht mit allen habenden Anzeigungen ungesaumt, und längstens innerhalb 3. Tägen, wenn es anders möglich, überliefert, oder abgefolget werden.

§. 25. Es stehet jedoch nicht in blosser Willkuhr der Grundobrigkeiten, und Gemeinden, erkannte Uebelthäter anzuhalten, oder lauffen zu lassen, sondern es ist ihnen um des gemeinen Besten willen nach Ausmaß deren in Polizey- und Sicherheitssachen ergangenen Verordnungen aus strenger Schuldigkeit bey sonst auf sich ladend- schwerer Verantwortung obgelegen, jenen Falls, wo von Landgerichtswegen die behörige Veranstaltung nicht sogleich getroffen werden könnte, und sonst die Gelegenheit der Haabhaftwerdung entgienge, offenkündige, oder sonst wissentliche Missethäter handvest zu machen, auch, da etwann ganze Rotten von Bösewichten, und landschädlichen Gesindel sich hervorthäte, selbe mit zusammen gesetzten Kräften, und mit Zuhülffruffung einer etwann nahe gelegenen Kriegsmannschaft, dieselbe zu Stand zu bringen, sofort an die betreffende Halsgerichten, oder sonstige Behörde wohlverwahrter abzugeben.

§. 26. Beschähe es aber, daß einige zu dem Blutbann nicht berechtigte Personen oder Gerichten den angehaltenen Thäter behöriger Orten nicht überbrächten, weder seiner Uebernehmung halber die schuldige Anzeig macheten, sondern sich selbst einiger Nachforschung, und peinlichen Handlung rechtswidrig unterzöhen, solle dergleichen Fürgang für widerrechtlich, und nichtig erkennet, auch dergleichen verbotene Anmassungen von der Behörde mit gemessener Straffe angesehen werden.

§ 27. Obschon, wie obbemeldt, den Hals- und Landgerichten innerhalb ihres Gebiets die Einziehung der Uebelthäter von Amtswegen zustehet, so solle doch kein Halsgericht auf fremden Grund, und Boden hauptsächlich in ein Schloß, Kloster, Freyhof, Unterthans- oder anderes in fremder Gerechtigkeit liegendes Haus, [Seite: 39] [Faksimile]wenn auch solcher Ort in seinem Halsgerichtsgezirk gelegen, ohne Begrüss- und Bewilligung des Grund- oder Freyheitsherrn eigenmächtig eindringen, und den etwann allda sich aufhaltenden Thäter wegnehmen, sondern selbes ist schuldig die That sammt denen Anzeigen dem Grundherrn vorzutragen, und hierüber die Stellung zu begehren; es ist jedoch nicht erforderlich, alle eingeholte Erfahrungen und Anzeigungen mit-beyzulegen, sondern es ist an deme genug, wenn das Verbrechen mit kurzen angezeiget wird: allermassen jedes Halsgericht die Rechtmässigkeit ihres Furgangs zu verantworten hat.

§ 28. Der Grundherr, von dem solchergestalt die Stellung begehret worden, darff sich sodann keiner weiteren Untersuchung, sowohl was das Verbrechen selbst, als die Hinlänglichkeit der Anzeigungen betrifft, anmassen, sondern seine Gegenschuldigkeit ist, dem ordentlichen Halsgericht auf solch- seine Anmeldung und Stellungsgesuch den Berüchtigten alsobalden, oder längst inner 3. Tägen auszulieferen; und zwar also, daß er nicht allein die Person, sondern auch (falls es kein daselbst Angesessener wäre, weder derselbe allda seine beständige Wohnung hätte) alles, und jedes, was bey ihme gefunden wird; falls es aber ein Angesessener, oder daselbst Wohnhafter wäre, alles, was zum Beweis der Missethat dienlich, und zu dem corpore delicti gehörig ist, ohne allen Anstand mit-ausfolgen lasse. Widrigenfalls, da der schuldigen Auslieferung binnen erstbemeldter Zeitfrist von dem Grundherrn nicht statt gethan würde, dem Halsgericht unverwehrt ist, sich des Thäters, wo immer, auch unter den Dachtropfen, zu versicheren, und denselben gestalten Dingen nach mit Haab, und Gut gefänglich einzuziehen.

§ 29. Ergäbe sich, daß die Grundobrigkeit nach der Zeit den Thäter versteckete, oder dessen Gefangennehmung in anderweg behinderlich wäre, solle das Landgericht solche Widersetzlichkeit sogleich bey dem Obergericht zur gebührenden Ahndung anzeigen, und daselbst die gemessene Abhülffe ansuchen. Und dafern etwann der Grundherr billige Bedenken entgegen die Arrestirung seines Unterthans oder sonst erhebliche Ursachen gegen die anbegehrte Auslieferung zu haben glaubete, so mag er dieselbe ungesaumt einiger Zeit ebenfalls bey dem Obergericht einbringen; jegleichwohlen aber ist er binnen der obbestimmten Zeit (wenn nicht mitlerweile was anderes Obergerichtlich geordnet wurde) den zu stellen verlangten Unterthan, oder Innsassen mit Vorbehalt seines zu haben vermeinenden Rechts dem Halsgericht zu übergeben, und folgen zu lassen schuldig. Falls nun auf ein- oder andere Art zwischen einer Grundobrigkeit und dem Halsgericht der Lieferung halber Stritt, und Irrung entstünde, so solle von dem Obergericht allvörderist allemal der Vorbescheid: wie es des dießfälligen Thäters halber zu halten seye? Vorsehungsweis ertheilet und deme ohne Widerred nachgelebet werden; wo sodann erst beeden Theilen die entstandene Strittigkeit im ordentlichen Weg Rechtens auszuführen bevorstehet.

§ 30. Wurde sich inzwischen eine Obrigkeit, oder auch ein anderer unterfangen, dem Thäter zur Flucht Vorschub, oder Gelegenheit zu machen; oder aber man wollte selben durch eilfertige Erkanntnuß, und auferlegte Straffe oder anderen dergleichen Ausweg von der wider ihn durch das Halsgericht anzustrengen habenden Inquisition befreyen, dieses solle an das Obergericht erweislich gebracht, und von dar nach Gestalt des Verschuldens gemessen bestraffet werden.

§ 31. Es hat vorbemeldtermassen seine gute Richtigkeit, daß ein Halsgericht insgemein einen Thäter ohne vorläuffige Begrüssung des Grundherrns nicht eigenmächtig aufheben solle. Da jedoch der Entweichung der Thäteren sorgsamst vorzubiegen kommet, so mag ein Halsgericht, auch ohne vorherige Ersuchung des Grundherrns, gar wohl in nachstehenden Fällen
Erstlich: Wenn ein Missethäter gleich alsobald in öffentlicher wahrer That ergriffen; oder
Andertens: In offenen Landgericht, das ist: auf offener Strassen, oder zu Feld betretten wird; oder auch
Drittens: Der Grundherr keinen Richter, oder Amtmann der Orten hätte, noch den Thäter anderwärts versicherte, folgsam derselbe leicht entrinnen könnte; und überhaupt [Seite: 40] [Faksimile]
Viertens: Wenn Gefahr auf dem Verzug stünde, und wegen besorglicher Entfliehung des Thäters keine Zeit zu versaumen wäre: sogleich auf den Thäter, und auch allenfalls unter dem Dach greiffen, und denselben mit sich gefänglich hinwegführen; nachmals aber solle des Thäters Obrigkeit mit Ueberschreibung der Ursachen dessen förderlich erinneret werden, wie dann auch solcher Fürgang der Grundobrigkeit in anderweg unnachtheilig seyn solle.

§ 32. Die Gerichtbarkeit jeglichen Halsgerichts beschränket sich auf dessen Blutbannsgezirk, über welchen ein Halsgericht ihr Malefizrecht auszuüben nicht berechtiget ist; nur allein wird um der allgemeinen Sicherheit, und Wohlfahrt halber den Halsgerichten hiemit gestattet, und zugleich Pflichtweis aufgetragen, daß von denenselben nicht nur das Zigeuner- Dieb- und Raubergesindel, und andere verwiesene, oder dießfalls verdächtige Leute, sondern auch jeder Missethäter deme nach verübter That alsogleich nachgeeilet wird, über die Gränzen ihres Blutbanns bis in den fremden Grund und Boden, ja sogar in die fremde Häuser verfolget, und daselbst verwahrlich angehalten werden könne, und möge; dahingegen sobald ein solcher Uebelthäter durch das nacheilende Halsgericht handvest gemachet seyn wird, solle der dießfällige Fürgang der Grundobrigkeit unverweilt angedeutet, auch der Uebelthäter von ihr Grundobrigkeit in sichere Verwahrung gebracht, und sodann dem behörig- anderweiten Halsgericht übergeben werden.

§ 33. Zumalen auch bey Verführung der Malefizprocessen sich öfters ergiebt, daß zu Erfindung der Wahrheit, wo es entweder auf Ueberweisung, oder auf Vertheidigung der Gefangenen ankommet, die verläßliche Nachrichten und Zeugenschaften von anderen Orten herzuholen sind, so wird zu Vermeidung allen Umwegs,und damit durch allseitig-erwiederliche Rechtshülff die Justiz-Pflege in peinlichen Sachen um so behender beförderet werde, den Halsgerichten hiemit die Befugniß eingeraumet, anbey die Schuldigkeit auferleget, sich dieserwegen mit anderen so in- als ausländischen Halsgerichten, Obrigkeiten, und Gerichtsgehörden in die erforderliche Correspondenz zu setzen, somit kürzeren Wegs, jedoch allzeit mittelst ordentlicher unter der gewöhnlichen Gerichtsfertigung erlassenden Ersuch- und Antwortschreiben die nöthige Erfahrung einzuziehen, und im Gegenspiel auch anderen Gerichten mit aller Willfährigkeit die verlangende Auskünften mitzutheilen. Wobey jedoch wohl zu merken: daß
Erstlich: Wenn auf solch- nachbarliches Ersuchen besonders von dieserländigen Gerichten keine Antwort erfolgete, oder in dem Gesuch nicht willfahret werden wollte, die Halsgerichten diese Saumseligkeit, und all-andere die Inquisition hemmende Anstände dem Obergericht zur behörigen Abhülff, und weiter- nöthigen Vorkehrung unverlängt beschwersam anzuzeigen; hauptsächlich aber
Andertens: In Ansehen deren von ausländischen Gerichten in Malefizbegebenheiten einlauffenden Ersuchschreiben den Bedacht dahin zu nehmen haben, daß, falls ein Verbrechen den gemeinen Staat beträffe, oder in Unsere, oder des Landes Gerechtsame einschlüge, und überhaupt, wenn das auswärtige Ansinnen wichtig, gefährlich, oder sonst in mindesten bedenklich zu seyn schiene, sich alsogleich mit Beyschliessung des sogestalten Ersuchschreibens an das Obergericht gewendet, und von dortaus der Verhaltungsbefehl abgewartet werden solle.

§ 34. Die Halsgerichten sind jene Uebelthäter, so sie rechtsbehörig unter ihrem Gerichtszwang eingebracht, an einen anderen Gerichtsstand ausfolgen zu lassen gemeiniglich nicht schuldig: ausser da, wie oben gemeldt, das Bevorkommungsrecht, oder der Umstand einer anderweiten befreyten Gerichtsgehörde das Widerspiel erhiesche. Ueberhaupt aber kann die Ausliefer- oder Uebersetzung eines Missethäters zu einem anderen Gerichtsstand allemal nach Befund des Obergerichts aus erheblichen Ursachen anbefohlen werden; wo zugleich das Obergericht bewandten Umständen nach, da etwann durch Schuldtragung eines Halsgerichts hierzu Anlaß gegeben würde, auf die Ersetzung der Aetz- Lieferungs- und übrigen Gerichtskosten den billigen Bedacht zu nehmen hat.

§ 35. Eben so wenig sind die Halsgerichten schuldig von anderen Gerichtsorten Missethäter sich zuschieben zu lassen; ausser da ein solches mit ihrem guten [Seite: 41] Willen, und jedesmaligen Vorbewußt des Obergerichts oder unmittelbar auf höheren Befehl geschähe, welchen Falls jedoch das übernehmende Halsgericht der ihme dadurch zu Last gehenden Gerichtskosten halber nach jeweiligen Befund des Obergerichts schadlos zu halten ist. Wobey zu merken, daß wenn auch ein Missethäter einem Halsgericht unbefugt zugeschoben würde, dasselbe solchen nicht eigenmächtig zurückschieben, sondern den Vorfall an das Obergericht einberichten, und von dortaus den Bescheid abzuwarten schuldig seyn solle.

§. 36. Die Ursachen, woraus die Gerichtsgehörde in Malefizsachen rechtmäßig entspringt, sind oben angeführet. Anderweite Vorschützungen: als erstlich: daß der Thäter, und Beschädigte zu Ausführung des Malefizhandels sich eigenwillig auf ein gewisses Halsgericht einverstanden; oder andertens: daß der Angeber, weil ihme von dem angegebenen ebenfalls ein Laster angeschuldet wird, in Kraft einer Gegen-Denunciation vor eben diesem Halsgericht sich zu rechtfertigen habe; oder drittens: weil der Thäter, obschon er unter einen anderen Gerichtsstand gehörig, sich einem gewissen sonst unbehörigen Halsgericht zu Untersuch- und Bestraffung seines Verbrechens ausdrücklich unterworffen habe, und dergleichen sind ganz ungegründet,und solle keine Obrigkeit unter solch- widerrechtlichen Vorwand ihre Gerichtbarkeit zu erweiteren sich anmassen.

