Quelle: Die Maximilianischen Halsgerichtsordnungen für Tirol (1499) und Radolfzell (1506) als Zeugnisse mittelalterlicher Strafrechtspflege / quellengetreue Textausg. mit Einl. und Erl. von Eberhard Schmidt. - Bleckede an der Elbe : Meissner, 1949. - 236 S.
Die Radolfzeller Halsgerichtsordnung von 1506 ist laut dem Herausgeber Eberhard Schmidt nur in einem handschriftlichen Exemplar im Generallandesarchiv Karlsruhe überliefert. Schmidt hat den Text neben der Maximilianischen Halsgerichtsordnung für Tirol [digitale Ausgabe des Originaldruckes] auf den Seiten 216-224 abgedruckt. Eine digitale Ausgabe des Buches von Schmidt ist - aus urheberrechtlichen Gründen - nur eingeschränkt zugänglich: HathiTrust. Insofern habe ich mich entschlossen, den Text händisch zu transkribieren und ins Netz zu stellen, was urheberrechtlich insofern möglich ist, als die bloße Transkription eines Textes kein Urheberrecht, sondern nur ein Leistungsschutzrecht begründet, das nach 25 Jahren endet.
Heino Speer, im März 2022.
Wir Maximilian von gots genaden / Römischer Künig. zuallenzeitten merer des Reichs zu Hunngern / Dalmatien Croatien etc. künig Ertzhertzog zu Österreich / hertzog zu Burgundi / zu Brabanndt zu Gheldern etc. Furst zu Swaben etc. Graue zu Flanndern zu Tirol zu Görtz etc. — — Bekennen vnd thun kund offenlichen mit disem brieue / Als von alter her in vnnser Vogtey vnnser Stat Ratolffzelle am vndersee / die Malefitz-Recht also gehalten / das albeg auf ains yeden Übltäters oder übelthäterin mißtat vnd verhanndlung / allain durch ains yeden Rechtsprechers gewissen on ainicherlay aufgesatzter oder klarer ausgedruckter gesatzt / darüber erkanndt vnd geurteylt vnd sölch Malefitz Gericht bisher in bemelter vnnser Vogtey vnd Stat mit offnen Thürn vor allermenigklich gehalten vnd volbracht worden sind / Wann aber die mißtaten zu zeitten Frömbd auch in veranntwurttung der Malefitzigen Personen / dermassen in Recht angezogen / daz Jn vil zweyfl macht vnd demnach etwas mißbrauch dardurch das übl nicht gestrafft ist worden als sich wol gepürt / beschechen sind. Haben wir darum nach zeittigem Rat vnd besonderlich auf vnderthenig vnd diemütig pete vnnser getreüen lieben / vnsers Vogts Burgermaisters vnd Rats egemelter vnnser Vogtey vnd Stat zu Ratolffzelle / als Ertzhertzog vnd Regierunder Her vnd Lanndsfürst vnnsers [Seite 217] haws Österreich gesehen vnd die hernachgeschriben ordnungen vnd gesetz hinfür zuhalten fürgenomen ordnen vnd setzen auch die von Fürstlicher macht wissentlich in craft ditz briefs.
Nemlich das ain yeder vnnser Vogt der Stat Ratolffzelle so Pan vnnd Acht von vnns vnnsern Erben oder Nachkomen über das Plüet vnd all schedlich Sachen dem Rechten nach zurichten / emphanngen hat / oder hinfür emphahen wirdet / mitsambt vnnserm Burgermaister vnd Rat vnnser Stat Ratolffzell / alle hernachuolgend henndl / söllen mit beslossner Thür haben zuhanndlen vnd zuurtaylen ausgenomen ainer oder aine / wurde Jrs glimphen Eeren oder Fuegen beschuldiget / das sol albeg offenlich durch Richter vnd Rät gehört / vnd nachmals die vrtayl mit verslossner Thür verfast und den partheyen alsdann offenlichn verkündt werden.
