Friedrich Esajas Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts

Friedrich Esajas Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts

Editorial

Quelle: Friedrich Esajas Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts (von 1772). Herausgegeben von Wilhelm Ebel.

Zielsetzung: Ziel dieser digitalen Version von Pufendorfs Landrechtsentwurf ist es nicht, die Edition von Wilhelm Ebel zu ersetzen. Sie beruht auf dieser Edition und ist durch ein OCR-Programm aus ihr extrahiert worden. Das bedeutet, dass die digitale Version typische Fehler aufweisen kann, für die OCR-Programme bekannt sind: Verwechslung von "ern" und "em", Falschlesung von "ch" zu "dt" oder Ähnlichem. Es ist mir nicht möglich, diese Fehler durch einen zeilengenauen Vergleich der digitalen Version mit der gedruckten Edition zu beseitigen. Das hat die Konsequenz, dass diese digitale Version sozusagen nur eine Art "Findebuch" für die nach wie vor maßgebende gedruckte Edition ist.

Warum ich dies dennoch in Angriff genommen habe? Es gibt bereits eine digitale Version, die in Innsbruck am Lehrstuhl von Prof. Gerhard Köbler hergestellt wurde (HTML-Datei / PDF-Datei). Sie hat, bei allem Verdienst, diesen Text erstmalig im Netz verfügbar gemacht zu haben, allerdings den Nachteil, dass die einzelnen Abschnitte des Textes nicht adressierbar sind (technisch gesprochen: Es fehlen die Anker als Sprungmarken). Daher habe ich den durch mich erzeugten OCR-Text mit solchen Ankern versehen, so dass jeder Abschnitt eindeutig bezeichnet ist: So wäre Titel XI mit dieser Adresse zitierbar: "http://repertorium.at/qu/pufendorf_1772.html#Tit_11", bzw. dessen § 5 unter der Adresse "http://repertorium.at/qu/pufendorf_1772.html#Tit_11.5".

Entwurf eines auf Veranlassung des weiland Herrn Geheimten Raths von Behr verfaßten CODICIS GEORGIANI

Titul I. Von Gesetzen und Gewohnheiten, Statuten, Ordnungen und Privilegien.

In diesem Titul soll bestimmet werden, was die Gerichte in Entscheidung der Rechtssachen sich zur Richtschnur dienen lassen sollen, welchergestalt die Römischen oder Canonischen, oder auch andre Rechte zu befolgen seyn, wie eine Gewohnheit seyn und erwiesen werden müsse. Es wird ferner von Statuten der Städte, Gilde-Ordnungen und Privilegien, so weit es dienlich geschienen, gehandelt.

Titul II. Von Juden.

Dieser Titul begreifet den Handel der Juden, ob oder wie weit bey denen vergleiteten die Rechts-Gesetze Statt finden, sodann das Recht sie zu vergleiten, ihren besonderen Gerichts-Ort, und wie weit des Land-Rabbiners Entscheidung eintrete.

Titul III. Von der Väterlichen-Gewalt und deren Aufhebung.

Die Sätze des Römischen Rechts von der Väterlichen Gewalt werden hier theils bestärket theils bestimmet, deren Dauer aber aus den heutigen Sitten festgestellet, zugleich von der Einkindschaft und Legitimirung gehandelt.

Titul IV. Von der Dinge Eintheilung.

Was für beweglich oder unbeweglich zu halten.

Titul V. Von heiligen Sachen.

Was bey deren Gebrauch denen Evangelischen Kirchen-Rechten gemäß sey.

Titul VI. Von Bau und Besserung der Kirchen und geistlichen Gebäude.

Ob der Patron dazu verbunden, und wenn und in wiefern die Eingepfarrten dazu verpflichtet seyn.

Titul VII. Von Kirchen-Stühlen.

Was hievon in einigen Kirchen-Ordnungen bereits bestimmet, wird Allgemein gemacht, auch übrigens das weiter Nöthige festgesetzet.

Titul VIII. Von Begräbnissen.

Von denen Beläutungen der Todten. Von denen bey Begräbnissen vorfallenden Gebühren. Von der Wahl eines Begräbnisses und von Durchfuhr der Leichen.

Titul IX. Von Pfarr-Herren und Pfarr-Witwen.

Wie des Pfarr-Herren Einsetzung nach dem Gandersheimischen Landtag-Abschied geschehen müsse. Bestimmung einiger Abgaben an den Pfarr-Herren und Küster. Erklärung der Lüneburgischen Kirchen-Ordnung wegen des Gehalts der Pfarr-Witwen.

Titul X. Vom Gnaden-Jahr der Prediger und Superintendenten-Witwen.

Ob und was hiebey denen Witwen zur Last zu schreiben sey.

Titul XI. Vom Patronat-Recht.

Beschaffenheit desselben. Rechte des Patronen, und wie weit solche an dessen Person gebunden seyn.

Titul XII. Von denen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen.

Welche Handlungen ihnen in denen Königlichen Deutschen Ländern zu gestatten oder nicht zu gestatten seyn.

Titul XIII. Von der Suspendirung vom Amt.

Wegen welcher Verbrechen sie Statt finde, und was sie würke.

Titul XIV. Von Ladung.

Von der gerichtlichen Ladungen Einrichtung und Kundmachung.

Titul XV. Von Prorogationen und Dilationen.

Was bey Verlängerung der gerichtlichen Termine zu beobachten sey.

Titul XVI. Von gerichtlichen Klagen.

Von deren Einrichtung, und wie weit jemand einer angestellten Klage sich begeben könne.

Titul XVII. Von denen Rechtsmitteln aus dem lege Diffamari, und lege Si contendat.

Deren Stattnehmigkeit und Anwendung wird bestimmet.

Titul XVIII. Vom Mandat-Proceß.

Titul XIX. Von Vereinigungen und Verträgen.

Deren heutige Verbindlichkeit, Erklärung der Land-Ordnungen. Verbindlichkeit gegen einen Dritten. Wie von einem Vertrage abzugehen. Wie er zu erfüllen. Von Vergleichen, und wenn sie Statt haben, auch ob derowegen Verletzung zurückzugehen stehe.

Titul XX. Von unnützen Versprechen.

Titul XXI. Von Advocaten.

Von deren verbotenen Verträgen mit ihren Partheyen.

Titul XXII. Vom Irrthum der Advocaten.

Wenn und in wiefern des Advocaten Vortrag verbindlich sey.

Titul XXIII. Von Procuratoren.

Titul XXIV. Von ehrlosen Personen.

Welche Personen dafür zu halten seyn.

Titul XXV. Von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Ob sie ein jeder Richter ertheilen könne. Deren Grund. Welchergestalt sie unmündigen Soldaten, Kirchen, Geistlichen Stiftungen und Städten, auch Partheyen gegen ihres Sach- oder Anwalds Versehen angedeye. Wenn sie gegen gerichtliche Erkenntnisse Statt finde. Welchergestalt es immittelst bey der bisherigen Lage der Sache zu lassen. Wann wegen eines Betrugs der Vertrag ganz nichtig sey. Von der Art zu verfahren.

Titul XXVI. Von Compromiß- und Schieds-Richtern.

Wiefern es bey solchem Ausspruch zu lassen. Unterschied eines Ausspruchs und Bestimmung. Ob ein Compromiß auf die Gerichte Statt finde. Ob es in Ehe-Sachen zuläßig sey. Befugniß eines Schieds-Richters.

Titul XXVII. Vom Herbergiren.

Das Römische Recht wird völlig beybehalten und erkläret.

Titul. XXVIII. Von Gerichts-Oertern.

Wo ein jeder nach Beschaffenheit der Sachen Recht zu geben und zu nehmen habe. Die dabey vorfallenden mannichfaltigen Zweifel werden erörtert.

Titul. XXIX. Von der Perhorrescenz eines Richters.

Wie und in welcher Maße dieselbe zu verstatten.

Titul. XXX. Von Policey-Sachen.

Deren Bestimmung.

Titul. XXXI. Von Lehn-Sachen und Lehn-Gerichten.

Erörterung derselben.

Titul. XXXII. Von der Holz-Gräfenschaft.

Beschaffenheit dieser Gerichtsbarkeit.

Titul. XXXIII. Von Besprechung des Eigenthums.

Hier fällt zwar aus denen Römischen Rechten nichts zu erörtern vor. Es hat aber nach der angenommenen Ordnung der Pandekten nirgends füglicher als hier bestimmt werden können, was für Rechte bey Anfall des Lehns zwischen dem Lehnfolger und dem Land-Erben wegen Erstattung des Werths und andrer Besserung, wie auch der Aufkünfte des Sterb-Jahres eintreten. Welches, so viel thunlich, in Gewißheit gesetzet wird.

Titul. XXXIV. Von besondern Verbindlichkeiten der Brüder oder Vettern gegen die Land-Erben.

Wie es insonderheit wegen bezahlter elterlicher Schulden oder der bezahlten Ablegung von Lehn zu halten.

Titul. XXXV. Von neu angekauften Lehnen und dabey vorfallenden Gedingen.

Titul. XXXVI. Von der Lehns-Inkorporirung und Lehns-Pertinenzen.

Wie und woher solche zu beurtheilen seyn.

Titul XXXVII. Von After-Belehnungen.

In wiefern solche nach Eröffnung oder Anfall des Haupt-Lehns bestehen.

Titul XXXVIII. Von Lehns-Investituren.

Ob dadurch insonderheit ein dingliches Recht erlanget werde.

Titul XXXIX. Von Lehns-Veräußerungen.

Titul XL. Von Felonie.

Ob der Vasall wegen begangener Felonie seines Lehns vor erfolgtem Erkenntniß für beraubt zu halten, und welche Nachsicht dabey eintreten müsse.

Titul XLI.

[fehlt]

Titul XLII. Von allerhand Arten der Lehne

Von Sonnen-Lehnen, von Kaphans-Lehnen, von aufgetragenen, und von Weiblichen Lehnen.

Titul XLIII. Von verschiedenen Arten der Bemeyerung.

Von der Bemeyerung für den Meyer auf dessen Lebenszeit, oder auf gewisse Jahre.

Titul XLIV. Von der nutzbaren Vormundschaft bey Meyer-Gütern.

Worin des einfreyenden Stiefvaters Rechte und Pflichten bestehn, auch wie lange sie zu erstrecken.

Titul XLV. Vom Weinkauf.

In welchem Fall derselbe eintrete, wie hoch er zu bestimmen, und ob wegen dessen versäumter Entrichtung der Meyer seines Rechts verlustig werde.

Titul XLVI. Von Abmeyerung.

Wie vieler Jahre Nachstand dazu erfordert werden. Wie sie bey dem Nachstand nicht weiter Statt finde. Ob die geschehene Abmeyerung auch denen Kindern, der Ehefrau und denen Verwandten schade. Wem unter mehrern Gutsherrn die Abmeyerung zustehe.

Titul XLVII. Von Zehenten.

Die Zehenten sind Frucht-Zinsen. Deren Einfahrung, Umfang des Zehent-Rechts, Rott-Zehnten, Sack-Zehnten, Streu-Zehnten.

Titul XLVIII. Von Dienstbarkeit der Güter.

Wer eine Dienstbarkeit behauptet, muß solche gegen den Eigenthümer beweisen, wenn er gleich im Besitz des Rechts ist. Wenn eine Dorfschaft als gleichsam Eigenthümerin anzusehen sey. Dienstbarkeit der Hud Weide, wie weit sie sich erstrecke. Ob oder wiefern sie das Recht und den Gebrauch des Eigenthümers ausschließe, oder beenge. Von Holz- und Torf-Gerechtigkeit. Ob der nutzbarliche Eigenthums-Herr dem Gut eine Dienstbarkeit auflegen könne. Von Ausmachung eines unentbehrlichen Weges. Von Verlust dienstbarlicher Rechte durch den Nicht-Gebrauch und von Verjährung der Freyheit.

Titul XLIX. Von Anwendung der dienstbarlichen Rechte.

Wie fern diese Anwendung Statt finde. Welche Verjährung dabey eintrete. Ob und wie willkührliche Dinge durch den Nichtgebrauch verloren gehen.

Titul L. Von Klage wegen zugefügten Schadens.

Die Römischen Rechte werden denen natürlichen gemäß näher bestimmt. Von Vergeltung wegen Schmerzen und mehrern dabey vorfallenden Fragen.

Titul LI. Von Theilung der Erbschaften und gemeinen Güter.

Ob und wann dergleichen Theilungen wegen angegebener Verletzung rückgängig gemacht werden können. Vom Vorzuge desjenigen, welcher den größten Theil an der Sache hat. Ob bey Theilungs-Klagen eine Verjährung Platz finde.

Titul LII. Von der Mehrheit der Stimmen in gemeinschaftlichen Rechten.

Wenn die Mehrheit der Stimmen in gemeinschaftlichen Dingen einen Ausschlag geben könne.

Titul LIII. Vom Spiel.

Welche Spiele für erlaubt zu halten. Ob Spiel-Gewinnste eingeklaget oder zurückgefordert werden können. Vom Spiel der Dienstboten.

Titul LIV. Vom Darlehn.

Von der Einrede der nicht geschehenen Zahlung. Von Schulden der Haus-Söhne, und dem Macedonianischen Rathschluß. Von unzulässigen Neben-Gedingen. Von einer bloßen Zusage, Geld herzuleihen. Wie die Erstattung bey verändertem Münzfuß geschehe. Von dem Versprechen, in jedesmal gangbarer Münze zu erstatten.

Titul LV. Von eidlichen Verpflichtungen.

Der Eid bestätiget keine an sich nichtige und unkräftige Handlungen. Wovon Exempel berühret werden. Welche Worte zu einer eidlichen Verpflichtung erforderlich seyn.

Titul LVI. Von gerichtlichen Eiden.

Wie die gerichtlichen Eide abzustatten. Erklärung der Bremischen Hofgerichts-Ordnung wegen der Eides-Delation. Ob ehrlose Personen einen Eid zuschieben können. In welchen Sachen die Eides-Zuschiebung Statt finde, oder nicht. Ob den Königlichen Beamten in Amts-Sachen ein Eid zugeschoben werden könne. Vom Eide der Erben, der Pfleger ganzer Gemeinen oder vieler Interessenten. Von der Eideszuschiebung nach verflossenem Beweis-Termin. Vom Eide für Bosheit. Von der Eides-Abstattung durch Gevollmächtigte. Vom Eide der Juden. Ob ein vom Richter auferlegter, und von der Parthey zwar angenommener, aber Absterbens halber nicht geleisteter Eid für geleistet anzunehmen sey. Von überflüssigen, aber in der Rechtskraft berühmten Eiden. Vom juramento in litem. Wenn die Größe der Schuld durch des Gläubigers Eid zu erhärten stehe.

Titul LVII. Von Handlungs-Vorgesetzten, oder in Rechten sogenannten Institoren.

Titul LVIII. Von der Niederlage zu treuer Hand.

Ob desfalls in Concursen ein Vorzugs-Recht Statt habe.

Titul LIX. Von Auftrag und Vollmacht.

Ob der Gewaltgeber hafte, wenn der Gevollmächtigte die Schranken der Vollmacht überschritten. Bey mehrern Gewaltgebern haftet ein jeder ohne Theilung für das Ganze. Wie weit ein Gevollmächtigter oder Vorgesetzter aus dem von ihm getroffenen Handel von dem Dritten zu belangen stehe. Wann die Erlassung am Kaufgelde dem Gevollmächtigten und nicht dem Gewaltgeber zu gute komme. Von Blanketen. Wann der zum Handel Gevollmächtigte auch das Kaufgeld heben könne. Von denen von Bürgen bezahlten Zinsen. Von vermutheter Vollmacht.

Titul LX. Von Gesellschaft.

Wie weit ein Gesellschafter für eine Schuld der ganzen Gesellschaft hafte. Wie fern es erlaubt sey, aus der Gesellschaft zu treten. Von Fortdaurung der Gesellschaft zwischen den Erben.

Titul. LXI. Vom Kauf und Verkauf.

Vom Kauf und Verkauf, welche in Schriften geschehen sollen. Vom Verkauf zu einer gewissen Masse, wie der Mangel zu ersetzen. Wie bey einem Verkauf in Bausch und Bogen. Von der beym Kauf-Preis anzunehmenden Münz-Sorte. In wie fern bey nicht erfolgtem Kaufgelde der Verkäufer an die verkaufte Sache sich halten könne. Von dem beym Verkauf vorfallenden Lehn-Gelde. Vom Näher-Kauf. Von öffentlichen Feil-Bietungen. Von der Gewährleistung und der zu dem Ende nöthigen Verkündigung. Von der Pferde-Wandelung. Von einer Verletzung über die Hälfte.

Titul LXII. Von Übertragung einer Schuld oder Forderung.

welchergestalt solche bündig geschehe. Von Übertragung persönlicher Vorzugs-Rechte. Wenn die übertragene Schuld zu gewähren sey.

Titul LXIII. Von Miethe und Verding.

Ob und wenn der Mieths-Mann den Vermiether wegen dessen eigner Bedürfniß weichen müsse. Wenn er wegen Verkaufs weiche. Von stillschweigender Erneuerung der Miethe oder Heuer. Von anzunehmender Münzsorte. Vom Näher-Recht der Pächter öffentlicher Güter. Von der Verpachtung zu einer gewissen Masse. Von der Verletzung über die Hälfte. Von den Unglücksfällen und Verlust. Vom überlassenen Vieh-Stapel. Vom Schaden der Vieh-Seuche. Von denen Krieges-Schäden und Lasten. Von öffentlichen neuen Steuern. Von Reparationen. Von Zurücknehmung der Pacht wegen Pacht-Nachstandes. Ob der Pächter ohne richterliche Hülfe zu vertreiben. Ob er in Krieges-Zeiten das Gut verlassen könne. Von Gesinde. Vom Verding einer Arbeit.

Titul LXIV. Von Pfand- und Wiederkaufs-Rechten.

Von den Hypotheken vor Notarien und Zeugen, wie auch von denen vor 3 Zeugen errichteten. Wie die gerichtlichen Hypotheken zu bestellen. Von stillschweigenden gesetzlichen Hypotheken. Von gerichtlichen anerkannten Hypotheken. Von dem Unterpfand des Gläubigers, welches durch gerichtliche Hülfe und Einweisung entstehet. Vom Anfang einer Hypothek. Von Erbgeldern, vor-behaltenem Eigenthum oder Hypothek, und Familien-Fideicommissen. Von Kosten der letzten Krankheit, Trauerkosten, Dienerlohn, Lasten des Guts. Von mancherley Arten stillschweigender gesetzlicher Hypotheken und deren Bestimmung. Von Lehns-Hypotheken, deren Kraft, Würkung und Dauer. Von den Zinsen eines mit Pfand-Recht versehenen Capitals. Von veränderter Ordnung der Pfand-Gläubiger. Vom Genuß des Pfandes. Von gleichwichtigen Pfand-Gläubigern. Von des Pfandes Wiedereinlösung. Vom Wieder-Kaufs-Contract. Vom Verkauf des Unterpfandes. Von der generalen und specialen Hypothek.

Titul LXV. Von Zinsen.

Von Zinsen des Verzugs, und wie hoch sie zu bestimmen. Wenn Zinsen zu Sechs aufs Hundert zugestanden. Ob rückständige Zinsen in einen Hauptstul verwandelt werden können. Von Zinsen, welche sich über den Hauptstul erstrecken. Zinsen laufen nach der Bekümmerung fort. Wenn Kaufleute Zinsen fordern mögen. In welcher Münze die Zinsen zu entrichten. Von bezahlten geringern Zinsen oder Renten. Welche Verjährung bey jährlichen Renten Statt finde.

Titul LXVI. Vom Beweis

Von dessen Antretung. Von einem nachgelassenen unnöthigen Beweise. Von Erweiterung des Beweises. Vom gleichgültigen Beweise. Vom Beweis-Termin.

Titul LXVII. Vom Beweis durch Zeugen.

Ob nach eröffneten Kundschaften ein neues Zeugen-Verhör Statt finde. Von Notariat-Zeugen-Verhören. Von jüdischen Zeugen. Ob Eltern und Kinder, Mann und Frau, auch Verwandte für einander zeugen können. Ob berüchtigte oder wegen bruchfälliger Sachen bestrafte, auch ehrlose Personen zum Zeugniß zu lassen. Von Bedienten und gewesenen Unterhändlern. Vom Beweis zum immerwährenden Gedächtniß.

Titul LXVIII. Vom Beweis durch briefliche Urkunden.

Vom Beweis der Unrichtigkeit eines Protocolls. Von Vollziehung der Notariat-Instrumente. Von den Niederschriften eines Richters. Von beglaubigten Abschriften der Notarien. Von Amts- und Lagerbüchern. Von Schreibensunerfahrenen oder welche denen gleich zu halten. Von Urkunden, welche sich auf andre beziehen. Von Bruch-Registern. Wie die Wahrheit einer Urkunde durch Zeugen oder Vergleichung der Buchstaben zu erweisen. Von Archiv-Nachrichten. Von Handels-Büchern.

Titul LXIX. Von Edirung brieflicher Urkunden.

Von Edirung der Amts- und Gerichts-Bücher. Wann der Beklagte zur Edirung verbunden. Von Edirung der Testamente und frommer Stiftungen, auch anderer hieher gehörigen Fragen.

Titul LXX. Von der Unwissenheit des Rechts, und dessen, was vorgefallen ist.

Wann die Lehre der gemeinen Rechte von der Unwissenheit oder Irrthum des Rechts eintrete. Von Bauersleuten. Von der Unwissenheit des durch die öffentlichen Blätter angezeigten.

Titul LXXI. Von Ehe-Verlöbniß.

Ausdehnung und Erläuterung der Ehe-Verlöbniß-Ordnung. Auf welchen Ort in Ansehung der Zeugen zu sehen sey. Wohin die Flecken gehören. Von der Gegenwart des Predigers. Was wegen der Zeugen zu beobachten. Von Zuziehung der Obrigkeit. Von nachzusuchender Einwilligung der Eltern und des Chefs. Ob bey nicht ordnungsmäßigen Verlöbnissen eine Klage wegen Beschimpfung Statt finde. Ob Verlobte von einem Ehe-Versprechen für sich zurück gehen können. Ob wider ein Ehe-Versprechen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eintrete. Was sonst zu beobachten, wenn ein Theil zurücktreten will, und wie weit ein Zwang Platz habe. Von zurückzugebenden Geschenken.

Titul LXXII. Von der Ehe.

Von priesterlicher Trauung und deren Würkung. Von der Heyrath mit dem Vormund oder dessen Kinde. Von Ehen, welche wider die göttlichen oder Kirchen-Gesetze vollzogen werden. Von Anfechtung der Ehe wegen Untüchtigkeit. Ob das Alter eine Ehe hindre. Von vorhin verhehlten Umständen. Von angegebener Gewalt. Vom Vergleich wider die Ehe. Von der zweyten Ehe. Ob eine Ehe wegen übler Begegnung zu trennen. Von der Scheidung vom Tisch und Bette. Aus welchen Ursachen eine Ehe gänzlich zu trennen. Von Verzeihung des Ehebruchs.

Titul LXXIII. Von Mitgiften und Gegen-Vermachung.

Recht der Aussteuer. Was ohne ausdrückliches Versprechen für Brautschatz zu halten. Wenn die Frau bey des Mannes schlechten Umständen die Mitgift an sich nehmen könne. Ob der Vater seine Tochter zum zweyten Mal und der Bruder seine Schwester auszustatten schuldig. Von der Ausstattung aus dem Lehn. Wenn in Concursen die Einbringung durch des Mannes Quitung erwiesen werde. Was bey der Zurückforderung aus dem Lehn zu erweisen. Wie fern ein versprochener Brautschatz aus einem Concurs zu fordern. Die Mitgift bleibet der Tochter Kindern ohne Rückfall an den Vater. Von Ehestiftungen. Von Gegen-Vermächtnissen. Vom Leibgeding. Vorzugs-Recht des Brautschatzes und ob es auch Juden-Weibern zu Statten komme. Ob der Brautschatz dem Fisko vorgehe. Ob das mit dem Brautschatz angekaufte für Brautschatz zu halten. Pfand-Recht des Gegen-Vermächtnisses. Von der Morgengabe. Vom Paraphernal-Gut. Wann durch Ehestiftungen die statuarische Erbfolge ausgeschlossen werde.

Titul LXXIV. Von Mitgift an liegenden Gründen.

Von deren Veräußerung. Von Mitgift eines Mann-Lehns.

Titul LXXV. Von der Unterhaltung anderer.

Welche Personen vorzüglich dazu verbunden. Von der Unterhaltung aus dem Lehn. Was unter der Unterhaltung begriffen. Von deren Dauer und Verfall.

Titul LXXVI. Von Vormundschaften.

Von Vormundschaft der nächsten Blutsverwandten der Mutter und der Stamm-Vettern. Von Curatel-Dauer der testamentirlichen Vormundschaft. Über Vormundschaften finden keine Verträge Statt. Von der mütterlichen Vormundschaft nähere Bestimmung. Ob ein Mann seiner Ehefrauen, ein Schwieger-Vater seiner Schwieger-Tochter Vormund seyn könne. Von Vormundschaften der Soldaten, des Stiefvaters, der Räthe, der Geistlichen. Von denen, welche an die Unmündigen einen Anspruch haben. Von ehrlosen Personen. Ob die für mündig erklärten Vormünder seyn können. Welche Zahl Kinder von der Vormundschafts-Last befreye. Für welche Obrigkeit die Bevormundung gehöre. Von Bestellung eines Neben-Vormundes. Ob ein der Obrigkeit nicht Unterworfener zum Vormund anzunehmen. Von der Vormundes Macht und Gewalt. Von Besorgung der Bevormundung. Von der Rechnungs-Ablegung und Verwaltung. Von der Verfertigung eines Inventarii. Von Unterrichtung der Vormünder. Von der Jugend Erziehung. Von Ausleihung der Capitalien. Ob quitirte Rechnungen anzufechten. Was nach geendigter Vormundschaft dem mündig gewordenen selbst obliege. Von Veräußerung der unbeweglichen Güter. Ob dem Vormund eine Vergeltung gebühre. Wie der Vormund wegen seines Vorschusses gesichert sey. Recht der Pflegebefohlnen an des Vormunds Gütern. Von der Mündig-Erklärung.

Titul LXXVII. Von Testamenten und letzten Willen überhaupt.

Nach welchen Rechten selbige zu beurtheilen. Wann alle Feyerlichkeiten zu vermuthen seyn. Von einem in einem Umschlage verschlossenen letzten Willen. Von gerichtlich niedergelegten Testamenten und wie und wo die Niederlage geschehen könne. Von deren Zurücknehmung. Von dem Fall, da das Testament nicht würklich vorhanden ist. Von Tauben und Stummen. Von Schreibens-Unerfahrnen. Von Kranken und Schwachen. Von denen mit einer hitzigen Krankheit befallenen. Von Verordnungen zu einem gottseligen Gebrauch. Von denen zum Tode verdammten. Von Testamenten nach Lübischem Recht. Ob über Erbgut zu testiren. Von Stamm-Gütern. Von Familien-Fideicommissen. Ob ein Vater über das Lehn testiren könne. Von verschiedenen zu Erhaltung eines Testaments angehängten, oder anzunehmenden Clauseln. Von Widerrufung eines Testaments vor 7 Zeugen. Von verflossenen 10 Jahren nach Errichtung des Testaments. Von Testamenten der Soldaten und der Eltern und Kinder. Vom Testament bey Pestzeiten. Vom Codicill.

Titul LXXVIII. Von widerseitigen und rücksichtslichen Testamenten.

Ob sie unter Eheleuten unwiderruflich, und wie sie zu widerrufen. Von der Verbind- oder Unverbindlichkeit des überlebenden Ehegatten. Erörterung verschiedener dabey vorfallenden Fragen.

Titul LXXIX. Von den Pflichten der Eltern, Kinder und Brüder in Ansehung der Erbeinsetzung.

Ob ein Testament nichtig oder nur pflichtwidrig sey, wenn ein Vater die nicht unter seiner Gewalt stehenden Kinder oder eine Mutter ihre Kinder, imgleichen ein Kind seine Eltern vorbeygehe. Von der Enterbung, da gar keine, oder doch keine in den Gesetzen gebilligte Ursachen ausgedrücket worden. Ob andre als die in den Gesetzen namentlich ausgedrückten Ursachen der Enterbung Statt finden. Ob eine Enterbung auch bey angenommenen Kindern zulässig sey. Ob auch Halb-Brüder von mütterlicher Seite ihres Bruders Testament als pflichtwidrig anfechten können, und andere hiebey vorfallende Fragen. Von der Enterbung aus guter Absicht. Von einer erfolgten Aussöhnung. Besondere Rechtsfragen. Wie der Eltern und Brüder Pflichttheil zu rechnen. Verschiedene Fragen wegen Berechnung des Pflichttheils. Mehrere aus Land- und Stadt-Rechten vorfallenden Fragen, auch Erklärung der gemeinen Rechte. Von pflichtlichen Schenkungen. Von der Cautela Socini.

Titul LXXX. Von Erbeinsetzung und Substitution und Auftrag einer Zurückgabe der Erbschaft.

Von den Worten der Erbeinsetzung. Von Vorbehalt der Anzeige des Erben. Vom Stillschweigen der Erbeinsetzung. Von böslich erpreßter oder abgelockter Erbeinsetzung. Von den gemeinen und pupillarischen Substitutionen. Von universal Fideicommissen. Von der Rückgabe dessen, das bey des Erben Absterben übrig bleiben werde. Was die Kinder bey einem universal-Fideicommiß abziehen können. Mehrere Fragen vom Abzug des trebellianischen Viertels.

Titul LXXXI. Von Annehmung und Erwerbung der Erbschaft, auch Erbtheilung.

Ob die unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder beweisen müssen, daß sie sich der väterlichen Erbschaft enthalten. Von dem Vorfall, da der Erbe aus Unwissenheit oder sonst die Erbschaft nicht angetreten. Ob der Besitz ohne Ergreifung auf den Erben gehe. Von der Rechts-Wohlthat des Inventarii und Beraubung der damit verknüpften Vortheile. Von schuldiger Einwerfung in die Erbschaft, und was dahin zu rechnen. Wie weit Kindes-Kinder dazu verbunden. Wie weit die Einwerfung bey einem vorhandenen Testament Statt finde. Von Einwerfung der Kinder gegen die Frauen nach Stadt-Recht. Von Einsetzung der Erben in eines lang abwesenden Güter.

Titul LXXXII. Von Eröffnung der Testamente.

Welchergestalt bey denen ausser-gerichtlich vollzogenen Testamenten ein Unterschied zu machen sey.

Titul LXXXIII. Von dem Testaments-Vollstrecker.

Wie er anzusehen, und worin dessen Schuldigkeit und Gewalt bestehe. Ob ein Gericht durch Annehmung eines niedergelegten Testaments die Vollstreckung übernommen habe.

Titul LXXXIV. Von Vermächtnissen und besonderen Zurückgaben.

Unterschied der Vermächtnisse und besondere Zurückgaben. Von Vermächtnissen zu gottseligem Gebrauch. Von einem von dem Erben geschehenen mündlichen Auftrag. Vom Vermächtniß einer fremden Sache. Von Vermachung eines gemeinen Gutes. Von einem auf Gutfinden des Erben gestellten Vermächtniß. Von aufgegebener Vertheilung eines Vermächtnisses oder Erwählung zu demselben. Von Vermächtnissen eigener Schuld. Von Aufhebung eines Vermächtnisses. Von Zuwachs-Recht. Von der Bedingung nicht zu heyrathen. Von Aufhebung der Fideicommisse.

Titul LXXXV. Von denen gesetzlichen Erbschaften.

Von der Erbfolge solcher Kinder, deren Eltern sich antrauen zu lassen schuldig gewesen. Von denen in verbotenem Grade aus der Ehe erzeugten Kindern. Von denen im Ehebruch erzeugten, deren Eltern sich aber nachhero geheyrathet. Von Erbfolge der Mantel-Kinder in Lehn-Güter. Von der Erbfolge derer aus fürstlicher Gewalt für rechtmäßig erklärten Kinder. Von denen aus einer Ehe zur linken Hand erzeugten Kindern. Von der Erbfolge unehlicher Kinder. Von der Erbfolge derer Großeltern nebst denen leiblichen Geschwistern. Von Erbfolge derer Brüder-Kinder zugleich mit denen Eltern. Von der Erbfolge derer durch Einkindschaft zusammengebrachten Kinder. Von der Erbfolge zweyerley Halb-Geschwistern. Von der weitern Halb-Geburt. Von der Erbfolge derer Seiten-Verwandten im Lehn. Ob die Erbfolge der Stamm-Vettern im zehnten Grad aufhöre. Von der Erbfolge bey getheilten Lehnen. Von der Erbfolge unbemittelter Eheleute. Von Beerbung der Eheleute nach Stadt-Rechten.

Titul LXXXVI. Von der Erbfolge in Meyer-Gütern.

Wie die desfalls zu verhoffende Ehestiftung einzurichten und zu verstehen. Ob dazu der Geschwister Einwilligung nöthig sey. Von der Erbfolge der Kinder, Söhne und Töchter. Von der Erbfolge derer Nachkommen. Von der Erbfolge unehelicher und ausgestatteter Kinder.

Titul LXXXVII. Von Folgen aus Geding.

Ein einseitiges Versprechen der Erbfolge ist nicht bündig. Wie weit eine widerseitige Verschreibung bestehe. Von Eheleuten. Andere dabey vorfallende Fragen. Von dem Vertrage über die Erbschaft eines Dritten noch lebenden. Von der Adelichen Töchter oder Schwestern Entsagung der Erbschaft. Von Einkindschaften und dabey vorfallenden Fragen. Von der Sammt-Belehnung. Von Lehns- und andern Anwartschaften.

Titul LXXXVIII. Von Frohn-Diensten.

Titul LXXXIX. Vom Bau aus Eifersucht.

Titul XC. Von Schenkungen unter Lebendigen und auf den Todesfall.

Von gerichtlicher Einhändigung der Schenkungen unter den Lebendigen und denen dabey vorfallenden Zweifeln. Von der Schenkung aller Güter. Vom Zurückfall des Geschenkten wegen nachher geborner ehelicher Kinder. Von pflichtwidrigen Schenkungen. Wie weit eine Annehmung der Schenkung erforderlich sey. Von Schenkungen unter gewissen zu erfüllenden Bedingungen. Von der Verzinsung. Von Schenkung auf den Todesfall.

Titul XCI. Von Mühlen.

Von Anlegung neuer und Wiederherstellung eingegangener Mühlen. Von Bann- und Zwang-Mühlen. Von Roß-Mühlen und Erörterung der alten Mühlen.

Titul XCII. Von Krug-Gerechtigkeit.

Von wem die Ertheilung der Krug-Gerechtigkeit abhange. Von Zwangs-Krügen, und was unter Zwang begriffen.

Titul XCIII. Von der Jagd.

Von Herrschaftlichen und andern Wildbahnen und Forsten, und welche Zeit darin zu Verjährung der Jagd erforderlich. Von der einem jeden freyen Landsassen sonst zustehenden Nieder-Jagd. Von Vervielfältigung der Jagd. Von Verfolgung angeschossenen Wildes Vorbehalt.

Titul XCIV. Vom Besitz.

Ob der Besitz auf die Erben von selbst übergehe. Von der Besitznehmung in eines anderen Namen ohne ausdrückliche Vollmacht. Ob der Lehns-Herr das Lehn zugleich mit dem Lehn-Mann besitze. Von Besitznehmung eines erledigten Lehns. Vom Constituto possessorio. Wenn die Handhabung bey dem Besitz Statt finde, und wenn darüber hinauszugehen. Von der Entsetzung aus dem Besitz. Von der Selbst-Hülfe. Von der Bemächtigung einer unterpfändlich verschriebenen Sache. Von der Einweisung in Besitz einer Erbschaft aus einem mit keinem sichtbaren Mangel behafteten Testament. Vom Interdicto quorum bonorum.

Titul XCV. Vom Recht der Zurückhaltung fremder Dinge.

Wenn und wie weit dasselbe Statt finde.

Titul XCVI. Von Verjährung.

Welche Verjährung bey Guts-Dienstbarkeiten erforderlich sey. Von Verjährung der Dinge. Von freyem Gebrauch. Vorziehung der Kaiserlichen Rechte vor denen Canonischen. Von Verjährung persönlicher Anforderungen. Von der undenklichen Verjährung und deren Beweis.

Titul XCVII. Von Urtheil und Recht.

Von Gleichheit der Stimmen. Welchergestalt die Mehrheit der Stimmen zu beurtheilen. Welche Stimme für entscheidend anzusehen. Von Abfassung der Urtheile und Erkenntnisse. Von Abfassung peinlicher Urtheile bey den patrimonial-Gerichten. Von Rechtskraft der Urtheile in Ehe-Sachen. Von Würkung einer Rechtskraft gegen einen Dritten. Von Verjährung einer auf Vollstreckung eines Erkenntnisses gerichteten Klage. Wie weit Verwandschaft einen Besitzer von seiner Stimme ausschließe.

Titul XCVIII. Von Arresten.

Deren Stattnehmigkeit und Würkung.

Titul XCIX. Von exekutivischen Klagen.

Wann selbige eintreten.

Titul C. Vom Geständniß.

Titul CI. Von Indulten, Regulativen und Nachlassen der Gläubiger.

Wie bey gerichtlichen Regulativen und Indulten zu verfahren. Wie weit die Mehrheit der Gläubiger entscheide. Verschiedene bey dem Indult. Welche Schulden unter einem Indult nicht begriffen. Ob der Indult auch dem Bürgen zu gute komme. Was durch den Indult nicht rückgängig werde. Von neuen Schulden. Von Nachlassung eines Theils der Schuld.

Titul. CII. Von Berufung der Gläubiger.

Wie es damit zu halten, wenn die Güter in verschiedenen Gebieten belegen. Ob der Concurs alle andre Klagen an sich ziehe. Wenn der Concurs entstehet. Bestätigung und Erläuterung der Verordnung vom 2./13. Jan. 1750. Wie fern die nicht geschehene Anmeldung schade. Amt des Pflegers. Von den Concurs-Kosten. Wie bey Concursen zu verfahren. Welche Rechte von dem Richter zum Grunde zu legen. Von Zuerkennung Zinsen und Kosten. Vom persönlich privilegirten Gläubiger. Wie es wegen stadtpflichtiger Güter zu halten. Von Losschlag und Subhastirung der Güter. Vom Zinslauf wärenden Concurses. Ob gegen eine verspätete Anmeldung zum Nachtheil der bereits befriedigten Gläubiger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Platz nehme. welchergestalt gegen eine Erstigkeits-Urthel Rechtsmittel einzuwenden seyn. Was nach der Erstigkeits-Urthel vom Gerichte zu besorgen und wie den Gläubigern zu dem ihrigen zu verhelfen. Vom Überschuß des Concurses. Was eine zur Sicherheit der Erben oder eines Käufers ausgebrachte Berufung würke.

Titul CIII. Von Absonderung der Erbschaftlichen und der Erben Güter.

In wiefern es derselben nicht bedürfe.

Titul CIV. Von Veräußerungen eines unvermögenden Schuldners.

Von denen bey bevorstehendem Concurs geschehenen Veräußerungen. Von Zurückstoßung angefallener Erbschaften.

Titul CV. Von Teich-Sachen.

Titul CVI. Von den öffentlichen Straßen.

Titul CVII. Von Pfändungen.

Wenn und in welcher Maße sie Statt finden, und deren Würkung.

Titul CVIII. Von Veräußerungen streitiger Güter.

Titul CIX. Von Bürgschaften.

Von den Bürgschaften derer von Adel nach der Lüneburgschen Policey-Ordnung. Von Bürgschaften der Geistlichen und Militairpersonen. Von Verbürgungen des weiblichen Geschlechts, insonderheit derer Ehefrauen für ihre Ehemänner. Von des Bürgen Erben. Von den Rechts-Wohlthaten der Bürgen, und deren Entsagung. Von der Bürgen Entschädigung. Von Verbürgungen zu gesammter Hand.

Titul CX. Von Zahlung, Gegen-Rechnung und Befreyung.

Von der Kraft einer Quitung. Von vermutheter Zahlung. Wie das aus der Concurs-Masse Bezahlte anzurechnen. Wann und wiefern ein Gläubiger schuldig, Sachen Statt baaren Geldes anzunehmen. Von der Gegen-Rechnung einer erst nachhero klar gewordenen Schuld. Verschiedene bey Gegen-Rechnungen vorfallende Fragen.

Titul CXI. Von Injurien-Klagen.

Titul CXII. Von denen wider ergangene Erkenntnisse stattnehmigen Rechts-Mitteln.

Von der Appellation in peinlichen Sachen. Ob ein Denunciant und ein Ankläger appellieren könne. Vom General-Krieges-Gericht. Von Polizey-Strafen. Von andern Geld-Strafen. Von der Appellations-Summe. Von Halsstarrigungehorsamen. Wo die Appellation einzulegen. Von Nachsuchung der Acten. Von Einführung der Appellation bey dem Ober-Appellations-Gericht. Welcher Richter gegen das begangene Versäumniß in den vorigen Stand setze. Von der Verwerfung der Appellationen und wie bey denen Partheyen dabey zu helfen. Von der Verbesserung durch Rescripta. Vom possessorio summariissimo und momentaneo. Von Aliment-Sachen, exekutivischen Schuld-Klagen, Teich-Sachen und wo schleunige Hülfe erforderlich. Von Entsagung der Appellation. Von Pacht-Sachen. Ob wegen der Kosten appelliret werden könne. Wenn der Unterrichter fortfahren könne. Von der Appellation in Lehns-Sachen. Wie weit die Appellation eine beiden Teilen gemeine Rechts-Wohlthat sey. Wie nach erkannten Processen künftig bey allen höhern Gerichten zu verfahren sey. Von dem Fall, da die eine Parthey an dieses, die andre an ein anders höheres Gericht appelliret, oder der eine appelliret, und der andere leuteriret oder suppliciret. Ob der Ober-Richter bey einer Appellation über ein Bey-Urtheil in der Hauptsache erkennen möge. Von der Leuterung und Supplication. Von denen remediis restitutionis in integrum und querelae nullitatis.

Titul CXIII. Vom Mäkler-Lohn.

Titul CXIV. Von Gelübden und Antragungen.

Titul CXV. Vom Diebstahl.

Wie die mancherley Arten von Diebstähle zu bestrafen, wobey die peinliche Hals-Gerichts-Ordnung sowohl als die Landes-Ordnungen theils erläutert, theils anders bestimmt werden.

Titul CXVI. Vom Raub.

Titul CXVII. Vom Brand.

Titul CXVIII. Von Fälschern.

Titul CXIX. Von denen, welche sich in einem Testament, Erbfolge-Gedingen oder Schenkungen etwas zuschreiben.

Titul CXX. Von Münz-Fälschern.

Titul CXXI. Von Gottes-Lästerungen.

Titul CXXII. Von denen Vergehen wider die Eltern.

Titul CXXIII. Von fleischlichen Verbrechen.

Titul CXXIV. Von Mord und Todtschlag.

Titul CXXV. Vom Meineid.

Titul CXXVI. Von Veruntreuung anvertrauter öffentlicher Gelder.

Titul CXXVII. Welchergestalt bey denen innerhalb denen geschlossenen Unter-Gerichten oder freyen Adelichen Sitzen und Kloster-Bezirken begangenen peinlichen Verbrechen zu verfahren.

Titul CXXVIII. Von Wort-Andeutungen.

Titul CXXIX. Von Rechts-Regeln.

Entwurf eines auf Veranlassung des weiland Herrn Geheimten Raths von Behr verfaßten CODICIS GEORGIANI

Wir Georg der Dritte, von Gottes Gnaden, König in Großbritannien, Frankreich und Jrrland, Beschützer des Glaubens, des heiligen Römischen Reichs Erz-Schatz-Meister und Churfürst. Fügen zu wissen, demnach Wir seit Antritt der Regierung Unserer Teutschen Länder mehrmalen vernommen, in welcher großen Ungewißheit die in denen dortigen Gerichten zu beobachtende Rechte schweben, wie es eines Theils bezweifelt werde, wie weit das beschriebene Kaiserliche Recht sowol als das Canonische in denen Gerichten gelte, oder auch eines dem andern nachstehe, weniger nicht, welche Meinung derer Rechtes Gelahrten in denen so vielen streitigen Rechtsfragen anzunehmen sey, bey denen Lehn-Rechten ebenfalls mannigfache Zweifel obwalten, daneben vieles zumal von neuern Rechtsgelehrten als denen Gewohnheiten gemäß, und als ein vermeintes Deutsches Recht ausgegeben wurde, welches doch nicht geringen Theils auf sehr ungewissen Gründen beruhe, vieles jedennoch auch, was würklich in den Gewohnheiten seinen Grund habe, gleichwol in manchen Dingen Zweifel unterworfen sey, endlich auch insonderheit die Bestrafung der peinlichen Verbrechen, wie überhaupt bey der hierin nicht durchgehends deutlich genug verfolgten peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Kaisers Carl des fünften, auch einigen nachhero veränderten äusserlichen Umständen eine nähere Bestimmung erfordern, so haben Wir uns gnädigst entschlossen, ein gewisses Gesetz-Buch, so weit Wir es vor der Hand nöthig gefunden haben, zusammen tragen zu lassen, wobey wir die Absicht geheget haben, nicht sowol die in Unsern Landen eingeführte Rechte aufzuheben, als welche Wir vielmehr durchaus beybehalten, sondern nur zu Unserer sämmtlichen Teutschen Unterthanen Besten das Ungewisse und zwar solcher Gestalt näher zu bestimmen, wie es sowol die Sache selbst, als auch insonderheit die gemeine Wolfahrt Unserer Teutschen Länder es Uns zu erfordern geschienen hat. Wobey wir jedoch dasjenige, was die etwanigen Rechte Unserer Landsassen betrifft, soweit es nicht etwan durch gerichtliche Erkenntnisse bereits entschieden worden, gänzlich unverletzt erhalten haben. Wir gebieten und befehlen demnach allen hohen und niedern Gerichten Unserer Teutschen Lande dieses Unser Gesetz-Buch, wie überhaupt hinkünftig, also auch da es nur zur Auslegung der bisherigen Gesetze gereichet, und in bürgerlichen Sachen für kein neu Gesetz anzusehen ist, in denen bereits rechtshängigen Sachen sich zur Richtschnur dienen zu lassen. Gegeben . . .

Titul I. Von Gesetzen und Gewohnheiten, Statuten, Ordnungen und Privilegien.

Titel 1 § 1

§ 1. Es ist Uns des mehrern unterthänigst vorgetragen, wie große Ungewißheit in denen gemeinen beschriebenen Rechten herrsche. Ob Wir nun schon eben daher Uns gnädigst bewogen gefunden, die Uns bekannt gemachte Zweifel durch dieses Unser Gesetz-Buch, und zwar solchergestalt, wie Wir es zugleich dem gemeinen Besten nützlich erachtet, zu entscheiden, so dürfte es doch in der Folge auch an neuen Schwürigkeiten bey dem Gebrauch und der Erklärung der Rechte nicht fehlen. Wir wollen demnach, daß Unsere hohem Gerichte, insonderheit Unser Ober-Appellations-Gericht, solche vorkommende Fälle, worin streitige Rechts-Fragen vorgekommen, und die Gründe der jedesmaligen Entscheidung in einem besondern Buche fleißig und genau aufzeichnen lassen, und nach Ablauf eines jeden Jahres an Uns einsenden, damit Wir sodann bestimmen können, ob in allen andern künftigen Fällen ein gleiches anzunehmen und zu einer allgemeinen beständigen Richtschnur zu setzen sey.

Titel 1 § 2

§ 2. Da auf das Römische Recht in Unsern Herzogthümern Braunschweig und Lüneburg mit Abschaffung des Sächsischen Rechts, welches ohnehin dem Vernehmen nach eigentlich nur in Gewohnheiten bestanden, durch die Gerichts-Ordnung vorlängst eingeführet ist, und in Ansehung der Herzogthümer Bremen und Verden durch die Wißmarsche TribunalOrdnung am Ende des Prooemii ein gleiches geschehen ist, so soll überhaupt dessen Aufnahme in erwehnten Unsern Ländern nicht bezweifelt werden, und muß derjenige, welcher auf eine widerseitige Gewohnheit sich gegründet, solches beweisen.

Titel 1 § 3

§ 3. Als auch bereits in der jüngsten Lauenburgischen Hof-GerichtsOrdnung in Ansehung der Sächsischen Rechte versehen ist, daß, so weit sie in Observanz gediehen, und, wie das Sachsen-Recht von Alters her in selbigem Fürstenthum recipiret, und durch bisherigen Gerichts-Bräuqh in Observanz kommen, vor denen gemeinen Rechten den Vorzug haben, und alsdann erst, wo dieses aufhöret, gedachte gemeine Rechte eintreten sollen, mithin, wenn der Sachsen-Spiegel nicht etwan zu einer Erklärung einiger unstreitig üblichen Rechte dienet, von demjenigen, welcher sich darin begründet, dessen Recipirung und Observanz erwiesen werden muß, dem zu Folge auch durch die Landes-Resolution de 1702 nur das allda übliche Sachsen-Recht bestätiget worden, und durch die nach ausgebrachtem Privilegio de non appellando denen Ständen a. 1748 ertheilte Resolution das Sachsen-Recht nur, in so weit es bestätiget sey, versichert worden, überdem auch das Lauenburgische Hof-Gericht schon a. 1703 bey einer Anfrage an weil. Herrn Herzog Georg Wilhelm Christmildesten Andenkens berichtet, daß die SachsenRechte nach der Hof-Gerichts-Ordnung nicht pure, sondern nur, in so weit und wie sie eine beständige Observanz hergebracht, recipiret seyn, und vorgedachter Herzog darin demselben beygepflichtet, so haben Wir dienlich gefunden, zu Hebung alles etwanigen Zweifels diese Erklärung nochmals abzugeben. Anmerkung: Es ist zwar diese Bestimmung meiner eigenen Überzeugung und der Meinung der Lauenburgischen Landschaft gemäß, ja diese hat sogar um eine solche authentische Erklärung nachgesuchet. Ich muß jedoch bemerken, daß darüber ein Gutachten des Ober-Appellations-Gerichts erfordert, und solches noch nicht erstattet worden ist, per majora dieses Collegii auch einmal anders erkannt worden.

Titel 1 § 4

§ 4. Das Canonische Recht ist in demjenigen beyzubehalten, was darin seinen Ursprung findet, in so weit es nicht denen jetzigen Verfassungen oder Kirchen-Sätzen zuwider ist.

Titel 1 § 5

§ 5. Da in Ansehung der Lehen dem Longobardischen Rechte bisher in Unsem Gerichten nachgegangen worden, so lassen Wir es dabey, jedoch nur in so weit die Verfassung der Lehne in Unsem deutschen Landen ein anders nicht bestimmet und erfordert.

Titel 1 § 6

§ 6. Es sollen auch die beschriebenen gemeinen Rechte blos um deswillen keinen Abfall leiden, daß etwan die heutige Verfassung mit der Römischen oder auch sonst der ehemaligen ältern nicht völlig übereinstimmet, oder auch nicht alle Gründe weiter zutreffen, welche zu einem oder andern Gesetze in ältern Zeiten die Veranlassung gegeben haben. Wir erklären vielmehr, was darunter etwa bisher geschehen, so fern es nicht auf beybehaltene ältere Gewohnheiten sich gründet, oder von Uns oder Unsern Vorfahren am Regiment würklich gebilliget worden, für irrig und unkräftig.

Titel 1 § 7

§ 7. Es soll demnach das sogenannte deutsche Recht, in so fern es nicht auf ungezweifeltes Herkommen in Unsem Landen sich gründet, oder durch Gesetze bestätiget ist, zumal es ohnehin, wenigstens nicht durchgehends, in völliger Gewißheit beruhet, nicht anders als zu Erläuterung und Erklärung solcher Dinge, Statuten und Gewohnheiten zu Hülfe genommen werden, welche in denen alten deutschen Gewohnheiten und Rechten ihren Grund und Ursprung finden, und in solchem Fall muß es allerdings denen Römischen Rechten Vorgehen.

Titel 1 § 8

§ 8. Wenn es darauf ankommt, ob in Unsern deutschen Landen etwas aus denen vormals darin üblich gewesenen Sächsischen Rechten an einem oder andern Orte beybehalten worden, so ist dazu hinlänglich solches durch einen einzigen Vorfall aus neuern Zeiten darzuthun, wobey denn auch zu erweisen nicht nöthig ist, daß darüber im Gerichte gestritten, und die Sache durch Urthel und Recht solchergestalt entschieden sey, wenn nur der Vorfall so beschaffen gewesen, daß dafür gehalten worden, daß es denen Rechten und Gewohnheiten des Orts gemäß sey und so und nicht anders geschehen müssen.

Titel 1 § 9

§ 9. Da auch Unsre deutschen Länder aus mehrern Fürstenthümern und Grafschaften bestehen, welche unter sich in keiner Verbindung begriffen sind, so kann von dem Herkommen des einen Landes auf das andre nicht geschlossen werden.

Titel 1 § 10

§ 10. Vielweniger soll dieses von andern Ländern, wenn es auch die mehresten Provinzen Deutschlands wären, geschehen.

Titel 1 § 11

§ 11. Noch weniger kann das bloße Zeugniß derer Rechtslehrer dazu für hinreichend angenommen werden, es mag eine allgemeine oder besondere Gewohnheit betreffen.

Titel 1 § 12

§ 12. Auch eines Richters Zeugniß über eine Gewohnheit kann nicht anders von Beweiskraft seyn, als wenn darin die vorgekommenen besonderen Fälle namentlich und umständlich aus denen gerichtlichen Acten aufgeführet sind.

Titel 1 § 13

§ 13. Da die Gewohnheiten ein unbeschriebenes Recht sind, welches in dem bisherigen Gebrauch sich gründet, so muß, wenn es nicht bereits einmal gerichtlich auf geschehenen Widerspruch dafür erkannt worden, erwiesen werden, daß es an dem Ort oder in der Gegend insgemein so und nicht anders bisher für Recht gehalten worden, wobey jedoch auch der Grund dieses Urthels nachzuforschen ist.

Titel 1 § 14

§ 14. Insonderheit aber muß zugleich der Gebrauch selbst bewiesen werden, wofern solcher nicht durch eine richterliche Entscheidung bereits vorhin außer Zweifel gesetzet wäre. Hiebey müssen die ehemaligen Vorfälle, in welchen es so gehalten worden, mit allen sachdienlichen Umständen, insonderheit aber auch zugleich mit eingezeuget werden, daß dabey geglaubet sey, gestalten es so und nicht anders geschehen müsse.

Titel 1 § 15

§ 15. Was die Anzahl der Vorfälle und die Zeit betrifft, wornach das Alter einer Gewohnheit zu beurtheilen, so wollen Wir zwar darunter wegen derer, insonderheit bey lokal-Gewohnheiten, damit verknüpften schwürigkeiten nichts gewisses bestimmen. Es müssen aber die zum Beweis erwählte Zeugen von solchem Alter und Erfahrung, auch des Orts oder der Gegend so kundig seyn, daß man bey ihnen eine Wissenschaft der vorgekommenen Fälle vermuthen kann, und ist es sodann genug, daß sie außer dem eingezeugten etwa einzigen Vorfälle mehr und das Gegentheil nicht angeben können.

Titel 1 § 16

§ 16. Wir billigen solchemnach allerdings, was die Rechtslehrer erfordern, daß es in den vorgekommenen Fällen allemal gleich und nicht anders gehalten worden.

Titel 1 § 17

§ 17. Dasjenige, worüber als über eine gemeinschädliche Sache Wir oder Unsre Vorfahren an der Regierung ein Mißvergnügen bezeiget haben, kann durch keine Gewohnheit recht werden.

Titel 1 § 18

§ 18. Eben wenig kann daher ein Straf-Gesetz dadurch ausser Kraft gerathen, daß es etwa bishero aus Nachsicht der Richter nicht befolget worden, oder auch die Mißhandlungen zu keiner Rüge gekommen, und dahero unbestraft geblieben.

Titel 1 § 19

§ 19. Es kann auch dasjenige, was an sich unvernünftig, übel und unrecht ist, oder denen Unordnungen, Betrügereyen, falschen Eidschwüren, und dergleichen Thor und Thür eröffnet, durch keine Gewohnheit gültig werden, da die einem Landesherrn obliegende Beförderung der Ehre Gottes und der Wohlfahrt seiner Unterthanen solches zu billigen nie verstattet.

Titel 1 § 20

§ 20. Es kann auch eine Gewohnheit von einer Stadt, Flecken oder Amt auf das andre nicht gezogen werden.

Titel 1 § 21

§ 21. Aus Vergleichen kann überall keine gültige Gewohnheit dargeleget werden, es wäre denn, daß dabey ein Rechts-Satz als ungezweifelt zum Grunde geleget, und nur das Quantum behandelt worden.

Titel 1 § 22

§ 22. Wie die Meinungen derer Rechts-Lehrer keine Richtschnur abgeben, also mögen auch die in den Gerichten bisher angenommene Erklärungen der Gesetze dazu nicht dienen, wenn sie auch in den sämmtlichen Gerichten Unsrer deutschen Länder wären befolget worden.

Titel 1 § 23

§ 23. überall können Wir in Rechts-Streitigkeiten, wenn sie auch nicht blos die Erklärung der Gesetze betreffen, derer Gerichte gehegte Meinungen, ob sie schon etwa bisher durchgehends überhand genommen, für kein Recht gelten lassen. Was sich aber auf wohlgeprüfte Gewohnheiten gründet, dabey muß es ferner bleiben.

Titel 1 § 24

§ 24. Was aber bloße Observanzien betrifft, welche in einem nicht allgemeinen, sondern besondern Herkommen, es sey in Collegien oder Familien bestehet, so können solche kein unbeschriebenes Recht ausmachen, noch insonderheit andre, welche daran keinen Theil genommen, noch zu nehmen schuldig sind, wider ihren Willen verbinden.

Titel 1 § 25

§ 25. Neue Gesetze mögen nicht auf vorhergehende Fälle angewendet werden. Wird aber ein älteres Gesetz dadurch nur erkläret, so findet es bey noch nicht gänzlich entschiedenen Fällen seine Zuneigung.

Titel 1 § 26

§ 26. Ob wohl solche Stadt-Gesetze und Statuten, welche in alten Gewohnheiten beruhen, wenn sie von dem Magistrat selbst beschrieben worden, keiner besondern Landesherrlichen Bestätigung bedürfen, so kann doch ohne dieselbe kein neues Stadt-Gesetze errichtet werden.

Titel 1 § 27

§ 27. Auch können Wir keinem Capitul, Kloster oder Collegio zugestehen, ohne Unsre Landesherrliche Genehmigung Statuten zu errichten, und dadurch ihre Nachfolger und andre zu verbinden.

Titel 1 § 28

§ 28. Die Artikul-Briefe der Zünfte und Gilden bleiben, wenn sie gleich Landesherrlich bestätiget worden, in ihrer innerlichen Einrichtung allemal der Gewalt des Landesherrn unterworfen, und können von demselben befundenen Umständen nach verändert, gemindert und vermehret werden. Es können auch die Zünfte und Gilden daraus kein Recht sich anmaßen, Unsre Regierung in Ansehung eines zuzulassenden Frey-Meisters, oder andrer zu deren Nachtheil gereichenden Abänderung vorzuschreiben, wenn ihnen nicht bei Bestätigung der Gilde-Briefe von der Landesherrschaft versprochen worden, solche zu ihrem Nachtheil auf keine Weise zu verändern.

Titel 1 § 29

§ 29. Die Willkühre und Statuten Unsrer Land-Städte finden nicht allein bey den würklichen Bürgern, sondern auch bey allen übrigen Einwohnern der Stadt ihre Anwendung, wenn sie nicht von der Botmäßigkeit der Stadt-Obrigkeit ausgenommen sind.

Titel 1 § 30

§ 30. In Dingen, welche eine persönliche Eigenschaft betreffen, finden jederzeit, auch außerhalb dem Orte des Aufenthalts, diejenigen Rechte Anwendung, welchen die Person unterworfen ist.

Titel 1 § 31

§ 31. Kommt es aber auf die Eigenschaften unbeweglicher Güter oder auf deren Veräußerung an, so sind die Gesetze zum Grunde zu nehmen, wo die Güter belegen sind.

Titel 1 § 32

§ 32. In Verträgen ist auf die Rechte des Orts zu sehen, wo der Vertrag geschlossen ist, so fern es jedoch nicht auf persönliche Eigenschaften ankommt.

Titel 1 § 33

§ 33. Unsre Gerichte sind keineswegs befugt, auswärtige ihnen unbillig erscheinende Rechte, wenn sie schon gegen Unsre Unterthanen ausgeübet worden, gegen die fremde aus solchem auswärtigen Gebiete zu retorquiren. Wenn aber in auswärtigen Gebieten etwas blos zum Nachtheil derer daselbst nicht wohnenden Fremden angenommen und auch gegen Unsre Unterthanen ausgeübet wäre, haben die Gerichte davon an Uns und Unsre Landes-Regierung zu berichten.

Titel 1 § 34

§ 34. Am wenigsten aber können wir gestatten, daß besondere Statuten, welche mit Bewilligung Unser oder Unsrer in Gott ruhenden Vorfahren errichtet sind, in unsern Landen gegen einen solchen Ort retorquiret werden.

Titel 1 § 35

§ 35. Niemanden als allein Uns selbst kann zustehen, von Gesetzen zu dispensiren, so fern nicht etwa solches ein und andern Unsern Obrigkeiten und Gerichten von Uns oder Unsern Vorfahren an der Regierung über besondre nicht wichtige, auch zuweilen keinen Aufschub leidende Fälle verstattet worden.

Titel 1 § 36

§ 36. Was Privilegien anbetrifft, so bestimmen Wir gnädigst, daß nur dergleichen dafür anzunehmen sey, was von beschriebenen Gesetzen eine Ausnahme machet, folglich nichts darunter zu ziehen stehe, was von bloßen Gewohnheiten, oder allenfalls deutschen Sitten, abweichet.

Titel 1 § 37

§ 37. Wenn Wir als Landesherr Privilegien ertheilen, oder auch Unsre in Gott ruhende Vorfahren dergleichen ertheilet haben, so sind dieselben nach ihrer wahren Meinung und gehegten Absicht der Sache gemäß zu erklären. Sie können mithin so wenig nach einiger Rechtslehrer Meinung im weitesten, als wenig auch im engesten Verstände genommen werden. Es verstehet sich jedoch hiebey, wie bey allen Unsern Verordnungen, daß niemandem ein bereits würklich gehabtes Recht entzogen werde.

Titel 1 § 38

§ 38. Da auch die Gnaden-Bezeigungen eines Landesherrn dahin zu nehmen sind, daß sie Verdienste um den Herrn und das gemeine Wesen zum Grunde haben, so werden Wir und Unsre Nachfolger auch solche nach Gefallen nicht zurücknehmen.

Titel 1 § 39

§ 39. Es können aber Privilegien auch durch Verjährung erworben werden, wobey es in Ansehung der Zeit darauf ankommt, ob unser oder Unsrer Cammer, oder andrer Unsrer Unterthanen Nachtheil darunter abschwebet.

Titel 1 § 40

§ 40. Da auch an der andern Seite die Privilegien durch einen Nicht-Gebrauch verloren gehen, so billigen Wir hier die Meinung derjenigen Rechtslehrer, welche dazu einen Zeit-Verlauf von zehn Jahren annehmen, wenn nämlich der oder diejenigen, deren Rechte dadurch eingeschränket gewesen, eine Freyheit ihres Rechts binnen solcher Zeit genossen haben.

Titel 1 § 41

§ 41. Wenn die von denen gottseligen Vorfahren verliehene Privilegien von denen Nachfolgern an der Regierung ohne vorgängige Untersuchung bestätiget worden, so hat es, da eine bloße Bestätigung nichts neues geben soll, nach der Natur der Sache selbst keine andre Meinung gehabt, noch haben können, als daß nur die noch würklich im Gebrauch behaltene aufs neue versichert, nicht aber zugleich die durch den Nicht-Gebrauch bereits erloschene wieder hergestellt werden. Ist aber die Bestätigung nach vorhergegangener Untersuchung geschehen, so ist es anzusehen, als ob das verlorne Recht aufs neue wieder ertheilet worden.

Titel 1 § 42

§ 42. Gleichwie aber auch Privilegien von dem regierenden Landesherrn Kraft dessen Landesfürstlichen Macht und Gewalt ertheilet werden, also wollen Wir Uns auch als Nachfolger an der Regierung solche zu halten für verbunden erkennen, wenn Wir schon von dem Geber nicht abstammen, noch dessen Erben geworden sind.

Titel 1 § 43

§ 43. Keine Erklärung der Gesetze kann bestehen, welche mit der Billigkeit streitet.

Titel 1 § 44

§ 44. Es ist aber nur das für billig anzusehen, was gemeinnützig ist, und die Beurtheilung der Billigkeit muß von keinem bloßen Mitleiden regieret werden, wenn nicht solche Schwachheiten vorfallen, welche auch einem jeden andern ohne einige desselben Schuld begegnen können.

Titul II. Von Juden.

Titel 2 § 1

§ 1. Es ist zwar in dem Reichs-Abschiede von 1551 zu mehrerer Verhütung alles Betrugs und verbotenen Wuchers versehen, daß die von Christen auf Juden ausgestellte Verschreibungen nicht anders gültig seyn sollen, als wenn sie von der Obrigkeit, worunter der Christ wohnet, errichtet worden. Da aber durch Unsre Landesherrliche Vergeleitung denen in unsern Schutz genommenen Juden, außer was durch besondre Landes-Gesetze, oder durch den Schutz-Brief eingeschränket ist, freyer Handel und Wandel in Unsern Deutschen Landen, gleich andern Unterthanen, verstattet wird, dahero auch, wie Wir vernehmen, Unsre Gerichte sothanem Reichs-Gesetz nicht weiter nachgehen, so soll dasselbe auch künftig in Ansehung Unsrer Schutz-Juden nicht weiter in Betracht gezogen werden.

Titel 2 § 2

§ 2. Wenn auch bey Unsern Gerichten darüber gezweifelt ist, ob, wenn Juden ihre an Christen habende Forderungen einem Christen übertragen, denen Reichs-Abschieden annoch nachzugehen, mithin auf den Verlust der Forderung zu erkennen sey, so kann dieses zwar bey denen von Uns vergeleiteten Juden in Unsern Deutschen Landen nicht Statt finden, noch auch, wenn an demselben Orte, wo die Übertragung geschehen, der Jude von der Landesherrschaft den Schutz genossen, weil im letztem Falle jederzeit denen Rechten des Orts des Contracts zu folgen ist. Sonst aber müssen Unsre Gerichte sowohl bey unvergleiteten, als auch bey auswärts vergleiteten Juden nach dem Buchstaben der Reichs-Gesetze erkennen.

Titel 2 § 3

§ 3. Geschiehet hingegen die Übertragung mit Einwilligung des Schuldners durch eine Delegation, so mögen die vorangezogene Reichs-Gesetze überall keine Anwendung finden.

Titel 2 § 4

§ 4. Gleichwie nun auch unser Ober-Appellations-Gericht wider die Inhaber der Adelichen geschlossenen Gerichte des Fürstenthums Göttingen erkannt, daß sie auch einst durch undenkliche Verjährung das Recht, Juden in ihren Gerichten zu vergleiten, erwerben mögen, also mögen Wir auch sonst, da die Schutz-Ertheilung den freyen Handel und Wandel nach sich ziehet, keinem Adlichen Gerichte noch Städten in unsern Landen, Juden aufzunehmen, verstatten.

Titel 2 § 5

§ 5. Da auch die vergleitete Juden in Unserm besonderm Schutz stehen, und dahero die Schutz-Briefe derer in denen Städten sich niederlassenden dahin gelassen zu werden pflegen, daß die Juden in persönlichen Sachen blos bey Unsem Ämtern in erster Instanz Recht geben und nehmen sollen, so ist dieses zwar nicht dahin zu deuten, daß sie als Kläger einen Unsrer Unterthanen von seinem Gerichts-Orte weg an die Ämter ziehen mögen. Wenn sie jedoch in persönlichen Sachen verklaget, oder wegen bruchfälliger Verbrechen angesprochen werden wollten, so gehören beyde Fälle vor Unsre Ämter, und kann der Stadt-Magistrat weder aus dem Grunde der häuslichen Wohnung noch aus dem Grunde des fori delicti commissi selbige an sich ziehen. Als wie Wir insonderheit von dem letztem Falle vernehmen, daß auch Unser Ober-Appellations-Gericht also erkannt hat.

Titel 2 § 6

§ 6. Ob auch schon so viel in Unsern Calenbergischen, als auch nachher in Unsem Lüneburgschen und Hoyaischen Landen die Juden mit einem besondern Land-Rabbiner begnadiget worden, und denn in Ansehung des Lüneburgischen und Hoyaischen Zweifel entstanden, ob der Land-Rabbiner auch andre bürgerliche Sachen, welche nicht die Haltung des Mosaischen Gesetzes betreffen, entscheiden möge, so billigen Wir die Auslegung Unsers Ober-Appellations-Gerichts, daß der letzte Begnadigungs-Brief aus dem ersten zu erklären sey, mithin eine Entscheidung nicht anders, als in Sachen aus dem Mosaischen Gesetz eintrete.

Titul III. Von der väterlichen Gewalt und deren Aufhebung.

Titel 3 § 1

§ 1. Da Uns hinterbradit worden, daß unter denen neuern Rechtsgelehrten viel Zweifel darüber entstanden, ob die väterliche Gewalt in derjenigen Gestalt, welche sie in denen neuern Römischen Rechten hat, annoch würklich gelte; Wir aber um so weniger einigen Grund absehen, diese Rechte zu verändern, als auf das Ansehen des Haus-Vaters ein großer Theil der Wohlfahrt des Staats sich gründet, dieser Meinung ohnehin bey Unsern Gerichten bisher nachgegangen ist, so lassen Wir es auch dabey schlechterdings bewenden.

Titel 3 § 2

§ 2. Ob nun aber wohl verschiedene Rechtslehrer aus vermeinten Deutschen Rechten auch einer Mutter nach des Vaters Tode gleiche Gewalt zuschreiben wollen, so mögen Wir doch solche Meinung um so weniger billigen, als dieselbe nicht allein bislang in unsern Gerichten nicht angenommen worden, sondern auch dadurch sowohl die allgemeinen Kaiserlichen, als auch die Reichs- und Landes-Gesetze in größte Verwirrung gerathen würden.

Titel 3 § 3

§ 3. Nachdemmalen auch Unsere Gerichte dahin erkennen, daß nach Deutschen Sitten eine Tochter durch eine gesetzmäßige Heyrath, ein Sohn aber, wenn er mit des Vaters Willen seinen eigenen Haushalt angestellet, dadurch von väterlicher Gewalt befreyet werde, so wollen Wir solches allerdings hiedurch bestätigen.

Titel 3 § 4

§ 4. Was die gemeinen Kaiserlichen Rechte in Ansehung der Würden verordnet haben, welche von väterlicher Gewalt befreyen, wollen Wir Unsern würklichen Räthen, und solchen Bedienten, die mit ihnen in gleichem Rang stehen, zueignen.

Titel 3 § 5

§ 5. Es stehet einem jeden frey, sein Kind auch selbst von seiner Gewalt frey zu sprechen, und kann dieses vor einer jeden Obrigkeit geschehen.

Titel 3 § 6

§ 6. Wenn die Kinder aus väterlicher Gewalt treten, höret zwar des Vaters Nießbrauch von dem Gut der Kinder auf. Als jedoch die gemeinen Kaiserlichen Rechte dem Vater verstatten, das halbe Gut des freygelassenen Kindes zum Nießbrauch Zeitlebens unter sich zu behalten, die Rechtslehrer aber dieses bey derjenigen Aufhebung der väterlichen Gewalt, welche durch Heyrath und eigenen Haushalt entstehet, bestreiten wollen, gleichwohl auch diese Freylassung ohne den Willen des Vaters nicht geschehen kann, und dem Vater freystehen würde, ein solches Kind vorher ausdrücklich frey zu lassen, und alsdann solche Halbscheid unter sich zu behalten, so halten Wir es billig zu seyn, das durch die neuern Gesetze ohnehin schon so sehr verringerte Recht des Vaters in diesem Stücke zu bestätigen.

Titel 3 § 7

§ 7. Es gehen aber der Kinder eigene Bedürfnisse dem väterlichen Nießbrauche überall vor.

Titel 3 § 8

§ 8. Die Kinder haben blos wegen desjenigen, was ihnen von ihrer Mutter, oder den mütterlichen Verwandten angefallen, ein stillschweigendes Unterpfand in des Vaters Gütern.

Titel 3 § 9

§ 9. Da auch die Rechte dem Vater an der Kinder Gütern eine weit größere Gewalt, als einem Vormunde, gelassen haben, so billigen Wir die Meinung derjenigen, welche ihm verstatten, ihm Nothfall, oder wenn es auch zu Abwendung des Schadens der Kinder oder auch zu Ablegung einiger derselben gereichet, deren unbewegliche Güter auch ohne der Obrigkeit Erkenntniß zu veräußern.

Titel 3 § 10

§ 10. Der Vater ist nicht schuldig, seinen Kindern ein eidliches Verzeichniß ihres Guts heraus zu geben.

Titel 3 § 11

§ 11. Auch ein durch Einkindschaft angenommener Vater hat den Nießbrauch von allen Gütern dieser Kinder, so lange sie sich nicht besonders niedergelassen haben.

Titel 3 § 12

§ 12. Es muß aber die Einkindschaft, wenn es auf die Veräußerung des Vermögens vaterloser Kinder ankommt, vor der Kinder ordentlicher Obrigkeit mit genügsamer Untersuchung gestiftet werden.

Titel 3 § 13

§ 13. Wenn der Mann beständig sich bey der Frau aufgehalten, kann auch der Mutter zum Nachtheil des Kindes nicht zugeglaubet werden, daß das Kind im Ehebruch erzeuget sey.

Titel 3 § 14

§ 14. Wenn ein Kind im Ehebruch erzeuget, die Eltern aber nachhero sich geheyrathet haben und heyrathen mögen, so wird, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht einst nach denen Canonischen Rechten erkannt hat, das vorher erzielte Kind durch die nachfolgende Ehe rechtmäßig, und das Kind kommt unter des Vaters Gewalt, wenn auch schon Kinder erster Ehe vorhanden sind.

Titel 3 § 15

§ 15. Wir tragen jedoch Bedenken, diese gänzliche Abweichung von denen gemeinen Kaiserlichen Rechten, welche auch zugleich auf dem irrigen Grundsatz eines Sacraments beruhet, weiter als in dem Fall Statt finden zu lassen, wenn die Mutter eine ledige Person gewesen, als wozu Wir um so mehr bewogen werden, weil eines Theils dieses nach denen Göttlichen und Kaiserlichen Rechten für einen Ehebruch nicht gehalten worden, andern Theils auch der von dem Pabst entschiedene Vorfall nur darin bestanden.

Titel 3 § 16

§ 16. Wir mögen auch zwar gestatten, daß uneheliche Kinder, um den Flecken ihrer Geburt auszulöschen, ohne Zuziehung ihres Vaters bey Uns oder einem Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen für ächt erkläret zu wer den, nachsuchen mögen. Sie sollen aber dadurch, obgleich einige RechtsLehrer ein anders bey Landesherrlichen Legitimationen behaupten wollen, die Rechte ehelicher Kinder nicht erhalten, und so wenig dem Vater als dessen Familie und rechtmäßigen Erben aufgedrungen werden, doch sollen ihnen, wenn es bey des Vaters Lebzeiten geschehen, wenn es keine im Ehebruch oder Blutschande erzeugte Kinder sind, die in denen Römischen Rechten beschriebene Rechte der natürlichen Kinder angedeyen.

Titul IV. Von der Dinge Eintheilung.

Titel 4 § 1

§ 1. Da nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten die Dinge in körperliche und unkörperliche, und erstere wiederum in bewegliche und unbewegliche eingetheilet werden, so vernehmen Wir, daß unter denen Rechtslehrern darüber Zweifel obwalte, ob die von einem Schuldner geschehene Verschreibung aller desselben beweg- und unbeweglichen Güter auch desselben aussenstehende Schulden und andre Ansprüche begreife, da diese denen gemeinen Rechten nach eine dritte Art der Güter ausmachen. Wie aber dieser aus ältern Zeiten beybehaltene Ausdruck darin seinen Grund hat, daß ehedem bey denen deutschen und denen Völkern deutscher Abkunft keine andre Eintheilung des Vermögens, als in bewegliche und unbewegliche, gewesen, wie auch noch jetzo selbst in Deutschland vieler Orten üblich geblieben, und die Absicht beider Theile auf die Verschreibung des ganzen Vermögens gegangen ist, so können auch daher ausstehende Schulden und andre Ansprüche nicht ausgeschlossen werden.

Titel 4 § 2

§ 2. Wenn es nach besonderen Statuten oder Gebräuchen Unsrer Lande in der Erbfolge darauf ankommt, ob, oder in wie fern ausstehende Ansprüche zu denen beweglichen oder unbeweglichen Gütern zu rechnen seyn, so ist zwar vor allen Dingen auf die Gewohnheit des Orts und die Erklärung von dessen Statuten zu sehen. Ist aber daraus die Sache nicht zu entscheiden, so billigen Wir die Meinung, daß alle ausstehende Schulden, was nicht unablösliche Renten oder ewige Abgiften sind, da sie gekündiget und an einen andern Ort geleget werden können, für beweglich zu halten seyn.

Titul V. Von heiligen Sachen.

Titel 5 § 1

§ 1. Obgleich die zum öffentlichen Gottesdienst gewidmete Sachen, wenn sie schon nicht, wie in der Römisch-Catholischen Kirche, geweihet werden, dennoch auch bey denen Evangelischen, also angesehen werden, daß sie allein zum Gottesdienst bestimmt seyn, mithin zu keinem andern weltlichen Gebrauch angewendet werden mögen, so kann doch diese Eigenschaft solcher Sachen nicht länger dauren, als die Bestimmung selbst dauret, welche von dem Entschluß jeder Kirche und deren Vorgesetzten abhänget. Wenn mithin es der Kirche nützlich angesehen wird, sich entbehrlicher heiligen Gefässe zu entschlagen, muß solches allerdings bestehen, und kann dagegen nicht eingewandt werden, daß heilige Sachen Göttlichen Rechts seyn, massen auch eine etwanige Einweihung nur die Absicht hat, es so lange zum Göttlichen Gebrauch zu bestimmen, als es von der Kirche und deren Vorgesetzten und Obern nöthig gefunden wird.

Titul VI. Von Bau und Besserung der Kirchen und geistlichen Gebäude.

Titel 6 § 1

§ 1. Wenn die Kirche in genügsamen Stande ist, ohne Angreifung des Stiftungs-Capitals aus eignem Vorrathe das Kirchen-Gebäude zu bauen und zu unterhalten, so müssen diese Bau- und Besserungs-Kosten, sie mögen groß oder geringe seyn, aus derselben Mitteln gestanden werden. Als gleichwohl an vielen Orten hergebracht ist, die Eingepfarrten gewisse Hand- und Spann-Dienste dazu leisten, so hat es auch dabey sein Bewenden.

Titel 6 § 2

§ 2. Sofern aber die Kirche dazu nicht im Stande ist, müssen die sämmtlichen Eingepfarrten, ohne Ausnahme, diese Last tragen.

Titel 6 § 3

§ 3. Was die übrigen geistlichen Gebäude anlanget, so vernehmen Wir, daß es in Ansehung Unsrer Calenbergischen Länder von Unserm dortigen Consistorio längst vor Ergehung der neuen Verordnung von 1733 für eine in diesem Fürstenthum und Ländern beständig hergebrachte Gewohnheit gehalten, und selbst der Kirchen-Ordnung gemäß angesehen worden, daß zwar die Kirchen, wenn sie so viel Mittel haben, sich selbst in wesentlichem Stande erhalten, und die Eingepfarrte dabey nichts, als die Hand- und Spann-Dienste abstatten, die Pfarr-, Wittwen-, Schul- und Küster-Häuser aber von der Gemeine jedes Orts gebauet und repariret werden müssen. Welches auch die Constitution vom Jahr 1733 als einen in Ansehung dortiger Fürstenthümer und Länder schon ausgemachten Satz beybehalten hat. Wenn demnach nicht ein oder andre Eingepfarrte oder Gemeinen eine Befreyung davon bey solchen Pfarr- und andern geistlichen Gebäuden rechtlicher Art nach erworben, sondern es blos auf die Vertheilung unter ihnen ankommt, so ist auch der angezogenen Verordnung von 1733 der Contributionsfuß schlechterdings, und auch zwischen mehrem Gemeinen, der etwanigen widrigen Observanzen ungehindert, zum Grunde zu legen. Als wie Wir in diesem Falle die Auslegung Unsers Ober-Appellations-Gerichts billigen.

Titel 6 § 4

§ 4. Wir tragen jedoch Bedenken, diese Auslegung in dem Falle gelten zu lassen, wenn zwischen mehrern Gemeinen vorhin durch besondere Verträge oder rechtskräftige Erkenntnisse ein gewisses Verhältniß festgesetzet worden, als welche Meinung es auch, so viel mehrern Gemeinen betrifft, bey Abfassung der Verordnung von 1747 nicht gehabt hat.

Titel 6 § 5

§ 5. In Ansehung Unsrer übrigen Deutschen Lande aber fällt die Bau- und Besserung der Pfarr- und andrer geistlichen Gebäude nur alsdenn, wenn die Kirche des Vermögens nicht ist, denen Eingepfarrten zur Last, wie auch in der Lüneburgschen Kirchen-Ordnung ausdrücklich versehen ist.

Titel 6 § 6

§ 6. Wir nehmen sonst auch den Satz der Canonisten an, daß, wer zur Besserung der Kirche und geistlichen Gebäude verpflichtet ist, auf gleiche Weise zum neuen Bau, oder auch zur nöthigen Vergrößerung der alten Gebäude verbunden sey.

Titel 6 § 7

§ 7. Wofern es aber nicht besonders hergebracht, so kann bey einer Pfarr-Kirche und denen dazu gehörigen geistlichen Gebäuden dem Patron die Bau- und Besserung nicht aufgebürdet werden. Ist die PatronatKirche aber keine Pfarr-Kirche, so hänget zwar die Erhaltung der Kirche selbst von dem Gutfinden des Patrons ab, die dabey stehende Prediger und Kirchen-Diener aber mögen gleichwohl gegen ihn, wie wegen des übrigen Gehalts, also auch auf eine bequeme Wohnung dringen.

Titul VII. Von Kirchen-Stühlen.

Titel 7 § 1

§ 1. Was in Ansehung der Kirchen-Stühle in Unsrer Lüneburgischen Kirchen-Ordnung versehen ist, wollen Wir hiemit, zumal es mit andern evangelischen Kirchen-Ordnungen übereinstimmet, in Unsern Deutschen Landen allgemein machen.

Titel 7 § 2

§ 2. Es soll demnach niemand ermächtiget seyn, einen Kirchen-Stuhl ohne Vorwissen und ausdrückliche Behebung der Kirchen-Herren und Juraten, auch, wenn die Sache wichtig, Unsers geistlichen Kirchen-Raths, einzunehmen, zu erbauen, zu verändern, zu verhandeln, zu vertauschen, zu vermiethen. Geschähe deren eines, soll solcher Stand der Kirche stracks eröffnet seyn, und andren gegen gebührliche Erstattung wieder eingethan werden. Welches auch bey Erb-Stühlen Statt finden soll.

Titel 7 § 3

§ 3. Ob gleich Erb-Stühle auch auf die Erben vererbet werden, so fället doch sonst nach des Besitzers Tode kein Stuhl, wenn er auch gekaufet worden, auf die Erben, doch soll dem nächsten Verwandten, und da dieser nicht wollte, dem nächstfolgenden erlaubt seyn, den Stuhl innerhalb vier Wochen wieder an sich zu kaufen, und zu bringen. Nach Verlauf solcher vier Wochen aber mögen die Juraten denselben einem andern außerhalb solcher Freundschaft wohl verkaufen oder vermiethen, und es soll hiebey keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Platz haben.

Titel 7 § 4

§ 4. Gleichwie aber auch in Unsrer Lüneburgschen Kirchen-Ordnung ausdrücklich enthalten ist, daß kein Stuhl jemanden erblich, sondern nur auf Lebenslang verkaufet werden möge, also mögen auch überhaupt in Unsern Deutschen Landen ohne Genehmigung Unsrer geistlichen RathStube keine Kirchen-Stühle erblich verkaufet, noch auch in Städten gewissen Häusern beygeleget werden. Doch wird hiedurch eine vierzigjährige Verjährung nicht ausgeschlossen.

Titel 7 § 5

§ 5. Einem Ehegatten soll des Verstorbenen Platz zwar bis zu anderweiter Verheyrathung vor andern gegönnet werden, jedoch daß immittelst der Kirche desfalls Miethe entrichtet werde, und nach anderweiter Verheyrathung der neue Ehegatte solchen binnen 14 Tagen nach gehaltener Hochzeit bey Verlust desselben an sich kaufe und baar bezahle.

Titel 7 § 6

§ 6. Bürger in den Städten und Flecken behalten zwar, wenn sie anders wohin ziehen, das Eigenthum ihres Standes Zeitlebens. Doch soll, so lange sie sich an dem Orte nicht aufhalten, denen Juraten erlaubt seyn, selbigen deren nächsten Verwandten auf ihr gebührliches Anhalten, oder, da diese dessen nicht bedürftig, jemand anders zu vermiethen, da denn inzwischen die Miethgelder der Kirche zufallen.

Titel 7 § 7

§ 7. Jn gleicher Maße soll es auch mit denen Erb-Stühlen gehalten werden, so lange der eigentliche Erbe und Besitzer außerhalb desselben Orts wohnt.

Titel 7 § 8

§ 8. Diejenigen aber, welche die Bürgerschaft nicht gewonnen, wie auch die an Orten, wo kein Bürger-Recht gehalten wird, seßhafte, verlieren das Eigenthum, sobald sie sich an einen andern Ort niedergelassen, doch soll in Ansehung der nächsten Verwandten auch hier dasjenige angenommen werden, was bey des Besitzers Absterben oben Titel 8 § 3 verordnet ist.

Titul VIII. Von Begräbnissen.

Titel 8 § 1

§ 1. Wo die Beläutung der Todten hergebracht ist, können die nächsten Angehörige solche auch alsdenn mit Recht verlangen, wenn ein Eingepfarrter auswärts gestorben und begraben ist, so lange er nicht an einem andern Orte sich häuslich niedergelassen hat, ungeachtet es die Kirche selbst in diesem Fall zu fordern nicht berechtigt ist. Es stehet gleichwohl Unsern geistlichen Rathstuben frey, das Beläuten überall oder befundenen Umständen nach bey einzelnen Gemeinen entweder aufzuheben oder einzuschränken.

Titel 8 § 2

§ 2. Wenn jemand, ohne sich anderswo niedergelassen zu haben, außerhalb seiner Pfarr-Gemeinde stirbt, kann denenjenigen, welche die Leiche besorgen, nicht verwehret werden, dieselbe von da wegzubringen und in des Verstorbenen Pfarr-Gemeine zur Erde bestatten zu lassen. Es kann auch, wenn solches geschiehet, an dem Orte des Absterbens für Prediger, Kirchen und Schule nichts gefordert werden. Geschiehet hingegen die Bestattung an dem Orte des Absterbens, so sind die hergebrachten Ausgaben und nicht zugleich an dem Orte, wo er eingepfarret gewesen, zu entrichten. Wie Wir denn auch vernommen haben, daß Unser Ober-Appellations-Gericht solchergestalt erkannt hat.

Titel 8 § 3

§ 3. Eine Leiche ohne Leichen-Paß durch ein Gebiet zu führen, kann nicht verstattet werden, sondern es ist desfalls derjenigen Obrigkeit, welche die peinlichen Gerichte hat, oder in geschlossenen Gerichten dem Gerichtsherrn gebührend anzuzeigen. Dieses ist jedoch auf die außerhalb den Städten befindliche Kirchhöfe, wenn dahin aus der Stadt Leichen zu bringen, nicht zu deuten.

Titel 8 § 4

§ 4. Es mögen aber bey Durchfuhr der Leichen keine Gebühren für Prediger oder Kirche und Schule begehret werden.

Titel 8 § 5

§ 5. Ist jemand an zwey Orten eingepfarret gewesen, so soll diejenige Pfarr-Kirche wegen der Leichen-Gebühren den Vorzug haben, wo er gestorben ist, wenn er zugleich daselbst begraben wird. Wird hingegen die Leiche in der andern Pfarr-Kirche beygesetzet, so sind die Gebühren unter beyden Kirchen zu theilen.

Titel 8 § 6

§ 6. Hat auch jemand ein Erb-Begräbniß seiner Vorfahren, so kann kein Pfarrherr die Beysetzung in demselben verwehren, so wenig, als wenn jemand ein Begräbniß an einem andern Ort sich erwählet hätte, doch mag in solchen Fällen die Kirche und den Kirchen-Dienem, wo er gestorben, an den Gebühren nichts entzogen werden, sondern es haben allenfalls die Erben wegen der an dem andern Orte etwa vorfallenden Bemühung sich mit solcher andern Kirche besonders abzufinden.

Titel 8 § 7

§ 7. Da Wir auch berichtet worden, daß an einigen Orten Unsrer Lande bey Beerdigung der Leichen sogar denen Schülern, wenn diese auch nicht einst mit zur Leiche folgen, ein gewisses gegeben werden müsse, so soll dieses, wenn sie nicht folgen, gänzlich abgestellet seyn.

Titel 8 § 8

§ 8. Wir wollen mm auch zwar, da es zum Unterhalt der Kirchen- und Schul-Diener gereichet, gern geschehen lassen, daß auch von ungetauften, auch todt, jedoch vollständig zur Welt gekommenen Kindern die gewöhnlichen Leichen-Gebühren gefordert werden. Doch können Wir solches von unvollständigen Kindern nicht gestatten.

Titul IX. Von Pfarr-Herren und Pfarr-Wittwen.

Titel 9 § 1

§ 1. Was wegen der Pfarr-Herren und Pfarr-Wittwen in Unsern KirchenOrdnungen oder andern Unsern Landes-Gesetzen versehen ist, dabey soll es, wenigstens vor der Hand, schlechterdings sein Verbleiben haben.

Titel 9 § 2

§ 2. Nachdem auch in dem Gandersheimschen Landtags-Abschiede Art. 1. verordnet ist, daß die Einsetz- und Einweisung des Predigers zwar in der Kirche von dem Superintendenten in Gegenwart des Gerichts-Herrn, außerhalb der Kirche in die Pfarr-Güter aber von dem Gerichts-Herrn in Gegenwart des Superintendenten geschehe, und dann bezweifelt werden wollen, ob dieses auch in Ansehung des Gerichts-Herrn eines Filial-Dorfs zu beobachten sey, Unser Ober-Appellations-Gericht aber auch dieses dem Sinne des gedachten Landtags-Abschiedes gemäß gehalten hat, so wollen Wir solche Erklärung hiedurch gnädigst bestätigen.

Titel 9 § 3

§ 3. Als an vielen Orten hergebracht, in Unsrer Lüneburgschen Kirchen-Ordnung C. 12 § 12. auch bestätiget ist, daß die Eingepfarrte auf dem Lande ihrem Pfarr-Herrn jährlich einen Schinken, dem Küster aber eine Schweine-Schulter reichen müssen-, die Pfunde-Zahl aber nicht durchgehends in völliger Gewißheit beruhet, so wollen Wir solche, wie auch von einigen Unsrer Gerichte angenommen ist, auf achtzehen Pfund setzen.

Titel 9 § 4

§ 4. Jn Ansehung der Pfarr-Wittwen ist Uns hinterbracht worden, daß insonderheit über den Verstand der Lüneburgischen Kirchen-Ordnung verschiedener Zweifel entstanden. Wir erklären Uns nun zuvörderst in Gnaden dahin, daß durch den Ausdruck: arme Wittwen, diejenigen, welche für sich etwas im Vermögen haben, keinesweges ausgeschlossen werden.