§ 37. Die Hals- und Landgerichtsinnhabere, welche den Blutbann wegen ihrer Landgütern als ein darzu gehörige Herrlichkeit erb-eigenthümlich besitzen, können allerdings, wenn sie das Malefizrecht nicht selbst ausüben wollen, an ihrer statt andere taugliche Personen zu Handlung des Malefizrechts anstellen, jedoch auf Art, und Weis, wie seines Orts von Besetzung des Halsgerichts wird geordnet werden. Dahingegen jene Blutrichter, und sonst zum Blutbann berechtigte Personen, welchen die Verwaltung des Blutgerichts, und Verrichtung der Malefizgeschäfften nur von Unserem landesfürstlichen Amts wegen / oder sonst aus persönlichen Auftrag eines Landgerichtsherrn zukommet, keinerdings die Macht haben, die ihnen persönlich obliegende Malefizhandlungen auf andere anstatt ihrer eigenmächtig zu übertragen, sondern sie sind schuldig auf ihren eigenen Behinderungsfall die Anzeig an den Vorsteher der Gerichtsstelle, wovon sie abhangen, oder an den Landgerichtsherrn, der sie darzu angestellet hat, ungesaumt zu machen, damit von dortaus eine anderweite Vorsehung zu Vollführung der Criminal-Sache getroffen werden möge.

§ 38. Wo die Criminal-Hauptsache selbst bereits anhängig, da sollen auch die dahin mit einschlagende Civil-Nebenpunkten (als Wiederkehrung fremden Guts, Schaden, und Unkosten, oder Privat-Genugthuung) wegen des Zusammenhangs der Sachen untereinstens ausgemachet, hierinfalls aber keiner Weitläuftigkeit sich gebrauchet, und wenn dieser Civil-Punkten halber die Execution vonnöthen ist, solche nicht von dem Halsgericht selbst vorgenommen, sondern mit einem Ersuchschreiben an die Civil-Obrigkeit angewiesen werden. Jedoch stehet dem Beschädigten allerdings bevor, jene Civil-Punkten, ohne welche in der Malefizsach füglich gesprochen werden kann, bey der ordentlich-bürgerlichen Gerichtsgehörde einzuklagen.

§ 39. Ist hingegen vor erhoben- peinlichen Proceß um solcher Civil-Punkten halber die Sache durch bürgerliche Rechtsklage bey dem Civil-Gericht anhängig worden, so mag auch daselbst soweit darinnen fortgesetzet werden, bis sich in dem Civil-Proceß genugsame Proben oder Anzeigungen zur peinlichen Verfahrung hervorthun; wo sodann solcher Rechtshandel samt den Acten alsogleich der Malefizobrigkeit übergeben, die Erkamtnuß darüber erwartet, und sich sofort in Exequirung des Civil-Punktes, soweit derselbe von der vorentscheidlichen Malefizsache abhanget, allenthalben darnach gericht werden solle.

§ 4o. Dafern auch bey dem Civil-Gericht eine Criminal-Frag incidenter, und durch einen blossen Nebeneinwurff mit-vorkommet, so mag dasselbe Gericht solchen Incident-Punkt, soweit als es zur Entscheidung der Civil-Hauptklage vonnöthen ist, in richterliche Erkanntnuß nehmen, solle aber gleichwohlen hierinnen nicht von Amtswegen, und Inquisitionsweis verfahren, sondern auch die Parthey selbst, welche sich hierauf beziehet, nach Ordnung des Civil-Proceß die Probe führen lassen, sofort [Seite: 42] [Faksimile] gestalten Dingen nach dasjenige beobachten, was in dem erst-vorhergehenden § 39. geordnet worden.

§ 41. Obwohlen in übrigen auf jenen Fall, wo peinliche, und bürgerliche Fragen in einer Strittsache zusammenschlagen, insgemein allzeit die erste zuvor ausgemachet, und mit der letztern einsweilen zurückgehalten werden solle, so leidet doch dieses seinen Abfall, wo die Civil-Frag in einer nöthigen Vorfrag bestehet, und so beschaffen ist, daß von dero Vorentscheidung die nachfolgliche Entscheidung der Criminal-Frag lediglich abhanget.

Zwanzigster Artikel wie die Halsgerichten sowohl bey der Nachforsch- als bey der Urtheilfällung besetzet, und beschaffen seyn, auch welchergestalten es mit Führung des Protocolls gehalten werden solle?

§. 1. Der peinliche Proceß enthaltet 2. Haupthandlungen, nämlich die Nachforschung, oder Inquisition, dann die Urtheilfällung. Die Inquisition leget den Grund zur Urtheilsprechung und von dieser hanget das endliche Schicksal des Angeschuldigten ab. So ein- als andere dieser Handlungen ist demnach von größter Wichtigkeit, indem es hierinnfalls um Leib, und Leben der Menschen zu thun ist, weßhalben unumgänglich nothwendig, daß sowohl [Seite: 43] [Faksimile] das nachforschende, als das Urtheilsprechende Gericht mit tauglichen, und dem Werke gewachsenen Leuten besetzet werde.

§ 2. Allvörderist aber ist fürzusorgen, daß die Inquisition, worauf alles beruhet, redlich, wohlbedächtlich, und Rechtsbeständig nach Vorschrift dieser unser Gerichtsordnung vorgenommen werde: weil ansonst, wenn selbe gefährlicher Weise, unvollkommen oder widerrechtlich abgeführet würde, die Urtheilsprechere andurch zur ungleichen Erkanntnuß verleitet, oder allenfalls bey nachgehends nöthig findender Verbesserung der Gebrechen und Abgängen die Malefizsache zur Ungebühr, und Nachtheil des Gefangenen verzögert werden müßte.

§ 3. Bey Anstellung des Nachforschungs- oder Inquisitions-Gericht ist sowohl auf die Anzahl der Personen, als auf die Tauglichkeit derselben Acht zu haben. Den ersten Punkt belangend: mit was Anzahl der Personen das nachforschende Gericht zu besetzen seye? da ordnen. Wir, daß
Erstlich: In Städt- und Märkten, wo ordentlich zusammengesetzte Halsgerichten sich befinden, eine jede Inquisition von dem Richter samt 2. Beysitzern, und dem Gerichtsschreiber vorzunehmen seye; und nur jenen Falls, wenn bey einem Halsgericht mehrere Criminal-Verfahrungen zu gleicher Zeit zusammkämen, durch 2. Commissarien allein verführet werden könne. Dann daß
Andertens: Auf dem Lande bey den obrigkeitlichen Halsgerichten der Landgerichtsverwalter, oder Oberamtmann (oder wie immer derjenige heisse, so die Inquisition führet) mit zween verständigen von dem Halsgericht benennenden Männern, als Beysitzern, und dem Gerichts- oder Amtsschreiber; jenen Falls hingegen, wo der Landgerichtsverwalter selbst anstatt eines Gerichtsschreibers das Protocoll besorget, derselbe mit 2. Beysitzern die Inquisition abzuführen habe. Welch- alles
Drittens: Dahin zu verstehen, daß solch- rechtsbehörige Besetzung des nachforschenden Gerichts gleich von allem Anfange der Inquisition zu beschehen habe, und auf gleiche Art in all- nachfolgenden Inquisitions-Handlungen fortzusetzen, die darzu abgeordnete Personen aber währender Inquisition ohne erhebliche Ursache nicht abzuänderen seyen.

§ 4. Was den anderten Punkt wegen der Tauglichkeit der zur Inquisition zuziehenden Personen anbetrifft: wie nämlichen sowohl der Inquisitions-Führer, als die Beysitzere, und der Gerichts- oder Amtsschreiber Rechts-erforderlich beschaffen seyn sollen? da wird hiemit zur Richtschnur vorgeschrieben, daß zu den peinlichen Verhandlungen überhaupt keine andere als ehrliche, gottesfürchtige, und verständige Leute aufs beste man sie jeglichen Orts bekommen kann, anzustellen sind; wohingegen jene Personen, welche entweder dem Angeschuldigten, oder dem Ankläger, oder Angeber nach Ausrechnung Unserer Gesetzen in dem 6ten Grad Blutsverwandtet, oder in dem 4ten verschwägeret sind, oder vorhin mit selben in Haß, und Feindschaft gestanden, oder wegen erleidenden Schadens, oder sonst an der Sache Theil nehmen, oder in solchen Malefizhandel bereits Zeugenschaft gegeben, oder annoch zu geben haben, sich solchen Falls bey dem peinlichen Gericht nicht gebrauchen lassen, sondern für selbigesmal sich des Amts entschlagen sollen. Was insbesondere

§. 5. Die Inquisitions-Richtere, oder jene Personen, welche bey Städt- und Märkten, oder bey den obrigkeitlichen Halsgerichten die Inquisition vorzunehmen, und abzuführen haben, anbelanget, da ist hauptsächlich dahin zu sehen, womit allzeit solche Männer darzu angestellet werden, welche in dieser peinlichen Gerichtsordnung wohl erfahren, somit solcher Verrichtung Rechtsbeständig vorzustehen im Stande sind. Es wird demnach
Vors erste: Sonderheitlich jenen Blutbanns-berechtigten Obrigkeiten, die ihre Verwaltere, Pflegere, oder Amtmänner nach eigener Auswahl selbst aufnehmen, alles Ernstes eingebunden, sich nach erstgedachter Maßregel genauest zu achten, wie im widrigen ihnen Halsgerichtsinnhabern, wenn sie unerfahrne Leute zu solcher Amtirung anstellen, die Fehler ihrer Beamten zugemessen, und sie darumen zur gebührenden Straff würden gezogen werden. Und gleichwie
Vors anderte: Bey denen Städt- und Märkten, wo zusammengesetzte Halsgerichten sich befinden, die zu den peinlichen Verhandlungen bestimmende Rathsglieder [Seite: 44] [Faksimile] bey ihrer Annehmung in Rath untereinstens ohnedem allemal den jeglichen Orts herkommlichen Eyd abzulegen haben, als sollen auch die obrigkeitliche Landgerichtsverwaltere bey ihrer Annehmung nach der Landes-gewöhnlichen Art zum Blutbann beeydet werden. Da weiters

§. 6. Die Wichtigkeit der Sache nicht zuläßt, das ganze Inquisitions-Geschäfft, somit Leib, und Leben, Ehr, und Gut der Menschen einem einzigen Mann anzuvertrauen, so ist nöthig, daß (ausser des oben § 3 vers. erstlich etc. bemeldten Falls, wo es auch bey zwey Commissarien beruhen kann) insgemein zu den Inquisitionen nebst dem inquirirenden Richter noch 2. Personen als Beysitzere zugezogen werden, welche allen Inquisitions-Handlungen persönlich beyzuwohnen haben. Zumalen aber diese Beysitzere, wenn sie allein zur Inquisition, und nicht auch zur Urtheilsprechung gebrauchet werden, nur als Zeugen anzusehen sind, so ist eben nicht erforderlich, daß sie dieser peinlichen Gerichtsordnung kündig, und hierzu eigends beeydet werden, sondern es ist an dem genug, daß sie bekannt-ehrliche und verständige Männer sind, so gut man sie jeglichen Orts haben kann; deren Obliegenheit lediglich in dem bestehet, auf daß sie, so viel an ihnen ist, auf all- jenes, was bey der Inquisitions-Verhandlung vorgehet, ihr fleissiges Aufmerken tragen, und womit bey der Inquisition, absonderlich wenn dem Inquisiten seine Aussage, und den Zeugen ihre gegebene Zeugniß vorgelesen wird, alles ohne Verdacht, und aufrichtig zugehe, Acht haben sollen; dessen sie gleich anfangs bey ihrer Zuziehung ausdrücklich zu erinneren sind. Endlich solle

§. 7. Der Gerichts- oder Amtsschreiber, der nämlichen das Protocoll besonders zu führen hat, die hierzu erforderlich- genugsame Geschicklichkeit besitzen, und dieser seiner Verrichtung halber beeydet seyn, wo es bishero gewöhnlich gewesen; gleichwie ein solches jener Orten zu beschehen hat, wo nach der Landesverfassung in peinlichen Verfahrungen eigends geschworene Land- Hals- oder Banngerichtsschreibere anzustellen sind.

§ 8. Damit auch wissend seye: wieviel Personen zu Besetzung des Urtheilsprechenden Gerichts erforderlich, und mit was Tüchtigkeit dieselbe versehen seyn sollen, so wird hiemit in Betreff des ersteren Punkts gesetzgebig verordnet, daß jedes Blutgericht, wobey es auf Fällung eines Bey- oder Endurtheils ankommet, mit der jeglichen landesherkömmlichen Anzahl Personen, doch nirgends mit wenigeren, als 7. Rechtssprechern besetzet seyn solle. Was aber

§ 9. Den anderten Punkt wegen Tauglichkeit der Urtheilsprechern anbelanget, da sollen allzeit der Richter, und Beysizere bey der Urtheilfällung lauter verständige, in dieser peinlichen Gerichtsordnung wohl erfahren, und landesüblichermassen beeydete Leute, hauptsächlichen aber derjenige, so den Criminal-Proceß in Vortrag bringet, entweder ein im Land angenommener Rechtsgelehrter, oder sonst ein rechtsverständiger Mann, dieser letztere jedoch vorhin bey dem Obergericht seiner Tauglichkeit halber eigends geprüfet, daselbst zum Blutbann beeydet, und zu Ausübung des Malefizrechts von dort aus mittelst einer obergerichtlichen Urkund berechtiget seyn.