Wann Burgermaister vnd Rat zu Ratolffzelle vmb henndl das Pluet vnd Malefitz berüerend yemand das sey Mann oder Frawen vahet vnd annemen lasset / sol Er die maisten des Rats oder die Rät alle oder souil Er der haben mag / zu Jm eruordern / denselben lauter antzaigen / warumb die Personen angenomen seyen / vnd nachmals nach Rat derselben / oder was das merer ist mit der gefanngen Person / das seye mit frag oder in annder weg / darauf hanndlen / vnd ausserhalb sölchs / durch sein selbs fürnemen / kain Person gichtigen noch fragen lassen. [Seite 218]
Vnd so ain Person durch das merer zu der Frag vnd marter erkanndt wirdet vnd ichts auf sich selbs oder annder bekanndt / söllen sich die Rät darynnen aigentlich erkunden / ob die Person / das aus forcht marter oder veindtschafft / auf sich selbs oder annder bekanndt hette / so sich dann erfindet aus derselben gichtigung / das die Jr selbs oder anndern vnrecht gethan / vnd nicht die Warheyt gesagt hab / alsdann söllen furtter die zu der Frag verordnet / sölchs pringen an die anndern Rät vnd weyter nach erkanntnuss des merern tayls hierynne souil sich gepürt / volfaren oder gehanndelt werden.
Souer aber ain Person an warer tat mit hänndlnn / diebstal mörderey Rauberey oder in annder weg Malefitz berüerend betretten wurd vnd nicht auf annder vngeleümbt Personen bekenndt / alsdann ist nicht not ainicherlay weyters erkunden / vnd sölchs sol albeg nach gelegenhayt ainer yeden Sach vnd mißtat nach erkanndtnuss des merer tayls der Räte oder geswornnen / ermessen werden vnd dabey beleiben.
Wo ainer oder aine an die Frag vnd martter erkanndt wirdet / sol der Statklager drey aus dem Rat Jm zuuerordnet / zu Jm nemen / vnd dieselben Person also in Jrer vnd des Statschreibers gegenwürttigkayt fragen / wie dann das durch den merern tayl der Rät vor erkanndt vnd beslossen ist / Vnd was der vbltädig Mennsch also bekennt vnd bestett sol der gerichtschreiber die vrgicht nach Jrem prauch vnd herkomen lauter auffschreiben / vnd der [Seite 219] Statklager die mitsambt den dreyen Jm also zuuerordnet nachmals verlesen lassen / vnd so man dann darüber vrtaylen wil / die den anndern Räten oder Geswornnen auch verlesen. Vnd wann die drey dem Statklager zuuerordneten gezeügknuss geben / vnd die Vrgicht also zesein ainhelligklich vor vnnserm Vogt so / als vorstat / Pann vnd Acht von vnns vnnsern Erben oder nachkomen vber das Pluet vnd schedlich Sachen dem Rechten nach zurichten emphanngen hat / vnd den anndern Räten / so Vrtayl in sölchen sachen vallen oder sprechen werden / bey Jrn Ayden zum Ambt vnd Rat gesworen bekennen / alsdann ist desselben bekennen genug vnd vnder den dreyen sol alsdann des Ersten ainer der Vrtayl angefragt werden.
Ain yeder Mörder sol mit dem Rad gericht werden.
Ain Verräter geschlaift vnd geuiertaylt.
Rawber mit dem Swert.
Kirchenprüchl / Prenner / Kätzer Velscher der Müntz Silbers oder Golds mit dem Pranndt.
Ob ain Man zway Weyben nem / Oder ain Weyb zwen Mann / denselben Man oder Frawen zuertrenncken.
Ob ain Person vertrazts guet wegfüert / oder ain guet zwayen dreyen oder mer wissentlich vnd geüerlich verkaufft oder versetzt / vnd nit von der vordern versatzung meldung thuet / die söllen auch ertrennckt werden.
Ob ain ain Frawen oder Junckfrawen benotzwung dadurch Sy beraubt wurd Jrer Eeren / vnd dieselben anzaigen [Seite 220] genugsam wären / dadurch sölchs von der Frawen oder Junckfrawen nicht aus Neid oder has fründtschafft oder veindschafft müet oder gab bescheche derselb sol ertrennckt werden.