Titel 9 § 5

§ 5. Wann ferner die Frage verschiedentlich entstanden, ob in dem Fall, da einer Wittwe eine Wohnung oder Acker, Wiesen und Garten oder auch Mästung und das nöthige Holz nicht verschaffet werden könnte, die Gemeine solches derselben auf andre Weise vergüten müsse, und dann dieses allerdings mit dem Sinn der Lüneburgschen Kirchen-Ordnung übereinstimmet, solchem auch bislang in vorgekommenen Fällen nachgegangen ist, so wollen Wir, daß solches auch künftig geschehe.

Titel 9 § 6

§ 6. Kann gleichwohl durch Anweisung oder sonst der Wittwe das benöthigte verschaffet werden, so muß dieselbe allerdings damit zufrieden seyn, und kann von denen Eingepfarrten eine ihr etwan bequemere andre Erstattung nicht fordern.

Titul X. Vom Gnaden-Jahr der Prediger- und Superintendenten-Wittwen.

Titel 10 § 1

§ 1. Wir haben Uns unterthänigst vortragen lassen, welchergestalt wegen des denen Prediger- und Superintendenten-Wittwen gehörigen halben oder ganzen Gnaden-Jahrs Irrungen vorgefallen, was daran einer Wittwe zu kürzen sey, und daß solches von Unserm Ober-Appellations-Gerichte denen Rechten nach entschieden werden müssen.

Titel 10 § 2

§ 2. Wie Wir nun solches Erkenntniß denen Rechten völlig gemäß halten, als setzen Wir hiemit, daß weder die zur Wahl eines neuen Predigers, noch die zu dessen Ordinirung und Einführung, auch Herschaffung desselben Familie und Sachen, noch auch die zur Ausbesserung des Pfarrhauses etwa nöthige Kosten zum Nachtheil der Wittwe davon genommen werden sollen.

Titel 10 § 3

§ 3. Dagegen aber hat die Wittwe mit denen das Amt inzwischen versehenden benachbarten Predigern der Billigkeit nach sich abzufinden.

Titul XI. Vom Patronat-Recht.

Titel 11 § 1

§ 1. Wir sind von dem Patronat-Recht unterthänigst berichtet worden, daß in Unsem Landen die Canonischen Gesetze beybehalten sind, und Wir gleich Unsern in Gott ruhenden Vorfahren dabey diejenigen Rechte ausüben, welche vormals die Bischöfe gegen die Patronen gehabt haben. Dieses wollen Wir Uns also ausdrücklich Vorbehalten, können auch nicht zugeben, daß Patronen, die nicht ein anders hergebracht haben, sich desfalls ein mehrers anmaßen.

Titel 11 § 2

§ 2. Kein Patron kann sich einiges Recht über die Aufkünfte einer erledigten Kirchen-Diener-Stelle anmaßen, sondern hierüber können Wir mittelst Unsers Bischöflichen und Landesherrlichen Rechts allein verordnen.

Titel 11 § 3

§ 3. Als auch Unser Ober-Appellations-Gericht zu Recht erkannt hat, daß das Patronat-Recht an und für sich die Bestellung der Schulmeister, wenn diese aus denen Kirchen-Gütem nichts zu genießen haben, oder von denen Patronen die Schulen nicht gestiftet worden, nicht unter sich begreife, so soll dieses überhaupt von Unsem Gerichten angenommen werden.

Titel 11 § 4

§ 4. Hingegen können Wir nicht zugeben, daß ein Hof-Pfalz-Graf ehrwerden kann, für die Erhaltung der Stiftung, oder des sogenannten Brautschatzes der Kirche möglichst zu sorgen, so sehen Wir nicht wohl ab, wie er zu solchem Ende von denen Kirchen-Visitationen, wenn er schon keine Gerichte hat, auszuschließen sey, und ihm nicht sowohl der Tag der Visitation anzuzeigen, als auch die Kirchen-Rechnungen vorher mitzutheilen seyn, um bei der Visitation seine Erinnerungen desfalls vortragen zu können. Es kann auch dabey keine Untersuchung eintreten, ob die Stiftung von dem Patron herrühre, oder nicht. Und gleichwie Unser Ober-Appellations-Gericht auch den Gandersheimschen Landtags-Abschied in solcher Maße erkläret hat, so wollen Wir dieses durchaus befolget wissen.

Titel 11 § 5

§ 5. Da unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten wird, ob der PfandInhaber und die immitirten Gläubiger oder der Herr des Guts das Patronat-Recht auszuüben habe, so treten Wir denen bey, welche alsdenn den Eigenthümer ausschließen, wofern er an sich nicht gegen den Pfand-Inhaber ausdrücklich dieses Recht Vorbehalten hätte.

Titel 11 § 6

§ 6. Jn allen übrigen soll, was das Patronat-Recht betrifft, denen Canonischen Rechten nachgegangen werden.

Titul XII. Von denen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen.

Titel 12 § 1

§ 1. Da Wir selbst die Regalien über Unsre Deutsche Lande von des Kaisers Majestät und dem Reich zu Lehn tragen, so kann die von Uns übernommene Landes-Väterliche Vorsorge nicht zugeben, daß von denen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen etwas ausgeübet werde, was Unsem Regalien, oder auch denen Landes-Gerichten oder einem oder andern Unsern Unterthanen zu einigem Nachtheil gereichen kann. Wie denn auch dergleichen dem Willen und der Meinung des Kaisers Majestät gemäß nicht geachtet werden mag.

Titel 12 § 2

§ 2. Wir mögen dahero nicht gestatten, daß die Kaiserlichen Hof-PfalzGrafen in Unsem deutschen Landen sich anmaßen, Unmündige für großjährig zu erklären, über die Veräußerung der Unmündigen unbeweglichen Güter zu erkennen, Vormünder ein- und abzusetzen, Einkindschaften und Vergleiche zu bestätigen, Unmündige, oder andre, wieder in vorigen Stand zu setzen, als welches alles theils allein Uns als Landesherrn selbst, theils denen Gerichten Unsrer Lande zustehet.

Titel 12 § 3

§ 3. Ob Wir auch wohl geschehen lassen, daß gedachte Hof-PfalzGrafen uneheliche Kinder zur Auslösung des Fleckens ihrer Geburt legitimiren, Wir auch, wenn ihnen solche Gewalt ausdrücklich ertheilet ist, zugeben, daß, wenn die Eltern keine ehelichen Kinder haben, sie auf derselben Ansuchen selbige fähig zu der Eltern Erbschaft, jedoch außerhalb Lehn- und Stamm-Gütern, wie auch denen Erbgütern Unsrer Städte Lüneburg und Uelzen, erklären mögen, so wollen Wir doch nicht, daß solche weiter auf der Groß-Eltern und Seiten-Verwandten Erbfolge gezogen werde, wenn selbige nicht ausdrücklich ihre Einwilligung darin gegeben haben. Ist aber diese Genehmigung vorhanden, so können sie um so viel eher für gesetzliche Erben gehalten werden, da solchen Verwandten auch, über das ihrige zu testiren, frey stehet.

Titel 12 § 4

§ 4. Hingegen können Wir nicht zugeben, daß ein Hof-Pfalz-Graf ehrlosen Personen, welche eines begangenen Verbrechens von den Gerichten schuldig erkannt sind, die verlorene Ehre wieder herstelle, und sich dadurch über die Gerichte des Landes erhebe.

Titel 12 § 5

§ 5. Wir lassen nun zwar die von ihnen creirten öffentliche Notarien das von ihnen verlangte Amt, jedoch, wenn sie in Unsern Landen seßhaft sind, anders nicht, als nach vorgängig von Unserm Ober-Appellations-Gericht erhaltener Matrikul, frey ausüben.

Titel 12 § 6

§ 6. Da auch bey denen Kaiserlichen Hof-Pfalz-Grafen nicht sicher angenommen werden kann, daß sowohl sie selbst, als die von ihnen zu Hülfe und Rath gezogene Männer von so geprüfter Wissenschaft seyn, daß sie andrer Personen Stärke in Wissenschaften beurtheilen mögen, noch weniger ihr und der zugezogenen dazu nicht beeidigten Personen Urtheil einen völligen Glauben haben kann, so erlaubet die Uns obliegende Aufsicht über die hohen Schulen sowohl als über das ganze gemeine Wesen nicht, daß die von ihnen creirte graduirte Personen zum Genuß einiger sonst damit verknüpften Vorrechte in Unsern Landen gelassen werden.

Titel 12 § 7

§ 7. Da auch die Hof-Pfalz-Grafen nicht dahin beeidiget sind, daß ihrem Zeugniß über dasjenige, was vor ihnen von andern geschehen ist, ein völliger Glaube beyzumessen stehet, so können die bey ihnen niedergelegte, oder durch Aufdrückung ihres Siegels beglaubigte Testamente dadurch nicht rechtsgültig werden, wenn auch schon einem Hof-PfalzGrafen dieses namentlich beygeleget wäre.

Titel 12 § 8

§ 8. Vielweniger kann eine über fünfhundert Ducaten sich belaufende Schenkung unter den Lebendigen durch die Übergabe an einen Hof-PfalzGrafen die nöthige Rechtsgültigkeit erlangen.

Titel 12 § 9

§ 9. Hingegen können Wir wohl gestatten, daß ein Vater sein Kind vor einem Hof-Pfalz-Grafen seiner Gewalt erlasse, auch, in sofern der Obrigkeit Erkenntniß dabey nicht nöthig, Annehmungen an Kindes Statt vor ihm geschehen, wenn nur zugleich zu Führung des Protokolls ein beeidigter öffentlicher Schreiber mit zugezogen wird.

Titul XIII. Von der Suspendirung vom Amt.

Titel 13 § 1

§ 1. Wegen solcher Verbrechen, welche die Ausübung eines öffentlichen Amts betreffen, findet eine Suspendirung von solchem Amte auch während der Untersuchung, und vor deren Endigung Statt.

Titel 13 § 2

§ 2. Wird aber diese Person nachhero des beygemessenen Verbrechens unschuldig befunden, so muß ihr alles, was sie indessen von solchem Amte entbehren müssen, erstattet werden.

Titel 13 § 3

§ 3. Bey andern Verbrechen aber, welche das öffentliche Amt nicht angehen, kann keine Suspendirung von solchem Amt vor erwiesener Sache geschehen.

Titul XIV. Von Ladungen.

Titel 14 § 1

§ 1. Bey einer jeden Ladung in bürgerlichen Sachen muß die Ursache derselben angezeiget werden, und zwar um so mehr, damit der Vorgeladene sich gefaßt machen könne, auf die gegen ihn vorgebrachte Klage zu antworten, und wenn solches nicht geschehen, kann der Vorgeladene wegen seines Aussenbleibens nicht bestrafet werden.

Titel 14 § 2

§ 2. Um so mehr aber muß dieses beobachtet werden, wenn zu Verkündigung der Ladung ein andrer Richter zu hülfreicher Handbietung ersuchet wird, da dieser vorher zu überlegen wohl befugt ist, ob die Sache für den ersuchenden Richter oder für ihn selbst gehöre, und er im letztem Falle hülfreiche Hand zu bieten, nicht verbunden ist.

Titel 14 § 3

§ 3. Von allen Ladungen ist die Kundmachung, wenn es darauf ankommt, durch Gerichts-Boten oder Notarien, welche letztere in diesem Fall nicht nöthig haben, Zeugen dabey zu gebrauchen, zu bescheinigen, und kann eine bloße Abgebung auf die Post dazu nicht hinreichend seyn.

Titel 14 § 4

§ 4. Wenn der Richter, welcher um hülfliche Hand ersuchet ist, dem Begehren keine Folge leistet, so darf deswegen derjenige, welcher ihn ersuchet, mit Gewalt nicht zufahren, wenn er auch den Vorgeladenen in seinem eigenen Gerichts-Gebiet antreffen sollte, sondern er muß wegen verweigerter Stellung bey des ersuchten Richters Ober-Richter sich beschweren, und Befehle an denselben auswürken.

Titel 14 § 5

§ 5. Wenn es eine solche Ladung ist, die blos zu des Vorgeladenen Nachricht geschiehet, mithin dem Vorgeladenen frey lässet, ob er erscheinen wolle, oder nicht, so sehen Wir nicht ab, warum zu deren Einhändigung auch in einem andern Gebiete ein öffentlicher Notarius nicht gebrauchet werden möge. In andern Ladungen aber, wenn der Vorge ladene erscheinen, und seine Nothdurft verhandeln soll, halten Wir solches außer dem Gerichts-Zwang des vorladenden Richters für unstatthaft und nichtig, und ohne alle Rechts-Würkung.

Titul XV. Von Prorogationen und Dilationen.

Titel 15 § 1

§ 1. Obgleich in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung sowohl als dem Interims-Justiz-Reglement heilsam versehen ist, daß auch die erste Befristung der Prorogation nicht anders als wegen angezeigter und bescheinigter rechtmäßiger und erheblicher Ursachen ertheilet werden solle, so vernehmen Wir jedoch, daß dieses vielfältig nicht beobachtet, sondern gemeiniglich dafür gehalten werde, daß es bey der nachgesuchten ersten Frist darauf nicht ankomme. Wann aber dieses zu großem Aufenthalt der Sachen gereichet, und die Schranken der Fatalium dadurch wider die Gesetze von dem Richter selbst erweitert werden, so wollen Wir, daß solches hinführo nicht geschehe, sondern jedesmal eine erhebliche Behinderung nicht allein gezogen, sondern auch, wenn solche an der Parthey oder deren Sachwald lieget, bescheiniget oder wenigstens eidlich zugleich versichert werde. Wie denn auch dem Gegentheil allemal die Kosten des verzögerten Processes zu erstatten, und diese sofort an den Richter ohne weiteres Nachsuchen zu bestimmen sind.

Titel 15 § 2

§ 2. Wann Wir auch vernehmen daß die Procuratores vielfältig, ohne daß es ihnen von der Parthey aufgegeben worden, blos um ihren Fleiß und Sorgfalt bezeigen zu wollen, um Verlängerung der Fatalien und andre Termine bitten, und denn vielmehr in solchen Fällen zu schließen ist, daß die Parthey die Sache nicht fortsetzen wollen, so soll solches durchaus weiter nicht gestattet, sondern das Gesuch abgeschlagen werden.

Titel 15 § 3

§ 3. Da auch Unsre Ober-Appellations-Ordnung in Ehe- und andern summarischen Sachen das Fatale der Einführung und Rechtfertigung einer Appelllation auf vier Wochen beschränket, so müssen auch die etwan zu ertheilende Befristungen jedesmal nur auf vier Wochen, und zwar vom Tage der abgelaufenen Frist an zu rechnen, nicht aber von einer Diät zur andern ertheilet werden.

Titel 15 § 4

§ 4. überhaupt wollen Wir auch, daß hinführo die Fristen nicht, wie bey Unserer Calenbergischen Justiz-Canzley dem Vernehmen nach geschiehet, von Zeit der Verwilligung, sondern von Zeit der abgelaufenen vorigen Frist gerechnet werden.

Titul XVI. Von gerichtlichen Klagen.

Titel 16 § 1

§ 1. Ob zwar bey denen Klag-Libellen nach denen angenommenen Meinungen der practischen Rechtslehrer erfordert werden will, daß, um den Richter zu einer den Rechten gemäßen verbesserten Einrichtung zu bewegen, die sogenannte clausula salvatoria angefüget werden müsse, so haben Wir jedoch gnädigst erwogen, daß ein Richter ohnedem dazu verbunden sey, mithin der Gebrauch solcher Clausel ganz und gar unnöthig, am wenigsten die Unterlassung zu einem Nachtheil gereichen könne. Es soll demnach auf deren Gebrauch gar nicht gesehen werden, sondern der Richter soll nichts destoweniger schuldig seyn, der Intention des Klägers gemäß das unrecht eingerichtete Gesuch zu verbessern.

Titel 16 § 2

§ 2. Da die Rechts-Lehrer verschiedener Meinung sind, ob das Possessorium retinendae possessionis mit dem Petitorio verbunden werden könne, so billigen Wir bey Gerechtigkeiten die Meinung dererjenigen, welche solches zulassen.

Titel 16 § 3

§ 3. Ob Wir auch schon wünschten, daß dasjenige, was in dem InterimsJustiz-Reglement wegen des der Klage beyzufügenden Beweises versehen ist, genauer beobachtet werden möchte, so vernehmen Wir jedoch, daß solches um deswillen nicht eben geschehe, weil ein Kläger nicht immer voraussehen könne, was der Beklagte an seiner Klage ihm verneinen und bezweifeln werde. Wir müssen demnach die Befolgung Unsern Gerichten und dem Gewissen derer Advocaten überlassen.

Titel 16 § 4

§ 4. Obwohl sonst einem jeden freystehen muß, gegen Erstattung der dem Gegner verursachten Unkosten seiner Klage sich zu begeben, so soll er doch dadurch von der gegen ihn eingeführten Widerklage sich nicht befreyen können, sondern diese soll nichts destoweniger ihren Fortgang behalten.

Titul XVII. Von denen Rechts-Mitteln aus dem Lege Diffamari und Lege Si contendat.

Titel 17 § 1

§ 1. Wir haben vernommen, daß ein gewisses Römisches Gesetz, welches den Namen Lex Diffamari führet, durch eine irrige Auslegung vielfältig dahin angenommen werde, als ob ein jeder, welcher etwan eines Anspruchs gegen jemand sich verlauten lassen, zu dessen Ausführung aufgefordert werden könne, und bey deren Entstehung davon gänzlich ausgeschlossen, und ihm ein ewiges Stillschweigen auferleget werde. Als aber bereits die Reichs-Gesetze dieses vermeinte Rechts-Mittel nur auf Friedbrüchige und Schmäh-Sachen eingeschränket haben, so wollen auch Wir solches dahin eingeschränket wissen, und am wenigsten gestatten, daß, wenn jemand zu Erhaltung seines Rechts eine ordentliche Klage einführen kann, er dieses Rechts-Mittels sich bediene, und dadurch seinen Gegener zum Kläger mache.

Titel 17 § 2

§ 2. Es bleibet jedoch niemandem benommen, durch das Rechts-Mittel aus dem Lege Si contendat seine durch die Zeit hinfällig werdende Einreden geltend zu erhalten. Und wenn in solcher Aufforderung der Kläger mit seiner Klage und Replik nicht hervortritt, so ist, ohne erst den Beweis der Einreden abzuwarten, ihm wegen der Klage ein ewiges Stillschweigen aufzulegen.

Titul XVIII. Vom Mandat-Prozeß.

Titel 18 § 1

§ 1. Was wegen der Befehle ohne Vorbehalt, Mandatorum sine clausula, in der H. Römischen Reichs Cammer-Gerichts-Ordnung vorgeschrieben worden, dabey lassen Wir es allerdings bewenden.

Titel 18 § 2

§ 2. Es sollen auch Befehle mit Vorbehalt der Nothdurft, mandata cum clausula nicht anders als in klar anscheinenden Sachen erlassen werden.

Titel 18 § 3

§ 3. Wenn wegen unterlassener Verantwortung ein zuerst mit Vorbehalt der Nothdurft ergangener Befehl in einen Befehl ohne weitern Vorbehalt verwandelt wird, so kann auch dieses blos für einen Befehl, und nicht für ein gerichtliches Erkenntniß angesehen werden, noch daher eine Rechtskraft erlangen. Und es muß also, wenn der Anschein eines Ungehorsams abgelehnet wird, die völlige Nothdurft noch immer frey bleiben.

Titul XIX. Von Vereinigungen und Verträgen.

Titel 19 § 1

§ 1. Obgleich nach denen Kaiserlichen Rechten nicht alle und jede Vereinigungen eine Verbindlichkeit würken, so haben Wir doch gnädigst gern vernommen, daß Unsre deutschen Gerichte hiebey mit jener Rechte Beyseitsetzung das natürliche Recht zum Grunde legen, und über alle Verträge halten, welche dem gemeinen Nutzen des menschlichen Geschlechts und des Staats, wie auch denen Pflichten gegen Gott, gegen sich und andre nicht zuwider sind, noch eine unerlaubte und schändliche Ursache zum Grunde haben. Welches also auch inskünftige zu befolgen ist.

Titel 19 § 2

§ 2. Ob zwar die Lüneburgische Polizey-Ordnung C. 11. die Einschreibung der Contracte in die Amts-, Stadt- und Gerichts-Bücher unter Bürgern und Bauern ohne Unterscheid erfordert, so vernehmen Wir doch, daß unter Bürgern in Städten weiter nichts darüber gehalten werde, als insofern es durch die neuere Verordnung wegen der Stadtpflichtigen Güter die Anzeige der Obrigkeit, die das Catastrum führet, geschehen muß. Weil es nun auch jetzo in Städten an Advokaten und öffentlichen Notarien nicht ermangelt, mithin dadurch bey Bürgern die Absicht der Policey-Ordnung, den Beweis zu verkürzen, erreichet wird, so halten Wir bedenklich, in denen Städten Unsrer Herzogthümer Lüneburg und Grubenhagen, auch Grafschaften Hoya und Diepholz an eine Erneuerung gedachter Policey-Ordnung zu gedenken.

Titel 19 § 3

§ 3. Was hingegen das platte Land, wozu Wir auch die Flecken rechnen, in gedachten Unsern Ländern, betrifft, so bleibet zwar in Ansehung deren die angezogene Policey-Ordnung allerdings bey völligen Kräften. Es ist aber dieselbe nur von solchen Contracten zu verstehen, welche nicht sogleich zur Erfüllung gebracht werden sollen, oder doch eines fortdaurenden Beweises bedürfen.

Titel 19 § 4

§ 4. Ob aber auch schon in erwähnter Policey-Ordnung die Anmeldung der Contracte an die Gerichte bey Poen der Annullation, oder Vernichtigung des Vertrages, vorgeschrieben worden, so ist doch hierab keinesweges zu schließen, daß der Vertrag an und für sich und schlechterdings nichtig seyn solle, sondern es hänget vielmehr, wenn die Richtigkeit desselben sonst nicht in Zweifel gezogen wird, von der ordentlichen Obrigkeit des Beklagten ab, in wie weit derselbe denen Rechten und der Billigkeit nach bestehen könne. Wenn demnach eine Auslobung von Brautschatz geschehen, so kann die Auslobung, als welche allemal geschehen müssen, nicht schlechterdings für nichtig gehalten werden, sondern die Obrigkeit ermisset nur, ob nach denen dem auslobenden Theile sonst obliegenden Pflichten gegen Uns, das Land, die Seinen und andre, auch gegen sich selbst, so viel ausgelobet werden können, oder auch, ob derjenige, dem es ausgelobet ist, gar zu sehr dadurch verletzet worden.

Titel 19 § 5

§ 5. Ist aber der Vertrag schon in Erfüllung gebracht, und das ausgelobte bezahlet und angenommen, so kann alsdenn solcher Vertrag, wenn keine merkliche Verletzung zu zeigen stehet, blos aus dem Grunde der bey der Obrigkeit nicht geschehenen Anzeige nicht angefochten werden. Wenn demnach die abgelegte Tochter oder Schwester das ausgelobte Geld bereits erhalten, kann sie blos um unterlassener sothaner Anzeige willen die Auslobung nicht anfechten.

Titel 19 § 6

§ 6. Wenn auch nach getroffener Vereinigung der eine Theil zwar bereit wäre, solche bey dem Amte oder Gerichte beschreiben zu lassen, der andre aber dessen sich weigern, und zurücktreten wollte, so stehet solches diesem so schlechterdings nicht frey, sondern der Beamte oder Gerichts-Herr hat denselben auf Ersuchen vorzufordem, über die Richtigkeit der Sache zu vernehmen, und wenn sonst nichts bey dem Handel vorfällt, selbigen nichts destoweniger, allenfalls mit gehöriger Abänderung in das Amts- oder Gerichts-Buch einzutragen. Es muß jedoch solches wenigstens vor Ablauf vier Wochen nach geschlossener Vereinigung geschehen, maßen nachher, wenn die Sache angebrachtermaßen nicht eingestanden wird, kein Beweis durch Zeugen oder außergerichtliche Urkunden zuzulassen ist.

Titel 19 § 7

§ 7. Jn Unserm Herzogthum Calenberg dienet denen aus der Bauerschaft weiland Herrn Herzog Friedrich Ulrichs Verordnung vom 4ten April 1620 zur Richtschnur.

Titel 19 § 8

§ 8. Es ist gleichwohl auch hier anzunehmen, daß nur solche Verträge gemeinet seyn, welche nicht sogleich zur Erfüllung gebracht werden, oder gebracht werden können, oder doch eines fortdaurenden Beweises bedürfen, daß nicht weniger auch hier, wenn die Abrede nicht bezweifelt wird, der Vertrag nicht schlechterdings zu vemichtigen, sondern nur nach Recht und Billigkeit einzurichten, auch vor Ablauf von vier Wochen der eine auch wider des andern Willen um die Bestätigung nachsuchen möge, und ihm solche befundenen Umständen nach nicht zu versagen, hingegen nach solcher Zeit kein Zeugen- noch andrer brieflicher Beweis zugelassen sey.

Titel 19 § 9

§ 9. Ob nun aber schon die Worte dieser Verordnung blos auf Unsere Beamte gerichtet sind, so ist sie doch billich nach dem eigentlichen Sinn derselben auch von denen Gerichten der Klöster und derer von Adel zu erklären.

Titel 19 § 10

§ 10. Als ferner bey vorfallenden Bedenklichkeiten denen Beamten aufgegeben worden, an den regierenden Landesherrn oder dessen Räthe zu berichten, und Bescheides darauf zu gewärtigen, so vernehmen Wir jedoch, daß dieses sich nicht füglich thun lasse, und dahero auch nicht beobachtet werde. Wir wollen mithin auch künftig Unsere Ämter und Gerichte damit verschonen, und denen dazu verordneten Personen die Ermäßigung auf Eid und Gewissen überlassen, zumal sie am besten von allen der Sache Umständen unterrichtet sind.

Titel 19 § 11

§ 11. Wir mögen auch nicht gestatten, daß, wenn die Beamte, oder Adliche Gerichts-Einhaber die Bestätigung eines von ihnen für unbillig gehaltenen Vertrages versagen, darüber weitere Klagen zuzulassen seyn. Wenn jedoch jemandem ein würklich habendes Recht genommen werden sollte, welches derselbe ohne Absicht auf den erst zu bestätigenden Vergleich hat, so stehet ihm frey, gegen die verweigerte Bestätigung sich an Unsre höhere Gerichte zu wenden.

Titel 19 § 12

§ 12. Jn Ansehung derer für einen Dritten geschehenen Versprechen vernehmen Wir, daß nach denen Kaiserlichen Rechten niemand für einen Dritten sich etwas könne versprechen lassen, noch Klage daraus erheben, wenn er nicht auf den Fall der Nicht-Erfüllung eine Strafe sich ausbedungen oder auch sonst selbst dabey interessirt wäre, daß auch der Dritte selbst nicht klagen könne, woran jedoch die neuern Rechte Ausnahmen aus der natürlichen Billigkeit angenommen haben, die Rechtslehrer gleichwohl sehr unterschiedener Meinung sind, ob bei dem Römischen Recht genau zu bleiben sey oder nicht.

Titel 19 § 13

§ 13. Um nun hierunter eine Gewißheit zu setzen, so bestimmen Wir, daß zwar in Ansehung desjenigen selbst, welcher sich für einen Dritten etwas versprechen lassen, es bey dem Römischen Recht sein Bewenden behalte; sonst aber nicht allein durch ausdrückliche Bevollmächtigte und Verwalter, sondern auch durch diejenigen, die jemandes Person entweder überall, oder gewisser Maßen vorstellen, und deren Handlungen von demselben aus gebührender Folgeleistung als eigne genehmiget werden müssen, dieser Dritte aus dem Versprechen sogleich ein Recht erlange, gegen den Versprecher zu klagen.

Titel 19 § 14

§ 14. Wenn demnach Eltern ihren Kindern oder Enkeln etwas versprechen lassen, erhalten diese daraus ein Recht, wenn sie schon nicht unter solcher Eltern Gewalt stehen.

Titel 19 § 15

§ 15. Da auch die Frau nach göttlichen Rechten unter der Herrschaft ihres Mannes stehet, so gewinnet sie ein Recht, wenn der Mann ihr etwas versprechen lässet.

Titel 19 § 16

§ 16. Wenn gleichwohl auch sonst die abwesende dritte Person das ihr geschehene Versprechen angenommen, so ist alsdenn es so anzusehen, als ob sie von Anfang zu dessen Einnehmung Vollmacht ertheilet habe.

Titel 19 § 17

§ 17. Wir halten es auch der Billigkeit gemäß, daß derjenige, welcher einem abwesenden Dritten etwas versprochen hat, vor der Annahme nicht anders zurückziehen könne, als wenn dieser Abwesende das Versprechen und dessen Zurücknehmung zu gleicher Zeit erführet.

Titel 19 § 18

§ 18. Hat auch jemand sein Recht einem andern unter der Bedingung, es einem Dritten wieder zu überlassen, übertragen, und er beharret bey dieser Willens-Meinung, so kann der Dritte aus dem Willen des ersten klagen.

Titel 19 § 19

§ 19. Wenn die Frage entstehet, ob oder in wiefern es erlaubt sey, von einem Vertrage einseitig zurückzugehen, so ist darunter billig ein Unterscheid zu machen: Bey einem Kauf und Verkauf, Heuern und Verheuern, leidet das Band der menschlichen Gesellschaft nicht wohl ein einseitiges Zurücktreten, wenn auch schon der andre sein Wort versprochnermaßen nicht hielte, sondern es muß auf die Erfüllung und die Erstattung des erlittenen Schadens und vermißten Vortheils geklaget werden. Wie solches auch die gemeinen beschriebenen Rechte annehmen. Bey allen übrigen Verträgen aber ist der Billigkeit nach dahin zu sehen, ob die Sache noch in einem von beiden Seiten ganz unerfülltem Stande sey, mithin einer ohne des andern Nachtheil zurückgehen könne, oder ob der eine Theil zwar das Seinige bereits erfüllet, der andre aber dazu sich gehörig noch nicht angeschicket. Ist alles noch gänzlich unerfüllet, und entstehet niemanden einiger Nachtheil daraus, so würde es wegen der vielen Vorfälle des menschlichen Lebens gegen den gemeinen Nutzen streiten, die Aufrufung des Vertrages zu verwahren. Wenn hingegen der eine Theil den Vertrag seiner Seite schon erfüllet, oder sich doch dazu bereits angeschicket, und es zu erfüllen, bereit ist, so stehet dem andern nicht so schlechterdings zurückzutreten frey, sondern dieser ist, wenn jener es verlanget, und nicht das Gegebene zurückfordert, das Versprochene schlechterdings zu leisten schuldig.

Titel 19 § 20

§ 20. Wenn aber der eine Theil ohne sein Verschulden durch Krankheit oder sonst an der Erfüllung verhindert worden, kann er zwar wegen derer daraus für den andern Theil entsprungenen nachtheiligen Folgen nicht einstehen, er muß gleichwohl das Empfangene wieder herauszugeben.

Titel 19 § 21

§ 21. Wir halten aber auch nicht weniger darin die Entscheidung der Römischen Rechte, welche dieselbe bey einem Vergleiche annehmen, dem Recht der Natur gemäß, und wollen, daß solche außerhalb Kauf und Verkauf, und Heuern und Verheuern auch bey andern Verträgen zu befolgen sey, daß, wenn ein Theil dem Vertrage entgegen handelt, oder zu handeln suchet, der andre an den Vertrag weiter nicht gebunden sey.

Titel 19 § 22

§ 22. Wer etwas zu thun versprochen hat, kann damit keinesweges abkommen, daß er allen Nachtheil in Verlust und Gewinnst ersetzen will, sondern er muß, wenn es verlanget wird, dem versprochenen pünktlich nachkommen.

Titel 19 § 23

§ 23. Vergleiche bestehen auch über Sachen, wobey nur ein Streit zu fürchten gewesen, ja auch klare und rechtskräftig ausgemachte Sachen, wenn die Vollstreckung der richterlichen Hülfe Schwürigkeit finden könnte.

Titel 19 § 24

§ 24. Da es in Rechten zweifelhaft gehalten wird, ob ein Vergleich über das in einem Testament verordnete ohne vorgängige Einsicht des Testaments bestehen könne, so ist zwar in solchem Falle allerdings nöthig, daß derjenige, welcher sich vergleichet, von dem Inhalt und seinem Rechte Wissenschaft habe, da andergestalt keine überlegte Einwilligung zu gedenken stehet, vielmehr zu großen Hintergehungen Anlaß gegeben würde. Die bloße unterbliebene eigne Einsicht des Testaments kann aber den Vergleich nicht vernichtigen.

Titel 19 § 25

§ 25. Ob Wir schon Vergleiche, wodurch eine würkliche Ehe aufgehoben würde, nicht billigen, so genehmigen Wir doch allerdings Vergleiche, wodurch von Verlöbnissen zurückgegangen wird. Ob nun auch wohl einige Rechts-Lehrer dafür halten wollen, daß ein Vergleich aufgehoben werden könne, wenn ein Theil über drey Vierthel verletzet worden, so erklären Wir doch diese ohnehin durch kein Gesetz bestätigte Meinung um so mehr für ungegründet, als bey unentschiedenen Sachen eine Verletzung nicht einst ausfündig gemachet werden kann.

Titul XX. Von unnützen Versprechen.

Titel 20 § 1

§ 1. Ob es wohl in denen Rechten für ein unnütz Geschäfte gehalten wird, wenn jemand verspricht, daß ein andrer etwas geben oder thun solle, und nur alsdenn eine Verbindlichkeit entstehet, wenn das Versprechen dahin gerichtet worden, zu bewürken, oder zu machen, zu beschaffen, daß ein andrer etwas geben solle, so vernehmen Wir doch, daß unter denen Rechts-Lehrern bezweifelt werde, worin die eigentliche Verbindlichkeit im letztem Fall bestehe, und ob es genug sey, wenn der Versprecher es nur an seiner Bemühung habe nicht fehlen lassen, oder ob er schlechterdings hafte. Wir nehmen aber in dem erwehnten Falle das letztere an.

Titel 20 § 2

§ 2. Wir mögen hiebey die Meinung derjenigen Rechtslehrer nicht annehmen, welche heutiges Tages ein jedes solches Versprechen stillschweigend auch auf eine versprochene Bewürkung verstanden wissen wollen.

Titel 20 § 3

§ 3. Dagegen kann aber auch das Versprechen von Besorgen, Betreiben und dergleichen jenem genannten Versprechen nicht gleich gesetzet werden.

Titel 20 § 4

§ 4. Hat jemand die Gabe von einem Dritten zu bewürken, und zu beschaffen übernommen, so kann es nicht darauf ankommen, wie einige neue Rechtslehrer dafür halten wollen, ob dadurch in Ansehung des Versprechens eine Schenkung und Freygebigkeit oder nicht, vorhanden sey, und es soll der Versprecher auch alsdenn mit einer gnugsam angewandten Bemühung sich zu schützen nicht vermögen, es wäre denn, daß die Summe über Eintausend Species-Thaler sich betrüge, und es dahero in sofern einer gerichtlichen Insinuation bedürfte.

Titel 20 § 5

§ 5. Hiebey verstehet es sich auch von selbst, daß, wenn der dritte, dessen Bezahlung oder Leistung versprochen worden, in einer wahren und würklichen Verbindlichkeit bereits sonst begriffen ist, des Versprechers Bestätigung als eine Bürgschaft anzusehen sey.

Titul XXI. Von Advocaten.

Titel 21 § 1

§ 1. Was wegen der Advocaten insonderheit in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung heilsamlich versehen ist, dabey hat es allerdings sein Verbleiben.

Titel 21 § 2

§ 2. Ob nun zwar auch daselbst P. 1 tit. 2 § 12 gesetzet ist, daß die Advocaten der in denen Rechten verbotenen pactorum mit ihren Clienten bey Vermeidung der in solchen dawider verordneten Strafen sich gänzlich enthalten sollen, so vernehmen Wir jedoch, daß unter denen Rechtslehrern sehr gezweifelt werde, welche pacta eigentlich für verboten in denen Rechten zu halten, und ob insonderheit ein versprochenes, oder auch bereits bezahltes palmarium dahin zu ziehen sey. Wir wollen nun dieses zuvörderst dahin gnädigst bestimmen, daß alle Gelübde und Versprechungen, welche dem Advocaten vor würklich geendigtem Rechtsstreit geschehen, sie seyn eidlich oder ohne Eid aufgerichtet, sie betreffen quotam litis oder ein palmarium, durchaus ungültig und nichtig seyn sollen, und daraus nicht allein keine Klage zu verstatten, sondern auch der Parthey zu erlauben, das etwa währenden Processes bereits Bezahlte wieder zu fordern.

Titel 21 § 3

§ 3. Was aber nach völlig geendigtem Recht-Streit eine Parthey ihrem Sachwald über den verdienten Lohn zu Vergeltung desselben Bemühungen verspricht, es mag geschehen, unter welchem Namen es will, ist bündig und gültig, gleich andern wieder vergeblichen Schenkungen, so weit es nämlich bey ermangelnder gerichtlicher Insinuation die Summe von fünfhundert Dukaten nicht übersteiget.

Titul XXII. Vom Irrtum der Advocaten.

Titel 22 § 1

§ 1. Es ist Uns unterthänigst hinterbracht worden, daß auch darüber unter denen Rechtslehrern nicht einerley Meinung obwalte, wie weit eines Advokaten irrige Angabe von den Umständen der Sache der Parthey selbst schade, und von ihr annoch zu widerrufen, oder zu verbessern stehe.

Titel 22 § 2

§ 2. Wenn die Parthey einem Advocaten aufträgt, entweder in Schriften der Sachen Nothdurft vorzutragen, oder zu gleichem Ende in ihrem Namen im Gerichte einen Termin abzuwarten, so ist der Advocat in sofern als der Parthey Gevollmächtigter anzusehen, und die Parthey kann zwar vor einem ergangenen rechtskräftigen Erkenntniß dasjenige, worin der Advocat wegen der Umstände der Sache geirret, verbessern, jedoch nicht anders, als wenn ein wahrer Irrthum erwiesen wird.

Titel 22 § 3

§ 3. Wenn hingegen die Parthey selbst mit Zuziehung eines Advocaten einen Termin ab wartet, stehet ein gleicher verbindlicher Auftrag nicht anzunehmen, und da es sich zutragen kann, daß die Parthey das irrige in des Advocaten Vortrage nicht sofort beachtet, sondern erst aus dem nachher mitgetheilten Protocoll wahrnimmt, so billigen Wir in diesem Fall die Meinung der Rechtslehrer, daß der Irrthum innerhalb drey Tagen und zwar nach ausgelösetem Protocoll schlechterdings widerrufen werden könne, nach solcher Zeit aber dieses nicht anders, als mittelst Erweisung des Gegentheils geschehen möge.

Titul XXIII. Von Prokuratoren.

Titel 23 § 1

§ 1. Nach demmalen die in Unsern Gerichts-Ordnungen vorgeschriebene Mandata procuratoria, deren die Partheyen sich bedienen sollen, nach Anleitung des Reichs-Abschiedes vom Jahre 1654 ohne Benennung eines gewissen Punkts auf hievorige, jetzige und künftige Sachen eingerichtet sind, mithin dadurch der einmal angenommene Procurator gegen dieselbe Person auch in allen andern bey demselben Gerichte entstehenden verbunden seyn, oder nicht, für legitimiert angesehen werden soll, die- Rechts-Händeln, sie mögen eine Folge des ersten, und mit demselben ses auch in Ansehung der nöthigen Verkündigung ergangener neuer Processe und Ladung, zu Verhütung großer Beschwerlichkeiten, Aufschubs und Kosten gereichet, als kann denen Partheyen, wie bisher wohl geschehen wollen, nicht frey stehen, darin eine Änderung und Einschränkung vorzunehmen, sondern der einmal angenommene Procurator ist nach ausgestellter Vollmacht gegen dieselbe Person auch zu allen übrigen Sachen active und passive legitimirt.

Titel 23 § 2

§ 2. Es ist jedoch, wenn ein besonders Akten-Bund formiret wird, demselben jederzeit eine beglaubte Abschrift vorgedachter Vollmacht beyzufügen.

Titel 23 § 3

§ 3. Denen Prokuratoren bleibet indeß das in den Ordnungen ihnen für jede Sache zugebilligte Salarium. Doch kann dafür bey Incident-Punkten, oder auch, wenn die Sache sich nachhero in mehrere Zweige verbreitet, nicht besonders gefordert werden.

Titel 23 § 4

§ 4. Als gleichwohl sonst wegen des Gehalts der Prokuratoren dem Vernehmen nach hauptsächlich in dem Fall Zweifel obwaltet, wenn die Sache einige Zeit geruhet hat, so bestimmen Wir gnädigst, daß wenn die Parthey die Sache ganz unangeregt, und ohne von dem Procuratore einige Mühe nach Sollicitirung zu verlangen, liegen lässet, und dem Procuratori von der Gegen-Parthey durch Einhändigung gerichtlicher Bescheide auch keine Mühe verursachet wird, nach Ablauf des angefangenen Jahres, inmittelst bis die Sache wieder in Gang kommt, kein Salarium gereichet werden, noch desfalls etwas in Rechnung gebracht werden soll.

Titel 23 § 5

§ 5. Die denen Procuratoren zu Folge des in den Ordnungen vorgeschriebenen Formulars in den Vollmachten zu bestellende Hypothek tritt auch ein, wenn schon die Vollmacht nicht würklich vollzogen worden, und sie ist nicht allein von dem baaren Vorschuß, sondern auch von der Gebühr der Prokuratoren zu verstehen, nimmt daher auch von der Zeit ihren Anfang, da denen Prokuratoren die Sache von der Parthey, oder deren Sachwald, aufgetragen ist.

Titel 23 § 6

§ 6. Wir wollen dabey ferner die Meinung dererjenigen gelten lassen, welche dieser Hypothek die Kraft einer öffentlichen und gerichtlichen beylegen.

Titel 23 § 7

§ 7. Sind mehrere Litis-Consorten, als z. B. Erben, oder Gesellschafter vorhanden, oder es würde auch der Procurator ihrer mehrem gemeinschaftlich zugeordnet, so ist der Procurator nicht schuldig, einen jeden für seinen Antheil besonders zu belangen, sondern er hat die Wahl, auf seine ganze Forderung sich an einen unter ihnen besonders zu halten, welcher desfalls nachher an seinem Mit-Erben oder Gesellschafter sich wieder erholen kann.

Titel 23 § 8

§ 8. Wird eine Sache von jemandem in Vollmacht eines andern geführet, so muß das Procuratorium nicht von dem Gevollmächtigten, sondern der Haupt-Parthey selbst vollzogen werden. Wenn aber der Gevollmächtigte aus einem von ihm getroffenen Geschäfte selbst klagen kann, so ist ein von ihm ausgestelltes Procuratorium hinlänglich.

Titel 23 § 9

§ 9. Wenn auch ein Ehemann wegen seiner Ehefrau in Ansehung solcher Güter, die nicht zum Brautschatz gehören, Klage führet, ist, um mehrerer Beständigkeit willen, die Vollmacht zugleich von der Ehefrau zu unterschreiben.

Titel 23 § 10

§ 10. Wenn es nicht auf die Beschützung und Erhaltung der Concurs-Masse noch auf die Liquidirung einer Schuld, sondern blos auf den Vorzug eines Gläubigers vor dem andern ankommt, muß nicht der Pfleger der Güter, sondern der bestrittene Gläubiger selbst einen Anwald bestellen.

Titel 23 § 11

§ 11. Da Wir auch vernehmen, daß die am Orte des Gerichts gegenwärtigen bisher ohne Procuratoren zugelassen worden, so lassen Wir solches ferner geschehen. Es kann aber dieses bey mehrern Erben und Litisconsorten keine Statt finden.

Titul XXIV. Von ehrlosen Personen.

Titel 24 § 1

§ 1. Da in diesem Stüde denen gemeinen Vorurtheilen theils durch die Reichs-, theils auch besondre Landes-Gesetze Einhalt geschehen ist, so hat es dabey allerdings sein Bewenden. Wir wollen aber auch, daß überall niemand für ehrlos zu halten sey, und die Folgen davon empfinden solle, als welcher durch die Kaiserlichen Rechte dafür erkläret wird, in sofern Wir nicht auch hierunter nach jetziger Gestalt der Sachen eine Abänderung zu machen geruhen mögten.

Titel 24 § 2

§ 2. Es kann demnach die bloße Anschuldigung eines öffentlichen Verbrechens, so lange der Beschuldigte nicht durch Urthel und Recht desselben schuldig erkannt worden, niemand ehrlos machen.

Titel 24 § 3

§ 3. Was hingegen die Bruchfälligen Verbrechen anlanget, welche auf denen Land-Gerichten bestrafet werden, wohin auch die Send-Brüche gehören, so sollen dieselben keine Ehrlosigkeit nach sich ziehen, zumal hieraus für das ganze gemeine Wesen die übelsten Folgen entstehen würden.

Titel 24 § 4

§ 4. Diebstahl und Untreue, wenn sie auch noch so geringe sind, machen hingegen ehrlos.

Titel 24 § 5

§ 5. Ob nun auch schon nach Unsrer Ehe-Verlöbniß-Constitution keine andre Verlöbnisse von Rechtskraft sind, als welche in der darin beschriebenen Maße für Zeugen vollzogen sind, Wir es auch in diesem Stück allerdings dabey bewenden lassen, so haben Wir jedoch erwogen, daß es gegen alle Redlichkeit und Rechtschaffenheit laufe, und auf keine Weise mit der Gesinnung eines ehrlichen Mannes bestehen könne,t wenn eine großjährige Mannsperson, bey welcher völlige Überlegung angenommen werden muß, sich mit einer Frauensperson auch ohne Zeugen verlobet, und nachher dieselbe verlässet, und wohl gar mit einer andern sich verlobet. Wenn demnach eine solche Mannsperson keine Eltern im Leben hat, auf welche die Schmach mit fallen könnte, so soll sie gleichwohl für ehrlos gehalten werden.

Titel 24 § 6

§ 6. Da es auch mit denen heutigen Schauspielen eine ganz andre Bewandniß wie mit denen Römischen hat, so muß niemand dadurch, daß er auf einer öffentlichen Schaubühne erscheinet, ehrlos werden.

Titul XXV. Von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Titel 25 § 1

§ 1. Da in Ansehung der richterlichen Gewalt, wie Uns hinterbradit worden, die Römischen und Deutschen Verfassungen merklich unterschieden sind, dahero auch besonders in Unsern Deutschen Landen durchgehends hergebracht ist, daß einem jeden Richter in denen für ihn gehörigen Fällen die Macht zustehe, aus billigen und rechtlichen Ursachen wieder in den verlornen vorigen Stand zu setzen, so soll es auch dabey ferner sein Bewenden behalten.

Titel 25 § 2

§ 2. Da auch die gemeinen Rechte eine Wiederherstellung in den vorigen Stand gegen die Strenge der Gesetze nur aus solchen Ursachen zulassen, welche auf natürliche Mängel und unvermeidliche Einschränkungen und Behindernisse sich gründen, mithin so beschaffen sind, daß sie einem jeden Menschen ohne seine Schuld begegnen können, so muß dieses Hülfsmittel einem jeden in Unsern Landen, von welcher Religion er auch sey, angedeyen.

Titel 25 § 3

§ 3. Als bezweifelt wird, ob eine unmündige Person auch gegen ein unbedingtes Ehe-Versprechen wieder in den vorigen Stand gesetzet werden möge, so treten Wir denenjenigen bey, welche solches aus guten und erheblichen Ursachen, und auch alsdenn, wenn die Verlobung mit Genehmigung der Eltern oder Vormünder und Verwandten geschehen, zulassen.

Titel 25 § 4

§ 4. Wer für einen Unmündigen sich verbürget hat, kann nicht gleich dem Unmündigen blos aus dem Grunde, daß dieser verletzet worden, wenn dabey kein Betrug erscheinet, wieder in den vorigen Stand gesetzet werden.

Titel 25 § 5

§ 5. Da aber in Unsern Deutschen Landen die Jahre der Minderjährigkeit nicht durchgehends gleich bestimmt sind, und besonders die Städte Lüneburg und Uelzen darin besondere Rechte haben, so wollen Wir, daß in allen Verträgen und Handlungen, welche die Zeit der Minderjährigkeit nach den Gesetzen des Orts, wo der Minderjährige wohnet, und nicht, wo der Handel geschiehet, gerechnet werden solle. ,

Titel 25 § 6

§ 6. Einem Soldaten kann, wenn er nicht zu Felde lieget, oder auszuziehen und ins Feld aufzubrechen im Begriff ist, eine Wiederherstellung in den vorigen Stand nicht angedeyen.

Titel 25 § 7

§ 7. Da Wir vernehmen, daß in Ansehung der Kirchen und gottseeligen Stiftungen die Canonischen Rechte in Unsern Deutschen Landen bisher beobachtet, und auch diesen gleich denen Unmündigen die Wiederherstellung in den vorigen Stand verstattet worden, so soll es auch ins künftige dabey verbleiben.

Titel 25 § 8

§ 8. Wie jedoch selbst die Canonischen Rechte ganz klar und deutlich besagen, daß die zur Wiederherstellung vergönnte vierjährige Zeit bey denenselben von der Zeit an laufe, da der Kirche ein Nachtheil zugefüget worden, so mögen Wir auch bey Unsern evangelischen Kirchen und Stiftungen die Meinung derjenigen, welche solche Zeit auch nach Abgang des bisherigen Vorstehers eintreten lassen wollen, um so weniger billigen, als dadurch eine dem gemeinen Wesen schädliche gar zu große Ungewißheit entstehen würde, überdem auch die in Unsern Landen angeordnete Verfassung eine Verlängerung solcher Zeit nicht nöthig machet.

Titel 25 § 9

§ 9. Da auch in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung nach der Meinung vieler Rechtsgelehrten die Universitates überhaupt zu der Wohlthat der Wiederherstellung gelassen werden, so hat es zwar hiebey allerdings sein Verbleiben. Doch soll auch hier die vierjährige Zeit schlechterdings von dem Tage angerechnet werden, da die Universitas den Nachtheil erlitten.

Titel 25 § 10

§ 10. Ob schon einige Rechtslehrer dafür halten wollen, daß ein Unmündiger, wenn er nicht durch Vormünder, sondern durch einen von ihm gewählten Gevollmächtigten Schaden erlitten, sich an den letztem zuvörderst halten, und erst alsdenn, wenn er an diesem sich zu erholen nicht vermag, gegen den Contrahenten die Wiederherstellung in den vorigen Stand begehren möchte, so können Wir jedoch solcher Meinung nicht beypflichten.

Titel 25 § 11

§ 11. Wenn auch in gerichtlichen Sachen jemanden durch Schuld seines Sachwalds oder Anwalds ein Nachtheil entstehet, ist er nicht schuldig, an dieselben sich zuvörderst zu halten, sondern unsre Gerichte haben ihn bey würklich erscheinendem Nachtheil sogleich wieder in vorigen Stand zu setzen. Wie Wir denn solches um so billiger halten, als die Advocaten von Unserm Ober-Appellations-Gerichte oder denen Regierungen die Erlaubniß zu advociren erhalten, die Procuratores aber von denen Gerichten selbst bestellet werden, überdem aber auch ein wahrer Schade, ohne in der Hauptsache den Gegentheil zuzuziehen, nicht wohl auszufinden ist.

Titel 25 § 12

§ 12. Wider rechtskräftige Erkenntnisse findet eine Wiederherstellung in den vorigen Stand nicht anders Statt, als wegen Minderjährigkeit, oder wenn es eine öffentliche Sache ist, oder auch, wenn der Nachsucher solche neue Urkunden zu handen bekommen, welche sein Gegner heimlich an die Seite gebracht hat.

Titel 25 § 13

§ 13. Da dem Richter oblieget, eine jede Sache nach dem Zwecke des Anrufenden in Erwägung zu ziehen, und dann zu Erreichung eines Zweckes ein jeder auch die dazu dienliche Mittel ihm angedeyen zu lassen wünschet, also muß der Richter, wenn die Sache darnach beschaffen ist, und es erfordert, auch ohne besonders und ausdrückliches Anflehen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ertheilen. Wie Wir denn solches denen sämmtlichen Gerichten in Unsern deutschen Landen vorschreiben.

Titel 25 § 14

§ 14. Obgleich die Kaiserlichen Rechte bey nachgesuchter, aber noch nicht erlangter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand alles in der jetzigen Lage erhalten wissen wollen, und das Canonische Recht nur alsdenn eine Ausnahme gemacht, wenn dem bittenden Theile widrige Vermuthungen entgegen stehen, und demnächst alles wieder hergesteilet werden kann, auch Sicherheit desfalls beschaffet wird, so ist jedoch den in Unsren Ober-Appellations-Gerichts-Erkenntnissen erlaubten Rechtsmitteln der Restitution im letztem Falle, ohne auf widrige Vermuthungen zu sehen, überall kein Aufenthalt gestattet. Welches Wir also auf alle nachzusuchende Wiedereinsetzung angewandt wissen wollen.

Titel 25 § 15

§ 15. Als bey derjenigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welche die Rechte wegen Arglist ertheilen, von denen Rechtslehrern die Frage aufgeworfen wird, ob die sogenannten contractus bonae fidei nur durch eine solche Arglist, welche den Contract veranlasset, oder auch alsdenn für nichtig anzusehen, wenn dergleichen auf andre Weise dabey vorfällt, die Meinungen aber sonderlich der neuern hiebey unterschieden seyn sollen, so treten Wir denenjenigen bey, welche einen Unterschied annehmen und dafür halten, daß der Contract nur im ersten Falle nichtig sey, sonst aber der Verletzte blos auf Ersetzung seines Schadens und übrigen Abgangs klagen könne.

Titel 25 § 16

§ 16. Da Wir übrigens auch vernehmen, daß zwar die ältem Rechtslehrer bey der Wiederherstellung in den vorigen Stand zwey besondre und auf einander folgende gerichtliche Ausführungen, judicium rescindens und rescissorium erfordert haben, hievon jedoch die bewährtesten neuem Rechtslehrer abgehen, und beydes zugleich entschieden wissen wollen, so müssen Wir diesen letztem um so mehr beypflichten, als dadurch überflüssige gerichtliche Weitläufigkeit vermieden wird.

Titul XXVI. Von Compromiß- und Schieds-Richtern.

Titel 26 § 1

§ 1. Nach demmalen Uns in Ansehung der Compromiß- und SchiedsRichter unterthänigst vorgetragen worden, wie große Zweifel unter denen Rechtslehrem obwalten, ob der von denenselben abgegebene Ausspruch, zumal nach heutigen Gewohnheiten, wenn es auch von beyden Theilen nicht ausdrücklich so verabredet worden, schlechterdings bestehe, oder ob dagegen entweder eine Berufung auf den ordentlichen Richter, oder auf eine anderweite nach der Billigkeit einzurichtende Ermäßigung, reductio ad arbitrium boni viri, eintrete, und Wir denn erwogen, daß eben in dieser Absicht zu einem Compromiß geschritten wird, damit die Sache nicht mit großer Weitläufigkeit durch den ordentlichen Weg Rechtens entschieden werde, so wollen Wir zwar, wenn die Verpflichtung nach denen beschriebenen Rechten bey einer gewissen Strafe geschehen, gegen deren Entrichtung eine Beziehung auf den ordentlichen Richter annoch Statt finden lassen. Sonst aber muß es bey dem abgegebenen Ausspruch, wenn er schon binnen zehn Tagen von beiden Theilen nicht genehmiget worden, wie solches auch dem Reichs-Abschiede vom Jahr 1594 Titel 26 § 66 gemäß ist, wenn keine enormissima laesio, nämlich Verletzung über drey Viertel, vorhanden, und aus dem ergangenen Handel klar und offenbar zu machen stehet, als in welchem Falle Wir eine nähere gerichtliche Entscheidung zulassen, schlechterdings verbleiben, und ist derselbe von dem ordentlichen Richter auf geschehenes Anrufen zu vollstrecken.

Titel 26 § 2

§ 2. Es ist auch zu einem solchen schiedsrichterlichen Ausspruch nicht unumgänglich nöthig, daß die Partheyen gegen einander in der Form Rechtens gehandelt haben, sondern es ist genug, wenn die Beschaffenheit der ganzen Sache dem Schiedsrichter mit beyder Theile Übereinstimmung vorgeleget, und was darin einer Entscheidung bedarf, angezeiget wird.

Titel 26 § 3

§ 3. Ob aber auch schon nur das für einen schiedsrichterlichen Ausspruch zu halten ist, wenn eine Entscheidung aus denen Rechten geschiehet, und davon nicht ohne allen Grund eine blos auf willkührliche Sätze zu gründende Bestimmung unterschieden wird, so soll doch auch bey derselben nach der Absicht beyder Theile dasjenige eintreten, was wir von schiedsrichterlichen Aussprüchen festgesetzet haben, wenn nicht etwa klar erscheinet, daß dabey offenbare Irrthümer angenommen worden, gestalten denn auch hier die sogenannte reductio ad arbitrium boni viri nicht anders eintreten soll.

Titel 26 § 4

§ 4. Unsre bestellten Gerichte mögen, da es zu Verkürzung der Sachen gereichet, allerdings auch Compromiße übernehmen, und findet auch sodann in Ansehung der gegen dergleichen Erkenntnisse zu gestattenden Rechts-Mittel dasjenige, was Wir oben verordnet haben, Platz. Es soll auch Unserm Ober-Appellations-Gerichte ferner nicht untersaget seyn, Compromiße zu übernehmen. Gleichwie jedoch Kaiser und Stände des Reichs bey dem Kaiserlichen Cammer-Gerichte aus guten erheblichen Ursachen die Compromiße einzuschränken gesuchet haben, also haben Wir auch zu Unserm Ober-Appellations-Gerichte das gnädigste Vertrauen, daß es zum Nachtheil derer daselbst bereits anhängigen und ferner in bestimmter Ordnung anhängig werdenden Sachen nicht leicht ohne sehr wichtige Ursachen einem Compromiß sich unterziehen werden.

Titel 26 § 5

§ 5. Da es sich von selbst verstehet, daß zu einem Compromiß blos solche Dinge gestellet werden können, welche von dem Willkühr der streitenden Theile abhangen, so findet dahero auch in Ehe-Sachen kein Compromiß Statt.

Titel 26 § 6

§ 6. Da Wir auch die Wiederherstellung in den vorigen Stand einem jeden Richter gestatten, so wollen Wir auch zulassen, daß die Frage, ob jemand in vorigen Stand wieder zu setzen sey, in ein Compromiß gebracht werden könne. Wenn auch ein von dem Schieds-Richter angesetzter Beweis-Termin wäre versäumet worden, kann der Schieds-Richter dagegen in den vorigen Stand stellen.

Titel 26 § 7

§ 7. Ob gleich die Rechts-Lehrer einem Schieds-Richter nicht gestatten wollen, seinen Ausspruch, wenn es dessen bedarf, auszulegen und zu erklären, so scheinet Uns doch solche Erklärung und Auslegung, als welche von keinem andern zu erlangen stehet, der Sache selbst gemäß zu seyn.

Titul XXVII. Von Herbergirern.

Titel 27 § 1

§ 1. Wir vernehmen, daß darüber Zweifel aufgestoßen, ob dasjenige, was die Kaiserlichen Rechte von Herbergirem verordnen, annoch heutiges Tages seine Anwendung finde. Wenn nun die Rechte hauptsächlich mit um deswillen mit denen Herbergirem strenger verfahren, weil Fremde in die Nothwendigkeit gesetztet sind, sich und das Ihrige denenselben anzuvertrauen, überdem aber auch solchen Reisenden und Fremden andergestalt nicht ohne große Weitläufigkeit zu dem Ihrigen verholfen werden würde, so Wollen Wir, daß Unsre Gerichte ferner wie auch bisher bereits geschehen, solchen gemeinen Rechten nachgehen.

Titel 27 § 2

§ 2. Wie nun der Wirth und Herbergirer für alles, was mit seinem guten Willen in sein Haus gebracht ist, einstehen muß, also mögen Wir auch denen Rechts-Lehrern nicht beypflichten, welche bey Kostbarkeiten, wenn sie in Behältnisse eingeschlossen sind, und nicht in die Augen fallen, eine besondere Angabe erfordern.

Titel 27 § 3

§ 3. Es kann auch der Wirth dadurch nicht befreiet werden, daß er etwa dem Gast den Schlüssel des Zimmers, oder des Schranks, übergeben, oder daß der Gast selbst über Schuldigkeit noch mehrere Vorsichten gebrauchet.

Titel 27 § 4

§ 4. Ob nun schon für ein nicht zu verhütendes Unglück oder Gewalt, mithin auch für einen von außen geschehenen gewaltsamen Einbruch, der Wirth nicht einsteht, so können doch alle im Hause selbst vorgefallene Entwendungen nach billiger Meinung der Rechts-Lehrer dahin nicht gezogen werden.

Titul XXVIII. Von Gerichts-Örtern.

Titel 28 § 1

§ 1. Es ist in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2. tit. 1 § 7 versehen, daß auch die Wittwen derer Mitglieder Unsers Ober-Appellations-Gerichts, so lange sie zu Zelle ihre Wohnung behalten, in persönlichen Sachen allein vor dem Ober-Appellations-Gericht zu stehen haben sollen. Wie nun dieses bishero auch bey den Kindern, nicht allein, wenn sie bey der Wittwe unverändert im Hause und Kost geblieben, sondern auch sonst, wenn nach der Eltern Tode ihr Zustand nicht verändert worden, Anwendung bekommen hat, so wollen Wir es auch bey solcher Erklärung ferner lassen.

Titel 28 § 2

§ 2. Da auch bishero die von dem Ober-Appellations-Gericht bestellten Gerichts-Procuratores wie auch deren Wittwen und Kinder auf gleiche Weise allein unter dem Ober-Appellations-Gerichte gestanden, so genehmigen Wir gnädigst, daß solches ferner beybehalten werde.

Titel 28 § 3

§ 3. Andre Gerichts-Procuratores, deren Wittwen und Kinder stehen, wenn sie bey einem der hohem Gerichte dazu angenommen sind, unter denen hohem Gerichten in erster Instanz, die bey den Nieder-Gerichten angenommene aber vor diesen, wo sie bestellet worden, wenn sie zugleich unter demselben Gerichts-Zwange wohnen.

Titel 28 § 4

§ 4. Die Advocati hingegen können sich dem Gerichts-Zwang der ordentlichen Obrigkeit nicht entziehen.

Titel 28 § 5

§ 5. Da auch bisher der Kirchen- und Schuldienem Wittwen mit ihren bey sich habenden Kindern in bürgerlichen persönlichen Sachen unter Unsern Consistoriis geblieben sind, so hat es auch hiebey bis dahin, daß die Kinder ihren Stand verändern, sein Verbleiben.

Titel 28 § 6

§ 6. Wenn jemand Unsrer Bedienten oder ein andrer Schriftsasse etwa in einer Unsrer Städte das Bürger-Recht gewonnen, ist er dadurch des Stadt-Magistrats Gerichtsbarkeit in persönlichen Sachen weiter nicht, als was dem Bürger-Recht anhängig ist, unterworfen. Jn allem übrigen behält er seinen Gerichts-Ort bey Unsern hohem Gerichten, und können insonderheit Unsre Bediente ohne Unsre und des jedesmaligen Landesherrn Erlaubniß darin keine Änderung treffen.

Titel 28 § 7

§ 7. Jm Gegentheil soll auch keiner, welcher mit dem Stadt-Magistrat als Bürger in Verbindung stehet, einen ihm von Uns ertheilten bloßen Charakter, wenn er nicht würklich in Unsern Dienst genommen worden, und von Uns Besoldung genießet, dazu gebrauchen, um sich des StadtMagistrats Gerichtsbarkeit zu entziehen.

Titel 28 § 8

§ 8. Wenn aber jemand zugleich in Unsern und zugleich in eines StadtMagistrats Diensten ist, stehet es bey dem Kläger, wo er ihn in persönlichen Sachen belangen will, und findet hier überall die Prävention Statt.

Titel 28 § 9

§ 9. Gebrodete Diener haben in persönlichen Klagen einerley GerichtsOrt mit ihrem Herrn. Welches jedoch nach der bereits von weyl. Unsers Großherrn Vaters Majestät gegebenen Erklärung auf die außerhalb Hauses wohnende und nur in Wochengeld stehende Porteurs nicht zu deuten ist. Auch sind darunter die Gesellen derjenigen Handwerksleute, welche Wir als zu Unsrer Hof-Staat gehörig mit einem jährlichen Gehalt würklich in Unsern Dienst genommen, nicht zu rechnen.

Titel 28 § 10

§ 10. Jn bruchfälligen Dingen aber kann dem gebrödeten Gesinde die Schriftsässigkeit ihrer Herren nicht zu Statten kommen, sondern sie müssen, wenn der Herr darum begrüsset wird, vor den Vor- und LandGerichten sich stellen, welches auch bey derer von Adel Dienstboten und Gesinde Statt findet.

Titel 28 § 11

§ 11. Da unter denen Rechtslehrern gezweifelt wird, ob oder wie weit bey dem Gerichts-Orte der Wohnung auch dingliche Klagen, zumal nach deutschen Rechten und Gewohnheiten eingeführet werden können, so treten Wir zwar in Ansehung beweglicher Sachen denenjenigen bey, welche solches zulassen, in Ansehung der unbeweglichen aber mögen Wir es nicht anders gestatten, als wenn der Beklagte seine Wohnung in demselben Lande und Gebiete hat, wo das Gut belegen ist. Doch werden Wir Uns über Erbschafts-Klagen nachhero weiter erklären.

Titel 28 § 12

§ 12. Derjenige, welcher einen Adelichen Rittersitz in Unsern Landen hat, ist anzusehen, als ob er auch daselbst wohne, wenn er schon seine hauptsächliche Wohnung anderswo hätte. Er kann dahero nicht allein in persönlichen bürgerlichen Sachen, sondern auch in dinglichen, wenn sie bewegliches Gut betreffen, bey demjenigen hohem Gerichte, worunter der Ritter-Sitz belegen ist, belanget werden.

Titel 28 § 13

§ 13. Alle Unsre Vasallen, und deren über Alt-Väterliche Lehne mitbelehnte Agnaten müssen, wenn das Lehn in Unsern Landen belegen ist, auch in persönlichen bürgerlichen Sachen, wie solches nicht allein in Sachsen, sondern auch besonders in Unserm Herzogthum Lüneburg auch außer Zweifel beruhet, bey demjenigen Unsrer Landesherrlichen Gerichte, worunter das Lehn belegen ist, wenn sie selbst schon außer Landes wohnen, Recht nehmen und geben.

Titel 28 § 14

§ 14. Jn Ansehung derer auf den Besitz gerichteten Klagen erklären Wir Uns für die Meinung derjenigen Rechtslehrer, welche selbige von dem Gerichts-Orte der Wohnung ausschließen, und schlechterdings an das Gericht, worunter die Sache belegen, verweisen.

Titel 28 § 15

§ 15. Was hierauf die Erbschafts-Klagen betrifft, so höret die Einweisung in den Besitz derselben gleichergestalt für die Obrigkeit des Orts der Lage, oder, wo sie unter mehrern belegen, für den gemeinen OberRichter.

Titel 28 § 16

§ 16. Der Gerichts-Ort der Lage des Sterbhauses kann überall in Erbschaften nicht anders als in Ansehung der darin befindlichen Sachen eintreten.

Titel 28 § 17

§ 17. Ob auch wohl denen ausstehenden Schulden und Anforderungen keine gewisse Lage zuzuschreiben stehet, so soll doch auch, in Ansehung deren, sie mögen blos persönlich, oder mit einem dinglichen Rechte verbunden seyn, der Gerichts-Ort der Lage des Sterbhauses Statt haben.

Titel 28 § 18

§ 18. Sonst aber müssen auch überall die Erbschafts-Klagen, wenn es auf einen Erbschafts-Anspruch, und nicht blos auf Theilungen ankommt, da, wo die Erbschaft belegen, oder, wenn sie zerstreuet, bey dem hohem gemeinen Richter eingeführet werden. Theilungen hingegen, als bey welchen zugleich persönliche Leistungen vorfallen, können gegen den Miterben auch an dem Ort der Wohnung desselben nachgesuchet werden. Wenn aber mehrere Miterben vorhanden, tritt gleichfalls der gemeine Richter ein.

Titel 28 § 19

§ 19. Hätte gleichwohl ein vermeinter Erbe die Erbschaft bereits an sich genommen und ganz, oder zum Theil, aus dem vorigen Stande verrücket, insonderheit das Sterbhaus bereits ausgeleeret, und die Briefschaften an sich und an einen andern Ort genommen, so ist als denn die Erbschafts-Klage gegen denselben an dem Gerichts-Orte seiner Wohnung anzunehmen.

Titel 28 § 20

§ 20. Wenn jemand an einem Orte einen Handel getroffen, oder daselbst durch Verträge sich verbindlich gemachet, oder Zahlung gelobet hat, und zwar allda sich nicht auf eine Zeitlang aufhält, gleichwohl aber Güter daselbst hat, so finden Wir, da derjenige, welcher sich mit ihm in den Handel eingelassen, auf diese Sicherheit hauptsächlich gesehen, nicht weniger für billig, auch denen Rechten gemäß, daß derselbe sodann, wenn er schon nicht gegenwärtig ist, an diesem Ort belanget werden könne. Es verstehet sich jedoch auch hier, daß Unsre Schriftsassen nicht unter ein Untergericht gezogen werden.

Titel 28 § 21

§ 21. Es können aber fremder oder in einem andern Gebiete Unsrer Lande wohnenden Unterthanen blos durchgehende Sachen an diesem Orte der Verbindlichkeit nicht bekümmert werden, weil ein solcher Gläubiger sich selbst beyzumessen hat, daß er gleich Anfangs auf seine Sicherheit nicht gesehen hat.

Titel 28 § 22

§ 22. Dagegen kann dieser Gerichts-Ort dadurch allein nicht begründet werden, daß der Fremde etwa daselbst nachhero sich blos betreten lässet, wenn er nicht zur Zeit des Handels sich würklich daselbst auf einige Zeit aufgehalten.

Titel 28 § 23

§ 23. Wenn aber der Handel mit einem durchgehenden Fremden nicht auf Glauben geschehen ist, muß er an solchem Orte, wenn er daselbst noch anzutreffen, Recht nehmen.

Titel 28 § 24

§ 24. Wo auch jemand Rechnung abzulegen übernommen hat, muß er solches thun, wenn er sonst schon diesem Gerichts-Ort nicht unterworfen ist.

Titel 28 § 25

§ 25. Ob zwar überhaupt aus denen Rechten angenommen werden will, daß ein Kläger in Ansehung der Widerklage vor denselben Gerichts-Ort sich einlassen müsse, woselbst er seine Klage eingeführet hat, so findet doch dieses zuvörderst nicht Statt, wenn die Sache so beschaffen ist, daß dieser Richter über dergleichen zu erkennen und zu urtheilen, nicht befugt wäre.

Titel 28 § 26

§ 26. Wie demnach bey Unsern weltlichen Gerichten keine für die Geistlichen gehörige Sache mittelst Widerklage eingeführet werden kann, also kann im Gegentheil auch bey Unsern geistlichen Gerichten keine für die weltlichen Gerichte gehörige Sache durch Widerklage anhängig werden. Doch billigen Wir hiebey die Meinung der Rechtslehrer, daß gegen die den geistlichen Gerichten unterworfene Person in persönlichen, ihr Amt nicht angehenden Sachen die Widerklage bey den weltlichen Gerichten anzunehmen sey.

Titel 28 § 27

§ 27. Es kann dahero auch vor einem Lehn-Gerichte keine Widerklage über eine sonst dahin nicht gehörige Sache erörtert werden.

Titel 28 § 28

§ 28. Da auch die Widerklagen keinem dritten zum Nachtheil gereichen müssen, so können Wir nicht gestatten, daß eine für die Lehn-Gerichte gehörige Sache durch eine Widerklage demselben entzogen werde.

Titel 28 § 29

§ 29. Gleichwie Wir auch nicht gestatten mögen, daß jemand Unsrer Unterthanen über seine in Unsern Landen belegene Güter in einem aus wärtigen fremden Gebiete sich einlasse, oder durch Widerklage einzulassen genöthiget werde, also wollen Wir auch im Gegentheil, daß gleichfalls in Unsern Landen keine Klagen oder Widerklagen über auswärtige Güter angenommen, sondern vielmehr an gehörigen Ort verwiesen werden. Wie Wir denn solchergestalt diese unter denen Rechtslehrern streitige Frage zugleich dem wahren Sinn des Kaiserlichen Rechts gemäß bestimmen.

Titel 28 § 30

§ 30. Es ist Uns ferner vorgetragen, als ob es sowohl denen Römischen Rechten, als auch denen Rechten der Herzogthümer Bremen und Verden von Unsern Cammer-Anwalden gemäß gehalten werden wollen, daß die von Unsrer Rent-Cammer gegen andre, ob schon unter denen Unter-Gerichten gesessene, einzuführende Klagen sogleich bey denen hohem Gerichten in erster Jnstanz eingeführet werden könnten. Wie aber Unser Ober-Appellations-Gericht schon mehrmalen anders und dahin erkannt hat, daß auch der Anwald Unsrer Rent-Cammer wie überhaupt, also auch in den Herzogtümern Bremen und Verden die in Anspruch genommene bey denen Unter-Gerichten, worunter sie in erster Instanz gehören, zuvörderst belangen müsse, also soll auch dieses inskünftige denen Anwalden Unsrer Rent-Cammer zur Richtschnur dienen.

Titel 28 § 31

§ 31. Als auch dem Vernehmen nach gezweifelt werden will, ob die Unserm Cellischen und Calenbergischen Hofgerichten beygelegte Gerichtsbarkeit auch auf Lehns-Sachen sich erstrecke, oder ob diese schlechterdings denen Justiz-Canzleyen zu überlassen seyn, und dann eines Theils nicht abzusehen ist, warum die Lehns-Sachen, wenn sie für kein judicium Parium Curiae gezogen werden, nicht sowohl von denen Hofgerichten, als denen Justiz-Canzleyen als ordentlichen Richtern entschieden werden mögen, andern Theils auch besonders von Unserm Zellischen Hofgerichte dieses von Altersher geschehen ist, so wollen Wir, daß desfalls hinführo kein Zweifel weiter gereget werde.

Titel 28 § 32

§ 32. Da auch außerhalb denen Herzogtümern Bremen und Verden von Unsern Gerichten angenommen ist, daß das Petitorium bey dem Gerichte anzustellen sey, wo das Possessorium seine Endschaft erreichet, so wollen Wir zwar es dabey ferner lassen. Doch soll es in Ansehung des Ober-Richters nicht anders Statt finden, als wenn die über den Besitz ergangene Acta bey ihm bleiben. Sonst aber muß das Petitorium bey demjenigen Gerichte eingeführet werden, an welches die vorigen Acta zurückgesandt sind, oder zurückgesandt werden sollen.

Titel 28 § 33

§ 33. Wir erinnern Uns, daß in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2 tit. 1. § 8 versehen ist, daß diejenigen Säten, so propter continentiam causae vor einem oder andern von Unsern Canzleyen, oder Hofgerichten allein nicht cognosciret, entschieden und exequiret werden können, als wenn z. E. jemand verschiedene, theils in Unsern Calenbergischen, Grubenhagischen oder Hoyaischen und Diepholzischen, theils in Unsern Zellischen Fürstenthum und Landen gesessene Personen zugleich und una eodemque actione personali belangen wollte, oder auch, wenn in actionibus realibus die in Anspruch zu nehmende Güter zum Theil in einem, zum Theil in andern besagter Unsrer Fürstenthümer und Landen belegen, und dergleichen Sachen, welche nicht anders, als bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte tanquam judicio communi eingeführet und ausgemachet werden können. Wir vernehmen gleichwohl, daß hiebey Zweifel vorgefallen sind, eines Theils, wenn die Klagen gegen mehrere Erben denen Rechten nach von selbst getheilet sind, andern Theils, wenn in dinglichen Klagen der Beklagte in einem Unsrer Herzogtümer oder Grafschaften wohnhaft niedergesessen sey. Nachdem aber Unser Ober-Appellations-Gericht dessen ungeachtet die Ordnung bereits auf die Stattnehmigkeit dieses Gerichts-Orts erkläret hat, und Wir dieses denen Rechten um so gemäßer finden, als Wir auch dingliche Klagen schlechterdings in foro iei sitae angebracht wissen wollen, so soll auch hinkünftig es also gehalten werden. Es mag also die Klage gegen mehrere Erben ipso jure getheilet seyn, oder in actionibus realibus bey mehrern in verschiedenen Unsrer Lande und Herrschaften belegenen Gütern der Besitzer in einem derselben seine Wohnung haben, so soll gleichwohl das iorum continentiae causae bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte Statt finden.

Titul XXIX. Von der Perhorrescenz eines Richters.

Titel 29 § 1

§ 1. Da dem Vernehmen nach unter denen Rechtslehrem gestritten wird, ob es zu Ablehnung eines Richters genug sey, durch einen bloßen Eid zu erhärten, daß man nicht glaube, Recht von ihm zu bekommen, oder ob zugleich Ursachen dieses Argwohns angeführet, und ziemlicher Maßen, solchergestalt, wie bey einem Erfüllungs-Eide erfordert wird, beglaubiget werden müssen, und es dann eines Theils oft vieles Bedenken haben kann, die Ursachen anzuführen, eine Bescheinigung aber mit Weitläufigkeiten verknüpfet ist, und den Rechtsstreit in der Hauptsache sehr aufhält, so lassen Wir Uns in Gnaden gefallen, daß der bloße Eid hinlänglich sey.

Titel 29 § 2

§ 2. Es findet aber solche Ablehnung eines Richters nur gegen einzelne Personen, und nicht gegen ganze Collegia Statt.

Titel 29 § 3

§ 3. Da in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung in Ansehung der Ober-Appellations-Räthe, welchermaßen selbige zu suspectiren seyn, eine besondre Art und Weise vorgeschrieben worden, so hat es dabey schlechterdings sein Bewenden, und findet gegen dieselben der Eid der Perhorrescenz keine Statt. Es soll auch bei Unsern Justiz-Canzleyen und Hofgerichten in Ansehung der abzulehnenden Räthe eben so gehalten werden.

Titul XXX. Von Policey-Sachen.

Titel 30 § 1

§ 1. Da die Policey-Sachen nicht allein von denen Regierungen Unsrer Länder, sondern auch unter deren Aufsicht von eines jeden Orts Obrigkeit besorget werden, und desfalls, wie weit die Policey-Gewalt sich erstrecke, auch die Zuflucht zu den Gerichten ausschließe, oft großer Zweifel entstehet, so finden Wir nöthig, darunter eine nähere Bestimmung zu geben.

Titel 30 § 2

§ 2. Gleichwie nun die Policey die Erhalt- und Beförderung des gemeinen Wohlstandes und guter Ordnung zum Vorwurf haben, also können Policey-Sachen, wenn kein andrer Betracht dabey vorkommt, zu gerichtlichen Sachen nicht gemacht werden.

Titel 30 § 3

§ 3. Wie aber niemand mit Recht und Billigkeit angemuthet werden kann, sein erworbenes und bereits habendes Recht zum Besten des gemeinen Wesens mit seinem Schaden und Nachtheil aufzuopfern, ohne wenigstens dafür eine hinreichende Vergeltung zu erhalten, und so wenig Wir als Unsre in Gott ruhende Vorfahren jemals dergleichen Gedanken geheget haben, also ist in solchem Falle der Weg Rechtens nicht zu verschließen. Jedoch sind inmittelst, wenn das gemeine Beste es erfordert, die ergangenen Verordnungen vorerst ohne Aufenthalt zur Würklichkeit zu bringen.

Titel 30 § 4

§ 4. Es ist jedoch kein erworbenes Recht zu nennen, was bisher aus einer nicht eingeschränkten Freyheit einem jeden verstattet und nachgesehen worden.

Titel 30 § 5

§ 5. Privat-Personen gegen einander sind zu gerichtlicher Ausführung eines aus Policey-Verordnungen ihnen zustehenden Rechts jederzeit zuzulassen.

Titel 30 § 6

§ 6. Was insonderheit die Zünfte und Gilden anlanget, so behalten Wir Uns und Unsern Regierungen allerdings bevor, ihre Innungs-Briefe nach befundenen Umständen zu verändern, zu vermindern, zu vermehren, und dawider zu dispensiren, und ist solches eine bloße Policey-Sache, wenn ihnen nicht, daß solches zu keiner Zeit geschehen solle, Versicherung von dem gnädigsten Landesherm ertheilet ist, als in welchem Fall sie, wenn 5 Ebel nicht etwa ein durch die Erfahrung hervorgetretener Mißbrauch abgestellet wird, zum Wege Rechtens zu lassen sind.

Titel 30 § 7

§ 7. Ob zwar auch die Unsern Regierungen nachgesetzte Obrigkeiten bey Beobachtung der Policey-Gesetze zugleich alles dem Wohlstände eines Orts nachtheiliges mit Recht abzuwenden, auch durch angedrohete Strafen zu verwehren suchen mögen, so stehet Ihnen doch ein gleiches in denen an sich nicht schädlichen Dingen und blos zu Verschaffung besserer Gemächlichkeit und Bequemlichkeit wider Willen, und wenn nicht eine Vereinbarung sämmtlicher Einwohner vorhergegangen, nicht zu. Ist indeß eine solche Vereinbarung einmal erfolget, so kann die Obrigkeit auch durch Befehle und Strafen darüber halten.

Titul XXXI. Von Lehn-Sachen und Lehn-Gerichten.

Titel 31 § 1

§ 1. Wir erkennen nur das für Lehn-Sachen, so für die Lehn-Gerichte gehören, welche die Verbindung des Herrn mit dem Lehn-Mann, oder die Verbindung der Lehnleute unter sich betreffen.

Titel 31 § 2

§ 2. Wenn es demnach auf die Verwürkung eines Lehns ankommt, ist es eine Lehn-Sache und gehöret für das Lehn-Gericht.

Titel 31 § 3

§ 3. Nicht weniger ist dahin zu ziehen, wenn mehrere Vasallen über die Folge im Lehn streiten.

Titel 31 § 4

§ 4. Dagegen kann kein dritter Besitzer eines Lehns für das Lehn-Gericht gezogen werden, wenn schon die Klage auf eine von dem Vasallen selbst geschehene Verwürkung des Lehns sich gründen oder selbige voraussetzen sollte.

Titel 31 § 5

§ 5. Vielweniger können Forderungen, welche aus Verschreibungen und Verträgen entstehen, wenn sie schon das Lehn betreffen, oder auch wohl gar mit Lehnsherrlichem Consens bekräftiget, oder auch blos von Vasallen unter sich errichtet wären, an das Lehn-Gericht gehen.

Titel 31 § 6

§ 6. Die Lehn-Gerichte sind, wenn sie die Sache zur Entscheidung annehmen wollen, mit gleichbürtigen Vasallen desselben Lehn-Hofes, welche der Lehn-Rechte und Gewohnheiten kundig sind, zu besetzen, es mag der Streit zwischen dem Herrn und dem Vasallen, oder auch nur unter den Vasallen allein seyn. Und da das Sachsen-Recht hierunter sechs Beysitzer erfordert, so ist dieses billig beyzubehalten, so lange nicht durch Gewohnheit eine geringere Zahl eingeführet ist. Wo auch kein beständiges Lehn-Gericht vorhanden, kann der Vasall von Ernennung der Beysitzer nicht ausgeschlossen werden.

Titel 31 § 7

§ 7. Sind jedoch angeordnete beständige Lehn-Gerichte vorhanden, so kommt es auf die alte Art der Lehn-Gerichte nicht an.

Titel 31 § 8

§ 8. Wir gestatten auch in denen feudis extra curtem denen auswärtigen Lehn-Gerichten ein richterliches Erkenntniß. Wobey Wir, wie es nachhero wegen der Appellationen zu halten, Uns bereits an einem andern Orte erkläret haben.

Titel 31 § 9

§ 9. Kommt die Sache bei Ermangelung eines Lehn-Gerichts an die ordentlichen Gerichte, so sind davon Unsre Hofgerichte keinesweges auszuschließen.

Titel 31 § 10

§ 10. Die Lehn-Gerichte können unmittelbar und ohne Ersudmng der ordentlichen Gerichte niemand vorladen, noch einiges Erkenntniß gegen denselben vollstrecken.

Titul XXXII. Von der Holz-Gräfenschaft.

Titel 32 § 1

§ 1. Da Wir vernehmen, daß wegen derer in Unsern deutschen Landen vieler Orten beybehaltenen Holz-Gerichte und Holz-Gräfenschaften mancherley Jrrungen sowohl mit dem ordentlichen Gerichts-Herrn, als auch denen Holzungs-Genossen vorfallen, und bisher zu gerichtlichen Weiterungen Anlaß gegeben, so finden Wir gnädigst gut, auch hierunter ein und anders hiedurch fest zu setzen.

Titel 32 § 2

§ 2. Zuvörderst erstrecket sich die Gewalt des Holz-Gräfen über alles in der Holzungs-Mark begriffene, auch Wiesen und Ländereyen, nur allein die Höfe und Kohlgärten ausgenommen, und was in diesen an Bäumen vorhanden ist.

Titel 32 § 3

§ 3. Für das Holz-Gericht gehöret alles, was den Gebrauch und die Erhaltung der Holzung betrifft.

Titel 32 § 4

§ 4. Dieses ist jedoch dahin zu verstehen, in so weit es die Gemeinschaft und Verbindung der Jnteressenten unter sich angehet.

Titel 32 § 5

§ 5. Würde hingegen einer Dorfschaft von der andern ein gewisses Recht in der Holzungs-Mark gänzlich bestritten, mithin in sofern die Gemeinschaft und Genossenschaft selbst in Zweifel gezogen, so gehöret die Sache nicht für das Holz-Gericht, sondern für die ordentlichen Gerichte.

Titel 32 § 6

§ 6. Der Holz-Gräfe ist befugt, durch seine Holz-Geschwornen oder Vögte in der Holzungs-Mark, so weit seine Gewalt sich erstrecket, wegen solcher Dinge, die der Holzungs-Mark und der Gemeinschaft zum Schaden geschehen, sowohl die Interessenten, als Fremde auf frischer That pfänden zu lassen. Es wird auch derjenige bruchfällig, welcher sich der Pfändung widersetzet. Werden aber die Pfänder nicht gutwillig gelöst, so muß über die Pfändung beym Holz-Gerichte erkannt werden.

Titel 32 § 7

§ 7. Es kann aber auch der Holz-Gräfe über das, was in der Holzung zum gemeinen Schaden geschiehet, es sey von wem es wolle, durch seine beeidigte Holz-Bediente Wrogen oder Rügen und Anzeigen, welche auf deren Eid geschehen, einbringen lassen, welche demnächst bey dem Holz-Gerichte untersuchet, und alsdann die gebührende Strafen angesetzet werden.

Titel 32 § 8

§ 8. Es können jedoch ohne Ersuchung des ordentlichen Richters keine Personen für das Holz-Gericht gezogen werden, als welche zur MannZahl daselbst erscheinen. Auch kann die Beytreibung der daselbst erkannten Brüche von dem Holz-Gräfen selbst und dessen Dienern unmittelbar nicht geschehen, sondern es müssen desfalls die ordentlichen Gerichte sowohl gegen die Holzgenossen selbst als Fremde angegangen werden. Da jedoch Unsre Bremische Ritterschaft befugt ist, auch in geringen liquiden Schuld-Sachen über ihre Gutsleute die Exekution zu verhängen, so mögen sie von denenselben auch dergleichen Brüche beytreiben.

Titel 32 § 9

§ 9. Alle Anweisung des harten - oder Bau- und Nutzholzes gehöret für den Holz-Gräfen.

Titel 32 § 10

§ 10. Es kann gleichwohl der Holz-Gräfe die Anweisung nach dem Zustande der Holzung denen würklichen Jnteressenten, worunter jedoch bloße Häuslinge nicht begriffen sind, nicht versagen, wenn sie es zu ihrer und der ihrigen Nothdurft gebrauchen, wohl aber, wenn sie bauen wollten, um Fremde und Häuslinge aufzunehmen.

Titel 32 § 11

§ 11. Bey den Windbraken ist dahin zu sehen, ob darunter Bau- oder Nutz-Holz befindlich sey. Dieses ist billig zum gemeinen Besten abzusondern, und von dem Holz-Gräfen in Verwahrung zu nehmen. Das übrige aber gehet zu der gemeinen Theilung, es wäre dann, daß bereits sonst festgestellt wäre, was und wie viel denen Jnteressenten an Brennholz aus der Holzung gebühre, als worauf jederzeit vorzüglich zu achten ist.

Titul XXXIII. Von Besprechung des Eigenthums.

Titel 33 § 1

§ 1. Es ist Uns nicht angezeiget, daß bey der Besprechung des Eigenthums aus den gemeinen Rechten besondere zu entscheidende Streitigkeiten der Rechtslehrer obwalten, wohl aber daß die Lehn-Rechte hierin verschiedener Erklärungen bedürfen. Welche Wir also hiedurch bestimmen wollen.

Titel 33 § 2

§ 2. Wir vernehmen zuvörderst, wie von aller Zeit her nicht einerley Meinung darüber geheget worden, ob alsdann, wenn ein Vasall ohne männliche Leibes-Erben mit Tode abgehet, die auf dem Lehn stehende Gebäude denen Land-Erben von dem Lehn-Herrn oder dem Lehn-Folger zu vergüten seyn, und daß selbst in den Longobardischen Lehn-Rechten darunter keine gnügsam deutliche Versehung anzutreffen sey. Nachdem nun wenigstens in neuern Zeiten die Gerichte Unsrer Lande angenommen haben, daß der Werth sothaner Gebäude, in sofern sie dem Lehn nützlich, denen Land-Erben zu erstatten sey, so lassen Wir es auch ferner dabey bewenden.

Titel 33 § 3

§ 3. Wie jedoch ein auf den Grund und Boden eines Lehns gesetztes Gebäude an und für sich Lehn ist, und die Land-Erben nur die angewandte Baukosten, wenn sie anders den dermaligen Werth des Gebäudes nicht übersteigen, verlangen mögen, so kann wegen der aus dem Lehn selbst an Holz oder Steinen hergenommenen oder herzunehmenden Bau-Materialien weiter nichts als das Arbeitslohn und die baaren Kosten gefordert werden, als wie man Uns auch berichtet, daß Unser Ober-Appellations-Gericht bereits verschiedentlich erkannt hat.

Titel 33 § 4

§ 4. Wie aber die eigentlich verwandten Kosten nicht selten schwer ausfündig zu machen sind, und denn zwar die Preise der Materialien und des Arbeits-Lohns seit verschiedenen Jahren merklich gestiegen sind, hingegen aber auch an der andern Seite in Erwägung kommt, daß ein Gebäude durch die Länge der Zeit immer verlieret, so lassen Wir es dabey, daß, wie bisher geschehen, also auch ferner der zeitige Werth sowohl der Materialien als des Arbeits-Lohns durch die Werdirung Kunstverständiger herausgebracht werde, und darnach die Vergütung geschehe.

Titel 33 § 5

§ 5. Wann die Gebäude in Ansehung des mit dem Lehn verbunden gewesenen Erbes größer und geräumiger gemacht sind, als das Lehn solches erfordert, ist dieses allerdings dem Lehnfolger zu gute, und zwar um so mehr in Betracht zu ziehen, als dieser dadurch mit einer kostbaren Unterhaltungslast beschweret wird. Wir lassen demnach in solchem Fall die Worte des Longobardischen Lehn-Rechts schlechterdings eintreten, daß es bey dem Lehnfolger stehe, ob er dergleichen Gebäude den LandErben wegnehmen lassen, oder dafür, was sie auf den Abbruch werth seyn, entrichten wolle.