§ 10. Es ist also bey den Städten, wo zusammengesetzte Halsgerichten sich befinden, die Fürsorge dahin zu machen, womit selbe zum Vortrag der Criminalien entweder mit einem obergerichtlich geprüften Stadtrichter, oder Syndico sich versehen, oder zu solchem Ende eines Rechtsgelehrten, oder eines öffentlichen Malefiz- und Bannrichters, wo deren vorhanden sind, sich gebrauchen sollen; widrigen Falls dieselbe, wenn ihnen auch sonst das Recht der Urtheilfällung zustünde, für solchesmal sich dessen zu enthalten, und hierüber die Belernung bey dem Obergericht anzusuchen, folgsam den geschlossenen Inquisitions-Proceß mit Anführung der Behinderungsursach an dasselbe zu Schöpfung des rechtlichen Urtheils einzusenden haben, wornach sich auch von Seite der obrigkeitlichen Halsgerichten allerdings zu achten ist.

§. 11. Wo aber in einem Hals- oder Landgericht dem alten Herkommen nach keine beständig besetzte Gerichten vorhanden, sondern erst bey jeweilig vorkommender Erledigung eines Criminal-Proceß pflegen zusammen gesetzet zu werden, da [Seite: 45] [Faksimile] hat die Obrigkeit wegen Erkieß- und Beyziehung tauglicher Rechtssprechern zu Besetzung des Blutgerichts sich an daselbstige Landesverfassung zu halten.

§. 12. Wie dann auch jener Orten, wo es bishero in Uebung gewesen, noch fernerhin gestattet seyn solle, daß nach vorhero an dem Gerichtsort vollführter Inquisition der geschlossene Criminal-Proceß sodann in der Hauptstadt desselben Landes unter dem Vorsitz des Landgerichtsherrn, oder in Gegenwart dessen Landgerichtsverwalters mit Zuziehung 6. Rechtsgelehrten, welche zu peinlichen Handlungen von Obergerichtswegen eigends dazu berechtiget sind, zur Erkanntnuß gebracht werden könne; jedoch ist allemal das gefällte Urtheil an dem Orte des Halsgerichts dem Gefangenen anzukünden, und gestalten Dingen nach daselbst an ihme zu vollstrecken.

§. 13. Damit hiernächst die Hals- und Landgerichten auch einen deutlichen Begriff überkommen, welchergestalten in Führung des Protocolls sich zu verhalten seye? so wollen Wir zu solchem Ende nachfolgend- gesetzliche Ausmessung gemachet haben.

§. 14. Es solle nämlichen in jeglicher Malefizverfahrung ein Protocoll geführet, hierinnen eine jedwede vorfallende peinliche Gerichtshandlung mit allen Umständen verzeichnet, sauber und leslich geschrieben, sohin jeder Gerichts-Actus, der in einer Sitzung vorgenommen worden, von dem Richter, und den Beysitzern, auch dem Gerichts- oder Amtsschreiber (wo einer zugezogen worden) besonders unterschrieben, und solchergestalt jede Handlung mit besonderer Amtsfertigung abgeschlossen werden. Gleichwie sich nun diese Maßregeln von jedem gerichtlichen Fürgang, es seye die summarische Verhör, Haus- oder andere Visitation, Todten- oder Verwundungsbeschau, Besichtigung des Schadens, oder anderweite Erkundig- und Erhebung der That, und Corporis delicti, und was mehr dergleichen gerichtliche Ankehrungen sind, überhaupt verstehet; so solle

§. 15. Auf gleiche Art mit den articulirten Verhören unter der ufschrift des erst- andert- und etwann weitergütigen Examinis (so viel deren zu Ausfindigmachung der That mit ihren Umständen nach Gestalt der Sachen nöthig seyn durfften,) furgegangen werden; es können aber gleichwohlen die articulirte Examina, wenn selbe auch durch mehrere Täge, und Wochen furdauren, in einem Lauff fortgesetzet, und zusammengeschrieben, sodann unter einer Gerichtsfertigung einbegriffen werden; wo jedoch allemal vor jenem Artikel, bey welchem das Examen zu einer anderen Zeit fortgesetzet worden, die Anmerkung (den so vielten Tag des Monats N. und Jahrs N. ist mit der Verhör weiter fortgefahren worden) beygerucket werden muß.

§. 16. Was von Zusammenschreibung der Examinum erwehnet worden, kann auch mit den Zeugen-Aussagen beschehen, besonders wenn die Zeugen zu gleicher Zeit verhöret werden.

§. 17. Die übrige Acta, und Criminal-Handlungen, welche von anderwärts einkommen, als zuschreiben, antworten, und beygeschlossene Aussagen, gerichtliche Verordnungen, Berichte und dergleichen, sind lediglich in solch-ihrer Gestalt dem Criminal-Proceß beyzulegen.

§. 18. Da sich nun ergiebt, daß der Criminal-Proceß an höhere Behörde zu überreichen ist, so sind die so beschaffene Acten originaliter Stück für Stück in jener Ordnung, wie selbe nach, und nach erwachsen sind, mit beysetzend- fortlauffender Zifferzahl dem abgebenden Begleitungsberichte beyzuschliessen. Belangend

§. 19. Den weiteren Unterricht : wie das Protocoll nach seiner innerlichen Beschaffenheit einzurichten seye? da ist zu merken, daß hierinnen alles, was bey jeglicher Gerichtshandlung vorkommet, somit nicht nur die That, sondern auch derselben Beschaffenheit, Umstände, Zeit, und Ort; ferner nicht nur die Aussagen der Gefangenen, und der zeugen, sondern auch derenselben Wankelmüthig- und Unbeständigkeit, Gestaltveränderungen, und Gemüthsregungen, dann was für besondere Umstände in ihren äusserlichen Geberden zu beobachten; auch alle Anzeigungen und Behelffe, so wider, oder für den Gefangenen sich hervorthun; und überhaupt alles, was bey jedem gerichtlichen Furgang nach Unterscheid der Umständen sich ergiebet (es seye sodann zu Ueberweisung, oder zu Entschuldigung des Gefangenen) jedoch allemal an seinen behörigen Ort, das ist : unter jenem Artikel, bey welchem was dergleichen vorfallet, genau, und gewissenhaft eingetragen, und bey jeder besonders vorgenommenen [Seite: 46] [Faksimile] Handlung Tag, Jahr, und Stund nebst denen Nämen des Richters, und der Beysitzern deutlich bemerket, auch nichts anderes, so zur Sache unbehörig, darneben eingemischet, weder etwas in dem geschlossenen Protocoll ohne Vorwissen des Gerichts ausgelöschet, beygesetzet, oder geänderet, weder den Partheyen, oder wem immer ohne ausdrückliche Bewilligung des Gerichts ein Protocolls-Extract hinausgegeben werden solle.

§. 20. Wobey ferners wohl zu beobachten, daß bey Verhörung der Inquisiten sowohl, als der Zeugen die gestellte Fragstucke auf die rechte Seite des gebrochenen Papiers, und gegenüber die von dem Inquisiten oder den Zeugen gegebene Antworten von Wort, zu Wort, von Mund in die Feder das ist: mit eben den Worten, wie es der Inquisit, oder der Zeug redet, folglich nicht in der dritten, sondern in der ersten Person aufgezeichnet, und sowohl Frag, als Antworten mit fortlauffender Zifferzahl bemerket werden sollen: indem auf die in die dritte Person umgesetzte Wörter sich nicht so viel zu verlassen, weder so viel, als aus den eigenen Worten auszunehmen ist.

§. 21. Die Pflicht- und Schuldigkeiten der Gerichtsschreibern, denen die Protocolls-Führung aufgetragen wird, ist einerley, sie mögen sodann beeydet oder unbeeydet seyn. Gleichwie nun der Eyd der geschwornen Gerichtsschreibern wesentlichen Innhalts dahin gehet: daß selbe dem ihnen anvertrauten Amt nach besten Wissen, und Gewissen, und ohne alle Gefährde abwarten, dasjenige, so in peinlichen Gerichten abgehandlet wird, fleissig, und getreulich verzeichnen, anbey ihre Amtsgeschäfften in geheim erhalten, einfolglich von dem, was in dem Gerichte vorkommen, nichts offenbaren, und sich davon weder durch Ansehen der Person, unzeitiges Mitleiden, Gab, Freundschaft, Feindschaft, oder andere Ursachen abhalten lassen wollen, noch sollen; so ist auch jenen Personen, die einiger Orten nach daselbstiger Landesüblichkeit unbeeydet zu Führung des Protocolls gebrauchet werden, eben solch-vorbemeldte Obliegenheit gleich bey ihrer Anstellung nachdrucksamst unter ansonst auf sich ladend- schwerer Verantwortung einzubinden; anbey sind alle Actuarii, Gerichts- und Amtsschreibere überhaupt, und ohne Ausnahm dahin anzuweisen, daß sie dem Richter, oder dessen Verweeser, welcher nämlich die peinliche Gerichtshandlung führet, ihres Amts halber untergeben, somit ihm den gebührenden Gehorsam zu leisten, und wenn in ihrer Dienstverrichtung einiger Anstand vorfallet, bey demselben sich anzufragen, und dessen Anordnung nachzukommen schuldig sind. Dahingegen

§. 22. Dem Richter, und jenem, unter dessen Anleitung die Malefizhandlung verführet wird, von Amtswegen obgelegen ist, auf das Thun, und Lassen desjenigen, so das Protocoll führet, genaue Obsicht zu tragen, demselben den erforderlichen Unterricht, wie er sich nach dieser Gerichtsordnung zu verhalten habe? deutlich beyzubringen, auch nach jedwederem Gerichts-Actu das Protocoll, ob es durchgehends mit deme, was vorgegangen, vollkommen einstimmig seye, genau zu durchgehen, und endlich, damit selbes sauber, und leslich geschrieben, und von denen beyweesig-gewesenen Gerichtspersonen gefertiget werde, zu besorgen. Gleichwie übrigens

§. 23. Den Halsgerichten oben Art. 18. § 13. anbefohlen worden, besondere Gerichtsbücher sich beyzulegen, worinnen alle peinliche Vorfälle, und Verhandlungen summarischen Innhalts aufzuzeichnen sind, damit zu aller Zeit die Beschaffenheit der abgeführten Criminalien hieraus ersehen, und nach daselbstiger Anmerkung die Gerichts-Acten desto behender ausfindig gemachet werden mögen; so wollen Wir gleicher Gestalt auch den Malefiz- und Bannrichtern, wo deren einige angestellter sich befinden, überhaupt hiemit auferleget haben, daß sie zu guter Verläßigkeit ihres öffentlichen Amts ein ordentliches Register, oder Criminalien-Handbuch halten, und hierinnen über jedwede von ihnen verhandelte Malefizvorfallenheit den Namen, und Zunamen des Thäters, dessen Verbrechen, Mitgespänne, das Jahr, in welchem, und das Halsgericht, bey welchem das Criminale abgeführet worden, dann das Urtheil,und was etwann sonst in Sachen besonders vorgegangen, kurzlich anzumerken verbunden seyn sollen; um erforderlichen Falls über alle unter ihnen vorgekommene Malefizfälle sogleich die nöthige Auskunften geben zu können. [Seite: 47] [Faksimile]

Einundzwanzigster Artikel
von ausgenommenen Malefizfällen, in welchen die nachgesetzte Halsgerichten mit freyer Aburtheilung nicht fürgehen können.

§. 1. Zum voraus ist in Rucksicht auf jenes, was schon oben Art. 18. §. 3. 4. & 5. geordnet worden, allhier zu bemerken, daß dieser Artikel nicht von solchen Halsgerichten, die einen beschränkten Blutbann haben, und nach Maßgab der ihnen beschehenen Verleihung ohnedem alle ihre abgeführte Criminal-Proceße entweder ohne Urtheil, oder da ihnen auch das Recht der Urtheilfällung zukommet, allemal ihre Urtheile vor deren Vollziehung samt allen Acten bey dem Obergericht zur höheren Erkanntnuß einzureichen haben, sondern allein von jenen zu verstehen seye, welchen der Blutbann vollkommen, und unbeschränkt mit allen Rechtswirkungen verliehen ist.

§. 2. Diesen letzteren nun als befreyten Hals- und Landgerichten stehet zwar insgemein die Macht zu, in peinlichen Sachen unmittelbar selbst Urtheil, und Recht zu sprechen, auch ihre Urtheile zu vollziehen; jedoch leidet diese allgemeine Blutbannsbefugniß den rechtlichen Abfall in Ansehen jener Malefizfällen, die Wir Uns, oder Unseren oberen Gerichtsstellen zur Erkanntnuß vorbehalten, somit entweder in dieser Unser-peinlichen Gerichtsordnung, oder in einem anderen Unseren künftigen Gesetze ausdrücklich ausgenommen werden. Wie denn überhaupt zu Unser freyen Willkuhr bevorbleibet, auch in ein- oder anderer sonst unausgenommenen Malefizbegebenheit eine eigene Commission, oder judicium delegatum anzustellen, und durch selbes die Untersuchung auf Art, und Weise, wie Wir es jeweilig für gut befinden werden, vornehmen zu lassen.