Welcher ain Vrfechd / so Er über sich geben hat / pricht / denselben mit dem Swert zurichten / vnd ain Weybs Pild zuertrenncken.
Welche Fraw ain kind verthuet / die sol lebendig in das Ertrich begraben / vnd ain Phal durch Sy geschlagen werden.
Welcher oder welche Person ainen Valschen Ayd swert / derselben die zungen abschneyden / mitsambt den zwayen Fingern damit Sy geswornn hat.
Wer ain gelobten Frid pricht one mercklich vrsach Jn darzu bewegende / denselben mit dem Swert zurichten.
Der aber sunst sein anloben nit halt den oder dieselben nach gelegenhayt der Sach an leib oder gut zustraffen.
Welcher oder Welche Person Jm selber den Tod tuet / seinen Herrn verrat Cristlichen glauben velaugnet / oder sein Vater vnd Mueter vmbpringt / vmb das Er die Erb / die sind leib vnd gut verfallen/
Der Laicherey halben / Nach dem der menigerlay sind / sol in erkanntnuss des Richters vnd der Rechtsprecher sten / nach gelegenhayt aines yeden Laycherey / Ob dieselb Person den tod / oder annder straf an dem leibe verschuldt hab. [Seite 221]
Der Diebhalben die mit dem Stranngen zerichten vnd ain Weybs Person zuertrenncken / vnd ye nach gestalt der Person vnd Diebstal / alsdann nach erkanntnuss der Rät nach gelegenhayt seiner missetat zustraffen.
Der Todsleger halben / Nach dem der vil vnd zu zeitten vmb liederlich Sachen / auch mördtlichen beschehen / Jst vnnser wille vnd maynung / das die nit so liederlich begnadt / sonnder mit strenngkayt des Rechten / als mit dem Swert gericht söllen werden / denselben auch in dem Gericht darynne die tat beschicht / oder da man Jn in anndern Gerichten betritt vnd Er antzaigt wirdet anzunemen / vnd ob des leiblosen Fründtschafft / Jn nicht berechten wolten / so sol nicht destminder die Rechtferttigung von Oberkayt auf Jren Costen den berechten lassen / Richter Rät vnd geschwornn aines yeden Gerichts söllen nach gelegenhayt der Tat / in hanndl sehen / ob sich zu zeitten ainer leibsnot wern müest / oder sunst ain vngeuerlicher Todslag bescheche / damit die Vrtayl alsdann gemiltert werde / nach Jrem pessten versteen / bey den Ayden so Sy swern / Ob ain Todsleger durch vnns vnnser Erben nachkomen oder yemandt von vnnsern wegen die des gewalt vnd macht haben / begnadt wurd / oder ain annder Vbltäter / der sol alsdann in dem Gericht / da der Todslag oder That beschehen / vnd da Er gefanngen gelegen ist / vmb die atzung abkomen.
Es söllen auch vnnser Vogt Burgermaister vnd Rat obbemelter vnnser Stat / gewalt haben / Ob Todsleger oder [Seite 222] annder Vbltäter in Flüchten weren vnd nicht betretten möchten werden / daz Sy denselben / souer das not sein wurd / durch Jre Fronpoten oder waybl etc. in vnnser Stat Celle vor dem Rathaws oder Jr löben offenlichen drey vierzehen tag nachainannder berüeffen lassen / der Todschleger oder Vbltäter kome oder kum nit / so sol doch nichtdesterminder vner Jn nachmals als auf ainen tag beschehen was Recht ist / vnd so ainer also in die Acht verurtaylt / so sol desselben mißhanndl mitsambt der Vrtayl durch den Gerichtschreiber offenlich verlesen werden / die Fronpoten mit den der Richter das verschaffen sol / für Jn vnd annder die anzaygung thun / der Todslag oder mißhanndlungen der Vbltäter / wie sich die begeben / souer yemands aus der enntleibten Fründtschafft / oder annder übltäter Fründ da wärn damit dieselben auch menigklich sölcher hanndlung taten vnd Vrtaylnn / des wissen haben mügen.