Titel 33 § 6

§ 6. Ein gleiches muß auch sodann eintreten, wenn die Gebäude überhaupt unmäßig groß und kostbar aufgeführet sind, daß sie einem künftigen Lehnfolger zur Last fallen.

Titel 33 § 7

§ 7. Haben mehrere Brüder einem unter ihnen das Lehn solchergestalt überlassen, daß die Gebäude in keinen Anschlag gekommen, sondern er solche unentgeldlich besitzen sollen, können zwar, wenn dieser Bruder ohne männliche Erben abgehet, dessen Land-Erben von denen nachfolgenden Brüdern den völligen Werth davon nicht verlangen, wohl aber denjenigen Theil, welcher ihrem Vater davon gebühret hätte.

Titel 33 § 8

§ 8. Wir bestätigen auch die von Unserm Ober-Appellations-Gericht angenommene Meinung, daß die Land-Erben desjenigen, welcher mit einem Ritter-Sitz beliehen gewesen, nur wegen der von dem letztem Vasallen oder dessen Vorfahren neu aufgeführten Gebäude, oder geschehenen Erweiterung der alten Erstattung fordern können.

Titel 33 § 9

§ 9. Wenn dem Lehn-Folger die Aufkünfte des Lehns berechnet werden, ist er dagegen auch denen Land-Erben den Werth der Gebäude zu verzinsen schuldig.

Titel 33 § 10

§ 10. Wir billigen auch in Ansehung der Lehns-Verbesserungen überhaupt die von denen Rechts-Lehrern angenommene Meinung, daß die wahren Lehns-Verbesserungen denen Land-Erben von dem Lehn-Folger solchergestalt zu bezahlen sind, daß, wenn die Kosten der Anlage den würklich Werth der Verbesserungen nicht übersteigen, solche Lasten ihnen zu erstatten, sonst aber bey dem dermaligen Werth der Besserung zu bestehen sey.

Titel 33 § 11

§ 11. Als Wir jedoch in Unserm Herzogthum Lüneburg auf Ansuchen Unsrer getreuen Stände zu mehrerer Aufnahme dieses bisher nicht gnug angebaueten Landes unterm 29ten May 1767 wegen derer in der Folge anzulegenden Verbesserungen eine besondere Verordnung ergehen lassen, so wollen Wir solche für gedachtes Herzogthum nochmals hiedurch bestätigen, wiederholen auch selbige dahin, daß in Unserm Herzogthum Lüneburg bey denen seit solcher Verordnung vorgenommenen beständig fortdauernden, und nicht blos übergehenden Verbesserungen solcher Lehnstücke, die einen gewissen Ertrag abwerfen, sie mögen zu Lehn rühren, von wem sie wollen, nicht sowohl auf den Aufwand der Kosten, als vielmehr die durch des Besitzers Kosten, Fleiß und Mühe bewürkte Erhöhung der Aufkünfte des verbesserten Grundstücks gesehen werden solle, und zwar solchergestalt, daß bey dem Anfall des Lehns der alsdenn sich ergebende höhere Ertrag dieses Stückes, insofern er den vorigen übersteiget, nach dem Fuß von Sechs aufs Hundert zu einem Capital, als 60 Thaler zu 1000 Thaler angeschlagen, und denen Land-Erben vor Einräumung des Lehn-Guts erstattet werde, ein solches von dem Lehn-Folger bezahltes Capital auch als eine Lehn-Schuld anzusehen sey, welche, sofern sie alsdenn noch vorhanden, auch von denen weitem Lehn-Folgern der abgehenden Vasallen Land-Erben hinwiederum in demselben Quanto erstattet werden müsse, jedoch mit den gedoppelten Anhänge, daß erstlich dieses nicht weiter als auf solche Verbesserungen zu erstrecken, welche in den letztem 60 Jahren von Zeit des letzten Vasallen Absterbens hinauf zu rechnen geschehen, und ferner, daß bey Anlegung solcher Besserung vorher durch eine gehörigen Orts zu erbittende Commission, wozu bey unstreitigen, oder auch nur zweifelhaften Lehnstücken, letztem Falls jedoch ohne des Besitzers Nachtheil, die nächste Lehnfolger, oder an deren Statt der Senior Familiae und sowohl der Anwald Unsrer Lehn-Cammer, als auch die etwanige andre Lehns-Herren, wiewohl nur monitorie mit vorzuladen, der bisherige Ertrag eines solchen Stücks ausfündig gemachet werde, sonst aber in beyden Fällen es bey den gemeinen Rechten bleibe, daß blos die erweisliche Kosten selbst, sofern sie den dadurch erhöheten Werth des Stücks nicht übersteigen, zu erstatten seyn.

Titel 33 § 12

§ 12. Da Wir auch in eben dieser Unsrer Verordnung versehen haben, daß, wenn blos dasjenige wieder in guten Stand gesetzet werde, was durch des Besitzers eigne oder dessen Vorfahren Schuld verschlimmert worden, zum Exempel, wenn ein Holz durch Besamung oder Zupflanzung wieder in guten Stand gesetzet werde, als wovon jederzeit zu vermuthen, daß es durch der Vorfahren Schuld verwüstet worden, dessen Erstattung dem Lehn-Folger nicht angemuthet werden möge, dieses aber bey Verbesserungen überhaupt der Natur der Sache gemäß ist, als ist solches auch außerhalb Unserm Herzogthum Lüneburg jedesmal zu beobachten.

Titel 33 § 13

§ 13. Wir vernehmen nun ferner, daß die Rechts-Lehrer auch in Ansehung der Früchte des Sterb-Jahrs in der Erklärung des Longobardischen Lehn-Rechts nicht einerley Meinung sind, da zwar viele, wenn der Vasall nach dem lten März verstorben, die demselben noch nicht zu Händen gekommene Früchte bis zu Ende des August-Monats, oder doch wenigstens bis zu dessen Anfang, denen Land-Erben zubilligen, andre hingegen das Sterb-Jahr bis zu Ende des Christ-Monats erstrecken, wiederum andere annehmen, daß solche noch nicht abgemähete oder abgenommene, noch dem Vasallen zu Händen gekommene Früchte, zu welcher Jahreszeit der Todesfall sich zutrage, dem Herrn oder Lehnfolger gehören, oder doch unter dem Lehnfolger und den Landerben nach dem Verhältniß der Zeit zu theilen seyn. Wir nehmen nun hiebey an, daß das Longobardische Sterb-Jahr vom lten Tage des Herbst-Monats anfange, und billigen die Meinung, daß solches mit dem letzten Tage des Erndte-Monats sich endige, und daß, wie auch Unsre Gerichte bisher darnach erkannt haben, wenn der Vasall nach dem lten März mit Tode abgehet, alle Früchte des Lehns bis zum letzten Tage des Erndte-Monats denen Land-Erben zu lassen seyn. Was aber in der Zwischenzeit vom lten des Herbst-Monats bis zum lten März bey Ableben des Vasallen noch würklich auf dem Lande, Stamm oder Baum ungetrennt gestanden, gehöret dem Herrn oder Lehn-Folger.

Titel 33 § 14

§ 14. Was die sogenannten Fructus civiles betrifft, so sind solche allerdings von denen natürlichen Früchten zu unterscheiden, und gebühret davon denen Land-Erben nicht mehr, als so viel der Meyer-Zins- oder Erben-Zins-Mann von seiner schuldigen Abgift dem Vasallen bis auf den Tag dessen Absterbens schuldig gewesen, wenn schon die Abgift selbst erst später betaget würde. Wenn solchemnach der Zins auf Michaelis fällig wird, und der Vasalle wäre etwa den lten März gestorben, wird der Zins unter dem Land-Herrn und dem Lehn-Folger gleich getheilet. Natural-Abgiften aber sind zu Gelde anzuschlagen.

Titel 33 § 15

§ 15. Da auch über die Frage, zu welcher Gattung Früchte die Zehenten zu rechnen, Unsre Gerichte nicht einerley Meinung hegen, so hat es zwar wohl keinen Zweifel, daß die sogenannten Sack-Zehenten als Meyer-Abgiften anzusehen sind. Wir setzen aber auch die NaturalZehenten unter die Fructus civiles als eine Abgift vom Lande, und ist hier zur Berechnung die Zeit von einer Erndte bis zur andern anzurechnen. Weil gleichwohl die Erndte nicht aller Orten zu gleicher Zeit eintrifft, so finden Wir dienlich, auch hier etwas gewisses zu bestimmen, und setzen also, daß die Berechnung vom letzten Tage des Erndte-Monats bis wieder dahin zu ziehen sey.

Titel 33 § 16

§ 16. Das Pacht-Geld vom Lande gehöret demjenigen, welchem der Genuß der Erndte zustehet, wie auch bey Wiesen und Legden eintritt. Sind aber unter der Pacht zweischerige Wiesen begriffen, ist das dafür aufkommende Pacht-Geld unter dem Lehn-Folger und den Land-Erben gleich zu theilen, und eben dieses ist bey denen Gärten zu beobachten. Von solchen Wiesen aber, welche nur einmal und zwar erst im HerbstMonat geschoren werden, gehöret das Pachtgeld dem Lehnfolger.

Titel 33 § 17

§ 17. Von Mühlen und andern Gebäuden, welche einen beständigen Nutzen geben, gehöret das Pachtgeld unter die Fructus civiles.

Titel 33 § 18

§ 18. Mit den Fischereyen und Jagden hingegen ist es wie mit den Natural-Früchten zu halten.

Titel 33 § 19

§ 19. Was das Holzungs-Recht und den Torf-Stich wie auch den Plaggen- und Haide-Hieb betrifft, so kann der nach den lten März im Genuß bleibende Erbe solches zwar zu eigenen Behuf und Nothdurft genießen, keinesweges aber davon durch einen Verkauf an andre sich einen Vortheil zueignen.

Titel 33 § 20

§ 20. Hat der Vasall zu Gottes Ehre, und des gemeinen Wesens Besten eine Schule oder geistliches Gebäude erbauet oder wieder hergestellet, so ist solches für eine Verbesserung des Lehns nicht zu halten, noch desfalls Erstattung zu fordern.

Titul XXXIV. Von besondern Verbindlichkeiten der Brüder oder Vettern gegen die Land-Erben.

Titel 34 § 1

§ 1. Was der vormalige Besitzer eines Lehns oder dessen Vorfahren, an würklichen Lehn-Schulden abgetragen, davon verstehet es sich von selbst, daß denen Land-Erben aus dem Lehn Vergütung wiederfahren müsse, und, ehe solches geschehen, sie daraus zu weichen, nicht schuldig seyn.

Titel 34 § 2

§ 2. Da es sich aber oft zuträgt, daß unter mehrern Brüdern einer das Lehn angenommen, und solche väterliche oder großväterliche und ältere Schulden bezahlet, deren Vergütung nicht so schlechterdings aus dem Lehn zu erwarten gewesen, so ist es anzusehen, als ob er eine denen gesammten Brüdern und deren Stämmen gemeinschaftlich obliegende Schuld bezahlet habe. So weit er demnach für diese gemeine Schuld zu seinem Theil nach Anzahl der Brüder selbst gehaftet, können die LandErben das Bezahlte von denen Lehn-Folgern nicht wieder fordern, sondern nur denjenigen Theil, welcher denen Brüdern und nunmehrigen Lehn-Folgern selbst obgelegen haben würde. Würde auch nachher vor dem Anfall des Lehns die Zahl der Brüder oder Stämme durch eines oder andern Abgang vermindert, so sind solche Schulden denen übrigen gemein geblieben, und sie mögen bezahlet seyn, zu welcher Zeit sie wollen, so geschiehet die Vergütung allmal nur für denjenigen Antheil, welchen der Nachfolger unmittelbar vor dem Anfall an dem Lehn gehabt. Wenn also von dreyen Brüdern einer inmittelst verstorben, so ist denen Land-Erben des Besitzers nur die Halbscheid zu ersetzen.

Titel 34 § 3

§ 3. Wenn der Besitzer dem einen oder andern Bruder einen Theil des Lehns herausgegeben, und das Lehn fällt darauf demselben Bruder anheim, so kann dieser des Lehns sich nicht anders als gegen gänzliche Wiedererstattung seines vorhin erhaltenen Theils sich anmaßen, und muß folglich auch das etwa zu solchem Ende aufgenommene aus dem Lehn abtragen.

Titul XXXV. Von neu angekauften Lehnen, und dabey vorfallenden Gedingen.

Titel 35 § 1

§ 1. Obgleich bey neu angekauften Lehnen die Folge in denselben keiner Bestimmung von Uns bedarf, so vernehmen Wir jedoch, daß, wegen des zu solchem Ankauf verwandten Geldes, verschiedene und nicht geringe Zweifel obwalten, welche Wir demnach zu erledigen, gnädigst gut gefunden haben.

Titel 35 § 2

§ 2. Wenn zuvörderst ein Vater zu Ankaufung eines Lehns sein eignes Allodial-Vermögen verwendet hat, so stehet ihm zwar frey, durch eine Verordnung unter seinen Kindern festzusetzen, wie viel desfalls die Söhne denen Töchtern zu vergüten haben. Es gebrauchet auch zu solchem Ende überall keiner Zierlichkeit. Ist aber solches nicht geschehen, so kann es weder der Absicht des Vaters, noch auch, da die Söhne an dem Lehn kein wahres Eigenthum erlangen, der Sache selbst gemäß gehalten werden, daß dieses zum Lehn verwandte Geld denen Töchtern zu ihrem Erbtheil erstattet werde. Da jedoch ein Vater durch seine Bestimmung seiner Töchter Pflichttheil nicht verkürzen kann, so müssen auch, in sofern solches geschehen, die Söhne denen Töchtern das abgehende ergänzen.

Titel 35 § 3

§ 3. Was aber entweder an Kaufgeld unbezahlt geblieben, oder dazu vom Vater anderswo aufgenommen, und nicht wieder bezahlet worden, bleibet billig denen Söhnen allein zur Last.

Titel 35 § 4

§ 4. Wenn jemand zu Mit-Genuß seiner Brüder, oder Vettern, oder auch sonst andrer, ein Lehn angekaufet hat, und derselbe ohne männliche Leibes-Lehn-Erben verstürbe, so kommt es zuvörderst auf die bey der Aufnahme in das Lehn, oder auch nachher unter ihnen geschlossene Bedingungen an, was und wie viel denen Land-Erben zu erstatten sey. Was solchergestalt denen Land-Erben zu gute ausgemachet worden, ist denenselben vor Einräumung des Lehns zu erstatten. Wiewohl sich von selbst verstehet, daß bey dem Erledigungs-Fall dieses den Lehnherrn, wenn dieser dazu seine Einwilligung nicht gegeben, keinesweges bindet. Es ist auch alsdann der Lehnfolger zum Nachtheil der Land-Erben das Lehn in die Hände des Herrn zu geben, und der Folge Verzicht zu thun nicht befugt, sondern die Land-Erben mögen nichts destoweniger bis zum würklichen Erledigungs-Fall, oder, wenn der Herr das Gedinge genehmiget, bis zum Abtrag des ihnen gebührenden bey dem Besitz des Lehns sich erhalten.

Titel 35 § 5

§ 5. Als auch hiebey unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten wird, wie ein solches versichertes Geld anzusehen sey, so treten Wir denenjenigen bey, welche es zum Allodial-Nachlaß des verstorbenen LehnMannes zählen. Es haftet also vor dessen Schulden, und dessen Töchter oder Schwestern können sich desselben nicht anders als in der Eigenschaft von des letztverstorbenen Erben sich anmaßen.

Titel 35 § 6

§ 6. Wäre auch in denen Verträgen oder Lehn-Briefen nur das Wort „Töchter" gebrauchet, so kann es doch damit keine andre Meinung gehabt haben, als daß des letzten Besitzers Land-Erben darunter verstanden worden.

Titel 35 § 7

§ 7. Ist auch eine solche Bedingung im Lehn-Briefe auf alle Fälle versichert, so ist es billig, daß in geschwisterlichen Theilungen auch denen Schwestern von denen Brüdern davon, als vom Erbe, ihr Theil zu gute gerechnet werde.

Titel 35 § 8

§ 8. Ist aber die Versicherung besonders auf den Lehns-Anfall an den Herrn nicht mit gerichtet, so mögen die Schwestern von ihren Brüdern desfalls eine Theilnehmung nicht verlangen.

Titel 35 § 9

§ 9. Sind hingegen unter denen zu gesammter Hand belehnten keine Verträge über das Kaufgeld gemacht, so ist es anzusehen, als ob ihrer mehrere ein Lehn in Gemeinschaft gekaufet, und der Besitzer das Geld zu gemeinschaftlichem Besten, jedoch ohne Zinsen, vorgeschossen hätte, und kommt es also auf die Zahl der Stämme oder Linien an, welche zunächst vor des Verstorbenen Ableben in Gemeinschaft geblieben sind. Folgen also zwey oder drey Stämme oder Linien zugleich, so sind denen Land-Erben zwey Drittel oder drey Viertel des Kaufgeldes zu vergüten. Wenn aber die folgenden Stämme oder Linien in gewisser Ordnung und nicht zugleich eintreten, so ist hiernach die Gemeinschaft zu rechnen und der Nachfolger nur diesen Theil der nähern Gemeinschaft zu ersetzen schuldig. Folget also aus mehrern Linien vorerst nur eine, so erstattet sie denen Land-Erben das halbe Kaufgeld. Welches also vergütete demnächst denen Land-Erben dieser Linie gegen die folgende wiederum in gleicher Maße, nämlich, wenn nur eine folget, zur Halbscheid zu Statten kommt, und gegen die Nachfolger aus dem Lehn zu genießen ist. Jedoch verstehet es sich, daß alles dieses den Herrn bey Eröffnung des Lehns nicht verbinde.

Titel 35 § 10

§ 10. Bey obigem allen finden Wir es jedoch der Sache gemäß, daß bey dergleichen Abfindungen die Land-Erben zwar an dem Lehn sich halten, und aus dessen Aufkünften ihre Befriedigung zu erlangen, suchen mögen, der Lehns-Folger auch schuldig sey, auf alle Weise die Lehne bey sich und seinen Nachkommen zu erhalten, am wenigsten aber solche zu deren Nachtheil fahren lassen könne, sondern er den daraus denen Land-Erben etwa entstehenden Schaden aus seinem übrigen Vermögen ersetze. Es kann gleichwohl dem Lehns-Folger sonst auch nicht angemuthet werden, durch baare Bezahlung des versprochenen aus seinem übrigen Vermögen das Lehn schlechterdings an sich zu lösen, und was auch desfalls ausgelobet und versprochen worden, muß, solange wie nicht ein anders klar und offenbar erscheinet, blos dahin verstanden werden. Maßen denn auch das bloße Versprechen, eine Summe bey dem Anfall zu bezahlen, wenn es auch unter generaler Verpfändung aller Güter geschehen, dahin nicht, sondern vielmehr nur darauf zu deuten ist, daß die Land-Erben vor aller Entsagung und Verfassung des Lehns und dem dadurch entstehenden Schaden gesichert seyn. Doch verstehet es sich zugleich von selbst, daß alles dieses Unsern Lehnsherrlichen Rechten durchaus zu keinem Nachtheil gereichen müsse.

Titul XXXVI. Von der Lehns-Inkorporirung und Lehns-Pertinenzen.

Titel 36 § 1

§ 1. Was in denen Lehns-Verzeichnissen und Lehns-Acten als eine Zubehörde des Lehns von dem Vasallen angegeben, oder auch solchergestalt in dem Lehnbriefe aufgeführet worden, ist für ein Lehns-Pertinenz zu halten.

Titel 36 § 2

§ 2. Ein bloßer Zukauf aber kann solche Stücke, die an sich ohne das Lehn ferner bestehen können, zu keiner Zubehörde des Lehns machen. Sind es aber Gerechtigkeiten, welche um deswillen erworben sind, daß sie von dem Lehn ausgeübet und genützet werden sollen, so ist es als Lehn und als eine Lehns-Besserung anzusehen, wesfalls die angewandte Kosten denen Land-Erben zu erstatten sind, wenn auch schon das Stück von dem Vasallen nachhero mit als Lehn angegeben worden.

Titel 36 § 3

§ 3. Es kann auch bey trennbaren Stücken auf eine bloße Bestimmung des Vasallen nicht ankommen, wenn der Vasall sich desfalls gegen den Herrn oder die Mit-Belehnte nicht erkläret hat, und auch in diesem Fall muß denen Land-Erben Vergütung geschehen.

Titul XXXVII. Von After-Belehnungen.

Titel 37 § 1

§ 1. Es ist Uns unterthänigst berichtet worden, was in Ansehung der After-Lehne von dem gemeinen Haufen der Rechts-Gelehrten für Meinung geneget werde, gestalten nämlich mit Ausgang der Familie des belehnenden ersten Vasallen auch das Afterlehn dem Ober-Lehnsherrn anheim falle, wofern es nicht ein solches Afterlehn wäre, welches zu verafterlehnen gewöhnlich gewesen. So schwer und oft unmöglich nach Beschaffenheit der Sache dieser Beweis ist, so haben Wir dabey zugleich gnädigst erwogen, daß die Lehn-Rechte eine After-Belehnung nie für eine Veräußerung des Lehns angesehen haben, vielmehr verstatten, wenn nichts betriegliches zum Nachtheil des Lehnsherrn darunter vorgegangen ist. Ob Wir nun wohl auch noch nicht zu vergönnen gemeinet sind, daß jemand seinem Lehns-Herrn, oder seinen mit ihm in gesammter Hand stehenden Lehns-Vettern, zum Verfang sein Lehn oder einen Theil desselben zu After-Lehn hingebe, so kann jedoch eine After-Belehnung auch bey dem Eröffnungs-Fall von dem Lehns-Herrn oder denen Lehnsfolgern nicht angefochten noch das After-Lehn eingezogen werden, wenn solches in denen Lehen-Verzeichnissen, welche ohnehin auch denen Vettern nicht verborgen bleiben können, angezeiget und von dem LehnsHerrn nicht widersprochen, vielmehr darauf die Haupt-Belehnung nichts desto weniger erfolget ist.

Titel 37 § 2

§ 2. Wenn aber auch die ausdrückliche Anzeige in denen Lehns-Verzeichnissen unterblieben wäre, so muß gleichwohl eine dreißigjährige Verjährung dem After-Lehn-Mann zu Statten kommen, und muß ihm hiebey die Zeit mit zu gute gerechnet werden, da es vorhin an andre bereits verafterlehnet gewesen. Es können aber der Herr und die Vettern, wenn der Vasall darunter böslicher und betrüglicher Weise zu Werk gegangen, an denselben oder dessen Land-Erben und die sonst zu erstattende Lehns-Besserungen und Schulden sich halten.

Titel 37 § 3

§ 3. Wenn das Haupt-Lehn dem Herrn anheimfällt, würde zwar der AfterBelehnte binnen gehöriger Zeit bey dem Ober-Lehnsherrn die Erneuerung des Lehns suchen müssen. Nachdemmalen jedennoch sowohl Wir als andre benachbarte Reichs-Fürsten es so zu halten pflegen, daß sie die von ihnen anhangende eröffnete Lehne andern hinwiederum verleihen, und diese dadurch After-Lehnsherren werden, so ist denen After-Belehnten billig so lange nachzusehen, bis sie von dem neuen Haupt-Vasallen zur Muthung und Empfangung des After-Lehns vorgeladen werden.

Titul XXXVIII. Von Lehns-Investituren.

Titel 38 § 1

§ 1. Ob wohl, wie Wir vernehmen, die Lehns-Investitur an sich denen ältern Rechten nach eine gerichtliche Übergabe ist, mithin in Ansehung des Rechts der Vasallen gegen Unsre jetzo gewöhnliche Investituren daher ein Zweifel entstehen könnte, daß Unsre Lehn-Cammer kein besetztes Lehn-Gericht ist, so ist es jedoch auch in Unsern deutschen Landen durch die Gewohnheit längst festgesetzet, daß die Investitur auch durch bloße Lehnbriefe geschehe, und Wir lassen es dabey nicht bezweifeln, daß, sofern nicht eines dritten Recht im Wege stehet, dadurch ein Recht an der Sache selbst erlanget werde.

Titel 38 § 2

§ 2. Wenn inzwischen der Belehnte den Besitz des Lehns nicht sofort erhalten soll, kann demselben auch durch die Investitur noch kein nutzbares Eigenthum, sondern nur ein dingliches Recht dahin übertragen werden, daß ihm der Anfall auf alle Weise gesichert, und er alsdenn befugt sey, in den Besitz sich zu setzen.

Titel 38 § 3

§ 3. Eine bloße Anwartschaft oder Geding ohne Investitur giebet aber an dem Lehn kein dingliches Recht, sondern würket nur einen Anspruch gegen den Lehn-Herrn. Am wenigsten kann solches eine generale unbestimmte Anwartschaft auf das nächste zuerst zu eröffnende Lehn ertheilen, wenn auch gleich dem beanwarteten die Wahl gelassen, und ihm den Besitz davon zu ergreifen, erlaubet, oder auch wohl gar schon zum Voraus er damit dem Namen nach belehnet wäre, maßen die Investitur über eine arnioch ungewisse Sache dafür nicht geachtet werden kann.

Titel 38 § 4

§ 4. Welchergestalt bey denen Belehnungen zu verfahren sey, ist in Unsern Landes-Ordnungen bereits bekannt gemacht, wobey Wir es gnädigst bewenden lassen.

Titel 38 § 5

§ 5. Was die Gesammt-Belehnungen anlanget, so werden Wir Uns darüber in dem Titul von der Folge aus Geding näher erklären.

Titel 38 § 6

§ 6. Von denen After-Belehnungen vernehmen Wir zwar, daß die meisten Rechts-Lehrer auch diejenigen, welche nicht zur Gefährde gegen den Lehns-Herrn vorgenommen worden, nur so lange bestehen lassen wollen, als das Haupt-Lehn in des Verafterlehnenden oder dessen Nachkommen Händen ist, ohne sogar einst eine Verjährung eintreten zu lassen. Da aber dieses zugleich denenjenigen, welche mit gutem Glauben dergleichen After-Lehne besitzen, und wohl gar schon lange Zeit besessen haben, zum größten Nachtheil gereichen würde, so treten Wir vielmehr denen bey, welche der Meinung sind, daß das ältere Lehn-Recht in diesem Stück nicht abgeschaffet worden, mithin, wenn keine Gefährde dabey vorgegangen, nicht allein die Verjährung der langen Zeit den After-Lehnmann gegen den Ober-Lehns-Herrn und die Agnaten schützen müsse, sondern auch sonst eine After-Belehnschaft, wenn sie nur mit gutem Glauben und aus keiner Gefährde geschehen, zu Recht bestehe.

Titul XXXIX. Von Lehns-Veräußerungen.

Titel 39 § 1

§ 1. Wir vernehmen, daß es zweifelhaft sey, wie es zu halten, wenn ein Lehn an einen derer würklichen Lehns-Vettern veräußert worden, ein andrer Lehns-Vetter aber hienächst dem Verkäufer im Lehn folget. Ob nun wohl die Lehn-Rechte dermalen fast durchgehends dahin erkläret werden wollen, daß der Lehnfolger bey dem an ihn geschehenen Anfall, auch sogar, wenn er diese Veräußerung gewußt, und dazu geschwiegen, das veräußerte Lehn zu jeder Zeit alsdann besprechen und an sich ziehen könne, so müssen Wir doch solches sowohl der Billigkeit, als dem wahren Verstände der Lehn-Rechte gänzlich zuwider halten. Wir setzen demnach und bestimmen, daß wenn ein Lehn-Mann an einen seiner Lehns-Vetter sein Lehn oder ein Theil desselben veräußert, blos darauf zu sehen sey, wer zur Zeit solcher Veräußerung der nächste Lehns-Vetter gewesen, und daß auch dieser nähere Lehnfolger, wenn er entweder darin gewilliget, oder nach davon eingezogener Erfahrung ein ganzes Jahr geschwiegen, bey einem demnächstigen Anfall ganz und gar nicht gehöret werden solle. Wenn aber dieser nähere Lehn-Vetter den Handel nicht erfahren, noch seine Einwilligung darin gegeben hätte, so kann alsdenn, da der Käufer den nähern Grad der Lehns-Vetterschaft gewußt hat, oder doch wissen können und müssen, diesen gegen vorgedachten nähern Lehns-Vetter oder dessen Nachkommen, wenn sie der Anfall trifft, keine Verjährung eintreten. Hingegen ist derselbe Käufer und Lehns-Vetter gegen alle diejenigen, welche zur Zeit des Verkaufs nicht näher gewesen, auch deren Nachkommen, welche demnächst der Anfall treffen kann, völlig gesichert.

Titel 39 § 2

§ 2. Wenn der Käufer dem Verkäufer der nächste Lehns-Vetter ist, so bestehet der Verkauf schlechterdings, ohne auf den künftigen Anfall zu sehen. Wenn er aber zu der Zeit zwar der nächste ist, aber einen gleich nahen neben sich hat, welcher entweder den Verkauf genehmiget, oder nach erhaltener dessen Wissenschaft ein Jahr schweiget, so kann alsdann auch der gleich nahe Lehns-Vetter und dessen Nachkommen durch einen vermeinten künftigen Anfall das Lehn sich nicht anmaßen. Stünde aber auch dem gleich nahen Vetter oder dessen Nachkommen eine solche Genehmigung oder wissentliches Stillschweigen nicht entgegen, so kann gleichwohl dieser gleich nahe Vetter, wenn er oder dessen Nachkommen den Anfall erleben, und sie auch sodann die einzigen Lehnfolger seyn sollten, nicht mehr als denjenigen Theil davon besprechen, wozu sie sich bey der Veräußerung als gleichnahe ziehen können, und in sofern stehet ihnen alsdenn auch eine Verjährung nicht entgegen.

Titel 39 § 3

§ 3. Wird hingegen ein Lehn an einen Fremden, der kein Lehns-Vetter ist, wenn er auch schon Folge am Lehn hat, veräußert, so kann ihn zwar das bloße Stillschweigen der Agnaten nicht in gleicher Maße schützen. Ihm muß gleichwohl, wenn er von Anfang in gutem Glauben sich befunden, eine 30jährige Verjährung um so mehr zu Statten kommen, als er sonst die Eviktions-Klage gegen seinen Verkäufer ohne seine Schuld verlieren würde.

Titel 39 § 4

§ 4. Eine gleiche Verjährung muß in diesem Fall auch gegen den LehnsHerrn eintreten.

Titul XL. Von Felonie.

Titel 40 § 1

§ 1. Was eine Felonie bewürke, davon ist zwar in denen Lehn-Rechten bereits genügsame Versehung geschehen. Wir vernehmen jedoch, daß unter denen Rechts-Lehrern darüber sehr großer Zweifel obwalte, ob eine darüber erfolgende Urthel blos bestimme, ob das Lehn bereits vorhin verwürkt gewesen, und der bisherige Vasall schon von der Zeiten an dessen für beraubt zu halten, oder ob er desselben erst durch die erfolgende Urthel beraubt werde. Wir pflichten hierunter gnädigst der letztem Meinung bey, daß die Beraubung des Lehns erst durch das richterliche Erkenntniß geschehe. Wiewohl dieses sich dabey von selbst verstehet, daß in solchem Fall die seit angestellter Klage erhobene Nutzungen zu erstatten seyn.

Titel 40 § 2

§ 2. Kein Lehns-Fehler, welcher eine Strafe oder wohl gar die Entziehung des Lehns mit sich führen soll, kann eintreten, wenn nicht ein böslicher Vorsatz erscheinet, den Lehns-Herrn zu benachtheiligen, am wenigsten, wenn es zweifelhaft gewesen ist, ob das Gut mit der Lehnbarkeit behaftet sey.

Titel 40 § 3

§ 3. Wenn der etwanige begangene Lehns-Fehler, welcher von dem Vasallen begangen worden, gegen ihn selbst nicht gerüget ist, so soll er gegen den Nachkommen und Erben durchaus nicht, am wenigsten an die Agnaten oder Seiten-Verwandten, gerüget werden, da dergleichen in den gemeinen Rechten gegen den Erben nicht verstattet wird.

Titel 40 § 4

§ 4. Auch kann nun zwar durch eine durch Bosheit verknüpfte Felonie denen Agnaten kein Nachtheil entstehen. Sie mögen gleichwohl ihr Recht nicht eher geltend machen, als bis der Anfall an sie geschehen ist.

Titul XLII. Von allerhand Arten der Lehne.

Titel 42 § 1

§ 1. Wir sind berichtet worden, daß über die Natur der Sonnen-Lehne, deren es auch in unsern deutschen Landen einige geben soll, unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten werde. Ob nun gleich bey denenselben die Lehns-Empfängniß, es sey, aus welchem Grunde es wolle, aufgehöret hat, so können Wir doch denenjenigen Rechts-Lehrern nicht beypflichten, welche sie gänzlich für Erbgüter ansehen wollen, sondern Wir billigen vielmehr die Meinung dererjenigen, welche dafür halten, daß nichts destoweniger dieselbe Erbfolge sowohl in Ansehung der Kinder, als der Vettern, wie bey Lehn-Gütem eintrete.

Titel 42 § 2

§ 2. Als auch bey den sogenannten Kaphans- oder Heuel-Lehnen darüber gestritten wird, ob zugleich die weiblichen Nachkommen darin folgen, so setzen Wir hiedurch, daß, wofem nicht etwa ein besonders hergebracht ist, die männlichen allein dazu gelassen werden sollen.

Titel 42 § 3

§ 3. Aufgetragene Lehne sind in allen Stücken nach denselben Lehnrechten wie die sogenannten Gegebenen zu beurtheilen.

Titel 42 § 4

§ 4. Da unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten wird, ob durch die Belehnung einer weiblichen Person das Lehn unter derselben Nachkommen ein Weiber-Lehn werde, die Langobardischen Lehn-Rechte auch darunter nicht genug bestimmend sind, so billigen Wir die Meinung, daß dadurch kein Weiber-Lehn entstehe, wenn nicht zugleich auch denen weiblichen Nachkommen die Folge würklich versprochen worden.

Titel 42 § 5

§ 5. Es verstehet sich zwar darab von selbst, daß des letztverstorbenen Söhne, auch sämmtliche Lehns-Vettern aus derselben Linie denen Töchtern vorgehen. Da aber gezweifelt werden will, ob die Töchter auch die Vettern aus andern Linien ausschließen, so setzen Wir, daß auch in diesem Fall die Töchter denen Vettern in altväterlichen Lehnen weichen.

Titel 42 § 6

§ 6. Es ist Uns hiebey ferner vorgetragen, wie die Lehn-Rechte selbst zweifelhaft und nicht entscheidend darüber gefasset seyn, ob einer oder der andern Tochter männliche Nachkommen eines solchen Lehns vor denen weiblichen sich anmaßen können. Da solche männliche Nachkommen kein besser Recht als die Tochter selbst, von welcher sie abstammen, haben mögen, so können Wir nicht zugeben, daß die Söhne der einen Tochter die andre Tochter oder deren Töchter ausschließen. Unter sich aber in derselben Linie gehen die Söhne billig ihren Schwestern vor, damit in sofern die eigentliche Natur des Lehns beybehalten bleibe.

Titel 42 § 7

§ 7. Wir mögen auch denenjenigen Rechts-Lehrern nicht beytreten, welche die Belehnung für Söhne und Töchter bey diesen auf den ersten Grad einschränken und der Töchter Kinder ausschließen wollen.

Titel 42 § 8

§ 8. Ob zwar die einmal zurückgesetzte Tochter dadurch nicht beständig ausgeschlossen bleibet, so tritt jedoch bey erlöschendem Mannes-Stamm des letztverstorbenen Tochter oder Schwester ein, und geschiehet übrigens die Vererbung nach der Nähe der Linien und Grade.

Titel 42 § 9

§ 9. Ist jemand für sich und seine Erben beiderley Geschlechts belehnet, so können die Töchter und deren Nachkommen mit denen Söhnen und deren Nachkommen zugleich nicht eintreten, sondern müssen denenselben nachstehen.

Titul XLIII. Von verschiedenen Arten der Bemeyerungen.

Titel 43 § 1

§ 1. Ob schon das Meyer-Recht nach Unsrer Länder Gesetzen und Gewohnheiten sich auch auf die Erben erstrecket, so ist Uns doch vorgetragen, daß Zweifel vorgefallen seyn, ob dieses auch Statt finde, wenn der Meyer nur für sich und auf seine Lebenszeit bemeyert worden. Wir billigen aber hierunter die von Unsem Gerichten angenommene Meinung, daß das Meyer-Recht nichts desto weniger auch auf die Erben fortgehe.

Titel 43 § 2

§ 2. Ob auch wohl mehrern Zweifeln unterworfen seyn könnte, ob ein beständiges unwiderrufliches Meyer-Recht vorhanden sey, wenn in dem Meyer-Briefe die Bemeyerung nur auf gewisse Jahre ertheilet worden, so genehmigen Wir doch auch hier die Meinung Unsrer Gerichte, daß eine beständige Vermeyerung zu verstehen sey, da es dabey von dem Gutsherrn die Absicht nur gehabt hat, einen mehrmals wiederholten Weinkauf zu besserer Bekräftigung seines Gutsherrn-Rechts zu haben.

Titul XLIV. Von der nutzbaren Vormundschaft bey Meyer-Gütern.

Titel 44 § 1

§ 1. Obgleich bey Absterben eines Meyers und Wieder-Verheyrathung dessen Frau Behuf der Kinder An- und Zusprüche und Auseinandersetzung der Erben denen Unmündigen besondre Vormünder von der Obrigkeit zu setzen sind, so stehen doch nachher die Kinder unter der nutzbaren Vormundschaft ihres dem Hofe vorstehenden Stiefvaters und sie müssen in Ansehung des Hofes alle dessen Handlungen genehmigen.

Titel 44 § 2

§ 2. Wiewohl nun die Jahre, welche diese nutzbare Vormundschaft dauern soll, in denen Ehestiftungen ausgedrücket zu werden pflegen, so müssen doch selbige nicht weiter, als auf die Zeit, da der Anherr den Hof anzutreten im Stande ist, erstrecket werden. Wozu Wir denn das mündige Alter, nämlich das zurückgelegte fünfundzwanzigste Jahr bestimmen.

Titel 44 § 3

§ 3. Sind aber mehrere Kinder vorhanden, so ist der Hof auf unbestimmte Jahre, und bis dahin einzuthun, daß der Gutsherr einen der Kinder zum Meyer annehmen werde, als welches Wir zugleich der Erhaltung des Hofes, woran zugleich dem gemeinen Wesen so viel gelegen ist, am gemäßesten finden.

Titel 44 § 4

§ 4. Der nutzbare Vormund hat zwar den völligen Genießbrauch des ihm eingethanen Guts, wie der würkliche Meyer, er muß aber die Kinder davon unterhalten, von denen darauf haftenden Schulden nicht allein die Zinsen, sondern auch, was auf terminliche Zahlung gesetzet ist, in den bestimmten Terminen abtragen, und die Gerechtigkeiten des Hofes besorgen.

Titel 44 § 5

§ 5. Es muß dahero der nutzbare Vormund auch die Ablegung der Kinder erster Ehe in Ansehung der Aussteuer, und so weit sie an baarem Gelde auf Termine gesetzet ist, übernehmen, ohne es in Abrechnung zu bringen.

Titel 44 § 6

§ 6. Dagegen stattet er auch in Ansehung der etwanigen Mobilien und ausstehenden Forderungen keine Rechnung ab.

Titel 44 § 7

§ 7. Gegen sein in den Hof Eingebrachtes, worüber jedoch kein beschwerlicher Beweis zu erfordern ist, hat er allemal eine Leibzucht, wie sie ihm verschrieben wird, zu genießen, und seine Kinder müssen als andre Kinder vom Hofe ausgestattet werden.

Titel 44 § 8

§ 8. Es muß ihm auch erlaubet seyn, auf seine Leibzucht wieder zu heyrathen, welche sodann nach seinem Tode auch dessen Wittwe genießet. Und auch die darauf erzeugte Kinder müssen vom Hofe gleich den übrigen ausgestattet werden. Von denen während seiner Regierung erzeugten verstehet sich dieses von selbst.

Titel 44 § 9

§ 9. Da es bezweifelt wird, ob dasjenige, was der nutzbare Vormund auf dem Hofe erworben und erübriget hat, es mag in ausstehenden Forderungen oder sonst bestehen, dem folgenden Besitzer des Hofes, oder seinen natürlichen Erben zufalle, so erklären Wir Uns gnädigst dahin, finden es auch zu Erhaltung der Höfe unumgänglich nöthig, daß alles dem neuen Besitzer des Hofes verbleibe, und die Erben blos mit der sonst gewöhnlichen oder ausgelobten Abfindung zufrieden seyn müssen.

Titel 44 § 10

§ 10. Als sonst auch dem Vernehmen nach die Frage vorgefallen, ob nach geendigten Regierungs-Jahren bey eintretender Leibzucht dem Leibzüchter frey stehe, statt der Leibzucht sein Eingebrachtes heraus zu nehmen, so haben Wir gnädigst erwogen, daß solches mit der Verfassung der Meyer-Güter nicht bestehen könne, und dahero auch vor angetretener Leibzucht, vielweniger also nachhero dem bisherigen Vormunde eine solche Wahl nicht gestattet werden möge, welches Wir also auch ausdrücklich hiedurch gnädigst verordnen.

Titul XLV. Vom Weinkauf.

Titel 45 § 1

§ 1. Obwohl in Unsern Bremischen Landen bey Meyer-Gütern neben der Auffahrt auch der Willkommen-Schatz, wenn der Gutsherr verändert wird, dem Vernehmen nach gebräuchlich ist, so mag doch solches, daß der Weinkauf auch bey Veränderung des Gutsherrn zu entrichten sey, in Unsern übrigen Landen nicht angenommen werden, wofern es nicht besonders hergebracht worden, als wie auch Unsre Gerichte bisher erkannt haben.

Titel 45 § 2

§ 2. Die Größe des Weinkaufs ist nach der besondern, oder, wenn diese nicht erscheinen sollte, nach der allgemeinen Observanz zu bestimmen.

Titel 45 § 3

§ 3. Es kann aber kein Meyer-Mann wegen etwa nicht entrichteten Weinkaufs seines Meyer-Rechts verlustig erkläret werden.

Titul XLVI. Von Abmeyerung.

Titel 46 § 1

§ 1. Da es in Unsern Calenbergischen Landen hergebracht, und durch gerichtliche Erkenntnisse bestätiget ist, daß wegen nicht entrichteten Meyer-Zinses und darunter begangener Saumseligkeit nur alsdann erst die Abmeyerung Statt finde, wenn binnen drey Jahren der Zins nicht abgetragen ist, so lassen Wir es in Ansehung Unsrer Calenbergischen Lande dabey bewenden, und soll nach Maaßgabe vorgedachter Erkenntnisse es auch bey den Closter-Meyern eben so gehalten werden.

Titel 46 § 2

§ 2. In Ansehung Unsrer übrigen deutschen Lande aber soll dazu eine zweyjährige Saumseligkeit genug seyn.

Titel 46 § 3

§ 3. Hat der Gutsherr, es sey ehe er zur Abmeyerung geschritten, oder auch nachher währenden Rechtsstreits die rückständige Meyer-Gift angenommen, oder sie wäre ihm, ehe er die Abmeyerung ergriffen, angeboten, hätte aber nicht angenommen werden wollen, so findet die Abmeyerung weiter keine Statt.

Titel 46 § 4

§ 4. Hätte aber auch der Gutsherr nur einen Theil des Rückstands angenommen, ohne dabey vorzubedingen, daß er es nicht auf den rückständigen Meyer-Zins, sondern auf die nachher verfallende Früchte des Guts anrechnen wolle, so kann gleichfalls die Abmeyerung nicht eintreten. Und dieses tritt auch nach bereits entstandener Klage ein.

Titel 46 § 5

§ 5. Hat aber der Gutsmann blos unterlassen, die Erneuerung des Meyer-Contracts zu suchen, und den Weinkauf zu bezahlen, so kann dieserhalben keine Abmeyerung geschehen.

Titel 46 § 6

§ 6. Ist einmal die Abmeyerung gültiger Weise und rechtskräftig geschehen, so schadet sie auch des Gutsmanns Kindern, dessen Ehefrau und Verwandten, sowohl in Ansehung der Folge, als auch was der Frau etwa an dem Hofe verschrieben worden.

Titel 46 § 7

§ 7. Unter mehrern Gutsherren stehet demjenigen die Abmeyerung zu, welcher die Gutsherrschaft über die Hof-Stätte hat.

Titul XLVII. Vom Zehenten.

Titel 47 § 1

§ 1. Nachdemmalen in Ansehung derer Zehenten in denen mehresten Unsrer deutschen Landen, sowohl im Lüneburgischen als im Calenbergischen, Grubenhägischen und Hoyaischen, wie auch im Brem- und Verdischen, besondre Verordnungen vorhanden sind, so lassen Wir es in Ansehung eines jeden Landes vorerst dabey bewenden.

Titel 47 § 2

§ 2. Wir erklären Uns jedoch überhaupt dahin, daß die Zehenten als Frucht-Zinse angesehen werden sollen und, was die Canonischen Rechte in Ansehung der Pfarr-Zehenten verordnet, ganz außer Augen zu setzen sey.

Titel 47 § 3

§ 3. Ob also schon, wie Uns berichtet worden, viele Rechts-Lehrer aus denen Canonischen Rechten, ja sogar aus einer solchen Sammlung, welche nie mit denen übrigen gleiches Ansehen erlanget, behaupten wollen, daß die Zehent-Pflichtige dem Zehent-Herrn den Zehenten in seine scheure, auch sogar in einer großen Entfernung, einzufahren schuldig seyn, diese Meinung auch noch daher einigen Anschein gewinnen könnte, daß Wir selbst die Zehenten für Frucht-Zinse annehmen, dergleichen die Pflichtigen dem Herrn entgegen tragen und liefern, so ist jedoch bereits in Unsrer Calenbergischen und Bremischen Zehent-Ordnung mit genügsamem Rechts-Grunde das Gegentheil ausdrücklich versehen, und Unsre Lüneburgische Zehent-Ordnung giebet ein Gleiches nicht undeutlich zu erkennen, welche Wir also auch zu mehrerer Deutlichkeit hiedurch allenfalls dahin erklären wollen.

Titel 47 § 4

§ 4. Da Wir jedoch vernehmen, daß dergleichen Einfuhr an vielen Orten hergebracht seyn soll, so hat es bey dergleichen besondern Herbringen allerdings sein Bewenden, und soll in diesem Fall ein Herkommen von zehn Jahren genug seyn, wenn weder ein Zwang noch Bitte dabey fürgewaltet und erwiesen werden kann. Es kann auch aus denen dabey gegebenen Pröven allein nicht folgen, daß es Bittweise geschehen, da die Pröven bey allen Diensten üblich sind.

Titel 47 § 5

§ 5. Wie auch sämmtliche Unsere Zehent-Ordnungen alle auf zehentbarem Lande gewachsene Frucht verzehentet wissen wollen, die Calenbergische Zehent-Ordnung auch noch insbesondere der Rüben gedenket, also hat es dabey überhaupt sein Bewenden.

Titel 47 § 6

§ 6. Wenn Äcker brak liegen, und nicht bestellet werden, kann von dem darauf wachsenden Grase binnen der gewöhnlichen Brak-Zeit kein Zehente gefordert werden, wohl aber, wenn sie über die gewöhnliche Zeit brak gelassen werden sollten.

Titel 47 § 7

§ 7. Gleicher Gestalt muß der Zehente entrichtet werden, oder desfalls Vergütung geschehen, wenn zehentbares Land zur Vieh-Weide unbestellt gelassen worden.

Titel 47 § 8

§ 8. Sollte auch auf einem zehentbaren Grund und Boden gebauet, und dadurch dem Zehent-Herm ein Theil des sonst habenden Zehent-Genusses vom Lande entzogen werden, so ist ihm allerdings desfalls Vergütung zu leisten.

Titel 47 § 9

§ 9. Da in Unsern deutschen Landen seit einiger Zeit der Kartoffeln-Bau aufgekommen, und theils Orten die Zehentpflichtigen auf die Gedanken gerathen, solche als Küchen-Gewächse vom Zehenten gänzlich auszuschließen, dieses gleichwohl gar sehr und um so mehr zum Nachtheil des Zehent-Herm gereichen würde, als solche Kartoffeln zugleich an Statt Getraides gebrauchet werden, so sind die Zehentpflichtige in zehentbarem Lande, wenn es auch den Namen von Garten haben mögte, nicht mehr zehentfrey zu bestellen befugt, als sie vorhin mit Küchen-Gewächse bestellet haben.

Titel 47 § 10

§ 10. Ob der Zehente Garben- oder Hocken-Weise zu ziehen sey, desfalls lassen Wir es bey dem Herbringen eines jeden Orts bewenden.

Titel 47 § 11

§ 11. Wenn der Zehente Garben-Weise gezogen wird, so hat der ZehentHerr, ohne an die Eckgarben, wie einiger Orten verlanget werden will, sich zu binden, die freye Wahl, welche er will, zu nehmen.

Titel 47 § 12

§ 12. Wenn der Zehente in Hocken oder Stiegen gezogen wird, stehet nach Unsrer Calenbergischen Zehent-Ordnung § 36 dem Zehent-Sammler frey, mit dem Zehent-Wagen mitten über das Land, wo es ihm am bequemsten fällt, zu fahren, um die den Wagen am nächsten berührende Stiegen oder Haufen zum Zehenten hinzunehmen, und kann ihm nicht angemuthet werden, an dem Ende des Stückes, wo der Mäher angefangen, oder auch, wo der Düngel-Wagen auf das Land gegangen, mit der Zehentziehung den Anfang zu machen. Ob nun wohl in Unsern übrigen Fürstenthümern und Grafschaften desfalls nichts bestimmet worden, so ist es jedoch der Sache selbst gemäß, daß die Bestimmung der ZehentHocken denen Zehentpflichtigen, in deren Gewalt es ohnehin gemeiniglich stehet, gleiche Garben und Hocken zu stellen, nicht überlassen, noch der Zehentherr nach der zehentpflichtigen gemachten Einrichtung, eine gewisse Hocke anzunehmen, verbunden seyn könne. Wir halten es demnach für billig, und setzen hiemit, daß, wenn das zu verzehente Feld durchgehends von gleicher Güte und Ertrage ist, dem Zehentherrn zwar schlechterdings die Wahl der Zehenten-Hocke, wenn er sie auch schon auf einem Felde an einer Stelle aufnehmen will, zu lassen sey. Wenn aber die Frucht auf einem Felde nicht durchgehends gleich gut ist, und zum Theil mehr in das Futter fällt, so soll zwar dem Zehentherrn frey stehen, vom Ende des Stücks an zu rechnen, in der Reihe der Hocken, welche er unter denen zehen ersten will, zur Zehent-Hocke zu nehmen, er muß jedoch in derselben Linie darauf die sodann folgende Zehente nehmen, um bey dem Umkehren des Wagens wenn eine neue Linie anfängt, eben so verfahren.

Titel 47 § 13

§ 13. Gleichwie von Unsern Durchlauchtigsten Vorfahren, besonders an der Regierung des Herzogthums Lüneburg bereits anerkannt worden, daß der Rott-Zehnte dem wahren Grundherrn, mithin nicht allein Uns als Landes-Herrn, sondern auch denen von Adel, wenn sie Grund-Herren sind, zukomme, und diesem in der Natur der Sache gegründeten Satze Unser Ober-Appellations-Gericht auch außerhalb dem Herzogthum Lüneburg bisher nachgegangen ist, so soll es auch dabey überall sein unveränderliches Bewenden behalten. Wann jedoch in Unserer Brem- und Verdischen Zehent-Ordnung ein anderes und zwar dahin versehen ist, daß von derjenigen Länderey, welche aus gemeiner Hude und Weide aufgebrochen worden, der Rott-Zehnte demjenigen zukommen und gebühren solle, welcher wegen der übrigen Zehnt-Flur Zehnt-Herr sey, so gehet Unsre gnädigste Meinung keinesweges dahin, darunter eine Abänderung zu machen. Vielmehr erklären Wir uns gnädigst dahin, nachdem Wir berichtet worden, daß für den Gebrauch der gemeinen Hud und Weide der sogenannte Schmal- oder Blut-Zehnte entrichtet werde, mithin darab geschlossen werden muß, daß dieser Zehnt-Herr von der gemeinen Hud und Weide Grundherr sey, in solchem Fall den Rott-Zehnten an den Schmal-Zehenten gnädigst gerne verabfolgen lassen.

Titel 47 § 14

§ 14. Als Wir auch vernommen, daß in Unsern deutschen Fürstenthumen und Landen vielfältiger Streit darüber geführet wird, ob dieser oder jener Zehnte, wenn viele Jahre hindurch statt desselben eine gleichförmige Abgift an Früchten geliefert worden, für einen Zug- oder Sack-Zehenten zu halten sey, so soll nach der Meinung Unsers Ober-Appellations-Gerichts bey eintretender 30jährigen oder gegen Unsre Cammer, pia corpora und Städte 40jährigen gleichförmigen Ablieferung derselbe allerdings für einen unveränderlichen Sack-Zehenten gehalten werden, wofern nicht der Zehent-Herr beweiset, daß solcher Zehente seiner ursprünglichen Beschaffenheit nach ein würklicher Zug-Zehnte sey, folglich denen Zehentpflichtigen nur auf gewisse Jahre verheuret gewesen.

Titel 47 § 15

§ 15. Es kann auch denen Sack-Zehentpflichtigen zu Begründung ihrer Absicht keinesweges entgegen stehen, wenn sie etwa alle 7 Jahre einen Weinkauf erlegen müssen, und bey Ablieferung des Zehenten gespeiset werden.

Titel 47 § 16

§ 16. Da Wir auch vernehmen, daß in Unserer Grafschaft Hoya sich eine besondere Art Zehnten vorfindet, welche den Namen Streu-Zehnten führen, und darin von dem ordentlichen Zehenten abweichen, daß, wenn unter dem Streu-Zehenten Winter- und Sommer-Frucht begriffen ist, nur einmal im Anfang der Erndte dem Zehent-Herrn Anmeldung geschehen müsse, Sommer-Früchte hingegen, es wäre dann, daß dasselbe gleich bey dem Winter-Korn gebräuchlich, in Garben gebunden und in Hocken gesetzet werden könne, als welchenfalls sie davon den Zehenten ziehen zu lassen verbunden dem Zehent-Herm zur Auszehntung nicht angemeldet werden dürfen, sondern die Zehentpflichtigen, sothanes ihr Sommer-Korn vorbenannten Fall ausgenommen, ohne die sonst gewöhnliche Ansagung gethan zu haben, einzufahren, und den davon gebührenden Zehenten liegen zu lassen, berechtiget sey, so hat es dabey allerdings sein Bewenden.

Titul XLVIII. Von Dienstbarkeiten der Güter.

Titel 48 § 1

§ 1. Welchergestalt die Dienstbarkeiten der Güter durch Verjährung erworben worden, darüber haben Wir Uns in dem Titul von Verjährung erkläret.

Titel 48 § 2

§ 2. Da Wir vernehmen, daß es unter denen Rechts-Lehrern sehr bezweifelt wird, ob derjenige, welcher an eines andern Gute eine Dienstbarkeit behaupten will, auch in dem Fall den Beweis seines Rechtes führen müsse, wenn er bisher im Gebrauch desselben gewesen und dann Unser Ober-Appellations-Gericht von jeher der Meinung gewesen, daß in diesem Falle der Besitz oder Gebrauch von der übernehmung eines solchen Beweises nicht befreye, so soll diesem auch ferner, und in allen Unsern Gerichten, nachgegangen werden.

Titel 48 § 3

§ 3. Wenn schon die Dorfschaften nicht für wahre und völlige Eigenthümer ihrer Feldmarken und Achten zu halten sind, so haben sie jedoch ein Recht, andre Gemeinen oder Personen von dem Gebrauch derselben so lange auszuschließen, bis diese eine davon habende Dienstbarkeit erwiesen haben.

Titel 48 § 4

§ 4. Diejenige Dorfschaft, welche in einer streitigen Gegend den Plaggenhieb bisher allein ausgeübet, und in Hölzern die Mästung allein genossen, auch bey Ausweisung neuer Wiesen und Ländereyen um ihre Einwilligung allein befraget worden, ist gegen andre Dorfschaften gleichsam als Eigenthümerin anzusehen, und schließet sie daher in der Hud und Weide und andern Dienstbarkeiten so lange aus, bis selbige ihr Recht gehörig erweisen.

Titel 48 § 5

§ 5. Wem das Hud- und Weide-Recht als eine Dienstbarkeit zustehet, darf nicht mehr Vieh auf die Weide bringen, als wie er von dem auf dem Seinigen gewachsenen den Winter hindurch ausfüttern kann. Er darf also kein fremd Vieh hinein bringen.

Titel 48 § 6

§ 6. Es kann auch keiner, der nur das Recht einer Dienstbarkeit in Ansehung der Hud und Weide, oder andrer Bedürfniß hat, den Eigenthums- und Grund-Herrn von dem übrigen Gebrauch derselben Sache wenn ihm der Gebrauch seines dienstbarlichen Rechts völlig frey und ungekränket bleibet, ausschließen.

Titel 48 § 7

§ 7. Solchemnach ist der Grundherr allemal befugt, aus gemeinen Dorfs-Weiden, wenn die Interessenten an allen ihren Gerechtigkeiten auf keine Weise gekränket werden, Land zum Ausbruch anzuweisen, oder auch selbst davon den Genuß sich zuzueignen.

Titel 48 § 8

§ 8. Diejenigen, welche eine Holzungs-Gerechtigkeit haben, und gleichwohl nicht Holz-Herren sind, mögen ein mehrers, als zu ihrer und zu ihres Guts Nothdurft und Behuf nicht verlangen. Sie mögen auch davon an Fremde nichts verkaufen. Was jedoch besonders hergebracht ist, muß ferner befolget werden.

Titel 48 § 9

§ 9. Auf gleiche Weise ist es auch mit dem Recht des Torf-Stichs in denen Torf-Möhren zu halten, wenn das Recht nur in einer Dienstbarkeit beruhet.

Titel 48 § 10

§ 10. Obgleich ein solcher, der kein wahres, sondern nur ein nutzbares Eigenthum an dem Gute hat, durch sein Versprechen zum Nachtheil des Ober-Eigenthums-Herrn niemand eine Dienstbarkeit an dem Gut verschaffen kann, sondern solche aufhöret, sobald das Gut dem Herrn anheim fällt, so kann doch dieses in dem Fall, da die Erwerbung sich auf einen langen untadelhaften Gebrauch gründet, keine Zueignung finden, sondern dieser ist auch gegen den Ober-Eigenthums-Herrn von voller Rechts-Würkung.

Titel 48 § 11

§ 11. Da es sich zuträgt, und insonderheit durch Vereinzelung mehrerer vorhin zusammen besessener Ländereyen veranlasset wird, daß bey ein oder andern Stück sodann kein zu dessen Benutzung nöthiger Weg vorhanden bleibet, so erfordert freylich selbst der dem gemeinen Wesen so nützliche Ackerbau, daß gegen genügsame Vergeltung andre über ihr Land einen solchen Weg verstatten. Es muß jedoch so viel möglich dahin gesehen werden, daß durch die geschehene Vereinzelung in diesem Fall andre nicht beschweret werden.

Titel 48 § 12

§ 12. Wir haben vernehmen müssen, daß aus den neuern Kaiserlichen Rechten darunter Zweifel obwalte, ob auch die Dienstbarkeit der Land-Güter durch einen bloßen Nicht-Gebrauch von zehen Jahren verloren gehe, wenn schon deren Gebrauch nicht verwehret, noch an Seiten des dienstbaren Guts die Freyheit verjähret worden. Wir nehmen aber zumal nach der Verfassung Unsrer deutschen Länder die Meinung an, welche auch dem natürlichen Recht am gemäßesten zu seyn scheinet, und selbst bey städtischen Gütern von aller Zeit her in den Rechten gegolten hat, daß durch den bloßen Nicht-Gebrauch die Dienstbarkeiten auch der LandGüter nicht verloren gehen, wenn nicht deren Ausübung verwehret worden, und darauf die in den Rechten bestimmte zehen oder zwanzigjährige Zeit verflossen, mithin dadurch oder sonst das dienstbare Gut die Freyheit verjähret hat.

Titel 48 § 13

§ 13. Die Verjährung der Freyheit als eines Rechts bedarf zwar keines besonderen Grundes zu ihrem Anfange, es muß gleichwohl der Besitzer des dienstbaren Guts von Anfang nicht anders geglaubet haben, als daß er befuget sey, den Gebrauch der Dienstbarkeit zu verwehren, oder sonst einer Freyheit sich anzumaßen. Wenn ihm also gleich im Anfang das Recht des herrschenden Guts bekannt ist, kann die Freyheit nicht verjähret werden.

Titel 48 § 14

§ 14. Wir wollen auch, daß bey der Verjährung der Freiheit die Zeiten des Verkäufers und Käufers zusammen gesetzet werden, und daß die Überzeugung des Verkäufers dem Käufer zu Statten komme, wenn er gleichfalls von Anfang völlige Überzeugung gehabt, ob er schon nachher etwas widriges erfahren hätte.

Titel 48 § 15

§ 15. Es kann jedoch der Käufer auch für seine Person die Verjährung der Freyheit anfangen, wenn es mit völliger Überzeugung geschiehet.

Titel 48 § 16

§ 16. Bey einem Erben aber tritt auch hier dasjenige ein, was Wir in dem Titul von Verjährung überhaupt desfalls festgesetzet haben, daß der Anfang seines Erblassers durchaus unverändert fortgehe.

Titul XLIX. Von Anwendung der dienstbarlichen Rechte.

Titel 49 § 1

§ 1. Es ist Uns unterthänigst angezeiget, daß die neuern Rechts-Lehrer dasjenige, was die Kaiserlichen Rechte von Dienstbarkeiten gesetzet haben, darauf anwenden, wenn jemand wider die allgemeine Regel ein Recht sich zuschreiben will. Wir müssen auch dieses in sofern durchaus billigen, als es darauf ankommt, wer den Beweis führen soll, und ob der Beweis auch demjenigen aufzulegen sey, welcher sich im wirklichen Gebrauch des besondern Rechts befindet.

Titel 49 § 2

§ 2. Was die Erwerbung solcher besondern Rechte anlanget, so muß in Ansehung dererjenigen, welche gegen privat-Personen verjähret werden, die gewöhnliche Verjährung von zehen oder zwanzig Jahren allerdings Statt finden, wenn, wie bey Dienstbarkeiten, der Gebrauch weder mit dem Fehler der Gewalt, noch einer verstohlnen Heimlichkeit, noch einer Bitte behaftet ist, wie Wir denn auch vernehmen, daß Unser Ober-Appellations-Gericht dahin erkannt hat.

Titel 49 § 3

§ 3. In sofern es jedoch auf die Einschränkung Unsrer eignen Gerechtsame ankommt, so kann darin die vorhin gedachte Verjährung so schlechterdings nicht eintreten, und Wir haben Uns in dem Titul von Verjährung desfalls umständlich erkläret.

Titel 49 § 4

§ 4. Was auch insbesondre die Bann- und Zwangs-Gerechtigkeiten anlanget, so ist desfalls in Unserm Lüneburgschen Landtags-Abschiede vom Jahr 1686 versehen, daß solcher auch bey Unsern Ämtern von Alters hergebracht seyn müsse, durch den Gandersheimischen Landtags-Abschied aber eine Zeit von 30 Jahren bestimmet. Wir erweitern diese letzte Zeit als ein Alter auf alle Unsre deutsche Lande. Gestalten sich denn auch von selbst verstehet, daß bey denen von Adel ein gleiches anzunehmen sey.

Titel 49 § 5

§ 5. Was die sogenannten willkührlichen Dinge, res merae facultatis, anlanget, welche ein Theil eines andern Rechts und Befugniß, als des Eigenthums, des Bürger- oder Einwohner- oder Gilden-, Gemeinheits- oder Genossen-Rechts und dergleichen sind, so kann deren Ausübung durch den bloßen Nicht-Gebrauch niemand verlustig werden, wenn ihm nicht solches widersprochen und verboten worden, und er darauf binnen rechts verjährter Zeit sich dabey beruhiget. Uber die Zeit der Verjährung aber haben Wir Uns im Titul von Verjährung gnädigst näher erkläret.

Titul L. Von Klage wegen zugefügtem Schaden.

Titel 50 § 1

§ 1. Es ist zwar, wie Wir vernehmen, wegen zugefügten Schadens in denen Kaiserlichen Rechten eine Klage verstattet, welche nicht allein auf die wahre Schadens-Ersetzung, sondern auch zur Strafe noch auf ein übriges gerichtet ist. Wie Wir keinesweges gemeinet sind, aus diesen Rechten etwas an sich gemeinnütziges abzuschaffen, also bleibet auch noch einem jeden frey, solcher Klage sich zu bedienen.

Titel 50 § 2

§ 2. Gleichwie aber in vorgedachter Klage, wenn sie nach des Beleidigers Tode, und ehe derselbe sich darauf eingelassen, angestellet wird, die Erben zwar nicht haften, gleichwohl nicht weniger an dem ist, daß schon das Recht der Natur zu der bloßen Schadens-Ersetzung, wenn dabey auch nur die geringste Schuld obwaltet, den beleidigenden Theil verbindet, und da dieses keine Strafe ist, auch dessen Erben dazu verbunden sind, so soll eine auf bloße Schadens-Ersetzung gerichtete Klage auch gegen die Erben Statt finden.

Titel 50 § 3

§ 3. Was aber für eine unrechtmäßige Schaden-Zufügung zu halten, und welche Personen dazu für verbunden zu achten, darin muß es allerdings bey denen Römischen Rechten verbleiben.

Titel 50 § 4

§ 4. Es folget jedoch von selbst, daß diese auf bloße Schadens-Erstattung gerichtete Klage in Ansehung der Verjährung gleich andern civil-Klagen fortdauere.

Titel 50 § 5

§ 5. Ob nun wohl die Römischen Rechte bey empfangenen Wunden für die Schmerzen keine Vergeltung eintreten lassen, dieselben auch für einen Schaden nicht anzusehen seyn mögten, so vernehmen Wir jedoch ganz gern, daß in Unsern Gerichten auch dafür dem Beleidigten eine Genugthuung zuerkannt wird.

Titel 50 § 6

§ 6. Da auch niemand sich selber Recht schaffen noch Rache ausüben darf, so kann es von Ersetzung Schadens und Kosten nicht befreyen, wenn etwa der Beleidigte zum Streit zuerst Anlaß gegeben und damit angefangen hätte.

Titel 50 § 7

§ 7. Wenn nun auch, schon die Obrigkeit die That von Amtswegen untersuchet und bestrafet, so wird gleichwohl dadurch der Weg zur Erlangung einer privat Genugthuung nicht verschlossen.

Titel 50 § 8

§ 8. Wenn die Beleidigung von mehrern zugleich geschiehet, haftet ein jeder wegen der Genugthuung auf das Ganze, und findet eine Theilung nicht Statt.

Titul LI. Von Theilung der Erbschaften und gemeiner Güter.

Titel 51 § 1

§ 1. Wir nehmen bey Theilung der Erbschaften aus denen gemeinen beschriebenen Kaiserlichen Rechten zum Grundsatz an, daß selbige aufrichtig und ohne Betrug geschehe. Wir setzen dabey ferner zum voraus, daß die Schätzung der Erbschafts-Stücke durch dazu sämmtlich erwählte Wardirer geschehen, und dabey nichts verborgen geblieben sey, oder auch, daß die unter den Erben angenommene Schätzung auf andern hinlänglichen Gründen, z. E. auf den Werth des Einkaufs, oder bey unbeweglichen Gütern auf den von verschiedenen Jahren zusammengerechneten und darnach getheilten Ertrage eines Guts beruhe. In allen solchen Fällen wollen Wir nicht gestatten, daß eine Erbschafts-Theilung, wenn sie schon außergerichtlich geschehen, unter dem Vorwand einer Verletzung rückgängig gemacht werden solle.

Titel 51 § 2

§ 2. Wir erklären dieses ferner gnädigst dahin, daß bey solcher Beobachtung auch keine Klage wegen Verletzung über die Hälfte eintreten könne, allermaßen hier diejenigen Billigkeits-Gründe ihre Zueignung nicht finden, welche dieses Rechts-Mittel in denen spätem Römischen Gesetzen veranlaßet haben. Und am wenigsten kann dieses Platz ergreifen, wenn die Theilung gerichtlich geschehen ist.

Titel 51 § 3

§ 3. Es kann dahero auch, wenn eine gültige Schätzung vorhergegangen, eine Theilung durch das Loos nicht angefochten werden.

Titel 51 § 4

§ 4. Wird keine Untersuchung vorher zur Hand genommen, und die Erben bieten unter sich, wie Wir solches alsdenn anrathen, und einer von ihnen nimmt es für den höchsten Bot an, so muß auch alsdenn keine Klage wegen Verletzung Statt finden, wenn sie auch schon über die Hälfte angegeben würde.

Titel 51 § 5

§ 5. Beruhet hingegen sonst der angenommene Werth auf gar keinem Grunde, wie gleichwohl bey gerichtlichen Theilungen ganz und gar nicht anzunehmen stehet, oder es waltete dabey ein Betrug oder Irrtum ob, alsdenn wollen Wir verstatten, daß wegen Ungleichheit der Theilung auch unter der Hälfte Klage erhoben werden könne, jedoch nicht, daß die ganze Theilung aufzuheben, sondern nur, daß das Ungleiche verbessert und gleich gemacht werde.

Titel 51 § 6

§ 6. Wir finden auch den angenommenen Satz der Rechts-Lehrer nicht unbillig, daß bey Theilung gemeinschaftlicher Sachen, wenn die Interessenten des Werths halber eins sind, derjenige, welcher an der Sache den größten Theil hat, gegen Herausgebung des Überschusses selbige vorzüglich annehmen könne.

Titel 51 § 7

§ 7. Kann aber kein Theil dem andern herausgeben, so ist zur öffentlichen Vergantung zu schreiten.

Titel 51 § 8

§ 8. Was die Verjährung der Theilungs-Klagen anlanget, so kann alsdenn nach Verlauf von 30 Jahren auf die Theilung der Substanz weiter nicht geklaget werden, wenn derjenige, der das Gut unter sich hat, solches die Zeit hindurch als sein allein eigen und nicht gemein besessen hat, maßen in solchem Fall billich zu vermuthen ist, daß die übrigen von dem ehemals gemeinen Gute abgefunden worden.

Titel 51 § 9

§ 9. Kommt es aber auf die Herausgabe der bisherigen Nutzungen an, so kommt dem Einhaber, wenn das Gut gemein geblieben, nur in sofern die Verjährung zu Statten, als etwa die Nutzungen über die VerjährungsZeit von 30 Jahren zurückgefordert werden. Was hingegen binnen denen letzten 30 Jahren an gemeinschaftlichen Aufkünften erhoben worden, kann für verjährt nicht gehalten werden.

Titul LII. Von der Mehrheit der Stimmen in gemeinschaftlichen Sachen.

Titel 52 § 1

§ 1. Da Wir vernehmen, daß auch darüber verschiedentlich Streit und Irrungen entstanden, wie weit in Angelegenheiten einer Stadt, Fleckens oder andrer Gemeinen und Collegiorum, weniger nicht in gemeinschaftlichen Dingen der Lehns- und Stamm-Vettern eine Mehrheit der Meinungen oder Stimmen auch die übrigen verbinde, so haben Wir auch darüber Uns zu erklären gnädigst gut gefunden.

Titel 52 § 2

§ 2. Wir setzen mm überall hiebey voraus, daß das gemeine Beste der Gemeine oder Gesellschaft einen Schluß erfordre. Sobald demnach keine solche dringende Ursache vorhanden ist, kann keine Mehrheit der Stimmen einen verbindlichen Schluß machen, sondern es macht eines jeden Widerspruch das Vorhaben der übrigen unkräftig.

Titel 52 § 3

§ 3. Wenn aber das gemeine Beste der Gemeine oder Gesellschaft einen Schluß nothwendig erfordert, alsdann muß billig die Mehrheit der Stimmen den Ausschlag geben.

Titel 52 § 4

§ 4. Wenn es auf die Ausführung eines Processes ankommt, müssen dazu zwey Drittel einstimmen, als so viel die Rechte auch zu Bestellung eines Syndici der Gemeine erfordern. Ein Vergleich kann aber durch die bloße Mehrheit der Stimmen bündig getroffen werden, so wie zu Fort- Setzung eines bereits angefangenen Processes die bloße Mehrheit hinlänglich ist.

Titel 52 § 5

§ 5. Ist die Ausführung einer Sache einmal rechtmäßig beschlossen, und es kommt sodann auf die Aufbringung der Kosten an, so muß dieses blos nach Mehrheit der Stimmen eingerichtet werden.

Titel 52 § 6

§ 6. Wenn denen Rechten eines oder andern aus der Gemeine oder Gesellschaft zu nahe getreten wird, kann keine Mehrheit der Stimmen Platz finden.

Titel 52 § 7

§ 7. Soll ein Schluß in einer Gemeine oder Gesellschaft gemacht werden, so müssen alle Mitglieder dazu berufen seyn. Bleibet aber hierauf ein oder andres Mitglied aus, so kann gleichwohl durch die Mehrheit der Stimmen, welche sodann nach der Anzahl der erschienenen und gegenwärtigen gerechnet wird, ein verbindlicher Schluß gemachet werden, wenn nur in wichtigen Dingen zwey Drittel der Interessenten würklich zugegen gewesen.

Titel 52 § 8

§ 8. Wenn einige der gegenwärtigen ihre Meinung nicht äußern wollen, so wird die Mehrheit nach der Zahl der übrigen gegenwärtigen gerechnet.

Titel 52 § 9

§ 9. Wie jedoch durch die Mehrheit der Stimmen auch keinem Interessenten ein wahrer Nachtheil oder Beschwerung zugefüget werden muß, so kann ein jeder, wenn es auf dessen Interesse ankommt, dem Schluß widersprechen, und ist alsdenn eine Vereinigung nach den Regeln der Billigkeit zu treffen, und allenfalls von der Obrigkeit das Nöthige zu verfügen.

Titul LIII. Vom Spiel.

Titel 53 § 1

§ 1. Spiele, die an Unsern Höfen von Uns wissentlich verstattet werden, oder mit welchen es ihrer Einrichtung nach gleiche Beschaffenheit hat, sind zwar überhaupt für unerlaubt nicht zu halten. Es sind auch diejenigen Spiele, deren Ausschlag blos vom Verstände und nicht zugleich vom Glück abhänget, für unrechtmäßig nicht zu halten, bloße GlücksSpiele aber können Wir überall nicht zugeben, sondern wiederholen vielmehr desfalls die von weil. Unsers Herrn Groß-Vaters Majestät gegebene Verordnung.

Titel 53 § 2

§ 2. Was demnach in Glücks-Spielen verloren worden, kann so wenig, wenn es bezahlet ist, zurückgefordert, als wenig wegen des unbezahlten eine Klage erhoben werden, wenn auch darüber als über ein Anlehn eine Verschreibung ausgestellet wäre. Worin Wir solchemnach von denen neuern Römischen Rechten in etwas abgehen.

Titel 53 § 3

§ 3. Weil aber auch an und für sich selbst nicht unerlaubte Dinge durch Zeit und Umstände unrecht werden können, insonderheit wenn dadurch die andern schuldige Pflichten zurückgesetzet werden, so wollen Wir bey denen an sich verstatteten Spielen eine freiwillige Bezahlung zulassen, auch kann das würklich bezahlte nicht zurückgefordert werden. Wir finden aber bedenklich, zu dessen Einforderung gerichtliche Klagen zu verstatten.

Titel 53 § 4

§ 4. Dienst-Boten mögen auch der sonst erlaubten Spiele und zwar auch ohne Geld sich nicht bedienen, weil diese dadurch nur verdorben und dahin gebracht werden, den Dienst ihrer Herrschaft zurückzusetzen. Es kann also die Herrschaft solche Bediente ohne vorherige Aufkündigung gehen lassen, ist auch nicht schuldig, ihnen außer dem verdienten Sold an Mondirung etwas zu lassen.

Titul LIV. Vom Darlehn.

Titel 54 § 1

§ 1. Ob wol die gemeinen beschriebenen Rechte gegen eine Handschrift dem Schuldner verstatten, binnen zwey Jahren nicht allein die Einrede des nicht gezahlten Geldes aufzustellen, sondern auch den Gläubigern binnen solcher Zeit zum Beweise der Zahlung verbinden, so ist doch nicht allein diese Zeit, insofern daraus auf klare Hand und Siegel geklaget wird, bereits von Weyland Unsers Herrn Elter Vaters Maj. durch das Interims-Justiz-Reglement auf drey Monate eingeschränket, sondern auch binnen solcher Zeit dem Schuldner selbst der Beweis seines Vorgebens auferleget. Welches Wir also nicht allein bestätigen, sondern auch auf Unsre sämmtliche Deutsche Lande erweitern.

Titel 54 § 2

§ 2. Gleichwie jedoch von vielen Rechts-Lehrern dafür gehalten wird, daß die gemeinen Rechte solche Einrede auch nach verflossenen zweyen Jahren zulassen, wenn der Schuldner selbst den Beweis der nicht geschehenen Zahlung übernehmen will, also bleibet auch in Unsern Deutschen Landen dem Schuldner, wie auch in dem angezogenen Justiz-Reglement bereits versehen, wenn er die Zahlung zuvor geleistet, ungeachtet die drey Monate bereits abgelaufen, frey zu erweisen, daß er das Geld verschriebener Maßen nicht erhalten. Und er kann auch alsdann zu solchem Ende der Eideszuschiebung sich bedienen. Wie ihm denn auch dieser Beweis dadurch nicht entzogen werden kann, wenn er etwa der Einrede des nicht gezahlten Geldes in der Handschrift sich begeben, ja wol gar die Verschreibung mit einem Eide bekräftiget hätte, weil sodann solches als in Hoffnung künftiger Zahlung zum voraus geschehen angesehen werden muß.

Titel 54 § 3

§ 3. Hätte jedoch der Schuldner nach ausgestellter Verschreibung dieselbe vor erhobener Klage als richtig anerkannt, so kann er seinem Gläubiger darüber keinen Eid zuschieben.

Titel 54 § 4

§ 4. Was in Ansehung der Haus-Söhne durch den Macedonianischen Raths-Schluß verordnet worden, bestätigen Wir nicht allein, sondern wollen auch solches in Ansehung der von dem Vater unterhabenden Mütterlichen oder andrer dergleichen Güter, wovon der Vater den Genießbrauch hat, da auch hiebey gleicher Grund der Rechte eintritt, Statt finden lassen. Es soll auch dergleichen von beyden Seiten schändliche Handlung durch keinen Eid weder bey des Vaters Lebzeiten, noch nachhero, gültig werden.

Titel 54 § 5

§ 5. Als auch um richtiger Zins-Zahlung willen die Gläubiger wol in die Verschreibung setzen lassen, daß der Schuldner bey nicht erfolgender richtig und genauer Zins-Zahlung in eine Geldes-Strafe verfallen seyn solle, so vermag doch dieses, wenn dadurch über fünf auf hundert Zinsen genommen werden, von keiner Gültigkeit zu seyn.

Titel 54 § 6

§ 6. Ob schon die bloße Zusage, Geld herzuleihen, aus denen Kaiserlichen Rechten in so fern für verbindlich nicht gehalten wird, daß daraus auf die Erfüllung geklaget werden könne, so sind Wir doch belehret, daß von jeher in Deutschland und besonders auch in Unsern dortigen Gerichten auch bloße Abreden und Verträge für völlig verbindlich angesehen worden. Wir verstatten demnach, auch aus einer solchen bloßen Zusage zu klagen, doch nur in so fern, daß dem Kläger der dadurch erwachsene Nachtheil vergütet werde.

Titel 54 § 7

§ 7. Welchergestalt bey verändertem Münzfuß ein Darlehn zu verstatten, ist nicht allein von Unsern Durchlauchtigsten Vorfahren, sondern auch von Uns durch eine am 27sten April 1764 erlassene Verordnung in mehrem bestimmet. Es hat also dabey sein Bewenden, daß die WiederBezahlung ausgeliehener Gelder jedesmal nach dem innerlichen Werth und Gehalt geschehen solle, ohne darauf zu sehen, was das Agio zur Zeit des Anlehns betragen habe.

Titel 54 § 8

§ 8. Es muß jedoch solches alsdenn dem Gläubiger zum Nachtheil nicht gereichen, wenn der Schuldner zu einer solchen Zeit bezahlen sollen, da der Gläubiger durch Umsatz mehr gerechtes Geld nach dem alsdenn coursirenden Agio hätte haben können, als er durch die Würdigung nach dem innerlichen Werth erhält, sondern es ist in solchem Fall gegen den säumigen Schuldner das Agio von der Verfall-Zeit anzunehmen.

Titel 54 § 9

§ 9. Wird eine Verschreibung in Unsern Landen ohne Benennung der Münz-Sorten ausgestellet, und der Schuldner könnte ein anders nicht erweisen, so ist, nachdem der vormalige Münz-Verfall in Unsern Landen seit verschiedenen Jahren bereits gehoben, bey geringem Summen Cassen-Geld, bey großem aber von hundert und mehr Reichs-Thalern, zwar auch Cassen-Geld, jedoch in Gold-Gulden oder Pistolen nach abgewürdigtem Werth, zu verstehen. Ist aber die Verschreibung an einen Kaufund Handelsmann ausgestellet, so sind, weil dermalen der Handel darauf gerichtet ist, bis wenigstens ein anders eingeführet, Pistolen auf 5 Thaler für voll anzunehmen.

Titel 54 § 10

§ 10. Welchergestalt der innerliche Werth derer bey dem letztem MünzVerfall ausgeprägten, nun aber aus allem Handel verschwundenen MünzSorten zu rechnen sey, ist in der Anfuge Unsrer Verordnung vom 27sten April 1764 bestimmet. Welches Wir in diesem Unserm Gesetzbuche wörtlich zu wiederholen um so unnöthiger halten, als Wir nicht glauben mögen, daß darüber künftig noch viele Zwistigkeit obwalten werde.

Titel 54 § 11

§ 11. Die Verschreibung über ein Darlehn kann dahin nicht gestehet werden, so viel, als man empfangen, in jedesmal gangbarer, vielweniger in besserer Münze zu erstatten, sondern der Gläubiger bekommt dasjenige, was er hergeliehen, nach dem wahren Werth der Zeit des Empfangs wieder.

Titel 54 § 12

§ 12. Wenn schon die Verschreibung zugleich auf einem jeden treuen Briefes-Inhaber gerichtet ist, so muß jedoch nichts desto weniger ein dritter Inhaber, welcher daraus klaget, sein an der Verschreibung habendes Recht erweisen.

Titul LV. Von eidlichen Verpflichtungen.

Titel 55 § 1

§ 1. Es ist Uns unterthänigst vorgetragen, daß in Unsem Deutschen Gerichten bisher die Meinung derjenigen Ausleger angenommen worden, welche Kaiser Friedrichs des ersten Verordnung nach denen Canonischen Rechten dahin erklären, daß eidliche Bekräftigungen solcher Personen, welche bereits die Jahre der Pubertät erreichet, auch einen sonst an sich nichtigen und ungültigen Handel gültig und verbindlich machen, daß aber diese Erklärung von aller Zeit her von vielen andern großen Rechtslehrem gemißbilliget, und dafür gehalten worden, daß der Kaiser dem Eide derjenigen, welche die Jahre der Pubertät erreichet, nur dahin Kraft beilegen wollen, damit dieselben nicht wider eine an sich zu Recht bestehende Handlung in vorigen Stand gesetzet werde. Ob nun zwar allerdings eines jeden Gewissen zu überlassen ist, wie er die Nicht-Erfüllung seines Eides vor dem Allerhöchsten zu verantworten gedenke, so haben Wir jedoch zugleich erwogen, wie vielfältig diese zu Entheiligung des göttlichen Namens gereiche und wie gemein schädlich es sey, daß durch einen überdem gemeiniglich nicht genug überlegten Eid die 7 Ebel heilsamen Absichten der Gesetze hintertrieben und zernichtet werden sollen, Uns aber hauptsächlich auf das gemeine Beste zu sehen, obliege. Wir treten solchemnach denenjenigen bey, welche unter dem Kaiserlichen Gesetze keine an sich nichtige und unkräftige Handlungen begreifen, sondern es auf diejenigen einschränken, welche zwar an sich zu Recht bestehen, wowider aber eine Wiederherstellung in den vorigen Stand Platz findet.

Titel 55 § 2

§ 2. Es kann demnach eine ohne der Obrigkeit Erlaubniß geschehene Veräußerung unmündiger Personen unbeweglicher Güter durch den Eid des Unmündigen nicht gültig werden.

Titel 55 § 3

§ 3. Eben wenig kann eine über Eintausend harte Thaler sich belaufende, aber den Akten nicht insinuirte Schenkung durch den Eid über solche Summe für zu Recht beständig angesehen werden.

Titel 55 § 4

§ 4. Von denen Bürgschaften der Ehefrauen für ihre Männer haben Wir an einem andern Orte Vorsehung gethan. Wobey Wir es schlechterdings lassen, und soll auch hier der Eid von ganz und gar keiner Würkung seyn.

Titel 55 § 5

§ 5. Zu einer gültigen außergerichtlichen eidlichen Verpflichtung sind alle Worte hinlänglich, welche das allerhöchste Wesen als einen Zeugen der Wahrheit oder Rächer der Unwahrheit bezeichnen, als „bey dem Worte der ewigen Wahrheit". Da auch viele Rechtslehrer dafür halten, daß solchen Falls schon die Worte „an Eides Statt“ zureichen, so soll diese Meinung in Unsern Gerichten befolget werden.

Titel 55 § 6

§ 6. Es ist auch ein außergerichtlicher Eid von gleicher Würkung, er mag körperlich abgelegt seyn oder nicht.

Titul LVI. Von Gerichtlichen Eiden.

Titel 56 § 1

§ 1. Die in Parthey-Sachen im Gerichte abzulegende Eide müssen durchaus nach der in Unsren Gerichts-Ordnungen vorgeschriebenen Form abgeleget werden. Welches auch bey denen Sachen der Evangelisch-Reformirten, wenn sie von ihren Synoden an die weltliche Gerichte kommen, zu beobachten ist.

Titel 56 § 2

§ 2. Bey den Eiden ist die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte eingeführte Formul, so viel thunlich, auch bey Unsern andern Gerichten zu befolgen.

Titel 56 § 3

§ 3. Wir vernehmen nun zuförderst, was die zum Beweis dienende Eides-Zuschiebung anlanget, daß von Unsern Bremischen Gerichten dafür gehalten werden wollen, daß sowohl die Bremische Hof-Gerichts-Ordnung als die Wißmarsche Tribunals-Ordnung selbige nur alsdenn zulassen, wenn derjenige, welcher sich derselben bedienet, seine Intention schon vorhin wahrscheinlich gemachet habe. Nachdem aber, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht in verschiedenen Fällen dafür gehalten hat, solche Ordnungen nur dahin gehen, daß dasjenige, worüber der Eid zugeschoben worden, an sich glaublich und vermuthlich, zum wenigsten dagegen nicht starke Vermuthungen gegenseitig fürgebracht worden, und es keinesweges nöthig sey, eine Wahrscheinlichkeit darzulegen, sondern es allemal genug bleibe, wenn nur keine Unwahrscheinlichkeit vorhanden sey, also wollen Wir, daß solche Erklärung hinkünftig befolget werde.

Titel 56 § 4

§ 4. Ob wol gezweifelt werden will, ob eine ehrlose Person einen Eid zuschieben könne, so billigen Wir doch die Meinung dererjenigen, die solches denen Rechten nicht ungemäß halten, wenn nur die Ehrlosigkeit nicht aus Meineid entstanden ist.

Titel 56 § 5

§ 5. Auch über öffentliche Verbrechen und solche Sachen, worunter jemands Ehre und guter Name leidet, kann, in sofern auf eine Geldsumme bürgerlich geklaget wird, die Eides-Zuschiebung zur Hand genommen werden. Der Beklagte wird jedoch, wenn er sich des Eides weigert, nicht ehrlos.

Titel 56 § 6

§ 6. In Sachen, welche keinen Vergleich annehmen, folglich auch, wenn eine gültige Ehe getrennet werden sollte, findet die Eides-Zuschiebung keine Statt.

Titel 56 § 7

§ 7. Ob Wir nun auch wol bey dem Beweis einer nicht geschehenen Zahlung gegen klare Schuld-Verschreibungen auch die Eides-Leistung zugelassen haben, solche auch überall gegen den Inhalt einer solchen Verschreibung gestatten, weil der Geldesbedürftige Schuldner genöthiget ist, die von dem Gläubiger vorgeschriebene Bedingungen sich gefallen zu lassen, so kann doch gegen den Inhalt andrer klaren Urkunden, welche nicht in Hoffnung einer Zahlung zum voraus ausgestellet worden, ein gleiches nicht eintreten, sondern es ist alsdenn so gut, als ob der andre sein Gewissen mit Beweis vertreten habe.

Titel 56 § 8

§ 8. Unsern Beamten kann in denen Unsre Ämter angehenden Streitigkeiten allerdings ein Eid zugeschoben werden.

Titel 56 § 9

§ 9. Wird jemanden ein Eid über eine fremde Sache zugeschoben, so ist zwar wegen der Erben in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung Versehung geschehen, daß der Eid dahin zu richten; gestalt sie dasjenige, worauf es ankommt, für unwahr glauben, und es also dafür halten, auch nicht anders wissen. Damit jedoch hiebey alle Gewissens-Marter vermieden werde, so muß dem Erben, wenn er selbst in solchem Fall sein eigner Richter zu seyn Bedenken träget, frey stehen, alles, was ihm entweder von dem Verstorbenen selbst, oder aus dessen Briefschaften, bekannt ist, oder er von andern Leuten erfahren, anzugeben und darauf zu schwören, daß er des Verstorbenen Briefschaften sorgfältig nachgesehen, aber so wenig daraus als sonst ein mehrers von der Sache, als er angegeben, in Erfahrung gebracht. Welchemnächst es von dem Richter selbst abhänget, die Glaubwürdigkeit der Sache zu ermessen, und weiter in der Sache zu erkennen, was den Rechten gemäß ist.

Titel 56 § 10

§ 10. Noch weniger aber ist einem Pfleger fremder Güter ein mehrers anzumuthen. Er kann aber auch dahero nicht verlangen, daß der Eid bis zur Großjährigkeit seiner Pflegebefohlnen ausgesetzet und von diesen selbst geleistet werde.

Titel 56 § 11

§ 11. Wenn ganzen Gemeinen oder vielen Interessenten ein Eid zugeschoben oder auferleget wird, hat es zwar dabey sein Bewenden, daß zwey oder drey Senioren in ihre und zugleich der Sach-Verwandten Seele den Eid abschwören. Als aber dabey Zweifel vorgefallen, von wem die Wahl der Senioren abhange, so genehmigen Wir die Meinung Unsers Ober-Appellations-Gerichts, daß selbige denenjenigen, welche den Eid ablegen sollen, zustehe.

Titel 56 § 12

§ 12. Wenn jemanden ein Beweis-Termin gesetzet worden, und derselbe binnen solcher Frist den Beweis zwar angetreten, aber wider sein Vermuthen nicht geführet, muß ihm allerdings frey stehen, auch noch in derselben Instanz seinem Gegner den Eid zuzuschieben und dadurch seinen Beweis zu führen.

Titel 56 § 13

§ 13. Bey dem Eide für Bosheit haben Wir erwogen, daß, wenn beide Theile von der Sache gleich gute Wissenschaft haben, der eine nothwendig falsch schwöre. Um dieses zu verhüten, wollen Wir also die Erforderung des Eides für Bosheit dahin einschränken, wenn ein Theil von der Sache bessere Wissenschaft als der andere haben kann.