§. 3. Damit aber der ausgenommenen Fällen halber eine verläßliche Richtschnur vorhanden seye, so wollen Wir hiemit eine zweyfache Gattung derselben gesetzgebig bestimmet haben. Erstere über jene Verbrechen, welcherwegen den nachgesetzten Halsgerichten weder die Inquisition, minder die Urtheilfällung gestattet ist; die anderte über jene Criminal-Vorfallenheiten, in welchen ihnen sowohl die Inquisition, als die peinliche Erkanntmuß zwar gebühret, jedoch allemal die obergerichtliche Bestättigung der solch-fälligen Urtheilen erforderlich ist. Belangend

§. 4. Die erstere Gattung, da wollen Wir in nachstehenden dem gesammten Staat vor all-anderen höchst gefährlichen Criminal Begebenheiten,
Erstlich: Dem Laster Unser beleidigten Majestät, und was dahin unmittelbar einschlaget als Rebellion, und öffentliche Aufruhr, Zusammenschwörung, Landesverrätherey, Landesfriedensbruch, und dergleichen. [Seite: 48] [Faksimile]
Andertens: In Sachen, welche Zusammenrottung böser Leute, oder gefährliche Winkelversammlungen betreffen, und überhaupt, wo der Landesfürst, oder das Land, oder ein Theil desselben Gefahr lauffen könnte. Denn
Drittens: Im Fall einer emigration, oder Landesflüchtigkeit, wenn nämlichen ein Theil von Gemeinden, oder mehrere Personen zusammen Rottweis aus dem Lande auszuwanderen, und fortzuziehen unternehmen, Uns selbst die Bestraffung vorbehalten haben. Es sollen demnach in derley dem gesammten Staat so nahe anliegenden Verbrechen all- und jede wie immer befreyte Hals- und Landgerichten verbunden seyn, einen so beschaffenen Vorfall nach Handvestmachung der Thätern, und aufgenommen-summarischen Verhör alsogleich, und ohne in der Inquisition weiters fürzuschreiten, an das Obergericht mit Beylegung der Anzeigungen, und der immittelst erhobenen Erkundigung einzuberichten. Das Obergericht hat sodann ganz unverlängt solchen Vorfall Uns zur Wissenschaft, und Unser etwan nöthig findenden Verfugung anzuzeigen, und sofort in solch-wichtigen Fällen ohne weitere Abwartung den ganzen Criminal-Proceß durch ihre hierzu abordnende Commissarien selbst abzufuhren, das Urtheil aber vor dessen Vollziehung samt allen Acten mittelst ihres gutächtlichen Berichts an Uns zu überreichen, und Unsere höchste Entschliessung hierüber abzuwarten. Wo jegleichwohlen, in Betreff der Inquisition den Obergerichten bevorstehet bey ein- oder anderen besonderen Umständen auch diese Proceße an dem Orte der begangenen Missethat, oder der Verhaftnehmung durch delegation abführen zu lassen, wenn nur hierzu recht tüchtige Criminalisten, auf welche man sich verlassen kann, benennet werden.

§. 5. Die anderte Gattung der ausgenommenen Malefizfällen bestehet in dem, daß die Halsgerichten nach Unser-gegenwärtigen Anordnung in einigen Verbrechen, und etwelchen besonderen Umständen mit der Inquisition, und der Urtheilfällung zwar fürzugehen befugt, jedoch (mit alleiniger Ausnahm der an seinen behörigen Orten vorkommenden Standrechtsfällen) sowohl die Bey- als Endurtheil vor deren Ankünd- und Vollstreckung an das Obergericht zur weiteren Erkanntnuß samt allen Acten zu übergeben schuldig seyen. Solch ausgenommene, und zur obergerichtlichen Bestättigung vorbehaltene Fälle sind nun folgende:

§ 6. In Betreff derjenigen Verbrechen, wodurch Unseren Polizeyordnungen oder Unseren Regalien und Landesgefällen zuwidergehandlet wird, und welcherwegen nach Innhalt Unser- anderweit-gesetzlichen Ausmessungen die Untersuchung, und Erkanntnuß aus Unserem höchsten Auftrag nur allein Unseren Polizey- und anderen eigends darzu benennt-oberen Gerichtsstellen unmittelbar zustehet, da verstehet sich von selbst, daß die nachgesetzte Halsgerichten, wenn dergleichen Verbrechere bey ihnen betretten, oder auf Veranlassung der höheren Behörde zur Inquisition dahin angewiesen werden, gleich nach geendeter Untersuchung die gesammte Inquisitions-Acten zur höheren Landesstelle, wohin die Sache gehörig, mittelst ihres Berichts zu überreichen, und von dortaus die weitere Verordnung, wie der Uebertretter mit der Bestraffung anzusehen seye, abzuwarten haben.

§ 7. In all-übrigen Fällen mögen die befreyte Hals- und Landgerichten erkennen, und die Urtheile vollziehen, und sind nicht schuldig, wenn sie es zu Erleichterung ihres Gewissens nicht selbst gern thun wollen, solche zur Bestättigung an das Obergericht zu übergeben; jedoch werden sie hiemit ernstlich vermahnet, daß sie hierinnen sicher, und gewahrsam gehen, und alles in reiffe, wohlerwogene Berathschlagung ziehen lassen sollen, auf Art, und Weise, wie in dieser Gerichtsordnung des mehreren ausgeführet ist.

Zweyundzwanzigster Artikel von dem Obergericht in peinlichen Sachen.

§. 1. Die Wichtigkeit der peinlichen Verhandlungen, worinnfalls es um Gut, und Blut der Menschen zu thun ist, erforderet jeglichen Landes ein wachsames Oberaufsehen, damit bey den nachgesetzten Halsgerichten keine unnütze Verzögerungen oder wohl gar widerrechtliche Fürgänge gestattet, sondern Unseren Anordnungen in allem unverbrüchig nachgelebet, somit das peinliche Richteramt getreu und gewissenhaft verwaltet, und eben andurch der [Seite: 50] [Faksimile] Gerechtigkeit eine baldige Genugthuung, dem Schuldigen die gebührende Straffe, dem Beleidigten die behörige Ersetzung, dem Unschuldigen aber die rechtliche Vertheidigung fördersam wiederfahren möge.

§. 2. Es ist für jedwedes Unserer Erblanden jene höhere Gerichtsstelle, zu welcher die Obeinsicht in peinlichen Sachen gehörig, nach der jederortigen Verfassung ehedem schon bestimmt. Wir wollen demnach eben diesen jederländigen Obergerichten solche aufsichtliche Obsorg durch gegenwärtiges Gesetz neuerdings aufgetragen, und als einen wesentlich Theil ihrer theueren Amtspflicht nachdrucksamst eingebunden haben. Die obergerichtliche Gewalt, die denenselben, wie bishero, so auch für das Künftige in Unserem Namen, und aus Unserem höchsten Auftrag zukommet, bestehet hauptsächlich in folgenden. Und zwar zuförderist

§. 3. Wenn bey den nachgesetzten Halsgerichten ein Anstand, und Zweifel in Malefizsachen vorfallet, oder dieselbe, weilen die Sache gar verwirret, und schwer ist, selbst zu sprechen sich nicht getrauen, solle die dießfällige Belernung nirgends anderst, als bey dem jederländigen Obergericht angesuchet werden.

§. 4. Würde sich ein gegründeter Verdacht hervorthun, daß bey einem nachgesetzten Gericht die wissentliche Thäter nicht zur Verhaft gebracht, oder ohne die gebührende Straffverhängung entlassen, oder die daselbst anhängige Malefizhandlung wider Gebühr verlängeret, oder auf ein- und andere Art widerrechtlich verfahren, oder sonst dieser Unser allgemeinen Gerichtsordnung freventlich zuwider gehandlet worden seye, so stehet dem Obergericht zu, und ist zugleich dessen Obliegenheit, wegen derley gesetzwidrigen Anmassungen verläßliche Erkundigung einzuziehen, den Gebrechen behörig abzuhelffen, und die Schuldtragende mit gemessener Ahndung anzusehen.

§. 5. Das Obergericht hat auch überhaupt die Macht, aus vorkommend-erheblichen Ursachen von den nachgesetzten Halsgerichten sowohl in während- als nach vollendeter Inquisition, auch nach bereits angekündetem Urtheil die bis dahin verhandlete Criminal-Acten abzuforderen, und erforderlichen Falls die Execution einzustellen, bey Befund eines widerrechtlichen Fürgangs entweder das Mangelhafte zu verbesseren, oder nach Gestalt der Sachen den ganzen Criminal-Proceß zu sich abzuruffen, oder durch ihre Mittelsräthe, oder andere eigends abordnende rechtsverständige Personen an dem Orte desselben Halsgerichts, oder bey einem anderen tauglich-befindenden Gerichtsstand den Proceß von neuem abführen zu lassen, und solchergestalten alles wiederum in den behörigen Rechtsgang einzuleiten, anbenebens allemal diejenige, denen solche widerrechtliche Fürgänge zu Last fallen, nach Maß ihres Verschuldens zu bestraffen.

§. 6. Es verstehet sich jedoch die neue Abführung der Malefizproceßen gemeiniglich nur von schweren Missethaten, wo dem gemeinen Wesen daran gelegen, daß große Unthaten genauest untersuchet, und zu erspieglenden Beyspiel mit gebührender Straffe beleget werden; allermassen in kleineren Verbrechen (wie oben Art. 11. § 10. vers. drittens etc. allschon erwehnet worden) vielmehr durch eine willkührige Bestraffung der Sache ein Ende zu machen, damit der Gefangene wegen fremder Fehler nicht längershin das Ungemach des Kerkers zu erdulden habe, und andurch doppelt gestraffet werde.

§. 7. Nebst dem sind alle Beschwerführungen, so in peinlichen Verhandlungen entweder wegen ungebührlicher Verlängerung der Inquisition, oder aus was immer für einer anderen gegründeten Ursache gegen die Untergerichten vorfallen mögen, unmittelbar bey dem Obergericht einzureichen, und von dortaus die Abhülffe zu verschaffen; ncht weniger sind alle nach der Urtheilfällung einbringende Recurs-Nehmungen eigends zu halten seye? wird am behörigen Orte des mehreren erkläret werden.

§. 8. Den Obergerichten ist auch obgelegen, die von den nachgesetzten Halsgerichten von Viertel zu Viertel Jahr einlauffende Malefiztabellen unvelängt genau zu durchgehen, und, Falls in Verführung der Proceßen ein Abgang, Saumsal, oder sonst ein widerrechtlicher Fürgang verspüret würde, zu dessen Verbesserung die schleunige Vorkehrung zu treffen, auch nach Gestalt der Sache wider die Schuldtragende mit denen in dem 18ten Artikel §. 17. ausgemessenen Straffen fürzugehen. [Seite: 51] [Faksimile]

§. 9. Das Obergericht solle sodann zu Ende jeden Jahrs über die von den Untergerichten einberichtete gesammte Criminal-Vorfallenheiten eine Haupttabell nach gleichfälliger Anleitung der in dem 18ten Artikel einkommenden Vorschrift verfassen, in derselben: wie denen dabey sich geäusserten Gebrechen abgeholffen worden? getreulich anmerken, anbey auch jene Malefizfälle, welche das Jahr hindurch bey dem Obergericht selbst verführet worden, beyfügen, und solche an Uns nacher Hof zu Unser Nachricht überreichen.

§ 10. Es ist bereits oben Art. 19 § 12. geordnet, daß die Halsgerichten, wenn bey selben eine Person, die zu einem befreyten Gerichtsstand gehörig, gefänglich einkäme, solchen Vorfall alsogleich bey dem Obergericht anzuzeigen, und von dortaus den weiteren Verhaltungsbefehl der Auslieferung halber zu gewärtigen haben. Wäre es nun solchen Falls um einen Uebelthäter zu thun, der eine fremde höhere Standesperson, und in dem Lande, wo er betretten worden, dem Herrn- oder Ritterstand nicht einverleibet wäre, weder eine andere persönliche Eigenschaft, Kraft dero selber zu einem anderweit-befreyten Gerichtsstand im Lande gehörete, auf sich truge, da wollen Wir zu Behebung des dieserwegen vorhin obgewalteten Anstandes hiemit geordnet haben, daß in Ansehen einer dergleichen fremdländigen, in einem Verbrechen verfangenen Standsperson sowohl die Inquisition, als die Aburtheilung allemal bey dem Obergericht vorgenommen werden solle.

§. 11. Die vorzügliche Gewalt, und Obereinsicht, welche obbemeldtermassen dem Obergericht jeglichen Erblandes in peinlichen Sachen aus Unser Landesfürstlichen Macht eingeraumet ist, verstehet sich nur in Ansehen der ihnen nachgesetzten Halsgerichtsobrigkeiten, keinerdings aber in Ansehen jener oberen Landesstellen, welche ihren unmittelbaren Abhang von Uns als Landesfurstin allein haben.

§. 12. Solche unmittelbare Hof- oder Länderstellen, denen vermög ertheilter Freyheiten, wohlhergebrachter Landesverfassung oder aus besonderen Landesfürstlichen Auftrag zugleich der Blutbann entweder über die ihrer Gerichtbarkeit untergebene Personen, oder über gewisse an sie eigends angewiesene Malefizverbrechen gebühret, können nach Maß ihrer Berechtigung in dergleichen peinlichen Vorfällen von selbst fürgehen, ohne daß die in Ländern angestellte Obergerichten ihnen hierinnfalls vorzugreiffen oder sonst zu Abbruch ihres Rechts sich einzumengen befugt seyen.

§. 13. Jedoch sind auch die unmittelbare mit dem Blutbann begabte Gerichtsstellen sowie überhaupt alle Blutgerichten (mit alleiniger Ausnahme der Militar-Gerichten, die nach Unseren Kriegsrechten fürzugehen haben) an die in dieser allgemeinen Gerichtsordnung vorgeschriebene Verfahrungsart, und die alldarinnen ausgemessene Straffverhängung gebunden.

§. 14. Da nun solch- unmittelbare Gerichtsstellen nur allein Uns, als ihren oberen Richter zu erkennen haben, so folget eben daraus, daß selbe, gleich denen in Unseren Erblanden angestellten Malefizobergerichten ihre Anfrage, Belernungen, Amtsbericht, zugelassene Recurs, und Gnadengesuch, oder sonst sich ergebende wichtige Vorfälle gerad bey Uns selbst einzubringen, und hierüber Unsere maßgebige Entschliessung einzuhohlen haben. [Seite: 52] [Faksimile]

Dreyundzwanzigster Artikel von den Gattungen der peinlichen Verfahrung.