Ain yegkliche Person / die sey Man oder Weyb / die sich vnderstet haimlichen oder offenlichen / ainem sein Weyb Tochter Swester Mumen oder Fründ / one sein oder der Gerhaben vnd Vögt willen vnd wissen abweg zefüern die verheyratten vermähelen oder in annder weg vnEerlichs zuhanndlen / mit verkuplen oder sunst / söllen in albeg Burgermaister vnd Rät gewalt haben / sölchen hanndl zestraffen an leib oder guet / nach gestalt des hanndels vnd der that.
Der Gotzschwererhalben / Nach dem von leichtferttigen [Seite 223] Personen / in menig weg oder weys der almechtig got / vnnser liebe Fraw vnd die lieben heyligen mit swern bey den Spilen oder annderstwo gelestert werden / Wo ainer oder aine derselben gefunden wurde / das Burgermaister Vnd Rät auch gewalthaben / die nach gelegenhayt der Tät vnd Lestrung zustraffen an leib oder guet / vnd wie es dieselben erkennen / dem sol die also nach gestrafft werden.
Ain yeder Absager der Prennt / sol mit dem Pranndt / aber sunst mit dem Schwert gericht werden / Vnd wer derselben Absager ainen oder mer behawset fürscheübt vnd den nit offembart wissentlicher Sachen / der oder dieselben sollen gleich den Absagern gestrafft werden.
Vnd Nach dem hierynne nit all übltaten so beschehen möchten / beschriben vnd ausgedruckt sind / so söllen doch nichtdestminder der Vogt mit Rat oder Vrtayl der Räte wieuor stet samentlich oder durch den merern tayl / Wo Sy nit all dabey sein möchten / auch in denselben so nicht hierynne ausgedruckt sind / zu Vrtaylen vnd zustraffen haben / nach Jrem bessten versteen vnd gestalt ainer yeden übltat / bey Jrem Ayd so Sy geswornn haben / wie vorgemelt ist.
Vnd wiewol sölch vnnser löblich Fürnemen durch vnns treffenlich vnnser Räte im pessten vnd zu straff des Vbels fürgenomen ist / So sol doch die vnns vnnsern Erben vnd nachkomen / in all annder weg an vnnsern Obrigkaitten herlichaitten vnd gewaltsamen / auch vnnser Stat [Seite 224] Burgern vnd Burgerin zu Ratolffzelle an Jren Priuilegien Freyhaitten Vnd gerechtigkaitten vnnergriffen vnd on schaden sein / Wir behalten vnns auch hierynn beuor / sölch ordnung vnd gesetz / in ainem oder mer Artigkelen zu meren mindern vnd zuuerenndern alles getreülich vnd Ongeuerde. Vnd Emphelchen darauf den Edlen vnnsern lieben getreüen / allen haubtleüten Grauen Freyen herrn Rittern knechten Phlegern Lanndtrichtern Richtern Burgermaister vnd Räten / so hiemit ermannt werden / ernnstlich gepiettend vnd wellen / daz Sy sölchem vnnserm fürnemen nachkomen / dem allem vnd yedem leben / auch Richter Rat vnd gesworen verordnen vnd hiewider nit thun noch das anndern zuthun gestatten / in kain weyse. Wir wellen vnd setzen auch / wer oder welche wider diese vnnser ordnung vnd gesatzt hanndleten oder thäten / das der oder dieselben zwaintzig Marckh loottigs golds zu Pueß veruallen / vnd dieselben halbs in vnnser Camer vnnsers haws Österreich / vnd den anndern halben tayl den gemelten von Ratolffzelle zubezalen schuldig sein sol on ablasslichen darnach wiss sich menigklich zurichten / Das ist gantz vnnser will vnd ernnstliche maynung. Mit Vrkundt ditz briefs.
Geben zu Jnnsprugg an Freyttag vor sanndt Thomas tag des heyligen Zwelfpoten / nach Cristi gepurdt / Fünffzehen hundert vnd im Sechsten. Vnnser Reiche des Römischen im Ainsundzwaintzigisten. Vnd des Hunngerischen im Sibenzehennden Jaren.
Comissio Dni
Regis in Consilio