Titel 56 § 14

§ 14. Stehet es füglich in die Wege zu richten, daß der Eid in Person abgeleget werde, so ist dazu auch Krankheit und entfernter Abwesenheit halber kein Gevollmächtigter zuzulassen.

Titel 56 § 15

§ 15. Als auch bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte die Frage vorgefallen, ob ein Jude angehalten werden möge, an dem großen Versöhnungs-Tage, Jom Kippur genannt, einen Eid abzulegen, dabey aber befunden worden, daß solches dieses Volks gottesdienstlichen Verfassungen ganz zuwider laufe, so lassen Wir es auch dabey bewenden.

Titel 56 § 16

§ 16. Es ist zwar in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2. tit. 8 S. 3 § 12 bereits versehen, daß, wenn der Verstorbene einmal den deferirten Eid acceptiret, und er wäre nicht in mora gewesen, oder es bey ihm nicht gestanden, solchen abzustatten, sodann der also deferirte Eid für geleistet zu halten sey. Wir vernehmen gleichwohl, daß gezweifelt werde, ob dieses auch alsdenn eintrete, wenn der Verstorbene zwar den von seinem Gegner ihm zugeschobenen Eid angenommen, jedoch zuvor über dessen Stattnehmigkeit den richterlichen Ausspruch erwarten wollen. Wenn Wir inmittelst erwegen, daß dieses für keinen unrechtmäßigen Verzug zu halten, so wollen Wir, daß wenn der Verstorbene sonst die Sache nicht unbilliger Weise in die Länge gezogen und dadurch den zu ergehenden richterlichen Ausspruch aufgehalten, daß auch in diesem Fall der Eid für geleistet anzusehen sey.

Titel 56 § 17

§ 17. Gleichwie auch ferner die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung, wenn derjenige, welchem der Eid deferiret worden, ehe er solchen acceptiret, verstorben, dessen Erben, wenn der Deferent ihnen nicht solchen aufs neue auftrüge, dazu nicht zu verstatten, also haben auch überhaupt in solchem Falle, wenn nicht etwan zu einem nothwendigen Eide zu schreiten, die Gerichte abzuwarten, ob der Deferent aufs neue denen Erben den Eid deferiren wolle.

Titel 56 § 18

§ 18. Zum Erfüllungs-Eide ist ein Jude gegen einen Christen nicht anders zu lassen, als wenn er mehr denn halben Beweis beygebracht hat.

Titel 56 § 19

§ 19. Da es mit denenjenigen Eiden, welche, wenn kein ander Auskommen, von dem Richter einer der Parthey auferleget werden, eine ganz andre Beschaffenheit als mit denen von der Parthey deferirten hat, so kann bey erstem so schlechterdings nicht eintreten, daß, wenn der Verstorbene den Eid angenommen und nicht in mora gewesen, oder es bey ihm nicht gestanden, den Eid abzustatten, derselbe für abgestattet zu halten sey, sondern der Richter muß die Umstände der Sache in neue Erwegung ziehen und entweder die Erben oder den Gegentheil den nöthigen Eid leisten lassen.

Titel 56 § 20

§ 20. Findet sich^ daß vom vorigen Richter ein Eid zwar rechtskräftig auferleget worden, derselbige jedennoch ganz überflüssig und unerheblich sey, so muß derselbe, um alle unnütze Anrufung des göttlichen Namens zu verhüten, der Rechts-Kraft ungeachet bey Seite gesetzet werden.

Titel 56 § 21

§ 21. Wäre jemanden rechtskräftig auf erlegt, das juramentum in litem auf eine gewisse Summe zu leisten, und es fände das Gericht nachhero mittelst neuer Beweisthümer in der Sache ein anders Auskommen, so ist es an keine Rechtskraft gebunden, sondern kann den Beklagten auch in eine größere Summe und ohne Eid vertheilen.

Titel 56 § 22

§ 22. Da aber dieser Eid eine Wohlthat für denjenigen ist, welcher dazu gelassen wird, so stehet es bey ihm, ob er lieber von seinem Gegentheil eine eidliche Offenbarung verlange, und kann dieser selbige von sich nicht ablehnen noch ersterem das juramentum in litem aufdringen.

Titel 56 § 23

§ 23. Wenn ein Gläubiger zwar überhaupt, daß der andre in seiner Schuld sey, nicht aber die Größe derselben erwiesen, so kann er diese durch seinen bloßen Eid nicht anders darthun, als wenn sein Gegentheil gefährlich mit ihm gehandelt.

Titul LVII. Von Handlungs-Vorgesetzten, oder in Rechten so genannten Institoren.

Titel 57 § 1

§ 1. Wer für einen Handlungs-Vorgesetzten oder Institoren zu halten sey, ist in denen gemeinen Rechten deutlich genug versehen. Und kommt es hiebey nicht auf den ihm etwa beygelegten Namen an, sondern ob er über seine treibende Handlung oder Gewerbe ein besondres Buch halte oder besondre Rechnung führe.

Titel 57 § 2

§ 2. Daß, und in wie fern derjenige, welcher den Institoren der Handlung vorgesetzet, aus dessen Verpflichtungen selbst und wegen seines eignen übrigen Vermögens hafte, davon ist in denen beschriebenen Kaiserlichen Rechten, als welche überall hiebey einzig zum Grunde zu legen sind, gnugsame Verordnung, wie Uns berichtet worden, bereits anzutreffen, so daß es hierunter einer dermaligen nähern Bestimmung nicht bedürfen kann.

Titel 57 § 3

§ 3. Als jedoch in Ansehung der Verbindlichkeit des Handlungs-Vorgesetzten unter denen Rechts-Lehrern nicht gleiche Meinungen geheget werden sollen, so treten Wir denenjenigen bey, welche denselben nicht allein, so weit seine unter sich habende Handlung und Casse zureichet, sondern ohne diese Rücksicht schlechterdings auch aus seinem eignen Vermögen Zahlungs-Pflichtig erklären.

Titel 57 § 4

§ 4. Es kann auch, so lange der Vorstehende oder die Haupt-Handlung nicht aus eignen übrigen Vermögen oder Casse um Zahlung angesprochen wird, sondern von dem Institoren selbst die Rede ist, nicht darauf gesehen werden, unter was für Bedingungen dieser der Handlung vorgesetzet worden, oder auch, ob sogar ein Verbot bekannt gemacht sey, sich mit ihm nicht einzulassen. Doch kann bey einem solchen geschehenen öffentlichen Verbot die Haupthandlung ohne Widerspruch der nachherigen Contrahenten die bloß in Commission gegebene und nicht creditirte Waaren, sofern sie noch vorhanden sind, zuvor herausnehmen. Was aber würklich in die Handlung gesetzet worden, muß nichts destoweniger allemal haften.

Titel 57 § 5

§ 5. Es tritt ferner Verbindlichkeit des Institoren nicht allein alsdenn ein, wenn er in seinem eignen Namen, sondern auch, wenn er als ein Vorgesetzter oder Namens der Haupthandlung geschlossen hat, zumalen es für einen Gläubiger sehr hart seyn würde, wenn er sich auf einen mit großer Weitläufigkeit erst auszumachenden, dem Institoren aber jederzeit bekannten Zustand der Handlung einlassen sollte, und dieser solchen Falls von dem Vorwurf eines Betrugs sich nicht befreyen mag, überdem auch derselbe nach abgelegter Rechnung an der Haupthandlung sich erholen kann.

Titel 57 § 6

§ 6. Was von einem Institoren auch im Gericht gehandelt, und gegen ihn erkannt worden, muß auch gegen die Haupthandlung oder denjenigen, welcher ihn der Handlung vorgesetzet, schlechterdings und ohne alle Einrede für rechtsverbindlich und gültig angenommen werden.

Titel 57 § 7

§ 7. Wenn nun auch schon der Gläubiger zugleich von der Haupt-Handlung Versicherung zu erhalten und deren Beyfall zu erlangen gesuchet hätte, so kann doch dieses dessen Anspruch an den Institoren und dieses letztem Verbindlichkeit im geringsten nicht verändern.

LVIII. Von der Niederlage zu treuer Hand.

Titel 58 § 1

§ 1. Ob wol die Rechts-Lehrer gemeiniglich dafür halten, daß derjenige, welcher bey jemanden etwas zu treuer Hand niedergeleget, wenn solches nicht mehr vorhanden, bey entstehendem Concurs denen gemeinen schlechten Schulden vorgehe und damit in die vierte Reihe der Gläubiger zu setzen sey, nach demmalen jedennoch die ohnehin nicht deutlich gnug darunter sich erklärende Kaiserliche Rechte bloß von einer solchen Niederlage reden, wobey man sich auf Öffentlichen Glauben verlassen, so mögen Wir andern privat Niederlagen überall kein Vorzugs-Recht vor einigen andern Schulden beylegen.

Titul LIX. Von Auftrag und Vollmacht.

Titel 59 § 1

§ 1. Ob schon der Gevollmächtigte, welcher wider die ihm gegebene Vorschrift handelt, dem Gewaltgeber haftet, so kann doch dadurch das von ihm mit einem dritten vorgenommene Geschäft, wenn sonst die ertheilte Vollmacht an sich nicht in Abrede genommen wird, nicht anders rückgängig werden, als wenn dem dritten die Vorschrift bekannt gemacht worden, nicht aber, wenn sie unbekannt bleiben sollen oder doch durch Schuld des Gewaltgebers unbekannt geblieben.

Titel 59 § 2

§ 2. Wir billigen auch die Meinung dererjenigen Rechts-Lehrer, welche bey mehrern Gewaltgebem dafür halten, daß ein jeder von ihnen dem dritten für das ganze hafte, und mit der Rechtswohlthat einer Theilung die Zahlung nicht aufhalten könne.

Titel 59 § 3

§ 3. Hat ein Gevollmächtigter oder Vorgesetzter nicht in seinem eignen Namen, sondern im Namen seines Gewaltgebers oder in Ansehung seines Amts einen Handel geschlossen und sich dabey zugleich für seine eigne Person nicht verbindlich gemacht, so kann er zwar belanget werden, aber nur dahin, daß er sorgen müsse, daß die Zahlung aus des Herrn oder Gewaltgebers Gütern geschehe.

Titel 59 § 4

§ 4. Hat jemand aus Auftrag eines andern für denselben eine Sache, jedoch in seinem Namen, gekaufet, und der Verkäufer erlässet nachher einen Theil des Kaufgeldes, so ist auf die Absicht des Verkäufers zu sehen, wem das Erlassene zu gute kommen solle. Weiß der Verkäufer von dem Haupt-Käufer nichts, oder er hat die Absicht, demjenigen, mit welchem er den Handel getroffen, es sey zur Vergeltung oder sonst, etwas zu schenken, nicht aber schlechterdings und ohne alle Rücksicht auf denselben das Kaufgeld herunter zu setzen, so kann letztrer auch dieses von dem Haupt-Käufer und Auftrager, gleich als ob er solches für ihn würklich bezahlet hätte, wieder fordern.

Titel 59 § 5

§ 5. Gleiche Rücksicht ist auch zu nehmen, wenn der Gläubiger den Bürgen ohne Zahlung auf die Schuld ganz oder zum Theil quitiret hat, und dabey nicht die Absicht geheget, schlechthin auch in Ansehung des Haupt-Schuldners es für bezahlt anzunehmen, sondern vielmehr nur dem Bürgen, es sey zur Vergeltung oder sonst, etwas zu schenken. Als in welchem Fall der Bürge, auch ohne Zahlung geleistet zu haben, das Geschenkte von dem Haupt-Schuldner fordern kann.

Titel 59 § 6

§ 6. Hätte jemand ein Blanket ausgestellet, und derjenige, dem es anvertrauet wird, mißbrauchte dasselbe, so kann die Unvorsichtigkeit des Ausstellers einem Dritten, wenn dieser um die Sache nicht gewußt, nicht nachtheilig seyn.

Titel 59 § 7

§ 7. Ob gleich verschiedene Rechts-Lehrer dafür halten wollen, daß derjenige, welchem der Auftrag geschehen, etwas zu verkaufen, eben dadurch auch den Auftrag erhalten habe, das Kaufgeld zu erheben, so können Wir jedoch dieses so schlechterdings nicht annehmen, sondern lassen es nur alsdenn gelten, wenn es bewegliche Sachen betrifft, welche demjenigen, der den Antrag zum Verkauf erhalten, gänzlich anvertrauet worden, so daß er auch solche dem Käufer zu übergeben berechtiget seyn solle. Bey unbeweglichen Gütern aber kann ein gleiches auf keine Weise Statt finden.

Titel 59 § 8

§ 8. Hat der Bürge für den Haupt-Schuldner auch Zinsen bezahlet, so sind zwischen diesen beiden Personen die bezahlten Zinsen als ein HauptStuhl anzusehen und müssen dahero gleichfalls mit Zinsen erstattet werden.

Titel 59 § 9

§ 9. Bey den nächsten Angehörigen wird zwar von denen Rechts-Gelehrten, wie Wir vernehmen, in denen für den andern übernommenen in- Sonderheit gerichtlichen Geschäften ein Auftrag vermuthet. Diese Vermuthung kann aber in solchen Dingen, die zu des geglaubten Auftragers Nachtheil gereichen, von keiner Würkung seyn.

Titul LX. Von Gesellschaft.

Titel 60 § 1

§ 1. Wir vernehmen, daß unter denen Rechtslehrern nicht gleiche Meinung geheget werde, ob in Ansehung derer von einer Gesellschaft gemachten Schulden ein Mit-Geselle ganz oder nur zu seinem Antheil hafte. Um nun dieses in Gewißheit zu setzen, so halten Wir es zuvörderst für nicht zu bezweifelnd, daß, wenn eine noch ungetheilte Societäts-Maße vorhanden und einer aus der Gesellschaft solche oder sonst ein gemeinschaftliches Capital allein unter sich hat, dieser davon ohne alle Widerrede die Zahlung ganz leisten müsse, und keine Theilung vorher Statt finde.

Titel 60 § 2

§ 2. Ist gleichwol ein solches gemeinschaftliches Capital nicht vorhanden, oder auch dasselbe nicht zureichend, so haftet gleichwol ein jedes Mitglied der Gesellschaft, in so weit es an derselben Antheil hat, oder wenn dieses nicht wohl ausfündig zu machen, nach Kopf-Zahl.

Titel 60 § 3

§ 3. Wie Wir jedoch zugleich vernehmen, daß es unter Kaufleuten hierin nach durchgängigem Gebrauch der Handlungs-Oerter anders, und so gehalten werde, daß, was ein Kompanjon im Namen der übrigen oder für die Maßkopey-Gesellschaft handelt, kaufet, aufnimmt und berechnet, auch die Mit-Gesellschafter verbinde, und diese für das ganze schlechterdings haften, so wollen Wir, daß auch in Unsern teutschen Landen solchem nachgegangen werde.

Titel 60 § 4

§ 4. Ob gleich, so viel die Gesellschafter unter sich betrifft, einem jeden, wenn es nicht zu Hintergehung und Verkürzung des andern geschiehet noch auch der Gesellschaft zum Schaden und Nachtheil gereichet, aus der Gesellschaft auch wider des letztem Willen zu treten, frey stehet, so muß jedoch ein Dritter dadurch in keinen Nachtheil gesetzet werden. Wenn demnach die Veränderung nicht öffentlich bekannt gemacht worden ist, so muß dasjenige, was der abgetretene Gesellschafter für und im Namen der bisherigen Gesellschaft mit einem Dritten gehandelt und geschlossen, die übrigen eben so verbinden, als ob die Gesellschaft noch fortdaure.

Titel 60 § 5

§ 5. Ist die Gesellschaft nur auf eine gewisse Zeit eingegangen, so ist zwar desfalls, ob und wie fern ein Gesellschafter denen übrigen Gesellschaftern zum Nachtheil zurück treten könne, in denen gemeinen Rechten hinlängliche Versehung bereits geschehen. Er kann sich gleichwohl auch nach geendigten Jahren gegen einen Dritten, welcher mit der Gesellschaft vor und auch nachhero Gewerbe gehabt, in gesellschaftlichen Sachen aus dem Grunde der geendigten Gesellschaft nicht schützen, wenn er nicht ebenfalls seine Austretung aus der Gesellschaft öffentlich bekannt gemacht hat.

Titel 60 § 6

§ 6. Ob es gleich denen Rechten gemäß ist, daß auch nach dem Tode eines Gesellschafters die Gesellschaft fortdauert, wenn solches unter allen Theilen so beliebet worden, so können Wir doch nicht dafür halten, daß eben diese Fortdaurung eintreten könne, wenn ein Testirer seinen Erben auferleget hat, in der Gesellschaft zu bleiben, da es allemal auf den Willen der übrigen ankommt, ob sie die Erben darin behalten und die Gesellschaft mit ihnen fortsetzen wollen, die Natur der Sache aber auch an der andern Seite mit sich bringet, daß nicht weniger die Erben, wenn die Gesellschaft auf keine gewisse Zeit errichtet und es zu keiner Benachtheiligung der übrigen gereichet, sich heraus ziehen können. Ist jedoch die Gesellschaft auf eine gewisse Zeit errichtet, so sind ohnehin die Erben solche Zeit auszuhalten schuldig und zum Nachtheil der übrigen herauszugehen nicht befugt.

Titul LXI. Vom Kauf und Verkauf.

Titel 61 § 1

§ 1. Ob gleich sonst ein Kauf und Verkauf zu seiner Vollkommenheit gelanget, sobald nur Käufer und Verkäufer über die Sache und den Preis eins geworden, so stehet es jedoch bey denen Contrahenten, den völligen Schluß bis zur schriftlichen Fassung auszusetzen. Wenn nun dieses entweder vor der Vereinigung so beliebet oder bey derselben als eine Bedingung angehänget worden, so wird der Handel nicht eher vollständig, als bis alles schriftlich verfasset und von denen Contrahenten durch ihre Unterschrift vollzogen worden.

Titel 61 § 2

§ 2. Es muß auch, wenn sonst beider Theile Übereinstimmung in den Handel dargethan ist, derjenige, welcher vorgiebet, daß schriftlich geschlossen werden solle, diese seine Angabe erweisen.

Titel 61 § 3

§ 3. Ist etwas zu einer gewissen Maße verkauft, so soll zwar insgemein dafür gehalten werden, daß es darauf ankomme, ob dadurch der Werth der Sache bestimmet oder die Sache selbst nur bezeichnet werden sollen. Wir mögen aber diesen ersonnenen Unterschied nicht billigen, sondern setzen, daß, wenn etwas zu einem gewissen Maaß verkauft worden, der Mangel an der Maaße dem Käufer durchaus vergütet und an dem Kaufgelde abgesetzet werde, es wäre denn, daß erschiene, daß die Contrahenten auf die Maaße überall nicht gesehen.

Titel 61 § 4

§ 4. Wäre auch etwa über ein Gut der Handel in Bausch und Bogen getroffen, so muß durch Verständige ermessen werden, wie viel nach Proportion abzusetzen, und verstehet es sich, daß dabey zum Grunde zu legen, daß das Gut in der beschriebenen Consistenz so viel gelten sollen, als das abgeredete Kaufgeld beträgt.

Titel 61 § 5

§ 5. Als bey dem letztem Münz-Verfall verschiedentlich dahin geschlossen worden, daß die Kauf-Summe oder ein Theil derselben zu einer gewissen Zeit oder nach einer gewissen geschehenen Lose in der sodann gangbaren Münze bezahlet werden solle, dieses aber dahin gedeutet werden wollen, daß nicht auf die Zeit des Handels und auf welche Münze eigentlich damals geschlossen worden, sondern schlechterdings auf die Zeit der Zahlung zu sehen, wenn schon alsdenn die gangbare Münze geringer oder besser ist, dieser Vorfall auch bey einem wiewol nicht zu verhoffenden künftigen Münz-Verfall wieder entstehen kann, mithin hierunter etwas zu versehen Uns allerdings nöthig scheinet, gleichwol es der Natur der Sache und der Absicht beider Theile völlig zuwider läuft, auf die Zeit der Zahlung zu sehen, da alsdenn eine Zusammenstimmung auf einen gewissen Preis, welcher doch bey Kauf und Verkauf unumgänglich nöthig ist, nicht vorhanden seyn, auch einer oder der andre nothwendig verletzet werden würde, als setzen Wir hiemit, daß bey solchen Abreden durchaus auf die Zeit des getroffenen Handels und die Beschaffenheit desjenigen Geldes, in welchem beide Theile geschlossen, und nicht auf die Zeit der Zahlung gesehen werden solle. Wir lassen es jedoch sonst in diesem Stück in Ansehung des zu bestimmenden Werths durchaus bey Unsrer am 27sten April 1764 ergangenen Verordnung.

Titel 61 § 6

§ 6. Ob nun auch schon in denen gemeinen Rechten versehen ist, daß, wenn der Verkäufer bey Übergabe der Sache an den Käufer wegen des Kaufgeldes Credit gegeben und gewisse Zahlungs-Termine angenommen, das Eigenthum an den Käufer für übertragen zu halten sey, so ist Uns doch vorgetragen worden, daß nach vieler Rechts-Lehrer Meinung dieses nicht Statt finden solle, wenn der Käufer gewußt, daß er keine Zahlung leisten könne, und er also den Verkäufer betrogen hätte. Wann gleichwol die Unvorsichtigkeit des Verkäufers andern zum Nachtheil nicht gereichen kann, vielmehr der Verkäufer seine eigne Schuld billig träget, so wollen Wir, daß auch in solchem Fall das Eigenthum allerdings für übertragen zu halten sey.

Titel 61 § 7

§ 7. Wenn der Verkäufer das Kaufgeld entweder ganz oder zu einem Theile bey dem Käufer bis zu einer gewissen Zeit oder auf fernere Lose stehen lässet, und hingegen bis zur völligen Zahlung sich das Eigenthum an der Sache vorbehält, so ist dieses bloß als eine an der verkauften Sache vorbehaltene Hypothek anzusehen.

Titel 61 § 8

§ 8. Wenn der Verkäufer das Eigenthum behalten, so kann er bey nicht erfolgender Zahlung nicht allein die Sache zu seiner Befriedigung, jedoch nicht anders als mittelst richterlicher Hülfe wieder an sich nehmen, auch anderweit, so gut er kann, jedoch öffentlich und gerichtlich verkaufen, sondern er kann auch, wenn das Gut nicht wieder so hoch auszubringen stehet, den Mangel des Kaufgeldes gegen den Käufer besonders einklagen.

Titel 61 § 9

§ 9. Wenn bey Schließung des Handels beliebet worden, daß, falls die Zahlung nicht auf einen gewissen Tag geschehe, der Kauf für nicht getroffen angesehen werden solle, und der Verkäufer bedienet sich seines Rechts, wie in den Gesetzen verordnet ist, so verlieret der Käufer zwar, was er zum Zeichen des völlig geschlossenen Kaufs auf die Hand gegeben. Hat er aber zugleich einen Theil des Kauf-Geldes zum voraus und nicht zum Zeichen des völlig geschlossenen Kaufs bezahlet, ist ihm dieser von dem Käufer zu ersetzen.

Titel 61 § 10

§ 10. Ist an einigen Orten zum Beweis des zu Stande gebrachten Handels ein Wein-Pfennig üblich, so stehet solchen der Käufer.

Titel 61 § 11

§ 11. Als darüber sehr gestritten wird, ob das sogenannte Lehn-Geld, welches auch theils in unsern Landen bey einem Verkauf mittelst des Zehenten oder zwanzigsten Pfennings entrichtet wird, von dem Käufer oder Verkäufer zu erlegen sey, so wollen Wir solches dahin entscheiden, daß, wofern nicht ein anders beliebet worden, es dem Verkäufer zur Last falle.

Titel 61 § 12

§ 12. Es findet jedoch dieses Lehn-Geld, wofern nicht einiger Orten ein anders hergebracht ist, alsdenn nicht Statt, wenn mehrere Erben einem derer Mit-Erben das Gut überlassen und davon abgefunden werden, es mag auch die Abfindung mit des Mit-Erben eignem oder erbschaftlichem Gelde geschehen und mit dem Namen einer Übertragung oder Kaufs versehen seyn oder nicht. Und dieses soll auch angenommen werden, wenn mehrere erbschaftliche Güter einem derer Erben allein überlassen werden.

Titel 61 § 13

§ 13. Wir sind berichtet, daß es bey den Rechts-Lehrern großen Zweifeln unterworfen sey, ob bey Verkauf eines Lehns gleich denen StammVettern auch ein Sohn Einsprache thun und des Näher-Kaufs sich bedienen möge. Gleichwie aber Unser Ober-Appellations-Gericht bei einem solchen Vorfall die Meinung dererjenigen angenommen hat, welche die Söhne ausschließen, so wollen Wir diesen Satz auf gleiche Maaße dahin entscheiden.

Titel 61 § 14

§ 14. Wo aber sonst der Näher-Kauf aus dem Recht des Geschlechts in Unsern deutschen Landen hergebracht ist, mögen desselben auch die Kinder sich anmaaßen, wenn sie auch sonst ihres Vaters oder Mutter Erben werden.

Titel 61 § 15

§ 15. Es findet aber der Näher-Kauf von Geschlechtswegen nur in denen Gegenden und Orten und in der Maaße Statt, wo und wie er hergebracht ist.

Titel 61 § 16

§ 16. Bey dem Geschledits-Näher-Kauf nehmen Wir an, daß das Gut von des Verkäufers Groß-Vater oder weitern Vorfahren herrühre.

Titel 61 § 17

§ 17. Der nähere Verwandte gehet hiebey den weiter entfernten vor, doch folgen diese, wenn der nähere sich des Beyspruchs nicht bedienen will, und es ist nicht nöthig, gegen einen Fremden den eigentlichen Grad der Verwandtschaft zu erweisen.

Titel 61 § 18

§ 18. Bestehet das verkaufte Gut aus ererbten und sonst erworbenen Stücken, so muß der Beysprechende das ganze Gut, wie es verkauft worden, an sich nehmen. Dem Käufer stehet jedoch frey, die erworbenen Stücke, wenn sie getrennet werden können, zu behalten, deren Werth alsdenn an dem ganzen Kauf-Preise der Billigkeit nach abzusetzen ist.

Titel 61 § 19

§ 19. Ob gleich das Beyspruchs-Recht alsdenn nicht Platz hat, wenn der Beysprechende dem Verkäufer die abgeredeten Bedingungen nicht leisten kann, so kann doch solches auf den Fall nicht gedeutet werden, wenn jemand angeben wollte, er habe das Gut dem Käufer aus besonderer Zuneigung so geringe verkaufet.

Titel 61 § 20

§ 20. Stehet es erweislich zu machen, daß der Beyspruch einem Fremden zu Gute geschehe, gestalten denn auch der Beysprecher desfalls auf Erfordern eidlich sich zu reinigen schuldig ist, so kann der Beyspruch nicht zugelassen werden.

Titel 61 § 21

§ 21. Es stehet dem Käufer und Verkäufer nicht frey, zu Behinderung des Näher-Kaufs, am wenigsten, wenn der Retrahent sich bereits zum Beyspruch erkläret, von dem Kauf zurück zu gehen.

Titel 61 § 22

§ 22. Als auch zwar in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung versehen ist, daß diejenige, welche den Beyspruch auszuüben gemeinet, bey öffentlichen Vergantungen mit erscheinen und mit ihrem Anspruch gehöret werden sollen, wenn sie sofort nach geendigter Aufbietung zu dem geschehenen höchsten Lot sich erbieten, so ist Uns doch unterthänigst hinterbracht, daß, weil in Ansehung Unsrer Herzogthümer Calenberg und Grubenhagen, auch Ober-Grafschaft Hoya, durch eine besondre LandesOrdnung vom 3ten Januar 1699 versehen ist, daß sie bey der Aufbietung überbieten sollen, und daß dahero auch bey Unserm Ober-AppellationsGericht gehalten werde, daß diese besondere Verordnung in Ansehung gedachter Länder durch die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung nicht aufgehoben sey. Wie nun diese Auslegung ihren guten Grund hat, also wollen Wir auch selbige ausdrücklich hierdurch bestätigen.

Titel 61 § 23

§ 23. Ob auch wol verschiedene Rechts-Lehrer dafür halten, daß, wenn der Käufer das ihm von dem Beysprecher angebotene Kauf-Geld nicht annehmen wolle, dieser solches binnen der Zeit des Beyspruchs versiegeln und gerichtlich niederlegen müsse, und, wenn solches gehörig nicht geschehen, die Beyspruchs-Klage nicht Statt finde, so mögen Wir doch solches bey erfolgtem Widerspruch nicht nöthig halten. Jedoch verstehet sich von selbst, daß auch alsdenn die Aufkünfte der Sache nicht zu berechnen sind.

Titel 61 § 24

§ 24. Da die Wind-Mühlen mit Recht unter die unbeweglichen Güter gerechnet werden, so sind sie auch des Beyspruchs fähig.

Titel 61 § 25

§ 25. Als Wir vernommen, daß bey öffentlichen Feilbietungen unbeweglicher Güter vieler Orten nicht abgewartet werde, wie lange die Käufer bieten wolle, sondern die Zeit entweder durch den Glockenschlag oder das Brennen einer Wachs-Kerze eingeschränket werde, hieraus aber viel Unordnungen und Zwistigkeiten entstanden und selbst der Verkäufer durch diese Beengerung benachtheiliget werden kann, so soll inskünftige die Feilbietung nicht eher geendiget werden, als bis alle gegenwärtige befraget worden, ob einer von ihnen höher gehen wolle.

Titel 61 § 26

§ 26. Bey gerichtlichen Verkaufungen hänget die Ermäßigung, ob der Zuschlag für den gethanen Bot geschehen solle, von derjenigen Obrigkeit ab, welche den Verkauf verfüget, und nicht von derjenigen, bey welcher die Vergantung verrichtet.

Titel 61 § 27

§ 27. Wird ein unbewegliches Gut öffentlich vor Gericht nach geschehenem gewöhnlichen Anschläge verkaufet, so müssen in dem angesetzten Termin alle und jede, welche daran ein dingliches Recht zu haben vermeinen, wenn sie solches erfahren können, sich melden, oder sie haben zu gewärtigen, daß das Gut von dem Richter von allem künftigen Anspruch frey erkannt wird, wenn schon der Anschlag nicht zugleich auf eine Vorladung der Gläubiger wäre gefasset worden. An den Kaufschilling selbst aber kann der Gläubiger nichts destoweniger sich halten.

Titel 61 § 28

§ 28. Der höchste Licitant haftet alsdann nicht mehr, wenn nachher ein andrer mehrbietender angenommen worden, es aber darauf mit diesem wieder zurückgegangen ist.

Titel 61 § 29

§ 29. Ebenso so wenig haftet derselbe weiter, wenn von der vorigen Form der Subhastation abgegangen, nachher aber wieder zu derselben zurückgetreten wird. Z. E. wenn Anfangs zwey Häuser zugleich für ein Kaufgeld, nachhero jedes besonders, und zuletzt wieder beyde zugleich ausgeboten worden.

Titel 61 § 30

§ 30. Ob auch wol ein jeder Verkäufer dem Käufer die verkaufte Sache, wenn letzterer nicht etwa die Beschaffenheit der Umstände selbst gewußt, gewähren muß, so erfordern jedoch die Rechte, daß dem Verkäufer von dem entstandenen Rechtsstreit zeitig gnug Nachricht gegeben werde. Sind demnach der Zeugen Kundschaften bereits eröffnet, daß kein weiterer Zeugen-Beweis Statt findet, so ist die Verkündigung des Streits für verspätet zu halten.

Titel 61 § 31

§ 31. Es kann jedoch der Verkäufer nicht gezwungen werden, wider seinen Willen sich der Sache anzunehmen, ob schon auch sodann der Ausgang der Sache ihn mit trifft.

Titel 61 § 32

§ 32. Wäre jedoch der Anspruch so klar, daß das verkaufte Gut auf keine Weise gerettet werden können, so soll der Verkäufer, wenn ihm schon von dem Rechts-Streit nichts kund geworden, gleichwol dem Käufer haften.

Titel 61 § 33

§ 33. Wenn der Käufer dem Verkäufer gehörige Anmeldung gethan, oder auch die Sache klar wäre, und ein widriges Urtheil erfolget, so ist ersterer nicht schuldig, dagegen zu appelliren oder andern Rechtsmittel zur Hand zu nehmen.

Titel 61 § 34

§ 34. Würde ein Gut aus dem Grunde des Näher-Rechts besprochen, und der Beyspruch wäre in denen Rechten des Orts gegründet, so ist der Verkäufer die Gewähr zu leisten nicht schuldig.

Titel 61 § 35

§ 35. Wenn dem Verkäufer kein Betrug noch Schuld beyzumessen, so ist er nicht schuldig, wegen der Gewährleistung, die Sache mag ausfallen, wie sie wolle, dem Käufer die verwandte Kosten zu erstatten, es wäre denn, daß er dazu gegen den Käufer sich ausdrücklich verbindlich gemachet hätte.

Titel 61 § 36

§ 36. Wegen der Pferde-Wandelungen ist von Unsern in Gott ruhenden Vorfahren, sowol von weiland Churfürsten Ernst August, als von des Herzogs Georg Wilhelms Gnaden Versehung geschehen. Wie Wir aber die letztere das Herzogthum Lüneburg angehende Verordnung vom 30sten December 1697 in allen Stücken der Sache gemäßer halten, so wollen Wir selbige hiedurch auf Unsre sämmtliche deutsche Lande ausdehnen. Wir verordnen demnach hiemit, daß die Wandelung nur wegen der vier Haupt-Mängel, Rotzig, Kollerisch, Herzschlägig und Mondblind, Statt finden solle, bey einem gestohlenen Pferde aber die in den gemeinen Rechten auf sechs Monate bestimmte Zeit der Wandelung auf drey Monate eingeschränket seyn.

Titel 61 § 37

§ 37. Als jedoch auch hiebey vorgefallen ist, wie es darauf ankomme, ob das zu wandelnde Pferd bereits bey dem Verkauf den Fehler gehabt, und denn dafür gehalten ist, daß der Käufer, welcher den Wandel verlanget, dieses beweisen müsse, solches aber bey einer dermaßen eingeschränkten Zeit allerdings als höchst vermuthlich anzunehmen ist, so soll inskünftige der Käufer mit solchem Beweise nicht beschweret werden, dem Verkäufer jedoch allerdings frey bleiben, das Gegentheil darzuthun.

Titel 61 § 38

§ 38. Was die neuern Römischen Rechte in Ansehung einer Verletzung über die Hälfte des wahren Werths bey Kauf und Verkauf verordnen, dabey wollen Wir es zwar lassen, ob es schon nicht an Rechts-Lehrern fehlen soll, welche darin keine wahre Billigkeit anzutreffen glauben. Wann jedoch das Gesetz selbst namentlich nur dem Verkäufer diese Rechtswolthat ertheilet, und dahero unter denen Rechts-Lehrern gestritten wird, ob auch dem Käufer ein gleiches Recht beyzulegen, Wir aber erwogen, daß es nicht allein zu Verhütung beschwerlicher Weiterungen rathsamer sey, solches eher einzuschränken als zu erweitern, sondern auch nicht gleicher Grund der Billigkeit in beiden Personen anzutreffen, da zumal bey unbeweglichen Gütern der Verkäufer insgemein genöthiget wird, zu andrer Bedürfniß sich der Sache abzuthun, der Käufer hingegen sein Geld sicher zu benutzen oder sonst seine Bequemlichkeit darab zu haben suchet, und hiebey ein gewisser Maaßstab nach denen Absichten desselben nicht füglich anzunehmen stehet, als erklären Wir Uns gnädigst dahin, daß nach dem wörtlichen Inhalt des Gesetzes nur der Verkäufer und nicht der Käufer damit zu hören sey.

Titel 61 § 39

§ 39. Bey öffentlichen Versteigerungen aber findet eine solche Klage über Verletzung auch in Ansehung des Verkäufers nicht anders Statt, als wenn die Versteigerung zu Befriedigung andringender Gläubiger vorgenommen wird.

Titel 61 § 40

§ 40. Hätte nun auch der Verkäufer auf die Einrede einer Verletzung über die Hälfte würklich Verzicht gethan, so ist er, wenn nicht etwan seine Gläubiger darunter leiden, mit diesem Anzuge weiter nicht zu hören, da ohnehin die Erfahrung auch ergiebet, wie schwer auch bey Land-Gütern der wahre und eigentliche Werth zu bestimmen sey.

Titel 61 § 41

§ 41. Der wahre Werth eines Land-Guts ist nach dem Ertrage desselben bey Erb-Gütern zu drey, bey Mann-Lehnen aber, wenn von dem Lehnsherrn auf den Anfall nichts versichert ist, zu fünf aufs hundert zu bestimmen. Wenn aber bey Häusern in Städten die bisherige Miethe zum Grunde geleget wird, so ist bey pflichtigen Häusern das Capital zu Sechs, bey denen freyen aber zu Fünf aufs Hundert zu setzen. Doch ist auch überall jedesmal auf die Umstände der Zeit mit zu sehen.

Titel 61 § 42

§ 42. Wird das Kaufgeld bey dem Käufer bekümmert, und er genießet gleichwol das Gut, so kann er sich alsdenn von der ihm obliegenden Verzinsung anders nicht als durch eine gerichtliche Niederlage befreyen.

Titul LXII. Von Übertragung einer Schuld oder Forderung.

Titel 62 § 1

§ 1. Da es sich oft zuträgt, daß jemand zu Ablegung einer altern Schuld Geld herleihet, und die Sicherheit darin bestehen soll, daß er durch eine ihm von dem ältern Gläubiger zu ertheilende Cession in dessen Recht trete, die Besorgung davon aber gemeiniglich dem Schuldner selbst überlassen wird, so ist genug, daß solche Absicht von Anfang geheget worden, wenn schon nachher die Cession nach bereits geschehener Bezahlung solcher Schuld ausgefertiget worden.

Titel 62 § 2

§ 2. Da die persönlichen Vorzugs-Rechte dem Gläubiger nicht gänzlich zu Statten kommen würden, wenn er nicht auch solche einem andern übertragen könnte, so soll auch solche Übertragung ihre völlige Würkung haben.

Titel 62 § 3

§ 3. Ob gleich sonst die Güte eines cedirten Capitals nicht gewähret wird, so ist doch ein anders zu sagen, wenn diese Übertragung zur Zahlung dienen soll.

Titel 62 § 4

§ 4. Wir sind auch berichtet worden, wie sehr die Meinungen derer Rechts-Lehrer über das von dem Kaiser Anastasius wegen Erhandlung fremder Ansprüche gegebene Gesetz unterschieden sind. Wir wollen nun zuförderst, daß dieses Gesetz nur alsdenn seine Anwendung finde, wenn der Beklagte durch solche Übertragung wegen seiner etwanigen Einreden und Gegen-Forderungen und deren Ausführung mehr beschweret wird.

Titel 62 § 5

§ 5. Wir treten auch denenjenigen Rechts-Lehrern bey, welche bey Anwendung dieses Gesetzes das auf die Forderung zu wenig Bezahlte dem Schuldner selbst lassen.

Titel 62 § 6

§ 6. Es stehet nun auch zwar dem Schuldner frey, von einem solchen Kläger über das mit dem Haupt-Gläubiger bedungene einen Eid zu fordern. Wenn gleichwol von diesem bey der Übertragung das Kauf-Geld angezeiget worden, ist dieses so lange anzunehmen, bis der Beklagte ein anders erweiset. Ist aber eine solche Anzeige nicht vorhanden, so muß der Kläger erweisen, wie hoch er mit dem Haupt-Gläubiger eins geworden.

Titul LXIII. Von Miethe und Verding.

Titel 63 § 1

§ 1. So lange die Hauer-Jahre dauern und die Hauer richtig bezahlet wird, ist der Heuers-Mann dem Verheurer zu weichen nicht schuldig, es wäre denn, daß dieser durch einen nicht vorausgesehenen Fall zu seiner eignen Wohnung das vermiethete Haus unumgänglich selbst bedürfte, welches gleichwol auf Landgüter keinesweges zu erweitern ist, es wäre 8 Ebel denn, daß einer Wittwe ein Sitz anzuweisen oder mehrere Brüder in das Gut sich theilten und für sich mehrere Sitze anlegen wollten.

Titel 63 § 2

§ 2. Ob auch schon dem Verheurer selbst, wenn er das Gut verkaufet, nicht frey stehet, die Hauer aulzukündigen, vielmehr derselbe für den Genuß der vollen Hauer-Jahre haftet, so muß jedoch der Hauers-Mann einen neuen Eigenthümer, wenn er an dem Gut kein dingliches Recht hat, weichen.

Titel 63 § 2

§ 2. Als die Rechts-Lehrer darüber nicht einig sind, wie weit die Miethe eines Wohnhauses für stillschweigend erneuert zu halten sey, wenn der Mieths-Mann nach geendigter Miethzeit länger in der Wohnung bleibet, so nehmen Wir hierunter die Meinung an, daß, wofern nicht eine gewisse Miethzeit durch einen schriftlichen Contract festgesetzet worden, der Mieths-Mann nur für diejenige Zeit hafte, in welcher er die Wohnung noch behalten, wenn aber schriftlich auf gewisse Jahre contrahiret worden, alsdann die Miethe noch auf ein Jahr erneuert sey.

Titel 63 § 4

§ 4. Da die Heuer dem Genuß des Guts gemäß von beyden Theilen bestimmet wird, so ist wegen der Münzsorten allemal auf diejenige zu sehen, welche die Contrahenten bey Schließung des Contracts zum Grunde geleget, wenn schon die Abrede auf die zu jedesmaliger Zahlungs- und Verfall-Zeit gangbare Münze geschehen ist.

Titel 63 § 5

§ 5. Da die Römischen Rechte denen Pächtern öffentlicher Güter nach geendigten Pacht-Jahren ein Näher-Recht zu der Pacht zuschreiben, wenn sie dasselbe Pacht-Geld, was ein ander bietet, geben wollen, so wollen Wir dieses zwar bey Unsern Cammer-Gütern bestätigen. Es kann aber auf die Güter Unsrer Closter-Cammer keine Anwendung finden.

Titel 63 § 6

§ 6. Was die Kaiserlichen Rechte in Ansehung der zu einer gewissen Maaße nach Morgen oder Hufen-Zahl geschehenen Auslobung dem Käufer zu gute verordnen, solches muß auch nach aller Billigkeit in gleichem Fall einem Pächter zu Statten kommen.

Titel 63 § 7

§ 7. Ob schon viele Rechts-Lehrer die in denen neuern Kaiserlichen Rechten dem Verkäufer verliehene Wohlthat in Ansehung einer Verletzung über die Hälfte auch auf einen Pacht-Contract anwenden, ja sogar beyden Theilen zueigen wollen, so müssen Wir jedoch solche Ausdehnung, welche auch nur große Weiterungen veranlasset, gänzlich verwerfen.

Titel 63 § 8

§ 8. Ist von beyden Theilen Abrede genommen, wie es bey Unglücksfällen wegen Erlassung des Pacht-Geldes zu halten, so ist solche schlechterdings zum Grunde zu legen.

Titel 63 § 9

§ 9. Wenn hiebey der Pächter die Unglücks-Fälle übernommen, so wollen zwar, wie Wir berichtet sind, viele Rechts-Lehrer einen Unterschied unter gewöhnlichen und ungewöhnlichen, oder auch höchst ungewöhnlichsten und ganz vorher nicht geglaubten Fällen machen. Da beyde Theile in ganz widriger Absicht auf ein so viel geringers Pachtgeld schließen und auf alle Weise die größten Unglücksfälle erwarten müssen, so halten Wir es sehr unbillig, daß sodann ein in der eigentlichen Abrede gar nicht gegründeter Satz angenommen werde, sondern wollen, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht in solchem Fall erkannt hat, daß des Pächters daher entlehnte Einrede durchaus verworfen werde.

Titel 63 § 10

§ 10. Von dem Fall aber, da unter denen Contrahenten nichts desfalls bestimmt worden, vernehmen Wir, daß es unter denen Rechts-Lehrern ungemein zweifelhaft sey, wie bey Mißwachs und Unglücks-Fällen dem Pächter der Nachlaß zu ertheilen sey. Da die gemeinen, sowol Kaiserlichen als Canonischen Rechte dem Pächter einen Nachlaß zustehen, wenn er einen großen oder unerträglichen Schaden gehabt hat, so finden Wir diejenige Meinung denen Rechten am gemäßesten, nach welcher darauf zu sehen ist, ob mit Einrechnung des Ertrages der übrigen Jahre der Pächter nicht die Halbscheid der Früchte erhalten habe, oder noch demnächst erhalten könne. Es kann auch dahero bey noch fortdauernden Pacht-Jahren der Pächter vor dem Schluß der Pacht keinen Nachlaß vom Pacht-Gelde fordern, ob ihm gleich allerdings erlaubt seyn muß, den Mangel seiner Erhebung und Einnahme zum voraus mit dem Verpächter klar zu machen, mithin künftige Weitläufigkeiten zu verhüten.

Titel 63 § 11

§ 11. Da ferner hierunter bey denen Rechts-Lehrern Zweifel obwaltet, ob auch in Ansehung derer bereits eingeerndteten und nicht mehr auf dem Halm stehenden Früchte bey deren nachherigen Verlust dem Pächter Nachlaß angedeihen müsse, so finden Wir die Meinung, welche auch Unsre Rent-Cammer in dem Unsre Deutschen Länder betroffenen Kriege getroffen hat, der Billigkeit gemäß, daß auch sodann dem Pächter nach gleichem Grundsatz Nachlaß wiederfahre. Wir setzen jedoch hiebey zum voraus, daß dem Pächter keine Schuld beyzumessen stehe, daß er nicht sogleich die eingeerndteten Früchte verkaufet habe, sondern selbige auf größeren Gewinnst liegen lassen. Und es kann also höchstens nur der Schaden des letzten Pacht-Jahres angenommen werden, wenn anders auch dieser mit denen übrigen reichen Jahren nicht bereits vergütet worden.

Titel 63 § 12

§ 12. Da dem Vernehmen nach in Unsern Deutschen Landen es vielfältig so gehalten wird, daß der Vieh-Stapel eines Land-Guts dem Pächter für den ausgefundenen Werth überlassen, nachhero jedoch bey abzutretender Pacht in dem alsdenn befindlichen Zustande erstattet wird, unter denen Rechts-Lehrern aber Zweifel obwalten soll, ob dadurch dem Pächter das Eigenthmn übertragen werde, so treten Wir denenjenigen bey, welche dafür halten, daß das Eigenthum übertragen sey.

Titel 63 § 13

§ 13. Es ist Uns auch vorgetragen, daß desfalls nicht wenig Zweifel sich eräuget, wie der durch die Vieh-Seuche entstandene Schade einem oder dem andern zuzutheilen sey. Wenn Wir erwägen, daß die von dem Pächter geschehene Ubernehmung des Viehes zu beyder Theile gemeinschaftlichem Besten abzwecket, so müssen Wir nach aller Billigkeit festsetzen, daß der Verlust des Viehes unter dem Verpächter und Pächter gleich, jedoch nur in Ansehung der bey dem Antritt der Pacht überkommenen Stück-Zahl, zu theilen sey. Wenn aber der Pächter noch überher wegen vermißter Pacht-Nutzung einen Absatz verlanget, so muß es damit, wie vorhin wegen der Unglücksfälle bestimmt ist, gehalten werden.

Titel 63 § 14

§ 14. Als auch neulicher Zeiten in Unsern Landen verschiedentlich die Frage vorgefallen, wie es mit denen Krieges-Schäden und Kosten zu halten sey, so lassen Wir es zuförderst in Ansehung Unsrer CammerGüter bey denen von Unsrer Rent-Cammer unter dem 26sten May und 8ten Septbr. 1758 festgestellten Maaßregeln, und wollen selbige auch bey denen Gütern Unsrer Kloster-Cammer angewendet wissen.

Titel 63 § 15

§ 15. Diesemnächst setzen Wir wegen der Einquartierung, daß zwar der Miethsmann oder Pächter dasjenige, was dem Soldaten oder Officier ordnungsmäßig zu reichen ist, seinem Verheurer anrechnen kann, nicht aber, was etwa überher gefordert und entrichtet wird, als welches dem Pächter schlechterdings zur Last bleibet. Wie dahin auch Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat.

Titel 63 § 16

§ 16. Wegen der vom Feinde ausgeschriebenen oder geforderten Lieferungen ordnen Wir, daß diese dem Eigenthümer des Guts zur Last fallen.

Titel 63 § 17

§ 17. Was etwa dem Pächter außer den Früchten des letzten Jahres geraubet wird, fällt ihm selbst zur Last. Wie Wir jedoch vorhin die Ubernehmung der Inventarien-Stücke als zu beider Theile Besten gereichend angesehen, so wollen Wir in diesem Betracht auch bey feindlichen oder andern Beraubungen festsetzen, daß der Schade, jedoch nur in Ansehung der bey der Pacht überkommenen Stück-Zahl, getheilet werde. Wie denn auch Unser Cammer-Ausschreiben vom 26sten May 1758 zu erklären ist, daß dem Pächter nur das überher zugezogene nicht zu vergüten sey.

Titel 63 § 18

§ 18. Als auch die Frage vorfallen kann, wie es in Ansehung der öffentlichen etwa neu angelegten Steuern zu halten sey, so ist hierunter darauf zu sehen, ob die Steuer auf das Gut oder die Person gesetzet worden. Erstem Fall betrifft es billig den Eigenthümer, letztem Fall aber, wenn es eine allgemeine persönliche Steuer ist, welche alle Unterthanen drücket, den Pächter.

Titel 63 § 19

§ 19. Bestünde jedoch die auferlegte öffentliche Abgift in Fruchtlieferungen, als wie solche im Jahre 1757 von denen Pächtern gefordert worden, so finden Wir bedenklich dasjenige anzunehmen, was Wir wegen andern nicht vorher gesehenen Abgangs an denen Früchten verordnet haben. Wir erachten vielmehr Unsrer Rent-Cammer geäußerte Meinung überall billig, und wollen solche auf das allgemeine anwenden, daß dem Pächter, wenn er von demselben Jahre keinen solchen Genuß gehabt, wovon er das volle Pachtgeld stehen können, auf solche Ausgabe bis dahin von dem Verpächter Erstattung wiederfahre. Weil jedoch diese Nachrechnung viele Weitläufigkeit erfordert, und Wir auch solche in gerichtlichen Händeln abzuschneiden wünschen müssen, so soll es von dem Pächter abhangen, ob er lieber mit der Hälfte dieses Absatzes sich begnügen oder durch seine Haushalts-Register zeigen wolle, wie viel er in dem Jahre weniger, als das Pachtgeld beträgt, genossen habe.

Titel 63 § 20

§ 20. Ein Mieths-Mann oder Pächter besorget zwar die nöthige Unterhaltung der Gebäude und bekommt wegen derer Kosten Erstattung, muß aber, wenn wenigstens der Eigenthümer nicht abwesend ist, bey HauptReparationen vorher Anfrage thun und den Anschlag einsenden, widrigenfalls kann er solches in Rechnung nicht bringen. Nützliche Verbesserungen aber kann er ohne Anfrage und Genehmigung überall nicht machen.

Titel 63 § 21

§ 21. Wenn der Heuer-Mann mit der Heuer in Nachstand bleibet, so ist ein Unterschied unter öffentlichen und andern Gütern zu machen. Bey den öffentlichen als bey Unsern Cammer-Gütern ist der Nachstand von einem Jahre hinlänglich, die Pacht zurück zu nehmen. Bey andern Verpachtungen aber findet solches nur alsdenn Statt, wenn der Pächter von zwey Jahren hinter einander kein Pachtgeld abgeführet. Es kann auch sodann bis dahin, daß der Eigenthümer das Gut wieder an sich nimmt, der Pacht-Rückstand nachgefordert werden.

Titel 63 § 22

§ 22. Es darf gleichwol der Verpächter den Pächter, wenn dieser nicht in Güte weichen will, mit Gewalt nicht vertreiben, sondern er muß richterliche Hilfe suchen und kann nicht sein eigener Richter seyn.

Titel 63 § 23

§ 23. Da nach der jetzigen Krieges-Zucht der gesitteten Völker ein Pächter, auch andrer Heuersmann, für seine Person nichts zu besorgen, hat, so mögen Wir es auch nicht für erlaubet halten, daß derselbe bey annäherndem Feinde sich entferne, und eben dadurch zugleich den Verpächter in einem durch solche Abwesenheit entstehenden unvermeidliehen großen Schaden bringe. Viel weniger kann er dahero die Pacht vor der Zeit aufsagen.

Titel 63 § 24

§ 24. Wegen der Dienstboten bleibt es bey der von Unsers Herrn Großvaters Maj. am 17./28. Martii 1732 erlassenen Verordnung.

Titel 63 § 25

§ 25. Wann nun in derselben unter andern § 22 versehen ist, daß, wenn ein Herr sein Gesinde vor gänzlichem Ablauf der Dienstzeit ohne erhebliche Ursache abschaffe, er selbigem den vollen Lohn wegen der rückständigen Zeit zu geben schuldig seyn solle, daselbst aber vom Kostgelde nichts erwähnet ist, Unser Ober-Appellations-Gericht gleichwol solches bis dahero auch von diesem Kostgelde erkläret hat, so lassen Wir es zwar bey solcher angenommenen Erklärung. Da es jedoch insonderheit denen Dienst-Mägden in Städten nicht schwer fallen kann, ihr Brodt durch ihrer Hände Arbeit zu verdienen, so muß in solchem Fall darauf mit gesehen werden, und ist sodann das Kostgeld über vier Wochen nicht zu erstrecken. Auch höret sowol Lohn als Kostgeld auf, sobald der Dienstbote Gelegenheit bekömmt, anderswo wieder in Dienst zu treten.

Titel 63 § 26

§ 26. Als es auch der Billigkeit gemäß ist, daß denen Dienstboten, wenn sie heyrathen, zu aller Zeit erlaubt sey aus ihres Herren Dienst zu treten, überdem, wie Uns hinterbracht worden, dieses zugleich in dem Herkommen beruhet, so lassen Wir es hiebey bewenden, verordnen auch ein Gleiches, wenn der Dienstbote auf andre Weise sein Glück machen könnte. Doch gebühret in allen solchen Fällen ihm an Lohn nicht mehr, als er würklich verdient hat.

Titel 63 § 27

§ 27. Da unter denen Rechts-Lehrern gezweifelt wird, ob ein Dienstbote seinen vollen Lohn fordern könne, wenn er Krankheit halber verhindert werde seinen Dienst zu leisten und fortzusetzen, und denn dieses in denen Städte-Gesetzen Nieder-Deutschlands, wenn nicht der Dienstbote das Übel außer Dienst muthwillich sich zugezogen, wie Wir vernehmen, fast durchgehends verordnet ist, mithin in einer gewissen alten Gewohnheit beruhet, Wir auch solches billig halten, so sollen Unsre Gerichte in vorkommenden Fällen darnach erkennen.

Titel 63 § 28

§ 28. Wir erklären dieses zugleich dahin, daß, wenn der Herr den kranken Diener bis zur Endigung der Dienstzeit nicht im Hause behalten will, er zugleich bis dahin für dessen freye Beköstigung und Aufenthalt sorgen müsse.

Titel 63 § 29

§ 29. Als auch weiter bey denen Rechts-Lehrern gefraget wird, ob oder in wiefern der Herr während der Dienstzeit die Arzt-Kosten trage, so wollen Wir, daß dieses dem Herrn, welcher ohnehin mit Beschwerlichkeit den Dienst so lange entbehren muß, nicht anzumuthen sey, sondern wenn der Diener die Kosten mit seinem Lohn oder sonst aus seinem Vermögen nicht bestreiten kann, diejenigen zutreten, welchen die Versorgung der Armen des Orts oblieget.

Titel 63 § 30

§ 30. Obigem gemäß ist der kranke Bediente auch nicht schuldig, jemand an seinem Platz zu stellen.

Titel 63 § 31

§ 31. Wenn der Dienstherr mit Tode abgegangen, so halten Wir es unbillig zu seyn, das Gesinde sogleich zu verstoßen, und ihren Lohn nur bis auf des Herrn Absterben zu rechnen. Da in Unsrer Dienstboten-Ordnung gewisse Zeiten zur Aufkündigung des Diensts bestimmt sind, als Ostern, Johannis, Michaelis und Weyhnachten, mithin ein Dienstbote außer solcher Zeit nicht leicht wieder ankommen wird, so achten Wir es der Billigkeit gemäß, daß ihm nicht allein von dem Viertel-Jahr, darin der Herr gestorben, sondern auch von dem nächstfolgenden, Lohn und Kostgeld, jedoch letzteres nur, wenn er nicht sonst seine Kost verdienen kann, gereichet werde.

Titel 63 § 32

§ 32. Fände jedoch der Dienstbote Gelegenheit, eher wieder in Dienst zu kommen, so höret von solcher Zeit an, da er in neuen Dienst tritt, das vorige Lohn- und Kostgeld auf.

Titel 63 § 33

§ 33. Stirbet aber der Dienstbote, so können dessen Erben den Lohn nicht weiter als bis an desselben Tod fordern. Von dem etwa zu viel bereits gehobenen geben sie gleichwol nichts wieder heraus.

Titel 63 § 34

§ 34. Hat jemand eine Arbeit in Verding genommen, selbige aber nicht nach der vorgeschriebenen Form zu Stande gebracht, so muß es von dem Herrn abhängen, ob er die Arbeit behalten will, und ist sodann durch Werks-Verständige zu beurtheilen, wie viel weniger es werth sey.

Titul LXIV. Von Pfand- und Wiederkaufs-Rechten.

Titel 64 § 1

§ 1. Nachdemmalen die öffentlichen Hypotheken denen Privat-Hypotheken um deßwillen vorgezogen werden, weil sie nicht unbekannt geblieben, mithin andre Gläubiger ihre Maßregeln darnach nehmen, und ihren besorglichen Schaden abwenden können, diese Absicht aber durch die vor Notarien und Zeugen errichtete Hypotheken nicht gnugsam erreichet wird, und dahero, weil selbige insgemein in Geheim auch alsdann erst, wenn der Schuldner keinen Credit mehr finden kann, bestellet werden, Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. bereits durch eine Verordnung vom 15./26. December 1741 in denen Herzogthümern Bremen und Verden diese denen privat Hypotheken gleich gesetzet haben, also wollen Wir solches hiedurch auf Unsere sämmtliche deutsche Lande erstrecken, daß alle nach der Publication dieses Unsers Gesetz-Buchs vor Notarien und Zeugen errichtete Hypotheken denen privat Hypotheken gleich seyn und vor denselben keinen Vorzug haben, die vorher bestellten aber nur noch auf ein Jahr vor selbigen den Vorzug behalten, jedoch denen gerichtlichen keinesweges gleich gesetzet werden sollen, da ein solcher Vorzug ohnehin in denen beschriebenen Rechten keinen hinlänglichen Grund findet.

Titel 64 § 2

§ 2. Die bereits eingeklagten, vor Notarien und Zeugen errichteten Hypotheken bleiben zwar in ihrem vorigen Werth, jedoch daß sie gleichfalls allen gerichtlichen nachstehen. Und ein gleiches verstehet sich auch von denenjenigen Verschreibungen, welche binnen einem Jahre nach Bekanntmachung dieses Gesetzbuchs eingeklaget werden.

Titel 64 § 3

§ 3. Ob Wir nun aber wol denen bereits eingeklagten oder ferner binnen Jahres-Frist einzuklagenden Notariat-Hypotheken den Vorgang vor privat Pfand-Verschreibungen annoch lassen, so müssen sie jedoch so beschaffen seyn, daß bey der Vollziehung denen Zeugen zugleich die Schuld, und daß dafür eine General- oder Special-Hypothek bestellet sey, eröffnet worden, und dieses aus dem Instrument oder Protokoll des Notarii erhelle.

Titel 64 § 4

§ 4. Wie aber auch in einem Lande nichts für öffentlich oder auch gleichsam öffentlich gehalten werden kann, wovon nicht vermuthet werden mag, daß es in demselben Lande und Orte bekannt werden können, also sollen Hypotheken vor Notarien und Zeugen, welche außerhalb des Fürstenthums, Grafschaft, Landes und Orts, wo der Schuldner wohnet, oder, wenn es unbewegliche Güter betrifft, wo diese gelegen sind, ausgestelltworden, keinesweges für gleichsam öffentlich angesehen werden.

Titel 64 § 5

§ 5. Was die sonst blos vor 3 Zeugen bestellte Hypotheken anlanget, so können Wir denselben noch weniger Gunst ertheilen, sondern sie sollen auch in der vorbemeldten Jahreszeit, und weiter nicht, blos denen PrivatHypotheken Vorgehen. Es soll jedoch auch alsdann die bloße Unterschrift dreyer Zeugen, wenn sie sich schon als dazu requirirte Zeugen unterschrieben, keine gleichsam öffentliche Hypothek zuwege bringen, wenn nicht sowohl in der Verschreibung selbst enthalten, daß mittelst Zuziehung dreyer Zeugen eine gleichsam öffentliche Hypothek bestellet werden solle, als auch diese Zeugen, oder wenn deren einer verstorben, wenigstens zwey derselben eydlich erhärten, daß bey der Unterschrift sämmtliche drey Zeugen zugleich zugegen gewesen, daß ihnen eröffnet worden, daß in der Verschreibung eine Hypothek für den zugleich zu eröffnenden Anspruch gesetzet worden, und daß diese dadurch für gleichsam öffentlich angesehen werden solle, und daß solches alles an demselben Tage, worauf die Obligation datiret ist, geschehen sey.

Titel 64 § 6

§ 6. Wenn gleidvwol bey solchen vor Notarien und Zeugen oder auch drey Zeugen ausgestellten Hypotheken an Seiten des Gläubigers eine Gefährde erscheinet, daß er nämlich zum Nachtheil andrer ihm bewußten ältern Gläubiger dergleichen bewürket, so soll es gleichwol nimmer für eine öffentliche oder gleichsam öffentliche Hypothek angesehen werden.

Titel 64 § 7

§ 7. Was aber auch die gerichtlichen Hypotheken betrifft, so ist Uns vorgetragen, daß ehedem alle Veränderungen der Güter, wenn sie als öffentlich geschehen angesehen werden sollen, bey derjenigen Obrigkeit, welche davon die Schatzung eingenommen, geschehen müssen. Ob wir nun zwar schon, weil es dem Vernehmen nach so hergebracht und unverfänglich ist, bey Testamenten und Schenkungen eine jede Obrigkeit zulassen, so mögen Wir doch solches bey gerichtlichen Hypotheken so schlechterdings nicht gestatten. Wir ordnen und wollen demnach, daß alle öffentlichen und gerichtlichen Hypotheken vor demjenigen Gericht, worunter die verpfändeten Güter belegen seyn, bestellet werden sollen.

Titel 64 § 8

§ 8. Hätte auch der Schuldner keine liegende Gründe, und stellte eine Verschreibung unter allgemeiner Verpfändung seiner Güter aus, so muß selbige, wenn sie für öffentlich gehalten werden soll, vor der Obrigkeit, welcher die Person des Schuldners unterworfen ist, ausgestellet werden.

Titel 64 § 9

§ 9. Wären aber des Schuldners unbewegliche Güter unter verschiedenen Gebieten belegen, und es sollten alle Güter zum Verband gesetzet werden, so soll die öffentliche Verpfändung vor demjenigen hohem Gerichte, worunter die sämmtlichen unbeweglichen Stücke belegen, geschehen.

Titel 64 § 10

§ 10. Sind gleichwol des Schuldners Güter in verschiedenen, theils auswärtigen Landes-herrlichen Gebieten belegen, so ist es zu einer öffentlichen Hypothek in Ansehung der in Unsern Landen belegenen Stücke allerdings genug, wenn dieselbe in den hiesigen Gerichten gehörigen Orts bestellet wird.

Titel 64 § 11

§ 11. Als Wir auch solche öffentliche Hypotheken Unsern Unterthanen sehr heilsam halten, mithin Unsre gnädigste Absicht ist, solche auf alle Weise zu befördern, Uns gleichwohl zugleich vorgetragen ist, daß über die Art und Weise, wie selbige gültig zu errichten, nicht wenige Zweifel vorfallen, so setzen Wir, daß es genug sey, wenn durch den Schuldner die Eintragung in das Ingrossations-Buch, als welches eine jede Obrigkeit halten muß, bewürket, und von dem Actuario, daß es an solchem Tage würklich geschehen, unter der Obligation bezeuget, und solchergestalt dieselbe dem Gläubiger eingehändiget worden. Alle übrigen Formalitäten, welche auch der so nöthigen Beförderung in Credit-Sachen höchst nachtheilig sind, fallen also weg. Es kann jedoch die Ingrossirung auch von dem Gläubiger selbst und allein besorget werden, wenn es ihm in der Obligation oder sonst von dem Schuldner erlaubet worden. Wobey Wir dann in Ansehung derer etwa noch nicht in die GerichtsBücher eingetragenen gerichtlichen Hypotheken denen Gläubigern zu solchem Ende ein Jahr nach Bekanntmachung dieses Unsers Gesetzbuchs Zeit lassen, nach dessen Verlauf sie als bloße privat Hypotheken angesehen werden sollen.

Titel 64 § 12

§ 12. Wenn auch die Obrigkeit dabey des Ausdrucks von Confirmation oder Bestätigung sich bedienet, so kann dieses, wie es wol vermeinet werden wollen, das Wesen einer öffentlichen Hypothek nicht abändern.

Titel 64 § 13

§ 13. Es ist Uns auch in Ansehung derer wegen der Stadtpflichtigen Güter ergangenen Verordnungen vorgetragen, daß dafür gehalten werden wolle, als ob die dabey erforderte Anzeige und Eintragung in das Catastrum keine öffentliche Hypothek würken solle. Wovon, wie Uns berichtet worden, der Zweifel auch darin mit bestanden, daß die das Catastrum führende Obrigkeit verschiedentlich über solche Stücke keine Gerichtsbarkeit habe. Wie aber gleichwol allemal hiebey eine öffentliche, zu jedermanns Nachricht dienende Anzeige geschiehet, und dahero nicht abzusehen ist, warum nicht schon um deswillen solches für eine öffentliche Hypothek angesehen werden solle, so wollen Wir solche Landes-Ordnungen dahin erklären, daß sie, wenn die Anzeige auch nur von dem Gläubiger mit des Schuldners gutem Willen geschiehet, für öffentliche Hypotheken, welche allen Privat-Pfand-Verschreibungen Vorgehen, gehalten werden sollen.

Titel 64 § 14

§ 14. Bergtheile können nirgend anders als vor dem Berg-Gericht verpfändet werden.

Titel 64 § 15

§ 15. Wir sind auch berichtet, daß die Rechts-Lehrer darin nicht einerley Meinung sind, ob die stillschweigenden gesetzlichen Hypotheken denen öffentlichen gleich zu setzen seyn. Wir treten aber denenjenigen bey, welche solches verneinen und ihnen keine größere Kraft als denen Privat-Hypotheken zuschreiben.

Titel 64 § 16

§ 16. Wir können auch die Meinung derjenigen nicht billigen, welche eine privat Hypothek, nachdem erst bey erhobener Klage die Obligation ins Gericht gebracht und von dem Schuldner für seine Hand und Siegel anerkannt worden, dadurch für eine öffentliche und gerichtliche halten wollen.

Titel 64 § 17

§ 17. Ein in den würklichen Besitz seines Schuldners Güter von dem Richter gesetzter Gläubiger erhält, wenn auch sonst mit der Forderung kein dingliches Recht verknüpfet wäre, durch die geschehene Immission, anders aber nicht, ein gerichtliches Pfand-Recht, welches dem öffentlichen gleich gehet. Gestalten denn die bloße Erklärung des Gläubigers, daß er den Schuldner für einen eingewiesenen Gläubiger halten wolle, in dieser Absicht nicht hinreichend ist.

Titel 64 § 18

§ 18. Sind auch zu Vollstreckung richterlicher Aussprüche bewegliche Sachen bereits würklich ausgepfandet, so entstehet dadurch an solchen Sachen ein gerichtliches Pfand-Recht. Wenn jedoch, wie zuweilen geschiehet, auch der Schuldner selbst, es sey zur Gnugthuung oder Hemmung der Execution, dem Gerichte Pfände einliefert, so entstehet darob ein gleichmäßiges gerichtliches Pfand-Recht.

Titel 64 § 19

§ 19. Obgleich sonst bey Darlehen die Hypothek erst von Zeit der geschehenen Zahlung, und nicht von der Zeit der zum voraus verschriebenen Hypothek anhebet, so ist doch ein anders zu sagen, wenn entweder der Schuldner das Darlehn anzunehmen, oder der Gläubiger es herzugeben verpflichtet gewesen, und solchen Falls eine Hypothek zum voraus bestellet worden.

Titel 64 § 20

§ 20. Wenn ein Mit-Erbe seinen Theil der Erbschaft seinem Mit-Erben gegen ein gewisses bedungenes Geld abtritt, das Geld aber dem MitErben auf Zinsen lässet, so hat es zwar, wenn dafür an der Erbschaft eine Hypothek Vorbehalten worden, bey denen Rechtslehrern keinen Zweifel, daß dergleichen Erb-Geld an derselben Erbschaft allen des MitErben Schulden vorgehe, ob schon der Mit-Erbe, wenn er creditiret, ein Mit-Eigenthum nicht behalten hat. Es soll aber auch, wenn das Geld entweder ganz oder zum Theil im Gute stehengeblieben, nach der Absicht beider Theile jederzeit so angesehen werden, als ob der abtretende Mit-Erbe eine solche Hypothek sich Vorbehalten habe. Nur muß jedoch, wenn dem einen Erben der Besitz allein überlassen wird, der übrigen Erben Forderung gehörigen Orts gerichtlich angezeiget werden, damit nicht unschuldige künftige Gläubiger dadurch in Schaden und Nachtheil gebracht werden, maßen andergestalt nicht einst eine privat Hypothek anzunehmen ist.

Titel 64 § 21

§ 21. Ein gleiches ist anzunehmen, wenn ein Verkäufer wegen des Kaufgeldes sich das Eigenthum oder eine Hypothek an der verkauften Sache vorbehält.

Titel 64 § 22

§ 22. Da auch die außerhalb der Familie verholen gehaltene Familien-Fideicommisse veranlassen, daß viele dem Besitzer eines Guts mit völliger Zuversicht Geld anvertrauen, und nachhero dabey in Schaden kommen, so müssen Wir aus gleichem Grunde wie bey den Erb-Geldern auch hier festsetzten, daß solche Familien-Fideicomisse, wenn sie nicht öffentlieh und gerichtlich angezeiget sind, weder ein Mit-Eigenthum, noch einst eine Hypothek, wenn sie schon verschrieben, geben sollen.

Titel 64 § 23

§ 23. Nachdemmalen Wir auch die Meinung der Billigkeit gemäß finden, ob sie schon aus denen gemeinen Rechten bezweifelt wird, daß die auf des Schuldners letzte Krankheit verwandte Kosten gleich denen Begräbniß-Kosten sogleich voran abgenommen werden, wie dann, wann hierunter keine völlige Sicherung eintreten sollte, dem Schuldner auf dem Tod-Bette alle Hülfe versaget werden könnte, so sollen Unsre Gerichte dieses befolgen.

Titel 64 § 24

§ 24. Da Wir auch vernehmen, daß es mit der heutigen Art zu trauren eine ganz andere Beschaffenheit als mit der Römischen habe, so treten Wir denenjenigen Rechtslehrern bey, welche auch die Trauer-Kosten der Eheleute und Kinder, jedoch nur der ersten tiefen Trauer, unter die Kosten der Leichen-Begängniß rechnen, und denen übrigen Gläubigern vorsetzen.

Titel 64 § 25

§ 25. Da in Unsern deutschen Gerichten hergebracht ist, daß Diener-Lohn, worunter auch das demselben versprochene Kostgeld gehöret, unter die ersten und vorzüglichste Schulden gesetzet wird, so soll es dabey sein Bewenden haben.

Titel 64 § 26

§ 26. Es soll auch keinen Unterschied geben, ob der Diener im Hause des Schuldners, oder außer demselben etwa für einen gewissen jährlichen Gehalt gedienet, ob er nur von einem oder von mehrern Jahren den Lohn zu fordern habe, ob er bey Absterben des Schuldners oder bey entstandenem Concurs in dessen Diensten noch gestanden oder nicht. Auch soll er dieses Vorzugs-Recht nicht verlieren, wenn ihm schon der Herr den Lohn verzinset, ja wol gar eine Verschreibung darauf gegeben hätte. Denen Erben des Liedlöhners kann jedoch weder ein Vorzugs-Recht noch einst eine stillschweigende Hypothek angedeyen.

Titel 64 § 27

§ 27. Die auf den Gütern haftende Onera haben zwar ein stillschweigendes Unterpfands-Recht an dem Gute von der Zeit, da sie fällig, ein Vorzugs-Recht aber nur die von zwey Jahren rückständige, es wäre denn, daß darüber bereits geklaget worden. Den allenfalls darob entstehenden Verlust haben die säumigen Cassen-Vorsteher zu tragen.

Titel 64 § 28

§ 28. Das dem Brautschatz beygelegte vorzügliche Recht gehet zwar auf die leiblichen Kinder fort, nicht aber auf Eltern, Geschwister oder andre Erben.

Titel 64 § 29

§ 29. Das stillschweigende Unterpfand, welches die Gesetze in des Miethsmanns eingebrachten Sachen geben, findet nur bey denen sogenannten Stadt-Gütern oder Wohnhäusern Platz; und wenn der erste Miethsmann einen After-Miethsmann gesetzet, so haften dessen eingebrachte Sachen zugleich dem ersten Vermiether, jedoch nur so hoch es an den zweyten wieder vermiethet worden.

Titel 64 § 30

§ 30. Als auch einst die Frage vorgefallen, ob dem Cron- und ChurPrinzen in den Gütern seines bestellten Verwalters ein gleiches stillschweigendes Unterpfands-Recht vom Tage der übernommenen Verwaltung, wie dem regierenden Herrn zustehe, oder solches sich erst mit dem Antritt der Regierung anhebe, gleichwol der L. 6 § 1 ff. de jure fisci alle dem Fisco zustehende Vor-Rechte auch des Caesars oder bestimmten Thron-Folgers und der regierenden Kaiserin Casse beyleget, so haben Unsre Gerichte dieses in künftigen Fällen zu beobachten.

Titel 64 § 31

§ 31. Gerichtlich bestellter Pfleger Vermögen haftet zwar, so fern die unbeweglichen Grundstücke unter demselben Gerichte belegen sind, denen Unmündigen auch zu einem öffentlichen und gerichtlichen Unterpfande. Es soll auch eben dieses bey denen von der Obrigkeit verordnten Pflegern derer Personen, welche in denen Rechten den Unmündigen gleich gehalten werden, Statt haben, folglich auch bey denen obrigkeitlich bestellten Vorstehern und Verwaltern der Städte-Güter und milden Stiftungen eintreten. Ist jedoch keine Bestellung oder Bestätigung von der Obrigkeit geschehen, so bleibet es, damit nicht diejenigen, welche ihr Geld gegen öffentliche Sicherheit herleihen, unwissend dadurch verkürzet werden, bey dem in denen gemeinen Rechten verliehenen stillschweigenden Pfand-Recht der Unmündigen, welches zu Verhütung alles Zweifels Wir ausdrücklich auch allen übrigen zueignen, welche denen Unmündigen gleich gesetzet werden. Auch haftet dieses stillschweigende Pfand-Recht auf den Gütern dererjenigen, welche die Stelle eines Pflegers vertreten haben. Wir stimmen übrigens hiebey denenjenigen Rechts-Gelehrten bey, welche derer vorgedachten Personen Pfand-Recht auch auf deren Erben übergehen lassen.

Titel 64 § 32

§ 32. Wann hingegen verschiedene Rechts-Lehrer denen milden Stiftungen nach dem Beyspiel des Fiscus auch in denen Gütern ihrer Schuldner überhaupt ein stillschweigendes Unterpfands-Recht beyzulegen, Unser Oberappellations-Gericht aber dieses schon verworfen hat, so wollen Wir demselben hierunter beytreten.

Titel 64 § 33

§ 33. Ob auch schon die milden Stiftungen in Ansehung des ihnen vermachten, gleich andern Legatarien, in den Gütern des Erblassers eine stillschweigende Hypothek haben, so können Wir ihnen jedoch, wie die Rechts-Lehrer von der allgemeinen Gewohnheit Deutschlands ohne Beweis bezeugen wollen, ein Vorzugs-Recht nicht beylegen, ob Wir schon wünschen, daß die jetzige Zeiten denen vorigen gleich auf fromme Stiftungen denken mögen.

Titel 64 § 34

§ 34. Es ist Uns ferner vorgetragen, daß auch darin nicht einerley Meinung geheget werde, ob das Vorzugs-Recht, welches die Gesetze demjenigen, welcher zu Wiederherstellung eines Gebäudes in Städten Geld hergeliehen, auch alsdann eintrete, wenn an Statt des alten ein ganz neues Gebäude aufgeführet worden. Wann gleichwol der Grund dieses Verzugs-Rechts in dem für das gemeine Wesen daraus entspringenden Nutzen bestehet, so soll es allerdings auch in diesem Falle Platz ergreifen.

Titel 64 § 35

§ 35. Da auch mit Recht dafür gehalten wird, daß eben dieses VerzugsRecht auch demjenigen angedeihen müsse, welcher zum Bau zwar nicht baares Geld, jedoch Materialien hergegeben, Unser OberappellationsGericht daher dieses auch denen Arbeits-Leuten wegen ihres dabey verdienten Lohns zugeeignet hat, so wollen Wir auch solches hiedurch bestätigen.

Titel 64 § 36

§ 36. Nachdemmalen denen Gerichts-Procuratoribus nicht allein in denen durch Unsre Ordnungen vorgeschriebenen Vollmachten wegen ihrer Schadloshaltung, worunter sowol ihre baare Auslagen, als ihre übrige Gebühr zu verstehen, eine Hypothek zu verschreiben ist, sondern ihnen auch sonst wegen ihres Vorschusses billig vorzüglich zu helfen ist, da sie zu Beförderung der gerichtlichen Sachen dazu genöthiget werden, und selbst die Verfassung Unsrer Gerichte darunter leiden würde, so sollen sie zwar in Ansehung ihrer Bemühungen nur eine privat-Hypothek von dem Tage, da sie die Sachen übernommen, behalten, wegen ihrer baaren Auslagen jedoch ein vorzügliches Recht vor allen und jeden Gläubigern haben.

Titel 64 § 37

§ 37. Der rückständige Meyer-Zins hat billig die Rechte von einem Erben-Zins.

Titel 64 § 38

§ 38. Als wegen Unsrer Regiments-Cassen Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. unterm 21sten August 1732 und 3. Aug./l. Sept. 1733 verordnet haben, daß nämlich dieselben in den Gütern dererjenigen, welchen sie anvertrauet gewesen, wie auch in Ansehung des gethanen Vorschusses in den Gütern den Mondirungs-Lieferanten den Vorzug des debiti primi pilaris genießen sollen, so wollen Wir solches hiedurch bestätigen.

Titel 64 § 39

§ 39. Die denen Vermächtnissen beygelegte gesetzliche Hypothek in den Gütern des Testirers stehet allen desselben Schulden nach.

Titel 64 § 40

§ 40. Wem das Lehn mit des Lehnsherrn und der Lehns-Vettern Einwilligung verschrieben ist, dem haftet die Substanz des Lehns, und er gehet dahero sowol am Lehn selbst, als dessen Aufkünften allen andern Gläubigern vor. Es können gleichwol die übrigen Gläubiger an die etwa dabey befindliche Erb-Stücke besonders sich halten.

Titel 64 § 41

§ 41. Da es gleichwol Schwürigkeiten finden kann, den ganzen Umfang des Lehns sofort auszumachen, so soll jedennoch eine solche vom Lehnsherrn verwilligte Hypothek, welche aus dem Lehns-Archiv einem jeden bekannt werden können, für öffentlich angesehen werden.

Titel 64 § 42

§ 42. Wie auch bey Nachsuchung und Ertheilung der Lehnsherrlichen Einwilligung die Absicht dahin gehet, daß der Gläubiger durch das Lehn gesichert werde, also ist zwar der Schuldner verbunden, das Lehn, so viel möglich, hinwiederum zu befreyen, der Gläubiger aber kann sich schlechterdings an das Lehn halten, und hat nicht nöthig, das übrige Vermögen seines Schuldners vorher anzugreifen.

Titel 64 § 43

§ 43. Ist auch die Lehnsherrliche Einwilligung nur auf gewisse Jahre ertheilet, es hätte aber der Gläubiger noch vor Ablauf dieser Zeit geklaget, so haftet alsdenn das Lehn ferner bis zur Zahlung, ohne daß es einer Erneuerung jener Einwilligung bedarf.

Titel 64 § 44

§ 44. Da die gemeinen beschriebenen Rechte auch ein Unterpfand an einer fremden Sache, wenn der Eigenthümer in die Verpfändung gewilliget, schlechterdings für gültig erklären, so müssen Wir auch die dem Credit-Wesen ohnehin so schädliche Meinung derjenigen neuern Rechtslehrer verwerfen, welche dafür halten wollen, als ob bey erfolgter Einwilligung der Lehns-Vettern, ja wol gar des Lehnsherrn, der Gläubiger zuvor aus dem Erbe seine Befriedigung zu suchen habe, und alsdenn erst, wenn dieses nicht hinreichend, das Lehn angreifen und zugleich an den Lehnfolger sich halten möge. Wir lassen es vielmehr bey den gemeinen Rechten, daß eine solche Hypothek schlechterdings bestehe, und der Gläubiger durchaus an das Lehn, jedoch was die Substanz anlanget, alsdann wenn zugleich Lehnsherrlicher Consens vorhanden, sich halten möge. Es bleibet jedoch denen Lehns-Vettern unbenommen, wenn es eine allodial-Schuld ist, wegen der Wiedererstattung an dem Erbe sich zu erholen.

Titel 64 § 45

§ 45. Als auch gezweifelt werden wollen, ob ein Lehns-Vetter aus seiner bloßen Unterschrift auf den Fall, daß ihm das Lehn angefallen, hafte, so wollen Wir, daß dieses allerdings für eine Einwilligung gehalten werde, auch die Erben desfalls haften.

Titel 64 § 46

§ 46. Wenn ein Lehns-Vetter zu Ergänzung oder Verbesserung des Lehns überhaupt eine Summe Geldes aufzunehmen gewilliget hat, so ist der Gläubiger, der hierauf sein Geld zu solchem Ende auf Verlangen des Schuldners und Vasallen hergegeben, den Beweis, daß es dazu angewandt worden, zu führen nicht schuldig, sondern die Lehn-Folger haften schlechterdings.

Titel 64 § 47

§ 47. Hätten auch die Vettern zu einem gewissen Behuf eine Summe Geldes aufzunehmen ihre Einwilligung ertheilet, das Geld wäre aber schon, auch lange vorher, aufgenommen gewesen, so müssen sie als Lehnfolger doch haften.

Titel 64 § 48

§ 48. Hat der Vater als Agnat in das Auflehn gewilliget, das Lehn fiele aber darauf nicht ihm, sondern dem Sohn an, so muß der Sohn als seines Vaters Erbe doch die Erstattung aus dem Lehn zugeben.

Titel 64 § 49

§ 49. Juden-Hypotheken, welche in ihren Schulen und Synagogen mittelst eines sogenannten Stahrs errichtet werden, sind für öffentliche nicht zu halten.

Titel 64 § 50

§ 50. Ob wol nach denen gemeinen Rechten die Zinsen ein gleiches Recht mit dem Hauptstuhl genießen, mithin Zinsen aus einer ältern Pfand-Verschreibung auch dem Hauptstuhl aus einer jüngern Vorgehen, so ist jedoch in Unsern Herzogthümern Calenberg und Grubenhagen und der Ober-Grafschaft Hoya von weil. Unsers Herrn Elter-Vaters Gnaden verordnet worden, daß in Concursen alle Zinsen denen Hauptstühlen, sowohl jüngerer Pfand-Verschreibungen als schlechter Handschriften, nachgehen, und alsdann erst, wenn alle Haupt-Stühle abgetragen, in gleicher Ordnung eintreten. Wir wollen es nun zwar vor der Hand bey solcher Verordnung lassen, selbige jedoch auf bloße Privat-Verschreibungen einschränken, hingegen alle öffentlichen und gesetzlichen Hypotheken davon ausschließen.

Titel 64 § 51

§ 51. Da jedoch die vorgehende Gläubiger durch die lange Nachsicht der Zinsen an dem großem Verfall des Schuldners und der Verkürzung der folgenden Schuld sind, so wollen Wir, wie auch Unsers in Gott ruhenden Großherrn Vaters Maj. in denen Herzogthümern Bremen und Verden bereits verordnet, bey entstehendem Concurs nur 3 Jahre nachständiger Zinsen neben dem Hauptstuhl stehen lassen. Der übrige Nachstand aber soll unter die chirographische Schulden gesetzet werden. Gestalten denn auch, wenn etwa Unmündige darunter leiden sollten, diese desfalls sich bloß und allein an ihren Vormund zu halten haben.

Titel 64 § 52

§ 52. Wenn schon von dem Haupt-Stuhl keine Zinsen versprochen sind, so haftet dennoch das Pfand auch für die Zinsen des Verzugs.

Titel 64 § 53

§ 53. Wenn bey einem durch eine Urthel mehrern Vorgesetzten Gläubiger nicht die nächstfolgenden, weil diese vielleicht glauben, daß sie ohnehin ihre Bezahlung erlangen werden, sondern ein nach ihnen folgender appelliret und ein obsiegliches Erkenntniß dahin erhält, daß der erste an dem Orte nicht bestehen bleibe, so kann es keinesweges dahin angesehen werden, daß dieser obsiegende Theil zugleich denen übrigen ihm Vorgesetzten Gläubigern vorgehe, wenn er nicht auch gegen diese ein Vorzugs-Recht ausgemache t hat.

Titel 64 § 54

§ 54. Wenn ein unbewegliches Gut einem Gläubiger solchergestalt zu Pfand Recht eingethan wird, daß er davon die Nutzungen an Statt der Zinsen genießen solle, und der Gläubiger hätte durch Verpachtungen würklich ein mehrers als rechtmäßige Zinsen genossen, so muß er solchen Überschuß billig auf den Haupt-Stuhl abrechnen.

Titel 64 § 55

§ 55. Genießet aber ein Gläubiger ein Frucht tragendes Gut selber, so ist ihm, wenn er es gleich zwischendurch verpachtet hätte, keine Nachrechnung zu machen, weil auch alsdann, wenn der Ertrag in einen gemäßigten Pacht-Anschlag gebracht werden kann, dennoch dem Gläubiger wegen der Unglücksfälle, welche sich leider seit verschiedenen Jahren bey Land-Gütern auch in Unsern Deutschen Landen gehäutet, und noch immer sich zu häufen fortfahren, keine Vergütung gleich einem Pächter angedeihet, auch nicht wol abzusehen ist, wie zur Zeit des Versatzes, als worauf es allein ankommt, bey dem Anschläge auf solche nicht erwartete und entfernte Fälle mit gesehen werden könne. Wir nehmen also bey dem Streit der Rechtslehrer diese Meinung um so lieber an, als die Erfahrung in Unsern Gerichten ergeben hat, mit wie vielen oft kaum zu entwickelnden Schwürigkeiten und Beschwerden dergleichen Liquidations-Sachen verknüpfet sind, überdem dem Gläuber, als gegen die Absicht des ganzen Geschäfts laufend, nicht angemuthet werden mögen, auf Rechnungen sich zu schicken, dem Schuldner hingegen allemal frey gestanden, das Gut wieder einzulösen. Nur nehmen Wir hier den einzigen Fall aus, wenn von Seiten des Schuldners gezeiget werden könnte, daß er oder seine Vorfahren zur Zeit des Versatzes würklich über die Hälfte verletzet worden, und der Anschlag so geschehen, daß der Gläubiger ordentlicher Weise 5 fürs hundert genießen sollen.

Titel 64 § 56

§ 56. Wir wollen übrigens auch, daß dieses allemal eintreten solle, wenn schon die Abrede, das Pfand gegen die Zinsen zu genießen, nicht ausdrücklich geschehen, der Schuldner jedoch gleich bey der Aufnahme des Hauptstuhls dem Gläubiger das Gut zum Genüße übergeben, ohne weitere Abrede dabey zu nehmen, weil nicht anders zu vermuthen, als daß die Absicht dahin gegangen, am wenigsten aber geglaubet werden kann, daß der Gläubiger mit einer Berechnung sich habe beschweren wollen.

Titel 64 § 57

§ 57. Ein Pfands-Inhaber übet alle Rechte des Eigenthümers aus, und ist also nicht allein befuget, sondern auch schuldig, die Gerechtsame des des Guts zu bewahren. Wie also dem Eigenthümer zu Statten kommt, was selbiger durch Klagen ausgeführet, also fällt hingegen auch, was gegen denselben erkannt worden, dem Eigenthümer zur Last, und 9 Ebel kann von diesem nach eingelöstem Gute demnächst keinesweges angefochten werden.

Titel 64 § 58

§ 58. Wer den Besitz eines Pfandes zu Abwohnung seiner Schuld erlanget hat, rechnet das Genossene zuerst auf die Zinsen und demnächst auf den Haupt-Stuhl ab. Er ist auch, wenn er mehrere Forderungen von verschiedener Beschaffenheit hat, nicht schuldig, wie es dem Schuldner am erträglichsten, den Absatz zu stellen, sondern kann hierunter alles nach seiner eignen Bequemlichkeit und besten Gefälligkeit einrichten.

Titel 64 § 59

§ 59. Träten bey einem Pfände ihrer mehrere Pfand-Gläubiger zugleich nach dem Verhältniß eines jeglichen Schuld ein, und es wäre vorhin dem einen mehr oder weniger als dem andern bezahlet, so ist das Verhältniß nicht nach denen Resten der Schuld, sondern wie jeder Haupt-Stuhl von Anfang gewesen, zu bestimmen.

Titel 64 § 60

§ 60. Ein Pfands-Inhaber ist auch bey entstandenem Concurs bey seinem Unterpfande so lange zu schützen, bis ein oder ander Gläubiger ein bessers Recht gegen ihn ausgemacht. Doch muß er alsdann nach der Calenbergischen Landes-Ordnung, in sofern Wir solche beybehalten, seit erhobener Klage den Genuß des Pfandes, welchen Wir auf jährliche 5 pro Cent vom Haupt-Stuhl bestimmen, ohne andre Berechnungen auf den Haupt-Stuhl absetzen, und, wenn er solchen erhalten, das Pfand vorerst denen folgenden Gläubigern ausantworten.

Titel 64 § 61

§ 61. Wir nehmen nun ferner die Meinung derjenigen Rechtslehrer an, welche gegen die Wiedereinlösung des versetzten Guts keine Verjährung zulassen, sondern selbige dem Schuldner und dessen Erben zu jeder Zeit gestatten.

Titel 64 § 62

§ 62. Ob auch schon zwischen dem Schuldner und Gläubiger festgesetzet werden kann, daß, wenn das Pfand in gewisser Zeit nicht eingelöset werde, es dem Gläubiger für den sodann zu bestimmenden gerechten Werth gelassen werden solle, so kann doch hingegen eine solche Abrede, daß, wenn es in gewisser Zeit nicht eingelöset werde, es dem Gläubiger eigenthümlich bleibe, oder auch, daß es nimmer gelöset werden solle, für zu Recht beständig nicht angenommen werden.

Titel 64 § 63

§ 63. Bey einem Wiederkauf auch unablöslicher Renten stehet zwar dem Gläubiger oder sogenannten Käufer die Loskündigung nicht frey, dem Schuldner und Verkäufer aber zu jeder Zeit, und kann auch hier keine Verjährung eintreten. Ist jedoch dazu eine gewisse Ordnung von Jahren beliebet worden, so ist dieselbe zu beobachten.