§. 1. Ein Uebelthäter wird auf verschiedene Weise in gerichtliche Erfahrung gebracht, als nämlichen 1mò. durch die Kundbarkeit einer öffentlich verübten That. 2dò. Durch Jemandens denunciation, und gerichtliche Anzeige des begangenen Verbrechens; oder 3tiò. durch des Thäters seine eigene Angebung; oder endlichen 4tò. durch genugsamen Verdacht, Wahrzeichen, und Vermuthungen, weßhalben der Richter von Amtswegen die Hände einzuschlagen schuldig ist.

§. 2. Die rechtsübliche Verfahrung aber, mittelst welcher gegen berüchtigte Uebelthäter peinlicher Ordnung nach fürzugehen ist, wird hauptsächlich auf zweyerley Art, entweder durch eine förmliche Anklage, oder durch richterliche Nachforschung, somit durch den Accusations- oder Inquisitions-Proceß angestellet.

§. 3. Wann, und welchergestalten mit der ordentlich-peinlichen Anklage, oder dem Accusations-Proceß fürzugehen seye? wird in dem gleich folgenden Artikel die rechtliche Ausmessung beschehen.

§. 4. Es sind jedoch mit der peinlichen Anklage die Fiscalitets-Klagen nicht zu vermengen: immassen es in den letzteren gemeiniglich um Verwirkung ein- oder anderer verbotenen Sache, oder bloß um eine Geldbuß, oder sonst um eine ringere Straffverhängung zu thun ist, annebst derley Klagen bey Unseren eigends hierzu verordneten Gerichtsstellen lediglich in Gestalt eines Civil-Proceß pflegen abgeführet zu werden.

§. 5. Wobey aber gleichwohlen anzumerken, daß eben diesen Unseren oberen Gerichtsstellen, welchen Wir in denen wider die Polizeyordnungen, wider Unsere Regalien, und Landesgefälle vorkommenden Straff-Fällen die Untersuchung, und Erkanntnuß aus Unserem allerhöchsten Auftrag besonders eingeraumet haben, zugleich die Macht zustehe, und ihrem vernünftigen Gutbefund hiemit überlassen werde, über den jeweiligen Vorfall sogestalter Gesetzübertrettungen bewandten Umständen nach eine förmliche Inquisition anzustellen, und solche entweder im vollen Rath, oder durch einige aus ihrem Mittel abordnende Commissarien vorzunehmen, oder selbe einem tauglich-befindenden Halsgericht zu übertragen, und sich hierüber Bericht abstatten zu lassen, auch allenfalls, da die Schwere der Umständen es erheischete, einen ordentlichen Accusations-Proceß zu veranlassen, und dessen rechtsgehörige Verführung Unserem Kammer-Procuratori, oder weme es sonst von Amtswegen oblieget, aufzutragen.

§. 6. Ausser dem Fall einer peinlichen Anklage wird entgegen die Uebelthäter überhaupt allemal der Inquisitions-Proceß nach denen hierunten vorgeschrieben- allgemeinen Maßregeln vorgenommen. Zumalen aber gleichwohlen nach Verschiedenheit der Malefizvorfallenheiten die Inquisition jezuweilen auf eine etwas unterschiedene Art gesetzmäßig zu verführen ist, und eben hieraus etliche besondere Inquisitions-Gattungen entsprungen: als [Seite: 53] [Faksimile]
Erstlich: In dem Edictal-Proceß, wo entgegen abwesende, und flüchtige Missethäter durch öffentlichen Anschlag fürgegangen; oder
Andertens: In dem Purgations-Proceß, wo der Thäter aus erheblichen von ihme beygebrachten Entschuldigungsbehelffen zur schriftlichen Vertheidig- und Ausführung seiner Unschuld zugelassen; oder
Drittens: In dem Standrechtsproceß, wo in Ansehen gewisser besonders gefährlicher Missethäter zu allgemeinen Schrecken, stracks, und auf der Stelle verfahren, und die Straffe unverschieblich ohne alle Gnad vollstrecket wird; so wird auch von diesen Gattungen des Inquisitions-Proceß behörigen Orts, und zwar von dem ersten in dem 48ten, von dem anderten in dem 51ten, von dem dritten aber in dem 49ten Artikel absonderlich gehandelt werden.

Vierundzwanzigster Artikel von der peinlichen Anklage.

§. 1. Die peinliche Klage entstehet aus einem zweyfachen Anlaß: erstlich: da Unserem Kammer-Procuratori, oder Jemand anderen von seines aufhabenden Amtswegen wider einen Uebelthäter die peinliche Klage anzustrengen, von der hierzu berechtigten Gerichtsgehörde aufgetragen wird; oder andertens: da einiger Orten vermög daselbstiger Landesfreyheit entgegen gewisse Personen, wenn sie sich eines Verbrechens schuldig machen, durch öffentliche Anklage zu verfahren ist.

§. 2. Welchergestalten aber in solchen Accusations-Fällen die peinliche Klage einzuleiten, der Criminal-Proceß abzuführen, zu schliessen, und sofort rechtlicher Ordnung nach weiters fürzugehen seye? hierinnfalls ist sich nach dem Innhalt vorerwehnter Landesfreyheiten, und allenfalls nach der jeglichen Orts in Civil-Strittigkeiten üblichen Verfahrungsart zu achten.

§. 3. Es ist zwar ausser deren Eingangs gedachten zwey Fällen bisanhero auch einem jedwedem, deme es durch die Gesetze nicht ausdrücklich verboten war, frey gestanden, einen anderen in peinlichen Sachen vor dem gehörigen Halsgericht zu klagen, und wider selben einen ordentlichen Anklagsproceß zu erheben. Nachdeme aber aus der Erfahrenheit bekannt, daß derley Privat-Anklagen mehrentheils aus Rachgier, Zorn, Gähheit, oder boshafter Anlernung herrühren, und mit arglistigen Aussinnungen zu großem Ungemach des Angeschuldigten freventlich in die Länge hinausgezogen; oder im Gegenspiel, da auch die Anschuldung wahr, öftermalen nach der Hand durch heimliche Verständniß zu Aushülff des Thäters die wahrhafte der Sache Beschaffenheit verhüllet, oder wohl gar unter allerhand hervorgesuchten Vorwand von der angefangenen Klage wiederum abgestanden zu werden pflege, somit überhaupt von dieser Gattung der freywilligen Anklage keine ersprießliche Wirkung, [Seite: 54] [Faksimile] sondern vielmehr Unordnung, und Verlängerung zu gewarten stehet, als wollen Wir diesen willkührigen Anklagsproceß aus vorbemeldt- und mehrer- anderen erheblichen Bedenklichkeiten hiemit gänzlichen abgeschaffet haben.

§. 4. Es wird aber andurch der Weg zu Entdeckung begangener Lasterthaten keinerdings abgeschnitten: immassen Jedermänniglich, der eine beschehene Mißhandlung in Erfahrung bringet, die Freyheit hat, und nach Gestalt der Sachen (wovon im 28. Artikel von der Denunciation die nähere Ausmessung beschiehet) bey sonst auf sich ladender Verantwortung verbunden ist, eine vorgegangene Uebelthat mit allen ihme bewußten Umständen alsogleich bey der Gerichtsgehörde anzuzeigen und derselben alle habende Nachrichten, Anzeigungen, und Behelffe an die Hand zu geben. Wo sodann der Richter, wenn genugsame Innzüchten gegen den angegebenen Thäter vorkommen, seinen aufhabenden Pflichten gemäß Sorge zu tragen hat, entweder mit der Inquisition rechtlicher Ordnung nach von selbst fürzugehen, oder bewandten Umständen nach das weiter- nöthige vorzukehren, damit von jener Stelle, der es nach der Landesverfassung zustehet, der rechtliche Anklagungsproceß entgegen den Missethäter veranlasset werde. In all- dessen Anbetracht nicht zu mißkennen ist, daß die sich ergebende Malefizfälle viel förderlicher, Rechtsbeständiger, und gewissenhafter durch richterliche Amtshandlung, als durch willkührige Privat-Anklagen gerechtfertiget werden mögen.

§. 5. Uebrigens ist für eine allgemeine Regel zu halten, daß, gleichwie die rechtliche Anklage insoweit selbe obbemeldtermassen statt hat, durch den bereits angefangenen Inquisitions-Proceß nicht ausgeschlossen wird, also auch das richterliche Amt durch den Accusations-Proceß nicht aufhöre, sondern der Richter in allweg schuldig seye, dasjenige, was in dem Anklagsproceß zu Ueberweis- oder Entschuldigung des Angeklagten etwan abgängig befunden würde, zu vollständiger Erkundigung der That mit ihren Umständen von Amtswegen zu ersetzen, und nachzutragen.

Fünfundzwanzigster Artikel von dem Nachforschungs- oder Inquisitions-Proceß.

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§ 1. Der heutigen Tags gewöhnlichste Weg die Uebelthäter zu erfahren, ist die Inquisition, oder peinliche Nachforschung, welche nichts anderes ist, als eine von dem Hals- oder Blutgericht veranlaßte Erkundigung, um eine begangene Missethat oder auch die Gefahr besorglicher Unthaten, und die Uebelthäter in verläßliche Erfahrung zu bringen.

§. 2. Diese Nachforschung ist eine jedwede zum Blutbann berechtigte Obrigkeit auf eingekommene erhebliche Anzeigungen, obschon sonst kein Angeber oder Denunciant fürkäme, von Amtswegen darumen zu thun schuldig, damit die Frommen in Sicherheit, die Bösen in Furcht der Nachstellung, und Straffe erhalten, das Land auch von schädlichen Leuten gereiniget werde.

§. 3. Die solle nun nach Beschaffenheit der Sache generalissimè, generaliter, oder specialiter vorgenommen werden. Die generalissima, nämlich die allgemeine, oder vorsorgliche Nachforschung hat zu beschehen, wenn sich ein glaubwürdiger Ruff verbreitet, daß in dem Halsgerichtsgezirk, oder den nahe angelegenen Orten Strassenräuber. Zigeuner und dergleichen gefährliches Gesindel, von welchem Gefahr, und Unheil zu besorgen, und überhaupt solche schädliche Leute, die nach den Landsgesetzen nicht zu gedulden sind, rottweis, oder einzeln sich aufhalten, oder herumschwärmen. Welchergestalten nun solchen Falls von den Landgerichten die unverschiebliche Veranstaltung mit Benachricht- und Zuhülffruffung der benachbarten Obrigkeiten, dann mit eigener oder gemeinschaftlicher Durchstreiffung der verdächtigen Orten, und Schlupfwinkeln, auch allenfalls mit Zuziehung einer in der Nähe gelegenen Kriegsmannschaft zu treffen, und die betrettende Thäter in die nächste Landgerichter zur Inquisition einzuliefern seyen; diesfalls ist sich nach denen in Polizey- und Sicherheitssachen ergangenen Generalien zu halten und denenselben genauest nachzuleben.

§. 4. Die General-Inquisition, oder gemeine, und vorbereitliche Nachforschung beschiehet, wenn man entweder von der fürgegangen seyn sollenden bösen That nicht vollkommen vergewisset ist, oder wenn zwar die verübte Uebelthat ihre Richtigkeit hat, jedoch annoch keine Anzeige, und gegründeter Verdacht auf eine gewisse Person vorhanden ist.

§. 5. Um also auf einen genugsamen Grund zu kommen, ob die That also, wie sie angegeben wird, geschehen? und wer der Thäter seye? so solle das Halsgericht vorhero eine General-Nachforschung anstellen, das ist: dem gemeinen Ruffe, oder Angebung, daß diese, oder jene Unthat begangen worden, gründlich nachforschen, und die rechte Wahrheit erheben: ob einige, und was für unfehlbare Zeichen davon hinterblieben, und vorhanden sind? dann wider wen ein wohl gegründeter Argwohn könne gefasset werden? wobey das nachforschende Gericht zuvörderst dahin fürzudenken hat: ob nicht ein- oder mehrere Personen zu erfragen seyen, welche etwas von der That, von den Umständen und dem Thäter wissen.

§. 6. Finden sich dergleichen, so solle das Gericht, Falls solche Personen ihnen zugleich als Grundobrigkeit unterworffen, dieselbe fürfordern, widrigenfalls durch gewöhnliche Ersuchschreiben ihre Stellung anbegehren, oder, da sie über zwey Meil Wegs entlegen, oder wegen Erscheinung bey einem fremden Gerichtsstand besonders befreyet wären, oder gar ausser Lande sich befänden, um ihre Abhörung über die beyschliessende Fragstücke das behörige Ansuchen machen.

§. 7. Wenn sie erscheinen, solle er sie nur ohne Eyd über dasjenige, so vorkommen ist, verhören. Die Fragstücke, so denen erscheinenden vorzuhalten, oder in Ansehen der Abwesenden den Compass-Briefen beyzuschliessen sind, können beyläuffig folgender Gestalten gestellet werden.
Wie er heisse? wessen Religion, und wie alt er seye? ob er von der That eine Wissenschaft habe? woher, und welchergestalten er solche überkommen? wie sich die That eigentlich zugetragen? wer seines Wissens, und seiner Meynung nach, und aus was Ursachen wohl der Thäter seyn möge? ob er den von ihme etwan benamsten Thäter und woher angehe? ob ihm nicht andere Leute bekannt sind, welche von dieser That, oder [Seite: 56] [Faksimile] dem Thäter genauere Wissenschaft haben? wo sich diese Leute aufhalten? wie man solches von ihnen erfahren könne? und was ihm sonst zur nöthigen Wissenschaft des Gerichts bekannt seye?