Titel 64 § 64

§ 64. Böte der Schuldner zu der gesetzten Zeit dem Gläubiger das Wiederkaufs-Geld an, und dieser weigerte sich, es anzunehmen, so kann er sich dadurch von seiner Schuldigkeit nicht entledigen, wenn schon der Schuldner das Geld nicht öffentlich niedergeleget.

Titel 64 § 65

§ 65. Ein mit Lehnsherrlicher Einwilligung getroffener Wiederkauf oder erlangtes Pfand-Recht soll, so lange der Vasall selbst die Investitur des Lehns behält, bey der Abtretung an einen Dritten einer Erneuerung der Lehnherrlichen Einwilligung nicht bedürfen.

Titel 64 § 66

§ 66. Hätte jemand ein Gut in öffentlicher Feilbietung gekauft, das Kaufgeld aber ganz oder zum Theil nicht bezahlet, so bleibet das Gut, wenn auch schon die Adjudication geschehen, für den Rückstand des Kaufgeldes denen Schuldnern des Verkäufers haften, und diese gehen in so fern an dem Gute allen und jeden des Käufers eignen Schulden vor, können auch auf die Separation von des Käufers übrigen Vermögen dringen.

Titel 64 § 67

§ 67. Was aber sonst den Verkauf eines Unterpfandes anlanget, so lassen Wir es schlechterdings bey demjenigen, was desfalls in den gemeinen Kaiserlichen Rechten, wegen der Lehngüter aber in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung versehen ist.

Titel 64 § 68

§ 68. Da Wir jedoch vernehmen, daß es bezweifelt worden, ob derjenige, welcher entweder eine General- oder Special-Hypothek, oder auch ein Zurückhaltungs-Recht hat, dem Verkauf einer Sache, woran er ein solches Recht zu haben vermeinet, widersprechen könne, wenn das KaufGeld zu seiner Sicherheit bleibet, aber etwa wegen eintretender mehrer Gläubiger ihm auf seine Schuld nicht ausgezahlet werden kann, Wir aber in dem Fall den Schuldner bey dergleichen zu stellenden Sicherheit allerdings dazu berechtiget halten, also haben Unsre Gerichte in ihren Erkenntnissen dieses zu befolgen.

Titel 64 § 69

§ 69. Ein mit einem generellen Pfand-Recht versehener Gläubiger kann, wenn er schon zuerst eine Sache verfolget, gleich wol nachher davon wieder abgehen, und sich an eine andre ihm bequemer gefundene halten. Worunter ihm auch kein Vorwurf gemachet werden kann, als ob er aus der zuerst verfolgten Sache bey gehöriger Bemühung seine Forderung erhalten können.

Titel 64 § 70

§ 70. Wer mit einer generalen Hypothek ohne Special-Hypothek versehen ist, kann sich allemal an der einem andern verschriebenen oder eingethanen Special-Hypothek ohne Einrede erholen.

Titel 64 § 71

§ 71. Ist ihm aber zugleich eine Special-Hypothek verschrieben, so kann er an eine jüngere Special-Hypothek sich nicht anders halten, als wenn er wegen seiner eignen Special-Hypothek nicht gesichert ist und daraus seine Bezahlung nicht sogleich erhalten kann. Alsdann aber muß der jüngere hypothecarische Gläubiger weichen. Der Schuldner selbst aber kann dieses sich zu gute gar nicht anziehen.

Titel 64 § 72

§ 72. Da auch unter denen Rechts-Lehrern viel Zweifel obwaltet, ob auch ein andrer Besitzer einer special-Hypothek von einem Gläubiger, welcher aus derselben seine Bezahlung verlanget, begehren könne, daß dieser zuförderst das übrige Vermögen des Schuldners angreife, so wollen Wir zwar diesen Streit zum Vortheil des dritten Besitzers entscheiden, jedoch den Fall davon ausnehmen, wenn der Kläger mit einer öffentlichen Pfand-Verschreibung versehen ist, als in welchem Fall sich der Besitzer beyzumessen hat, daß er nicht gehörige Erkundigung eingezogen.

Zu dem Titul Von Pfand- und Wiederkaufs-Rechten. Anmerkungen zum Titel 64 § 1.

Sollte es bey Ihro Königl. Maj. Bedenken finden, ohne die Landschaften darüber zu hören, die vor Notarien und Zeugen oder auch wol nur vor 3 Zeugen errichtete Hypotheken gleich abzuschaffen, so würde ich doch wenigstens anheim geben müssen, folgende Einschränkung zu machen und den § 1 dahin zu fassen:

Titel 64 § 1a

§ 1. Obschon nach dem Römischen Recht in Unsern Gerichten dafür gehalten worden, daß sogar eine vor 3 Zeugen bestellte Hypothek für gleichsam öffentlich zu halten und denen gerichtlich bestellten gleich zu setzen sey, so ist Uns doch vorgetragen, daß dieses von gründlichen Rechtslehrern bezweifelt werde. Da es nun auch dem Credit-Wesen, dessen Aufnahme in Unsern Landen Uns äußerst am Herzen liegt, höchstschädlich seyn würde, wenn derjenige, welcher alle nur mögliche Vorsicht zur Hand genommen, und dessen Verschreibung, wo nicht in die öffentlichen Gerichts-Bücher eingetragen worden, wesfalls Wir jedoch fürs künftige auch nähere Versehung treffen werden, dennoch auch durch den gerichtlichen Glauben von allem Verdacht einer dabey gebrauchten Arglist gänzlich entfernet ist und weit eher zu öffentlicher Wissenschaft gelangen kann, einer solchen blos vor 3 Zeugen vollzogenen gleich gehen oder gar nachstehen sollte, so setzen Wir hiemit, daß alle nur vor 3 Zeugen bestellte Hypotheken denen gerichtlichen hinfüro, wenn diese gleich jünger sind, weichen und bloß denen privat-Hypotheken vorgehen sollen.

Titel 64 § 2a

§ 2. Es soll ferner die bloße Unterschrift dreyer Zeugen, wenn sie sich schon als dazu requirirte Zeugen unterschrieben, keine gleichsam öffentliche Hypothek zuwege bringen, wenn nicht sowol in der Verschreibung selbst enthalten, daß mittelst Zuziehung dreyer Zeugen eine gleichsam öffentliche Hypothek bestellet werden solle, als auch diese Zeugen, oder wenn deren einer verstorben, wenigstens zwey derselben eidlich erhärten, daß bey der Unterschrift sämmtliche drey Zeugen zugleich zugegen gewesen, daß ihnen eröffnet worden, daß in der Verschreibung eine Hypothek für den zugleich zu eröffnenden Anspruch gesetzet worden, und daß diese dadurch für gleichsam öffentlich angesehen werden solle, und daß solches alles an demselben Tage, worauf die Obligation datiret ist, geschehen sey.

Titel 64 § 3a

§ 3. Wie aber auch in einem Lande nichts für öffentlich, oder auch gleichsam öffentlich, gehalten werden kann, wovon nicht vermuthet werden mag, daß es in demselben Lande und Orte bekannt werden können, also sollen Hypotheken vor 3 Zeugen, welche außerhalb des Fürstenthums, Grafschaft, Landes und Orts, wo der Schuldner wohnet, oder, wenn es unbewegliche Güter betrifft, wo diese gelegen sind, ausgestellet worden, keinesweges für gleichsam öffentlich angesehen werden.

Titel 64 § 4a

§ 4. Wir setzen aber auch die vor Notarien und Zeugen vollzogene Hypotheken denen gerichtlichen billig nach, da auch diese nicht so wie die gerichtlichen zur öffentlichen Wissenschaft kommen können. Und ob Wir gleich sie denen privat Hypotheken vorsetzen, so erfordern Wir doch auch hier, daß denen Zeugen die Schuld, und daß dafür eine general- oder special-Hypothek bestellet sey, eröffnet worden, und dieses aus dem Instrument oder Protocoll des Notarien erhelle. Wobey jedoch in Ansehung des Orts der Vollziehung eben dasjenige eintreten muß, was Wir unmittelbar vorher bey denen vor 3 Zeugen bestellten Hypotheken verordnet haben.

Titul LXV. Von Zinsen.

Titel 65 § 1

§ 1. Ob schon die gemeinen Kaiserlichen Rechte bey einem Darlehn keine Zinsen des Verzugs zubilligen, so ist doch schon durch die Reichs-Gesetze ein anders darunter, und zwar dahin versehen, daß nach geschehener Anmahnung und Wiederforderung der Schuldner für das Interesse fünf aufs hundert bezahlen müsse, und dieses hat auch Unsre Lüneburgische Policey-Ordnung C. 39 um der Vermuthung halber angenommen, daß der Gläubiger sein Geld von solcher Zeit an anlegen und zugelassener Weise zum wenigsten von Hundert Fünf wol haben möge. Nun wollen wir zwar in solchem Fall einem Gläubiger frey lassen, wenn er beybringen kann, daß er durch den eignen Gebrauch des Capitals so viel habe genießen können, sein Interesse so hoch zu liqudidiren, wie Wir denn solches auch bey Kaufleuten gänzlich dabey lassen. Nachdemmahlen gleichwol in Unsern Deutschen Landen schon seit sehr vielen und geraumen Jahren die Capitalien gemeiniglich nur zu vier auf hundert unterbracht werden, mithin die Zeit-Umstände sich verändert haben, so wollen Wir, daß Unsre Gerichte künftig nur vier auf hundert bey dergleichen Verzugszinsen zuerkennen, so lange nicht die Capitalien auf einen hohem Verzinsungs-Fuß kommen.

Titel 65 § 2

§ 2. Ob auch schon in Unserm Herzogthum Bremen Zinsen zu sechs auf hundert zugelassen sind, so kann doch dergleichen bey denen nicht versprochenen, sondern bloßen Verzugs-Zinsen nicht eintreten, sondern diese sind gleichfalls zu vier auf hundert herunter zu setzen.

Titel 65 § 3

§ 3. Eben dieses soll aber auch bey allen andern Zinsen des Verzuges, außerhalb denen Darlehnen, eintreten.

Titel 65 § 4

§ 4. Ob Wir auch wol, wenn der Haupt-Stuhl auf eine Viertel- oder Halbjährige Loose stehet, nicht mehr denn Fünf auf Hundert zu nehmen verstauet, so wollen Wir doch Sechs zu nehmen erlauben, wenn eine monatliehe Loose abgeredet ist, oder das Geld nur auf ein oder zwey Monate aufgenommen worden.

Titel 65 § 5

§ 5. Da die Rechte in Ansehung des dadurch so sehr bedrückten Schuldners nicht gestatten, daß Zinsen wieder verzinset werden, so mögen Wir es auch nicht billigen, daß rückständige Zinsen zu einem Capital geschlagen in eine Haupt-Obligation gebracht, und als ein Haupt-Stuhl verzinset werden. Es soll also dergleichen Verschreibung in Ansehung der Verzinsung als nichtig angesehen werden. Was jedoch bishero an Zinsen genossen ist, soll auf den gesetzten Haupt-Stuhl nicht angerechnet noch derselbe dadurch verringert werden.

Titel 65 § 6

§ 6. Als auch darüber viel Streit unter denen Rechts-Lehrern obwaltet, ob oder in wie fern alsdenn, wenn die Zinsen dem Haupt-Stuhl gleich kommen, das Römische Recht zu befolgen sey, und darüber auch in Unsern Gerichten nicht durchgehends gleiche Meinung geheget worden, so finden Wir Uns bewogen, desfalls nähere Bestimmung zu treffen. Wir setzen demnach zuförderst, daß bereits einzeln abgeführte Zinsen, wenn schon die ganze Summe dem Haupt-Stuhl gleich kommt, den fernem Zinslauf nicht hemmen, noch weniger, daß, wenn die bezahlten Zinsen doppelt so viel als den Haupt-Stuhl ausmachen, dieser dadurch für erstattet angesehen werden soll.

Titel 65 § 7

§ 7. Ist die Schuld von Anfang nicht liquid, sondern wird erst durch ein Richterliches Erkenntnis in bestimmte Gewißheit gesetzet, oder ihr würden Gegen-Forderungen entgegen gestellet, daß darüber zuvörderst erkannt werden muß, so können die Zinsen über die Größe des HauptStuhls nicht erstrecket werden.

Titel 65 § 8

§ 8. Hatte der Gläubiger zu Erlangung des Haupt-Stuhls es an seiner Bemühung nicht fehlen lassen, so daß folglich ihm der große Nachstand nicht beyzumessen, so laufen die Zinsen auch über die Größe des HauptStuhls.

Titel 65 § 9

§ 9. Hätte auch jemand zu Ankaufung eines Hauses oder Guts oder auch zu Wieder-Aufbauung eines Hauses oder zu nutzbaren Verbesserungen Geld hergeliehen, so daß der Schuldner selbiges genutzet hat, findet bey den Zinsen keine Einschränkung Statt.

Titel 65 § 10

§ 10. Eine bekümmerte Schuld fällt dadurch aus dem Zinsgange nicht, sondern dem Schuldner lieget ob, zu Verhütung des Zins-Laufs das Geld, wie die Rechte verordnen, an einem öffentlichen Orte versiegelt niederzulegen.

Titel 65 § 11

§ 11. Kaufleute sind befugt, ein Jahr nach geschlossener und übergebener Rechnung Zinsen zu Fünf auf Hundert zu fordern. Ist man aber wegen der Verzinsung eins worden, so hat es dabey sein Bewenden.

Titel 65 § 12

§ 12. Rechtskräftig ausgeklagte Forderungen müssen von Zeit der Rechtskraft mit Fünf auf Hundert verzinset werden.

Titel 65 § 13

§ 13. Die Zinsen müssen, wofern nicht ein anders beliebet worden, in gleicher Münze mit dem Haupt-Stuhl entrichtet werden. Wo aber ein anders bey öffentlichen Cassen hergebracht ist, hat es sein Verbleiben.

Titel 65 § 14

§ 14. Hat ein Gläubiger drey Jahre hindurch geringere Zinsen, als ihm versprochen worden, angenommen, so muß er auch forthin damit um so mehr zufrieden seyn, als ihm frey stehet, den Haupt-Stuhl aufzukündigen.

Titel 65 § 15

§ 15. Bey unablöslichen jährlichen Renten aber, und wenn der HauptStuhl nicht gekündiget werden kann, müssen solchenfalls dreyßig oder gegen Kirche und Städte, wie auch Unsre Rent-Cammer, vierzig Jahre verflossen, mithin eine völlige Verjährung seyn.

Titel 65 § 16

§ 16. Wenn aber die angenommenen Münz-Sortenvon ungleichem Gehalt, und in den folgenden Jahren schlechter als in denen ersten gewesen, ist sodann der Münz-Fuß der erstem und nicht der folgenden Jahre aufs künftige beyzubehalten, wofern nicht eine geringere Münze in vorhin gesetzter Zeit angenommen worden.

Titel 65 § 17

§ 17. Im übrigen aber treten Wir der Meinung derjenigen bey, welche zu Erlöschung jährlicher Renten keine andre als eine unvordenkliche Verjährung zulassen.

Titul LXVI. Vom Beweis.

Titel 66 § 1

§ 1. Denen Partheyen lieget ob, den nöthigen Beweis von selbst beyzubringen, und sollen, wenn solches nicht geschehen, Unsre Gerichte nicht erst auf Beweis erkennen, sondern, jedoch mit Beyfügung der Ursache des nicht geführten Beweises, sofort endlich in der Sache erkennen.

Titel 66 § 2

§ 2. Wenn aber unter den Partheyen darüber gestritten wird, wer den Beweis zu führen habe, und was zu erweisen sey, wie auch, in welcher Ordnung es zu thun, so ist alsdann solches durch den richterlichen Spruch zu bestimmen.

Titel 66 § 3

§ 3. Der Ober-Richter ist an einen von dem Unter-Richter nachgelassenen ganz unnöthigen, überflüssigen und unerheblichen Beweis keinesweges gebunden, sondern er ist vielmehr, wenn die Haupt-Sache zu dessen Erkenntniß erwachsen ist, schuldig, zu Verkürzung der Sache selbigen von Amtswegen zu verwerfen, wenn schon desfalls nicht zugleich an ihn wäre appelliret worden.

Titel 66 § 4

§ 4. Ein Anfangs auferlegter Beweis kann, wenn nachhero mehrere und nähere Umstände hervorgetreten, gar wol erweitert, verändert und näher bestimmet werden, wenn schon vorhin gegen die erste Zulassung kein Rechts-Mittel eingewandt worden.

Titel 66 § 5

§ 5. Ein erforderter Beweis kann auch durch etwas gleichgültiges geführet werden. Wofür dasjenige zu halten ist, welches gleiche Rechts-Würkung nach sich ziehet. Sind aber bey der Auflegung des Beweises dem Richter die vermeinten gleichgültigen Dinge schon bekannt gewesen, aber nicht für gleichgültig gehalten, noch darüber der Beweis mit zugelassen worden, so ist nachher auf die vermeinte Gleichgültigkeit weiter nicht zu achten.

Titel 66 § 6

§ 6. Bey den Beweis-Terminen ist nicht nach der gemeiniglich in den Gerichten angenommenen Strenge zu verfahren, daß wegen einiger dabey vorfallenden Versäumniß der Beweis sogleich für verschlossen erkläret werde, da ohnehin dieses nur die Würkung mit sich führen kann, daß der Beweis-Führer in derselben Instanz damit nicht zu hören, hingegen in der Appellations-Instanz ihm ohnehin aller neuer Beweis bevorbleibet. Es sind also vor einem End-Urtheil die Partheyen noch zu jeder Zeit damit zu hören, jedoch daß zuvor ein Theil dem andern die Kosten des verzögerten Processes erstatte.

Titul LXVII. Vom Beweis durch Zeugen.

Titel 67 § 1

§ 1. Ob zwar die Rechts-Lehrer Deutschlands darüber nicht einerley Meinung sind, ob nach einmal eröffneten Zeugen-Kundschaften annoch neue Zeugen in der Appellations-Instanz über dieselben oder auch gerade entgegengesetzte Artikel zugelassen seyn, so ist jedoch in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung ausdrücklich versehen, daß solches, wenn die Zeugen in voriger Instanz ordentlich abgehöret worden, nach der Regel nicht zu verstatten sey, und wir haben dahero gnädigst gern vernommen, daß diesen Worten von Unserm Ob er-Appellations-Gerichte genau nachgelassen werde.

Titel 67 § 2

§ 2. Da jedoch auch eben diese Ordnung Ausnahmen zulässet, worunter insonderheit zu verstehen ist, wenn jemanden die Wiederherstellung in den vorigen Stand angedeihen muß, also billigen Wir auch, daß Unser Ober-Appellations-Gericht darin eine Ausnahme gemacht hat, wenn die neuen Artikel auf neue, vorhin noch nicht besonders vorgekommene Begebenheiten und Umstände gerichtet werden.

Titel 67 § 3

§ 3. Es kann auch die in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung gesetzte Regel bey denen von Notarien aufgenommenen Kundschaften keine Zueignung finden.

Titel 67 § 4

§ 4. Wir billigen vielmehr zugleich auch die Meinung dererjenigen, welche denen Notarien nicht verstatten, Zeugen ordentlich zu beeidigen. Es soll gleichwol, wenn Gefahr am Verzüge vorhanden, eine an EidesStatt oder so, wie sie es demnächst eidlich bekräftigen wollen, geschehene Aufnahme zur Bescheinigung angenommen werden.

Titel 67 § 5

§ 5. Juden-Zeugen können zwar nach denen Kaiserlichen Rechten gegen einen rechtgläubigen Christen, wenn auch der Streit zwischen zwey rechtgläubigen obwaltete, nicht gebrauchet werden. Sollte jedoch die Wahrheit anders nicht an den Tag zu bringen stehen, oder es würden Christen- und Juden-Zeugen zu gleich vorgeschlagen, und letztere sollten nur derer erstem Aussage unterstützen, so sind sie billig zuzulassen.

Titel 67 § 6

§ 6. Gleichwie Wir denenjenigen beytreten, welche überhaupt in EheSachen die Eltern als Zeugen für ihre Kinder annehmen, also mögen Wir hingegen in solchen Sachen, welche das Vermögen angehen, selbige für einander nicht zulassen. Und dieses findet auch bey Schwieger-Eltern und Schwieger-Kindern Statt.

Titel 67 § 7

§ 7. Ist hingegen der Streit unter den Kindern selbst, so müssen die Eltern, da zu glauben ist, daß sie zu jedem Kinde gleiche Liebe haben, als ganz untadelhafte Zeugen gelten.

Titel 67 § 8

§ 8. Mann und Frau können für einander in Sachen, die das Vermögen betreffen, nicht zeugen.

Titel 67 § 9

§ 9. Sonst kann in dergleichen bürgerlichen Sachen nur eine solche Verwandschaft den Glauben des Zeugen vermindern, welche ihm ohne Testament die nächste Erbfolge in des Beweisführers Güter giebet.

Titel 67 § 10

§ 10. Die Bezüchtigung eines öffentlichen Verbrechens kann den Zeugen, so lange er dessen nicht schuldig vertheilet worden, nicht verwerflich machen. Wir können auch keinesweges die Lehre des Canonischen Rechts billigen, daß es erlaubt seyn solle, um den Zeugen zurückzustoßen, den Beweis eines von demselben ausgeübten öffentlichen Verbrechens zu führen, da hiedurch nur eine gänzliche Verwirrung der gerichtlichen Händel entstehen, der Beschuldigte nicht gehöret, und zugleich oft etwas für den bürgerlichen Richter gezogen würde, was dem peinlichen Richter zu untersuchen zukommt.

Titel 67 § 11

§ 11. Am wenigsten aber können bloße bruchfällige Sachen und deren Bestrafungen einen Zeugen untüchtig machen.

Titel 67 § 12

§ 12. Ehrlose Personen mögen nicht anders als zu Vertheidigung eines peinlichen Angeklagten Zeugniß abstatten.

Titel 67 § 13

§ 13. Bediente, die in des Zeugenführers Kost und Lohn stehen, können aus solchem Grunde allein vom Zeugniß für ihren Herrn nicht ausgeschlossen werden. Sie sind aber nicht zu nöthigen, wider ihn zu zeugen.

Titel 67 § 14

§ 14. Es können also in Hude- und Weide-Sachen auch die in der Gemeine Lohn noch würklich stehende Hirten gültiges Zeugniß ablegen, wenn sie sonst für ihre Person bey der Sache nicht interessirt sind.

Titel 67 § 15

§ 15. Ein gewesener Unterhändler kann alsdenn nicht Zeuge seyn, wenn er selbst deswegen in Anspruch genommen werden kann.

Titel 67 § 16

§ 16. Wegen des Zeugen-Verhörs zum immerwährenden Gedächtniß wollen Wir dasjenige, was in Unsern Gerichts-Ordnungen davon enthalten, annoch dahin erklären, daß dem Kläger solches auch alsdann zu verstauen sey, wenn die Frage, von wem und worüber der Beweis zu führen, annoch unentschieden ist und der Kläger zu dem Beweise sich nicht schuldig erachtet.

Titul LXVIII. Vom Beweis durch briefliche Urkunden.

Titel 68 § 1

§ 1. Wer ein öffentliches, es sey vor Gericht oder Notarien und Zeugen verfertigtes Protocoll oder Instrument als irrig gefasset anfechten will, muß solches wenigstens mit drey Zeugen darthun, als wie Wir darin dem Canonischen Rechte und denen darauf sich gründenden Rechts-Lehrern beytreten. Es kann aber dem Protokollisten, als einer bereits beeidigten Person, über die Unrichtigkeit kein Eid zugeschoben werden, wol aber dem Gegentheil, welcher bey der Niederschrift zugegen gewesen.

Titel 68 § 2

§ 2. Ob zwar der Glaube eines jeden öffentlichen Instruments von dem Eide desjenigen, der es niedergeschrieben, abhänget, so wollen Wir jedoch in Unsern deutschen Landen die Verfügung Unsers Ober-Appellations-Gerichts auch ferner befolget wissen, daß die Instrumente der Notarien zugleich von denen beiden zu der Handlung gebrauchten Zeugen unterschrieben werden. Dessen es jedoch bey dem bloßen Protokoll nicht bedarf.

Titel 68 § 3

§ 3. Die Niederschrift eines auf die Verwaltung der Gerechtigkeit überhaupt in Eid und Pflicht genommenen Richters ist ebenso gültig, als wenn er ausdrücklich auf die Führung des Protocolls beeidiget wäre. Es ist demnach auch der Niederschrift eines auf die Justiz beeidigten Raths völliger Glaube beyzumessen.

Titel 68 § 4

§ 4. Als Wir vernommen, daß die Notarien vielfältig sich zugleich zur Besitz-Ergreifung gebrauchen lassen und darüber Urkunden zu verfertigen, dieses aber ein Mißbrauch ihres Amts ist, so soll solches hinfüro gänzlich abgestellet seyn, und die Urkunde keinen Glauben haben.

Titel 68 § 5

§ 5. Die von Notarien beglaubigte Abschriften erweisen nur, wenn sie von öffentlichen Urkunden genommen sind.

Titel 68 § 6

§ 6. In Ansehung der Amts-Lager- und Sal-Büdier ist Uns vorgetragen, daß solche aus denen alten Weisthümern zusammen getragen seyn, welche ehedem bey gehegtem Gericht von denen beeidigten Schöppen oder Findungs-Leuten eingebracht worden. Wir finden es demnach für billig, daß diese Bücher in demselben Amte und Gerichte unter denen Gerichts-Unterthanen so lange gelten, bis das Gegentheil erwiesen werde.

Titel 68 § 7

§ 7. Bey denen Schreibens-Unerfahrnen, auch solchen Personen, welche Krankheits und Schwachheits halber das Geschriebene nicht nachzusehen im Stande sind, ist es nicht genug, daß ihnen von jemand der Inhalt vorgelesen worden und sie es darauf entweder mit geführter Hand unterschrieben oder durch einen andern ihren Namen unterschreiben lassen, sondern es muß entweder die Vorlesung, Genehmigung und Vollziehung vor Gerichte oder aber außerhalb Gerichts von einem Notario in Gegenwart zweyer Zeugen geschehen seyn.

Titel 68 § 8

§ 8. Wenn eine Urkunde sich auf eine andere beziehet, die letztere aber nicht beygebracht wird, so ist gleich wol solche Urkunde, wenn sie den Inhalt der andern deutlich enthält, für gültig zum Beweise anzunehmen, und kann in solchem Fall der von den Rechts-Lehrern beliebte Satz, daß ein Referend ohne des Relatum nichts erweise, gar nicht Statt finden.

Titel 68 § 9

§ 9. Die von Unsem Beamten oder andrer Gerichts-Herrn beeidigten Bedienten geführte Bruch-Register beweisen alsdenn völlig, wenn daraus zugleich die würkliche Erhebung der Brüche beglaubiget wird, da nicht allein dieser Glauben erwecket, sondern auch überher auf keine Weise zu vermuthen stehet, daß sie solche Uns oder dem Gerichts-Herrn aus eignem Vermögen erstattet haben sollten.

Titel 68 § 10

§ 10. Wenn von einer privat-Urkunde die Hand und Unterschrift nicht anerkannt werden will, so sind in Unserer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung zu deren Beweis zwey Mittel vorgeschrieben, wovon das erste der Beweis durch Zeugen ist. Hievon ist durch Unsre Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung Versehung geschehen. Welche Wir nur dahin erläutern wollen, daß, wenn die Zeugen bey der Unterschrift nicht selbst gegenwärtig gewesen, sie es von dem Aussteller des Briefes erfahren haben müssen, und dahin die Beweis-Artikel einzurichten seyn.

Titel 68 § 11

§ 11. Als auch Zweifel vorgekommen, ob bey diesem Beweise ein GegenBeweis zuzulassen, so billigen Wir die Meinung Unsers Ober-Appellations-Gerichts, daß derselbe Statt finde.

Titel 68 § 12

§ 12. Wenn es aber auf das zweyte Mittel der Vergleichung der Buchstaben ankommt, so vernehmen Wir, daß bey diesem höchst gefährlichen Mittel in denen Kaiserlichen Rechten zugleich verordnet sey, daß insonderheit derjenige, welcher die von einem andern durch seine Unterschrift vollzogene Urkunde geschrieben, namhaft zu machen, und darüber zu befragen sey. Es ist also auch dieses bey der anzustellenden Vergleichung nicht außer Acht zu lassen, und der Beweisführer vor allen Dingen auch denselben zu benennen, oder daß ihm solcher unbekannt, eidlich zu erhärten schuldig.

Titel 68 § 13

§ 13. Da inzwischen auch, wie Wir zugleich berichtet worden sind, bey Vergleichung der Buchstaben die dazu genommene Schreibmeister zwar die Züge der ihnen vorgelegten Buchstaben der Ähnlichkeit nach gegen einander vergleichen, hingegen auf die Dreistigkeit des Zuges und der ganzen Schrift nicht achten, so wollen Wir, daß dieses denen jedesmal zu nehmenden Schreib-Erfahrnen zugleich, um in ihrem Urtheil sich darnach zu richten, bey der Beeidigung aufgegeben werde.

Titel 68 § 14

§ 14. Sind nun auch die Schreib-Erfahrnen ungleicher Meinung, so kommt es immer auf die von ihnen untergelegten Gründe an, und es muß alsdenn von Unsern Gerichten abhängen, ob oder wie weit sie darunter eine Wahrheit anzutreffen glauben mögen, zumal Wir nicht absehen mögen, warum Unsre Räthe nicht auch darüber ein Urtheil fällen könnten.

Titel 68 § 15

§ 15. Von denen aus einem öffentlichen Archiv genommenen Aufsätzen ist zu glauben, daß sie würklich und gleichlautend ausgefertiget sind.

Titel 68 § 16

§ 16. Nicht weniger ist zu glauben, daß die darin verwahrte Abschriften mit der verloren gegangenen Haupt-Urkunde übereinstimmen.

Titel 68 § 17

§ 17. Es ist aber für ein öffentliches Archiv zu halten, was unter öffentlicher Bedienten, oder doch beeidigter Personen Aufsicht von aller Zeit her, besonders jedoch in derjenigen Zeit, worin die Urkunde einschläget, gestanden. Welches bey Fürstlichen Reichs-Gräflichen Archiven, nicht weniger bey denen Registraturen Unsrer Ämter, und der Landschaften, wie auch derer mit einem beeidigten Stadtschreiber versehenen Städte als gewiß anzunehmen ist. Und bey denen Registraturen Unserer hohem Collegiorum verstehet sich dieses von selbst.

Titel 68 § 18

§ 18. Ein gleiches wollen Wir auch bey denen Thum-Capituln und Collegiat-Stiften Unsrer Deutschen Lande beobachtet wissen, nicht weniger bey der Registratur Unsrer Kloster Cammer.

Titel 68 § 19

§ 19. Es kann aber der Inhalt einer im Archiv Vorgefundenen Schrift nicht anders für eine Wahrheit gehalten werden, als in so fern die Niederschrift ein Zeugniß eines beeidigten Mannes und dabey solche Dinge betrifft, die er mit Gewißheit einzeugen können, und worin er auch sonst keine widrige Vermuthung einer Partheylichkeit gegen sich hat. stehet es sich von selbst, daß neben dem Haupt-Buche auf Verlangen auch jedesmal die sogenannte Kladde, woraus das Haupt-Buch formiret ist, zum Vorschein gebracht werden müsse.

Titel 68 § 20

§ 20. In Ansehung der Handels-Bücher ist von weiland Unsers Herrn Elter-Vaters König Georg des lsten Majestät unterm 21sten Mart. 1720 besondre Verordnung ergangen, und denenselben nur unter Kaufleuten ein halber Beweis gelassen. Hiebey hat es also sein Bewenden. Auch ver-

Titul LXIX. Von Edirung brieflicher Urkunden.

Titel 69 § 1

§ 1. Unsre Ämter mögen Klägers oder Beklagten Stelle vertreten, so können sie sich gegen die Amts-Unterthanen nicht entlegen, die Amtsund Gerichts-Bücher auf Verlangen zu ediren.

Titel 69 § 2

§ 2. Wenn des Klägers Anspruch aus einem angeblich mit dem Beklagten gehabten Geschäfte entstehet, ist der Beklagte jederzeit schuldig, die davon unter sich habende Urkunden und Nachrichten eidlich zu ediren. Ist auch der Beklagte des Geschäfts an sich und überhaupt geständig, so kann dem Kläger desfalls kein Eid für Gefährde, wol aber sonst auferleget werden. Und hievon sind auch Unsre Beamte nicht zu befreyen.

Titel 69 § 3

§ 3. Bey gemeinschaftlichen Urkunden berichtet es ohnehin außer Zweifel, daß solche auch ein Beklagter dem Kläger ediren müsse.

Titel 69 § 4

§ 4. Testamente, welche nicht bloß unter Kindern ohne alle Feyerlichkeit gemachet werden, sind als öffentliche Urkunden anzusehen, und kann deren Edition niemandem, der ein Interesse dabey angiebet, von dem Beklagten, noch auch von dem Gerichte, wo sie verwahrlich aufbehalten werden, der ihn betreffende Auszug versaget werden.

Titel 69 § 5

§ 5. Auch kann die Einsicht frommer Stiftungen niemandem, der dabey interessiret zu seyn glaubet, verweigert werden, so lange nicht der Anspruch zur offenbaren Gefährde gereichet.

Titel 69 § 6

§ 6. Was die Klagen um Eigenthum betrifft, so kann kein Kläger von dem Beklagten über den Grund seines Besitzes die Edition einiger Urkunden fordern.

Titel 69 § 7

§ 7. Bey Dienstbarkeiten der Güter hingegen, wenn der Kläger, welcher solche verlanget, im Besitz ist, lassen Wir es nach, auf die Edition derer zum Beweis der Dienstbarkeit gereichenden Urkunden gegen den Beklagten zu dringen.

Titel 69 § 8

§ 8. Wie die Lehns-Folger gegen die Land-Erben auf die Edirung derer zmn Lehn gehörigen Urkunden klagen können, also mögen auch die Land-Erben, wenn die Lehnfolger durch die Besitz-Ergreifung alle Briefschaften in ihre Hände bekommen, gegen diese auf eidliche Edirung der Briefschaften dringen. Obs. T. IV. O. XXXVI B. u. H. Erört: T. IV. Erört: XLVIII.

Titul LXX. Von der Unwissenheit des Rechts und dessen, was vorgefallen ist.

Titel 70 § 1

§ 1. Wenn die Unwissenheit des Rechts oder dergleichen Irrthum klare und von Rechts-Lehrern gar nicht bezweifelte Sätze betrifft, so muß dasjenige eintreten, was die Römischen Rechte desfalls verordnen. So bald es aber auch nur einigermaßen zweifelhafte Sätze angehet, fällt die Zueignung solcher Rechte um so mehr weg, als immer wenigstens einige Ungewißheit vorhanden gewesen, ob derjenige, der aus Unwissenheit des Rechts gehandelt, dadurch in Schaden gekommen sey oder nicht.

Titel 70 § 2

§ 2. Nachdemmalen auch die in Unsern Deutschen Landen befindliche Bauern, worunter Wir jedoch den Hausmanns-Stand im Bremischen keinesweges begreifen, billig eine Entschuldigung und Nachsicht verdienen, wenn sie durch Unwissenheit der Rechte sich in Schaden bringen, dahero nicht allein die Rechts-Lehrer ihnen solche Unwissenheit zu gute kommen lassen wollen, sondern auch Unsre Landes-Ordnungen zum Theil für sie als Unmündige sorgen, dieselben auch ihre meiste Zeit mit Diensten und Ackerbau zubringen müssen, so wollen Wir die Meinung der RechtsLehrer genehmigen, daß denen einfältigen Bauern in Unsern deutschen Landen, wenn sie Schaden leiden sollten, jedoch in der Maße, wie vorhin versehen, die Unwissenheit des Rechts zu Statten komme. Wobey sich jedoch von selbst verstehet, daß gegen die ihnen bekannt gemachten Verordnungen sie dergleichen Unwissenheit nicht schützen können.

Titel 70 § 3

§ 3. Da die öffentlichen Intelligenz-Blätter in Unsern Landen dazu dienen, daß alles darin angezeigte öffentlich im ganzen Lande bekannt werde, so kann die vorgegebene Unwissenheit des darin angezeigten niemanden zur Entschuldigung dienen.

LXXI. Von Ehe-Verlobungen.

Titel 71 § 1

§ 1. Nach demmahlen bereits Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. unterm 5./16. Jan.: 1733 eine Verordnung ergehen lassen, wie es wegen der EheVerlobungen zu halten sey, so wollen Wir solche nicht allein hiedurch bestätigen sondern auch auf unsre Herzogthümer Bremen, Verden und Sachsen Lauenburg sammt dem Lande Hadeln ausgedehnet wissen, jedoch zugleich in einigen Stücken erläutern.

Titel 71 § 2

§ 2. Als nun in derselben zwey ehrliche Manns-Personen zu Zeugen, auf dem Lande aber bey gemeinen Leuten auch die jedesmahlige Gegenwart des dasigen Predigers erfordert, so lassen Wir es zwar dabey überhaupt. Es ist aber hiebey auf den Ort des Aufenthalts, nicht des Bräutigams, sondern der Braut zu sehen.

Titel 71 § 3

§ 3. Unter dem Lande werden die Fleckens nicht mit begriffen.

Titel 71 § 4

§ 4. Wenn auch dabey Zweifel vorgefallen, ob der Prediger, wenn er selbst zu kommen behindert wird, an seine Statt den Küster absenden möge, so billigen Wir die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte angenommene Meinung, daß solches zulässig sey.

Titel 71 § 5

§ 5. Es sollen jedoch überall in dem Fall, wenn der Prediger nicht füglich zugegen seyn könnte, die Verlobte schuldig seyn, gleich den ersten Sonntag nach der Verlobung ihre getroffene Entschließung dem Prediger des Orts anzuzeigen und sich darüber ein Zeugniß zu erbitten.

Titel 71 § 6

§ 6. Gleichwie aber die Absicht der Verordnung ist, daß durch die Zeugen alles in völlige und ungezweifelte Gewißheit gesetzet werde, also ist es nicht genug, daß einige Personen etwas gesehen oder gehöret, woraus eine Verlobung zu muthmaßen stünde, als wohin auch die Beringung der Braut zu rechnen, sondern es muß denen Zeugen von denen Verlobten mit klaren und deutlichen Worten eröffnet werden, daß sie sich einander die Ehe versprechen. Widrigenfalls es für keine Verlobung zu halten ist.

Titel 71 § 7

§ 7. Können solchemnach die Zeugen von der Verlobung mit Gewißheit nichts aussagen, so soll weder ein Erfüllungs-Eid noch die Eideszuschiebung Statt haben.

Titel 71 § 8

§ 8. Als auch nach vorgedachter Verordnung die Zuziehung der Obrigkeit genug ist, so ist es für eine bündige Verlobung zu halten, wenn beyde Theile die unter einander errichtete Ehestiftung zur Bestätigung an die Obrigkeit bringen, und ist es in so fern gleich viel, ob sie an des Bräutigams oder der Braut Obrigkeit gebracht worden.

Titel 71 § 9

§ 9. Unter Eltern, deren Einwilligung nachzusuchen, begreifen Wir auch die bey der Einkindschaft angenommene.

Titel 71 § 10

§ 10. Es soll auch in Ansehung der Eltern und Vormünder nöthigen Beystimmung unter der ersten oder zweyten Heyrath des Kindes kein Unterschied gemacht werden.

Titel 71 § 11

§ 11. Unter-Officire und Gemeine können nach denen bereits von Unsem Herrn Elter-Vaters Maj. desfalls ergangenen Verordnungen ohne Consens des Chefs vom Regimente sich in keine Eheberedung bey Strafe der Nichtigkeit einlassen.

Titel 71 § 12

§ 12. Hat ein Kind, ohne vorher seiner Eltern Bewilligung nachgesudiet zu haben, sich bereits verlobet, so ist dieses allein genug, daß die Eltern ihre Einstimmung versagen. Welches jedoch auf Vormünder nicht zu erweitern ist.

Titel 71 § 13

§ 13. Da die Versagung der Elterlichen oder auch Vormundschaftlichen Einwilligung, wenn sie aus Eigensinn und ungegründeten Ursachen geschiehet, ein Mißbrauch der Väterlichen Gewalt oder der Eltern natürlichen Herrschaft und Ansehens, bey Vormündern aber ihres Amts ist, so verordnen Wir wolbedächtlich, daß bey Unsern Consistoriis auf die Erfüllung des Eltern oder Vormundschaftlichen Beyfalls das Kind zu klagen selbst, und nicht der vermeinte Bräutigam befugt seyn solle.

Titel 71 § 14

§ 14. Sind die Eltern unter sich uneins, so muß des leiblichen Vaters Meinung dem Gutfinden der Mutter jederzeit Vorgehen, und ist sodan allein hinlänglich. Und so ist es auch bey Groß-Eltern zu halten. Der leiblichen Mutter und der Groß Eltern Dafürhalten gehet auch denen Gedanken eines angenommenen Vaters und der Vormünder vor.

Titel 71 § 15

§ 15. Ob gleich die mehrerwähnte Verordnung erfordert, daß der Eltern und der Vormünder Einwilligung vor der Verlobung erhalten werden müsse, so wird doch die Verlobung auch durch deren nachherige Genehmigung gültig.

Titel 71 § 16

§ 16. Es mögen aber Kinder weder von ihren Eltern, auch nicht einst vom Vater noch von einem Dritten zu einer Ehe-Beredung gezwungen werden. Jedoch ist es für keinen Zwang zu halten, wenn das Kind aus Ehrfurcht sich dem Willen des Vaters unterwirft.

Titel 71 § 17

§ 17. Wäre die Verlobung nicht der Verordnung gemäß geschehen, und ein Theil träte zurück, so kann der andre desfalls wegen Beschimpfung gar nicht klagen, da er es sich selbst beyzumessen, daß er des Landes Gesetz nicht befolget, ohnedem auch die Absicht einer Beschimpfung dabey nicht wol vorhanden seyn kann.

Titel 71 § 18

§ 18. Ohne Unsrer geistlichen Gerichte Einwilligung können die Verlobte auch mit beyderseitigem guten Willen von dem Ehe-Versprechen nicht abgehen. Unsre Gerichte müssen jedoch in diesem Fall, da beyde eins, wenn kein Beyschlaf hinzugekommen, keine Schwürigkeiten machen.

Titel 71 § 19

§ 19. Wir pflichten auch denen Rechtslehrern bey, welche wider ein bloßes Ehe-Versprechen, wenn kein Beyschlaf erfolget, und das Gelöbniß eidlich geschehen, die Unmündigen bey eintretendem Widerwillen auf deren Ansuchen wieder in den vorigen Stand setzen.

Titel 71 § 20

§ 20. überhaupt aber haben Unsre geistlichen Gerichte die angeführten Ursachen, warum ein Theil zurück zu gehen verlanget, sorgfältig zu erwägen. Finden sie solche alsdann so beschaffen, daß der eine Theil nach der Verlobung mit Grunde Rechts einen Widerwillen gegen den andern gefasset, so muß er weiter nicht gebunden seyn.

Titel 71 § 21

§ 21. Wir sind auch belehret worden, daß nach denen Kaiserlichen Rechten nun einem bloßen Ehe-Versprechen auf die Vollziehung der Ehe nicht einst geklaget werden können, und daß auch die Canonischen Rechte nur bey einem eidlichen Versprechen den Zwang mit dem KircheBanne oder andern geistlichen Strafen vorschreiben, sonst aber es bey gütlichen Ermahnungen gelassen wissen wollen, damit nicht andergestalt unglückliche und Gott mißfällige Ehen entstehen mögen. Wie nun auch bey Unsern geistlichen Gerichten also verfahren wird, daß, wenn zum Beyschlaf nicht geschritten worden, zwar Ermahnungen und gelinde Zwangs-Mittel gebrauchet werden, weiter aber, und insonderheit auf eine wider Willen vorzunehmende Priesterliche Trauung der Zwang nicht erstrecket wird, so wollen Wir, daß auch dieses ferner so beobachtet werde.

Titel 71 § 22

§ 22. Wenn die Ehe durch den Tod des einen Theils nicht vollzogen werden kann, so werden die Geschenke von beyden Seiten zurückgegeben, ohne auf den Unterschied des Römischen Rechts zu sehen, ob der Bräutigam die verstorbene Braut geküsset habe oder nicht.

Titel 71 § 23

§ 23. Wenn ein Theil wegen Minderjährigkeit wider das Ehe-Versprechen in vorigen Stand gesetzet wird, werden die Geschenke von beyden Seiten zurück gegeben.

Titel 71 § 24

§ 24. Wenn eine Person, ohne daß eine rechtmäßige Ursache ihrer Widerspenstigkeit erwiesen worden, zu Vollziehung der Ehe nicht gebracht weren kann, soll nicht allein der andre Theil das ihm geschenkte behalten, sondern auch der Widerspenstige alles ihm geschenkte doppelt erstatten.

Titel 71 § 25

§ 25. Sonst aber muß derjenige, welcher dazu Ursache gegeben, daß der andre zurück treten mögen, das Empfangene heraus geben, der andre aber behält das Geschenkte.

Titel 71 § 26

§ 26. Ist es aber nicht wol auszumachen, an wem die Schuld lieget, so geben sie sich das Geschenkte beyderseits einander heraus.

Titel 71 § 27

§ 27. Es sollen auch solche Geschenke an Unsre Consistoria nicht verfallen seyn.

Titul LXXII. Von der Ehe.

Titel 72 § 1

§ 1. Ob wol Unsre Kirchen-Ordnungen über die Nothwendigkeit der Priesterlichen Trauung sich nicht deutlich herausgelassen, vielmehr Unsre Calenbergische Kirchen-Ordnung in Ehe-Sachen die gemeinen Kaiserliehen Rechte zum Grunde leget, mithin die Trauung zur Vollziehung der Ehe und deren Gesetzmäßigkeit unnöthig, und beider Theile Einwilligung hinlänglich scheinen mögte, so ist jedoch, wie in denen meisten übrigen Evangelischen Ländern, also auch in Unsern Deutschen Landen die Priesterliche Trauung dahin beybehalten, daß keine andre als eine solchergestalt vollzogene Ehe für gesetzmäßig geachtet wird. Und dabey wollen Wir es auch durchaus lassen, mithin sollen keinen andern Christlichen Eheleuten, noch deren Kindern, die rechtmäßigen Eheleuten und Kindern durch die bürgerlichen Gesetze beygelegte Rechte zu Statten kommen.

Titel 72 § 2

§ 2. Wäre gleichwol jemand eine von ihm geschwächte Person sich antrauen zu lassen durch Urthel und Recht schuldig vertheilet, die würkliche Trauung aber durch dessen Schuld nicht erfolget, so soll alsdenn es so angesehen werden, als wenn die Trauung würklich vor sich gegangen.

Titel 72 § 3

§ 3. Ob gleich einem abgesetzten Prediger Priesterliche Handlung vorzunehmen nicht erlaubt ist, so ist doch, wenn etwa die Trauung von ihm geschehen, dadurch die Ehe nicht ungültig.

Titel 72 § 4

§ 4. Die bloße Trauung macht keine Ehe in Ansehung eines dritten beständig.

Titel 72 § 5

§ 5. Wenn demnach Eltern oder Vormünder auf die Vernichtigung einer ohne ihre Einwilligung vollzogenen Ehe dringen, und Unser geistliches Gericht zu solcher Vernichtigung schreitet, so ist die Ehe als von Anfang nichtig anzusehen und führet keine gesetzmäßige Folgen mit sich. Bedienen sich aber die Eltern oder Vormünder dieses Rechts nicht, so bleibet alsdenn die Ehe beständig. Die Eheleute selbst aber können sie als nichtig nicht anfechten.

Titel 72 § 6

§ 6. Es müssen jedoch die Eltern oder Vormünder, sobald sie es erfahren und dazu gelangen können, zur Nichtigkeits-Klage schreiten, sonst sie damit nachhero weiter nicht gehöret werden sollen.

Titel 72 § 7

§ 7. Es kann auch kein Vormund nach bereits geendigter Vormundschaft annoch auf Vernichtigung der Ehe klagen.

Titel 72 § 8

§ 8. Hätte jemand sich vorher mit einer Person öffentlich verlobet, und sie wäre schwanger von ihm geworden, er hätte aber hierauf mit einer andern Person sich trauen lassen, so soll die Ehe auf Anrufen der erstem für nichtig erkläret, und er vielmehr diese sich antrauen zu lassen angehalten werden.

Titel 72 § 9

§ 9. Wenn bey Unter-Officiers und Gemeinen der Chef des Regiments auf die Vernichtigung nicht dringet, so bleibet die Ehe bestehen.

Titel 72 § 10

§ 10. Als auch in den gemeinen Kaiserlichen Rechten versehen ist, daß ein Vormund das in seiner Pflege stehende Kind weder selbst heyrathen noch seinem Sohne zur Ehe geben könne, welches auch Unsre Calenbergische Kirchen-Ordnung beybehalten und dahin erweitert hat, daß er auch seine Tochter dem Pflegling nicht geben könne, und denn zwar nach heutiger Verfassung die Furcht der abzulegenden VormundschaftsRechnungen, worin ehedem der Grund des Verbots bestanden, großen Theils wegfällt, gleichwol die Folge daraus entstehen würde, daß der Unmündige den treuen Rath des Vormundes in einer auf seine ganze Lebenszeit ihm so wichtigen Sache entbehret, welchen auch zugleich Unsre Landes-Gesetze durchaus erfordern, so wollen Wir hiedurch Unsre Calenbergische Kirchen-Ordnung in diesem Stück allgemein machen und auf Unsre sämmtliche deutsche Lande erweitern, jedoch solchergestalt, daß die Einwilligung eines Neben-Vormundes, oder auch Ehren-Vormundes allen Mangel ersetze, Unsre geistlichen Gerichte auch selbst allenfalls, wenn wegen der Rechnungen des Mündlings Vermögen nicht gefährdet wird, durch ihren Beytritt das Fehlende ergänzen mögen.

Titel 72 § 11

§ 11. Wenn Personen wider die Göttlichen oder Unsre Kirchen-Gesetze eigenwillig sich geehelichet haben, so sollen dieselben zwar dem Befinden nach ernstlich gestrafet werden. Es sollen auch diejenigen Ehen, welche in der H. Schrift bey Lebens-Strafe verboten sind, nämlich zwischen sowol leiblichen als Stief- und Schwieger-Eltern und Kindern, auch leiblichen oder Stief-Geschwistern, durchaus nicht geduldet, sondern getrennet werden. Als jedoch übrigens die Rechte geneigter sind, etwas von Anfang nicht zuzulassen, als das Geschehene wieder aufzuheben, und, wie Uns vorgetragen ist, sowol die Jüdischen Ausleger, als auch sehr viele und große Evangelische Gottes-Gelehrten und Rechtslehrer dergleichen durch den Beyschlaf bereits vollzogene Ehen zu Verhütung großem Ärgernisses und trauriger Folgen zu dulden anrathen, so wollen Wir, daß in etwa vorkommenden Fällen diesem nachgegangen werde. Die aus solchen Ehen erzeugten Kinder sollen jedoch nur in so fern zur Erbfolge gelassen werden, als die Ehe in dem Göttlichen Gesetz nicht ausdrücklich verboten worden. Auch sollen die übrigen bürgerlichen Folgen nicht anders eintreten.

Titel 72 § 12

§ 12. Wenn eines der Eheleute als von Anfang zum Ehestande von Natur untüchtig angegeben, mithin die Aufhebung der Ehe verlanget wird, so kann auch sogar beiden auf ihr bloßes Anführen und Geständniß so schlechterdings nicht getrauet werden, weil sonst Gelegenheit gegeben würde, daß Personen, bey welchen die eheliche Liebe sich verloren, durch eine erdichtete Angabe von einander getrennet würden. Es muß io* vielmehr auch in solchem Falle der Beweis dem Richter dargeleget werden.

Titel 72 § 13

§ 13. Ist jedoch ein klarer und ungezweifelter Beweis vorhanden, so ist auch in dem Fall, wenn der eine Theil es leugnet, die Abwartung der sonst in den Rechten vorgeschriebenen dreyjährigen Zeit nicht nöthig.

Titel 72 § 14

§ 14. Wenn aber von der Untüchtigkeit zwar keine völlige Gewißheit, doch eine große Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, und die Eheleute selbst darin Übereinkommen, so ist genug, daß sie beide ihren Anzug eidlich bestärken, ohne daß es zugleich des in denen Päbstlichen Rechten erforderten Eides der nächsten Verwandten bedürfe, und ist auch alsdenn die dreyjährige Zeit der Beywohnung nicht abzuwarten. Sonst aber können sie zum Eide nicht eher als nach Ablauf der drey Jahre gelassen werden. Wiewol auch sodann die nächsten Verwandten dabey nicht nöthig sind.

Titel 72 § 15

§ 15. Wäre der eine Theil der Untüchtigkeit nicht geständig, es hätte aber der andre sofort in den ersten zwey Monaten nach der Heyrath darüber geklaget, und es ergäben sich auch davon nur wahrscheinliche Anzeigen, so ist derselbe, ohne den Ablauf der drey Jahre abzuwarten, zum Erfüllungs-Eide allein zu lassen.

Titel 72 § 16

§ 16. Hat derselbe aber mit seiner Beschwerde eine längere Zeit Anstand genommen, oder die Ärzte wären verschiedener Meinung, so findet der Eid, ehe die drey Jahre verflossen, keine Statt.

Titel 72 § 17

§ 17. Die drey Jahre selbst sind so zu rechnen, daß sie eine solche ganze Zeit würklich zusammen gewöhnet haben.

Titel 72 § 18

§ 18. Wollen gleichwol auch bey einer würklichen Untüchtigkeit des einen oder des andern die Eheleute zusammen bleiben, ist ihnen solches nicht zu verwehren.

Titel 72 § 19

§ 19. Eine erst während der Ehe ohne des Ehegatten Schuld entstandene Untüchtigkeit kann die Ehe nicht aufheb en.

Titel 72 § 20

§ 20. Wegen Alters soll niemanden zu heyrathen versaget werden, wenn schon einer oder beyde keine Kinder mehr erzeugen könnten.

Titel 72 § 21

§ 21. Äußern sich nach vollzogener Ehe bey einem oder andern der Eheleute solche von dem einen Theil verhelte Umstände, welche einer rechtschaffenden Person einen Abscheu gegen den andern geben müssen, so ist es anzusehen, als ob es an der Einwilligung zur Ehe gefehlet habe, mithin ist die Ehe nichtig.

Titel 72 § 22

§ 22. Ob nun auch schon keine Ehe als beständig angenommen werden kann, wenn der eine Theil zu deren Eingehung mit Gewalt genöthiget worden, so kann doch dieser Vorwand alsdenn nicht weiter Statt finden, wenn die vorhin gebrauchte Gewalt aufgehöret und die Frau, da sie darüber ohne Verhinderung klagen können, gleichwol bey dem Mann geblieben ist.

Titel 72 § 23

§ 23. Als auch bey denen Evangelischen aus dem Canonischen Rechte beybehalten worden, daß, sobald eine würkliche Ehe in völliger Gewißheit beruhet, dieselbe durch keinen auch vor Gericht geschlossenen Vergleich getrennet werden könne, so wollen Wir solches ausdrücklich genehmigen.

Titel 72 § 24

§ 24. Wir lassen es nun zwar auch bey demjenigen, was die Rechte denen Wittwen wegen des Trauer-Jahrs vorgeschrieben, jedoch nach Mäßigung der Canonischen Rechte.

Titel 72 § 25

§ 25. Wir sind nun ferner unterthänigst berichtet, daß es unter denen Rechts-Lehrern von langer Zeit her viel Zweifel gegeben, ob die von dem neuern Römischen Rechte eingeführte Strafen einer zweyten Ehe durch das Canonische Recht aufgehoben worden oder nicht, und wie deshalb in denen Gerichten zu erkennen sey. Ob nun zwar, wenigstens in denen neuem Zeiten, Unsre Gerichte dem Römischen Recht darin gefolget, so dünket Uns jedoch zugleich einige Härte und Unbilligkeit darunter obzuwalten, und nicht allein durch diese Einschränkung bey einer zweyten Ehe vielfältig der Kinder eignes Glück gestöhret oder behindert, sondern auch die Liebe zwischen Eltern und Kindern nicht wenig verringert zu werden, deren Erhaltung jedoch selbst dem gemeinen Wesen nützlich ist. Wir haben auch dabey alle Fälle und dabey dieses erwogen, daß dem Vater oder Mutter frey gestanden, wenn sie auf solchen Fall für die Kinder sorgen wollen, ihrem Vermächtniß in der Ehestiftung oder im Testament den Verlust des Haupt-Stuhls bey erfolgender anderweiter Ehe auf den Fall, wenn Kinder vorhanden, anzufügen, und dadurch dem Ehegatten anzudeuten, hingegen es für erlaubt gehalten werde, daß ein Ehegatte gleichwol diese Strafe dem Ehegatten nachlassen könne, daß es ferner denen Eltern traurig und empfindlich seyn müsse, von der Erbschaft leiblicher Kinder durch leibliche Kinder bloß um einer zweyten Heyrath willen ausgeschlossen zu werden, und daß es mit den Rechten fast nicht zusammenhängend sey, daß Eltern sonst über ihr eignes Vermögen, wenn sie nur den Pflicht-Theil der Kinder nicht bekürzen, unter Lebendigen und Todten in Ansehung fremder frey und ungehindert disponiren können, dieses aber bloß in Ansehung einer zweiten Ehe und eines zweiten Ehegatten in Betracht der Kinder nicht Statt haben solle, und dem Ehegatten nicht mehr als der geringste Theil eines Kindes zugewandt werden könne. Aus allen diesen von Uns wol und reiflich überlegten Gründen wollen Wir also denenjenigen Rechts-Lehrern beytreten, welche alle Strafen der zweiten Ehe, ausgenommen wenn selbige von einer Mutter ohne von Unserm Consistorio erhalten Erlaubniß im Trauerjahr vollzogen wird, nicht weiter gelten lassen. Jedoch sind Wir auch keinesweges gemeinet, einer zur anderweiten Ehe schreitenden Mutter die Vormundschaft über ihre Kinder zu lassen.

Titel 72 § 26

§ 26. Wegen übler Begegnung kann, so lange keine Lebens-Gefahr damit verknüpfet, eine Ehe nicht getrennet werden.

Titel 72 § 27

§ 27. Wäre schon eine Scheidung von Tisch und Bette auf gewisse Zeit geschehen, es verlangte aber noch vor Ablauf der Zeit der eine Ehegatte den andern wieder zu sich, so soll gegen bloße Versicherung eines guten Begegnens der andre wieder zu ihm zu kommen schuldig seyn.

Titel 72 § 28

§ 28. Wenn eine Scheidung von Tisch und Bette aus wichtigen Ursachen geschiehet, und der eine Ehegatte daran Schuld ist, auch keine Aussöhnung erfolget, so soll der schuldige Theil dasjenige verlieren, was er sonst aus dem Nachlaß des unschuldigen zu erwarten gehabt.

Titel 72 § 29

§ 29. Als ferner Unsre Kirchen-Ordnungen die Meinung des Canonischen Rechts angenommen, daß der Mann auch durch den Beyschlaf mit einer ledigen Person gegen seine Frau die Ehe breche, so soll hiernach in allen Unsem deutschen Landen erkannt werden.

Titel 72 § 30

§ 30. Eine Trennung der Ehe findet Statt, wenn auch nur starke Vermuthungen des Ehebruchs vorhanden sind.

Titel 72 § 31

§ 31. Da die Ehe von Gott zu einer solchen Gesellschaft eingesetzet worden, in welcher Mann und Weib ein Fleisch seyn sollen, so pflichten Wir denenjenigen bey, welche alle diesem Zweck zuwider laufende üble Handlungen für einen Ehebruch halten.

Titel 72 § 32

§ 32. Es findet demnach nicht allein bey böslicher Verfassung, als wie die H. Schrift auch ausdrücklich verstattet, sondern auch alsdenn eine gänzliche Ehescheidung Statt, wenn Eheleute einander nach dem Leben gestehet, oder eines dem andern halsstarriger Weise die eheliche Pflicht versaget, oder sich durch Zuziehung einer üblen Krankheit dazu untüchtig gemacht, oder auch zum Festungs-Bau oder Zuchthause auf mehrere Jahre vertheilet, oder des Landes auf ewig verwiesen würde.

Titel 72 § 33

§ 33. In allen solchen Fällen, wenn wegen des einen Theils Schuld die Ehe getrennet wird, findet gegen den Schuldigen dasselbe Statt, als bey dem eigentlich sogenannten Ehebruch. Der Unschuldige soll auch überdem sein Erbtheil sogleich haben, welches ihm etwa die Gesetze des Orts nach des Schuldigen Tode geben.

Titel 72 § 34

§ 34. Dem unschuldigen Theile stehet nach der Scheidung schlechterdings frey, sich anderweit wieder zu verheyrathen.

Titel 72 § 35

§ 35. Dem schuldigen aber ist die Wiederverheirathung ohne besondere Erlaubniß Unsrer geistlichen Gerichte nicht zu verstatten. Denen beiden Ehebrechern selbst kann jedoch bey des erstem Ehegatten Leben sich zu heyrathen durchaus nicht zugestanden werden.

Titel 72 § 36

§ 36. Es bleibet jedoch kein Ehebruch, wenn vorher ein Theil dem andern die eheliche Pflicht hartnäckig versaget, mithin zu dem Vergehen Anlaß gegeben hätte.

Titel 72 § 37

§ 37. Die bloße Verzeihung und Vorbitte des Unschuldigen für den Schuldigen verbindet denselben nicht, wider Willen in der Ehe zu bleiben, wenn er nicht den Schuldigen zugleich aufs neue zum Ehegatten angenommen. Zum Titul Von der Ehe. Wir sind nun ferner unterthänigst berichtet, daß es unter denen Rechts-Lehrern von langer Zeit her viel Zweifel gegeben, ob die von dem neuem Römischen Rechte eingeführte Strafen einer zweyten Ehe durch das Canonische Recht aufgehoben worden oder nicht, und wie deshalb in denen Gerichten zu erkennen sey. Ob nun zwar, wenigstens in denen neuem Zeiten Unsre Gerichte dem Römischen Recht darin gefolget, so dünket Uns jedoch zugleich einige Härte und Unbilligkeit darunter obzuwalten, und nicht allein durch diese Einschränkung bey einer zweyten Ehe vielfältig der Kinder eignes Glück gestöhret, oder behindert, sondern auch die Liebe zwischen Eltern und Kindern nicht wenig verringert zu werden, deren Erhaltung jedoch selbst dem gemeinen Wesen nützlich ist. Wir haben auch dabey alle Fälle und dabey dieses erwogen, daß dem Vater oder Mutter frey gestanden, wenn sie auf solchen Fall für die Kinder sorgen wollen, ihrem Vermächtniß in der Ehestiftung oder im Testament den Verlust des Haupt-Stuhls bey erfolgender anderweiter Ehe auf den Fall, wenn Kinder vorhanden, anzufügen und dadurch dem Ehegatten anzudeuten, hingegen es für erlaubt gehalten werde, daß ein Ehegatte gleichwol diese Strafe dem Ehegatten nacfalassen könne, daß es ferner denen Eltern traurig und empfindlich seyn müsse, von der Erbschaft leiblicher Kinder durch leibliche Kinder bloß um einer zweyten Heyrath willen ausgeschlossen zu werden, und daß es mit den Rechten fast nicht zusammenhängend sey, daß Eltern sonst über ihr eignes Vermögen, wenn sie nur den Pflicht-Theil der Kinder nicht bekürzen, unter Lebendigen und Todten in Ansehung fremder frey und ungehindert disponieren können, dieses aber bloß dn Ansehung einer zweyten Ehe und eines zweyten Ehegatten in Betracht der Kinder nicht Statt haben solle, und dem Ehegatten nicht mehr als der geringste Theil eines Kindes zugewandt werden könne. Aus allen diesen von Uns wol und reichlich überlegten Gründen wollen Wir also denenjenigen RechtsLehrern beytreten, welche alle Strafen der zweyten Ehe, ausgenommen, wenn selbige von einer Mutter ohne von Unserm Consistorio erhaltene Erlaubniß im Trauer-Jahr vollzogen wird, nicht weiter gelten lassen. Jedoch sind Wir auch keinesweges gemeinet, einer zur anderweiten Ehe schreitenden Mutter die Vormundschaft über ihre Kinder zu lassen.

Titul LXXIII. Von Mitgiften und Gegen-Vermadrang.

Titel 73 § 1

§ 1. Wir haben Uns gnädigst belehren lassen, daß bey der Mitgift und denen damit verknüpften vorzüglichen Rechten zuförderst die Frage Zweifel gefunden hat, ob unter dem Namen Mitgift und dos auch die von der Frau dem Manne zugebrachte, in beweglichen, theils zu deren künftigen Standesmäßigen Kleidung und Schmuck, theils zur Bestreitung des Haushalts gereichenden Stücken bestehende Aussteuer begriffen werde. Nachdemmalen nun dieselbe dem Manne, wie der in baarem Gelde bezahlte Brautschatz, zur Erleichterung der Bürden des Ehestandes gerichtet, und dann dahero Unser Ober-Appellations-Gericht in vorgekommenen Fällen also erkannt hat, daß die Aussteuer als eine dos anzusehen, und mit derselben gleiche Rechte habe, so billigen Wir hiedurch diese Meinung, und wollen solche von allen Unsern Gerichten befolget wissen.

Titel 73 § 2

§ 2. Ob nun wol solchemnach der Mann von diesen beweglichen Stücken wie von andern beweglichen Mitgift-Sachen währender Ehe Eigenthümer ist, dagegen aber, wenn er es veräußerte, nach geendigter Ehe den Werth erstatten muß, so verstehet es sich jedoch von selbst, wie Unser Ober-Appellations-Gericht auch nach denen gemeinen beschriebenen Gesetzen erkannt hat, daß nach geendigter Ehe, oder bey einem über des Mannes Güter entstandenen Concurs die Ehefrau das von ihr selbst und im Haushalt Verbrauchte nicht wieder fordern könne, und das Vorhandene, so wie es durch den Gebrauch geblieben, annehmen müsse.

Titel 73 § 3

§ 3. Als sich auch vielfältig zuträgt, daß keine Ehestiftungen errichtet werden, gleichwol die Frau dem Manne beym Eintritt in die Ehe selbst oder durch ihre Eltern oder Vormünder ihr ganzes Vermögen oder einen Theil desselben übergeben hat, Wir aber belehret worden, daß darunter Zweifel vorfallen, ob außer einer ausdrücklichen Bestimmung deren Beweis oft sehr schwer fällt, solches als eine Mitgift oder dos in der völligen rechtlichen Würkung anzusehen sey, gleichwol eine solche Übergebung nicht anders als zu Tragung der Ehestandsbürden geschehen, dahero auch Unser Ober-Appellations-Gericht dergleichen also erkannt hat, so wollen Wir auch dieses als denen gemeinen Rechten völlig gemäß erklären.

Titel 73 § 4

§ 4. Wäre auch eine Person gleich beym Antritt ihrer Heyrath des Vermögens nicht gewesen, ihrem Ehemann an baarem Gelde etwas zuzubringen, und ihr fiele nachher etwas zu, so sie erweislich ihrem Manne übergeben, so ist zu glauben, daß sie ihm noch während der Ehe einen Brautschatz geben wollen. Und da die gemeinen Rechte während der Ehe eine Vermehrung des Brautschatzes gestatten, so wollen Wir auch dieses, wenn schon die würkliche Bestimmung nicht erweislich, in diesem Fall, da es dem Mann übergeben worden, für einen wahren Brautschatz gehalten wissen.

Titel 73 § 5

§ 5. Da die Mitgift zu Erleichterung der Ehestands-Bürgen, mithin auch zum Unterhalt der Ehefrau und ihrer Kinder gereichen soll, dahero auch nach den gemeinen Rechten, wenn der Mann in bedrängte Umstände geräth, die Frau ihre Mitgift selbst zu sich nehmen kann, dabey aber Zweifel vorgefallen, ob ihr solches auch in dem Falle zu verstatten, wenn ihr Ehemann von Uns durch einen würklichen Dienst oder Pension ziemlich versorget ist, Unser Ober-Appellations-Gericht aber dafür gehalten hat, daß aus solchem Grunde die denen Ehe-Frauens wieder heimgefallene Gewalt über das Ihrige nicht zu entziehen sey, also lassen Wir es auch in dergleichen Fällen dabey bewenden.

Titel 73 § 6

§ 6. Wenn ein Vater seine Tochter einmal ausgestattet, diese Mitgift aber verloren gegangen, kann er nicht angehalten werden, sie bey einer nachherigen zweiten Heyrath aufs neue auszustatten.

Titel 73 § 7

§ 7. Ein Bruder ist nicht schuldig, auch seine leibliche Schwester aus dem Seinigen auszustatten, ob schon einige Rechtslehrer solches nach den gemeinen Rechten dafür halten wollen.

Titel 73 § 8

§ 8. Bey der Ausstellung aus dem Lehn, welche denen gemeinen Rechten nach denen Brüdern, auch Lehns-Vettern, bey Ermangelung andrer Güter oblieget, will zwar von einigen dafür gehalten werden, daß hiebey nur zu sehen, ob die Tochter von ihrem Vater nichts habe. Wie aber das Lehn überall dafür nur bey einem unumgänglichen Nothfall haftet, so billigen Wir die von Unsem Gerichten angenommene Meinung, welche zugleich zu Erhaltung der Güter gereichet, daß, wenn eine Tochter auch aus dem Mütterlichen oder sonst ein hinreichendes Vermögen hat, sie aus den Gütern eine Mitgift nicht begehren könne.

Titel 73 § 9

§ 9. Als Uns auch berichtet worden, daß bey Unsern Gerichten Zweifel vorgefallen, ob oder in wie weit die würkliche Einbringung der Mitgift durch des Mannes Quitung oder andres Bekenntniß, wenn es mit demselben zum Concurs gekommen, gegen dessen Gläubiger erwiesen werde, so bestätigen Wir die Meinung dererjenigen, welche zwar nicht schlechterdings ein jedes Bekenntniß, jedoch alsdenn annehmen, wenn die Mitgift in der Ehestiftung oder sonst erweislich vor der Ehe versprochen worden, oder auch die Frau bey ihrer Verheyrathung erweislich so viel im Vermögen gehabt.

Titel 73 § 10

§ 10. Wird auch in der Ehestiftung selbst der Brautschatz als bereits ausgezahlet aufgeführet, und der Mann hätte darüber nicht besonders quitiret, so soll gleichwol das Bekenntniß in der Ehestiftung gegen den Mann selbst nach 10 Jahren, oder gegen einen dero Zeit unmündig gewesenen nach 12 Jahren so überwiegend gelten, daß ihm nachhero das Gegentheil annoch zu erweisen nicht gestattet werde, dagegen solches dessen Gläubigern frey bleibet.

Titel 73 § 11

§ 11. Bey Lehn-Gütern verwerfen Wir die von verschiedenen Rechts-Gelehrten angenommene Meinung, daß aus der bloßen Einbringung zu dem Manne die Verwendung des Brautschatzes in das Lehn zu vermuthen sey, und wollen vielmehr, daß, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht dafür hält, ein Brautschatz aus der Substanz des Lehns und gegen auswärtige Lehn-Folger nicht anders wieder gefordert werden könne, als wenn die würkliche Verwendung in das Lehn erwiesen ist.

Titel 73 § 12

§ 12. Hat ein bereits verschuldeter Mann seiner Tochter und SchwiegerSohn einen gewissen Brautschatz ausgelobet, so sind sie zwar damit, wenn es mit dem Vater und Schwieger-Vater zum Concurs kommt, als Pfand-Gläubiger nach der Zeit-Ordnung gehörig zu setzen, und stehen denen nachhero gemachten spätem Schulden keinesweges nach. Bey Erhebung des Geldes aber hat die Frau denen ältern chirographischen Gläubigern dahin Sicherheit zu stellen, daß sie von demjenigen, was von solchem Brautschatz nach geendigter Ehe ihr selbst oder ihren Erben zu Händen und Genuß kommen werde, solche ältere Gläubiger befriedigen wolle, als wie Unser Oberappellations-Gericht bey einem vorgekommenen Falle auch erkannt hat.

Titel 73 § 13

§ 13. Die Mitgift, welche ein Vater seiner Tochter mitgegeben, Brautschatz oder Aussteuer fällt nach ihrem Tode, wenn Kinder aus der Ehe vorhanden, an den Vater auf keine Weise zurück, sondern verbleibt denen Kindern und Erben, als wie Unser Oberappellations-Gericht auch angenommen hat.

Titel 73 § 14

§ 14. Ehestiftungen erhalten nicht eher, noch anders ihre Kraft, als von der Zeit, und wenn die Ehe würklich durch Priesterliche Einsegnung vollzogen worden.

Titel 73 § 15

§ 15. Als auch bey Ehestiftungen die gemeinen beschriebenen Kaiserlichen Rechte zwar genehmigen, daß der Mann nach der Frauen Tode die Mitgift behalten möge, im übrigen aber demselben aus einer Ehestiftung keinen Anfall noch Erb-Recht gestatten wollen, eine Ehe-Frau hingegen außer der ihr verschriebenen Gegen-Vermächtniß daraus eben wenig etwas gewinnen soll, dagegen Uns aber berichtet worden, daß in Unsern wie auch den benachbarten Ländern ganz ein anders hergebracht sey, und Ehestiftungen, wenn sie zumal nicht denen Kindern zur Last fallen und beyde Theile sich einander nach ihrem Tode ihr jetziges und künftiges Vermögen ganz oder zum Theil verschreiben, pünktlich zu halten seyn, so wollen Wir auch diesen Gebrauch hiedurch ausdrücklich bestätigen.

Titel 73 § 16

§ 16. Es ist uns ferner vorgetragen, daß unter denen Rechtslehrern Zweifel vorgefallen sind, ob die sogenannten vermischten Ehestiftungen, pacta dotalia mixta, welche auf eine Beerbung oder Anfall nach dem Tode gefasset sind, als ein unwiderrufliches Geding unter den Lebendigen oder nur ein Geschenk um Todes willen bestehe, mithin nicht allein wie ein Codicill 5 Zeugen erfordern, sondern auch jedesmal einseitig aufgehoben werden können. Gleichwie aber dem Vernehmen nach Unsre Gerichte darüber bereits durchgängig die Meinung angenommen haben, daß, wenn sonst ein anders aus der Ehestiftung nicht erscheinet, dergleichen nach allem Herkommen für ein Geding unter den Lebendigen anzunehmen sey, also lassen Wir es auch schlechterdings dabey bewenden.

Titel 73 § 17

§ 17. Ob auch schon ferner die neuern Kaiserlichen Rechte verordnen, daß zwar nicht in demjenigen, was die Frau aus der Ehestiftung gewinne, jedennoch aber in demjenigen, was zu des Mannes Vortheil gereichen solle, wenn es über 500 Gulden Louisdor sich belaufe, eine gerichtliche Einhändigung der Ehestiftung nöthig sey; nachdemmalen Wir jedoch berichtet worden, daß Unsre Gerichte darüber nicht halten, maßen nach deutschen Gebräuchen solche Ehestiftungen auch als Erbschafts-Gedinge bestehen, als wollen Wir zu Verhütung aller etwanigen künftigen Zweifel dieses auch ausdrücklich hiedurch festsetzen.

Titel 73 § 18

§ 18. Der Gegensatz der Ehe-Mitgift ist das sogenannte Gegen-Vermächtniß oder Widerlage, donatio propter nuptias. Uns ist vorgetragen worden, daß in dem Fall, wenn die Ehestiftungen solches nicht deutlich erklären, dergleichen von vielen Rechtslehrern nur für eine Versicherung des eingebrachten Brautschatzes und eine diesem dadurch mitgetheilte Hypothek angesehen werden will. Diese Meinung müssen Wir ganz verwerfen, da es zumal bey denen der Mitgift ertheilten so stattlichen Vorzügen einer solchen weit schwächern Sicherheit nicht bedürfen mögen. Wir haben Uns ferner belehren lassen, daß die eigentliche Absicht dabey auf eine bündigst versicherte Unterhaltung der Frau und ihrer Kinder nach denen Römischen Rechten gegangen, und die Frau nach des Mannes Tode nur alsdenn, wenn es ihr nicht besonders verschrieben worden, das Gegen-Vermächtniß nicht erhalten, wenn bey des Mannes Ableben keine Kinder von ihr vorhanden gewesen, bey vorhandenen Kindern aber sie auch in Ansehung des Eigenthums nicht völlig Meisterin davon gewesen. Gleich wie indessen nicht allein überhaupt die Versorgung der Wittwen dem gemeinen Wesen nützlich ist, sondern Wir auch berichtet worden, daß die in Deutschland hergebrachte Widerlage und Gegen-Vermächtniß ohne Unterschied von jeher dahin abgezielet, jedoch denen Wittwen nur einen Nießbrauch mitgetheilet hat, dieses auch bereits in Unsrer Lüneburgischen Policey-Ordnung C. 24 angenommen und die Gegen-Vermadiung als ein dotalitium oder Leib-Geding angesehen worden, so wie es auch von altern Rechtslehrern dafür genommen ist, als wollen Wir hiemit für alle Unsre deutsche Lande diese zweifelhafte Rechts-Sache denen gemeinen Rechten gemäß dahin erklären, da, wenn desfalls in denen Ehestiftungen nicht besondere Versehung geschehen ist, die Frau zwar zeitlebens, und wenn sie auch schon sich wieder verheirathet, den Genuß von der Widerlage, sie mag Kinder haben oder nicht, behalten solle, sie auch, wenn sie nicht wieder heyrathet und Kinder vorhanden, Kindes-Theil eigentümlich habe, im übrigen aber das Eigentum ihren Kindern verbleibe oder an der Kinder Erben zurück falle.

Titel 73 § 19

§ 19. Es ist Uns hiebey ferner vorgekommen, daß die Kaiserlichen gemeinen Rechte bey dem an baarem Gelde gegebenen Brautschatz und dem Gegen-Vermächtniß eine völlige Gleichheit erfordern, wovon, ob dieses noch jetzo beyzubehalten, Zweifel entstehet. Wie in einem Vorfall, da der Ehemann keine Kinder hinterlassen, von Unserm Oberappellations-Gericht einstmalen dagegen erkannt ist, also wollen Wir zwar in solchem Falle es auch künftig so beobachtet haben, werden jedoch in Ansehung des dinglichen Rechts Uns demnächst näher erklären. Sind aber von dem Manne Kinder, es sey aus erster oder letzterer Ehe, vorhanden, so lassen Wir es um so mehr bey denen beschriebenen Kaiserlichen Rechten, als auch hierin Unsre Lüneburgische Policey-Ordnung C. 24 diese zum Grunde geleget wissen will.

Titel 73 § 20

§ 20. Als auch nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten eine Ehefrau, welche ihrem Ehemanne einen Brautschatz zugebracht, dagegen eine Gegen-Vermachung, wenn ihr gleich keine verschrieben worden, zu fordern berechtiget ist, dieses auch durch Unsre Lüneburgische Policey-Ordnung als ein noch übliches Recht denen Ehe-Frauens aufs neue versichert worden, also wollen Wir, daß solchem in Unsem sämmtlichen Landen, wo keine besondre Gewohnheiten vorhanden, nachgegangen werde.

Titel 73 § 21

§ 21. Ob nun wol nach verschiedener Rechtslehrer Meinung einer Wittwe, wenn der Haupt-Stuhl ihres Brautschatzes nicht zurück fällt, sondern in denen Gütern bleibet, gedoppelte Zinsen des Brautschatzes und gedoppelte Zinsen der Gegen-Vermachung zum Leibgeding gebüh ren sollen, dieses aber dem Gebrauch Unsrer deutschen Lande nicht gemäß, denen gemeinen Rechten aber in Ansehung der Gegen-Vermadiungs-Zinsen, wenn kein Capital auf den unbeerbten Fall ausgelobet worden, ganz zuwider ist, dahero auch bereits in Unsrer Lüneburgischen Policey-Ordnung die Duplirung der Gegen-Vermachung gemißbilliget, und auch alsdenn, wenn der Brautschatz auf die Todes-Fälle in Mangel der Kinder nicht zurück fällt, sondern in den Gütern bleibet, nach. Gelegenheit das dotalitium nur in etwas zu erhöhen verstattet worden, der gleichen auch zu Unsrer Landsassen Güter offenbaren Beschwerde gereichen würde, so soll es hierin durchaus auf eine Vergleichung mit dem Ehemann selbst, oder dessen Erben ankommen, auch wenn die Wittwe an dem Hauptstuhl der Gegen-Vermachung keinen Theil hat, ihr hievon nicht mehr als einfache Zinsen zu fünf aufs Hundert zugestanden und eine Erhöhung nur in Ansehung des in den Gütern bleibenden Capitals zugelassen werden.

Titel 73 § 22

§ 22. Obgleich dasjenige, was nur zum Witthum verschrieben, mit der Wittwe anderweiten Verheyratung aufhöret, so bleibet ihr jedoch ihr dotalitium Leib-Geding Zeitlebens und fällt mit der anderweiten Verheyrathung nicht weg.

Titel 73 § 23

§ 23. Wenn der Frau nur Zinsen oder jährliche Renten in Gelde zur Widerlage gehören, so können ihr solche durch ein aus Unsrer Calenbergischen Wittwen-Casse versichertes Wittwen-Gehalt, wenn der Mann aus dem Seinigen dafür gesorget, entrichtet werden, die versprochenen Natural Leistungen aber gebühren ihr nichts desto weniger.

Titel 73 § 24

§ 24. Wie die Zweifel der Rechts-Gelehrten in Ansehung der Frauen-Mitgift, ob sie nämlich auch denen Gläubigern, welche eine ausdrücklich verschriebene ältere Hypothek haben, oder bloß denen ältern gesetzlichen und stillschweigenden vorzuziehen sey, im Herzogthum Lüneburg durch dessen Policey-Ordnung C. 24 § 2 bereits entschieden sind, diese Meinung auch dermalen durchgehends in Unsern Gerichten gilt, als soll dieselbe auch in allen Unsern Landen befolget werden.

Titel 73 § 25

§ 25. Es kann jedoch das denen rechtgläubigen Christlichen Ehefrauen verliehene Vorzugs Recht keiner Jüdischen Ehe-Frau zu Statten kommen, wie dahin auch mehrmalen bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte erkannt ist.

Titel 73 § 26

§ 26. Ob auch wol wir sonst in denen Sachen, welche Unsre Rent-Cammer und eignen Rechte angehen, nichts gegen Unsre Unterthanen zu entscheiden gemeinet seyn, so tragen Wir jedoch kein Bedenken, Unsers Ober-Appellations-Gerichts Erklärung der Rechte zu bestätigen, daß die gesetzliche Hypothek Unsrer Rent-Cammer und Fisci in den Gütern ihrer Verwalter nach dem Zeit-Alter dem dinglichen und vorzüglichen Recht der Mitgift nicht nachstehe, sondern vielmehr nach dem Alter vorgehe.

Titel 73 § 27

§ 27. Was der Mann mit denen erhaltenen Brautschatz-Geldern angeschaffet, soll dadurch für keine Mitgift und res dotalis angesehen werden, ob schon viele Rechts-Lehrer ein anders behaupten. Wir billigen jedoch zugleich diejenige Auslegung der Gesetze, nach welcher eine EheFrau an solchen von ihrem Brautschatz durch den Mann angeschafften Gütern Unsrer Rent-Cammer vorgehet.

Titel 73 § 28

§ 28. Ob Wir auch schon vorher genehmiget haben, daß eine Widerlage höher als der Brautschatz bestimmt werden möge, so ist jedoch keinesweges Unsre Meinung, daß auch die in den gemeinen Rechten mit der Gegen-Vermachung verknüpfte Hypothek sich dahin erstrecken solle. Die Policey-Ordnung Unsers Herzogthums Lüneburg hat C. 24 § 2 überall wegen der Gegen-Vermachung die Frau allen Pfand-Gläubigern nachgesetzet. Wir wollen zwar dieses nicht auf alle Unsre deutsche Lande erweitern, mögen aber auch zum Nachtheil der Gläubiger die verstattete höhere Gegen-Vermachung dahin nicht eintreten lassen, daß sie auch, so viel die Erhöhung über den Brautschatz betrifft, ein gleiches dingliches Recht habe. Es soll also in so ferne die Frau in allen Unsern deutschen Ländern, wie die höchste Billigkeit es erfordert, allen und jeden des Mannes Schulden, Hypothekarischen und Persönlichen, nachstehen, jedoch denen Straf-Gefällen und andern Schenkungen Vorgehen.

Titel 73 § 29

§ 29. Ist eine Morgengabe versprochen, so soll sie der Frau, wenn sie gleich schon vorher einen andern Mann gehabt, geleistet werden, gestalten auch Unser Ober-Appellations-Gericht also erkannt hat. Es gebühret ihr auch sodann desfalls ein dingliches Recht an ihres Mannes Gütern.

Titel 73 § 30

§ 30. Was die Frau außerhalb ihrer Mitgift hat, darin finden die Rechte des Brautschatzes auf keine Weise Statt. Der Mann ist also nicht befugt, außer demjenigen, was die Kaiserlichen Rechte ihm verstatten, den Genießbrauch davon zu seinem eignen Nutzen sich anzumaßen, ob schon einige Rechts-Lehrer dieses denen deutschen Rechten gemäß halten wollen. Als wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht dahin erkannt hat.

Titel 73 § 31

§ 31. Es wird aber auch hiedurch denen gemeinen Rechten gemäß bestimmet, daß die der Frau wegen ihrer paraphernorum verliehene stillschweigende Hypothek bey Capitalien nicht eher ihren Anfang nimmt, als von der Zeit, da der Mann die Capitalien würklich erhoben und der Frau nicht berechnet hat.

Titel 73 § 32

§ 32. Haben Eheleute keine Ehestiftung errichtet, so gelten unter ihnen in Ansehung der Erbfolge die Rechte des Orts, welchem sie bey vollzogener Heyrath unterwürfig gewesen, wenn sie schon nachher an einem andern Ort sich niedergelassen haben.

Titel 73 § 33

§ 33. Wenn die Statuta der Städte in Unsern Landen unter bedingten und unbedingten Ehen einen Unterschied machen, mithin verordnen, daß Mann und Frau nur alsdenn sich beerben, wenn keine Ehestiftung vorhanden, so kann bey vorhandener Ehestiftung, es mag darin viel oder wenig oder auch nichts beschieden sein, die sonstige Erbfolge aus dem Statuto nicht eintreten.

Titul LXXIV. Von Mitgiften an liegenden Gründen.

Titel 74 § 1

§ 1. Da auch die Kaiserlichen Rechte dem Mann die Veräußerung eines von seiner Ehefrau zur Mitgift erhaltenen unbeweglichen Guts nicht einst mit deren Einwilligung gestatten, die Canonischen hingegen solche bey hinzugetretenem Eide der Frauen für gültig halten, so haben Wir gnädigst erwogen, daß es hiemit eben die Beschaffenheit als mit denen Verbürgungen der Ehe-Frauens für ihre Männer habe, und soll also auch hier demjenigen, was Wir wegen der Bürgschaften festgesetzet, nachgegangen werden.

Titel 74 § 2

§ 2. Wenn eine Frau ihrem Ehemann zur Mitgift ein Mann-Lehn für einen gewissen Werth zubringet, und der Mann hierauf damit allein beliehen wird, ist nach geendigter Ehe der Frau oder deren Erben nicht der nachherige Werth des Lehns, sondern nur, wie hoch es dem Manne zur Mitgift angerechnet worden, zu erstatten.

Titul LXXV. Von der Unterhaltung Andrer.

Titel 75 § 1

§ 1. Eltern und Kinder sind sich einander in ihrer Nothdurft zu unterhalten schuldig, doch ist auch bey unehelichen Kindern der Vater näher denn die Mutter.

Titel 75 § 2

§ 2. Wenn der angegebene Vater nicht leugnen kann, um die ungefehrliche Zeit der Erzeugung mit der Mutter zu thun gehabt zu haben, muß er die Unterhaltung schlechterdings übernehmen, wenn gleich die Mutter sich mit mehrern um solche Zeit abgegeben haben sollte, maßen durch solchen Anzug die Kinder ihres Unterhalts nicht beraubet werden können.

Titel 75 § 3

§ 3. Bey dem Unvermögen des Vaters und der Mutter mögen die GroßEltern ihre Hülfe nicht entziehen, wenn auch schon das Kind außer der Ehe erzeuget wäre. Doch ist jedesmahl der Großvater von väterlicher Seite der nächste. Die übrigen Groß-Eltem aber treten zu gleichen Theilen ein.

Titel 75 § 4

§ 4. Nicht allein leibliche Brüder und Schwestern, sondern auch Stief-Geschwister sind, wenn keine leibliche Geschwister vorhanden, mithin sie bey der Erbfolge die nächsten seyn würden, sich einander zu unterhalten schuldig.

Titel 75 § 5

§ 5. Da die Blödsinnigen und Wahnwitzigen über ihr Vermögen, wenn sie dergleichen besitzen, nicht testiren können, sondern solches denen nächsten Verwandten bleiben würde, so ist an der andern Seite auch billig, daß, wenn sie kein Vermögen haben, die nächsten Verwandten deren Unterhaltung über sich nehmen.

Titel 75 § 6

§ 6. Stirbt ein Vasall ohne Söhne, jedoch mit Hinterlassung einer oder mehrerer Töchter, und das Lehn fiele uns oder denen Lehns-Vettern anheim, so sollen die Töchter, wenn sie sonst ihren Unterhalt zu haben nicht vermögen, solchen sowol als einen anständigen Brautschatz aus dem Lehn bekommen.

Titel 75 § 7

§ 7. Wären eines Vasallen Güter um väterlicher oder großväterlicher Schulden willen in der Gläubiger Hände gerathen, so halten Wir billig, wie auch in der Calenbergischen Canzley-Ordnung bereits versehen ist, daß in solchem Fall, nicht aber, wenn er durch eigne Schuld herunter gekommen, er aus den Aufkünften des Lehns unterhalten werde. Doch ist hierin von Unsern Gerichten Mäßigung zu gebrauchen und nicht über die Nothdurft hinaus zu gehen.

Titel 75 § 8

§ 8. Gleichergestalt sind auch in diesem Fall des Vasallen Töchter aus dem Lehn zu unterhalten und auszustatten.

Titel 75 § 9

§ 9. Findel-Kinder muß diejenige Obrigkeit unterhalten, welche an dem Orte den Schutz hat und das Schutz-Geld genießet.

Titel 75 § 10

§ 10. Wer zur Unterhaltung verbunden ist, derselbe ist auch, wenn die Beerdigung aus des Verstorbenen eignen Mitteln nicht erfolgen kann, zu den Begräbniß-Kosten verbunden.

Titel 75 § 11

§ 11. Zur Unterhaltung gehöret auch, was zu Unterweisung in denen zur künftigen Versorgung nöthigen Künsten und Wissenschaften erforderlich ist.

Titel 75 § 12

§ 12. Die Unterhaltung ist auf keine gewisse Jahre einzuschränken, sondern sie gehet so lange fort, als der zu unterhaltende deren bedarf.

Titel 75 § 13

§ 13. Ist die Unterhaltung auf ein Gewisses an Gelde bestimmt, welches entweder das Jahr hindurch in Terminen oder jährlich überhaupt gereichet werden soll, so ist bey gesetzten Terminen jeder Termin so lange zum voraus zu bezahlen. Ist aber die Bestimmung überhaupt auf ein Jahr geschehen, so finden Wir dabey der Sache gemäß, daß die Leistung auf halbe Jahre getheilet und jedesmal ein halbes Jahr voraus bezahlet werde.

Titel 75 § 14

§ 14. Gleichwie aber das voraus Bezahlte nicht wieder zurückgefordert werden kann, also gehöret auch das von dem Termin noch nicht bezahlte zu des inmittelst Verstorbenen Nachlaß, ist jedoch vorzüglich zu dessen Beerdigung anzuwenden.

Titul LXXVI. Von Vormundschaften.

Titel 76 § 1

§ 1. Als Uns berichtet worden, daß es in Unsern deutschen Landen hergebracht sey, daß eine leibliche Mutter auch in Lehn- und Stamm-Gütern die Vormundschaft verlangen könne, so wollen Wir es zwar hiebey auch künftig lassen. Nachdem Wir jedoch erwogen haben, daß der eigentliche Grund der Mütterlichen Tutel in der Beerbung bestehet, ohnehin auch Mütter allein Gütern vorzustehen nicht im Stande sind, so wollen Wir, wie es auch in andern Ländern Deutschlands also gehalten wird, daß entweder der nächste Agnat oder Stamm-Vetter oder sonst ein andrer Vormund ihr zugeordnet werde.

Titel 76 § 2

§ 2. In Lehn- und Stamm-Gütern, worüber denen Stamm-Vettern zum Nachtheil durch einen letzten Willen nichts verordnet werden kann, müssen daher auch billig die Stamm Vettern die Last der Vormundschaft bis zu des Mündlings vollbürtigen Jahren behalten.

Titel 76 § 3

§ 3. Sonst aber soll es bey denen Kaiserlichen Rechten bleiben, daß die nächsten Verwandten dieses Amt nicht länger, als bis der Pflegebefohlne aus der Kindheit in die Pubertät getreten, zu behalten schuldig.

Titel 76 § 4

§ 4. Nach erreichten Jahren der Pubertät kann der Minderjährige sich selbst, außer bey Lehn und Stamm-Gütern, einen Pfleger wählen, und um dessen Bestätigung bitten. Es ist aber auch der bisherige Vormund außer Lehn- und Stamm-Gütern die Curatel beyzubehalten nicht schuldig. Doch muß sowol der Minderjährige gleich beym Eintritt in die Pubertät sich einen Curatorem ausbitten, als auch der bisherige Vormund solches zwey Monate vor Eintretung sothanen Alters seinen gefaßten Entschluß dem Gerichte anzeigen. Ist solches nicht geschehen, so dauert die Vormundschaft bis zum großjährigen Alter fort.

Titel 76 § 5

§ 5. Auch die von einem Vater durch ein Testament angeordnete Vormundschaft währet nur bis zu den Jahren der Pubertät.

Titel 76 § 6

§ 6. Da die nächsten Verwandten zur Vormundschaft zugleich ein Recht haben, so kann ihnen solches auch durch bloße Verträge des Vaters mit einem dritten nicht entzogen, noch überall dadurch die öffentliche Verfassung verändert werden.

Titel 76 § 7

§ 7. Wir vernehmen endlich, daß es auch bezweifelt werde, ob eine Mutter, welche nach den neuern Rechten selbst Vormünderin seyn kann, wenn sie binnen der in den Rechten vorgescbriebenen Zeit keinen Vormund für ihre Kinder erbeten, ihres Erbfolge-Rechts an der Pupillen Nachlaß alsdenn verlustig sey. Wie es aber durchaus zu höchst schädlichen Folgen gereichet, wenn eben dadurch der Waisen Zustand der Obrigkeit verborgen bleibet, inmaßen sodann auch die Abnahme der Rechnungen unterbleibet, also wollen Wir es darin durchaus bey denen Kaiserlichen Rechten bewenden lassen. Und ein Gleiches soll auch noch ferner bey denen nächsten Verwandten gelten, wenn sie bey des Vaters oder nachher der Mutter Absterben an demselben Ort und Stelle sich gefunden.

Titel 76 § 8

§ 8. Wir sind hiebey berichtet, daß unter denen Rechts-Lehrern viel Streit obwalte, ob eine leibliche Mutter in der Vormundschaft auch dem väterlichen oder mütterlichen Großvater vorgehe. Da das Justinianische Gesetz die Mutter und Großmutter hauptsächlich um der vorzüglichen Beerbung der Kinder vorzüglich zur Vormundschaft zulässet, so müssen Wir denenjenigen beytreten, welche die leibliche Mutter dem Großvater vorziehen. Dagegen Wir eine Großmutter dem Großvater allemal nachsetzen, und ihr auch keine Mit-Vormundschaft zugestehen mögen.

Titel 76 § 9

§ 9. Wenn nun auch ferner darüber Zweifel obwalten soll, ob eine Mutter, oder auch Großmutter, mit Anerbiethung ihrer selbst zur Vormundschaft warten könne, oder sich sofort nach des Vaters Tode dazu erklären müsse, so haben Wir gnädigst erwogen, daß ihre Schuldigkeit ist, denen Pupillen bey Verlust deren Erbschaft, wenn sie vor erreichter Pubertät sterben, sobald sie können, Vormünder in Vorschlag zu bringen, mithin es eine natürliche Folge wird, das Beste der Kinder es auch nicht anders leidet, als daß die Mutter oder Großmutter sogleich, wie sie nur können, nach dem Ableben des Verstorbenen zur Vormundschaft sich angeben müssen. Maßen denn widrigenfalls die Gerichte befugt seyn sollen, sofort von Amtswegen einen andern Vormund zu bestellen. Sollte jedoch das Gericht nach Beschaffenheit der Sache glauben, daß die Vormundschaft der Mutter oder Großmutter denen Kindern vorzüglich nützlich seyn könne, so hat dasselbe ihnen zu solchem Ende eine kurze Zeit zu setzen, und können sie nach deren Verlauf, wenn darauf ein andrer Vormund gesetzet worden, dazu weiter nicht zugelassen werden.

Titel 76 § 10

§ 10. Als gezweifelt werden will, ob gegen die Versehung der Kaiserlichen Rechte ein Ehemann heutiges Tages seiner unmündigen Ehefrau Vormund seyn könne, Wir aber nicht finden, warum an Orten und Enden, wo die Eheleute nicht in ungezweyetem Gute leben, für die Unmündigen jetzo weniger gesorget werden solle, da andergestalt dem Manne nur Gelegenheit, mit seiner Frauen Gütern übel zu schalten, gegeben wird, als soll hierin, wenn auf die gemeinen Rechte zu sehen, denen Kaiserlichen Rechten nachgegangen werden.

Titel 76 § 11

§ 11. Aus gleichem Grunde muß es ferner dabey verbleiben, daß auch der Schwiegervater seiner Schwieger-Tochter Vormund, so lange die Ehe dauert, nicht seyn dürfe.

Titel 76 § 12

§ 12. Wir mögen auch nicht wol absehen, warum die im würklichen Dienst stehende Soldaten wider die Vorschrift der gemeinen Rechte zu Vormundschaften gelassen werden sollten, da ohnehin eines Theils sie die Rechte nicht verstehen, andern Theils sie nur dadurch von der Ausübung ihres Diensts abgehalten werden.

Titel 76 § 13

§ 13. Wenn nun schon auch ferner die Rechts-Lehrer nicht gleiche Meinung hegen, ob ein Stiefvater zum Vormund angenommen werden könne, so pflichten Wir jedoch denenjenigen bey, welche dessen Zulassung denen Rechten gemäß halten.

Titel 76 § 14

§ 14. Wie in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung denen Räthen untersaget ist, andre Vormundschaften, als von ihren nächsten Verwandten zu übernehmen, also muß aus gleichem Grunde denen Räthen bey Unsern andern Justiz-Collegiis dieses auch nicht gestattet werden, da nicht allein Unser Dienst darunter leidet, sondern auch andre nachtheilige Folgen daraus entstehen können.

Titel 76 § 15

§ 15. Auch die Prediger in Unsern Deutschen Landen sollen nicht anders als bey ihren nächsten Verwandten zur Vormundschaft zugelassen werden.

Titel 76 § 16

§ 16. Wer an den Mündling auch nur vermeinet etwas zu fordern zu haben, muß solches vor Ubernehmung der Vormundschaft bey Verlust seiner Forderung anzeigen. Auch soll derjenige, an welchen der Mündling einen Anspruch hat, solches, und ob er des Anspruchs geständig sey oder nicht, vor Antretung der Vormundschaft dem Gerichte anzeigen. Unterlasset er solches, so ist der Anspruch für gestanden anzunehmen. Ist es aber auch eine an sich nicht zu bezweifelnde Schuld, so kann er gleichwol solchenfalls während der Vormundschaft nichts darauf bezahlen noch abrechnen.

Titel 76 § 17

§ 17. Was die ehrlosen Personen anlanget, so bestimmen Wir hiedurch, daß sie zwar nicht zu Vormündern anzunehmen seyn, jedoch, wenn sie dergleichen während der Vormundschaft sich zugezogen, deren auch nicht sofort zu entsetzen seyn, wenn sie nicht durch eine begangene Untreue ehrlos geworden sind.

Titel 76 § 18

§ 18. Wie in Ansehung der Entschuldigung von Vormundschaften die gemeinen Rechte bestimmt genug sind, also wollen Wir desfalls nur dahin eine nähere Erklärung geben, daß nur eine Zahl von 5 Kindern von Ubernehmung einer Vormundschaft befreyen könne.

Titel 76 § 19

§ 19. Wenn etwa der im Testament verordnete Vormund sich der Vormundschaft noch nicht unterziehen kann, muß inzwischen und bis dahin von der Obrigkeit ein andrer Vormund bestellet werden.

Titel 76 § 20

§ 20. Da derjenige, welcher vor völlig erreichten vogtbaren Jahren durch Landes-Fürstliche Gewalt der Vormundschaft enthoben und für mündig erkläret worden, dadurch nicht befugt wird, seine unbeweglichen Güter ohne Erkenntniß der Obrigkeit zu veräußern oder zu beschweren, so soll er auch zum Vormund nicht angenommen werden.

Titel 76 § 21

§ 21. Diejenige Obrigkeit bevormundet den Unmündigen, deren GerichtsZwang derselbe unterworfen ist, und der solchergestalt angeordnete Vormund stehet auch denen außer solchem Gebiet belegenen Gütern vor.

Titel 76 § 22

§ 22. Es können jedoch Eltern in ihrem letzten Willen auch eine andre Obrigkeit, welcher ihr Kind nicht unterworfen, um Bestellung eines oder mehrerer Vormünder ersuchen. Welchen Falls diese Obrigkeit in Ansehung der Vormundschaft eine gleiche Gewalt wie die ordentliche Obrigkeit bekömmt.

Titel 76 § 23

§ 23. Stehet aber die Vormundschaft durch den von der persönlichen Obrigkeit des Unmündigen angeordneten Vormund in Ansehung derer entfernt belegenen Güter nicht wol zu bestreiten, oder auch dieser Vormund verbäte es wegen solcher Entfernung, alsdenn ist die Obrigkeit, unter welcher die Güter belegen, zu ersuchen, in Ansehung dieser Güter einen Pfleger und Mit-Vormund zu bestellen.

Titel 76 § 24

§ 24. Auch derjenige, der des Unmündigen Obrigkeit nicht unterworfen ist, kann, wenn er will, von derselben sich zum Vormund bestellen lassen und unterwirft sich dadurch derselben in Ansehung der Vormundschaft, doch darf er unmittelbar nicht vorgeladen werden.

Titel 76 § 25

§ 25. Es ist Uns unterthänigst vorgetragen, daß es eine unter denen Rechts-Lehrern streitige Frage sey, ob so, wie ehedem nach denen Römischen Rechten, also auch noch heutiges Tages ein Tutor bey Schließung eines Handels oder Vomehmung eines Geschäfts selbst gegenwärtig seyn und durch seinen Willen darüber sogleich die Bestätigung ertheilen müsse, oder ob auch eine nachherige Genehmigung das Vorgegangene bekräftige, auch, ob sogar bey denen Curatoren der Minderjährigen dasselbe eintrete. Nun kann es zwar nicht so angesehen werden, als wenn jemand das in seinem Namen Geschehene nachher genehmiget, mithin dadurch der Handel als von Anfang gültig zu halten sey. Es ist jedoch gleichwol als ein neuer Handel anzusehen, welcher nunmehro von Zeit der Genehmigung an seine Gültigkeit erreichet und den Pupillen verbindet. Bey Minorennen aber kommt es nur darauf an, ob sie gegen eine an sich denen Rechten nach gültige Sache wieder in vorigen Stand zu setzen seyn. Und da diese Rechtswolthat auch bey des Curatoren Einwilligung ihnen, wenn sie verletzet worden, nimmer zu versagen stehet, so muß es in deren Absicht gleichgültig bleiben, ob des Curatoren Einwilligung gleich Anfangs vorhanden gewesen oder erst nachher erfolget sey.

Titel 76 § 26

§ 26. Wir haben zwar vernommen, daß viele neue Rechtslehrer dem Vormunde, es mögen die Pflegebefohlne die Jahre der Pubertät überschritten haben oder nicht, freye Macht verstatten, ohne Zuziehung derselben alles für sich selbst zu thun. Wie aber dieses außer denen bis auf das siebente Jahr sich erstreckenden, noch nicht gnug sprachfähigen Kinderjahren denen gemeinen Rechten ganz zuwider ist, überdem auch es aufs künftige von großem Nutzen seyn kann, wenn die Unmündigen von den Umständen der Sache zugleich unterrichtet werden, also sollen die Pflegebefohlnen allemal zu der Sache zugezogen werden, und ohne deren Wissen und Einstimmung von dem Vormunde nichts geschehen, als welches auch diesem selbst künftig zu größerer Beruhigung gereichen kann.

Titel 76 § 27

§ 27. Ob wol einem Vormunde bey ermangelndem andern Beweise denen gemeinen Rechten nach frey stehet, des Pflegebefohlnen Wiedersacher einen Eyd zuzuschieben, so können Wir doch die daher genommene Folge, daß er auch in anzustellenden oder zu gewartenden Rechts-Händeln von dem ordentlichen Richter abgehen und in ein Compromiß, es sey auf Privat-Personen oder auch einen andern Richter, wenn es auch schon der Oberrichter wäre, gerichtet, sich einlassen möge, nicht billigen, sondern Wir erklären dergleichen außerhalb der Vormünder Gewalt, mithin für null und nichtig, immaßen Wir hiebey erwogen haben, daß, da eines Theils die Obrigkeit die Ober-Vormundschaft führet, dergleichen Abweichung von der öffentlichen Verfassung also nicht von dem Gutfinden eines Vormundes abhängen kann, zumahl er auch glauben muß, bey dem ordentlichen Gericht Recht und Gerechtigkeit zu erhalten, andern Theils aber auch, wenn er schon auf das höhere Gericht compromittiret, seine Pflegebefohlnen alle sonst habende Rechts-Mittel, und daß sie die Sache besser und mit mehrern und neuen Gründen vorstellen können, verlieren, und nach der Natur eines Compromisses sich schlechterdings mit dem abgegebenen Erkenntniß würden begnügen müssen. Was inzwischen desfalls bishero vorgegangen, darunter ist allerdings denen Pflegebefohlnen das Rechts-Mittel der nachzusuchenden Wiederherstellung in den vorigen Stand zu verstatten.

Titel 76 § 28

§ 28. Ob zwar die neuesten Kaiserlichen Rechte einem Schuldner außer Renten und jährlichen Pensionen nicht verstatten, ohne gerichtliches Erkenntniß eine Schuld an den Vormund abzutragen, so finden Wir jedoch, daß dieses, wenn die Schuld auf klaren Siegeln und Briefen beruhet, der jetzigen Beschaffenheit des Credit-Wesens sehr nachtheilig seyn, und viele vergebliche Kosten nach sich ziehen würde, auch um so weniger weiter nöthig seyn kann, als außer der sonst von dem Vormund erforderten Sicherheit auch durch die jährlich abzulegende Rechnungen für die Unmündigen hinlänglich gesorget wird. Wir lassen demnach zu, daß eine auf klaren Siegeln und Briefen beruhende Schuld ohne richterlichen Bescheid dem Vormund ausgezahlet werden möge, jedoch daß dabey keine andre, als gleichfalls auf klare Scheine und Quitungen gegründete Abrechnung Statt finde, und zugleich die letzte Zins-Quitung des Verstorbenen mit ausgeliefert und von dem Vormund seiner Rechnung beygefüget werden. Ist sodann dabey nichts zu erinnern, so bleibt der Schuldner, andergestalt aber nicht, befreyet.

Titel 76 § 29

§ 29. Damit nun für die Bevormundung der Unmündigen desto sichrer gesorget werde, so haben Wir Unsern Consistoriis aufgegeben, die sämmtliche Prediger im Lande durch allgemeine Ausschreibens dahin anzuweisen, gleich nach dem Sterbfall und wenigstens 8 Tage nach der Begräbniß das Absterben sowol, als auch, ob er unmündige Kinder, und wie viele, hinterlassen, der Obrigkeit, worunter sie gesessen, mithin bey Schriftsässigen denen Canzley- und Hof-Gerichten zugleich anzuzeigen, damit dieselbe deren Bevormundung unausgesetzt beschaffen mögen. Wobey zugleich der Obrigkeit zu vermelden ist, ob die Unmündigen annoch mit einer leiblichen Mutter oder Groß-Vater oder GroßMutter versehen seyn.

Titel 76 § 30

§ 30. Ob gleich in denen Reichs-Gesetzen heilsamlichst verordnet worden, daß die Obrigkeiten von denen Vormündern alle Jahre Rechnung einnehmen sollen, so vernehmen Wir doch ungern, daß darüber der Gebühr nach nicht gehalten werde, mithin daraus zu Zeiten gar große Beschwerlichkeiten, Schaden und Weiterungen entstehen. Wir finden Uns demnach genöthiget, Unsern sämmtlichen Gerichten, wie auch denen Städte- und Patrimonial-Gerichten solches ernstlich einzuschärfen, mit dem Bedeuten, daß sie selbst allenfalls für allen denen Pflegebefohlnen daraus entspringenden Schaden schlechterdings einstehen sollen. Wie denn auch der Vormund, welcher dawider handelt, und nicht wenigstens 2 Monat nach jedesmal abgelaufenem Jahre seine Rechnung einsendet, wenigstens in 10 Rtl. Strafe für ein jegliches Jahr verfallen seyn soll.

Titel 76 § 31

§ 31. Ob nun wol auch schon in dem Vormundschafts-Eyde enthalten ist, daß der Vormund sofort ein richtiges Inventarium des Nachlasses verfertigen solle, als welches auch ohnehin der Grund der nachher abzulegenden Rechnung ist, so halten Wir jedoch dienlich und wollen, daß die Obrigkeit vor Ableistung des Eides dieses, und was es mit dem Inventario für eine Beschaffenheit habe, und wie solches zu verfertigen sey, deutlich erkläre, und diese Erklärung, wie sie geschehen, zu Protocoll fasse, das Protocoll aber zugleich dem Vormund zu dessen Nachricht abschriftlich mittheile.

Titel 76 § 32

§ 32. Da auch die gemeinen Rechte bey unterlassener Verfertigung eines Inventarii den Minderjährigen nachhero zum Juramento in litem zulassen, so bestätigen Wir nicht allein solches, sondern wollen auch in diesem Fall keine richterliche Ermäßigung Statt finden lassen.

Titel 76 § 33

§ 33. Es soll aber auch überdem der Vormund, wenn er nicht wenigstens binnen 4 Wochen nach seiner Bestätigung zu Verfertigung eines Inventarii geschritten, in eine Geldstrafe von 50 Rtl. genommen werden. Welches ebenfalls dem Vormunde bey der Beeidigung von dem Gerichte anzudeuten ist.

Titel 76 § 34

§ 34. Ist nun auch gleich ein Vormund vom Vater von der RechnungsAblage befreyet, und der Vater hätte, um etwa seine Vermögens-Umstände unbekannt zu erhalten, die Beschreibung eines Inventarii in seinem Testament wol gar verboten, so muß der Vormund gleichwol nicht allein beeidiget werden, ehe er der Vormundschaft sich unterziehen kann, sondern er muß auch nichts destoweniger ein getreues Verzeichniß, als wie er dessen vor Abnahme des Eides zu verständigen ist, von dem gesammten Vermögens-Zustand verfertigen, und darnach Rechnung ablegen, jedoch solchergestalt, daß es mit ihm nicht nach der Strenge des Rechts zu nehmen, sondern bloß darauf zu sehen, ob ihm ein Betrug, oder eine demselben gleich kommene große Nachlässigkeit zur Last falle.

Titel 76 § 35

§ 35. überhaupt sind auch die Vormünder vor der Eides-Abnahme von ihren künftigen Vormundschafts-Pflichten zu unterrichten, insonderheit zu belehren, daß sie in der künftig abzulegenden Rechnung nach der Ordnung des Inventarii zeigen müssen, was von denen angezeichneten Sachen annoch vorhanden, oder was etwa davon zu Gelde gemacht oder sonst nutzbar verwandt worden, daß sie die etwanige Zinsen oder andre Einkünfte zu der rechten Verfall-Zeit sofort einmahnen und damit nicht über acht Tage warten, sondern nach deren Verlauf sofort den HauptStuhl kündigen, und wenn nach geschehener Einmahnung die Zinsen oder Renten alsdann binnen 8 Tagen noch nicht einlangen, dieserhalb zur gerichtlichen Klage schreiten. Ferner sind sie anzuweisen, jede Ausgabe, wenn sie über einen Thaler sich erstrecket, mit Quitungen zu belegen, auch wenn sie des Jahrs einen Uberschuß haben, welchen sie nach geschehener Kundmachung in denen öffentlichen Intelligenz-Blättern sicher zinsbar unterzubringen nicht wissen, solchen vorerst bey dem Gerichte niederzulegen. Wesfalls davon keine Depositen-Gebühren genommen werden sollen.

Titel 76 § 36

§ 36. Da auch nach der einer Mutter in Unsern Gerichts-Ordnungen vorgeschriebenen Eides-Formel dieselbe zugleich des Senatus-Consulti Vellejani, auch aller und jeder anderer Begnadigung und Wohlthat der Rechte sich verzeihen soll, so ist auch dieses vorher derselben gebührend zu erklären, und ihr zu eröffnen, wie die Verzeihung des SCti Vellejani um deßwillen von ihr erfordert werde, damit, wenn sie etwan ganz oder auch zugleich auf ihren eignen Credit für ihre Kinder contrahire, mithin sich zugleich selbst bürglich einlasse, sie mit solcher Rechtswolthat gegen die Zahlung sich nicht schützen könne, und daß übrigens sie auch nie auf eine dem weiblichen Geschlechte sonst gewissermaßen zu statten kommende Unwissenheit der Rechte sich berufen wollen.

Titel 76 § 37

§ 37. Einem Vormunde muß nebst Erhaltung der Pfleglinge Vermögens nichts mehr am Herzen liegen, als die ihm anvertraute Jugend in Gottesfurcht, Tugenden und nöthigen Wissenschaften zu bilden. Töchter müssen nun zu solchem Ende, wenn sie nicht bey der Mutter oder Großmutter bleiben oder bey nahen Verwandtinnen unterzubringen, an andern bequeme Orte zur Erziehung hingethan werden. Was aber die Söhne betrifft, so müssen zwar die Vormünder dafür sorgen, daß sie auch schon in den ersten Jahren der Kindheit den Unterricht, dessen sie fähig sind, erhalten. Mit 6 Jahren sind aber gemeiner Leute Kinder in Städten in die öffentlichen Schulen zu schicken, und auf dem Lande in die Dorfschulen, und die Vormünder haben sich wohl darnach zu erkundigen und darauf zu sehen, daß dieses genau beobachtet werde. Wie sie denn auch bey den Töchtern darauf genaue Acht nehmen müssen, wenn sie schon der Mutter oder Verwandtinnen gelassen worden. Was aber andere Söhne, auch derer von Adel, auf dem Lande oder in Städten anlanget, so halten Wir Uns verbunden, aus Landesväterlicher Sorgfalt deren Uns noch besonders anzunehmen, wie dem gemeinen Wesen an deren, und zwar zugleich frühzeitigen Formirung zum allerhöchsten gelegen ist, also mögen zwar die Vormünder, wenn das Vermögen es zulässet, dem Sohn alsdenn einen eignen Lehr-Meister zugeben. Sind aber die Vermögens-Umstände nicht so beschaffen, so sind sie in die Städte zu geben, damit sie in den öffentlichen Schulen Unterricht erlangen. Hat nun hierauf ein Sohn das 14te Jahr erreichet, so soll er, wenn er keine Brüder hat, daß man einen gemeinschaftlichen Lehrmeister beybehalte, nicht mehr bey dem Privat-Lehrmeister gelassen, sondern in die öffentlichen Schulen gesandt werden, da wir es der Einsicht der Vormünder nur gar zu selten Zutrauen können, die Fähigkeit des Privat-Lehrmeisters zu beurtheilen. Doch wollen Wir in dem Fall, wenn die Vormünder verständige Leute darunter zu Rathe ziehen, dieselben darin nicht einschränken. Es sollen auch die Vormünder nicht allein, wenn die Söhne denen öffentlichen Schulen nicht anvertrauet werden, alljährlich durch einen öffentlichen gelehrten Schullehrer oder den Prediger des Orts oder einen andern tüchtigen Mann ihres Pflegebefohlnen Anwachs in Wissenschaften prüfen lassen, sondern auch, wenn sie denen öffentlichen Schulen überlassen sind, alle Jahre ein Zeugniß und Gutachten von denen öffentlichen Lehrern verlangen, ob die Untergebenen in Wissenschaften etwas versprechen oder nicht, da denn letztem Falls die Vormünder das gemeine Wesen mit ihm als einem künftigen schlechten Gelehrten nicht zu beschweren, sondern ihn nach Beschaffenheit seiner Neigung und Fähigkeit, ohne jedoch außer der Gerichte Zustimmung ihn zu etwas gewisses zu nöthigen, in ein anders Feld zu setzen haben. Ist auch der Pflegebefohlne auf Universitäten, so haben gleichfalls die Vormünder wegen seines Verhaltens und Fleißes sich sorgfältig zu erkundigen und, so viel möglich, Abänderung darunter zu treffen, weniger nicht, daß sie darunter alle Sorgfalt angewandt, bey Ablegung ihrer Rechnung glaubhaft darzuthun.

Titel 76 § 38

§ 38. Hat ein Vormund seiner Mündlinge Gelder an solche Personen ausgeliehen, welche durchgehends Credit gehabt haben, so ist ihm desfalls kein Vorwurf zu machen, immaßen denn auch um des gemeinen Besten willen die Pflichten der Vormünder nicht zu erschweren sind. Es ist auch denen Gerichten nicht anzumuthen, daß sie bey Ausleihung der Capitalien, sofern denselben nicht aus ihren Acten und Ingrossations-Büchern der Vermögens-Zustand des Schuldners bekannt ist, einen sie sonst zugleich mit treffenden Rath oder gar Einwilligung ertheilen.

Titel 76 § 39

§ 39. Wenn die Vormundschaftliche Rechnungen von der Obrigkeit abgenommen worden, und der Vormund darüber quitiret ist, können die Unmündigen darüber nicht weiter als binnen denen in den Rechten vorgeschriebenen 4 Jahren nach erlangter Großjährigkeit dawider in vorigen Stand gesetzet zu werden suchen, um zu zeigen, daß sie durch solche Quitirung verkürzet seyn.

Titel 76 § 40

§ 40. Nach geendigter Vormundschaft und übergebener Rechnung muß der neue Curator oder der Großjährige selbst alles dasjenige, was bisher dem abgegangenen Vormund abgelegen, besorgen.

Titel 76 § 41

§ 41. Fänden sich auch in des abgegangenen Vormundes Rechnungen Restanten, so muß der Großjährige oder der neue Curator solche eintreiben, und kann der vormalige Vormund desfalls weiter nicht besprochen werden, als wenn durch die von ihm unterlassene Beytreibung ein wahrer Schade für die Pflegebefohlnen sich zu Tage leget, daß nämlich der Nachstand ganz oder zum Theil verloren gehet.

Titel 76 § 42

§ 42. Bey Veräußerung derer Unmündigen unbeweglichen Güter wird zwar aus denen gemeinen Rechten sehr bezweifelt, ob dieselbe auch wegen eines offenbar erscheinenden Nutzens des Unmündigen Statt finde, und ob die Obrigkeit auch in diesem Fall die Erlaubniß dazu ertheilen könne. Wie aber bereits von Unsers in Gott ruhenden Herrn Großvaters Majestät festgestellet ist, daß der offenbare Nutze der Unmündigen dazu hinreichend sey, also wollen Wir solches hiedurch nochmals bestätigen.

Titel 76 § 43

§ 43. Ob schon die gemeinen Rechte die Vormundschaft als ein solches Amt ansehen, wofür keine Vergütung verlanget werden könne, so finden Wir es jedoch außer der nächsten Verwandten Vormundschaft, weil solche sich in der zu erwartenden Erbschaft gründet und zugleich zu ihrem eignen Besten gereichet, für billig, daß dem Vormunde für seine Mühe eine Ergetzlichkeit gereichet werde, und der gemeine Nutze erfordert diese Aufmunterung. Wie Wir nun auch berichtet worden, daß in solchen Fällen es in Unsern Gerichten also gehalten werde, also wollen Wir solches hiedurch bestätigen.

Titel 76 § 44

§ 44. Ob auch schon ferner die gemeinen Rechte dem Vormund wegen seines gethanen Vorschusses in des Unmündigen Gütern kein Unterpfands-Recht beylegen, so kann er jedoch diesen Vorschuß nicht allein von dem unter sich habenden Vermögen des Unmündigen vor dessen Ablieferung abziehen, sondern auch, wenn er aus Irrthum zu viel abgeliefert, so viel zur Zurückbehaltung zurückfordern, und er ist dadurch vor allen andern Gläubigern seiner Schadloshaltung versichert.

Titel 76 § 45

§ 45. Da aber auch ein Vormund in Unsern Landen bey ausdrücklicher Verpfändung seiner Güter gerichtlich bestellet wird, so sollen dahero auch die Unmündigen, wenn auch schon von der Obrigkeit die Beobachtung dessen unterlassen worden, dennoch in des Vormunds Gütern eine öffentliche und gerichtliche Hypothek haben.

Titel 76 § 46

§ 46. Wir wollen übrigens auch nicht, daß bloß auf des Vaters oder der Mutter Zeugniß ein Kind für mündig erkläret werde, da Eltern die Fehler ihrer Kinder theils nicht erfahren, theils geringer halten und übersehen, mithin dadurch der Unmündigen wahres Beste nicht befördert wird.

Zum Titul von Vormundschaften. Veränderter Titel § 42.

Ob auch wol nach denen Gemeinen Rechten die Obrigkeit in eine Veräußerung derer Unmündigen unbeweglichen Güter nur alsdenn willigen kann, wenn sich findet, daß eine dringende Noth solches erfordern, nicht aber, wenn bloß ein scheinbarer Nutze dadurch gewonnen werden soll, so ist doch bey Bergtheilen und Häusern schon vorhin in Unsern Landen solches auch um der Verträglichkeit willen zugelassen. Welches wir demnach bestätigen, jedoch auf Äcker und andre liegende Gründe nicht gezogen wissen wollen.

Titul LXXVII. Von Testamenten und letzten Willen überhaupt.

Titel 77 § 1

§ 1. In Ansehung der letzten Willens-Verordnungen, sowol der Testamente, als Codicillen, lassen Wir es in Ansehung sowol der äußerlichen als innerlichen Zierlichkeiten bey demjenigen, was desfalls in denen gemeinen Kaiserlichen Rechten versehen ist, schlechterdings bewenden.

Titel 77 § 2

§ 2. Wir billigen jedoch hiebey die Meinung der Rechts-Lehrer, daß es überhaupt bey der Frage, ob ein Testament in seinen Zierlichkeiten bestehe, auf die Rechte desjenigen Orts ankomme, wo das Testament errichtet worden.

Titel 77 § 3

§ 3. Bey einem von der gehörigen Anzahl Zeugen würklich besiegelten und unterschriebenen Testament ist so lange zu glauben, daß alles in der von den Rechten bestimmten Feyerlichkeit geschehen sey, bis durch die eidliche Vernehmung der Zeugen das Gegentheil und ein Mangel dargeleget wird.

Titel 77 § 4

§ 4. Wenn jemand seinen in einem Umschläge verschlossenen letzten Willen zwar nicht eigenhändig geschrieben, jedoch entweder unterschrieben oder doch auf dem verschlossenen äußerlichen Umschläge in Gegenwart der erforderlichen Zeugen bezeuget, daß darin sein letzter Wille enthalten sey, anbey zugleich auf eben diesem Umschläge es von den Zeugen besiegeln und bekräftigen lässet, so ist es für einen nach äußerlichen Zierlichkeiten gültigen letzten Willen zu halten.

Titel 77 § 5

§ 5. Nachdemmalen bey denen gerichtlich niedergelegten, insonderheit auch in Unsern Landen sehr gebräuchlichen Testamenten mehrmalen verschiedene Zweifel vorgefallen sind, als haben Wir gut gefunden, hierunter einige nähere Bestimmungen zu machen.

Titel 77 § 6

§ 6. Wir setzen nun zuförderst, daß, wie auch Unser Ober-AppellationsGericht verschiedentlich bisher, als denen gemeinen Rechten gemäß, erkannt hat, daß diejenigen, welche ihren letzten Willen gerichtlich stiften wollen, solches vor einer jeden Obrigkeit, welche sie dazu erwählen, verrichten mögen, ob sie schon unter derselben Gerichtszwang nicht gesessen sind.

Titel 77 § 7

§ 7. Es ist auch bey dieser Errichtung genug, wenn entweder die Übergabe eines schriftlich gefaßten Testaments in die Hände einer auf das Protocoll beeidigten Gerichts-Person geschiehet, oder auch ein von Mund ausgeflossenes Testament durch deren Niederschrift beglaubiget wird, es mag im oder außer dem Gericht geschehen seyn. Wie Wir denn auch ein von zwey beeidigter Gerichts-Schöppen ohne Protocoll aufgenommenes und an das Gericht überbrachtes Testament, gleich solches in dem Zellischen und mehrern Stadt-Rechten versehen ist, genehm gehalten wissen wollen.

Titel 77 § 8

§ 8. Wenn demnach ein Edelmann, welcher mit den Gerichten versehen ist, vor seinem eignen beeidigten Gerichts-Verwalter ein Testament schrift- oder mündlich abgiebet, ist solches, gleichwie auch Unsre Gerichte bisher dahin erkannt haben, zu Recht beständig. Und ein gleiches tritt ein, wenn ein Beamter von dem ihm vertraueten Gericht einer andern dabey bestellten und beeidigten gerichtlichen Person sein Testament übergiebet.

Titel 77 § 9

§ 9. Als Wir auch nicht finden, daß durch Annehmung eines letzten Willens, wobey es bloß auf die ungezweifelte Beglaubigung desselben ankommt, eine Gewalt in einem fremden Gebiet oder Gerichts-Bezirk ausgeübet werde, Unser Ober-Appellations-Gericht auch verschiedentlich dahin erkannt hat, so wollen Wir auch diese Meinung in Unsern Gerichten befolget wissen, daß alle Testamente und letzte Willens, wenn sie auch schon in einem fremden, und von Auswärtigen in Unserm Gebiete angenommen worden, für zu Recht beständig gehalten werden sollen.

Titel 77 § 10

§ 10. Es ist zur Beständigkeit eines gerichtlichen Testaments durchaus genug, daß der Testirer, wenn derselbe nur Schreibens nicht unerfahren ist, bey der Übergabe auch eines verschlossenen Testaments zu Protocoll bezeuget, daß darin sein letzter Wille enthalten sey, und soll alsdenn über die Richtigkeit der Niederschrift überall kein Rechtsstreit, noch der ohne Testament eintretenden Erben eidliche Entkennung des Testirers Hand zugelassen werden.

Titel 77 § 11

§ 11. Wir haben Uns hiebey berichten lassen, daß in denen Gerichten darunter große Zweifel obwalten, ob ein Testament durch einen Gevollmächtigten gültiger Weise gerichtlich übergeben werden könne. Nachdem Wir diese Frage reiflich erwogen, so setzen Wir hiemit, daß dergleichen Übergabe nicht anders bestehen solle, als wenn die Gevollmächtigte oder Überbringer zum Dienst des Testirers und zur Treue gegen denselben beeidigte Personen sind.

Titel 77 § 12

§ 12. Wann ein gerichtlich übergebenes Testament von dem Testirer nachher aus dem Gericht zurückgenommen wird, verlieret es dadurch allein seine Gültigkeit nicht, wenn der Testirer es nicht erbrochen hat, noch sonst erscheinet, daß er es durch die Zurücknehmung aufheben wollen.

Titel 77 § 13

§ 13. Ein außergerichtlich vor Notarien und Zeugen angeordnetes Testament bleibet, wenn es schon bey dem Ableben des Testirers nicht vorhanden ist, gültig, wenn dessen Zierlichkeit und Inhalt sonst erwiesen werden kann und alle Vermuthung aus dem Wege geräumet worden, daß der Testirer es selbst vernichtigen wollen, als wie solchergestalt auch Unser Ober-Appellations-Gericht einst erkannt hat.

Titel 77 § 14

§ 14. Diejenigen, welche taub und stumm von Natur sind, mögen zwar nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten überall keine letzte WillensVerordnung noch andre Schenkung vornehmen. Da jedoch dergleichen Personen Verstand undVernunft nicht abzusprechen stehet und dieselben durch ungezweifelte äußerliche Zeichen ihre Meinung mit Gewißheit zu erkennen geben mögen, dahero auch bereits unter Unsers Herrn Großvaters Maj. Regierung nach gnugsam untersuchter Sache ein solches Testament bestätiget worden, so behalten Wir uns und Unsern Nachfolgern an der Regierung dergleichen ferner bevor.

Titel 77 § 15

§ 15. Wenn ein Schreibens-Unerfahmer seinen letzten Willen schriftlich errichten will, ist es nicht genug, daß solcher im Gericht übergeben oder vor acht Zeugen vollzogen werde, sondern Wir nehmen hiebey die Meinung dererjenigen Rechts-Lehrer an, welche zugleich erfordern, daß zu Verhütung alles Betrugs die ganze Niederschrift dem Testirer im Gericht oder außergerichtlich von einem beeidigten öffentlichen Schreiber, in Gegenwart des Testirers und sieben Zeugen, falls aber ein solcher öffentlicher Schreiber nicht wol zu haben, durch einen achten Zeugen unter Beobachtung sämmtlicher Zeugen verlesen, und von dem Testirer als seine letzte Willens-Meinung bekräftiget werde. Welchen Falls die Zeugen, daß solches geschehen, sämmtlich bey ihrer Unterschrift bezeugen müssen.

Titel 77 § 16

§ 16. Eine gleiche Vorlesung, wie bey einem Blinden und des Schreibens imerfahrenen muß auch alsdann geschehen, wenn der Testirer ein von ihm selbst nicht niedergeschriebenes Testament oder andern letzten Willen Krankheits und Schwachheit halber selbst nachzulesen nicht im Stande ist.

Titel 77 § 17

§ 17. Wer mit einer hitzigen Krankheit befallen ist, worin er den Gebrauch seiner Vernunft nicht frey behält, kann nicht anders eine letzte Willens-Verordnung machen, als wenn desselben Arzt eidlich bezeuget, daß er zu solcher Zeit vollkommen bey Verstand und Vernunft gewesen. Welches Zeugniß jedoch nicht angenommen werden kann, wenn er dem Arzt selber etwas vermachet oder geschenket hätte.

Titel 77 § 18

§ 18. Nachdem Wir Uns auch berichten lassen, daß die Rechtslehrer darunter nicht einerley Meinung hegen, ob ein zum gottseligen Gebrauch errichtetes Testament, so weit es diese Absicht betrifft, nachdem sonst in diesem Stücke durchgehends angenommen Canonischen Rechte auch ohne alle Zeugen aus einer bloßen unbez weif eiten Niederschrift des Testirers bestehe, Unser Ober-Appellations-Gericht aber bereits verschiedentlich dahin erkannt hat, daß die Zahl der Zeugen nur auf zwey oder drey eingeschränket, im übrigen aber sowol die Ersuchung der Zeugen zu einem letzten Willen, als die übrigen Feyerlichkeiten der Kaiserlichen Rechte beybehalten worden, so wollen Wir solche Erklärung hiemit bestätigen.

Titel 77 § 19

§ 19. Ob denen zum Tode Verdammten, und zwar zugleich von dem Tage der ersten Verdammung, die Freiheit zu testiren annoch zustehe, soll, wie Wir vernehmen, von denen Rechtslehrern selbst aus denen gemeinen Kaiserlichen Rechten zweifelhaft gehalten werden, Wir pflichten gleichwol in denen Fällen, wo es auf keine in Unsern Schatz zugleich verfallene Güter ankommt, derjenigen Meinung bey, daß solche Personen einen letzten Willen anzuordnen nicht vermögen, sondern ihr etwaniger Nachlaß nach Ordnung der Gesetze denen durch sie verordneten Erben bleibe.

Titel 77 § 20

§ 20. Da auch in einem Theil Unsrer Lauenburgischen Lande, besonders in Unser Stadt Möllen, das Lübecksche Stadt-Recht durch Gewohnheit hergebracht worden, nach demselben aber keine Testamente noch Schenkungen auf den Todesfall gelten sollen, als wenn zuvor vom gewonnenen Gute denen nächsten Erben vier Schilling acht Pfennig gegeben worden, hiebey aber die Frage vorgefallen, wie weit in diesem solchenfalls verstatteten Widerspruch die Erben nach Graden der Verwandtschaft begriffen und ob sie über die im Lübischen Stadt-Recht L. 2 Tit. 2 § 1 benannte Personen, worin alle Erben und Erbnehmen beschlossen seyn sollen, auf alle sonst nach denen gemeinen Rechten ohne Testament eintretende Personen zu erstrecken seyn, diese Frage auch unter denen Auslegern des Lübeckschen Rechts selbst sehr zweifelhaft gehalten wird, Unser Ober-Appellations-Gericht aber in einem davon aus der Stadt Möllen vorgekommenen Fall erkannt hat, daß ein solches ganz besonders Widerspruchs-Recht der nächsten Erben nicht über die im Lübeckschen Stadt-Recht selbst dafür erklärten Erben, womit alle Erben und Erbnehmen in solchem Betracht geschlossen seyn sollen, auszudehnen sey, als wollen Wir auch diese Auslegung künftig befolget wissen.

Titel 77 § 21

§ 21. Uber die in einigen Unsrer Lüneburgischen Städte, besonders Lüneburg und Uelzen, befindliche Erb-Güter findet, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat, zum Nachtheil der sonst eintretenden nächsten Erben keine letzte Willens-Verordnung Statt.

Titel 77 § 22

§ 22. Uber Stamm-Güter, welche zwar außer dem Herzogthum Bremen in Unser deutschen Landen kaum noch zu finden seyn werden, hat auch zum Naditheil der nächsten Erben und Stamm-Vettern eine testamentarische Verordnung nicht Statt.

Titel 77 § 23

§ 23. Was aber Familien-Fideicommisse betrifft, so hat es zwar dabey sein Bewenden, daß, wenn dieselben in eines ehemaligen Testirers Verordnung sich gründen, selbige schlechterdings zu befolgen sey, und der Besitzer dagegen denen mit dazu berufenen, auch seinen eignen Kindern zum Nachtheil durch einen letzten Willen nichts widriges verordnen könne. Wenn jedoch fideicommissa familiae durch Verträge unter mehrem Brüdern oder Vettern errichtet sind, so erachten Wir, daß es bloß darauf ankomme, ob des ehemaligen Mit-Paciscenten Nachkommen ein Nachtheil dadurch entstehe, und daß, wenn nur annoch eine Linie der ehemaligen Paciscenten übrig ist, der Besitzer aus dieser Linie darüber ungehindert testiren möge.

Titel 77 § 24

§ 24. Unter seinen Söhnen kann ein Vater auch über Altväterliche Lehngüter testiren. Wie solchergestalt auch bey Unserm Ober-AppellationsGericht erkannt ist.

Titel 77 § 25

§ 25. Nachdem Uns auch vorgetragen worden, wie verschiedene Rechtslehrer dafür halten, daß ein zu Recht nicht beständiges Testament als eine Schenkung unter den Lebendigen bestehe, wenn der Testirer gewollt, daß es auf solchen Fall also gelten solle, dergleichen Anhang aber schon einst von Unserm Ober-Appelations-Gericht als widersprechend verworfen worden, so soll darnach auch künftig erkannt werden.

Titel 77 § 26

§ 26. Vielweniger kann aber dergleichen Anhang ein Testament unwiderruflich machen.

Titel 77 § 27

§ 27. Wir wollen nun zwar auch gern geschehen lassen, daß die sogenannte Clausula codicillaris beybehalten werde, nach welcher ein Testirer wünschet, daß, wofern sein Testament nicht als ein zierliches Testament bestehe, es jedoch als ein Codicill, oder andre Verordnung wie ein letzter Wille erhalten werden möge. Es kann jedoch dergleichen von gar keiner Kraft seyn, wenn Kinder vorbeygegangen sind oder auch in Ansehung ihrer oder andrer Personen die Erbeinsetzung nicht bestehet. Und überhaupt kann die Würkung nur diese seyn, daß wegen Mangels der äußerlichen Feyerlichkeiten oder wenn es an einer Erbeinsetzung ermangelt, ein Codicill angenommen werde.

Titel 77 § 28

§ 28. Wie es auch im Grunde zu Abschaffung aller Feyerlichkeiten der Testamente gereichen würde, wenn bey jedem Testament eine stillschweigende Clausula codicillaris anzunehmen wäre, also können Wir die Meinung derer dahin abzielenden Rechts-Gelehrten nicht billigen.

Titel 77 § 29

§ 29. Als ferner unter den Rechtslehrem über die Würkung der sogenannten clausulae derogatoriae sehr gestritten wird, da nämlich ein Testirer verordnet, daß kein dem erstem zuwider laufendes späteres Testament gelten solle, auch wol gar solches eidlich bekräftiget, und dann bereits große Rechtsgelehrte angemerket, daß dergleichen gemeiniglich nicht von dem Testirer selbst, sondern von des eingesetzten Erben Veranlassung herrühre, mithin dieselbe als zugleich denen gemeinen Rechten zuwider abzuschaffen gewünschet, so erklären Wir selbige nicht anders von einiger Würkung, als wenn ein Testirer besorgen müssen, daß er durch Andringen und Zusetzung andrer Personen zu Errichtung eines andern letzten Willens werde genöthiget werden und, daß solches nachher geschehen, glaubliche Anzeigen vorhanden sind.

Titel 77 § 30

§ 30. Wir billigen ferner die Meinung dererjenigen. welche dafür halten, daß ein vor sieben Zeugen errichtetes Testament auch vor sieben Zeugen widerrufen werden könne. Welches Wir jedoch bey gerichtlichen Testamenten nur alsdenn annehmen, wenn die Widerrufung und Zurückforderung des Testaments zu der Zeit bey demselben Gerichte, bey welchem es niedergelegt, nicht geschehen mögen.

Titel 77 § 31

§ 31. Wann auch nach Errichtung eines Testaments bereits zehen Jahre verflossen, und in solcher Zwischen-Zeit ein Testirer selbiges auch nur vor dreyen Zeugen oder vor Gericht aufgerufen hätte, so soll dasselbe aufgehoben seyn, und können Wir die Meinung dererjenigen nicht billigen, welche annoch nach solcher Verrufung einen Ablauf von zehen Jahren erfordern, so wie Wir auch denenjenigen Unsern Beifall versagen, welche ohne Absicht auf dergleichen Zeit-Verlauf die bloße Willens-Änderung für hinreichend halten. Wenn inzwischen ein Testirer ein gerichtliches Testament nicht allein widerrufet, sondern zugleich aus dem Gerichte herausnimmt und erbricht, so kommt es auf einen ZeitVerlauf nicht an.

Titel 77 § 32

§ 32. Da bey denen Testamenten der Soldaten die Rechtslehrer nicht einerley Meinung hegen, wann und in wiefern ihnen die in denen Römischen Rechten und Kaiser Maximilians Notarien-Ordnung zugestandene Erlassung von Feyerlichkeiten und andre Begnadigungen angedeyen, so erklären Wir uns hierüber dahin, daß sie deren, sobald sie den Heerzug antreten, wenn sie schon vom Feinde noch entfernet, theilhaft seyn.

Titel 77 § 33

§ 33. Bey dem von allen Feyerlichkeiten befreyten Testament der Eltern unter ihren Kindern ist zuförderst die zweifelhafte Frage zu entscheiden, ob die Enkel oder Nachkommen weitern Grades alsdenn darunter begriffen seyn, wenn deren näher anrührender Vater oder Mutter noch im Leben seyn. Da aber Unser Ober-Appellations-Gericht mit genügsamer Prüfung der Gesetze erkannt hat, daß, wenn die Kinder durch Hinauftretung in ihrer Vor-Eltern Platz den Testirer nicht unmittelbar berühren, solche Rechts-Verordnung nicht eintrete, so wollen Wir auch solches hiedurch bestätigen.

Titel 77 § 34

§ 34. Hiebey billigen Wir auch Unsers Ober-Appellations-Gerichts Meinung, daß es nicht durchaus nöthig sey, daß Eltern in diesem Testament die Namen ihrer Kinder mit vollen Buchstaben ausdrücken, sondern es für gnug zu halten, wenn die Kinder durch ungezweifelte Bezeichnungen angezeiget seyn.

Titel 77 § 35

§ 35. Nachdemmalen auch in neuern Rechten allen Testirern nachgelassen worden, derer Erben Namen durch einen andern schreiben zu lassen, wenn nur die Testirer das Testament selbst unterschrieben, dahero auch Unser Ober-Appellations-Gericht auf die Gültigkeit eines solchen elterlichen Testaments erkannt hat, als wollen Wir, daß solches zur Erklärung der gemeinen Rechte dienen solle.

Titel 77 § 36

§ 36. Es hat ferner Unser Ober-Appellations-Gericht, wie Uns hinterbracht worden, für einen Irrthum erkläret, daß in einem solchen Testament das Jahr und der Tag nicht mit Zahlen, sondern mit Buchstaben ausgedrücket werden müsse. Hiebey ist von Unserm Ober-AppellationsGericht noch weiter dafür gehalten worden, daß es nicht einst nöthig sey, Jahr und Tag auszudrücken, am wenigsten solches mit eigner Hand der Eltern geschehen müsse. Welche Erklärung der Rechte Wir demnach genehmigen.

Titel 77 § 37

§ 37. Es kann hingegen dergleichen Testament unter Kindern nicht bestehen, wenn eines derselben übergangen oder enterbet wird, wenn auch schon zu der Enterbung rechtmäßige Ursachen vorhanden wären. Wol aber wird dadurch ein vorher unter Kindern errichtetes feierliches Testament aufgehoben.

Titel 77 § 38

§ 38. Als gleichwol bey diesem Testament unter Kindern annoch die sehr bestrittene Rechts-Frage vorfällt, ob oder in wiefern außer den Kindern zugleich andre entweder zu Erben eingesetzet oder mit Vermächtnissen versehen werden können, so erklären Wir hiedurch die Meinung denen Rechten gemäß, daß alle andre Personen ohne Ausnahme, welche nicht des Testirers leibliche Kinder seyn, auch selbst des Testirers Ehefrau, weder darin zu Erben eingesetzet werden können, noch ihnen ein Vermächtniß mitzutheilen stehe, noch auch dieselben durch ein Fideicommiß etwas erlangen können, als wenn entweder bey der Erbeinsetzung sieben, oder sonst fünf Zeugen dazu genommen worden, solchergestalt, wie die Rechte es sonst erfordern.

Titel 77 § 39

§ 39. Ob Wir schon von der Güte des Allerhöchsten hoffen und wünschen, daß er Unsre Lande mit Pest gnädigst verschonen werde, so wollen Wir 12 Ebel doch auf den Fall, daß Gott dieses über Unsre Lande verhängen sollte, Uns dahin erklären, daß die in den gemeinen Rechten versehene Nachlassung der sonst verordneten Feyerlichkeiten, daß nämlich nur fünf Zeugen, auch nicht zu gleicher Zeit, erfordert werden, nicht dahin zu verstehen, daß derTestirer bereits selbst von der Pest verfallen, oder dessen Haus davon angesteckt sey, sondern es für genug zu halten, daß die Pest in demselben Ort wüthe. Doch wollen Wir auch diese Ausnahme der Rechte weiter und auf andre ansteckende Krankheiten nicht ausdehnen.

Titel 77 § 40

§ 40. Bey einem sogenannten Codicill oder Zuschrift an den Erben sind zwar bey einem vorhergehenden und gültig gebliebenen Testament keine Zeugen nöthig. Außerhalb diesem Falle aber, da fünf Zeugen erfordert werden, will, wie Uns berichtet ist, von einigen Rechtslehrem gezweifelt werden, ob zu solchen Zeugen Weiber genommen werden mögen. Wir pflichten gleichwol der Meinung bey, daß auch weibliche Zeugen dazu genommen werden mögen.

Titel 77 § 41

§ 41. Als aber auch darüber die Meinungen derer Rechts-Lehrer getheilet seyn sollen, was ein vor dem Testament errichtetes Codicill nachhero für Achtung behalte, so vernehmen Wir, daß zwar die Fortdaurung wenig Zweifel finde, wenn aus dem nachherigen Testament selbst durch hinlängliche Anzeigen erscheinet, daß der Testirer zugleich bey seiner vorhergehenden Codicillarischen Verordnung beharret habe. Wir pflichten gleichwol auch denenjenigen bey, welche es denen Gesetzen gemäß halten, daß ein Testirer diesen fortdauernden Willen auch außerhalb Testaments geäußert habe, und dieses zu Recht erwiesen werde. Zugabe zu dem Titul: Von Testamenten und letzten Willen.

§ 1. Da Wir vernehmen, daß einige practisdxe Rechtslehrer des Dafürhaltens sind, daß eine letzte Willens-Verordnung oder Schenkung von Todeswegen unwiderruflich werde, wenn der Zusatz geschehen, daß im Fall das Testament oder die Schenkung von Todeswegen in der Maße nicht bestehen könne, es als eine unwiderrufliche Schenkung unter denen Lebendigen gelten solle, dieses aber ganz widersprechend ist, am wenigsten aber bey Widerrufung einer solchen Verordnung oder Schenkung angenommen werden kann, als erklären Wir auch solchen Beysatz für zu Recht durchaus nicht würkend.

Zugabe von Testamenten, post Titel 13 § 13.

§ 13. Eine gleiche Vorlesung, wie bey einem Blinden und des Schreibens Unerfahrenen muß auch alsdenn geschehen, wenn der Testirer ein von ihm selbst nicht niedergeschriebenes Testament oder andern letzten Willen Krankheits und Schwachheit halber selbst nachzulesen nicht im Stande ist.

Titul LXXVIII. Von widerseitigen und rücksichtlichen Testamenten.

Titel 78 § 1

§ 1. Wir nennen ein widerseitiges Testament, testamentum reciprocum, wenn zwey Personen, insonderheit Eheleute, in einem Testament sich einander widerseits zu Erben einsetzen, wenn sie schon sonst noch darin besondre Vermächtnisse verordnen.

Titel 78 § 2

§ 2. Ob nun gleich viele Rechtslehrer dieses unter Eheleuten als ein Geding und unwiderruflich ansehen wollen, so mögen Wir doch, wenn sonst dergleichen Meinung nicht erscheinet, oder gar eine eidliche Bekräftigung hinzugekommen, dieses nicht annehmen. Doch muß eine Widerrufung und anderweite Testirung nicht heimlich noch ohne Wissen des andern Theils geschehen, maßen sonst die widerseitige Verordnung des andern hintergangenen Theils für null und nichtig zu halten ist.

Titel 78 § 3

§ 3. Am wenigsten aber ist einer von diesen Theilen gegen diejenigen so schlechterdings gebunden, welchem er von dem Seinigen nur etwas vermacht hat, es wäre denn, daß es des andern Theils Verwandte beträfe, wovon Wir aber nachhero weiter verordnen werden.

Titel 78 § 4

§ 4. Wenn einer dieser Testirenden stirbet und ihm mithin des andern Nachlaß zufällt, so ist dieser überlebende an seine eigne vormalige Verordnung, so weit sie in keiner Verbindung mit des Verstorbenen letzten Willen stehet, keinesweges weiter gebunden, sondern er kann nach Gefallen davon abgehen.

Titel 78 § 5

§ 5. Da gleichwol Eheleute in solchen Testamenten gemeiniglich auch dafür zu sorgen pflegen, wie es nach des längstlebenden Tode mit den beiderseitigen Verwandten gehalten werden solle, so hat es zwar, wenn desfalls genaue Bestimmung geschehen, dabey sein Bewenden. Auch ist der längst lebende zwar gegen des Verstorbenen Verwandten, in Ansehung seiner eignen Verwandten nicht gebunden.

Titel 78 § 6

§ 6. Weil aber oft die Vorsehung dahin geschiehet, daß nach des längst lebenden Absterben der Nachlaß an beiderseitige Verwandten fallen solle, so gehöret in solchem Fall, wenn jedoch der überlebende wegen seiner eignen Verwandten seinen Willen nicht geändert, denen Verwandten von jeder Seite der gemeine Nachlaß halb, und es können beider Eheleute Güter von einander nicht abgesondert werden.

Titel 78 § 7

§ 7. Wenn auch, wie vorgekommen ist, Eheleute einander zu Erben einsetzen und völlige Gewalt auch zu veräußern geben, doch mit dem Beding, daß, was der längst lebende nadilasse, nach dessen Tode unter ihrer beiden Erben gleich geteilet werden solle, so ist dieses nach den Kaiserlichen Rechten nicht zu beurtheilen, sondern, gleichwie beide Eheleute ihr Vermögen dadurch zusammen in eines gesetzet haben und es 12* für ein einziges Vermögen zu halten ist, also bleibet auch der längst lebende mit des verstorbenen Verwandten in der Gemeinschaft des gesammten Guts, so daß denenselben schlechterdings die Halbscheid desjenigen zufällt, was der längstlebende würklich nachlässet.

Titel 78 § 8

§ 8. Daher billigen Wir auch die Meinung dererjenigen, welche dafür halten, daß des erst Verstorbenen Erben nicht weniger zur Halbscheid desjenigen, was der überlebende auch nach jenes Tode durch Erbschaften, Anfälle, Vermächtnisse, Schenkungen oder auch durch eignen Fleiß erworben hat.

Titel 78 § 9

§ 9. Wir halten übrigens nicht nöthig, unter widerseitigen und rücksichtlichen Testamenten einen Unterschied zu machen. Es ist auch bey diesen genug, wenn die von einem Theile vorgenommene Veränderung seines letzten Willens nicht heimlich, und ohne Wissen des andern Theils geschehen ist. Denn da solchenfalls dem andern frey stehet, sein Testament gleichfalls zu verändern, so kann, wenn solches nicht geschehen, dessen Verordnung für gleichfalls verändert und aufgehoben nicht gehalten werden.

Titel 78 § 10

§ 10. Wenn nun auch schon durch ein widerseitiges oder rücksichtliches Testament von ein oder andern die daraus gefaßte Vortheile nicht würklich zu erlangen gewesen wären, so kann doch daher das gegenseitige Testament für hinfallend oder nichtig nicht gehalten werden, wofern nicht an des einen Seite ein offenbarer Betrug sich zu Tage leget, und solches aus dem Testament selbst erscheinet. Wofür jedoch zumal unter Eheleuten die etwanige Vorbildung eines großem Vermögens nicht zu halten ist.

Titul LXXIX. Von den Pflichten der Eltern, Kinder und Brüder in Ansehung der Erbeinsetzung.

Titel 79 § 1

§ 1. Es ist Uns hinterbracht worden, wie sehr die Ausleger der Rechte zweifeln, ob die Novella 11. C. 1 eine Veränderung der alten Rechte auch dahin habe vornehmen wollen, daß sowol ein Vater sein unter väterlicher Gewalt nicht stehendes Kind, als auch eine Mutter ihre Kinder schlechterdings zu Erben einsetzen müssen, oder widrigenfalls zu gewärtigen haben, daß ihr Testament für nichtig erkläret werde, mithin gänzlich übern Haufen falle. Wir sind berichtet, daß Unsere Justiz-Canzley zu Hannover sowol als Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat, daß in diesem Stück durch die gedachte Novelle keine Veränderung der ältern Rechte geschehen sey; dieses genehmigen Wir also, und geben Unsere Erklärung dahin, daß, wenn ein Vater die nicht unter seiner Gewalt stehende Kinder in seinem Testament vorbey gehet, des gleichen wenn eine Mutter ihre Kinder übergehet, das Testament nicht durchaus von Anfang nichtig sey, sondern im ersten Falle gegen des Vaters Testament die Kinder die bonorum possessionem Praetoriam zu suchen, bey der Mutter aber, als bey welcher die Vorbeygehung für eine Enterbung in Rechten angesehen wird, die querelam inofficiosi anzustellen haben.

Titel 79 § 2

§ 2. Gleichergestalt wird auch eines Kindes Testament nicht nichtig, wenn es seine Eltern übergehet, sondern es muß als pflichtwidrig angefochten werden.

Titel 79 § 3

§ 3. Es soll auch ein Testament dadurch keinesweges nichtig seyn daß bey der Enterbung entweder gar keine, oder doch keine in den Gesetzen gebilligte Ursache ausgedrücket worden, sondern der Enterbte muß über Pflichtwidrigkeit klagen, und soll alsdann dem Erben freystehen, eine rechtmäßige Ursache der Enterbung oder Übergehung gleichwol zu erweisen.

Titel 79 § 4

§ 4. Obgleich in denen neuern Rechten gewisse Ursachen vorgeschrieben sind, welche, und keine andre, der Enterbung Platz geben sollen, so wird doch unter denen Rechts-Lehrern sehr gezweifelt, ob nicht auch gleich wichtige Ursachen eintreten mögen. Da Unsre Absicht ist, die Rechte, so viel möglich, in Gewißheit zu setzen und das Willkührliche in Anwendung der Gesetze zu verbannen, so mögen Wir nicht anders als denenjenigen bey treten, welche keine andre Ursachen zulassen.

Titel 79 § 5

§ 5. Da jedoch in Zweifel gezogen werden will, ob das Vorgehen gegen einen derer leiblichen Eltern auch dem andern ein Recht zu enterben gebe, so wollen Wir solches allerdings Stattnehmig gehalten wissen.

Titel 79 § 6

§ 6. Diese Enterbung findet jedoch nur bey leiblichen Eltern und Kindern, nicht aber bey denen durch Einkindschaft gestifteten Statt.

Titel 79 § 7

§ 7. Als gezweifelt wird, ob die Klage wegen Pflicht-Widrigkeit, wenn Brüdern eine schändliche oder unehrliche Person vorgezogen wird, nur denen vollbürtigen Brüdern und Halbbrüdern von Vaters Seite nebst der Vollbürtigen Kindern, oder auch nach dem Sinn der neuern Rechte denen Halbbrüdern von Mütterlicher Seite zu verstatten sey, so wollen Wir die Meinung dererjenigen befolget wissen, welche auch heutiges Tages diese letztem ausschließen.

Titel 79 § 8

§ 8. Es ist aber der eingesetzte Erbe auch gegen den übergangenen oder enterbten Bruder eine rechtmäßige Ursache zu erweisen schuldig.

Titel 79 § 9

§ 9. Wir billigen hiebey Unsers Ober-Appellations-Gericfats Meinung, daß geschwächte und liederliche Weibspersonen unter diejenigen zu zählen, welche denen Brüdern ohne rechtliche Ursache nicht vorzuziehen.

Titel 79 § 10

§ 10. Wollen Eltern ihre Kinder aus guter Absicht und diesen selbst zum Besten enterben oder vorbeygehen, so stehet ihnen zwar solches frey, und soll ihrer Verordnung nachgegangen werden. Als aber hiebey darüber gestritten wird, ob in diesem Fall die Eltern auch die Ursache ihrer Vorbeygehung oder Enterbung und ihre hegende Absicht im Testament namentlich auszudrücken haben, oder ob dazu Muthmaßungen hinreichend seyn, so wollen Wir, daß beides namentlich ausgedrücket werde, als wie auch von Unserm Ober-Appellations-Gericht solchergestalt erkannt ist.

Titel 79 § 11

§ 11. Ist eine Aussöhnung vor Errichtung des letzten Willens bereits erfolget, so findet aus der vorhergegangenen Ursache keine Vorbeygehung noch Enterbung weiter Statt. Eine nachher erfolgte Aussöhnung aber entkräftet selbige nicht.

Titel 79 § 12

§ 12. Wenn zwey oder mehr Kinder enterbet oder für enterbt anzusehen, und die übrigen eingesetzet sind, von denen enterbten aber nur einige und nicht alle, die Klage wegen Pflichtwidrigkeit anstellen und gegen die Erben gewinnen, die übrigen aber entweder mit denen Erben sich verglichen oder sonst der Klage sich begeben haben, wird, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht in einem sich zugetragenen Vorfall erkannt hat, die Erbschaft ohne Mitrechnung der Enterbten unter denen eingesetzten übrigen Kindern und denen obsiegenden gleich getheilet, und kommt derer Ausfallenden Theil denen eingesetzten nicht zu gute.

Titel 79 § 13

§ 13. Wir halten es auch dem Sinne der Gesetze gemäß, daß, da bey Aufhebung der Eltern und Kinder pflichtwidrigen Testamente die Vermächtnisse und Fideicommissa bestehen bleiben, dieses auch eintrete, wenn eines Bruders Testament als pflichtwidrig aufgehoben wird.

Titel 79 § 14

§ 14. Wenn ein Testament als pflichtwidrig aufgehoben worden, so kommt dasjenige, was der obsiegende Theil erstritten, andern, welche sonst ohne Testament mit succediret haben würden, keinesweges mit zugute. Wenn also Eltern in solchem Fall gewinnen, können daher leibliche Brüder und Schwestern, ob sie schon ohne Testament zugleich mit zur Erbfolge gelassen seyn würden, keinen Theil nehmen.

Titel 79 § 15

§ 15. Wenn Eltern ihren Kindern den Pflichttheil auch nur mit den Worten verlassen: Mein Sohn oder Tochter sollen ihr Pflichttheil haben, so kann ihr Testament so wenig wie nichtig als wie pflichtwidrig angefochten werden, weil das Pflichttheil ein Erbtheil ist, welches ihnen als Erben gegeben wird.

Titel 79 § 16

§ 16. Nachdemmalen die neuem Römischen Rechte das Pflichttheil der Kinder über den ehemaligen vierten Theil ihres kindlichen Antheils nach Beschaffenheit der Zahl der Kinder erhöhet, und, wenn der Kinder nur vier seyn, es auf den dritten Theil, bey einer großem Anzahl aber auf die Halbschied des sonst zu hoffenden kindlichen Antheils gesetzet, und denn auch in Unsern Gerichten die Meinung angenommen worden, daß auch das Pflichttheil der Eltern gleichergestalt in dem dritten Theile oder auch nach gefundener Anzahl der Intestat-Erben der Halbschied das sonst ohne Testament zu gewartende Antheils bestehen müsse, so wollen Wir auch dieses als denen Rechten gemäß bestätigen.

Titel 79 § 17

§ 17. Wie aber aus solchen Begriffen von selbst folget, daß, wenn neben einem Vater oder Mutter leibliche Geschwister vorhanden seyn, welche ohne Testament zugleich mit den Eltern zur Erbfolge gelassen werden, des Vaters oder Mutter Pflichttheil nimmermehr als den dritten Theil desjenigen, was sie ohne Testament haben würden, nicht aber der ganzen Erbschaft betragen kann, dahin auch Unser Ober-Appellations-Gericht verschiedentlich bereits erkannt hat, so sollen Unsre Gerichte in allen Fällen diesem nachgehen.

Titel 79 § 18

§ 18. Ob Wir aber schon die von denen Rechtslehrern in Ansehung der Erhöhung der Eltern Pflichttheil angenommene Meinung gebilliget haben, so lassen Wir doch das Pflichttheil der Brüder, welche ihnen nämlich beym Vorzug schändlicher und unehrlicher Personen gebühret, bey dem vierten Theile des ihnen ohne Testament zugefallenen Erbtheils, wie überhaupt das Pflichttheil in denen ältern Rechten bestimmt gewesen, bestehen.

Titel 79 § 19

§ 19. Wir sind auch belehret, daß es unter den Rechtslehrern streitig sey, ob bey Bestimmung des Pflichttheils der Kinder die von der Erbschaft ausgeschlossenen mit unter die Kinder-Zahl zu rechnen, und darnach das Pflichttheil entweder auf ein Drittel oder auf die Halbschied des ohne Testament zu erwartenden Antheils zu setzen sey. Wir treten aber hierunter denen Rechtslehrern bey, welche diese Ausgeschlossenen mit rechnen.

Titel 79 § 20

§ 20. Ein gleiches wollen Wir daher auch angenommen wissen, wenn eine Tochter gegen einen empfangenen Brautschatz auf die väterliche Erbschaft Verzicht gethan hat, daß sie nämlich bey Ausfündigmachung des Pflichttheils unter der Zahl der Kinder bleibe.

Titel 79 § 21

§ 21. Wenn aber, wie im Amte Hagen Unsers Herzogthums Bremen, die Söhne die Eltern alleine beerben und die Töchter mit einer bloßen Ausstattung nach Rath der Freunde zufrieden seyn müssen, sind die Töchter bey Berechnung des Pflichttheils nicht mit zu zählen.

Titel 79 § 22

§ 22. Wenn bey der zweiten Heyrat des Vaters oder der Mutter die Kinder erster Ehe, wie in verschiedenen Stadt-Rechten Unsrer Lande versehen, durch Theilung des gesummten Guts abgesondert worden, sind sie demnächst nach des Vaters oder der Mutter Ableben, wenn diese gleich aus der zweiten Ehe keine Kinder hinterlassen, einen Pflichttheil oder dessen Ergänzung aus dem Nachlaß zu fordern nicht befugt.

Titel 79 § 23

§ 23. Wenn Eheleute sich durch Ehestiftung einander zu Erben einsetzen oder das Ihrige nach ihrem Tode verschreiben, haben sie in Ansehung ihrer künftigen Kinder und deren Erbeinsetzung ein gleiches, als in Testamenten, zu beobachten oder zu gewärtigen, daß dagegen einerley Klagen eintreten.

Titel 79 § 24

§ 24. Wenn aber Eheleute mit Beystimmung ihrer Eltern in der Ehestiftung sich alles Ihrige verschreiben, gebühret den Eltern kein Pflichttheil.

Titel 79 § 25

§ 25. Wenn nach Stadt-Recht bey Ermangelung der Kinder Mann und Weib sich beerben, sind die Eltern gleichfalls einen Pflichttheil zu fordern nicht berechtiget.

Titel 79 § 26

§ 26. Wenn das Kind auch nur in dem geringsten Theil oder Sache zum Erben eingesetzet, durch Vermächtnisse aber sonst seinen Pflichttheil erhalten, so soll alle Klage und Beschwerde wegfallen, als wie Wir diese sonst streitige Frage entscheiden.

Titel 79 § 27

§ 27. Wir bestätigen hiebey die Meinung derjenigen, welche die in den neuern Römischen Rechten zu Ergänzung des Pflichttheils aus dem L. 30. C. de inoff. test, verordnete Klage nicht gleich der querela inofficiosi mit fünf Jahren beschränken, sondern sie dreißig Jahre und zugleich auf die Erben dauern lassen, als wie dieses auch von Unserm Ober-AppellationsGerichte längst angenommen ist.

Titel 79 § 28

§ 28. Es ist Uns ferner hinterbracht worden, wie sehr unter denen Rechtslehrern bis jetzo gestritten worden, ob pflichtwidrige Schenkungen ganz oder nur, in so weit es die Ergänzung des Pflichttheils erfordert, aufzuheben seyn. Wir haben nun gnädigst gut gefunden, Uns hierüber dahin zu erklären, daß, da die Kinder nach den neuern Rechten, wenn sie nur etwas als Erben erhalten, nicht über Pflichtwidrigkeit klagen können, sondern nur die Ergänzung ihres Pflichttheils fordern mögen, dieses auch bey pflichtwidrigen Schenkungen Statt finde, wenn denen Kindern nicht ihr Erbrecht ganz entzogen worden, mithin im ersten Fall die Schenkung nicht ganz, sondern nur so weit die Ausfüllung des Pflichttheils es erfordert, zu entkräften sey. Dagegen, wenn denen Kindern nicht einst ein Erb-Recht gelassen würde, die ganze Schenkung als pflichtwidrig aufzuheben.

Titel 79 § 29

§ 29. Da es auch von einigen dafür gehalten werden will, als ob in dem Fall, da Vater oder Mutter das ihrem Kinde beschiedene Erbtheil mit der Last des Zurückfalls belegen, und dabey den Abzug des Pflichttheils und der Trebellianicae verbieten, wenn sie solcher gestalt dem Kinde mehr als seinen Pflichttheil, jedoch nur nießbräuchlich lassen, es also anzusehen sey, als ob die Eltern stillschweigend die sogenannte Cautelam Socini beygefüget und die Last des Rückfalls dem Kinde vergüten wollen, mithin, wenn das Kind einmal, ohne sich dagegen zu verwahren, der Erbschaft sich angenommen, der freye Pflichttheil demnächst nicht verlanget werden könne, sondern der Eltern Wille zu befolgen sey, gleichwol aber die Rechte den Pflichttheil auf keine Weise beschweret wissen wollen, auch zu Ergänzung des Pflichttheils dem Kinde dreißig Jahre Frist verstatten, als mögen Wir solcher von Unserm Ober-Appellations-Gerichte auch bereits nicht gebilligten Meinung nicht beytreten.

Titul LXXX. Von Erbeinsetzung und Substitution und Auftrag einer Zurückgabe der Erbschaft.

Titel 80 § 1

§ 1. Wie es bey der Erbeinsetzung nicht so sehr auf die Worte von Erben, als auf die Meinung und den Begriff des Testirers ankommt, also ist es allerdings für eine Erb-Einsetzung zu halten, wenn der Testirer sagt, daß er jemanden alle sein Vermögen vermache.

Titel 80 § 2

§ 2. Hat ein Testirer bey Errichtung des Testaments sich Vorbehalten, seinen Erben durch einen besondern Zettel zu benennen, so bestehet das Testament, wenn dergleichen Zettel unter dessen Hand und Unterschrift sich findet. Werden aber mehrere solche Zettel vorgefunden, so muß das jüngere Datum entscheiden, und es muß also solchen Falls ein Datum sich dabey gesetzet befinden.

Titel 80 § 3

§ 3. Wir wollen es auch für eine stillschweigende Erb-Einsetzung sowol bey Kindern als auch fremden Personen gehalten wissen, wenn ein Testirer verordnet, daß, wenn sein Kind oder ein benannter Dritter verstorben sey, dieser oder jener sein Erbe seyn solle, da es eben daraus klar erscheinet, daß er an eine Erbeinsetzung gedacht, und nur seine Gedanken nicht gnug auseinander gewickelt niedergeschrieben hat, daneben auch keine andre Absicht von solcher Niederschrift angenommen werden kann.

Titel 80 § 4

§ 4. Wir sind hiebey berichtet worden, daß auch Zweifel vorgefallen, ob ein Testirer, ohne eine gewisse Person zu benennen oder auch bereits Absicht auf dieselbe zu haben, bey Errichtung seines Testaments denjenigen so schrift- als mündlich zum Erben einsetzen könne, mit welchem er ein benahmtes Geschäft vornehmen werde, da nun durch die nachherige Vomehmung dieses Geschäfts der Wille des Testirers so wol, als die Person des Erben in Gewißheit gesetzet worden, mithin auch Unser Ober-Appellations-Gericht auf die Gültigkeit einer solchen Erbeinsetzung erkannt hat, so wollen Wir solches hiedurch gnädigst bestätigen.

Titel 80 § 5

§ 5. Wenn eine Erbeinsetzung mit Gewalt oder Zunöthigungen oder sonst böslicher und gefährlicher Weise erpreßt oder abgelocket worden, soll dieselbe nicht für nichtig gehalten werden, damit nicht die Folge entstehe, daß auch der ganze übrige Inhalt des Testaments hinweg falle, sondern sie soll für nichtgeschrieben angesehen werden, so daß das einem solchen Erben verlassene ihm als unwürdig weggenommen werde, jedoch in der Erbschaft bleibe, und entweder denen übrigen beschriebenen Erben zufalle oder, wenn keine neben ihm beschrieben, die rechtmäßigen Intestat-Erben die Erbschaft sich zueignen und den übrigen Inhalt eines solchen Testaments erfüllen.

Titel 80 § 6

§ 6. Es ist jedoch für keine bösliche noch gefährliche Verleitung zu halten, wenn der Testirer bloß durch Liebkosung eingenommen worden, und dabey keine bösliche Verläumdungen des nächsten oder schon vorher benannten Erben vorgegangen sind.

Titel 80 § 7

§ 7. Als Wir vernehmen, daß unter denen Rechtslehrern sehr bestritten wird, ob derjenige, welcher auf den Fall zum folgenden zweiten Erben eingesetzet worden, wenn der eingesetzte erste Erbe die Erbschaft nicht antreten wollen, auch alsdenn für nachgesetzten Erben zu halten sey, wenn jener erste die Erbschaft nicht antreten kann, so wollen Wir hiedurch die Meinung dererjenigen billigen, welche solches als nicht nur dem Willen des Testirers, sondern auch denen Gesetzen gemäß bejahen.

Titel 80 § 8

§ 8. Es ist Uns ferner vorgetragen, wasmaßen unter den Rechtslehrern darüber viele Zweifel obwalten, ob, wenn ein Vater seinem unmündigen Kinde, wenn es binnen der Zeit, da es selbst noch nicht testiren kann, sterben sollte, einen Erben substituiret, diese Substitution aber unkräftig wäre oder ohne Wirkung bliebe, eine solche substitutio pupillaris alsdenn auf eine gemeine Substitution und dahin gewonnen werden könne, daß der substituirte, weil das Kind seines Vaters Erbe nicht seyn können oder wollen, in Ansehung des väterlichen Nachlasses als zweiter Erbe in dessen Platz trete. Als Wir dann belehret worden, daß solches sowohl denen Canonischen Rechten gemäß sey, als auch bisher in denen Gerichten dem nachgegangen worden, so wollen Wir die bejahende Meinung ausdrücklich hiedurch bestätigen.

Titel 80 § 9

§ 9. Da auch ein Sohn, wenn er mit des Vaters Willen seinen eignen besondern Haushalt angestellet, von väterlicher Gewalt befreyet worden, mithin bey des Sohns nachherigem Absterben auch dessen Kinder nicht in die Gewalt des Großvaters zurückgefallen sind, so ist auch ein solcher Großvater nicht befugt, diesen seinen Enkeln auf die Zeit, daß die Gesetze ihnen die Einrichtung eines letzten Willens nicht verstatten, in seinem und der Kinder eignen Nachlaß einen Erben nachzusetzen.

Titel 80 § 10

§ 10. Ob wol die Rechte die Lock-Einsetzungen gänzlich verwerfen, so sind doch dahin die heutiges Tages gebräuchliche Testamenta reciproca nicht zu ziehen, da insonderheit Mann und Frau in einem Testament sich gegen einander zu Erben einsetzen, worüber Wir jedoch besondre Verordnung in diesem Unserm Gesetzbuche ergehen lassen werden.

Titel 80 § 11

§ 11. Ein Testirer kann seinen Erben auch mit der Abgabe seiner eignen Güter und Nachlasses beschweren, wenn er ihm genügsame Vergütung dafür wiederfahren lässet.

Titel 80 § 12

§ 12. Es kann jedoch der immittelst gehabte Genuß der Erbschaft, in so weit er bloß auf des Testirers Verordnung sich gründet, dazu mit angerechnet werden.

Titel 80 § 13

§ 13. Ob nun aber schon sonst der Genuß des Trebellianischen Viertheis, da solches denen Gesetzen zu danken ist, für eine Vergeltung des Testirers nicht angesehen ist, so haben Wir Uns jedoch in der Folge erkläret, daß Wir einem Testirer verstatten, den Abzug dieses vierten Theils zu verbieten. Wenn demnach schon dessen Genuß nicht so schlechterdings dafür angerechnet werden kann, so finden Wir doch billig, und nehmen es als eine Folge der neuern Rechte, daß ein Testirer diesen Genuß ausdrücklich mit zur Vergnügung setzen könne, doch daß hiebey kein stillschweigender Wille untergeleget werde.

Titel 80 § 14

§ 14. Dagegen kann der Pflichttheil unter diese Vergnügung nicht gezogen werden.

Titel 80 § 15

§ 15. Weil aber auch in denen gemeinen Kaiserlichen Rechten von dem Falle Vorkehrung geschehen ist, da jemand seinen Erben mit der Rückgabe dessen beschweret, was von des Testirers Vermögen bey des Erben Absterben annoch übrig geblieben seyn werde, und dann zwar die neuern Kaiserlichen Rechte verordnet haben, daß er sothane Erbschaft durch Schenkungen oder andere Veräußerungen bis auf ein zu lassendes Viertel verringern könne, dabey aber unter denen Rechtslehrem nicht wenig bezweifelt wird, ob solches auch in dem Falle zu gestatten, wenn die Veräußerung in der Absicht geschehen, des Rücknehmers Recht zu verkürzen, gleichwol die Absicht der neuem Rechte dahin gegangen, darüber, ob es zur Verkürzung gereichen sollen oder nicht, allen Streit zu verhüten, und dem Erben über drey Viertel eine freye Gewalt zu ertheilen, so treten Wir auch denen bey, welche desfalls keine Untersuchung der gehegten Absicht erfordern. Dagegen er über dasjenige, was er demnächst würklich unter seinem Vermögen annodi nadilässet, von Todes wegen keine Verordnung stellen kann.

Titel 80 § 16

§ 16. Wiewol Wir nun auch sehr dahin gestellet seyn lassen, ob die Canonischen Rechte das gemeine Kaiserliche Recht mit Grunde dahin erklären mögen, daß Kinder, welche von ihren Eltern mit der Rückgabe ihres Erbtheils beschweret seyn, davon nicht allein den Pflichttheil, sondern auch das sogenannte Trebellianische Viertel abziehen mögen, als jedoch auch von Unserm Ober-Appellations-Gericht darauf erkannt worden, und überdem, wie Wir nachhero weiter bestimmt haben, denen Eltern frey stehet, den Abzug des letztem Viertels zu verbieten, so lassen Wir Uns hierin die Beybehaltung des Canonischen Rechts in Gnaden ferner gefallen.

Titel 80 § 17

§ 17. Es ist auch hiebey kein Unterschied zu machen, ob die Zurückgabe zu einer gewissen oder ungewissen Zeit geschehen solle.

Titel 80 § 18

§ 18. Es soll auch denen von ihren Kindern solchergestalt beschwerten Eltern der Billigkeit nach ein gleiches Recht angedeyhen.

Titel 80 § 19

§ 19. Da auch einige Rechtslehrer hiebey dafür halten wollen, daß Kinder oder Eltern, was sie aus der Erbschaft über den Pflichttheil genossen haben, sich auf diesen Pflichttheil anrechnen lassen müssen, so erklären Wir diese Meinung für irrig. '

Titel 80 § 20

§ 20. Wenn ferner gezweifelt wird, ob, wenn Kinder gegen einander mit der Rückseite ihres Erbtheils beschweret sind, mithin das eine von dem andern hinwiederum eben soviel zu hoffenhat, der Abzug des Pflichttheils nichts destoweniger Statt finde, so setzen Wir gnädigst, daß dieser Fall den Abzug so wenig des Pflichttheils als des Trebellianischen Viertels hindern möge.

Titel 80 § 21

§ 21. Wir vernehmen nun zwar auch, daß es unter denen Rechtslehrern sehr streitig sey, ob ein Testirer auch den Abzug des Trebellianischen Viertels seinem Erben verbieten könne. Hierunter treten Wir aber denenjenigen bey, welche die Gesetze auch auf dessen Zulässigkeit erklären.

Titel 80 § 22

§ 22. Als auch darüber bey den Auslegern Zweifel obwaltet, ob bey milden Stiftungen, welche entweder zu frommen und gottseligen Gebrauch oder zum gemeinen Besten sowol des ganzen Landes, als Städte und Gemeinen gereichen sollen, der Abzug des Trebellianischen Viertels eintrete, so wollen Wir, sowol um der Gemeinnützigkeit willen, als auch, weil es dem Willen des Testirers für gemäß zu achten, den erwähnten Abzug in diesem Falle nicht statt finden lassen.

Titel 80 § 23

§ 23. Wenn auch bey einem Rückfall die Erhaltung der Familie zum Augenmerk gesetzet worden, so ist aus der dabey gehegten Absicht anzunehmen, daß der Abzug des Trebellianischen Viertels verboten seyn solle.

Titul LXXXI. Von Annehmung und Erwerbung der Erbschaft, auch Einwerfung in die Erbschaft.

Titel 81 § 1

§ 1. Die unter väterlicher Gewalt stehende Kinder werden zwar bey des Vaters Absterben als nothwendige und ihre eigne Erben, sui heredes, angesehen. Da ihnen aber auch in spätem Zeiten die Redits-Wolthat verliehen ist, daß sie ihres Vaters Erbschaft sich enthalten können, um dadurch von der Obliegenheit, dessen Schulden zu bezahlen, befreyet zu werden, so ist Uns vorgetragen, daß es in solchem Fall zweifelhaft sey, ob die Kinder beweisen sollen, daß sie sich der väterlichen Erbschaft enthalten haben, oder ob vielmehr der Gläubiger, daß sie sich darin gemenget, zu erweisen haben. Gleichwie aber solche Kinder an sich auch wider ihren Willen Erben sind und nach denen Rechten Erben bleiben, sich aber nur ihrer Obliegenheiten dadurch entschritten mögen, daß sie ihres Vaters Erbschaft sich enthalten, als setzen Wir hiemit, daß denen Kindern jedesmal der Beweis obliege, daß sie der väterlichen Erbschaft sich enthalten haben.

Titel 81 § 2

§ 2. Wenn ein Erbe gewußt hätte, daß ihm eine Erbschaft angefallen und binnen dem in den Rechten verstatten Überlegungs-Jahre verstorben wäre, die Erbschaft aber in der Zeit nicht angetreten hätte, so erlanget gleichwol dessen Erbe annoch das Recht, sich binnen solchem Jahre zu deren Antretung zu erklären.

Titel 81 § 3

§ 3. Hätte gleich wol der Verstorbene von dem Anfall auch keine Wissenschaft erhalten, oder wäre die Erbschaft anzutreten behindert worden, und darauf vor Ablauf des Uberlegungs-Jahrs verstorben, so billigen Wir die Meinung derjenigen Rechts-Lehrer, welche denen Erben überall aus einer jeden billig gefundenen Ursache die Wiederherstellung in den vorigen Stand gestatten, und sie dadurch zu Antretung der Erbschaft zu lassen.

Titel 81 § 4

§ 4. Wenn aber auch überall ein Erbe bey seinem Leben aus Unwissenheit oder sonst behindert worden, die Erbschaft anzutreten, so sollen dessen Erben dagegen in vorigen Stand gesetzet und zur Erbschaft gelassen werden, als wie Wir auch darunter denen solches bejahenden Rechts-Lehrern beytreten.

Titel 81 § 5

§ 5. Ob wol von einigen neuern Rechts-Lehrern behauptet werden will, als ob nach deutschen Rechten ein gesetzlicher Erbe den Besitz der Erbschaft von selbst erlange, so lassen Wir es doch hierunter bey denen gemeinen beschriebenen Rechten.

Titel 81 § 6

§ 6. Nachdemmalen die neuern Rechte einem Erben die Rechtswolthat mitgetheilet haben, daß er mittelst Errichtung eines Inventarii die Erbschaft mit völliger Sicherheit antreten könne, diese Rechte gleichwol zur Sicherheit gegen die Legatarios und Fideicommissarios deren Mitzuziehung erfordern, solches aber gemeiniglich nicht beobachtet, sondern alles in eines öffentlichen Schreibers Hände gestehet wird, so wollen Wir hierunter die beschriebenen gemeinen Rechte künftig dahin befolget wissen, daß, wenn anders der Erbe sicher seyn will, zugleich die Legatarien und Fideicommissarien zu Errichtung des Inventarii zugeladen werden, jedoch, wenn sie außer Landes sich befinden, durch einen Notarium mit Zeugen oder auch Gerichts-Person allein zur Inventarisierung geschritten werden könne.

Titel 81 § 7

§ 7. Ein Erbe, der sich dieser Rechtswolthat des Inventarii nicht bedienet, kann gegen die Schuldner des Erblassers sowol als gegen die Legatarien und Fideicomissarien mit dem Erbieten zu einem eidlichen Verzeichniß der Erbschaft keinesweges abkommen, sondern er ist auch über den Betrag der Erbschaft zu bezahlen schuldig, und denen Legatarien oder Fideicommissarien unter dem Namen der quartae Falcidiae oder Trebellianae den vierten Theil der Erbschaft abzuziehen nicht befugt. Welches auch bey Kindern in Ansehung ihres Pflichttheils Statt findet.

Titel 81 § 8

§ 8. Wenn ein Kind schon der Eltern Erbschaft sich nebst denen übrigen bereits mit angenommen, hierauf aber mit dem von denen Eltern bey ihrem Leben empfangenen zufrieden seyn wollte, so kann es von seinen Geschwistern zu einer Theilung und Einwerfung in die Erbschaft nicht gezwungen werden, es wäre denn, daß andergestalt die übrigen Kinder ihren Pflichttheil nicht frey behielten.

Titel 81 § 9

§ 9. Als bey denen Einwerfungen der Kinder die Rechts-Lehrer streitig sind, ob auch dasjenige, was die Eltern einem Kinde schlechtweg geschenket, einzubringen sey, so setzen Wir hiedurch, daß solches nur alsdann geschehen solle, wenn andre von denen Kindern eine Mitgift oder Schenkung von Ehe wegen erhalten haben, welche sie bey der Theilung einbringen. Ist gleichwol das Kind unter des Vaters Gewalt geblieben, so gehöret das von ihm Geschenkte in dessen Nachlaß.

Titel 81 § 10

§ 10. Die Kosten des Brautmahls werden billig dem Kinde bey der Theilung nicht angerechnet, da es zu der Eltern Ehre geschehen, und das Kind dadurch nicht reicher geworden ist.

Titel 81 § 11

§ 11. Es soll auch nur das eingebracht werden, was anzusehen ist, als ob es auf den künftigen Erbtheil gegeben ist. Was dannenhero Eltern einem Kinde zum Studiren und Reisen oder auch Erlernung einer Profession, Erhaltung einer Akademischen Würde und dergleichen gegeben, soll, wenn die Eltern es schon angeschrieben, nicht gerechnet werden. Würden aber und Stellen, die das Kind wieder verkaufen kann, werden ihm, was sie gekostet, angerechnet. Hätten sie aber dem Vater nichts gekostet, so kann dafür auch nichts angerechnet werden.

Titel 81 § 12

§ 12. Wenn Kindes-Kinder an Statt ihres verstorbenen Vaters oder Mutter eintreten, müssen sie in die Groß-Elterliche Erbschaft dasjenige einwerfen, was ihr Vater oder Mutter selbst, wenn sie noch im Leben, hätten einwerfen müssen, sie mögen deren Erben seyn oder nicht.

Titel 81 § 13

§ 13. Was aber Kindes-Kinder selbst von Groß-Eltern empfangen haben, wird, wenn sie Erben werden, zwar in die gemeine Erbschaft eingebracht, jedoch daß dem ganzen Stamme nicht zur Last gerechnet werde, was einige aus demselben etwa empfangen, aber mit Begebung der Erbschaft sich nicht anrechnen lassen wollen.

Titel 81 § 14

§ 14. Ist ein Testament vorhanden, so wird nur gegen diejenigen Erben aus der absteigenden Linie eingebracht, welche auch ohne Testament Erbfolger gewesen seyn würden.

Titel 81 § 15

§ 15. Wenn die Frau nach Stadt-Recht Kindes Theil empfängt, müssen die Kinder auch gegen sie das vom Vater Empfangene einbringen. Als wie solchergestalt auch Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat.