§. 8. Wobey zu merken, daß, woferne diese erstbesagtermassen verhörte Leute sich auf andere berufen würden, das Gericht auch solche neuerdings namhaft gemachte vorruffe, und eben also, gleichwie die erstere, umständlich examinire nach dem Verhör aber ihnen scharff einbinde, von dem, über was sie also gefraget worden, Niemanden unter Vermeidung einer willkührlichen, und nach Bewandniß der Sachen wohlempfindlichen Straffe ichtwas zu melden, damit der Thäter nicht vor der Zeit hievon einige Nachricht erhalten, und hernach zu Vereitlung der gebührenden Bestraffung sich auf flüchtigen Fuß setzen möge. Ja

§. 9. Wenn die Zeugen bey Gericht etwann nicht recht deutlich, oder alles, was sie wissen, aussagen wollten, so sind dieselbe von Gewissens, und gemeinen Bestens wegen die unverfälschte Wahrheit nebst den Ursachen der Wissenschaft treulich zu entdecken, erstlich auf jeden Punkt insonderheit durch die Gerichtspersonen zu erinnern; und endlichen, wenn es das Gericht vor gut befände, auch damal bey diesem summarischen Examine die Zeugen vor wirklicher Befragung mit dem gemeinen Zeugeneyd zu belegen, sodann aber mit Erinnerung, daß sie nichts von dem, was ihnen wissend ist, verschweigen, sondern vermög des abgelegten Eydes die Wahrheit aussagen wollen, über die vorbemeldte Fragstucke zu examiniren, und, nachdem sie ihre Aussage vollendet, wie oben schon berühret, zum Stillschweigen, und Geheimhaltung desjenigen, was sie ausgesaget, zu verbinden.

§. 10. Kommet nun aus solcher gemeinen Nachforschung, und aus dem Zeugenverhör die Wahrheit der Unthat, das Ort, Zeit, und hinterbliebene leibliche Zeichen heraus, so ist zuvörderst die Wirklichkeit der That, samt ihren Umständen, oder das sogenannte corpus delicti rechtsbeständig zu erheben, auf Art, und Weise, wie hievon in dem nächstfolgenden Artikel die nähere Ausmessung beschehen wird. Wo sich jedoch von selbst verstehet, daß, wenn von der begangenen That gleich anfangs genügliche Nachricht vorhanden ist, es diesfalls keiner General-Inquisition bedürffe, sondern ohne weiteren Umweg alsogleich die Erhebung des corporis delicti, das ist: die genaue Ausforsch- und Beaugenscheinigung der That mit all- ihren Umständen zu veranlassen seye.

§. 11. Da sofort auch gegründete Anzeigungen wider eine gewisse Person als vermtuhlichen Thäter aus vorgedacht- gemeiner Nachforschung, oder in anderweg sich hervorthäten, so kann das Gericht mit gutem Fug, und Recht zur special, oder sonderheitlichen Inquisition, auch wohl zur gefänglichen Verhaftung fürschreiten.

§. 12. Demnach aber, wie erstgemeldt, genugsame Anzeigungen hierzu erforderet werden, damit nicht etwan ein Ehrlich- und Unschuldiger in eine Inquisition, und zur Verhaft gezogen, und hierdurch seine Ehre angegriffen werde; als haben Wir die rechtliche Anzeigungen, welche erstlich: zur Inquisition, andertens: zur Gefängniß, dann drittens: zur peinlichen Frage hinlänglich, und erheblich sind, und zwar sowohl diejenige, so insgemein in Ansehen aller Verbrechen statt finden mögen, in den 27. 29. und 38ten Artikeln ausgeworffen, als auch ferners diejenige, welche einem jeglichen Verbrechen besonders eigen sind, in dem anderten Theile bey jedwederer Malefizthat beygesetzet.

§. 13. Es ist jedoch vor Anstellung der special, oder sonderheitlichen Inquisition allemal wohl zu beobachten, in was Stand, Würde, Ansehen, und Leumuth die berüchtigte Person stehe?

§. 14. Dann wäre die einer Uebelthat halber beschreyte Person ein Landlauffer, Faulenzer, oder in anderweg schlechte, und dergleichen Person, welche sonst keinen guten Namen hätte, insonderheit diejenige, so schon etwann einmals, oder öfters vorhero wegen derley Missethaten beschuldiget, oder dessenthalben gestraffet worden, und mit einem Worte, zu der man sich einer solchen That wohl versehen mag, so brauchet es keiner so genauen, und unfehlbaren Vorerhebung des corporis delicti, und ist ebenfalls nicht nöthig, zuvor so gar grosse Anzeigungen zur Special-Inquisition zu haben, sondern wenn nur ein wohlgegründeter Ruff, und etwelche [Seite: 57] [Faksimile] wahrscheinliche Anzeigungen vorhanden sind, so kann man den Berüchtigten gar wohl ohne weiteren Aufenthalt zur Special-Inquisition, und gestalten Sachen nach in Verhaft ziehen.

§. 15. Ist aber der Berüchtigte eine sonst ehrliche, wohlverhaltene, adeliche, oder in Burgerstand angesessene, oder in einer Würde stehende Person, dergleichen sollen ohne möglichste Vorerhebung des corporis delicti, und ohne genugsam- und redliche Anzeigungen nicht zur Special-Inquisition, minder in gefänglichen Verhaft gezogen werden. Da jedoch ein ziemlicher zur Special-Inquisition nicht zulänglicher Verdacht gegen ein- oder ander sonst ehrliche Leute fürwaltete, solle gleichwohlen von dem Gericht auch nach abgebrochener General-Nachforschung auf der einigermassen verdächtigen Personen Thun, und Lassen in der Geheim ein gutes Aufmerken, und obsichtiges Auge getragen werden.

Sechsundzwanzigster Artikel von Erkundigung, ob die That wirklich geschehen ? oder dem corpore delicti.

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§. 1. Durch das corpus delicti verstehet sich der Beweis, und Anzeige einer begangenen Missethat. Dasselbe wird entweder formale, oder materiale benamset: durch das erstere wird im rechtlichen Verstand die Gewißheit, oder Wirklichkeit der beschehenen Missethat; durch das letztere aber solche Wahrzeichen, Werkzeuge und Nebenumstände bedeutet, woraus sich auf die wirklich beschehene That wahrscheinlich schliessen läßt.

§. 2. Die Erhebung des corporis delicti ist demnach nichts anderes als eine ordentlich- gerichtliche Untersuchung der geschehenen Missethat. Und ist dieselbe in allen Malefizvorfallenheiten um so nothwendiger, als vor Erfindung, und Gewißheit der That insgemein weder zur Special-Inquisition, vielweniger aber zu der Verurtheilung selbst geschritten werden kann.

§. 3. Nachdeme nun das corpus delicti die Grundveste zu aller peinlichen Verfahrung zu legen hat, somit vor allem zu wissen nöthig ist, ob sich die That angezeigtermassen zugetragen habe? als solle ein jedes Blutgericht, in dessen Gezirk ein- oder mehrere Thaten beschehen, alsobald, und ehe selbes zur weiteren Erkundigung schreitet, ungeachtet der Thäter sich selbst angäbe, und alles freywillig bekennete, doch gleichwohlen in corpus delicti inquiriren, das ist: gewisse Nachricht einziehen, ob sich die That in der Wahrheit also befinde ? nämlich, ob dieser oder jener um eine solche Zeit, selbiger Orten, und auf was Weise seye ermordet worden ? ob Jemand dergleichen Viehe, Geld und anderes verloren habe ? und so fort.

§. 4. Oder wenn die That ausser Land, oder ausser des Halsgerichts beschehen, solle der Obrigkeit selbigen Orts ungesaumt zugeschrieben, und sich bey selber um die That mit ihren Umständen wohl erkundiget werden.

§. 5. Da aber die Verbrechen ungleich geartet, und eben der Unterscheid ihrer ungleichen Eigenschaft mit sich bringet, daß das corpus delicti nicht auf einerley Art und Weise in allen Verbrechen erhoben werden möge; als haben die Halsgerichten hauptsächlich in Acht zu nehmen: ob es solche Verbrechen seyen, die nach der Verübung leibliche, und vor Augen liegende Merkzeichen nach sich lassen, als Todschlag, Mordbrennerey, Diebstahl etc. oder solche, wo nach der Verübung keine leibliche, und sichtbare Kennzeichen zuruckbleiben, als Gotteslästerung, Blutschand, Ketzerey etc.

§. 6. Im ersteren Falle, wo sichtbare Merkmahle zuruckgelassen worden, ist dem Halsgericht obgelegen, hierüber ungesaumt die Beschau oder Besichtigung zu veranlassen, und solchemnach die geschworne Gerichtspersonen an Ort, und Ende mit dem Auftrag abzuordnen, daß selbe das vorfindige Merkmahl, Körper, Werkzeug etc. in Augenschein zu nehmen, hiebey alle Umstände, und Beschaffenheit genau auszuforschen, und den Befund in ihrem hierüber führenden Protocoll behörig aufzuzeichnen beflissen seyn sollen.

§. 7. Wären aber etwann die leibliche Zeichen verlohren, vertuscht, vertilget, und könnte also der Augenschein von dem Gericht hierüber nicht mehr eingenommen werden, so ist genug, über das vorhanden geweste Merkmahl, und Wahrzeichen zweyer, und, wofern auch die nicht zu haben wären, nur eines untadelhaft- wohlwissenden, und eydlich verhörten Zeugens umständlich gethane Aussage zu erheben, und sich derselben anstatt des corporis delicti zu Vornehm- oder Fortsetzung der Special-Inquisition zu bedienen.

§. 8. In dem anderten Falle, wo das begangene Laster kein so gewisses leibliches Zeichen nach sich läßt, wird eine mehrere Wissenschaft der vorgeloffenen Uebelthat nicht erforderet, als Muthmassungen, Innzüchten, und redliche Anzeigungen, Kraft deren ein verständig- ehrlicher Mann einen vernünftigen Schluß machen kann, daß es in Sachen nicht recht zugegangen seye. Da nun dergleichen heimliche Laster gemeiniglich entweder durch beederseitige Bekanntniß, oder durch Zeugen von eigenen [Seite: 59] [Faksimile] Sehen, oder Hören, oder durch andere wahrscheinliche Umstände erforschet werden, so ist auch das Gericht verbunden, die dießfalls vorkommende Anzeigungen, schriftliche Urkunden oder Bekanntniß rechtlich zu erheben, und die Zeugen, da einige vorhanden, gebührend abzuhören.

§. 9. Damit aber die Halsgerichten einen deutlichen Begriff überkommen, welchergestalten mit Erhebung des corporis delicti bewandten Umständen nach fürzugehen, und andurch die begangene Uebelthat mit ihren Umständen rechtlich ausfindig zu machen seye, so werden hinnachfolgendermassen Beyspiele von öfters vorkommenden Missethaten, und zwar zuerst von jenen, welche sichtbare Zeichen nach sich lassen, sodann von jenen, wo keine solche Merkmahle zuruckbleiben, angeführet, anbey die Anleitung gegeben, wie sich hierinnfalls zu verhalten seye?

§. 10. Im Fall eines Todschlages, welcher nicht allein den Körper, sondern auch die Werkzeuge pro corpore delicti nach sich lasset, da liegt dem Halsgericht vor allem ob: die erforderliche Gerichtspersonen nebst dem Gerichts- oder Amtsschreiber mit Zuziehung zweyer Leib- oder eines Leib- und eines Wundarzten, oder auch zweyer Wundärzten / wie selbe am füglichsten zu haben sind, oder im Abgang zweyer, wenigstens eines erfahrnen Wundarzten, oder Baaders an den Ort, wo der Verwundete, oder Entseelte sich befindet, abzusenden. Wo sodann der Beschädigt- oder Ertödtete besichtiget, die Wunden, Schläge, oder Schäden erkundiget, und, Falls der Verwundete schon todt, der Körper eröffnet, alsdann der Ort der Wunden, derselben Tieffe, Weite, item die Beschaffenheit des Schlags, und andere Zeichen etc. beschrieben, und damit alle Eigennützigkeit, und Vermäntlung hierunter desto mehr vermieden bleibe, von den anwesenden Gerichtspersonen auf alles genaue Obsicht getragen, und was dabey vorgekommen, in dem Protocoll getreulich verzeichnet, sofort von den beygezogenen Leib- oder Wundärzten, und Baadern ein umständlicher, von ihnen unterfertigt- schriftlicher Besichtigungsbefund mit beygefügten Erachten: ob, und aus was für Ursachen die Wunde unfehlbar tödtlich, oder nicht seye? abgefordert, und solchergestalt die Beschädigungs- oder Todenbeschau von Halsgerichtswegen verläßlich vorgekehret; allenfalls aber, da die Wundärzte wegen der Tödtlichkeit der Wunde in ihrer Meinung nicht übereinkämen, oder ihr Erachten undeutlich, oder sonst einer Bedenklichkeit unterworffen wäre, die medicinische Facultet hierüber gutächtlich vernommen werden solle.