Titel 81 § 16

§ 16. Wäre einer lange abwesend gewesen, und es wäre nach den Umständen der Sache zu vermuthen, daß er mit Tode abgegangen, wenn er schon das siebenzigste Jahr seines Alters noch nicht erreichet, so mögen die nächsten Erben die vormalige Obrigkeit des Abwesenden angehen und um die Einsetzung in des Abwesenden Güter nachsuchen. Womit ihnen denn auch die Obrigkeit nach Beschaffenheit der Sache nicht entstehen wird, wenn sie vorher Sicherheit geleistet, daß bey etwaniger Wiederzurückkunft des Abwesenden sie ihm seine Güter sammt denen daraus gehobenen Nutzungen wieder ausantworten wollen.

Titel 81 § 17

§ 17. Welche nun solchergestalt als nächste Erben eingesetzet worden, behalten bey nicht erfolgter Wiederkehr des Abwesenden die Güter, so wie sie darin gesetzet sind, es wäre denn, daß nachher die eigentliche Zeit des Todes erwiesen würde, und daraus erschiene, daß eine andre Erbfolge eintreten müsse.

LXXXIa. Zugabe zum Titul: Von Erwerbung der Erbschaft

Titel 81 § 1

§ 1. Wenn ein Erbe gewußt hätte, daß ihm eine Erbschaft angefallen, und, ohne solche anzutreten, binnen dem in den Rechten verstatteten Uberlegungs-Jahre verstorben wäre, die Erbschaft aber in der Zeit nicht angetreten hätte, so erlanget gleichwol dessen Erbe annodi das Recht, sich binnen solchem Jahre zu deren Antretung zu erklären.

Titel 81 § 2

§ 2. Hätte gleidrwol der Verstorbene von dem Anfall keine Wissenschaft erhalten, oder wäre die Erbschaft anzutreten behindert worden, und darauf vor Ablauf des Überlegungs-Jahrs verstorben, so billigen Wir die Meinung derjenigen Rechts-Lehrer, welche denen Erben überall aus einer jeden billig gefundenen Ursache die Wiederherstellung in den vorigen Stand gestatten und sie dadurch zu Antretung der Erbschaft zulassen.

Titul LXXXII. Von Eröffnung der Testamente.

Titel 82 § 1

§ 1. Wie es mit Eröffnung der gerichtlichen Testamente gehalten werden soll, darüber ist von weiland Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. unterm 22sten May 1750 bereits Versehung geschehen, daß die Gerichte dafür auch unangerufen sorgen sollen.

Titel 82 § 2

§ 2. Was aber die von Notarien und Zeugen vollzogene letzte Willens anlanget, so pflichten Wir der Meinung dererjenigen Rechts-Gelehrten bey, welche einen Notarien auch in diesem Stück nicht für einen bloßen Zeugen, sondern, wie er es ist, für eine in Ansehung der Niederschrift völlig beglaubte öffentliche Person ansehen. Wenn demnach ein solches Testament äußerlich nicht verschlossen wäre, so kommt es auf keine Eröffnung an, sondern es können die Intestat-Erben nur allein verlangen, daß das Testament ihnen zur Einsicht vorgezeiget werde. Welches mithin bestehen muß, wenn sie in des Notarien Zeugniß etwas falsches zu zeigen nicht vermögen.

Titel 82 § 3

§ 3. Sind jedoch dergleichen offene Testamente nicht vor einem Notarien, sondern bloß vor Zeugen vollzogen, so halten Wir es allerdings nöthig und denen Rechten gemäß, daß sie ins Gericht, und zwar derjenigen Obrigkeit, unter welcher der Verstorbene gesessen gewesen, geliefert werden, damit die Zeugen auf die in denen Rechten beschriebene Art zu Anerkennung ihrer Unterschrift und Siegels vorgeladen werden. Doch ist auch ein solches Testament, falls dergleichen unterblieben, für aufgehoben nicht zu halten.

Titel 82 § 4

§ 4. Was jedoch die verschlossenen außergerichtlichen Testamente betrifft, so können Wir davon nicht abgehen, daß sie nach denen gemeinen Rechten bey der Obrigkeit des Verstorbenen eingebracht werden, und dasjenige, was wegen deren Eröffnung nöthig versehen, beobachtet werde. Wir werden dazu um so mehr bewogen, als in solchen Testamenten, wenn sie von dem Testirer allein verschlossen sind, vielfältige nachher geschriebene Zettels oder Codicille eingelegt seyn können, der Wille des Testirers also auf mehr als eine Art unbefolgt bleiben kann. Sollte jedoch der Notarius mit seinen Instruments- oder denen Testa- ments-Zeugen auch den Umschlag unter dem angezeigten Tage des Testaments besiegelt haben, so halten Wir die gerichtliche Eröffnung nicht nöthig. Wie denn auch die innerlichen Siegel der Zeugen Anerkennung nicht bedürfen, wenn sie in des Notarien Gegenwart aufgedruckt sind.

Titul LXXXIII. Von dem Testaments-Vollstrecker

Titel 83 § 1

§ 1. Da von Testaments-Vollstreckern in den gemeinen beschriebenen Rechten keine eigentliche Versehung geschehen ist, so haben Wir nöthig gefunden, auch hievon etwas zu versehen.

Titel 83 § 2

§ 2. Ein Testaments-Vollstrecker ist als ein Pfleger der Erbschaft anzusehen, ist aber, wenn nicht nachhero besondrer Verdacht wider ihn entstehet, Sicherheit zu leisten, oder auch sich in Eid nehmen zu lassen, nicht schuldig.

Titel 83 § 3

§ 3. Wer demnach ein solches Amt übernommen, muß für die Aufbewahrung des Nachlasses möglichst sorgen, auch vor allen Dingen ein Inventarium errichten. Er ist auch befugt, ohne des Erben Verhinderung alles in Besitz zu nehmen.

Titel 83 § 4

§ 4. Wann auch die Rechts-Lehrer ihm die Auslegung zweifelhafter Testaments-Stellen beylegen, und es so angesehen wissen wollen, als ob die Erklärung von dem Testirer selbst geschehen, so wollen Wir dieses hiemit billigen. Wenn hingegen sonst Uneinigkeiten unter denen Erben entstehen, so gehöret deren Entscheidung vor den ordentlichen Richter.

Titel 83 § 5

§ 5. Der Vollstrecker ist befugt, ohne Zuziehung der Erben die Erbschaftliche Sachen, so viel die Ausrichtung des letzten Willens erfordert, zu verkaufen, und der Käufer wird dadurch in völlige Sicherheit gesetzet.

Titel 83 § 6

§ 6. Er soll nicht weniger befugt seyn, sowol die Erbschaftlichen Schulden zu bezahlen, als auch die ausstehenden Gelder einzufordern, gerichtlich einzuklagen und zu erheben. Wie er denn auch, bis das Testament völlig zur Erfüllung gebracht worden und sein Amt aufhöret, die vorfindenden Erbschafts-Processe fortführet.

Titel 83 § 7

§ 7. Wir treten auch denen Rechts-Lehrern bey, welche ihm gestatten, über zweifelhafte Sachen sich Namens der Erben zu vergleichen.

Titel 83 § 8

§ 8. Die Vermächtnisse müssen von dem Vollstrecker, und können nicht von den Erben eingefordert werden.

Titel 83 § 9

§ 9. Wie ein Vormund vom Vater von aller Rechnungs-Ablegung befreyet werden kann, so wollen Wir es auch einem jeden Testirer in Ansehung der Testaments-Vollstrecker erlauben.

Titel 83 § 10

§ 10. Wenn ein Gericht bey Niederlegung eines Testaments zugleich ersuchet wird, über den Inhalt desselben zu halten, und das Gericht es annimmt, so ist es daher kein Vollstrecker des Testaments geworden, sondern es ist nur schuldig, die Eröffnung desselben, und daß es allen darin benannten Personen zur Wissenschaft komme, zu befördern.

Titul LXXXIV. Von Vermächtnissen und besondem Zurückgaben.

Titel 84 § 1

§ 1. Was die Kaiserlichen Rechte in Ansehung der Vermächtnisse und deren Feyerlichkeiten verordnet haben, dabey lassen Wir es schlechterdings bewenden.

Titel 84 § 2

§ 2. Ob gleich die neuem Römischen Rechte die Vermächtnisse und die besondern Zurückgaben, fideicommissa particularia, in ihren Würkungen gleich gesetzet haben, so bleiben sie doch allemal der Sache selbst nach unterschieden, und sind letztere unter dem Namen der Vermächtnisse nicht begriffen. Als wie solchergestalt auch Unser Ober-AppellationsGericht in einem vorgekommenen Falle erkannt hat.

Titel 84 § 3

§ 3. Wie Wir bey denen Testamenten die Meinung bereits verworfen haben, als ob es bey dem zum Gottseligen und milden Gebrauch bestimmten auf die bloße Schrift oder mündliche Bezeugung ohne alle Zeugen ankomme, also erklären Wir solches auch bey dergleichen Vermächtnissen dahin, daß sie ohne drey Zeugen nicht bestehen.

Titel 84 § 4

§ 4. Da dem Vernehmen nach bey einem von dem Testirer geschehenen mündlichen Aufträge von einigen Rechts-Lehrern zugleich des Erben Genehmigung und Zusage erfordert wird, so erklären Wir dieses denen Rechten zuwider und wollen, daß es bloß auf den Willen des Testirers ankomme.

Titel 84 § 5

§ 5. Es kann auch über solche Willens-Äußerung nicht allein der Erbe selbst, sondern auch nach dessen Tode dessen nachgelassener Erbe, wiewol letzterer nur, daß er es von seinem Erblasser nicht erfahren, zum Eide genöthiget, allerdings aber auch durch Zeugen darüber der Beweis geführet werden.

Titel 84 § 6

§ 6. Hiebey ist Uns vorgetragen, daß, da in denen Rechten versehen worden, daß, wenn jemand eine fremde Sache vermachet hat, die er sein eigen zu seyn geglaubet, solches nicht anders bestehe, als wenn er es einer ihn zunächst angehenden Person, als seiner Ehefrau, oder sonst jemand seiner Verwandten vermachet hätte, welcher er es auch vermacht haben würde, wenn er gewußt hätte, daß es eine fremde Sache wäre. Wir treten dahero auch der Meinung bey, daß, wenn ein Testirer in einer von ihm gemachten Erbtheilung unter seinen Erben einem seiner nächsten Verwandten zum Erbtheil ein ihm nicht gehöriges Gut oder Anforderung zugetheilet, wovon er geglaubet, daß es ihm gehöret habe, diesem Erben von denen übrigen desfalls die Gewähr geleistet werden müßte. Wenn aber die Rechts-Lehrer dieses auch auf ein Vermächtniß zu mildem Gebrauch erweitern wollen, so stimmen Wir der von Unserm Ober-Appellations-Gericht angenommenen Meinung bey, daß solche Erweiterung nicht Statt finde.

Titel 84 § 7

§ 7. Vermachet jemand ein Gut, so er mit einem andern in Gemeinschaft hat, so ist dadurch nur des Testirers daran habender Antheil zu verstehen.

Titel 84 § 8

§ 8. Wenn ein Vermächtniß nicht in den bloßen Willen, sondern auf das Gutfinden oder Ermessen des Erben gestehet ist, kann dieser zwar der Entrichtung desselben ohne erhebliche Ursachen nicht entgehen, sondern es muß ein vernünftiges Ermessen eintreten. Es ist aber auch genug, wenn es würklich geleistet wird, ob schon bey der Erfüllung der Erbe nicht die ausdrückliche Erklärung hinzugefüget, daß er dadurch dem Willen des Testirers ein Genügen leiste. Als welches, so lange nicht das Gegentheil klar erscheinet, allemal zu vermuthen ist.

Titel 84 § 9

§ 9. Wäre jemand etwas vermacht, oder verlassen, um es entweder unter mehrere Benannte nach seiner Willkühr und Gefallen zu vertheilen, oder auch unter mehreren einen zu erwählen, und dem Austheiler wäre nicht die Freyheit gelassen, bis an seinen Tod damit zu warten, so bleibet die von ihm einmal getroffene Wahl oder vorgenommene Austheilung schlechterdings bestehen, und kann nicht widerrufen noch geändert werden. Kann aber der Austheiler damit bis an seinen Tod warten, so ist alles, was er vorher darunter vorgenommen, für eine bloße Bestimmung zu halten, welche immer widerrufen werden kann.

Titel 84 § 10

§ 10. Da auch unter den Rechtslehrern Zweifel obwalten, ob in ein Vermächtniß dasjenige gerechnet werden könne, was der Testirer aus andern Ursachen bereits vorher schuldig gewesen ist, so stimmen Wir zwar in so weit denenjenigen bey, welche diese Anrechnung nicht gestatten wollen, wenn die vorhergehende Schuld keine bloße Freygiebigkeit zum Grunde hat. Rühret aber die Verbindlichkeit aus einer bloßen Freygebigkeit her, so soll es nicht anders angesehen werden, als daß der Testirer seine vorhin geäußerte Freygebigkeit durch das Vermächtniß nur bestätigen wolle.

Titel 84 § 11

§ 11. Ob gleich einige auch zu Aufhebung eines Vermächtnisses oder Auftrags an den Erben fünf Zeugen nöthig halten, so treten Wir doch denen bey, welche auf den bloßen Willen des Testirers sehen, wenn derselbe entweder aus Worten oder Handlungen wahrscheinlich an den Tag tritt.

Titel 84 § 12

§ 12. Da unter denen Rechts-Lehrern gezweifelt wird, ob das ZuwachsRecht auch alsdenn eintrete, wenn mehrere bey Austheilung eines Vermächtnisses zwar durch Worte verbunden sind, der Testirer aber an der Sache einem jeden gewisse Theile beschieden, so pflichten Wir denenjenigen bey, welche solches ausschließen, es wäre denn daß von der Absicht des Testirers ein anders erschiene.

Titel 84 § 13

§ 13. Was die Rechte von einem Vermächtnisse auf den Fall, wenn eine Person nicht heyrathen werde, verordnet, und wie sehr verschiedentlich die Rechts-Lehrer über den Verstand sowol, als deren noch fortdauernde Anwendung urtheilen, ist Uns unterthänigst vorgetragen worden. Da dermalen die meisten Rechts-Lehrer dahin eins sind, daß, wenn einer noch nicht verheyrathet gewesenen Person dadurch eine Heyrath versaget seyn solle, dergleichen Bedingung, als gegen die Natürlichen Gesetze, so anzusehen, als ob sie nicht beygefüget sey, so wollen Wir diese Erklärung allerdings bestätigen. Wenn sie aber ferner alsdenn eine Ausnahme machen wollen, wenn es zum Vortheil einer milden Stiftung gereiche, so können Wir dem nicht beypflichten.

Titel 84 § 14

§ 14. Ob nun aber auch schon ferner viele Rechts-Lehrer bey einer Wittwe und Wittwer die Bedingung schlechterdings eintreten lassen wollen, so müssen Wir doch die Meinung derjenigen billigen, welche um deswillen davon abgehen, weil der Haß gegen eine zweyte Heyrath, so fern es wenigstens nicht auf die bessere Versorgung eigner Kinder ankommt, unvernünftig sey und aus irrigen Meinungen herrühre. Wiewol nun auch einige dieser letzten Rechts-Lehrer nicht allein bey Kindern, sondern auch, wenn auf Verwandte gesehen worden, sothane Bedingung gleichwol Statt finden lassen wollen, so mögen Wir doch auch dieser Meinung so schlechterdings nicht beytreten. Wir erklären Uns demnach dahin, daß diese Bedingung zwar als nicht hinzugefüget angesehen werden solle, es mögen Kinder, oder nicht, vorhanden seyn. Sind jedoch Kinder des Testirers vorhanden, so ist es als ein Fideicommiss anzusehen, wovon der Ehegatte sowol das Eigenthum als den Genuß bey erfolgender anderweiter Heyrath verlieret. Welches jedoch auf weitere Verwandte nicht zu deuten ist, ob schon sonst einem jeden frey stehet, ein solches Vermächtniß mit einer Rückgabe auf den Fall einer anderweiten Heyrath zu beschweren.

Titel 84 § 15

§ 15. Ein Familien-Fideicommiss kann mit Übereinstimmung aller dazu gehörigen aufgehoben werden, und können dasjenige, was die Eltern darunter thun, so wenig die bereits lebenden als die nachher gebomen Kinder widersprechen.

Titul LXXXV. Von denen Gesetzlichen Erbschaften.

Titel 85 § 1

§ 1. Ob gleich nach denen in Unsern Deutschen Landen beybehaltenen Kirchen-Rechten eine Ehe nicht anders als durch Priesterliche Einsegnung für vollzogen gehalten werden kann, mithin nur bloß die aus einer solchen Ehe gebome Kinder für Erbfolge-mäßig gehalten werden mögten, so kann es jedoch dem Kinde an seiner Rechtmäßigkeit und gebührenden Erbfolge zu keinem Nachtheil gereichen, wenn desselben Vater die Mutter sich antrauen zu lassen schuldig gewesen, aber entweder Vater oder Mutter, ehe solches vollstrecket worden, verstorben oder sich entfernet, als wie auch solchergestalt Unsre Gerichte in dergleichen Fällen erkannt haben.

Titel 85 § 2

§ 2. Ob Wir auch gleich keinesweges Ehen billigen, welche entweder gegen die ausdrücklichen Göttlichen Gesetze oder in einem darin zwar nicht namentlich verbotenen, doch gleichen Grade unternommen sind, Wir vielmehr durchaus entschlossen bleiben, auch in der Gleichheit des Grades gegen Unsre Kirchen-Ordnungen nicht zu dispensiren, so ist Uns doch vorgetragen, wie es zumal für ein aus solcher vollzogenen Ehe erzeugtes Kind hart seyn würde, wenn in denen Fällen, da die Ehe nicht durch ausdrückliche Göttliche Gesetze verboten ist, mithin von Uns erlaubet werden können, ein solches Kind als unrechtmäßig von der Erbfolge ausgeschlossen würde, dahero auch Unser Ober-Appellations-Gericht bereits einmal dahin erkannt hat, also wollen Wir auch diese Meinung in dergleichen künftigen Vorfällen befolget wissen.

Titel 85 § 3

§ 3. Wäre gleichwol die Ehe auch gegen die ausdrücklichen Göttlichen Gesetze, die Eltern hätten aber das Hinderniß nicht gewußt, sondern sich für rechtmäßige Eheleute gehalten, so soll das Kind in gleicher Maße erben.

Titel 85 § 4

§ 4. Es ist Uns ferner hinterbracht, daß bezweifelt wird, ob ein Kind, welches ein Ehemann mit einer ledigen Person, welche aber nachhero zu heyrathen ihm verstattet wird, erzeuget, durch die erfolgte Heyrath der Erbfolge in der Eltern Gütern fähig sey. Als gleichwol Unser Ober-Appellations-Gericht für die Fähigkeit des Kindes nach denen Canonischen Rechten erkannt hat, so wollen Wir diese Meinung bestätigen.

Titel 85 § 5

§ 5. In Ansehung der Lehn-Güter ist zwar in Unserm Herzogthum Calenberg auch durch besondre Verordnungen vorlängst versehen, daß Mantel-Kinder, oder solche, welche durch eine nach ihrer Geburt vollzogene Ehe denen Römischen Rechten nach für rechtmäßig angenommen werden, in Adelichen Lehn-Gütem keine Erbfolge haben. Als jedoch dieser Satz in Unsern übrigen Deutschen Landen nach denen gemeinen Longobardisehen Lehn-Rechten bezweifelt werden wollen, Unser Ober-AppellationsGericht gleichwol auch dieses als denen gemeinen Lehnrediten gemäß befunden hat, so wollen Wir auch solches auf Unsre übrigen Lande bestätigen.

Titel 85 § 6

§ 6. Was jedoch keine Adeliche Lehne, sondern Bürger- oder BauernLehne, Erben-Zins- oder Meyer-Güter sind, darin lassen Wir es bey den gemeinen Rechten, daß diese Kinder zur Erbfolge zu lassen.

Titel 85 § 7

§ 7. Ob auch wol nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten ein Fürst und Landes-Herr, wenn rechtmäßige Kinder vorhanden, keine außer der Ehe erzeugte Kinder jenen zum Nachtheil für rechtmäßig und der Erbfolge fähig erklären kann, so sind Wir doch berichtet, daß diese Landesherrliche Gewalt von verschiedenen Rechts-Lehrern weiter ausgedehnet werden will. Wenn Wir hiebey erwegen, wie sehr die Erhaltung des Ehestandes und der damit in den Rechten verknüpften Vortheile selbst zum Besten des Staates gereichet und wie sehr folglich für eheliche Kinder vorzüglich zu sorgen ist, so finden Wir Uns durchaus bewogen, die Kaiserlichen Rechte dahin beyzubehalten, daß keine von Uns oderUnsem Nachfolgern auf Ansuchen eines Vaters geschehene Legitimation dahin verstanden werden solle, vielweniger ein Kaiserlicher Hof solche Befugniß mitzutheilen sich anmaßen möge.

Titel 85 § 8

§ 8. Wäre jemand eine Person zur linken Hand angetrauet worden, so lassen Wir alsdenn dasjenige gelten, was die Römischen Rechte von der Erbfolge der sogenannten natürlichen Kinder verordnet haben.

Titel 85 § 9

§ 9. Wann aber im übrigen schon die Reichs-Gesetze allen Beyschlaf außer der Ehe für leichtfertig und für ein öffentliches Laster erklären, dahero auch Unser Ober-Appellations-Gericht und andere Gerichte in denen vorgekommenen Fällen dafür gehalten und erkannt haben, daß allen solchen unehelichen Kindern die Rechte derer natürlichen Kinder aus denen Römischen Gesetzen nicht zu Statten kommen können, so wollen Wir diese Meinung durchaus bestätigen. Hingegen lassen Wir es in Ansehung der Mutter und der mütterlichen Verwandten Erbfolge und deren Stattnehmigkeit bey den gemeinen Römischen Rechten bewenden.

Titel 85 § 10

§ 10. Wenn Wir ferner berichtet worden, daß unter denen Rechts-Gelehrten nicht wenig bezweifelt werde, ob, wie Vater und Mutter, als auch Groß-Eltern und weitere Ahnen zu des verstorbenen Enkels oder Urenkels Erbschaft zugleich mit dessen leiblichen Geschwistern zu lassen, so erklären Wir Uns hiedurch für die Meinung derjenigen, welche deren Zulassung denen Gesetzen für gemäß halten.

Titel 85 § 11

§ 11. Wir treten auch ferner der Meinung derjenigen Rechts-Gelehrten bey, welche des Verstorbenen Bruder-Kinder auch alsdenn in ihres verstorbenen Vaters Platz treten und zugleich mit den Eltern erben lassen, wenn schon kein Bruder des Verstorbenen vorhanden ist.

Titel 85 § 12

§ 12. Gleichwie auch die durch Einkindschaft zusammen gebrachte Kinder ihre Eltern beerben, so halten Wir es auch für billig und treten denenjenigen bey, welche auch hinwiederum die Eltern zu solcher Kinder Erbschaft zulassen.

Titel 85 § 13

§ 13. Dagegen erklären Wir Uns in Ansehung solcher zusammengebrachten Geschwister dahin, daß sie sich nicht anders folgen, als so weit sie durch die gemeinen Rechte ihrer Blutsverwandschaft nach berufen werden.

Titel 85 § 14

§ 14. Wenn Halb-Geschwister zugleich von Vater und Mutter vorhanden sind, so sollen sie in des Verstorbenen ganzen Nachlaß gleich folgen, und Wir verwerfen also die Meinung derjenigen Rechtslehrer, welche nach den gemeinen Rechten des Verstorbenen väterliche Güter denen Geschwistern von einem Vater, und die mütterliche denen von der Mutter zueignen.

Titel 85 § 15

§ 15. Ob wol nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten es keinen Zweifel hat, daß die Halb-Geburt nicht weiter als bey Bruder- oder Schwester-Kindern in Betracht komme, so ist Uns doch vorgetragen, daß der Unterschied der Vollen und Halb-Geburt nach denen Lübischen, zum Theil auch in Unserm Herzogthum Lauenburg angenommenen Rechten weiter ausgedehnet werden wollen. Nachdem aber auch bereits die Reichs-Cammer hierunter ein anders, daß nämlich eine mehrere Erweiterung unstatthaft sey, erkannt hat, Wir auch sonst Uns davon überzeugen lassen, so wollen Wir, daß hierin auch bey dem Lübischen Rechte in Unsern Landen die gemeinen Rechte beybehalten werden.

Titel 85 § 16

§ 16. In denen von Uns abhangenden Lehnen können die Seiten-Verwandte nicht anders folgen, als wenn sie in der gesammten Hand stehen. Es kommt aber sodann auf die Ordnung im Lehnbriefe nicht an, sondern wer nach der Linie und der Staspel der Verwandschaft der nächste ist.

Titel 85 § 17

§ 17. Wer auch seit dreyßig Jahren nicht mehr in gesammte Hand gestanden, hat sein Recht am Lehn gänzlich verloren, wenn er auch schon ohne seine Schuld wäre übergangen worden.

Titel 85 § 18

§ 18. Ob auch schon, wie Wir berichtet worden, viele Rechtslehrer die gemeinen Rechte dahin erklären, daß bey Seiten-Verwandten die Beerbung der Stamm-Vettern mit der zehenten, der Blutsverwandten aber mit der sechsten Staspel Bürgerlicher Berechnung aufhören, so billigen Wir doch diejenige Meinung, welcher auch Unser Ober-AppellationsGericht beygepfliditet hat, daß diese Einschränkung nicht Statt habe, sondern die Erbfolge auch in weitern Staspeln eintrete.

Titel 85 § 19

§ 19. Haben Brüder in mehrere Lehn-Güter sich getheilet, so bleibt ein jedes Lehn bey dem oder denenjenigen, welche es in der Theilung bekommen haben, und deren Nachkommen vorzüglich, und werden andre nach der Verwandschaft gleich nahe oder auch nähere so lange davon ausgeschlossen.

Titel 85 § 20

§ 20. Als die Rechte einem unbemittelten Ehegatten von des wolhabenden Nachlaß den vierten Theil zueignen, hiebey aber ein und andre Zweifel vorfallen, so haben Wir nöthig gefunden, auch dieserhalb nähere Bestimmung zu geben. Wir billigen zuförderst die Meinung, daß dieser vierte Theil für eine Erbschaft im eigentlichen Verstände nicht anzusehen, noch bey demselben ein Zuwachs-Recht Statt finde, jedoch, wenn der Ehegatte sich solchen bey seinem Leben selbst nicht zugeeignet, desselben Erben es nach seinem Tode nicht fordern können.

Titel 85 § 21

§ 21. Wir treten ferner derjenigen Erklärung bey, daß die Rechte des Mannes und der Frau darunter gleich seyn und darin durch die neuesten Rechte nichts verändert worden.

Titel 85 § 22

§ 22. Wenn ferner gemeiniglich, wiewol nicht mit genügsamer Übereinstimmung, der Mangel der Mittel darnach gerechnet werden will, was dem überlebenden Ehegatten bey Einwerfung seines übrigen Vermögens an dem vierten Theil von des Verstorbenen Nachlaß fehle, so mögen Wir solches so durchgehends denen Gesetzen gemäß nicht halten; Wir sind belehret worden, daß durch diese neue Rechts-Wolthat hauptsächlich diejenigen Ehe-Frauen haben versorget werden sollen, welche keinen Brautschatz gehabt noch ihren Männern zubringen mögen, mithin auch keine Gegen-Vermachung erwarten können. Hat demnach eine Frau Ihrem Manne einen Brautschatz zugebracht, so muß sie zufrieden seyn, wenn sie eine gleich große Gegen-Vermachung zurück erhält, und ist weiter etwas zu fordern nicht befugt.

Titel 85 § 23

§ 23. Der Mann ist aber auch in diesem Falle, wenn die Frau ihm einen Brautschatz zugebracht, Statt seines vierten Theils damit sich zu begnügen schuldig, wenn schon der Brautschatz den vierten Theil von der Frauen ganzem Vermögen auch nach Einwerfung des Seinigen nicht ausmacht. Als welches Wir um deswillen billig finden und den Rechten gemäß halten, damit unter Mann und Frau eine Gleichheit beobachtet werde.

Titel 85 § 24

§ 24. Sonst aber lassen Wir es bey der angenommenen Meinung bewenden, daß derjenige für unbemittelt zu halten, welcher nicht so viel im Vermögen hat, als der vierte Theil von des Verstorbenen Nachlaß beträgt, und das folglich, was hieran mit Einwerfung des eignen Vermögens fehlet, zu ergänzen sey.

Titel 85 § 25

§ 25. Wenn nach Stadt-Recht Mann und Frau sich in Ermangelung der Kinder beerben, schließen sie die Eltern gänzlich aus.

Titel 85 § 26

§ 26. Es findet aber ein solches Stadt-Recht nur alsdenn Statt, wenn von beiden Seiten auch aus andern Ehen keine Kinder vorhanden sind.

Titel 85 § 27

§ 27. Bey der gesetzlichen Erbfolge treten diejenigen Gesetze ein, welchen der Verstorbene für seine Person unterworfen gewesen.

Titel 85 § 28

§ 28. Wenn also nach Stadt- oder Land-Recht Mann und Frau sich beerben, so erben sie auch solche Güter, die an Orten belegen sind, wo die Gesetze eine andere Erbfolge bestimmen.

Titel 85 § 29

§ 29. Bey Mann und Frau ist gleichwol in der Beerbung auf die Gesetze desjenigen Orts oder Landes zu sehen, wo bey der Verheyratung der Mann gewöhnet, wenn schon die Eheleute nachher an einen andern Ort sich niederlassen, und ihre Wohnung verändert haben.

Titel 85 § 30

§ 30. Trüge es sich zu, daß Unsre Bediente wegen des Besitzers ihrer Häuser genöthiget worden, das Bürger-Recht an einem Ort zu gewinnen, so bleiben sie gleichwol für ihre Personen bloß denen gemeinen beschriebenen Rechten unterworfen, und werden sie also auch in dem Hause nach diesen und nicht den Stadt-Rechten beerbet.

Titel 85 § 31

§ 31. In Ansehung der Stamm-Güter Unsers Herzogthums Bremen aber bleibt es bey dem Ritter-Recht, wenn schon der Besitzer zugleich in Unsern Diensten stünde.

Titul LXXXVI. Von der Erbfolge in Meyer Gütern.

Titel 86 § 1

§ 1. In so fern wegen der Erbfolge in Meyer-Gütern in Gerichtlichen, mit Einwilligung des Gutsherrn verfaßten Ehestiftungen Versehung geschehen ist, ist denen selben schlechterdings nachzugehen.

Titel 86 § 2

§ 2. Es sind jedoch die Ehestiftungen jedesmal dahin einzurichten, daß zwar Mann oder Frau sich den Hof und das künftige Erbfolge-Recht in denselben, wenn keine Kinder aus der Ehe erfolgen, auf den Fall erfolgender und überbleibender Kinder aber ein mehrers nicht, als nach dem Tode desjenigen, von welchem der Hof herrühret, die Regierung bis dahin, daß der Hof mit dem An-Erben wieder besetzet werde, verschreiben.

Titel 86 § 3

§ 3. Es verstehet sich auch dabey von selbst, daß derjenige von den Eltern, von welchem der Hof nicht herrühret, gleichwol bey solcher Verschreibung auf den Hof wieder heyrathen könne, und mit seinem künftigen Ehegatten einer Leibzucht sich zu erfreuen habe, weniger nicht dessen Kinder gleich denen eingebornen aus dem Hofe auszustatten seyn.

Titel 86 § 4

§ 4. Wenn aber hiebey der Zweifel vorfällt, ob eine solche unter Ehegatten zu treffende Ehestiftung auch ohne Einwilligung der Geschwister vom Bräutigam oder Braut errichtet werden könne, so haben Wir in gnädigstem Betracht gezogen, daß aus mehrern Kindern nur eines zum Meyer-Recht angenommen werden könne, die übrigen aber sich vom Erbe abfinden lassen müssen und schuldig sind, dem neuen Meyer den Hof allein zu überlassen, auch wegen des Meyer Guts mit ihm in keiner Gemeinschaft bleiben, daß aber auch zugleich die Bedürfniß des neuen Meyers es nothwendig erfordert, sowol zu Führung der Wirthschaft, als auch zugleich zu Abfindung seiner Geschwister eine Frau in den Hof zu nehmen, um allenfalls mit deren Eingebrachten einen Theil der Abfindungen oder auch sonst auf dem Hofe haftenden Schulden zu bezahlen, und hierunter überdem zugleich das gemeine Beste eintritt. Es soll also soldiemnach bey den Ehestiftungen in Ansehung der verschriebenen Erbfolge auf die Einwilligung der Geschwister gar nicht ankommen, diesen aber gleichwol ihre gebührende Abfindung allemal verabfolget, sie auch, wenn aus der Ehestiftung keine Erbfolge einträte, ihres Erb-Rechts nicht beraubet werden.

Titel 86 § 5

§ 5. In Ansehung der Kinder vernehmen Wir, daß zwar eine Erbfolge an sich nicht bestritten werde, wol aber, wem unter mehrern Kindern der Hof vorzüglich gebühre und von dem Gutsherrn zu verlassen sey, daß in dem mehresten Theile Unsrer Fürstenthümer und Länder darunter nichts gewisses festgesetzet sey, im Fürstenthum Lüneburg und der Grafschaft Hoya zwar solches durch Einführung eines Rechts der Erstgeburt näher bestimmet werden wollen, aber auch hiebey, da nicht aller Widerspruch des Gutsherrn ausgeschlossen werden mögen, wie auch wegen andrer Zweifel viele Weitläufigkeiten und Processe nicht verhütet werden mögen, welche Wir doch künftig so viel möglich zu verhüten aus Landesväterlicher Fürsorge Uns äußerst angelegen seyn lassen, und Wir finden dahero nöthig, eine solche Bestimmung zu geben, wodurch alle künftige Weiterungen möglichst aus dem Wege geräumet werden.

Titel 86 § 6

§ 6. Zuförderst setzen Wir nun, daß, wenn Söhne vorhanden sind, solche denen Töchtern Vorgehen, daß aber aus mehrern Söhnen auch im Fürstenthum Lüneburg und der Grafschaft Hoya mit gänzlicher Hintansetzung des Rechts der Erstgeburt die Wahl dem Gutsherrn bleibe, da diesem an einem guten Wirth hauptsächlich gelegen ist, und dadurch in diesem Fall aller Zweifel gehoben wird. Gestalten denn auch solchergestalt mit Gutsherrlicher Genehmigung Vater oder Mutter mit Beziehung der Leibzucht einem derer Söhne, welchen sie dazu erwählen, den Hof übergeben können, wenn ihm nur sonst der Hof mit angefallen ist.

Titel 86 § 7

§ 7. Es soll jedoch auch einem Vater oder Mutter, wenn der Hof von ihnen herrühret, dafern sie sich auf die Leibzucht setzen wollten, unverwehret seyn, mit Gutsherrlicher Einwilligung auch einer Tochter zur Befreyung den Hof abzutreten, und müssen alsdenn die Brüder mit einer Abfindung sich begnügen.

Titel 86 § 8

§ 8. Abgefundene Brüder und deren Nachkommen, oder in deren Entstehung Schwestern und deren Nachkommen, haben gleichwol alsdenn noch die Erbfolge in den Hof, wenn der Besitzer weder Leibes-Erben noch eine Frau hinterläßet, welcher der Hof verschrieben ist. Unter gleich nahen Brüdern und deren Kindern kann auch hier der Gutsherr wählen, muß jedoch bey den Kindern die Söhne vorziehen. In deren Ermangelung aber treten zuerst der Brüder Töchter, und sodann des Verstorbenen Schwestern und deren Nachkommen ein, unter welchen jedoch wiederum die Söhne nach der Wahl des Gutsherrn denen weiblichen Erben vorzuziehen sind.

Titel 86 § 9

§ 9. Es kann aber niemand ein Erbfolge-Recht an dem Hofe verlangen, welcher nicht von einem Besitzer des Hofes abstammet, mithin kann die davon nicht abstammende aufsteigende Linie wie auch dergleichen Seiten-Linie in den Hof nicht folgen.

Titel 86 § 10

§ 10. Ist ein Hof durch Heyrath an die Frau und hierauf an deren aus zweyter Ehe erzeugte Kinder gefallen, diese aber oder deren Nachkommen ausgestorben, oder es wären auch aus der zweyten Ehe keine Kinder erfolget, so folget zwar von selbst, daß der Frauen und deren Kinder Seiten verwandte darin keine Erbfolge haben. Da jedoch gezweifelt wird, ob alsdenn die vorhin zurückgestandene Erben und Geschwister des Manns, von welchen der Hof an die Frau gekommen ist, wieder eintreten, oder ob der Hof dem Gutsherrn zu freyer Besetzung anheim falle, so halten Wir billig, daß solche Geschwister und deren Erben, als nicht auf beständig zurückgesetzt, wieder zur Erbfolge eintreten, jedoch daß auch hier die männlichen Erben vorgezogen werden.

Titel 86 § 11

§ 11. Wenn bey Erledigung oder der nöthigen Besetzung eines Hofes von den männlichen Erben keiner zu den Jahren gelanget ist, daß er den Hof befreyen kann, so stehet es schlechterdings bey dem Gutsherrn, jemand von der weiblichen Seite zu nehmen.

Titel 86 § 12

§ 12. Uneheliche Kinder, es sey vom Vater oder Mutter, haben keine Erbfolge. Mantel-Kinder sind jedoch denen rechtmäßigen gleich zu setzen.

Titel 86 § 13

§ 13. Ausgestattete Kinder können in dem nachhero weiter erworbenen Vermögen und Nachlaß ihrer Eltern zu keiner Erbfolge zugelassen werden.

Titul LXXXVII. Von Folgen aus Geding.

Titel 87 § 1

§ 1. Ob wol nach denen gemeinen beschriebenen Rechten keine Erbfolge aus einem Gedinge Statt findet, so ist Uns doch vorgetragen, daß es damit in Deutschland von Alters her anders gehalten worden, Wir haben also gnädigst gut gefunden, Uns auch darüber näher zu erklären, und die unter denen Rechtslehrern obwaltende Zweifel zu entscheiden.

Titel 87 § 2

§ 2. Zuförderst mögen Wir nun ein einseitiges Versprechen der Erbfolge, welches auch allenfalls ohnehin nur als eine Schenkung von Todeswegen anzusehen seyn würde, für bündig nicht ansehen, noch einigen Anspruch daraus gestatten.

Titel 87 § 3

§ 3. Wenn aber zwey Personen sich von beiden Seiten ihren Nachlaß verschreiben, so soll, wenn sie keine Kinder haben, noch dadurch etwas Pflichtwidriges begangen worden, das Versprechen gültig und verbindlich, auch unwiderruflich seyn. Gehet es jedoch an der einen Seite zurück, so wird es auch von der andern Seite hinfällig.

Titel 87 § 4

§ 4. Ob auch schon nach den gemeinen Rechten Mann und Frau währender Ehe sich mit Bestände nichts schenken können, so soll doch dieses auf einen solchen Erbfolge-Vertrag nicht gezogen werden.

Titel 87 § 5

§ 5. Wer kein Testament machen kann, vermag auch keinen ErbfolgeVertrag zu errichten, und wer aus einem Testament nichts nehmen kann, darf es auch durch ein solches Geding nicht erlangen.

Titel 87 § 6

§ 6. Was in solchen Verträgen zum Besten des zuerst sterbenden nächsten Verwandten oder andrer bedungen worden, muß der überlebende halten, dieser ist aber nicht verbunden, zu erfüllen, was er für seine eigne Verwandte bedungen hat. Es stehet inzwischen auch einem jeden von ihnen frey, in Ansehung desjenigen, was er seinen eignen Erben beschieden, bey seinem Leben andre Verordnung zu treffen.

Titel 87 § 7

§ 7. Uber eines Dritten noch lebenden Erbschaft kann nicht anders ein Vertrag gemachet werden, als wenn er selbst darin, entweder gleich Anfangs oder nachher, williget. Andergestalt ist ein solcher Vertrag nach den gemeinen Rechten für schändlich zu halten, als wie Unser Ober-Appellations-Gericht solchergestalt auch erkannt hat.

Titel 87 § 8

§ 8. Dieses tritt auch bey Lehngütem, und selbst in dem Fall ein, wenn der Sohn bey seines Vaters Lebzeiten über die Lehnfolge sich verglichen, als wie auch dieses Unser Ober-Appellations-Gericht mit Recht angenommen hat.

Titel 87 § 9

§ 9. Als es bey Adelichen Familien hergebracht ist, daß die Töchter bey ihrer Verheyrathung gegen Empfang eines Brautschatzes der väterlichen oder auch wol beider Eltern Erbschaft entsagen, und denn der Grund dieses Gebrauchs darin gesetzet wird, daß die Töditer ehedem, wenn Söhne vorhanden, in den Gütern nicht mit geerbet, so soll dieser Verzicht auf die künftige Erbschaft der Eltern, da er zugleich zu Erhaltung des Stammes gereichet, gelten, wenn er schon nicht, wie viele Rechtslehrer erfordern, eidlich geschehen. Vielmehr aber ist derselbe ohne Eid für gültig zu halten, wenn die Eltern bereits verstorben wären, wenn nur in solchem Fall die Tochter bevormundet gewesen.

Titel 87 § 10

§ 10. Es soll auch in Ansehung der väterlichen liegenden Güter nicht darauf ankommen, ob die Tochter ihren vollen Pflichttheil erhalten habe oder nicht. Von den Capitalien aber und dem Mütterlichen muß ihr solcher gelassen werden.

Titel 87 § 11

§ 11. Dasjenige nun, worauf sie solchergestalt Verzicht thut, fällt ihren gesammten Brüdern, und zwar allein zu.

Titel 87 § 12

§ 12. Es wird gleichwol eine solche Tochter durch diesen Verzicht von nachherigen Anfällen ihrer Brüder und Schwestern nicht ausgeschlossen.

Titel 87 § 13

§ 13. Hätte sie jedoch bey der Eltern Leben auch auf der Geschwister Anfälle Verzicht thun müssen, so bleibet dasjenige, was diese abgehende Geschwister von ihren Eltern ererbet, denen Brüdern allein, weiter aber der Verzicht, wenn die Geschwister darin nicht selbst gewilliget haben, als ein Vertrag über eines noch lebenden Erbschaft nicht bestehen. Es verstehet sich auch, daß in Ansehung der Brüder es nur auf deren Antheil an den väterlichen Gütern und liegenden Gründen zu verstehen sey.

Titel 87 § 14

§ 14. Als in einigen Unsern Deutschen Ländern, insonderheit, wo die Eheleute in Gemeinschaft der Güter leben, die Einkindschaften häufig vorfallen, dabey aber oft gar viele Zweifel entstehen, so haben Wir insonderheit nach denen Erkenntnissen Unsers Ober-Appellations-Gerichts hierunter nähere Entscheidung abzugeben, gnädigst gut gefunden.

Titel 87 § 15

§ 15. Wenn demnach ein Ehegatte, er mag selbst Kinder haben oder nicht, des andern Ehegatten Kinder für die seinigen annimmt, so behalten die vorhandenen Kinder ihre durch die Einkindschaft erlangte Rechte, es mögen aus der neuen Ehe Kinder erfolgen oder nicht.

Titel 87 § 16

§ 16. Diese durch die Einkindschaft zusammengebrachte Kinder sind in der Erbfolge der Eltern denen natürlichen gleich und deren Erben, wenn auch schon in der schon errichteten Einkindschaft davon ausdrücklich nichts versehen, sondern sie nur als Kinder angenommen sind. Sie bringen auch, wie die natürlichen Kinder, bey der Theilung das von den Eltern empfangene in die Erbschaft ein.

Titel 87 § 17

§ 17. Wir billigen dagegen auch die Meinung derjenigen Rechtslehrer, welche die angenommenen Eltern ebenfalls gleich denen natürlichen zur Erbfolge der Kinder berufen. Doch bleibet denen Kindern schlechterdings die Freyheit zu testiren, bevor, und ist es genug, wenn sie denen Eltern nur den Pflichttheil lassen.

Titel 87 § 18

§ 18. Im Gegentheil können diese zusammen gebrachte Kinder aus dem bloßen Grunde der Einkindschaft nach deren Endigung einander nicht beerben, ob gleich solches hin und wieder dafür gehalten werden will.

Titel 87 § 19

§ 19. Es mag jedoch die Einkindschaft gar wol dahin gestiftet werden, daß die zusammen gebrachten Kinder als leibliche Geschwister sich beerben, wenn sie etwa ohne Testament versterben sollten. Doch ist dazu der Eltern Wille allein nicht hinlänglich, sondern es müssen, wenn die Kinder noch in den Jahren sind, daß sie selbst keinen letzten Willen machen können, der unmündigen Kinder nächste Verwandte außerhalb den natürlichen Eltern zugleich darein willigen. Auch verstehet sich solches von dem leiblichen Vater allein, welcher die Kinder unter seiner Gewalt hat, daß er unter solchen Bedingungen dieses feststellen könne. Und so dauert dieses Erbrecht nicht über die Jahre der Pubertät, da ein Kind selbst nicht testiren kann. Wenn aber die Kinder außer solchen Jahren sind, müssen sie selbst darin genehmigen. Doch soll es, wie schon erwähnet, sie an einer letzten Willens Verordnung nicht hindern.

Titel 87 § 20

§ 20. Eltern können bey dieser Einkindschaft zwar ihren eignen natürlichen Kindern zum Nachtheil eine letzte Willens-Verordnung machen, auch selbige enterben, denen angenommenen Kindern aber von deren Kindestheil nichts entziehen.

Titel 87 § 21

§ 21. Bey Errichtung einer Einkindschaft müssen die aus vorigen Ehen vorhandenen unmündigen Kinder nothwendig bevormundet seyn, immaßen sonst zu ihrem Nachtheil nicht geschlossen werden kann. Es wäre denn, daß die zusammen zu bringende Kinder unter väterlicher Gewalt stünden, welchenfalls in ihrem Betracht keine Bevormundung eintritt. Sind aber die Kinder unmündig und stehen nicht unter väterlicher Gewalt, müssen sie selbst darin willigen.

Titel 87 § 22

§ 22. Ob auch schon hiebey beyder Eltern Einwilligung allerdings nöthig ist, auch auf den Fall, daß Groß-Eltern zur Erbschaft berufen werden könnten, deren Beystimmung nicht an die Seite zu setzen ist, so gebrauchet es doch sonst der nächsten Verwandten Beypflichtung weiter nicht, als wenn etwa die Kinder in den Jahren, da sie nicht testiren könnten, mithin ihr Nachlaß solchen nächsten Erben bleiben müsse, verstürben. Wiewol bey solchen Kindern, die einen Vater haben, unter dessen Gewalt sie stehen, dessen Wille allein hinlänglich ist.

Titel 87 § 23

§ 23. Daß die Einkindschaft von der Kinder Obrigkeit geschehe, halten Wir weiter nicht nöthig, als in so fern die Rechte nicht erlauben, der Unmündigen Güter auch um ihres Besten willen, ohne Erkenntniß der Obrigkeit, zu veräußern. Bey Kindern also, die einen Vater haben, unter dessen Gewalt sie stehen, gebraucht es also der Obrigkeit Einwilligung nicht, wol aber wenn sie einen neuen Vater annehmen sollen. Und aus gleichem Grunde bestehet auch eine Einkindschaft mündiger Kinder bloß durch deren Einwilligung.

Titel 87 § 24

§ 24. Wenn die Einkindschaft vor der Obrigkeit zu vollziehen ist, so muß untersuchet werden, ob es denen vorhandenen Kindern verträglich sey. Es bedarf jedoch alsdenn keines solennen Inventarii, sondern ein ungefehrliches Verzeichniß des Vermögens ist hinreichend, zumal der Vormünder Beypflichtung ohnehin das übrige ergänzet. Die Obrigkeit muß aber auch sodann über die Zulassung der Einkindschaft ein Erkenntniß abgeben.

Titel 87 § 25

§ 25. Wir halten es jedoch zum wesentlichen Bestand einer Einkindschaft nicht nöthig, daß das darüber errichtete Instrument, wie verschiedene meinen, in einem öffentlichen Archiv niedergeleget werde.

Titel 87 § 26

§ 26. Ob auch schon die Rechts-Lehrer gemeiniglich keine nachherige Genehmigung eintreten lassen wollen, wenn nicht gleich anfangs alle Theile eingestimmet, so soll doch diese allerdings Statt finden, und dadurch das Geschäfte als von Anfang gültig angesehen werden. Wobey auch eine außergerichtliche Genehmigung hinlänglich ist.

Titel 87 § 27

§ 27. An denen Orten, wo eine Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten ist, höret die Einkindschaft und deren Würkung mit dem Tode des Vaters nicht auf, sondern die Mutter bleibt in der Gemeinschaft sitzen.

Titel 87 § 28

§ 28. Wenn sonst auch ein und anders bey Errichtung der Einkindschaft nicht gehörig beobachtet wäre, so gilt es zwar in Ansehung der bereits vorhanden gewesenen Kinder nicht weiter als es ihm nützlich ist, die vereinigende Eltern bleiben aber allemal verbunden.

Titel 87 § 29

§ 29. Nachdemmalen auch über diejenigen Folgen im Lehn, welche keine Verwandschaft zum Grunde haben, sondern aus Aufnehmung in die gesammte Hand oder Geding oder auch Anwartschaften entstehen, wie Uns vorgetragen worden, nicht wenige Zweifel obwalten, so haben Wir gnädigst gut gefunden, auch darüber nähere Bestimmung zu geben.

Titel 87 § 30

§ 30. Es ist nun durch mehrere Erkenntnisse Unsers Ober-AppellationsGerichts festgesetzet, daß auch in denen so genannten eventual-Belehnungen die zur gesammten Hand keines Falles weiter Statt finde. Dieses bestätigen Wir also um so mehr, als Wir berichtet sind, daß nach denen ältern in Unsem Deutschen Landen vorhin üblich gewesenen Sächsischen Rechten die Gedinge nicht einst auf die Kinder gegangen sind.

Titel 87 § 31

§ 31. Als aber auch bisher bey Unser Lehn-Cammer hergebracht ist, daß nicht weniger die eventual-Belehnungen außer gesammter Hand bey sich begebenden Fällen, wenn entweder der Herr, oder der Diener stirbt, erneuert werden müssen, oder widrigenfalls dieselbe aufhören, so soll auch dieses hiedurch außer Zweifel gesetzet werden.

Titel 87 § 32

§ 32. Was die bloßen Anwartschaften auf Lehne ohne würkliche besondere eventual-Belehnungen anlanget, welche gleich Unsere in Gott ruhenden Vorfahren auch Wir denen um Uns und Unser Haus verdienten Personen ertheilen, und welche gemeiniglich allgemein auf das erste zu eröffnende Lehn gefasset werden, so ist es schon von Unsers Herrn Großvaters Majestät festgestellet, daß selbige nicht weiter als auf die Kinder des Beanwarteten ersten Grades sich erstrecken. Wir wollen also diese bestätigen lassen, jedoch neben denen Söhnen auch die Enkel, mithin der verstorbenen Söhne Kinder eintreten.

Titel 87 § 33

§ 33. Wäre auch ein oder andrer von Uns oder Unsern Durchlauchtigsten Vorfahren mit mehrern besondern Anwartschaften versorget, und er wäre von einer zum Genuß gekommen, so bleibet es bey der Observanz Unsrer Lehn-Cammer, daß er aus einer zweiten weiter keinen Anspruch machen kann.

Titel 87 § 34

§ 34. Wie Wir gleichwol auch bey allen zu verleihenden Anwartschaften Unser Lehnleuten getreuer Herr verbleiben, mithin dieselben dadurch in Noth nicht verderben lassen wollen, also behalten Wir Uns allemal bevor, bey des Vasallen erweislich eintretender Noth, es mögen allgemeine oder besondere Anwartschaften, auch Gedinge seyn, zu Aufnehmung einiger Schulden Unsre Lehnsherrliche Bewilligung gnädigst zu ertheilen. Sonst aber sollen die zugleich auf die Erben abgefaßten Anwartschaften oder Gedinge allerdings bestehen bleiben.

Titel 87 § 35

§ 35. Hätten Wir jemand auf eine Präbende für einen seiner Söhne, welchen er demnächst wählen werde, eine Anwartschaft ertheilet, und der vom Vater erwählte wäre vor entstandenem Fall der Erledigung verstorben, so stehet dem Vater gleichwol frey, einen andern alsdann ohne andrer Beanwarteter Widerspruch zu erwählen, und Wir auch selbst wollen Uns solches gnädigst gern gefallen lassen.

Titul LXXXVIII. Von Frohn-Diensten.

Titel 88 § 1

§ 1. Wenn der Frohndienst in gewissen wöchentlichen Diensttagen bestehet, ist der Gutsherr nicht befugt, den Dienst ganz oder zum Theil aus der einen Woche in die andre zu ziehen und dadurch dem Gutsmann die Bestellung seines eignen Haushalts zu erschweren, sondern dieser bleibet nachher wegen des in der Woche nicht geforderten Dienstes frey.

Titel 88 § 2

§ 2. Ungemessene Dienste können nicht weiter als zum Behuf des Adelichen Guts und dessen Haushalts, auch Ausübung desselben Gerechtsame, nicht aber um dadurch Handel und Wandel zu treiben, gefordert werden. Wer also die Brau-Gerechtigkeit hat, kann die ungemeßenen Dienste zu Verfahrung des Biers zum feilen Verkauf nicht anhalten.

Titel 88 § 3

§ 3. Hat ein Gutsherr mehrere Dörfer und Unterthanen, welche bisher an dessen Gut sämmtlich ungemessen gedienet, so ist er nicht befugt, einige dieser Dörfer und Unterthanen zum Nachtheil der übrigen, mit welchen sie bisher zugleich gedienet, zu veräußern, sondern er muß solchen Falls denen übrigen den Abgang im Dienste zu gute kommen lassen.

Titel 88 § 4

§ 4. Würde auch jemand sein Gut durch Ankauf oder sonst vergrößern, so kann der ungemessene Dienst auf das hinzugekommene nicht erstrecket werden.

Titel 88 § 5

§ 5. Der Dienst ist solchergestalt zu leisten, daß der Gutsmann mit Aufgang der Sonne von seinem Hause abgehe. Er ist aber auch des Diensts so zeitig demnächst zu entlassen, daß er bey Untergang der Sonne wieder zu Hause seyn könne.

Titel 88 § 6

§ 6. Als Wir vernommen, daß an einigen Orten die in ungemessenen Dienst stehende Dienstpflichtige verlangen, daß sie bey Abmähung der Wiesen allesammt zugleich auf eine Wiese gehen, und wenn sie eine, sie sey so klein wie sie wolle, abgemähet und damit auch schon um Mittag fertig geworden, ihnen solches für einen ganzen Dienst-Tag gerechnet werde, so mögen Wir dieses nicht anders billigen, als wenn darunter ein rechtmäßiges Herkommen erwiesen wird.

Titel 88 § 7

§ 7. Wenn die Dienstpflichtige auch seit unvordenklicher Zeit ein gleichförmiges jährliches Dienstgeld entrichtet, so können dennoch dadurch die natural-Dienste, so lange sie deren Ableistung nicht widersprochen haben und der Gutsherr darauf binnen rechts verjährter Zeit es nicht dabey gelassen, nicht verjähret werden.

Titel 88 § 8

§ 8. Bey ungemessenen Diensten ist ein Gutsherr nicht befugt, einige von solchen Dienstpflichtigen in Dienstgeld zu setzen, von den übrigen aber zu deren Beschwerung den natural-Dienst zu fordern, so wenig als ihm frey stehen kann, einige unter selbigen sich frey kaufen zu lassen.

Titul LXXXIX. Vom Bau aus Eifersucht.

Titel 89 § 1

§ 1. Bey dem sogenannten Bau aus Eifersucht erklären Wir Uns gnädigst dahin, daß nur das für einen verbotenen Bau aus Eifersucht zu halten sey, wenn jemand einem andern zum Nachtheil und Schaden, nicht aber wegen eigner Bedürfniß oder Nutzens bauet.

Titul XC. Von Schenkungen unter lebendigen und auf den Todes-Fall.

Titel 90 § 1

§ 1. Ungeachtet Wir solchen Schenkungen, welche in bloßen, oft unüberlegten, Versprechungen und mit Hintansetzung der sich selbst schuldigen Pflichten, geschehen, wenn sie nicht eine Vergeltung enthalten, keine besondre Gunst ertheilen, wie sie auch in denen ältern Rechten nicht für verbindlich gehalten sind, so wollen Wir es jedoch hierunter bey denen neuern Justinianischen Rechten überall lassen.

Titel 90 § 2

§ 2. Als nun in solchen neuern Rechten zugleich ganz heilsam verordnet ist, daß eine solche Schenkung nicht weiter als auf fünfhundert güldne Schillinge bestehen solle, wenn sie nicht gerichtlich angegeben und angezeichnet worden, hiebey aber nicht außer Zweifel ist, wie hoch ein solcher güldner Schilling zu rechnen sey, und denn zwar, wie Uns hinterbracht worden, ein Justinianischer güldner Schilling das Gehalt von fünf Viertel Ducaten gehabt, gleichwol die meisten neuern Rechtslehrer und auch Unsre Gerichte fünfhundert Ungarische oder Holländische Ducaten oder eintausend Thaler Species angenommen haben, so wollen Wir dieses auch hiedurch bestätigen, es auch sonst dabey schlechterdings bey den gemeinen Kaiserlichen Rechten lassen.

Titel 90 § 3

§ 3. Was Wir aber in Ansehung der dazu erforderlichen Obrigkeit bey denen Testamenten gnädigst beliebet haben, solches soll auch bey Schenkungen gelten.

Titel 90 § 4

§ 4. Es kommt auch bey dieser gerichtlichen Annehmung auf keine besondre Untersuchungen an, sondern es ist genug, wenn der schenkende Theil seinen Willen dem Gerichte zu erkennen giebet, und der Beschenkte davon zufrieden ist. Doch kann eine Schenkung nicht, wie ein Testament, ins Gericht verschlossen übergeben werden, sondern es muß alles in Gegenwart des Richters öffentlich geschehen.

Titel 90 § 5

§ 5. Von dieser gerichtlichen Angabe sollen auch Schenkungen, welche auf eine freywillige Vergeltung gerichtet sind, nicht ausgeschlossen, noch andergestalt weiter als auf fünfhundert Ducaten gültig seyn, wie solchergestalt auch Unser Ober-Appellations-Gericht verschiedentlich erkannt hat.

Titel 90 § 6

§ 6. Da auch unter denen Rechts-Lehrern gestritten wird, ob auch bey Erlassung einer Schuld über 500 Ducaten eine gerichtliche Insinuirung erfordert werde, so nehmen Wir an, daß auch dieses geschehen müsse.

Titel 90 § 7

§ 7. Da auch bey denen Schenkungen unter den Lebendigen, wenn sie über 500 Ducaten sich erstrecken, die gerichtliche Anzeige um deswillen eingeführet worden, um insonderheit dadurch alle heimliche Hintergehungen und Verleitungen zu verhüten, so mögen Wir die Meinung dererjenigen keinesweges billigen, welche eine Bestätigung durch einen Eyd der gerichtlichen Anzeige gleichgeltend halten wollen. Wie Wir Uns darüber auch in dem Titul von eidlichen Bekräftigungen bereits erkläret haben.

Titel 90 § 8

§ 8. Ob gleich eine Schenkung aller Güter unter den Lebendigen von verschiedenen Rechts-Lehrern bezweifelt werden will, es auch, da sie unwiderruflich seyn soll, gegen die natürlichen Pflichten sowol gegen sich selbst als andre zu streiten scheinet, so wollen Wir jedoch selbige nicht verwerfen, zumal oft tugendliche Ursachen dazu Gelegenheit geben. Es verstehet sich jedoch von selbst, daß die schenkende Person für sich auf keine Weise leiden könne.

Titel 90 § 9

§ 9. Es kann auch in diesem Fall der Verschenkende von seinem Vermögen zwar nichts aus bloßer Gefährde vermindern. Sonst aber muß ihm ein untadelhafter Gebrauch des Seinigen völlig frey bleiben, und was er nach der Schenkung mit andern Personen gehandelt und geschlossen, kann zum Schaden und Nachtheil dieser Personen, wenn ihnen keine Gefährde beyzumessen, für ungültig nicht gehalten werden. Es muß dahero das geschenkte Gut auch alle und jede Schulden, wenn keine Gefährde des Gläubigers dabey vorhanden ist, tragen, sie mögen vor oder nach der Schenkung gemacht seyn.

Titel 90 § 10

§ 10. Hätte jemand alle das Seinige oder einen Theil seiner Güter verschenket, und es würden ihm nachher eheliche Kinder geboren, so fällt das Geschenkte ungeachtet derer dagegen obwaltenden Zweifel nach der angenommenen Meinung Unsers Ober-Appellations-Gerichts an den schenkenden Theil zurück.

Titel 90 § 11

§ 11. In Ansehung derer Schenkungen, wodurch der Kinder Pflicht-Theil benachtheiliget worden, treten wir denenjenigen Rechtslehrern bey, welche solche Schenkungen nicht ganz, sondern nur bis auf den Pflicht-Theil der Kinder aufheben, dabey übrigens auch nicht darauf sehen, ob die Absicht gewesen, die Kinder an ihrem Pflichttheil zu verkürzen, oder nicht.

Titel 90 § 12

§ 12. Zur Vollständigkeit einer Schenkung gehöret zwar allerdings die Einwilligung beider Theile. Hat also jemand einem Abwesenden etwas geschenket, so bleibet die Schenkung, bis der Abwesende es erfahren und angenommen, unvollständig, und kann folglich bis dahin widerrufen werden.

Titel 90 § 13

§ 13. Gehet gleichwol die Meinung des Schenkers dahin, daß der Beschenkte sofort das Eigenthum oder ein unwiderrufliches Recht haben solle, und er lässet solches dem Abwesenden wissen, so kann er nicht 14» eher zurücktreten, als bis der Abwesende es erfahren und die Schenkung von sich abgelehnet.

Titel 90 § 14

§ 14. Hat jemand ihrer Zweyen, und zwar einem gegenwärtigen und einem abwesenden ein Ganzes geschenket, welches der gegenwärtige für den abwesenden mit angenommen hat, so ist die Schenkung auch in Ansehung des abwesenden völlig gültig.

Titel 90 § 15

§ 15. Wenn nun auch schon vor Vollziehung der Schenkung von gewissen zu erfüllenden Bedingungen, welche der Schenkende verlanget, etwas vorgefallen wäre, so kann doch darauf kein Betracht genommen werden, wenn von solchen Bedingungen der Schenkung selbst nachhero nichts einverleibet worden.

Titel 90 § 16

§ 16. Zinsen des Verzugs oder auch nach der Kriegs-Befestigung können bey Schenkungen unter den Lebendigen nicht gefordert werden, als wie Wir hierin die Kaiserlichen Rechte angewandt wissen wollen.

Titel 90 § 17

§ 17. Ist aber jemanden ein auf Zinsen belegtes Capital ganz oder zum Theil geschenket, so gehören ihm auch davon die seit der Schenkung aufgekommenen Zinsen.

Titel 90 § 18

§ 18. In Ansehung der Schenkungen auf den Todesfall bleibet es durchaus bey den gemeinen Rechten, und können Wir dererjenigen Meinung nicht billigen, welche dergleichen ohne alle Feyerlichkeiten als ein Geding bestehen lassen wollen. Zugabe zum Titul: Von Schenkungen Da auch bey denen Schenkungen unter den Lebendigen, wenn sie über 500 Ducaten sich erstrecken, die gerichtliche Anzeige um deswillen eingeführet worden, um insonderheit dadurch alle heimliche Hintergehungen und Verleitungen zu verhüten, so mögen Wir die Meinung dererjenigen keinesweges billigen, welche eine Bestätigung durch einen Eyd der gerichtlichen Anzeige gleich geltend halten wollen.

Titul XCI. Von Mühlen.

Titel 91 § 1

§ 1. Wie es eines Theils keinem Unsrer Unterthanen erlaubet seyn kann, den allgemeinen Gebrauch öffentlicher Flüsse und Bäche zu beschränken, andern Theils aber auch der bey Mühlen erforderliche Kosten-Aufwand und davon zu erwartende Nutzen gegen neue Mühlen so wenig als andre nachtheilige Unternehmen ohne Landesherrlichen Schutz gesichert seyn kann, also ist es auch nicht allein in Ansehung Unsrer Fürstenthümer Calenberg und Grubenhagen in dem Gandersheimischen Landtags-Abschied bereits versehen, daß keine neue Mühle ohne des Landesfürsten Einwilligung anzulegen sey, sondern es beruhet dieses auch in Unsern Herzogthümern Bremen und Verden außer allen Zweifel und ist Unsre Landesherrliche Gerechtsame darunter durch ein Erkenntniß Unsers Ober-Appellations-Geridits bekräftiget worden. In Unsern übrigen Deutschen Landen treten diesselben Gründe ein, warum weder Wasser- noch Wind-Mühlen ohne Unsre Landes-Fürstliche Erlaubniß anzulegen stehen, und es sind dahero Unsre gottseelige Vorfahren an der Regierung des Herzogthums Lüneburg vielfältig ersuchet worden, sind auch vorkommenden Umständen nach entweder geneigt gewesen, den Bau einer Mühle zu verstatten oder haben ihre Einwilligung dazu versaget. Wir wollen demnach zu Verhütung aller unnöthigen Zweifel hiedurch zum Überfluß zugleich bestimmen, daß überall keine Mühlen in Unsern Deutschen Landen ohne Unsre gnädigste Einwilligung angeleget werden können.

Titel 91 § 2

§ 2. Wie nun aus obgesetzten Gründen zugleich folget, daß von allen bereits vorhandenen Mühlen die rechtliche Vermuthung von Unsrer Durchlauchtigen Vorfahren Einwilligung obwalte, also soll auch niemand befugt seyn, sie an dem freyen Gebrauch des Wassers oder des Windes auf einerley Weise zu behindern.

Titel 91 § 3

§ 3. Da nun die jedesmalige Regenten dieser Lande durch Verstattung eines Mühlen-Baues zugleich Schutz gegen alle nachtheilige Unternehmungen anderer versprochen haben, so ist auch billig und Rechtens, was bereits in dem Gandersheimischen Landtags-Abschiede art. 13 versehen ist, daß ohne die interessirende benachbarte Mühlen-Herren zu hören, und ob es ohne ihren Schaden, Nachtheil und Abgang geschehen könne, zu untersuchen, kein neuer Mühlen-Bau verstattet werde.

Titel 91 § 4

§ 4. Bey Wiederaufbauung einer eingegangenen Mühle, wenn sie gleich über 30 Jahre gelegen, brauchet es jedoch keiner Landesherrlichen Erlaubniß noch Vernehmung der benachbarten Mühlen-Interessenten, es wäre denn, daß immittelst in solcher Gegend mit Landesherrlicher Genehmigung eine neue Mühle angelegt worden. Als welchen Falle es eben so, als bey Anlegung neuer Mühlen zu halten ist.

Titel 91 § 5

§ 5. Was auch insbesondere die Bann-und Zwangs-Gerechtigkeit bey Mühlen, Krügen und sonst anlanget so ist desfalls in dem Gandersheimischen Landtags-Abschiede eine Verjährung von 30 Jahren, in dem Lüneburgischen Landtags-Abschiede vom Jahre 1686 aber ein altes Herbringen erfordert. Wir glauben, daß auch letzteres unter der Verjährung von 30 Jahren begriffen sey, wollen demnach dieses in allen Unsern Deutschen Landen eintreten lassen.

Titel 91 § 6

§ 6. Als gleichwol Unsre und Unsrer Durchlauchtigsten Vorfahren Gnaden-Bezeigungen dahin gedeutet werden mögen, daß dadurch die nöthige Landesherrliche Sorgfalt für das Beste andrer Unterthanen ausgeschlossen werde und diese dadurch beschweret werden mögen, vielmehr in Ansehung der Fürstenthümer Calenberg und Grubenhagen bereits Unsers Herrn Vetters weiland Herzog Heinrich Julius Liebden durch den Gandersheimischen Landtags-Abschied sich darunter das Nöthige Vorbehalten, also ist bey dem Widerspruch der benachbarten Mühlen-Interessenten hauptsächlich darauf zu sehen, ob die bisherigen Mühlen der Nothdurft hinlänglich Vorkommen können, oder ob dabey sich Mängel vorfinden. Als welchenfalls ein Widerspruch überall in keinem Betracht genommen werden soll.

Titel 91 § 7

§ 7. Wollten jedoch Unsre von Adel zu ihrer und ihres eignen Haushalts Bedürfniß auf ihrem eigenthümlichen freyen Grund und Boden eine Mühle anlegen, so soll ihnen das durchaus unverwehret seyn.

Titel 91 § 8

§ 8. Da denen alten Mühlen auch durch Anlegung einer Roßmühle Schaden und Abgang entstehet, so ist hiebey eben dasjenige, was bey andern Mühlen zu beobachten.

Titel 91 § 9

§ 9. Es findet auch gleiche Beobachtung Statt, wenn eine Mühle mit mehrern Grindeln erweitert werden sollte.

Titel 91 § 10

§ 10. Wenn auch dem Vernehmen nach gezweifelt werden will, ob in Ansehung des bisher bestimmten ein gleiches wie bey Korn-, also bey andern Mühlen eintrete, Wir aber nach denen im Anfang dieses Tituls untergelegten Sätzen, warum ein Unterschied Statt finden sollte, nicht absehen mögen, als wollen Wir, daß alles vorhin gesetzte auch bey aller übrigen Art Mühlen seine Zueignung finde.

Titel 91 § 11

§ 11. Wir finden jedennoch nöthig, auch diese Erklärung annoch hinzuzufügen, daß die Ertheilung Unsrer Einwilligung in Erbauung oder Erweiterung einer Mühle nicht von Unsrer Rent-Cammer, sondern von Unsrer Landes-Regierung abhange, ob schon der allenfalls dafür zu erlegende Zins von Unsrer Rent-Cammer bestimmt wird.

Titel 91 § 12

§ 12. Was die Bann- und Zwang-Mühlen anlanget, so hat hierunter der Gandersheimische Landtags-Abschied eine Zeit der Verjährung von dreißig Jahren angenommen, Wir wollen also auch dieses als denen Rechten gemäß auf Unsre sämmtliche Deutsche Lande erweitern.

XCII. Von der Krug-Gerechtigkeit.

Titel 92 § 1

§ 1. Wir haben gnädigst vornommen, wie Unser Ober-Appellations-Gericht der Meinung sey, daß die Ertheilung einer Krug-Gerechtigkeit von demjenigen abhange, welchem der Schutz des Orts zustehet. Und diesen Satz wollen Wir in Unsem Gerichten befolget wissen.

Titel 92 § 2

§ 2. Solchemnadi kann also ein Begüterter von Adel oder andrer Freyer in dem Bezirk seines Adelichen und freyen Wohnhofes ohne Unsrer Ämter Widerspruch einen Krug anlegen.

Titel 92 § 3

§ 3. Es kann ferner diejenige Obrigkeit, welche das Schutz-Geld zu heben hat, die Erlaubniß zu Anrichtung eines Kruges ertheilen und dafür einen Krug-Zins sich bedingen.

Titel 92 § 4

§ 4. Dagegen können Wir denen Obrigkeiten, welchen das Schutz-Geld nicht zustehet, die Vergünstigung einer Krug-Gerechtigkeit nicht verstauen.

Titel 92 § 5

§ 5. Gleichwie aber auch nicht allein Unsre Landes-Ordnungen guten Theils wegen der Bann- und Zwang-Krüge Versehung getroffen haben, daß nur alsdenn der Zwang Statt finde, wenn es von undenklicher Zeit hergebracht sey, dieses auch überhaupt denen Rechten gemäß ist, also kann auch nicht geduldet werden, daß der Verleiher oder Verpächter eines Kruges mit dem Verleihen oder Verpachten die Bedingung verknüpfe, daß das zu verzapfende Bier von niemand anders als von ihm eingezogen werden solle.

XCIII. Von der Jagd.

Titel 93 § 1

§ 1. Uns ist unterthänigst vorgetragen worden, wie die Holzungen auch in Unsern Teutschen Landen von Alters theils in Forsten und Wildbahnen oder Gehegen, theils in gemeinschaftlichen Holzungs-Markungen bestanden haben, und daß also hiernach die Jagd-Rechte sehr verschiedentlich zu bestimmen seyn.

Titel 93 § 2

§ 2. In Unsern eignen Wildbahnen und Forsten kann niemand des Jagens sich anmaßen, der nicht dieses Recht durch absonderliche Verleihung erlanget oder durch Verjährung erworben hat. Doch wollen Wir gnädigst nachgeben, daß eine Vierzigjährige Zeit zur Verjährung für hinreichend gehalten werde.

Titel 93 § 3

§ 3. In andern Forsten oder Gehegen aber werden zwar gegen eine Stadt oder Kirche 40 Jahre, gegen einen von Adel aber nur 30 Jahre zur Verjährung erfordert.

Titel 93 § 4

§ 4. Außerhalb Unsern Gehegen ist einem jeden Begüterten von Adel und freyen Landsassen auf seinem eignen freyen Grund und Boden die Nieder-Jagd auszuüben erlaubt, und gebraucht es dazu keiner Verleihung noch Verjährung.

Titel 93 § 5

§ 5. Als Uns auch hinterbracht ist, daß es in denen gemeinschaftlichen Holzungs-Markungen ehedem so gehalten worden, daß die darin Interessirte in den Feldmarken, wo sie Meyer oder Zehenten haben, zu der Nieder-Jagd berechtiget seyn, dieses auch nicht allein in Unserm Fürstenthum Lüneburg von Unsers Herrn Vetters weiland Herzogs Christian Ludewigs Liebden und Deroselben Nachfolgern anerkannt worden, sondern auch in Unsern Herzogthümern Bremen und Verden außer allem Zweifel beruhet, so erklären Wir Uns gnädigst, daß Wir es hiebey in allen Unsern Teutschen Landen, jedoch nur in Ansehung dererjenigen Adelichen Gütern, welche ursprünglich adelich frey sind, und nicht erst neuerlich eine solche Freiheit erhalten haben, in so fern nicht etwa ein anders hergebracht ist, bewenden lassen wollen.

Titel 93 § 6

§ 6. Wir billigen auch die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte angenommene Meinung, daß denenjenigen Städten, welche unter die freyen Land-Stände gehören, in Ansehung ihrer Bürger wegen derer der Stadt gehörigen Meyer oder Zehenten ein gleiches Recht nicht zu versagen ist.

Titel 93 § 7

§ 7. Wie jedoch bereits Unsers Herrn Vetters, Herzog Christian Ludewig Liebden in der an die Lüneburgische Landschaft ertheilten Resolution versehen haben, was für Mäßigung bey denen Koppel-Jagden zu beobachten sey, also hat es auch allerdings dabey sein Bewenden, und sollen bey denen mit der Jagd versehenen Städten nicht mehr als zwey Bürger zugleich an einen Ort auf die Jagd auszugehen befugt seyn.

Titel 93 § 8

§ 8. Haben auch die von Adel ihre Adeliche freye Ländereyen in einer Feldmark mit andern vermenget liegen, so ist ihnen die Nieder-Jagd allda um so weniger zu bezweifeln.

Titel 93 § 9

§ 9. Da auch in Unserm Herzogthum Lüneburg vielfältig die Huden und Weiden mehrer Dorfschaften ungetheilt in gemeine Haiden sich erstrecken, und dahero die Feldmarken nicht durchgehends hinlänglich bestimmt sind noch füglich werden mögen, als wollen Wir allerdings zugeben, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht dafür gehalten hat, daß derer von Adel und andrer Freyen Koppel-Jagd auch auf die gemeine Hude und Weide in denen Haiden in Ansehung derjenigen Dorfschaft, wo sie Zehenten oder Meyer haben, gehe.

Titel 93 § 10

§ 10. Als aber überher im Bremischen behauptet werden wollen, daß die von Adel auch auf denen an ihre adeliche Güter anstoßende benachbarten Feldmarkungen zu jagen berechtiget seyn wollen, so muß dieses auf den desfalls zu führenden Beweis ankommen. Wesfalls auch wenn wir mit Unsrer Jagd-Gerechtigkeit nicht interessiret sind, die langjährige Verjährung von 10 oder 20 Jahren oder gegen Kirchen und Städte von 40 Jahren eintreten muß.

Titel 93 § 11

§ 11. Wir wollen jedoch gnädigst zugeben, daß die durch ihre Meyer oder Zehenten zur Jagd berechtigte von einer Feldmark zur andern durch die dazwischen liegende Feldmark mit ungekoppelten Hunden durchgehen mögen, wenn nur Unsere Gehäge dadurch nicht berühret werden.

Titel 93 § 12

§ 12. Wir wollen auch in Ansehung der hohen Jagd aus besondrer gnädigster Gesinnung gegen Unsre getreue Landschaften, gestalten Wir diese letztere Zeit auch in denen Feldmarken, wovon die Höfe und Ländereyen ganz von Unsrer Rent-Cammer abhängen, angenommen wissen wollen, sonst aber gegen Unser Forst-Amt eine dreißigjährige Zeit gelten lassen, daß in Ansehung freyer eigenthümlicher Adelicher Hölzer ein Begüterter von Adel oder andrer Besitzer Adelicher freyer Güter, wenn er im Besitz der hohen Jagd sich befindet, nicht schuldig seyn soll, seine Gerechtigkeit wegen der hohen Jagd zu erweisen.

Titel 93 § 13

§ 13. In Ansehung fremder Privat-Holzungen aber muß auch hier die Verjährung der langen Zeit oder gegen Städte und Kirchen die längste von 40 Jahren eintrete.

Titel 93 § 14

§ 14. Wir wollen aber auch in Unsern eignen Gehägen und Holzungen in Ansehung der hohen Jagd denen Besitzern Adelicher freyer Güter zur Verjährung der hohen Jagd eine vierzigjährige Zeit gnädigst zugestehen.

Titel 93 § 15

§ 15. Wenn aber auch Unsre Durchlauchtigste Vorfahren gegen die von Adel an Orten und Enden, wo nicht ein anders hergebracht worden, außerhalb denen von Adel-Gehegen die Mit-Jagd behaupet haben, so wollen Wir darunter, wie auch wegen der sogenannten Feder-Schützen, Unserm Landesherrlichen Rechte nichts vergeben.

Titel 93 § 16

§ 16. Wenn ein adeliches Gut unter mehrere vertheilet wird, kann dadurch die Jagd nicht vervielfältiget werden, sondern sie ist nach wie vor nur von einem auszuüben. Haben also in einem Dorfe mehrere der Erben Meyer, so müssen sie wegen der Jagd in solcher Feldmark sich zu vergleichen suchen. .

Titel 93 § 17

§ 17. Als übrigens von Unserm Forst-Amt bezweifelt werden wollen, ob ein auf eignem Grund und Boden angeschossenes oder sonst an Orten, wo solches rechtmäßig geschehen mögen, verwundetes Wild nach heutigen Rechten in der Nachbaren Jagd-District, zumal in Unsern Forsten, verfolget werden möge, so hat es zwar, wo keine Bann-Forsten vorhanden sind, dabey sein Bewenden, daß in Privat-Holzungen auch ohne Erlaubniß des Eigenthümers das angeschossene Wild verfolget werden könne. Was aber Unsre Herrschaftlichen Forsten anlanget, so wollen Wir zwar solche Verfolgung gnädigst auch verstauen, jedoch in der Maße, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht erkannt hat, daß eine vorgängige Anmeldung an Unsern nächst wohnenden Forst-Bedienten geschehe, und das sonst dabey gebräuchliche beobachtet werde.

Titel 93 § 18

§ 18. Ob Wir nun schon nicht den geringsten Zweifel haben können daß Unsre getreue Landschaften, besonders die Lüneburgischen, mit allen Vorgesetzten Bestimmungen höchst danknehmigst zufrieden seyn werden, da Wir ihnen dadurch so vieles nachgelassen, was ihnen durch Unsre Amts- und Cammer-Anwälde so viele Jahre bestritten worden, so soll jedoch, wenn eine oder andre derselben mit Unsrer gnädigsten Bestimmung nicht in allen Stücken zufrieden seyn wollte, in Ansehung solcher Landschaft alles vorbeschriebene, so fern es nicht in öffentlichen Gesetzen oder Landes-Gewohnheiten vorhin gegründet gewesen, von keiner Rechts-Würkung seyn.

XCIV. Vom Besitz.

Titel 94 § 1

Als Uns unterthänigst vorgetragen ist, daß nicht allein aus denen Kaiserlichen Rechten darüber gezweifelt werde, ob der Besitz einer Sache auf den Sein-Erben ohne dessen Zuthun von selbst übergehe, sondern auch verschiedene neuere Rechts-Lehrer nach deutschen Gewohnheiten dieses überhaupt aus einer angezogenen Regel, daß der Todte den Lebendigen ergreife, bey denen gesetzlichen Erben oder Nachfolgern aus Geding dafür halten wollen, so wollen Wir dagegen es nicht nur bey denen Kaiserlichen Rechten lassen, daß der Besitz ohne des Erben Zuthun von selbst auf denselben nicht übergehe, sondern auch bey dem Sein-Erben keine Ausnahme gemachet wissen.

Titel 94 § 2

§ 2. Wenn jemand ohne Vollmacht in eines andern Namen Besitz nimmt, erlanget dieser letztere den Besitz erst dadurch, daß er das in seinem Namen Geschehene genehmiget, und solches geschiehet, ehe ein Dritter immittelst desselben Besitz sich angenommen hat.

Titel 94 § 3

§ 3. Da Wir vernehmen, daß unter denen Rechtsgelehrten sehr gestritten werde, ob der Lehnsherr das noch nicht eröffnete Lehn mit dem LehnMann zugleich in Ansehung seines Ober-Eigenthums in Besitz habe, so treten Wir denenjenigen bey, welche solches verneinen.

Titel 94 § 4

§ 4. Viel weniger kann also der Herr gegen den Lehn-Mann der in Ansehung des Besitzers verordneten Rechtsmittel sich bedienen.

Titel 94 § 5

§ 5. Wir genehmigen auch ferner die Meinung derjenigen, welche bey dem Anfall des Lehns an den Herrn den Besitz für erlediget halten, und solchen ohne weiters Zuthun dem Herrn nicht zuschreiben.

Titel 94 § 6

§ 6. Als es sich auch oftmals, insonderheit bey Eröffnung Adelicher LehnGüter, zutragen soll, daß die Lehns-Vettern, um der Wittwe und denen Land-Erben ihr Recht zu erschweren und selbige daraus zu verdrängen, sofort nach des verstorbenen Lehnträgers Tode zufahren und von dem erledigten Gut Besitz ergreifen, ehe noch die Witwe und Erben zu Bewahrung ihrer Gerechtsame das Dienliche vorkehren mögen, und dann bereits in Unsrer Calenbergischen Canzley-Ordnung tit. 26 § 4 heilsam versehen ist, daß, wenn sich jemand unterfange, bey begebenden TodesFällen zum Nachtheil hinterbliebener Witwe, Kinder und Erben, so in frischer Trauer seyn, in des Verstorbenen Güter einzudringen und dadurch einer Possession sich anmaßen zu wollen, darauf keine Manutenenz erkannt worden, sondern derselbe, der daran Spruch zu haben vermeine, solches durch ordentliches Recht gebührend suchen solle, so wollen Wir solches auf Unsre übrigen Deutschen Lande um so mehr erweitern, als bey Witwe und Kindern, die schon würklich im Gute körperlich bisher gesessen, allemal vermuthet werden muß, daß sie zur Sicherung ihres Rechts in solchem Fall auch die Meinung und Absicht haben, das Gut würklich zu besitzen, mithin solches ordentlich zu erkennen zu geben nicht nöthig ist. Doch mögen allerdings die Vettern von Unsern Gerichten befundenen Umständen nach zum Mit-Besitz gelassen werden.

Titel 94 § 7

§ 7. Das von denen neuern Rechts-Lehrern insonderheit zu Versicherung eines Gläubigers erdachte sogenannte Constitutum possessorium, nach welchem der Schuldner das unterpfändlich verschriebene Gut künftig Namens des Gläubigers und Pacht-Weise besitzen soll, mögen Wir wenigstens dahin denen Rechten gemäß nicht ansehen. daß daraus ein Gläubiger ohne das sonst in klaren Schuld-Sachen nöthige Verfahren sofort in den Besitz solcher verschriebenen Sache gesetzet werde. Es muß vielmehr auch in diesem Fall beybehalten werden, was die Ordnungen Unsrer Lande von klaren Briefen und Siegeln vorschreiben.

Titel 94 § 8

§ 8. Wenn die Sache so beschaffen ist, daß eine Verjährung Statt findet, so muß auch zum voraus, ehe über die Gerechtsame der Streit entschieden wird, der klagende Theil bey dem Besitz gehandhabet werden.

Titel 94 § 9

§ 9. Wir geben mithin gnädigst nach, daß auch in Unsern Gerechtsamen, welchen der Name der Regalien beygeleget wird, Unsrer Landes-Hoheit unnachtheilig von Unsern Landsassen besessen werden könne, so wie in andern Sachen eine Manutenenz ertheilet werden möge.

Titel 94 § 10

§ 10. Als Uns jedoch hinterbracht worden, daß bey denen besitzlichen Klagen nicht wenig Mißbrauch obwalte, so billigen Wir sehr die bey Unsern Gerichten ohnehin schon aufgenommene Meinung, daß, wenn das Recht des ein oder andern Theils klar befunden wird, mit Beiseitesetzung des Besitzes über die Befugniß selbst sofort erkannt werde.

Titel 94 § 11

§ 11. Nachdemmalen Wir nun auch vernommen, daß die Canonischen Rechte darin sehr viele Zweifel veranlasset haben, ob in Ansehung der Entsetzung aus dem Besitz bey denen Kaiserlichen Rechten schlechterdings zu bleiben sey, und viele Rechts-Lehrer dafür halten wollen, daß die daraus entstehende Klage auch gegen einen dritten Besitzen, welcher an der Entsetzung keinen Theil habe, Statt finde, so mögen Wir jedoch dieses nur alsdenn eintreten lassen, wenn der dritte bey Erlangung seines Besitzes von der vorhergegangenen Entsetzung Wissenschaft gehabt.

Titel 94 § 12

§ 12. Da auch dasjenige, was die Kaiserlichen Rechte zur Strafe der Selbsthülfe verordnen, die gemeine Ruhe und Wolfart zum Grunde hat, so ist solches auch in Unsern Landen allerdings zu befolgen, und soll sowol derjenige, der seines Schuldners Sachen eigenmächtig zu sich nimmt, seiner Anforderung verlustig seyn, als auch wer sonst in den Besitz von Sachen, welche in andern Händen sind, selbst sich setzet, wenn sie ihm zugehören, solches sein Eigenthum verlieren, wenn sie aber einem andern zustehen, selbige nicht allein wieder herausgeben, sondern auch überher den Werth erstatten.

Titel 94 § 13

§ 13. Wenn jedoch der Schuldner seinem Gläubiger ein Constitutum possessorium gesetzet oder ihm bey der Verschreibung die Macht ertheilet, bey nachbleibender Zahlung das Pfand an sich zu nehmen, und hierauf der Gläubiger dieser ihm gegebenen Erlaubniß ohne richterliche Hülfe sich bedienet, so kann er zwar dadurch keinen rechtmäßigen Besitz erlangen, er hat gleichwol keine Gewalt begangen, und ist mithin, wenn schon einige Rechtslehrer andrer Meinung sind, seiner Forderung nicht verlustig.

Titel 94 § 14

§ 14. Wir mögen gleichwol auch die an theils Orten Unsrer Lande noch beybehaltene Gewohnheit, daß der Schuldner in der Schuld-Verschreibung sich dem Pfandungs-Recht des Gläubigers unterwerfe, nicht aufheben. Jedoch muß auch hier keine Gewalt gebrauchet werden, und die Schuld an sich muß klar und geständig seyn.

Titel 94 § 15

§ 15. Es ist Uns unterthänigst vorgetragen, was nach denen Römischen Rechten bey einem solchen Testament, woran kein sichtbarer Mangel vorhanden, in Ansehung der Einweisung in den Besitz den Erben zu gute verordnet ist. Nun leidet zwar die Beschaffenheit der Sache nicht, daß bey Codicillen ein gleiches eintrete, da in selbigen kein Erbe eingesetzt werden kann. In so fern hingegen nach heutigen Sitten ein Erb-Recht auch durch Geding ertheilet werden kann, müßten billig auch die gedachten Rechte ihre Anwendung finden.

Titel 94 § 16

§ 16. Wann auch hiebey die Frage entstehet, wer dagegen einen rechtmäßigen Widerspruch habe, so kann derjenige, welcher eine Sache bereits bey des Verstorbenen Lebzeiten in Besitz gehabt, allemal mit Recht widersprechen, und ist den Grund seines Rechts zu erweisen nicht schuldig, wol aber derjenige, welcher erst nach dessen Ableben in Besitz gekommen, und es muß dieser Grund des Widerspruchs, wenn er die Einweisung des Erben aufhalten soll, sofort klar vor Augen gelegt werden.

Titel 94 § 17

§ 17. Es kann aber auch derjenige der Einweisung rechtsbegründet widersprechen, welcher zwar nicht im Besitz sich befindet, jedoch einen des Erben Recht ausschließenden Anspruch sofort klar machen kann.

Titel 94 § 18

§ 18. In Ansehung des Interdicti Quorum bonorum billigen Wir die Meinung, daß solches auch bey einem Lehnfolger Zueignung finde.

XCV. Vom Recht der Zurückhaltung fremder Dinge.

Titel 95 § 1

§ 1. Wir vernehmen, daß unter denen Rechts-Lehrern gar verschiedentliche Meinungen gehegt werden, wenn und wie weit die Zurückhaltung einer fremden Sache wegen derer wieder einen Kläger etwa habenden Ansprüche Statt finde. Dahero wir dienlich finden, solches genauer zu bestimmen.

Titel 95 § 2

§ 2. Wir setzen demnach, daß hier zuförderst zu unterscheiden sey, ob die Zurückbehaltung gegen einen sonst in Verbindlichkeit stehenden Eigenthümer, oder etwa gegen andere dessen Gläubiger geschehen solle.

Titel 95 § 3

§ 3. Gegen den Eigenthümer selbst muß die Zurückbehaltung nicht allein Statt finden, wenn der Gegen-Anspruch aus einem an der unterhabenden Sache selbst habenden oder doch in Ansehung derselben gegen den Eigenthümer geltenden Recht entstehet, sondern auch, wenn der Besitzer und Unterhaber sonst andere unleugbare klare Ansprüche gegen den Eigenthümer hätte, welche keiner gerichtlichen Ausführung bedürfen.

Titel 95 § 4

§ 4. Gegen etwanige andere Gläubiger aber kann im letztem Fall, da die Gegenforderung mit der unterhabenden Sache selbst keine Verbindung hat, eine Zurückhaltung nicht eintreten.

Titel 95 § 5

§ 5. Es kann aber die Zurückbehaltung nicht fortdauern, wenn die Gegenforderung weder an und für sich klar ist noch sofort klar gemachet werden kann, sondern eine weitläufige gerichtliche Ausführung erfordert, und es muß vielmehr solchen Falls der Inhaber sich mit einer SicherheitsStellung begnügen. Sollte aber der illiquide Anspruch mit der abzutretenden Sache selbst in keiner Verbindung stehen, so bedarf es einiger Caution überall nicht.

Titel 95 § 6

§ 6. Solchergestalt kann ein Vormund wegen eines etwanigen Vorschusses vor abgelegter Rechnung das Vermögen seines Pflegebefohlnen nicht zurück behalten, wenn ihm genügsame Sicherheit gestellet wird.

Titel 95 § 7

§ 7. Eben wenig können die Land-Erben wegen illiquider Ansprüche an das Lehn, wenn ihnen sonst hinlängliche Sicherheit beschaffet wird, das Lehn an sich behalten.

Titel 95 § 8

§ 8. Aus kann ferner kein Miethmann oder Pächter, wenn sich desselben Ansprüche nicht auf den Pacht-Contract gründen und durch Taxation oder sonst sogleich klar zu machen stehen, die Zurückgabe des HauerGuts verweigern, und kann es in diesem Fall auch nicht einst einer Sicherheits-Stellung bedürfen.