§. 11. Es ist ferners bey Vornehmung einer Toden- oder Verwundungsbeschau zu beobachten, mit was der Todschlag, oder Verwundung beschehen ? ist es ein Geschoß, so sollen die Gerichtspersonen über das, was oben gesagt, nicht allein die Weite, oder Entfernung des Schusses, sondern auch die Beschaffenheit des Geschoßes vermerken. Wäre das Instrument ein Degen, Dolch, Messer, Gabel, oder etwas anderes, so mit der Wunde verglichen werden kann, so ist zu prüffen, ob es eben dieses Instrument seye, mit welchem die Wunde beschehen? alsdann der Befund ebenfalls zu bemerken. Wäre endlich das Instrument ein Stein, Knittel, Stock, Holz, Stecken, Stuck-Eisen etc. so solle man auch dieses mit der Beschaffenheit der Wunde entgegen halten. Da aber etwann das Instrument, mit welchem die That geschehen, nicht vorhanden wäre, und ein Zweifel vorfiele, ob selbes zu tödten fähig gewesen ? und es fänden sich doch untadelhafte Zeugen, die solches eydlich in solcher, und solcher Gestalt beschrieben, so ist ein ungefähr gleichförmiges nachzumachen, und, falls die Zeugen darüber, daß es nämlich eben so gestaltet seye, wie das wahre Instrument gewesen, schwöreten, so ist demselben anstatt des abgängigen wahren Instruments aller Glauben beyzulegen.

§. 12. In gewaltthätigen Entleibungsfällen ist nebsthin anzumerken, daß Erstlich: In offenbaren, und augenscheinlichen Thaten, wo die Gewißheit der Missethat ohnedem am hellen Tage liegt, die Besichtigung, oder visum repertum zwar nicht unumgänglich nöthig, jedoch wegen der dabey unterlauffen mögenden verschiedenen Umständen gleichwohlen nicht so leicht ausser Acht zu lassen seye; desgleichen
Andertens: Wenn Jemand heimlicher Weise umgebracht, und in das Wasser geworffen, oder der Körper verbrennet, oder in andere Wege gänzlich vernichtet, und andurch die Einnehmung des Augenscheins unmöglich gemacht worden, so ist es [Seite: 60] [Faksimile] pro corpore delicti genug, daß die Person abgängig, und der berüchtigte Thäter mit starken Innzüchten beschweret seye. Welches auch
Drittens: Bey beruffenen Mördern zu beobachten kommet, sonderbar da sich schon ein- oder andere Mordthat wirklich auf sie bezeiget hat. Dieweilen man auch endlich
Viertens: Oefters eine tode Person findet, ohne zu wissen, ob sie sich selbst entleibet oder von anderen entleibet worden, oder von ungefähr um das Leben gekommen seye, so solle die Beschau, oder visum repertum, zumalen wenn sich Zeichen eines gewaltsamen Todes dabey spüren lassen, vorgenommen, und, im Fall die Person nicht bekannt ist, etliche Täge auf dem Gottsacker, oder anderen öffentlich- gangbaren Ort ausgesetzet, sohin sich über alle bedenkliche Umstände, sonderbar jene, in welchen sich die todt gefundene Person kurz vorhero befunden haben mag, wohl erkundiget werden.

§. 13. Wenn Jemand durch Gift umgekommen, oder beschädiget worden, sollen die Gerichtspersonen, und Aerzte in Ausfindigmachung der That sonderheitlich auf die Giftzeichen, ob der Tode aufgeschwollen, blau, oder sonst angegriffen etc. Acht haben, nicht minder solle sich auch erkundiget, und ausgeforschet werden: über was sich der Entleibte beklagt, ob er sich gebrochen? was, oder wem er die Schuld seines Todes beygemessen? wie er sich vor dem Tod gebärdet, und was für Zeichen er von der innerlich- oder äusserlichen Vergiftung habe spüren lassen? wo, wann, wieviel Gift gefunden, und auf was Art ihme beygebracht worden? dann von was Stärke, und Beschaffenheit das Gift gewesen? über all- dieses sind die hievon Wissenschaft habende Zeugen zu verhören, auch von dem gefundenen Gift (Falls es unbekannt) zur Probe einem unvernünftig- unnützen Thiere, als Hund, oder Katzen, etwas einzugeben, dessen Wirkung anzumerken, und sodann das übrige bey den Inquisitions-Acten aufzubehalten.

§. 14. In Kindsmord ist neben obbemeldten Umständen bey dem toden Kinde wohl in Acht zu nehmen: ob es zeitig, und in natürlicher Vollkommenheit mit Nägeln an Händ- und Füssen, Haarlein auf dem Kopfe, und sonst in gebührender Gestalt auf die Welt gekommen? ob es gewaltthätige Zeichen, besonders auf der Brust, Hals, und Kopf habe? wie die Nabelschnur versehen, ob selbe gebunden, abgeschnitten, oder abgerissen seye? etc. wäre aber das tode Körperl nicht vorhanden, oder die genugsam berüchtigte Person wollte es nicht für ihre Geburt erkennen, so solle das Gericht das verdächtige Weibsbild durch wenigstens 2. beeydigte, ehrliche, und wohlverständige Hebammen, oder Matronen, an heimlichen Leibesstellen besichtigen lassen: ob nicht etwan an der Inquisitin unfehlbare Geburtszeichen, und solche Anmerkungen gefunden werden, welche sie einer unlängst vorgegangenen Geburt unfehlbar überweisen.

§. 15. Uebrigens sind in Entleibungsfällen, wo zu verläßlicher Erforschung der That mit ihren Umständen es hauptsächlich auf den Augenschein anzukommen hat, auch nachfolgende Maßregen wohl zu merken. Es sollen nämlich

§. 16. Die zu den Beschauen gebrauchende Aerzte, auf deren Gutachten bey der peinlichen Erkanntmuß an meisten gesehen wird, allemal wohlverständig, und zu den Criminal-Sachen beeydet seyn; also zwar, daß, wenn sie nicht vorhin zu derley peinlichen Verrichtungen schon überhaupt bey der Behörde beeydet worden, dieselbe in jeglichen solchen Actu bey dem Halsgericht, oder bey der abgeordneten Commission mit einem leiblichen Eyd: wienach sie die ihnen aufgetragene Verrichtung nach ihrem besten Wissen, und Gewissen getreulich, und ohne Gefährde vornehmen wollen, und sollen: eigends zu belegen seyen. Anbey wird denenselben

§. 17. Anbefohlen, daß sie in Betreff deren bey einem Todschlag, Vergiftung, oder Kindermord vorzunehmen habenden Besichtigungen der durch Unser gegenwärtiges Gesetz zu einer allgemeinen Richtschnur vorschreibenden, und zu Ende dieser Halsgerichtsordnung sub No. 2do. beygebogenen Instruction sich genauest nachzuachten haben. Ueberhaupt aber wollen Wir

§. 18. Sowohl den vorbemeldten bey einer Besichtigung gebrauchenden Aerzten, als auch sonderheitlich den medicinischen Faculteten ernstgemessen bey ansonst [Seite: 61] [Faksimile] sich zuziehend- empfindlicher Ahndung eingebunden haben, daß sie in allen Criminal-Fällen, wo Unsere Landesstellen ein Gutachten von ihnen anverlangen, jederzeit nach vorherig- reiffer der Sache Ueberlegung ihre Meynung mit Anführung ihrer Bewegursachen klar, wohlgegründet, und getreulich ohne Gebrauchung dunkler, oder zweifelhafter Ausdruckungen, und mit gänzlicher Abseitigung einiger irrigen, und übel verstandenen Gewissenszärtlichkeit, und ohne sich darum zu bekümmeren, mit was für einer Straffe der Inquisit angesehen werden würde, abgeben; und Falls sie über die nämliche Criminal-Vorfallenheit zweymal befraget würden, ihre vorige Meinung, und abgegebenes Erachten niemals änderen sollen, ohne zugleich wohlgegründete Ursachen dieser Abänderung, und Abweichung von dem vorigen Befund beyzufügen. Ferners wollen Wir

§. 19. Zu Behinderung vieler Weiterungen hiemit allgemein geordnet haben, daß Niemand bey sonst auf sich ladend- schwerer Verantwortung einen Körper, der plötzlich Todes verblichen, oder bey deme eine gewaltthätige Entleibung verspüret wird, oder auch dießfalls nur ein Verdacht beobachtet würde, begraben lassen solle, ehe, und bevor nicht bey dem Halsgericht auf vorhero daselbst beschehene Anzeige der Augenschein, oder visum repertum hierüber eingenommen, und von demselben sodann der Erlaubnißzettel zur vornehmenden Begräbniß ertheilet worden. Da aber der Körper von dem Halsgericht gar weit entfernet wäre, und mit desselben Erliegenlassung nach Gestalt der Sachen nicht länger angestanden werden möchte, kann solche Anzeige bey der Grundobrigkeit beschehen, von ihr die Beschau vorgenommen, sodann die Begräbniß verwilliget werden; jedoch ist letztere schuldig jenen Falls, wo sich verdächtige Umstände hervorthun, den Beschaubefund nebst übrigen Anzeigungen sogleich dem Halsgericht zur weiteren Vorkehrung einzusenden.

§. 20. Wäre es hingegen nach Ermessen des peinlichen Richters um Besichtigung eines bereits begrabenen toden Körpers zu thun solle derselbe zu Einnehmung des Augenscheins, wenn es anderst nicht schon zulang angestanden, und der Körper nicht etwann schon vermodert ist, wiederum ausgegraben; und da solcher in einem geweihten Erdreich beygeleget worden, auch daselbst auf vorläuffige Erinnerung des Pfarrers, oder anderweit- geistlichen Vorstehers ohne gestattende Jemandens Widerrede erhoben, ausser des Freythofs beschauet sodann in seiner Grabstatt wiederum beerdiget werden.

§. 21. Bey Münzverfälschungen sollen die vorgefundene falsche Münzen in unseren Münzämtern oder durch einen Münzwardein, und Landprobierer geprüffet, und von selben die Auskunft, oder Anzeige hierüber eydlich, oder unter ihrem bereits aufhabenden Amtseyd abgeforderet, auch die wirklich beschehene Ausgebung der falschen Münze von den beschädigten Personen eydlich erhoben, annebst die gefundene Werkzeuge, Tigel, Gepräg, Stempel, Geld etc. den Untersuchungs-Acten beygefüget werden.

§. 22. Wäre aber das begangene Laster ein Diebstahl, Rauberey, gewaltthätiger Einbruch, oder sonst ein zugefügter Schaden, so wird in derley Fällen das corpus delicti durch eydliche Aussage derjenigen, welche beraubt, und bestohlen worden, oder sonst gute Wissenschaft davon haben, erhoben und ist nicht nöthig, deßwegen ad locum selbst zu gehen und denselben zu beaugenscheinigen; ausser wo die That noch ganz frisch, der Ort nahe an der Hand, und die Sache so beschaffen, daß die Grösse der verübten Gewaltthat, und die Gefährlichkeit des Diebstahls leichter daraus zu erkennen seyn mag. Im Fall auch die Rauber, und Diebe von ihren Diebsinstrumenten, Gewöhr, und Waffen, oder anderen ihren Sachen am Ort des Verbrechens etwas zuruckgelassen, solle solches zu obrigkeitlichen Handen gebracht, besichtiget und beschrieben werden, damit, wenn der Dieb solche Dinge für sein eigen erkennet, man von der Wahrheit seiner Bekanntniß nur desto mehr versicheret seye. Würde allenfalls bey dem Verdächtigen das gestohlene Gut, falsche Schlüsseln, Hammer, Brechzangen, und dergleichen zum Einbrechen gerichter Werkzeuge gefunden, ohne daß er beweisen könnte, die bey ihm gefundene Sachen rechtmässig an sich gebracht zu haben; nicht minder [Seite: 62] [Faksimile]

§. 23. In dem Verbrechen eines begangenen Falsch, oder Verfälschung, wenn bey dem Berüchtigten falsche Siegel, Brief, Waag, Gewicht, und dergleichen vorgefunden, und daß er sich deren gebrauchet, erweislich gemacht würde, so sollen dergleichen gefundene Instrumenten, und Sachen für das corpus delicti aufgenommen, und den Inquisitions-Acten beygeleget werden.

§. 24. Wornächst allzeit derjenige, dem der Schaden geschehen, selbst, oder an statt seiner andere wohlverhaltene, und von dem Schaden gute Wissenschaft habende Personen die nöthige Auskunft zu geben, und hierüber die erforderlich- gerichtliche Aussage abzulegen schuldig, anbey solch zugefügten Schaden, dessen Werth, und die Art, und Weise der beschehenen Schadenszufügung beschwören müßen. Von welcher Justiz-mäßigen Aussage, und eydlichen Schadensbetheuerung, im Fall des ansonst abgängigen Beweises insgemein Niemand befreyet seyn, sondern Jedermänniglich mit gemessenen Zwangsmitteln darzu, auch zu Ersetzung der etwann durch seine Verweigerung verursachten Gerichts- und Aezungsunkosten verhalten, und bewandten Umständen nach solche Justiz-behinderliche Widersetzlichkeit Uns zur fernerweit- gerechten Ahndung einberichtet werden solle. Würde solchen Falls in Ermanglung anderweiter Kundschaft der weltliche Richter bemüßiget seyn, die Gewißheit, auch die Umstände einer That, die Anzahl und Beschaffenheit der Jemanden weggekommenen Geräthschaften, und anderer Sachen, oder den eigentlichen Betrag des beschehenen Schadens von geistlichen Personen einzuhohlen; da wollen Wir Uns allerdings gnädigst versehen, daß solchen Falls, wo es auf Ausrottung der Laster, und auf Beförderung allgemeiner Wohlfahrt ankommet, die Geistlichkeit (ohne auf die Ursache, und Erfolg: ob, und um was für eine Bestraffung es etwan zu thun seyn dürffte ? andringlich nachzuforschen) der weltlichen Obrigkeit auf ihr Ersuchen zu förderlicher Erfindung der Wahrheit all- hülffliche Hand zu leisten; die anverlangte Auskunften oder Zeugniß mit freystehender Beyruckung ihrer Verwahrung entgegen eine Blut- oder Lebensstraffe unter ihrem priesterlichen Trauen, und Glauben unvermäntelt schriftlich abzugeben; die geistliche Gerichten auch ihres Ort nach Erforderniß solche geistliche Urkunden unter priesterlichen Glauben bestättigen zu lassen, auch allenfalls auf beschehenes Ansuchen von den geistlichen Personen bey ihrer Behörde über die einsendende Fragstücke derenselben sogestalte Aussage abzunehmen, nicht entstehen werden.

§. 25. Der Eyd welchen weltliche Personen abzulegen haben, gehet wesentlichen Innhalts dahin: daß mir N. oder (da ein dritter beschädiget worden) dem N. am Tag N. um ungefähr die Stund N. dieses N. Jahrs, auf solch- und solche Weise mit Erbrechung, Gewalt, List etc. auf dem Weg, und freyer Strassen, oder auf einem befreyten Orte etc. dieses N. Leid oder Schaden geschehen, diese Sachen gestohlen, geraubet, entnommen, oder verderbet worden etc. welchen Schaden ich nach meinem guten Gewissen und vermög dieses Eydes auf eine Summ pr. N. schätze: so wahr etc. übrigens verstehet sich von selbst, daß ein Jud, oder auch ein anderer, welcher der catholischen Religion nicht zugethan, den Eyd auf Art, und Weise, wie es jeglichen Landes mit solchen Glaubensgenossen herkommlich ist, abzulegen habe. Wie sich dann auch von selbst verstehet, daß geistliche Personen, welche anstatt des körperlichen Eydes ihre schriftliche Kundschaften, oder gerichtliche Aussagen allemal unter priesterlichen Trauen, und Glauben zu bestättigen haben, all-dasjenige, was in erstbemeldter Eydes-Formul enthalten, und sonst zu Ausfindung der That mit ihren Umständen zu erheben kommet, und ihnen wissend ist, getreulich, und ohne allen Ruckhalt der Wahrheit zu Steuer an Tag zu geben schuldig seyen.

§. 26. Solche Aussage, und Eyd ist insgemein bey dem Halsgericht, wo die Criminal-Handlung verführet wird, da aber die Kundschaftspersonen einem anderen Gericht unterworffen wären, bey derenselben Gerichtsgehörde abzunehmen. Und da etwann die abzuhören kommend- und zu schwören habende Personen unpäßlich wären, oder eine andere rechtserhebliche Ursach hätten, nicht vor Gericht erscheinen zu können, so solle das Gericht 2. Personen samt dem Gerichts- oder Amtsschreiber [Seite: 63] [Faksimile] zu ihnen abordnen, und die erforderliche beeydigte Aussage von ihnen abnehmen lassen.

§. 27. Nachdem es also mit der eydlichen Bestättigung des zugefügten Schadens seine Richtigkeit hat, so ist über dieß des Gerichts Schuldigkeit, in diesen, und allen anderen Begebenheiten, wo etwas zu Instruirung der Inquisition dien- oder erforderliches in Augenschein zu nehmen, die behörige Gerichtspersonen zu der dießfälligen Besichtigung, oder Schätzung des Schadens abzuschicken. Damit aber solche Beaugenscheinigung desto gründlicher vollzogen werde, so solle das Gericht denen Abgeordneten allzeit dergleichen Personen, so vermög ihrer Profession der Sache, und des Werths gestalten Dingen nach kündig sind, mitgeben; welche kunst- und werkverständige Leute, wenn sie ehebevor schon ihrer Profession halber bey Gericht beeydet sind, nicht nöthig haben, einen Eyd abzulegen, sondern genug ist, daß sie den Befund unter ihrem aufhabenden Eyd bestättigen. Wofern man aber die nicht haben könnte, so sind die Abgeschickte schuldig, ihren eingehohlten Befund, Schätz- oder Besichtigung mit einem körperlichen Eyd zu bekräftigen.

§. 28. Wo anbey den Halsgerichten hiemit überhaupt eingebunden wird, daß selbe nicht allein alle zu Instruirung der Inquisition gehörige Kundschaften, Schriften, und Urkunden, sondern auch die corpora delicti materialia, in soweit es in Ansehen der letzteren immer thunlich, dem Criminal-Proceß zur nachfolgend- gründlichen Urtheilfälung beyzulegen schuldig seyen. Wie dann auch dazumalen, wenn die Criminal-Acten an das Obergericht, oder an Uns selbst einzusenden sind, allemal die corpora delicti materialia, besonders in jenen Fällen, wo die Einsicht der Instrumenten, Modeln, Materialien etc. zu verläßlicherer Beurtheilung der mehr- und minderen Bosheit, der mehr- oder minderen Gemeinschädlichkeit nöthig, annebst auch die Einschickung thunlich zu seyn befunden wird, dieselbe, wie sie sind, allenfalls aber, da dieses bewandten Umständen nach unnöthig, oder unthunlich zu seyn ermessen würde, an statt derenselben das rechtlich erhobene visum repertum, oder wahrhafte derenselben Beschreibung mit-eingeschicket werden solle.

§. 29. Nun folgen auch Beyspiele von Missethaten, so keine leibliche Zeichen zurückzulassen pflegen, als in Gotteslästerung, welche an Gott oder seinen Heiligen mit ausgestossen- schmählichen Worten beschiehet; welchenfalls der Richter statt des corporis delicti die vorhanden untadelhafte Zeugen über die verübte That mit ihren Umständen eydlich zu verhören, und jenen Falls, da etwann mit einer geschmäheten Bildniß zugleich was thätiges fürgegangen, oder die Gotteslästerung wohl gar zu Papier gebracht worden wäre, die mißgehandelte Bildniß zu besichtigen, die gotteslästerische Schrift zu untersuchen, und die hiebey unterlauffende Umstände nach Gestalt der Sachen genau zu erheben hat.

§. 30. In Nothzucht solle das Gericht über die erstbesagte Zeugenverhör auch anordnen, daß die Person, welche eine ihr angethane Nothzucht vorgiebt, durch geschworne Hebammen besichtiget, und von ihnen ein umständlich schriftlicher Bericht unter ihrem ehehin aufhabend- oder neu abgelegten Eyd darüber erstattet werde, was an der vorgeblich nothgezüchtigten Person, an ihren Kleidern, an dem Ort, und Stelle der vollbrachten That zu finden gewesen? wobey auch zu beobachten, ob eine Gewalt aus zerrissenen Kleidern, zerrauften Haaren, gehörten Schreyen etc. abzunehmen seye? oder aber, ob die beleidigte Person sich alsogleich bey den ihrigen von wegen der That beklaget? ob Jemand selbe gesehen? ob und aus was Zeichen man etwann dergleichen Unthat gemerket habe? und überhaupt solle nichts von allen deme, woraus etwas gründliches dießfalls hervorscheinen möchte, auszuforschen unterlassen werden.

§. 31. In Unzucht wider die Natur kann die Bekanntniß desjenigen, so gelitten, oder mit-gesündiget hat; in Fällen aber, wo es ein sprachloses Viehe wäre, die abgehörte Zeugen, wie nicht minder die gefundene Zeichen, und sonstig- redliche Anzeigungen zum corpore delicti, und Anzeige der That hinlänglich seyn.

§. 32. In Ehebruch aber, wenn es in dem Orte, wo die Inquisition vorgenommen wird, nicht wissend, und kündig wäre, daß der Inquisit, oder Inquisitin wirklich verheyrathet seye, ist aus den Kirchenbüchern oder durch Zeugen [Seite: 64] [Faksimile] verläßlich auszuforschen: ob die beinzüchtigte Person verehliget? wo zusammengegeben worden? wann, und wer Beystände gewesen?

§. 33. Ein gleiches ist auch in dem Laster der Blutschand zu veranlassen, daß aus den Kirchenbüchern oder durch Zeugen vor allem glaubwürdig erhoben werde: ob, und auf was Weise, und in welchem Grade der Blutsverwandschaft, oder Schwägerschaft die Berüchtigte mit einander verwandtet seyen? wie Wir dann

§. 34. Hiemit für allgemein verordnen, daß, wenn die weltliche Obrigkeit einen beglaubten Tauf- Toden- oder Trauschein von den Pfarrern, oder anderweiten Kirchenvorstehern anverlanget, dieselbe ohne auf die Ursache anzudringen: zu was Ende dergleichen Urkund zu dienen habe? solche allemal unaufhältlich hinauszugeben schuldig seyen. Falls aber gleichwohlen wider besseres Vermuthen dergleichen Urkunden zu Abbruch gemeiner Wohlfahrt, und Behinderung der Gottgefälligen Justiz nicht verabgefolget, oder allenfalls die Einsicht der Original-Kirchenbüchern nicht gestattet werden wollte, so solle solche Verweigerung ohne Verzug an Unser Obergericht zu Vorkehrung der Abhülffe, und gebührenden Ahndung einberichtet werden.

§. 35. Schlüßlichen wollen Wir den Halsgerichten überhaupt eingebunden haben, daß bey Erhebung des corporis delicti in all- und jeden Criminal-Fällen nicht allein auf die That, sondern auch auf die verschiedene der Sache Beschaffenheit, auf die Umstände, Ort, Zeit etc. sowohl von wegen der That, als des Thäters selbst gesehen werde: indem oft sehr viel darangelegen, ob die That bey Tage oder Nacht, an einem geheiligten, befreyten, oder nur schlechten Orte, heimlich, oder auf offenen Wege, Strassen, oder in des Angegriffenen Haus, und Wohnung, mit- oder ohne Gewalt, mit- oder ohne Gehülffen etc. von einem schon zuvor übel berüchtigten, oder das erstemal betrettenen, von einem Unsinnigen, Unmündigen, Herrn, Burger, oder Unterthan, Diener, oder Freund, Kind, Weib, oder Mann begangen worden? wie auch, ob der Thäter durch eine aufrichtige, und nicht erdichtete, und verstellte Reu sich etwann selbst angegeben habe, oder aber durch gerichtlichen Zwang in die Inquisition, und Gefängniß gekommen seye? wo annebens

§. 36. Auch dieß zu merken, daß es bey beschreyten Landdieben, Beutelschneidern, Strassenräubern, und Mördern, so gar um alle schlechte Diebstähle, Rauberey, und alte Mördereyen ohne anderweit- habend- erhebliche Ursache sich zu erkundigen nicht vonnöthen, bevorab wenn man selbe Länge der Zeit halber nicht wohl erfahren kann, und man sich ohne das der meisten, und größten Thaten bereits erkundiget hat. Wiewohlen ansonsten der Regel nach, wenn wider einen Thäter mehrere, die Todesstraffe nach sich ziehende Verbrechen hervorkommen, über ein jedes, Falls es ohne allzu grossen Zeitverlust beschehen kann, das corpus delicti erhoben werden solle. Uebrigens ist zwar

§. 37. Ausser Zweifel, daß nur allein den Hals- und Landgerichten in Malefizfällen das corpus delicti entweder selbst zu erheben, oder gestalten Dingen nach auf vorgängiges Ersuchen durch anderweite Gerichten erheben zu lassen gebühre, und daß also insgemein den Grundobrigkeiten zu Abbruch der Halsgerichten diesfalls einzugreifen nicht erlaubt seye. Zumalen aber sich ergeben kann, daß jezuweilen wegen allerhand sich hervorthun mögender Zufällen (sonderheitlich in Todschlägen, Kindsverthuungen, Vergiftungen, dann dem Selbstmord, wie auch in jenen Fällen, wo ein durchreisender Fremdling, oder ein in todesgefährlicher Krankheit befindlicher Zeuge die That, oder derselben nahe Umstände zu bestättigen hat) die Erhebung des corporis delicti keinen Verschub leidet, mithin alles daran gelegen ist, womit dasselbe eilends, und ohne allen Zeitverlust erhoben, und beschworen werde, wo ansonst in dessen Unterlassung entweder die Gelegenheit zu dessen Erhebung entgehen, oder wenigstens die Inquisition verzögeret werden würde; als wollen Wir hiemit zu Beförderung der Criminalien geordnet haben, daß in dergleichen Begebenheiten, wo das Halsgericht ziemlich entfernet ist, anbey wegen verläßlicher Ausforschung der That Gefahr auf den Verzug haftet, auch die Grundobrigkeiten all dasjenige, was zu Erkundigung, und Beweis der That unverzüglich nöthig ist, vorzukehren nicht nur befugt, sondern in Kraft dieses Unseres Gesetzes verbunden, sonach aber denenselben allerdings obgelegen seyn solle, die erhobene corpora delictorum, [Seite: 65] [Faksimile] und die aufgenommene Zeugenaussagen unverlängt an das behörige Halsgericht zur weiteren Rechtshandlung einzusenden. Wo sodann den Halsgerichten, wenn sich an Erhebung des corporis delicti annoch ein Mangel, oder Gebrechen wahrnehmen liesse, in allweg bevorstehet, ein solches entweder selbst zu verbesseren, oder mittelst der gewöhnlichen Ersuchschreiben den Abgang ersetzen zu lassen.

Fußnoten
Editorial.1.
Am 9. Mai 2017 habe ich mit Abschluss von Artikel 26 die Transkription zur Seite gelegt. Die Inhalte der Constitutio Criminalis Theresiana sind nicht so erfreulich, dass ihre Transkription wirklich Freude bereiten könnte.
Falls jemand bereit wäre, sich weiterhin der Aufgabe der Herstellung eines maschinenlesbaren Volltextes zu widmen, möge diese Person sich an mich wenden und ich würde die der Internetpräsentation zugrundeliegende XML-Datei zur Verfügung stellen.
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