XCVI. Von Verjährung.

Titel 96 § 1

§ 1. Als die Rechts-Lehrer dem Vernehmen nach nicht einerley Meinung sind, ob zu Verjährung einer Guts-Dienstbarkeit, wenn kein Grund der Erwerbung gezeiget wird, ein Gebrauch von zehen Jahren unter den gegenwärtigen, und von zwanzig Jahren unter den abwesenden hinlänglich sey, oder ob dazu dreißig Jahre erfordert werden, so wollen Wir denenjenigen beypflichten, welche, wenn schon kein Grund der Erwerbung angezeiget werden kann, zehen oder zwanzig Jahre für hinreichend halten, wenn nur sonst der Herr des Guts nicht anders glauben können, als daß er dazu befugt gewesen, und er weder gewaltthätiger, noch heimlicher, noch bittweise das Recht so lange ausgeübt hat.

Titel 96 § 2

§ 2. Da auch ehedem von einigen Unserer Gerichte sowol als verschiedenen Rechts-Lehrern in Ansehung derjenigen Dienstbarkeiten, mit welchen kein ununterbrochener Gebrauch verknüpft ist, und discontinuae genennet worden, eine undenkliche Verjährung erfordert werden wollen, Unser Ober-Appellations-Gericht aber jederzeit dafür gehalten, daß zwischen diesen und anderen Dienstbarkeiten kein Unterschied zu machen sey, so wollen Wir auch solches als denen Rechten gemäß bestätigen.

Titel 96 § 3

§ 3. Wenn ein Recht in seinem Umfange mehr Rechte und Befugnisse als Theile enthält, kann keiner dieser Theile anders durch den Nichtgebrauch verloren werden, als wenn dessen Ausübung verwehret werden wollen, und es darauf zehen, oder unter abwesenden zwanzig Jahre dabey verblieben.

Titel 96 § 4

§ 4. Da bey der Verjährung sowohl der dreyjährigen in beweglichen Dingen, als in unbeweglichen der Verjährung von zehen oder zwanzig Jahren die Rechte zwar sämmtlich eine Überzeugung und guten Glauben von dem Besitzer erfordern, darin aber unterschieden sind, daß die Kaiserlichen Rechte es genug halten, wenn dergleichen Überzeugung nur im Anfang vorhanden gewesen, dagegen das Canonische Recht auch eine nachher erhaltene widrige Wissenschaft der Verjährung nachtheilig achtet, so sind wir zwar berichtet, daß hierin die Meinung des letzern gemeiniglich angenommen werde. Wie Wir jedoch eine Meinung vorziehen müssen, welche der gemeinen Wolfahrt am gemäßesten ist, und es denn nicht allein billiger und dem Handel und Wandel viel zuträglicher ist, sondern auch zu des Verkäufers Sicherheit wie auch zu Abschneidung vieler Proceße gereichet, wenn derjenige, welcher mit völliger Rechts-Uberzeugung etwas an sich gebracht, nach einem gewissen Zeit-Verlauf dabey gesichert, und zugleich der Käufer außer Anspruch gesetzet wird, am wenigsten dem Käufer anzumuthen stehet, wegen einiger nachher entstandenen Zweifel, welche auch vielleicht der Verkäufer binnen der Zeit aus dem Wege räumen können, sich der Sache zu entschlagen, und wol gar, wenn er an dem Verkäufer sich nicht erholen kann, wie er denn auch mit diesem zum voraus einen Rechtsstreit, welcher erst nach würklich geschehener Eviction Statt findet, anzufangen nicht befugt ist, sein Kaufgeld einzubüßen, so wollen Wir zwar eines jeden Prüfung und Gewissen überlassen, ob er durch die nacher in Erfahrung gebrachte Anzeigen sich verbunden erachten möge, die Sache von selbst abzugeben, wollen aber übrigens hierin denen Kaiserlichen Rechten vor denen Canonischen den Vorzug in Unsern deutschen Landen geben.

Titel 96 § 5

§ 5. Als jedoch aus den Kaiserlichen Rechten darüber Zweifel obwaltet, ob auch als denn, wenn die Sache vor erfüllter Verjährung in die Hände eines dritten gerathen, welcher des vorigen Besitzers Erbe nicht ist, und dieser Nachfolger nicht gleich dem ersten von Anfang von dem Eigenthum überzeuget ist, vielmehr weiß, daß die Sache einem anderen gehöre, ihm die Überzeugung des erstem und dessen angefangene Verjährung zu deren Fortsetzung zu Statten komme, so treten Wir denenjenigen, welche solches verneinen, um so mehr bey, als dieser den Verlust seines Kaufgeldes sich selbst zuzuschreiben hat.

Titel 96 § 6

§ 6. Ist jedoch dieser folgende Dritte bey dem Empfang der Sache in Überzeugung, so kann er aus seiner Person die Verjährung anfangen, wenn schon sein Vorgänger bey der Erwerbung solche Überzeugung nicht gehabt.

Titel 96 § 7

§ 7. Dagegen kann ein Erbe zwar eine von dem Erblasser mit Überzeugung angefangene Verjährung, wenn er schon selbst zweifelt oder widrige Wissenschaft hat, fortsetzen und vollenden, nicht aber, wenn der Erblasser von Anfang ohne Überzeugung etwas eigenthümlich zu besitzen sich angemaßet, auß eigner Überzeugung einen Besitz anfangen, und darauf von solcher Zeit mit der Verjährung sich schützen.

Titel 96 § 8

§ 8. Da der Besitzer eines Guts von seinem Verkäufer die Gewähr nicht anders verlangen kann, als wenn er durch Urthel und Recht aus dem Gut entsetzet worden, dabey auch der Verkäufer mit seiner völligen Nothdurft gehöret werden müßten, so kann eine bloße außergerichtliche dem Besitzer geschehene Verkündigung zum Nachtheil des Verkäufers und Käufers keine Unterbrechung der Verjährung würken. Dieses ist aber auch in solchen Fällen anzunehmen, wo es auf eine Gewährleistung nicht ankommt.

Titel 96 § 9

§ 9. Wir billigen auch die Meinung, daß die Verjährung einer langen Zeit gegen Minderjährige weder anfange noch fortlaufe.

Titel 96 § 10

§ 10. In Ansehung der Verjährung einer sehr langen Zeit lassen Wir es in Ansehung der Erwerbung des Eigenthums sowol überhaupt, als auch wegen des guten Glaubens bey der Verordnung der Kaiserlichen Rechte.

Titel 96 § 11

§ 11. Wenn durch die Verjährung einer sehr langen Zeit ein persönlicher Anspruch ausgeschlossen werden soll, so vernehmen Wir, daß die Rechtslehrer sehr streitig sind, ob auch sodann dieses Statt findet, wenn der Beklagte seine noch unerfüllte Verbindlichkeit gewußt hat, und wol gar binnen solcher Zeit ein oder mehrmalen daran erinnert worden, und was für Rechte hiebey zum Grunde zu legen seyn, daß jedoch die Gerichte bisher mehr denen Canonischen Rechten nachgegangen sind. Wir haben nun hiebey reichlich erwogen, daß billig ein Unterschied unter Sachen zu machen sey, welche entweder ohne Schrift oder zwar in Schriften, jedoch von Anfang solchergestalt verfaßet werden, daß die zurückbehaltene Schrift einen immer fortdauernden Grund zu einer an sich ungezweifelt klaren Klage abgebe, und welche bey der geschehenen Erfüllung zurückgeliefert werden sollen. Bloß in diesem letztem Falle, da die zurückbehaltene Schrift einen immer fortdauernden Grund zu einer an sich ungezweifelt klaren Klage abgiebet, und welche bey der Erfüllung hätte zurück geliefert werden müssen, setzen Wir, daß eine Verjährung nicht Statt habe, wenn eine binnen solcher Zeit geschehene Erinnerung erweislich zu machen stehet.

Titel 96 § 12

§ 12. Wir billigen auch die Erklärung der Kaiserlichen Rechte, daß die Zeit der Verjährung in Ansehung der Städte-Güter oder derselben Anforderungen auf vierzig Jahre zu beschränken.

Titel 96 § 13

§ 13. Was in Ansehung der Kirchen und Klöster in denen Kaiserlichen Rechten verordnet ist, behält bey Unserer Kloster-Cammer allerdings seine Anwendung, da diese Kloster-Güter ihre vorige Eigenschaft behalten haben und für secularisiert nicht zu halten sind.

Titel 96 § 14

§ 14. Wir können aber denen Städten, auch Kirchen, Klöstern und gottseligen Stiftungen nach Ablauf vierzig Jahre keine Wiederherstellung in den vorigen Stand binnen anderweiten vier Jahren zugestehen.

Titel 96 § 15

§ 15. Da auch die Kaiserlichen Rechte hinlänglich bestimmt haben, welchergestalt in dem Falle, wenn zur wirklichen Klage nicht füglich zu schreiten stehet, die Verjährung gehemmt werden könne, so soll aus dem Canonischen Rechte nicht angenommen werden, daß dieselbe bey Krieges-Zeiten nicht laufe.

Titel 96 § 16

§ 16. Ob gleich in körperlichen Dingen der Verpächter durch Treulosigkeit oder Nachlässigkeit des Pächters seinen vorigen Besitz nicht verlieret, dieses auch von verschiedenen Rechts-Lehrern auf die Verjährung, sogar unkörperlicher Dinge, angewandt werden will, so tragen Wir doch Bedenken, diese Meinung anzunehmen, am wenigsten bey der Verjährung einer sehr langen Zeit eintreten zu lassen, sondern wollen, daß hierin des Pächters etwanige Nachläßigkeit allerdings dem Verpächter schade.

Titel 96 § 17

§ 17. Bey der Verjährung einer sehr langen Zeit ist es genug, den Anfang und das Ende zu erweisen, weil der Besitz der mittlern Zeit zu vermuthen ist.

Titel 96 § 18

§ 18. Jährliche Hebungen werden durch die ordentliche Verjährung nicht verloren, wol aber kann die Größe derselben dadurch verändert werden.

Titel 96 § 19

§ 19. Wegen Verjährung derer sogenannten Regalien, immaßen Wir nicht bestimmen wollen, was mit Recht dahin gehöre, wollen Wir Uns mit Unsern getreuen Landschaften besonders vernehmen. In sofern es aber sonst bloß Unserer Cammer Angelegenheit und keine Abhandenbringung von Domainen-Gütern anbetrifft, wollen Wir Uns denen gemeinen Rechten selbst unterwerfen, daß, wenn sonst nichts Unsern Hoheits-Rechten nachtheiliges dabey vorfällt, eine dreißigjährige Verjährung Statt finde.

Titel 96 § 20

§ 20. In Ansehung der Jagden haben Wir Uns auch, so viel die Verjährung betrifft, in dem Titul von Jagden bereits gnädigst geäußert.

Titel 96 § 21

§ 21. Wir haben ferner vernommen, wie sehr von denen Auslegern der Lehn-Rechte über die Verjährung eines als Erbe veräußerten Lehns gestritten, da von einigen dafür gehalten wird, daß die Worte der Gesetze nur die Verjährung einer langen Zeit ausschließen, andere aber selbige auch auf eine sehr lange Zeit deuten, und ganz und gar keine Verjährung zulassen wollen. Es ist aber auch zugleich unterthänigst vorgestellt, daß, da das Gesetz Kaiser Friedrichs den billigen Beysatz anfüget, wie dem Käufer, wenn er in Überzeugung befangen gewesen, sein Anspruch zu Wiedererlangung des Kaufgeldes gegen den Verkäufer bleibe, 15 Ebel dieser Anspruch aber denen Rechten nach über dreißig Jahre nicht dauert, diejenige Meinung billig vorzüglich anzunehmen sey, welche den Käufer, welcher von der Lehns-Eigenschaft nichts gewußt, mit einer Verjährung von dreißig Jahren sicher stellet, so wollen Wir dieses Uns auch gnädigst gefallen lassen.

Titel 96 § 22

§ 22. Nachdemmalen denn auch in Vorfällen, wo die Hinlänglichkeit einer sehr langen Verjährung bezweifelt wird, eine undenkliche Verjährung billig angenommen ist, so lassen Wir es in soferne dabey bewenden, als eine solche Verjährung nöthig erachtet werden kann. Welches Wir genauer zu bestimmen Uns Vorbehalten.

Titel 96 § 23

§ 23. Obgleich der Beweis dieser Verjährung hauptsächlich durch Zeugen zu führen ist, so findet doch auch zu solchem Ende die Eides-Zuschiebung dahin Statt, daß der Gegentheil weder wisse noch glaube, daß es von einem unbewegten gleichen Zustande einer Sache bestehe, wovon das unvordenklicher Zeit also gehalten worden.

Titel 96 § 24

§ 24. Wir nehmen von dieser Verjährung die Beschreibung an, daß sie im Gegentheil niemand weder aus eigner noch fremder Wissenschaft jemals erfahren hat.

Titel 96 § 25

§ 25. Wie sich solchemnach von selbst verstehet, daß zu den Zeugen alte Leute zu nehmen seyn, also halten Wir in Ansehung des Alters selbst für hinlänglich, wenn der Zeuge fünfzig Jahre überschritten hat.

Titel 96 § 26

§ 26. Es ist aber nicht nöthig, daß die Zeugen aus eigner Wissenschaft genau von vierzig Jahren aussagen, sondern es ist genug, wenn sie zeugen, daß es, so lange wie sie denken können, also gehalten worden.

Titel 96 § 27

§ 27. Auch ist es hinreichend, wenn die Zeugen nur bejahen, daß sie das Gegentheil von ihren Vorfahren und alten Leuten nie vernommen, wenn sie schon nicht anführen können, daß sie mit alten Leuten von der Sache gesprochen, und gleichstimmigen Bericht erhalten haben. Dem Gegner aber stehet zu Entkräftung des Beweises frey, Zeugen beyzubringen, welche von ihren Vorfahren oder alten Leuten das Gegentheil und den Anfang der Sache gehöret haben.

Titel 96 § 28

§ 28. Noch weniger halten Wir es nöthig, daß zugleich von den Zeugen eingezeuget werde, daß es der Orten eine gemeine Sage und Rede sey.

Titel 96 § 29

§ 29. Eine undenkliche Verjährung hat die Kraft eines Freyheits- und Gnaden-Briefes.

Titel 96 § 30

§ 30. Als jedoch in Ansehung der öffentlichen Steuern durch Unsere Landes-Ordnungen ein andres versehen ist, so hat es dabey sein Bewenden.

Titel 96 § 31

§ 31. Wenn die Landes-Verordnungen zwar eine bereits vorhandene Verjährung zulassen, künftig aber keine weiter eintreten lassen wollen, und es wäre wegen Länge der Zeit nicht weiter möglich, zu erweisen, daß die Verjährung schon vor der Verordnung da gewesen, so muß gleichwol der Beweis einer undenklichen Verjährung zugelassen werden.

Titel 96 § 32

§ 32. Einem Pfandes-Inhaber und Pächter kann keine undenkliche Verjährung zu Statten kommen.

Titel 96 § 33

§ 33. Auch kann bey dem Dienst-Geld der Unterthanen keine undenkliche Verjährung eintreten.

Titel 96 § 34

§ 34. Gegen solche Gesetze, welche etwas um der gemeinen Wolfahrt willen verbieten, kann auch durch eine undenkliche Verjährung niemand sich ein Recht erwerben.

XCVII. Von Urthel und Recht.

Titel 97 § 1

§ 1. Da bey besetzten Gerichten die Urtheile und Fachkenntnisse nach der Mehrheit der Stimmen abgefaßet werden, und dann hiebey gar oft über die Mehrheit Zweifel entstehen, mithin Bedenklichkeiten vorfallen, wohin der Schluß zu fassen sey, so haben Wir gut gefunden, desfalls ein und andres zu bestimmen.

Titel 97 § 2

§ 2. Zuvörderst wiederholen Wir in Ansehung Unsers Ober-Appellations-Gerichts dasjenige, was in der Oberappellations-Gerichts-Ordnung bey entstehender Gleichheit verfasset ist. Nachdem jedoch dieses Gericht bisher dafür gehalten, solches auch auf geschehene Anfrage von Unsers in Gott ruhenden Herrn Großvaters Majestät gebilliget worden, daß die daselbst wegen Verschickung der Acten und des in einem gewissen Fall entscheidenden Voti des Präsidenten vorgeschriebene Weise nur alsdann zur Hand zu nehmen sey, wenn auf keine Art anders im Collegio zu einem Schluß zu gelangen stehe, mithin zuförderst diejenigen Beysitzer, welche vorhin nicht gegenwärtig gewesen, zuzuziehen seyn, als muß es hiebey auch ferner solchergestalt verbleiben, daß der Präsident oder in dessen Abwesenheit die Vice-Präsidenten die Acten nebst denen abgestatteten Relationen und dem bey der Deliberation abgehaltenen Protokoll denen übrigen nicht gegenwärtig gewesenen Räthen zustellen lasse, damit dieselbe alles fleißig nachlesen und ihre Meinung mit Gründen schriftlich eröffnen. Hätten auch von den übrigen einige der vorigen Relation und Deliberation vorhin zum Theil beygewohnet, so sind diese vorerst allein, sonst aber sämtliche übrige, wenn sie zur Stelle gegenwärtig, zuzuziehen.

Titel 97 § 3

§ 3. In Unseren übrigen Gerichten findet das Vorgesetzte gleichfalls seine Zueignung, und es sind, wenn im Collegio keine Vereinigung zu erhalten, ohne daß dem Directori ein entscheidendes Votum zustehe, Acta zum auswärtigen Spruch Rechtens zu verschicken.

Titel 97 § 4

§ 4. Wenn es jedoch nur darauf ankommt, ob in der Sache Processus zu erkennen, oder nicht, desgleichen ob eine Sache zur weitem Handlung und Ausführung anzunehmen, oder nicht anzunehmen sey, so muß bey einer Gleichheit der Stimmen die Sache unverletzt erhalten werden, mithin sind Processus zu erlassen, oder es ist in der Sache auf weitere Ausführung zu erkennen.

Titel 97 § 5

§ 5. In peinlichen Sachen und Strafen findet bey einer Gleichheit der Stimmen die gelindeste Meinung Statt.

Titel 97 § 6

§ 6. Wir haben hiebey vernommen, wie sehr zweifelhaft es gehalten werde, welchergestalt die Mehrheit der Stimmen bey dreyen oder mehrem Meinungen zu beurtheilen sey. Wir verordnen also deshalb hiemit, daß in solchem Fall eine Meinung, die durch mehrere unter sich verschiedene Stimmen verworfen wird, gegen diese übrigen keineswegs eine Mehrheit ausmachen mögen.

Titel 97 § 7

§ 7. Wenn aber solche übrigen mehresten Stimmen auch unter sich uneins und getheilt sind, so ist zu erwägen, worin die mehresten derselben überein kommen, und welche Meinung die wenigsten Stimmen wider sich haben.

Titel 97 § 8

§ 8. Es kann keines Beysitzers Votum für entscheidend angenommen werden, wenn er nicht von dem ganzen Vortrage hinlänglich unterrichtet ist und zugleich der völligen Deliberation beygewohnet, es wäre denn, daß bey vorhandener Gleichheit jemand nachher dazu gezogen würde, als in welchem Falle so zu verfahren, wie Wir im § 2 verordnet haben.

Titel 97 § 9

§ 9. Gleich wie auch ein Referent selbst nach seinem Gewissen verbunden ist, die gegen seine Meinung vorgebrachten Zweifel zu prüfen, und bey erhaltener Überzeugung von seiner vorigen Meinung abzugehen, also kann auch eines abwesenden Votum nicht entscheidend seyn, sondern es bleibet ein bloßes Gutachten.

Titel 97 § 10

§ 10. Die entscheidende Erkenntnisse und Urtheile Unserer Gerichte sollen, so viel thunlich, zugleich die Gründe der Entscheidung denen Partheyen zu erkennen geben, damit diese wissen, wie sie sich dagegen zu verhalten haben.

Titel 97 § 11

§ 11. Die Entscheidungsgründe überhaupt dienen zwar zu Erklärung einer Urthel, sind aber sonst an und für sich für ein nachtheiliges Erkenntnis nicht zu halten.

Titel 97 § 12

§ 12. In peinlichen Sachen, wo es auf Leib- und Lebens-Strafen ankommt, können die Adelidie und andere nicht gehörig besetzte patrimonial-Gerichte nicht selbst erkennen, sondern sie sind schuldig, die Acten zum Spruch Rechtens zu verschicken. Ist jedoch ein Patrimonial-Gericht mit rechtsverständigen Beysitzern hinlänglich besetzet, mag dasselbe wol selbst ein Urtheil abfassen.

Titel 97 § 13

§ 13. Ob zwar, wie Uns berichtet worden, viele Rechts-Lehrer aus dem Canonischen Rechte behaupten wollen, daß, wenn es in Ehe-Sachen auf Vernichtung oder Trennung einer Ehe ankomme, ein Richterlicher Ausspruch nimmer eine Rechtskraft erlange, so ist Uns jedoch zugleich hinterbracht, daß nach der Ausführung anderer Rechtlehrer dieses nicht einst dem Canonischen Rechte gemäß sey. Wir wollen demnach in solchen Sachen um so mehr eine Rechtskraft eintreten lassen, als ohnehin die Ehe bey denen Evangelischen für kein heiliges Sacrament angenommen werden kann.

Titel 97 § 14

§ 14. Was wegen den Einhaber eines Guts rechtskräftig erkannt worden, gilt auch als rechtskräftig gegen den Eigenthümer, wenn diesem schon der Rechtsstreit nicht bekannt gewesen, und begreifen Wir unter einem Einhaber auch einen Pfands-Inhaber, wenn es auch selbst das Eigenthum des Pfand-Guts beträfe. Dagegen kann der in der Ordnung der Klage oder Verteichgung Folgende, wenn es ihm der erste und nächste nicht überlassen, diesem durch die Führung des Rechtsstreits kein Nachtheil zuziehen.

Titel 97 § 15

§ 15. Was einmal rechtskräftig erkannt ist, davon kann auch der obsiegende Theil nachhero bey etwan veränderten Umständen wider Willen des andern nicht zurück treten.

Titel 97 § 16

§ 16. Nachdem Wir auch vernommen, daß es bezweifelt werde, ob die aus einem rechtskräftigen Erkenntnisse entstehende, auf dessen Vollstreckung gerichtete Klage in dreißig oder allererst in vierzig Jahren verjährt wird, so billigen Wir gnädigst die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte angenommene dreißigjährige Zeit.

Titel 97 § 17

§ 17. Nachdem Wir übrigens auch berichtet worden, daß zum öftern darüber Zweifel entstehen, ob und wie weit eine Blutsfreund- oder Schwägerschaft vom Votiren und Beywohnen der Versammlung ausschließe, so wollen Wir, daß solches über den vierten Grad bürgerlicher Rechnung nicht erstrecket werde, und zwar bis dahin ein jeder sich der Gegenwart enthalte, in allen weiteren Graden aber nicht allein zuzulassen, sondern auch schuldig sey, der Deliberation beyzuwohnen und ein Votum abzugeben, es auch nicht von seinem Willkühr abhange, dessen sich zu entschlagen.

XCVIII. Von Arresten.

Titel 98 § 1

§ 1. Ein Arrest kann nicht anders Statt finden, als wenn es an andrer hinlänglicher Sicherheit in demselben Gerichte oder Gebiete ermangelt, oder zu besorgen, daß die von dem Arrestanten besprochene Sache selbst verrücket werde, oder auch dem Arrestanten daran gelegen ist, an gewisse Stücke vorzüglich sich zu halten. Wie denn desfalls auch in Unsem Gerichts-Ordnungen ziemlicher maßen bereits versehen ist.

Titel 98 § 2

§ 2. Gleichwie auch nach der Vorschrift Unserer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P 2 tit. 16 § 2 selbst in zweifelhaften Fällen oder wenn in dem Verzüge Gefahr vorhanden, der Arrest nicht eher verhänget werden soll, als wenn der Impetrant vorher genügsame Caution, das Gericht und den Arrestanten, dafern der Arrest unbefugt, schadlos zu halten, bestellet hat, Wir gleichwol vernehmen, daß dieses zu Zeiten hintan gesetzet, und der Arrest bloß periculo petentis erkannt werde, so soll dieses nicht allein ungültig seyn, sondern das Gericht soll auch demnächst selbst dem Arrestanten für allen Schaden und Kosten einstehen.

Titel 98 § 3

§ 3. Gegen einen Auswärtigen, es sey daß er außerhalb Unserer Lande, oder außerhalb einem Unserer Fürstenthume und Grafschaften, oder auch außer dem Gerichts-Zwang desjenigen Gerichts, bey welchem der Arrest gesuchet wird, wohne, soll nicht anders ein Arrest verhänget werden, als wenn er aus einem Contract vor demselben Gerichte belanget werden kann.

Titel 98 § 4

§ 4. Ein Unter-Gerichte kann eines Unsrer Schriftsassen Güter nicht bekümmern.

Titel 98 § 5

§ 5. Ob wol ein erhaltener und würklich vollstreckter Arrest ein prätorisches Pfand-Recht giebet und andern schlechten Hypotheken gleich zu halten ist, so kann doch dieses nicht angenommen werden, wenn der Arrest wegen Unzulänglichkeit des Vermögens und zu besorgenden Concurses von einem oder andern Gläubiger ausgewürket worden, sondern in diesem Falle ist bloß auf die Ursache des angelegten Arrests zu sehen.

Titel 98 § 6

§ 6. Wenn in Ansehung unbeweglicher Güter, oder auch eines ganzen Vermögens die Veräußerung bey Strafe der Nichtigkeit gerichtlich untersaget wird, so ist dieses als ein Arrest anzusehen, und hat gleiche Würkung.

Titel 98 § 7

§ 7. Geschiehet der Arrest zu Vollstreckung eines gerichtlichen Erkenntnisses, und erhält seine Würklichkeit, so ist es als ein gerichtliches Pfand anzusehen.

Titul XCIX. Von executivischen Klagen.

Titel 99 § 1

§ 1. In Ansehung der executivischen Klagen wiederholen Wir zuförderst dasjenige, was durch die Constitution weiland Herrn Herzogs Friederidi Ulrich und durch das vorläufige Justiz-Reglement vom Jahr 1717 verordnet ist.

Titel 99 § 2

§ 2. Wenn auch schon die Verschreibung mit keinem Siegel, sondern nur mit der bloßen Unterschrift versehen ist, so kann doch solches eine executivische Klage nicht ausschließen.

Titel 99 § 3

§ 3. Wir billigen zugleich die Meinung derjenigen Rechts-Lehrer, welche auch aus zweyseitigen Contracten eine executivische Klage eintreten lassen, wenn der Kläger sogleich mit darleget, daß er an seiner Seite den Contract erfüllet habe.

Titel 99 § 4

§ 4. Wenn demnach der Verpächter zugleich beybringet, daß er das verpachtete Gut dem Pächter würklich überliefert habe, ob er schon solches nicht von allen und jeden einzelnen im Pacht-Anschläge bemerkten Stücken zeiget, so tritt der executivische Proceß auf das ausgelobte Pacht-Geld ein, wofern nicht letzterer darthut, daß er bey der Überlieferung wegen ein oder andern Mangels erinnert habe. Welches Wir denn um so mehr zu bestimmen nöthig finden, als die Erfahrung bisher ergeben, wie die Pächter insgemein durch vorgeschützte Mängel die Zahlung des liquiden Pachtgeldes auszuhalten suchen.

Titul C. Vom Geständnis.

Titel 100 § 1

§ 1. Wer etwas auf keiner Rechts-Frage, sondern auf würklich vorgegangenen Handlungen beruhendes gegen seinen Gegner, es sey gerichtlich oder außergerichtlich, eingestanden hat, muß solches als eine erwiesene Wahrheit gegen sich gelten lassen, wofern er nicht einen Irrthum klar zeigen kann. Er muß gleichwol allemal vorerst die Folgen dieses Geständnisses stehen und seinen begangenen Irrthum nachher besondern ausführen.

Titel 100 § 2

§ 2. Es bedarf auch in solchem Fall zu der Beweis-Gültigkeit des Geständnisses keiner besonderen Annahme.

Titel 100 § 3

§ 3. Da ein jeder Kläger denen Rechten nach den Grund seiner Klage beweisen muß, so kann er ein bedingtes Geständnis seines Gegentheils zu solchem Beweise sich nicht zueignen.

Titel 100 § 4

§ 4. Wenn gleichwol die Bedingungen so beschaffen sind, daß sie nur eine von dem Gegentheil zu erweisende Einrede betreffen, so ist alsdenn das Geständnis anzunehmen und die Einrede zu erweisen.

Titel 100 § 5

§ 5. Wer jedoch nur überhaupt gesteht, daß er den Kläger vergnüget und ihm alles schuldige geleistet habe, ist dadurch der eingeklagten Schuld, wenn er solche nicht besonders anerkannt, für bekennig keinesweges zu halten.

Titul CI. Von Indulten, Regulativen und Nachlassen der Gläubiger.

Titel 101 § 1

§ 1. Welchergestalt die bey Uns selbst nachgesuchte Moratorien zu ertheilen eyn, solches überlassen Wir Unsrer Landes-Regierung, als welche desfalls an Uns unterthänigst berichten wird.

Titel 101 § 2

§ 2. Wer bey einem Gerichte ein mit der Gläubiger Einwilligung zu errichtendes Regulativ oder Indult suchet, muß dem Gerichte sein Vermögen genau und umständlich anzeigen und, so viel thunlich, beglaubigen, auch solches Verzeichnis eidlich zu bestärken sich erbieten, daneben auch seine Schulden getreulich angeben.

Titel 101 § 3

§ 3. Da auch bey dergleichen Indult der Schuldner zwar Stundung erhalten soll, hingegen aber auch denen Gläubigem Sicherheit verschaffet werden muß, daß eines Theils von dem Vermögen nichts abhanden gebracht werde, andern Theils denen Gläubigern während des Indults sowol die laufende versprochene Zinsen als auch die Zinsen des Verzugs, vom Tage der Übergabe seines Gesuchs an zu rechnen, abgetragen werden, so hat der Schuldner sogleich die nöthige Anzeige davon dem Gerichte zu thun.

Titel 101 § 4

§ 4. Wenn solches geschehen, sind die Gläubiger zu einer Vereinbarung öffentlich zu berufen, und soll in diesem Falle, um große Weitläufigkeit und Kosten zu verhüten, keine besondere häusliche Ladung nöthig seyn.

Titel 101 § 5

§ 5. Da immittelst bis zur künftigen Vereinbarung auf alle Weise durch das Gericht von Amts wegen für die Sicherheit des Vermögens zu sorgen ist, wenn auch schon Bürgen vorgeschlagen sind, so ist hierunter nach Beschaffenheit der Umstände zu verfahren. In so weit nemlich das Vermögen aus liegenden Gründen bestehet, ist nicht allein deren Veräußerung bey Strafe der Nichtigkeit zu untersagen und solches durch die öffentlichen Anzeigen bekannt zu machen, sondern auch, wenn solche ausgethan, die Heuer bey denen Heuerleuten zu bekümmern, sonst aber, wenn der Schuldner das Gut selbst in Verwaltung hat, dahin zu sehen, daß der zum Haushalt nicht nöthige Vorrath, wie auch die etwan inzwischen eingehende Erndte in Sicherheit gestellt werde, als welches sowol als auch für die Beybehaltung des Vieh-Stapels und Inventarii zu sorgen Unsre hohem Gerichte denen Beamten des Orts aufzutragen haben. In so fern aber das Vermögen in ausstehenden Schulden bestehet, ist der zu erlassenden öffentlichen Ladung mit einzuverleiben, daß bey Strafe doppelter Zahlung niemand dem Schuldner bis zu weiterer Verfügung etwas bezahle. Ist jedoch der Schuldner ein Handels-Mann, so würde es denen Gläubigern selbst zum Nachtheil gereichen, wenn inzwischen die Fortsetzung der Handlung unterbrochen würde, und es ist also genug, wenn dessen Buchhalter oder Laden-Diener dazu und zu Verwahrung der einkommenden Gelder beeichget, und auch solches öffentlich angezeiget wird.

Titel 101 § 6

§ 6. Damit nun auch die Sache desto mehr befördert, und in dem angesetzten Termin etwas nutzbares ausgerichtet werde, so hat der Schuldner selbst noch vor dem Termin sein beym Gerichte übergebenes Suchen sammt dessen Zubehör einem jeden seiner Gläubiger außergerichtlich zuzustellen, damit diese alles um so viel näher überlegen können. Zu dessen Bescheinigung jedoch genug ist, wenn, daß dergleichen auf die Post gegeben worden, durch einen öffentlichen Notarium beglaubiget wird.

Titel 101 § 7

§ 7. In dem angesetzten Termin selbst muß nun der Schuldner die Wahrhaftigkeit seines angegebenen Vermögens-Zustandes dem Gerichte und denen Gläubigem vor Augen legen, und es haben letztere sich mit ihrer etwanigen Nothdurft desfalls sowol als wegen der Sicherheit vernehmen zu lassen und ihre Zweifel vorzutragen, damit der Schuldner noch in demselben Termin nöthige Erläuterung geben könne.

Titel 101 § 8

§ 8. Genehmigte nun alsdenn der mehreste Theil der Gläubiger ein solches Regulativ oder Indult, so kann das Gericht das Regulativ festsetzen, den Indult jedoch nur auf fünf Jahre ertheilen. Kommt es aber bey dem Regulativ zugleich auf eine Ordnung der Gläubiger an, so kann kein Gläubiger, auch nicht der größte Theil, dem andern etwas vorgeben, sondern dieses muß entschieden werden.

Titel 101 § 9

§ 9. Wir vernehmen hiebey, daß unter denen Rechts-Lehrern sehr gestritten werde, ob ein Schuldner der Einwendung eines etwa demnächst zu erhaltenden Indults bey Ausstellung seiner Verschreibung zum voraus mit Gültigkeit sich begeben könne. Wir haben hiebey gnädigst in Erwägung gezogen, daß eines Theils der Verschreiber an seine künftigen Unglücksfälle nicht gedacht haben könne, andern Theils aber, wenn er bereits in mißlichen Umständen wissentlich gewesen, mithin diese Rechtswolthat ihm selbst überall nicht zu Statten kommen könnte, demnach der eiserne Brief von der Indult nicht allein zum Besten des Schuldners, sondern auch sämmtlicher Gläubiger gereichet. Und dahero mögen Wir, wie auch Unser Ober-Appellations-Gericht einst erkannt hat, die Meinung nicht billigen, daß ein solcher von ihm geschehener Verzicht im gedachten Fall wenn es zugleich auf das Beste sämmtlicher Gläubiger ankommt, seine Würkung haben solle.

Titel 101 § 10

§ 10. Was die von den Rechts-Lehrern aufgeworfene Frage betrifft, ob der dem Schuldner ertheilte Aufschub auch gegen Uns selbst und Unsre Rent-Cammer Statt finden solle, so behalten Wir Uns zwar aus denen gemeinen Rechten bevor, daß, wenn ein Schuldner, welchem die Wolthat der Abtretung aller seiner Güter an die Gläubiger zu Statten kommt, nach geschehener solcher Abtretung und entstandenem Concurs sich aufs neue Güter erwirbet, Unsre Rent-Cammer, wenn sie aus denen abgetretenen Gütern nicht befriediget worden, allerdings daran sich halten könne. Wir wollen gleichwol sonst Unsrer Rent-Cammer hiebey kein vorzügliches Recht zuschreiben.

Titel 101 § 11

§ 11. Was die von dem Schuldner etwa in Rückstand gebliebene Begräbnis-Kosten betrifft, welche jedoch, da Kirchen und Schulen bey Bestattung der Leichen nicht nachsehen, bloß in denen zur Trauer aufgenommenen Kramer-Waaren bestehen können, so finden Wir nicht, wenn diese von dem Indult ausgenommen werden mögen. Was aber davon bey währendem Indult vorfällt, darunter verstehet es sich von selbst, daß allenthalben sogleich unausgesetzte baare Bezahlung geschehen müsse.

Titel 101 § 12

§ 12. Daß die vorhin auf gelaufene unbezahlt gebliebene öffentliche Abgaben sogleich vorab, ehe noch der Indult ertheilet wird oder zu Stande kommt, entrichtet werden, kann die Landes-Verfassung nicht anders zugeben. Es folget also von selbst, daß hiewider kein Indult eintrete. Weil jedoch dergleich allemal die vorhabende Einrichtung des Credit-Wesens stöhret, so sollen die Einnehmer von dergleichen Abgiften, wenn sie sich in dem öffentlich angesetzten Termin nicht gehörig angegeben, mithin darauf kein Betracht genommen worden, aus dem ihrigen den Nachstand vorschießen und sodann gewärtigen, wie sie solchen nach geendigtem Indult wieder erhalten.

Titel 101 § 13

§ 13. So viel die Schulden armer und Mitleidenswürdig gehaltener Personen, auch Kirchen, Hospitäler, Schulen und überhaupt milder Stiftungen anlanget, so haben Wir vorhin schon festgestellet, daß während des Indults auch sogar die Zinsen des Verzugs entrichtet werden sollen. Wir glauben also ihnen schon hiedurch genügsame Entschädigung mitgetheilet zu haben, und finden Uns um so weniger bewogen, bey ihnen eine Ausnahme zu machen, als sie in solcher Absicht vor andern Gläubigern gar kein Vorzugs-Recht haben, vielmehr wol gar in die letzte Classe der gemeinen Gläubiger gerathen.

Titel 101 § 14

§ 14. Da auch zwar die künftigen, nicht aber die nachständig gebliebenen Aliment-Geider einen vorzüglichen Beyfall der Rechte haben, so sind die künftigen gleich denen laufenden Zinsen zu bezahlen, der Nachstand aber andern Schulden gleich auszusetzen.

Titel 101 § 15

§ 15. Eine gleiche Bewandnis muß es auch mit dem Gesinde-Lohn haben, was bey nachgesuchtem Indult zwar schon fällig gewesen, aber unbezahlt in Rückstand geblieben, so fern es über ein halbes Jahr,, nach der gewöhnlichen Vermiethungs-Zeit zu rechnen, sich erstrecket, als welches mit unter den Indult zu ziehen ist. Was hingegen das während des Indults fällige Liedlohn betrifft, so verstehet es sich von selbst, daß solches unter dem Indult nicht begriffen sey.

Titel 101 § 16

§ 16. Wir wollen auch nicht, daß bey dem Brautschatz und andern Schulden ein Unterschied gemachet werde, am wenigsten bey einem solchen Brautschatz, wozu ein Vater wegen seiner Tochter verbunden ist, sondern es kann auch hier nur eine Verzinsung eintreten. Er kann auch, wenn es nicht schon vorher geschehen, ein Vater immittelst wegen der Tochter keinen Brautschatz ausloben.

Titel 101 § 17

§ 17. Nachdemmalen auch unter denen Rechts-Lehrern sehr bestritten wird, ob der von dem Haupt-Schuldner erlangte Indult auch denen Bürgen, zumal wenn sie, ohne daß der Haupt-Schuldner vorher ausgeklaget werde, zur Zahlung sich verpflichtet, zu Statten komme, so haben wir jedoch erwogen, daß es allemal sehr hart seyn würde, wenn der HauptSchuldner günstiger als der Bürge angesehen werden sollte, dieser auch zu der Vereinbarung der Gläubiger nicht gezogen wird, und andergestalt er allein wieder seinen Willen die Strenge der Rechte auszustehen hätte. Welchem nach Wir auch dem Bürgen dergleichen Indult angedeihen lassen.

Titel 101 § 18

§ 18. Was außerhalb dem Concurs als eigenthümlich oder anvertrauet oder geliehen zurückzufordern stehet, ist gleichfalls unter dem Indult nicht begriffen.

Titel 101 § 19

§ 19. Wir sehen auch hiebey nicht ab, warum rückständiges Kaufgeld ausgeschlossen sey, es wäre denn, daß die verkaufte Sache unter des Schuldners Vermögen annoch vorhanden, und solches nicht creditiret worden, als welchen Falls der Verkäufer an die verkaufte Sache sich halten kann.

Titel 101 § 20

§ 20. Dagegen rückständige Pacht und Heuer-Geld unter dem Indult begriffen ist.

Titel 101 § 21

§ 21. Da auch der Indult die Sache nur in dem Stande erhält, wie sie ist, so kann eine vorher bereits geschehene Execution und Immission dadurch nicht rückgängig werden. Ein bloßer Arrest aber wird dadurch aufgehoben.

Titel 101 § 22

§ 22. Wann ein Schuldner nach erhaltenem Indult, es sey, aus welchem Grunde es wolle, neue Schulden macht oder sich Verbindlichkeiten zuziehet, so können zwar die ältern Gläubiger dadurch nicht beschweret werden, dem Schuldner selbst aber kann die Einrede des Indults dagegen auf keine Weise zu Statten kommen.

Titel 101 § 23

§ 23. Ein erhaltener Indult kann nachhero das einem Schuldner zustehende beneficium cessionis bonorum nicht ausschließen.

Titel 101 § 24

§ 24. Wann es sich übrigens auch zuträgt, daß ein Schuldner bey denen Gläubigern um Erlassung eines Theils vom Haupt-Stuhl, oder auch um Heruntersetzung der Zinsen ansuchet, so ist zwar auch hierunter die Einwilligung des meisten Theils der Gläubiger zu befolgen und von dem Gerichte zu bestätigen, jedoch daß in diesem Stück der mehreste Theil der Gläubiger einen vorgehenden hypothekarischen Gläubiger weder in Ansehung des Hauptstuhls noch der Zinsen zu einem Nachlaß verbinde.

Titul CII. Von Berufung der Gläubiger.

Titel 102 § 1

§ 1. Da bey Unsern Gerichten die Frage vorgefallen ist, ob in dem Falle, wenn bey dem Gericht, welchem der Schuldner wegen seiner Person oder Wohnung unterworfen ist, eine Berufung sämmtlicher Gläubiger geschiehet, des Schuldners Güter aber in mehreren Gebieten belegen sind, diese auch an den erstem Ort zu ziehen seyn, oder ob denen Gläubigern frey zu lassen, ihre Hypotheken in jedem Gerichte oder Gebiete besonders zu verfolgen und auch daselbst eine öffentliche Berufung zu bewürken, und dann hiebey zu Unsrer Erwägung gekommen ist, daß selbst in Unsern deutschen Landen die Rechte der Örter und Gebiete nicht durchgehends übereinstimmen, mithin es Gläubigern zum höchsten Nachtheil gereichen kann, wenn sie an der freyen Verfolgung ihres Rechts behindert werden, als soll es lediglich von dem Willen der Gläubiger abhangen, an welchem Orte sie ihre Befriedigung suchen wollen, und sollen ohne deren Einwilligung die Güter an einen andern Ort nicht gezogen werden. Wobey jedoch der Wille der Mehrheit gegen die vorstehenden hypothecarischen Gläubiger in keinen Betracht kommen kann.

Titel 102 § 2

§ 2. Hätte nun auch der Schuldner seine Wohnung an zwey Orten, so sind zwar auch alsdann die unbeweglichen Güter an dem Orte ihrer Lage zu verfolgen, und die beweglichen, wo sie vorzufinden. In Ansehung der dem Schuldner gegen andre zustehenden Ansprüche aber muß es darauf ankommen, wo er seine Briefschaften in Verwahrung gehabt, mithin bey welchem Gerichte dieselbe unter Siegel genommen sind.

Titel 102 § 3

§ 3. Obwohl von denen Rechts-Lehrern insgemein dafür gehalten werden will, daß nach erhobenem Concurs auch die bereits bey andern Gerichten gegen den Schuldner behandelte Klagen an dasjenige Gericht zu ziehen und zu verweisen seyn, welches den Concurs eröffnet hat, so mögen Wir doch dieses so schlechterdings nicht billigen. Es muß also zwar ein solcher Gläubiger auf die ergangene Berufung bey dem letztem Gericht seine Forderung, und zwar in einer solchen Gestalt mit angeben, daß das Gericht daraus ersehen könne, welcher Ort ihm in der abzufassenden Erstigkeits-Urthel anzuweysen sei, oder es ist, wenn solches nicht zuverläßig genug geschehen kann, das Gericht, wo die Sache anhängig, zu ersuchen, dem andern Gericht die ergangenen Acten zur Einsicht mitzutheilen. Sonst aber muß die weitere Ausführung der Sache selbst bey dem ersten Gerichte bleiben, welchem auch nach gemachtem Gebrauch die Acten zurück zu fertigen sind.

Titel 102 § 4

§ 4. Der Concurs entstehet, wenn entweder der Schuldner seine gesammte Güter seinen Gläubigern übergiebet, oder auch entweder auf Anrufen der Gläubiger oder von dem Gerichte selbst aus eigner Bewegnis die Berufung der gesammten Gläubiger geschiehet und die Verwaltung der Güter einem Pfleger aufgetragen wird. Wiewol zum Wesen eines Concurses eines dieser beiden letztem genug ist.

Titel 102 § 5

§ 5. Was demnach der Schuldner mit seinen Gütern nach bereits entstandenem Concurs vornimmt, ist schlechterdings null und nichtig.

Titel 102 § 6

§ 6. Kein Schuldner, welcher zu bezahlen nicht im Stande ist, kann sich der eidlichen Angabe seines Vermögens entlegen.

Titel 102 § 7

§ 7. Was auch wegen derer gegen den Schuldner anzustellenden Untersuchungen und sonst in der von Unsers in Gott ruhenden Herrn Großvaters Maj. am 2./13. Jan. 1750 erneuerten Verordnung denen Gerichten aufgegeben und überall gesetzet worden, darüber soll ohne allen Unterschied der Personen und des Standes ernstlich und genau gehalten werden.

Titel 102 § 8

§ 8. Wir wollen jedoch dasjenige, was in dem § 8 derselben unter Nr. 1 in Ansehung der von dem Manne der Frauen geschehenen Schenkungen versehen ist, dahin gnädigst erklären, daß solches eines Theils nur von Schenkungen währender Ehe zu verstehen, andern Theils auch solche Kleider nicht begriffen seyn, welche zu Ersetzung ihrer mitgebrachten und in der Ehe abgetragenen ihr gegeben worden oder auch überhaupt solche sind, deren sie ihrem Stande gemäß nicht entbehren kann.

Titel 102 § 9

§ 9. Diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen schon vorhin bey demselben Gerichte klagbar gemachet haben, werden dadurch, daß sie nicht auch nach der öffentlichen Berufung sich gemeldet, von dem Concurs nicht ausgeschlossen.

Titel 102 § 10

§ 10. Es soll auch keinem der Zutritt zum Concurs eher als durch die Erstigkeits-Urthel verschlossen werden.

Titel 102 § 11

§ 11. Den bestellten Pfleger gehet die Erstigkeit der Gläubiger nichts an, sondern nur die Wahrhaftigkeit einer jeden Schuld. Es kann ihm auch dergleichen Ausführung um so weniger gestattet werden, als dadurch andre Gläubiger, welche an dem Streit keinen Theil nehmen, an Ansehung der Kosten mit beschweret werden würden. Wollen jedoch ein oder andre Gläubiger es ihm überlassen, so stehet ihnen solches auf ihre eigne Kosten frey, es ist aber desfalls in die Curatel-Rechnung nichts zu bringen.

Titel 102 § 12

§ 12. Da in Ansehung der Concurs-Kosten ob nämlich selbige von der ganzen Masse voran abzunehmen oder denen theilnehmenden Gläubigern nach der Größe dessen, was sie erhalten, anzurechnen, nicht allein die Rechts-Lehrer streiten, sondern auch selbst bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte verschiedentlich erkannt ist, so wollen Wir die von Unserm Ober-Appellations-Gerichte zuletzt angenommene Meinung beybehalten, wissen, daß diese Kosten allemal, es mag die Masse zu Befriedigung aller Gläubiger zureichen oder nicht, von dem Vorrath voran abgenommen und keinesweges denen theilnehmenden Gläubigern angerechnet werden.

Titel 102 § 13

§ 13. Da bey Concurs-Prozessen so viele leiden, so haben Unsre Gerichte um deren baldige Endigung sich vorzüglich zu bemühen. Sobald also das Liquidations-Protokoll geschlossen ist, sollen die Acten sofort zu Abfassung einer Liquidation und Erstigkeits-Urthel ausgestellt und vor derselben kein weiteres Verfahren zugelassen werden, damit nicht auch diejenigen, deren Forderungen bereits klar sind, in Erhebung des ihrigen aufgehalten werden.

Titel 102 § 14

§ 14. über eines jeden Gläubigers Forderung muß aber ein besonderer Acten-Fascikul gemacht, auch in Termino liquidationis ein besonderes Protocoll verfertigt und sothanen Acten, wie auch demnächst ein Auszug aus der Erstigkeits-Urthel, beygeleget werden.

Titel 102 § 15

§ 15. Wenn der Pfleger auch gegen ein und andre Gläubiger nicht das Nöthige beobachtet, noch die Nothdurft gehörig vorstellet, so steht einem jeden Gläubiger zu, als Intervenient solches selbst zu thun, und er muß damit gehöret werden. Als wie solches auch Statt findet, wenn der Pfleger ohne Grund etwas eingeräumet hätte. Es muß jedoch im letztem Fall der Gläubiger zeigen, daß er durch die geschehene Nach gäbe des Pflegers würklich verletzet sey, und der Pfleger keinen Grund gehabt habe, solches einzuräumen.

Titel 102 § 16

§ 16. Da diejenigen, welche Unsern Unterthanen auf die in Unsern Landen zu bestellenden Sicherheit Geld leihen, Unsere Landes-Gesetze und die gemeinen Rechte dabey zum Grunde legen, so wollen Wir auch, wenn schon an dem Orte des Aufenthaltes des Gläubigers nicht gleiche Rechte Statt finden, dennoch, um zugleich das Wol Unserer eignen Unterthanen zu befördern, kein sogenanntes Retorsions-Recht eintreten lassen, sondern es sollen Fremde Unsern Unterthanen gleich gerichtet werden.

Titel 102 § 17

§ 17. Obgleich die Gültigkeit und Beständigkeit eines Contractes an und für sich nach den Gesetzen des Orts, wo er errichtet worden, zu beurtheilen ist, so müssen doch denen Gläubigern bey dem Concurs ihre Stellen nach denen in dem Gerichts-Orte des Concurses eintretenden Rechten angewiesen werden.

Titel 102 § 18

§ 18. Zinsen und Kosten sind in einem Concurs, da die Güter nicht zureichen, nur alsdenn neben dem Haupt-Stuhl an denselben Ort zu setzen, wenn sie entweder ausdrücklich versprochen worden oder bereits vorhin rechtskräftig zuerkannt wären, nicht aber, wenn sie bloß von richterlichen Amtswegen zuzuerkennen sind.

Titel 102 § 19

§ 19. Wenn ein Advocat durch seine Bemühung etwas von denen im Concurs befangenen Gütern vorhin gerettet hat, so ist er desfalls vorzüglich vor allen zu befriedigen. Sonst aber ist er als ein bloßer chirographischer Schuldner anzusehen.

Titel 102 § 20

§ 20. Da die gemeinen Kaiserlichen Rechte denen Städten in ihren Forderungen ein zwar nicht dingliches Recht, jedoch einen Vorzug vor bloßen persönlichen Schulden geben, so soll dieses auch bey denen Fleckens, die kein Stadt-Recht haben, eintreten.

Titel 102 § 21

§ 21. Im übrigen aber vernehmen Wir, daß die Meinungen derer ohnehin so sehr getheilten Rechts-Lehrer, nach welchen sie aus vermeinter Billigkeit und angenommenen Auslegungen persönliche Vorzüge vor denen gemeinen chirographischen Schulden austheilen, in denen Rechten nicht gnugsam gegründet seyn. Welche Wir also, sofern nicht ein oder andere ausdrücklich von Uns gebilliget worden, verwerfen wollen.

Titel 102 § 22

§ 22. Wenn in Unsern Calenbergischen, Grubenhagischen und Lüneburgischen Städten nebst des Schuldners übrigem Vermögen auch bürgerliche unbewegliche Güter in einen Concurs gezogen werden, so sind zwei Concurs-Massen, als eine von denen unbeweglichen Bürger-Gütern, und die andre von dem übrigen Vermögen, zu formieren, solchergestalt, daß diejenigen, welche durch die bey dem Magistrat geschehene Anmeldung oder aus denen Gesetzen ein wahres dingliches Recht an solchem unbeweglichen Gut haben, aus der Immobiliar-Masse vorzüglich ihre Befriedigung erhalten, an der übrigen Masse aber durch solche Anmeldung andern nicht Vorgehen.

Titel 102 § 23

§ 23. Kommt es beym Concurs zum Verkauf der beweglichen Güter, so muß der Curator nichts ohne baares Geld verabfolgen lassen, massen er andergestalt schlechterdings dafür einstehet.

Titel 102 § 24

§ 24. Wenn bey Subhastierung der unbeweglichen Güter kein annehmlicher Bot geschiehet, so können die Gläubiger, wenn es zu keines vorzüglichen Gläubigers Nachtheil gereichet, auch um die vierte und, so oft sie wollen, um eine wiederholte Ausbietung ansuchen, sonst aber muß es sich mit der dritten endigen.

Titel 102 § 25

§ 25. Zinsen müssen der Concurs-Masse nur so lange zur Last fallen, bis der Gläubiger den Haupt-Stuhl heben kann. Liegt es hiebey an dem Gläubiger, daß der entweder sich nicht genugsam zu der Forderung legimitiret oder dieselbe nicht klar gemacht, oder auch zu Empfangnehmung des Geldes nicht die behörige Anstalt vorgekehret, so muß von der Erstigkeits-Urthel an der Zinsen-Verlust ihn selbst treffen. Liegt die Schuld an dem Pfleger der Güter, daß er entweder dem Gläubiger nicht gehörig Eröffnung gegeben oder durch unrechtmäßige Absätze das Corpus bonorum verringert, so muß derselbe den Gläubiger wegen des Verlusts schadlos halten. Inzwischen ist es an Seiten des Pflegers genug, wenn er die Bereitstehung der Gelder, und wer dazu am nächsten, durch die öffentliche Anzeigen bekannt machen lassen, daß es zu der oft zerstreut wohnenden Interessenten Wissenschaft kommen können. Wird aber die Auszahlung durch andre Gläubiger aufgehalten, welche einen Vorzug vor ihm aufzuführen suchen, so muß zwar, so viel thunlich, dafür gesorget werden, dass immittelst das bereit liegende Geld an sichren Orten zinsbar untergebracht werde, welcherhalben auch die interessirten Gläubiger billig mit zuhören und deren Vorschläge zu erwarten sind. Stehet gleichwol zu einer solchen Unterbringung nicht füglich zu gelangen, so muß der durch Lahmliegung der vorrathigen Gelder für das Corpus bonorum entstehende Zins-Verlust denjenigen treffen, gegen welchen demnächst in Ansehung des Vorzuges erkannt wird. In welchem Betracht denn derjenige, welcher ein Vorzugs-Recht auszuführen sich unternimmt, mit Ausführung seiner Appellation oder Leuteration und Supplication nicht anders zu hören ist, als wenn er wegen des dem andern Theil dadurch entstehenden Zins-Verlustes hinlängliche Sicherheit verschaffet hat. Sollte gleichwol der Pfleger der Güter gegen die Stattnehmigkeit oder Liquichtät der Forderung appellieren oder ein anderes Rechts-Mittel ergreifen und damit unterliegen, so müssen in solchem Fall die Zinsen des Gläubigers fortlaufen.

Titel 102 § 26

§ 26. Hat nun einmal ein Gläubiger aus dem Concurs das seinige ausgezahlt bekommen, so mögen Wir keinesweges dafür halten, daß andre sich nachhero angegebene Gläubigers, es sey auch aus welchem Grunde es wolle, durch eine nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand solches von ihm wieder zurückfordern können, da ein solcher Gläubiger das Seinige, und ein mehreres nicht, erhalten hat, allenfalls auch derjenige, welcher sich nicht melden können, es für ein Unglück für sich selbst anzusehen hat. Dahero Wir in solchem Falle auch Unmündigen keine Wiederherstellung in den vorigen Stand gestatten, um so weniger, als dieses mit dem gemeinen Besten eines Staats nicht bestehen kann.

Titel 102 § 27

§ 27. Derjenige, welcher gegen eine Erstigkeits-Urthel ein Rechts-Mittel in Ansehung des Vorzuges einwenden will, muß bey Strafe der Verwerfung anzeigen, gegen welchen Gläubiger er solches einwende, und kann es nicht genug seyn, es überhaupt gegen alle Vorgesetzte Gläubiger einzuführen, wenn sie nicht namentlich angezeiget werden. Maßen denn auch andergestalt die Auszahlung an die Vorgesetzten Gläubiger nicht auf gehalten werden soll.

Titel 102 § 28

§ 28. Ist nun gleich die Erstigskeit-Urthel entweder ganz oder auch nur zum Theil rechtskräftig, so muß das Gericht dem Pfleger der Güter nicht allein aufgeben, von dem unter sich habenden Vorrath die Gläubiger in ihrer Ordnung zu befriedigen, sondern auch, wenigstens vorerst, seine Rechnung sogleich zu schließen und dem Gerichte zu übergehen, welches denn zu deren Abnahme und Vertheilung des etwanigen Uberrests einen Termin anzusehen und darin, soviel möglich, alles zu Stande zu bringen hat.

Titel 102 § 29

§ 29. Wenn bey einem Gut keine Gebäude vorhanden sind, welche einer Unterhaltung bedürfen, muß das Gericht nach einem vorgängigen billigen Anschläge es dem ersten und so ferner dem folgenden Gläubiger zur Abnützung einthun, so daß keine Rechnung erfordert werde. Dieses verstehet sich jedoch nur von Gütern, welche nicht verkaufet werden können.

Titel 102 § 30

§ 30. Bleibet nach geendigtem Concurs von denen dahin gezogenen Gütern etwas übrig, so mögen als denn diejenigen, welche ihre Forderungen bey dem Concurs auszuführen unterlassen haben, sich gleichwol an den Überrest ohne Widerspruch des Schuldners halten.

Titel 102 § 31

§ 31. Ob auch gleich von denen Gerichten angenommen ist, daß Erben, um sich gegen die unbekannten Gläubiger ihres Erblassers in Sicherheit 16 Ebel zu setzen, sämmtliche des Verstorbenen Gläubiger öffentlich können berufen lassen, und darauf diejenigen, welche mit ihren Ansprüchen an die Erbschaft sich nicht gemeldet, damit weiter nicht zu hören seyn, so wollen Wir zwar dieses geschehen lassen. Es kann aber dieses nur wegen der unbekannten Gläubiger, und auch in Ansehung dieser nur so fern von Rechts-Würkung seyn, daß die Erben denen übrigen mit völliger Sicherheit zahlen können, nicht aber, daß sie für sich einen Vortheil aus der Erbschaft behalten mögen.

Titel 102 § 32

§ 32. Wenn der Käufer eines Guts zur Sicherheit gegen diejenigen, welche daran ein dingliches Recht haben mögten, eine öffentliche Berufung bewürket, so kann auch ihm dieses nur gegen die ihm unbekannte, nicht aber gegen die ihm kund gewordene oder aus öffentlichen Pfand-Büchern zu erfahrende Gläubiger zu Statten kommen. Zugabe zum Titul: Von Berufung der Gläubiger

Titel 102a § 1

§ 1. Da in Ansehung der auf die letzte Krankheit des verstorbenen Schuldners verwandten Kosten, ob selbige in die erste Classe gehören und vor allen Gläubigem zu bezahlen, dem Vernehmen nach nicht durchgehends einerley Meinung geheget wird und die gemeinen beschriebenen Rechte darunter nichts bestimmtes setzen, so haben Wir jedoch erwogen, daß die Wolfahrt des menschlichen Geschlechts solches erfordre, und billigen also diesen Kosten den Vorzug zu.

Titel 102a § 2

§ 2. Es ist Uns ferner vorgetragen, daß, ob wol schon nach denen Kaiserlichen Rechten auch die zur Bestattung einer Leiche erforderlichen Kosten allen Gläubigem voranzusetzen, dennoch gezweifelt werde, ob auch die Trauer-Kleider dahin zu rechnen seyn. Nachdem Wir nun vernehmen, daß es damit heutiges Tages eine ganz andrere Bewandniß habe, als es ehedem zu Rom gehabt, so treten Wir denenjenigen Rechts-Lehrern bey, welche auch die Trauer-Kleider, jedoch nur der ersten tiefen Trauer, darunter begreifen.

Titul CIII. Von Absonderung der Erbschaftlichen und des Erben Güter.

Titel 103 § 1

§ 1. Da unter denen Rechts-Lehrern die Frage vorfällt und sehr bezweifelt wird, ob auch des verstorbenen Schuldners Pfand-Gläubiger an desselben Nachlaß vorzüglich vor allen des Erben eignen Gläubigern sich halten können, ohne daß sie zu dem Erbe die Rechts-Wolthat der Absonderung beyderley Güter zu ergreifen nöthig haben, und Wir dann gnädigst erwogen, daß die Güter des Verstorbenen nicht anders auf den Erben als mit der Beschwerung derer vorhin bereits darauf gehafteten dinglichen Rechte kommen, und diese überall nicht anders als mit gutem Willen solcher Gläubiger erlöschen mögen, solches auch überdem zu besserer Erhaltung des Credit-Wesens gereichet und viele Verwirrungen verhütet, so genehmigen Wir hiedurch die Meinung dererjenigen, welche solchen Erbschaftlichen Pfand-Gläubigern ein vorzügliches Recht an des Verstorbenen Gütern vor allen und jeden des Erben Gläubigern zuschreiben und dieselbe nicht schuldig halten, um Absonderung beider Güter binnen der sonst dazu in den Rechten verordneten Zeit nachzusuchen.

Titel 103 § 2

§ 2. Diesem gemäß setzen Wir weiter, daß, wenn der Erbe seines Erblassers unbewegliche von demselben unterpfändlich verschriebene Güter veräußert, ohne daß solches öffentlich bekannt gemacht, mithin zur Wissenschaft der Erblichen Pfand-Gläubiger gebracht worden, solche denen letztem ganz und gar unverfänglich bleiben müsse, selbige auch nicht schuldig seyn mögen, den Erben vorher auszuklagen, ohne sie den Pfands-Inhaber besprechen.

Titel 103 § 3

§ 3. Ein gleiches findet bey denen Legatarien und Fideicommissarien Statt, da auch diese Güter nicht anders als mit der darauf haftenden Last unter die Güter des Erben treten, noch folglich dessen eignen Gläubigern anders zur Versicherung dienen können.

Titul CIV. Von Veräußerungen eines unvermögenden Schuldners.

Titel 104 § 1

§ 1. Ob es zwar, wie Wir vernehmen, unter denen Rechts-Lehrern keinen Zweifeln unterworfen ist, daß diejenigen Veräußerungen, welche von einem unvermögenden Schuldner nach bereits würklich entstandenem Concurs vorgenommen worden, für gänzlich nichtig zu halten, der Concurs auch seinen Anfang nimmt, sobald entweder der Schuldner alle seine Güter übergiebet, oder ein Pfleger der Güter bestellet und ihm selbst die Verwaltung genommen wird, oder auch Edictales erlassen werden, so fällt doch bey demjenigen, was bey bevorstehendem Concurs veräußert worden, Zweifel vor, ob es damit gleichergestalt zu halten sey. Wir treten aber hierunter denenjenigen bey, welche darauf gesehen wissen wollen, ob bey der Veräußerung von beiden Seiten etwas zu wissentlicher Verkürzung der Gläubiger vorgegangen sey. Was jedoch die gemeinen Rechte wegen der Schenkungen verordnen, dabey hat es nicht weniger sein Verbleiben.

Titel 104 § 2

§ 2. Als auch zwar die gemeinen Rechte zulassen, eine angefallene Erbschaft als einen bloßen Gewinn zum Nachtheil seiner Gläubiger von sich zu stoßen, so soll doch nicht wenig bezweifelt werden, ob dieses auch in Ansehung des Pflicht-Theils der Kinder und Eltern und bey solchen Anfällen Statt finde, welche der Erbgeber durch einen letzten Willen dem Schuldner nicht nehmen können. Wir treten aber denenjenigen RechtsLehrern bey, welche in solchen Fällen die Zurückstoßung zum Nachtheil der Gläubiger nicht gestatten.

Titul CV. Von Teich-Sachen.

Titel 105 § 1

§ 1. Ob gleich von denen Teich-Sachen in denen Teich-Ordnungen Unsrer Herzogthümer Bremen und Verden, auch Lüneburg ausführliche Verseilung geschehen ist, so vernehmen Wir doch, daß gleichwol verschiedentlich darüber nicht geringe Zweifel entstanden sind, welche letztlich bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte entschieden werden müssen. Wir haben daher dienlich gefunden, diesem, so viel thunlich, aufs künftige vorzukommen.

Titel 105 § 2

§ 2. Was zuförderst die Unterhalt-, auch Herstellung schadhafter Teiche anlanget, ob und wie weit hiebey andre dem Eigenthümer zu Hülfe kommen müssen, so ist desfalls in Unsrer Bremischen Teich-Ordnung C. 13 § 3 und 4 bereits Ziel und Maaße gesetzet, und hat es mit solchem Beytritt keine andre Meinung, als so fern die Sache keinen Aufschub leidet und diejenigen, welchen es vorzüglich oblieget, solche Kosten allein nicht bestreiten mögen.

Titel 105 § 3

§ 3. Was auch bey den Teichen selbst verordnet, tritt nicht weniger bey denen zu Beschützung derselben angelegten oder anzulegenden Werken, als bey Stockwerken, Schiengen, Bollwerken, Pochwerken, Schlickteichen usw. ein, weil sie als Zubehörde des Teiches anzusehen sind.

Titel 105 § 4

§ 4. Als auch die Frage vorgefallen, ob auch als denn, wenn jemanden zu unumgänglichen Behuf des Teichs sein Land gänzlich genommen wird, denselben, so wie an den meisten Orten bey dem Abgraben geschiehet, ebenfalls keine Vergütung von dem Teichlande wiederfahre, und Wir denn erwogen, daß von dem Abgraben auf diesen Fall keine Anwendung zu machen stehe, vielmehr es den Gesellschafts-Regeln und der Billigkeit gemäß ist, daß in diesem Falle dem Eigenthümer der Verlust ersetzet werde, so wollen Wir, daß solches künftig unweigerlich geschehe und von Unserer Regierung ohne Weitläufigkeit bestimmt werde.

Titel 105 § 5

§ 5. Gleichwie aber auch in Ansehung des unentgeltichen Abgrabens Unsre Regierung die Teich-Ordnung billig dabey dahin erkläret hat, daß sich solches außer demselben Teich-Lande nicht erstrecken möge, so wollen Wir dieses ausdrücklich hiedurch genehmigen.

Titel 105 § 6

§ 6. Da auch überhaupt dasjenige, was wegen des unentgeldlichen Abgrabens in der Teich-Ordnung versehen ist, auf Gewohnheiten sich gründet und nur die Regel ausmachen soll, also muß einem jeden Distrikt unbenommen bleiben, ein anderes Herkommen zu beweisen.

Titel 105 § 7

§ 7. Da auch eine Verlassung des Teichs und dessen Verspätung nicht anders Statt findet, als wenn der bisherige Besitzer überall des Vermögens nicht ist, selbigen zu unterhalten, so kann auch daher der Teich- Adit kein andrer Besitzer, der etwa weniger vermögend ist, ohne deren Einwilligung aufgedrungen werden, sondern der gewesene Besitzer muß nach wie vor haften.

Titul CVI. Von den öffentlichen Straßen.

Titel 106 § 1

§ 1. Was in Ansehung der Wege-Besserungen in Unsern Landes-Ordnungen versehen ist, dabey hat es allerdings sein Bewenden.

Titel 106 § 2

§ 2. Was aber die öffentlichen Straßen in denen Städten und Flecken anlanget, so haben Wir die desfalls vorgefallene Zweifel hiedurch näher bestimmen wollen.

Titel 106 § 3

§ 3. Wir nehmen es zuförderst als eine gnug bestimmte Wahrheit an, daß in denen Städten und Flecken ein jeder Einwohner die öffentliche Straße, so weit sie vor seinem Haus-Platze hergehet, auf seine alleinige Kosten machen und unterhalten müsse.

Titel 106 § 4

§ 4. Ob nun gleich bey Wege-Besserungen eine Observanz nicht gänzlich auszuchließen ist, so kann doch selbige in keinen Betracht kommen, wenn ein vormaliger Ackerweg, ob er auch schon in einem Flecken durch andre dessen zum Ackerbau bedürftige vorhin mit Stein-Pflaster unterhalten worden, durch Unsre Landesherrliche Verordnung in eine öffentliche Straße verwandelt wird. Es sind vielmehr in diesem Fall ohne Absicht auf eine widrige Observanz oder Verjährung die Fleckens-Einwohner schuldig, diesen öffentlichen Weg zu unterhalten.

Titul CVII. Von Pfändungen.

Titel 107 § 1

§ 1. Da es im Römischen Reich deutscher Nation hergebracht und durch die Reichs-Gesetze gebilliget, besonders auch in Unsern deutschen Landen überall hergebracht ist, daß ein jeder so wol zu Erhaltung seines Besitzes als zum nähern Beweis eines erlittenen Schadens an demselben Orte, wo die Beeinträchtigung geschehen, und auf frischer That ohne Erlaubniß der Obrigkeit ein Pfand nehmen möge, so lassen Wir es auch allerdings dabey bewenden.

Titel 107 § 2

§ 2. Es ist aber bey denen Pfändungen Mäßigung zu gebrauchen, und sind dieselben nicht weiter, als der Sachen Endzweck es erfordert, auszudehnen.

Titel 107 § 3

§ 3. Solchemnach muß, wenn es zumal nur auf die Erhaltung eines Besitzes ankommt, nicht eine ganze Heerde, sondern von Pferden, Kühen und Ochsen nur ein Stück, von Schafen, Kälbern und Schweinen aber nicht mehr als zwey Stück gepfändet werden.

Titel 107 § 4

§ 4. Da auch bey derjenigen Pfändung, welche zum Beweis eines durch Abhütung erlittenen Schadens geschiehet, der Schade selbst nachher durch beeichgte Achts-Leute billig besonders wardiret wird, so finden Wir es der Sache angemessen, auch hier keine höhere Pfändung zu verstatten, es wäre denn, daß der Gepfändete unter einem fremden Gebiet wohnet, als welchen Falls so hoch zu pfänden erlaubet seyn soll, als es der erlittene Schade erfordert.

Titel 107 § 5

§ 5. Wenn ein Stück Vieh, ohne daß es vom Hirten verwehret werden mögen, übergelaufen ist, muß es zurück gejaget und nicht gepfändet werden.

Titel 107 § 6

§ 6. Auch findet keine Pfändung Statt, wenn die zu Vertheidigung des Ackers angeordnete Befriedigung von dem Eigenthümer nicht in gehörigem Stande erhalten worden.

Titel 107 § 7

§ 7. Nachdem auch die Reichs-Gesetze die Pfändung nur an der Sache selbst, nicht aber an einer dritten unschuldigen verstatten, so ist dieser Unterschied in Unsern Gerichten wol zu beobachten. Es kann demnach, wenn es einen streitigen Holzhieb oder Torfstich oder Haide- und Plaggenhauen betrifft, zwar die Axt oder die Schaufeln, und das gefällete Holz, oder der angemaaßte Torf, Haide und Plaggen, nicht aber Wagen und Pferde gepfändet werden. Bey Jagd-Stöhrungen geschiehet die Pfändung an dem betroffenen Gewehr, Netzen und Hunden. Und ob wol hiebey ehedem gezweifelt worden, wohin das eroberte Wild zu rechnen sey, so ist jedoch solches, da es vorhin noch niemanden eigenthümlich zugehöret, durch den Reichs-Abschied vom Jahr 1654 zu einer dritten unschuldigen Sache erkläret. Wobey Wir es also auch lassen.

Titel 107 § 8

§ 8. Es müssen auch die Pfände, wenn sie nicht sofort gelöset werden, in demselben Gerichte bleiben und sofort dem an jedem Orte bestellten beeideten Pfänder eingeliefert und von demselben bis auf gerichtliche Verordnung in dem Pfand-Stall aufbehalten werden.

Titel 107 § 9

§ 9. Es ist jedoch dieses nur von Pfändungen derer denen Ämtern und Gerichten unterworfenen Dorfschaften zu verstehen. Wenn aber ein Begüterter von Adel oder andrer Freyer pfändet, kann er das Pfand auf seinen freyen Hof, jedoch nicht außerhalb Landes zur Verwahrung bringen.

Titel 107 § 10

§ 10. Wenn eine Sache bereits rechtshängig geworden ist, kann zu vermeindter Erhaltung des Besitzes keine Pfändung verstattet werden, sondern es sind von dem Gerichte, wo die Sache hänget, behufige Befehle und Verbote nachzusuchen.

Titel 107 § 11

§ 11. Wir halten es dabey der Sache gemäß, vernehmen auch, daß es in dem Sachsen-Rechte, woraus die Pfändungen in Unsern Deutschen Landen ihren Ursprung haben, gegründet sey, daß die unter einem Amte oder Gerichte gesessene in der Absicht, ihren Besitz zu schützen, sich nicht pfänden mögen, sondern wegen der Beeinträchtigung den gemeinschaftlichen Richter angehen, welcher alsdenn das Nöthige zu verordnen hat.

Titel 107 § 12

§ 12. Wenn eine Pfändung von jemand zu Erhaltung seines Besitzes vorgenommen ist, und der Gepfändete darüber klaget und ebenfalls in dem Besitze eines Rechtes zu seyn vorgiebet, müssen die Gerichte, wenn es ein zehrend Pfand ist, sofort dessen Loslassung, jedoch der Hauptsache unbeschadet, anbefehlen, und findet dagegen kein exceptio sub- et obreptionis, vielweniger ein aufhaltendes Rechts-Mittel Statt.

Titel 107 § 13

§ 13. Der Gepfändete muß demnächst beweisen, daß er vor der Pfändung im Besitz gewesen sey. Wenn dem auch gleich der Pfandende Theil einen vorzüglichem Besitz oder ein ausschließliches Recht darzuthun vermögte, mithin in der Hauptsache für ihn zu erkennen wäre, so kann jedoch die Pfändung für rechtmäßig nicht erkläret werden.

Titel 107 § 14

§ 14. Gegen-Pfandungen können durchaus nicht verstattet werden, sondern wer durch die Pfändung beschwert zu seyn vermeint, muß richterliche Hülfe suchen.

Titel 107 § 15

§ 15. Wenn die Pfändung für rechtmäßig erkläret wird, muß nicht allein das gewöhnliche Pfande-Geld, sondern auch, was wegen des Pfandes an Kosten verwandt worden, ersetzet werden. Doch ist sodann auch die gehabte Nutzung zu berechnen. Wäre auch etwa das gepfändete Vieh ohne des pfändenden Theils Schuld gestorben, trifft diesen der Schade nicht.

Titel 107 § 16

§ 16. Ist aber die Pfändung unrechtmäßig geschehen, muß der pfändende Theil nicht allein allen Schaden und Abgang sammt dem etwa erfolgten Zufall stehen.

Titul CVIII. Von Veräußerungen streitiger Güter.

Titel 108 § 1

§ 1. Da in denen gemeinen Kaiserlichen Rechten versehen ist, daß Güter, worüber bereits ein würklicher Rechts-Streit obschwebet, zum Nachtheil und Beschwerde des Klägers an einen dritten nicht veräußert werden mögen, so lassen Wir es auch allerdings dabey bewenden.

Titel 108 § 2

§ 2. Wir nehmen aber auch hiebey die Erklärung der Rechts-Lehrer an, daß vorgedachte Rechte nur eintreten, wenn die Veräußerung böslicher und gefährlicher Weise zu Unterdrückung und Beschwerung des Gegners geschehen ist.

Titul CIX. Von Bürgschaften und Sammt-Verpflichtungen.

Titel 109 § 1

§ 1. Ob wol in Unsrer Lüneburgischen Policey-Ordnung C. 42 versehen ist, daß niemand dortiger Unterthanen, er sey auch was er wolle, adelichen oder gemeinen Standes, für jemand Bürge werden möge, wenn er es ist, zuförderst dem Landesfürsten vorgebracht und dessen Consens darüber erlanget, denen adelichen Landsassen jedoch, wenn ihr Eigenthum darunter unbeschwert bleibe, auch ohne solchen Consens für 1000 Reichsthaler, und nicht höher, Bürgen zu werden verstattet, und bey Bürgern des Stadt-Raths Vorwissen und Behebung hinlänglich gehalten worden, so hat jedoch die Erfahrung ergeben, daß dieser Verordnung nicht füglich nachgegangen werden mögen, und Wir vernehmen, daß sie in Unsern Gerichten schon längst an die Seite gesetzet worden. Wobey Wir es denn also auch künftig lassen und die gemeinen Rechte befolget wissen wollen.

Titel 109 § 2

§ 2. Wir vernehmen weiter, daß nach denen neuern Römischen Rechten viel Zweifel unter denen Rechts-Lehrern obwaltet, ob ein Geistlicher sich verbürgen könne, worunter gleichwol die Ordensritter, auch Dom-Herren und Canonici nicht verstanden werden mögen. Da die Pfarr-Herren, und welche in Unsern Deutschen Landen zu denen Geistlichen gerechnet werden, von ihren Pfründen leben müssen, so können Wir zum Besten der Gemeinde, bey welcher sie stehen, nicht zugeben, daß in solchem Fall ihr Amts-Gehalt angegriffen und dadurch der Kirche Bestes vermindert werde. Hätten sie aber sonst Vermögen, so lassen Wir die Bürgschaft überall bestehen, ohne in denen Anforderungen einen Unterschied zu machen.

Titel 109 § 3

§ 3. Bey Unsern Militair-Personen ist nun ohnehin schon durch Unsre und Unsrer Allerdurchlauchtigsten Vorfahren Verordnungen, wie weit ihre Besoldungen und Pensionen angegriffen werden können, festgesetzet. Sie können sich also in so fern nicht kräftig ohne Unsre Einwilligung verbinden. Wenn gleichwol eine Militär-Person überher Güter und Vermögen hat, so mögen Wir in so fern die Bürgschaft nicht für ungültig erklären noch denen gemeinen Rechten zuwider halten.

Titel 109 § 4

§ 4. Bey denen Bürgschaften des weiblichen Geschlechts, besonders derer Ehefrauen haben Wir erwogen, daß die Rechts-Wolthaten, welche dasselbe aus einer Bürgschaft von der Bezahlung befreyen, demselben eben um deswillen ertheilet sind, weil sie aus übereilter Gutheit, oder auch insbesondere die Ehe-Frauens aus einer nicht überstehlicher Gefälligkeit, auch wol gar Furcht gegen ihren Ehemann sich dazu verleiten lassen. Es ist Uns hiebey ferner vorgetragen, daß die mehresten gesitteteten Völker das weibliche Geschlecht unter eine beständige gewisse Vormundschaft gesetzet haben. Es scheint Uns also dem wahren Sinn der Gesetze nicht gemäß zu seyn, daß eben dieses weibliche Geschlecht derer demselben verliehenen Rechts-Wolthaten sich begeben möge, da solches mit eben derselben gar zu geschwinden Gutheit und nicht zu überstehenden Gefälligkeit und Furcht gegen den Ehemann geschiehet. Nachdem Uns jedoch dagegen weiter vorgetragen worden, daß die Ehe-Frauens auch in denen neuern Römischen Rechten so viele dem gemeinen Wesen nicht zuträgliche Vorzugs-Rechte erhalten, und daß insonderheit dahero der Credit eines Mannes ohne Zulassung solcher Verzichte ganz und gar nicht bestehen möge, so wollen wir ferner die Verzichte der weiblichen Gerechtigkeiten überhaupt, insbesondere auch bey Ehefrauens, gelten lassen.

Titel 109 § 5

§ 5. Als jedoch Wir unterrichtet worden, daß aus der Form der Entsagung und Verpflichtungen mannigfache Rechtsstreitigkeiten bishero obgewaltet, so müssen Wir auch hierunter Ziel und Maße setzen.

Titel 109 § 6

§ 6. Wir wollen demnach, daß, da in Unsren Deutschen Landen das weibliche Geschlecht keine Vormünder von Geschlechtswegen hat, mit großer Vorsicht darunter verfahren werde. Es soll also keine andre weibliche Bürgschaft gelten, als wenn die weibliche Person entweder vor Gericht oder vor einem öffentlichen Notarien in Gegenwart Zeugen verständiget worden, daß sie nach denen Rechten sich überall nicht gültig verbürgen könne, und sie gleichwol alsdenn nichts desto weniger als Bürgin zu haften verspricht. Gestalten dann auch alle solchergestalt nicht eingerichtete weibliche Bürgschaften, wenn die Bürgin selbst noch im Leben, nicht länger als auf ein Jahr von Zeit Publication dieses Gesetz-Buches gültig seyn sollen.

Titel 109 § 7

§ 7. Wenn jedoch die weibliche Person dessen aus den Rechten bereits vorhin auf vorgedachte Art belehret gewesen und gnugsamen Unterricht gehabt, so braucht es einer weitern Verständigung nicht, und kommt es auch in diesem Falle auf eine wörtliche Entsagung der Rechts-Wolthaten nicht an.

Titel 109 § 8

§ 8. Umso mehr wollen Wir also aber auch bey Ehe-Frauens, wenn sie sich für ihren Ehemann verbürgen, dieses, was auch schon sonst von vielen für nöthig gehalten worden, annehmen, daß ihre Verpflichtung vor Gerichte oder vor Notarien und Zeugen vollzogen werden müsse, und ihnen dabey die nöthige Erinnerung und Erklärung aus denen Rechten geschehe. Wobey es jedoch gnug ist, wenn sie aus denen Rechten auch nur verständiget werden, daß das weibliche Geschlecht sich überall nicht gültig verbürgen könne.

Titel 109 § 9

§ 9. Ob aber schon die Ausleger der Rechte, um derer Ehe-Frauen Verschreibungen für ihre Ehemänner gültig zu machen, die Bestätigung durch einen Eid eingeführet haben, weil dadurch nach denen neuesten Rechten alle sonst ungültige Verbindungen rechtsgültig werden, so haben Wir doch erwogen, wie dadurch eine Ehe-Frau, die ihrem Ehemann aushelfen will, sich von ihrem Vorhaben nicht abwenden lassen werde, der Eid also bloß auf einen Mißbrauch des Allerheiligsten göttlichen Namens hinauslaufe, welchen Wir, so viel möglich, zu verhüten uns durchaus verpflichtet halten. Wir wollen demnach, daß es inskünftige genug sey, daß eine Ehe-Frau vor Gericht oder Notarien und Zeugen von dem ganzen Inhalt der Verschreibung und dabey unterrichtet werde, daß sie überall mit Bestände sich nicht verbürgen könne, wenn sie aber sondern gleichwol dabey beharret, dieses hierauf ohne Eid um so mehr bestehe, als sie sonst einen Gläubiger bezüglicher Weise in Schaden bringen würde. Doch sollen die Gerichte und die Notarien dabey den Mann nicht gegenwärtig seyn lassen, und diesen Umstand dem Protocoll ausdrücklich mit einverleiben.

Titel 109 § 10

§ 10. Was die bisherigen Verschreibungen der Ehe-Frauens anlanget, so sollen dieselben, wenn sie nicht vor Gericht oder Notarien vollzogen sind, und die Frau noch im Leben ist, nur noch auf ein Jahr nach Publication dieses Gesetzes gelten. Wäre jedoch die Frau innerhalb dieser Jahres-Zeit verstorben, sollen sie alsdenn denen Gläubigern zum Besten gültig bleiben, wenn auch in einem privat-Instrument die Frau entweder denen in deutscher Sprache verständlich ausgedrückten Rechts-Wolthaten mit angehängter Eides-Formel entsaget, oder auch ohne dergleichen förmliche Entsagung die Zahlung eidlich versprochen hat, da eine jede unbündige Versprechung durch den Eid bündig und gültig wird. Aufs künftige aber mögen dergleichen privat-Verschreibungen mit Gültigkeit nicht ausgestellet werden.

Titel 109 § 11

§ 11. Hat eine Ehe-Frau, wenn sie vor Gericht oder vor Notarien und Zeugen ihrer Rechte verständiget worden, nachhero weiter sich verbürget, so braucht es bey ihr keiner weiteren Unterrichtung. Es soll ihr jedoch ihre Verschreibung wenigstens vor Notarien und Zeugen ohne des Mannes Gegenwart vorgelesen werden.

Titel 109 § 12

§ 12. Wenn eine Witwe nach ihres Mannes Tode für dessen Schulden sich verbürget, ist es als eine Bürgschaft für ihren Mann nicht anzusehen, und wenn sie nach Ablauf zweyer Jahre nach ihres Mannes Tode eine sonst nicht beständige Bürgschaft für dessen Schulden wiederholet, haftet sie schlechterdings. Und diese Wiederholung geschiehet auch durch die Bezahlung der Zinsen.

Titel 109 § 13

§ 13. Wenn eine weibliche Person gegen einen Unmündigen oder einen solchen, der mit dem Unmündigen gleiche Rechte hat, sich verbürget, kommen ihr die sonst dem Geschlecht zustehende Rechtswolthaten nicht zu Statten. Doch müssen die etwanigen übrigen Bürgen, wie auch die Vormünder, wenn letztere dabey ein Versehen begangen, zuförderst belanget werden.

Titel 109 § 14

§ 14. Als bezweifelt werden wollen, ob aus einer Bürgschaft auch des Bürgen Erben haften, so wollen Wir dieses, daß sie haften, nach denen gemeinen Rechten durchaus festsetzen.

Titel 109 § 15

§ 15. Hat ein Bürge nur überhaupt aller Einreden und Rechts-Wolthaten sich begeben, ohne dabey namentlich die Rechts-Wolthaten der Bürgen zu erwehnen, so kann daraus bey einem der Rechte unerfahrnen nicht angenommen werden, daß er auch derer denen Bürgen zustehenden besondem Einreden und Rechts-Wolthaten sich begeben habe. Hat er aber auf die Einreden und Rechts-Wolthaten der Bürgen überhaupt Verzicht gethan, so kann er sich derselben nicht bedienen, wofern er nicht unter diejenigen Personen gehöret, welchen die Unwissenheit des Rechts zu Statten kommt.

Titel 109 § 16

§ 16. Wenn es mit dem Haupt-Schuldner zum Concurs gekommen, ist, wenn die Schuld bereits zur Zahlung stehet, dem Gläubiger nicht anzumuthen, sich vorerst an den Concurs zu halten und dessen Ausgang abzuwarten, sondern er kann alsdenn den Bürgen gleich belangen. Bis dahin aber, daß er den Haupt-Schuldner selbst angreifen können, muß er zu Rettung der Forderung bey dem Concurs alles mögliche vorkehren.

Titel 109 § 17

§ 17. Wäre auch sonst die Klage gegen den Haupt-Schuldner oder dessen Erben mit Weitläufigkeiten und Schwürigkeiten verknüpft, so kann der Bürge gleich belanget werden.

Titel 109 § 18

§ 18. Wir können nun zwar auch geschehen lassen, daß der Bürge in der Bürg-Verschreibung sich der Rechts-Wolthat begiebt, daß der Gläubiger ihm sein Recht aus der Schuld-Verschreibung übertragen solle. Weilen es jedoch nur zu dem Ende geschiehet, damit die Zahlung nicht aufgehalten werde, übrigens aber, da dem Gläubiger kein Nachtheil daraus erwächset, nicht abzusehen ist, warum er dessen sich weigern und dadurch dem Bürgen ein Mittel, sich desto leichter zu erholen, vorenthalten wolle, so treten Wir denenjenigen Rechts-Lehrern bey, welche des Verzichts unerachtet den Gläubiger schuldig halten, bey der Zahlung sein Recht gegen den Haupt-Schuldner und die Mit-Bürgen abzutreten.

Titel 109 § 19

§ 19. Haben ihrer mehrere für eine Schuld sich verbürget, und einer der Bürgen hätte die Zahlung allein verrichtet, sich aber die Rechte des Gläubigers abtreten lassen, so kann er von seinen Mit-Bürgen nicht die ganze Schuld wieder fordern, sondern er muß seinen eignen Theil abrechnen, wenn auch schon gesammte Bürgen der ihnen sonst zustehenden Rechts-Wolthat der Theilung sich begeben hätten. Hätte auch derselbe mit dem Gläubiger sich verglichen, und weniger, als die Schuld betragen, bezahlet, so kommt dieses auch seinen Mit-Bürgen zu gute und darf ihm zu keinem Gewinn dienen. Es soll aber auch derjenige, welcher die Zahlung geleistet, wenn mehrere Mit-Bürgen vorhanden, von einem Mit-Bürgen allein die sämmtlichen übrigen Theile nicht fordern, sondern er muß zufrieden seyn, wenn dieser ihm sein ausgelegtes Geld zur Halbschied bezahlet, und beide halten sich wegen des zuviel bezahlten an die übrigen Mit-Bürgen. Doch muß der erste in so fern auch sein Recht gegen die übrigen mit übertragen.

Titel 109 § 20

§ 20. Wenn ihrer mehrere überhaupt sich mit gesammter oder ungeschiedener Hand, oder einer für alle und alle für einen verschreiben, so wird es zwar sehr in Zweifel gezogen, ob dasjenige, was in der 99ten Novelle C. 1 versehen ist, auch von diesen Sammt-Verschriebenen zu verstehen sey. Wir wollen aber allerdings dieser Meinung, daß es auch von allen Sammt-Verschriebenen zu verstehen sey, beypflichten.

Titel 109 § 21

§ 21. Als auch die Kaiserlichen Rechte einem Bürgen, welcher binnen gewisser Zeit jemand zu stellen oder für ihn eine gewisse Summe Geldes zu bezahlen gelobet, auch nach Ablauf der gesetzten Zeit eine weitere Frist verstatten, dieses aber von einigen Rechts-Lehrern ohne Grund nur von peinlichen Sachen verstanden werden will, so wollen Wir, daß solche Verordnungen bey Unsern Gerichten auch in bürgerlichen Sachen angenommen werden.

Titul CX. Von Zahlung und Gegenrechnung und Befreyung.

Titel 110 § 1

§ 1. Da bey Quitungen die Rechte nur binnen dreißig Tagen die Einrede der nicht geschehenen Zahlung zulassen, so hat es dabey sein Bewenden, und ist auch hier derjenige, der quitiret worden, binnen solcher Zeit die geschehene Zahlung zu erweisen nicht schuldig. Doch stehet dem Aussteller der Quitung auch nach Ablauf solcher Frist der Beweis offen, daß ihm das Geld nicht bezahlet worden.

Titel 110 § 2

§ 2. Gleichwie die Rechte bey jährlichen öffentlichen Abgaben die vorhergehenden Jahre für berichtigt annehmen, wenn von denen drey folgenden Jahren die Quitungen beygebracht werden, so soll ein Gleiches auch bey jährlichen privat-Abgaben und Zinsen gelten.

Titel 110 § 3

§ 3. Nicht weniger soll auch diese Vermuthung eintreten, wenn das vorhergehende und folgende Jahr bezahlet ist, von der Zwischenzeit aber die Zahlung durch Quitungen nicht erwiesen werden kann.

Titel 110 § 4

§ 4. Wir vernehmen, daß es bey ein und andern Unsrer Gerichte in Concursen also gehalten werde, daß das aus der Concurs-Masse Bezahlte zuerst auf das Capital, und nach dessen völligem Abtrag erst auf die Zinsen abgerechnet werde. Wie Wir nun dieses um so billiger finden, als dadurch auch dem Gläubiger, weil er sein Geld anderweit wieder zinsbar unterbringen kann, nicht zu nahe geschiehet, so soll dieses künftig in allen unsem Gerichten befolget werden.

Titel 110 § 5

§ 5. Nachdemmalen auch die gemeinen Kaiserlichen Rechte einem gedrängten Schuldner erlauben, wenn er nicht anders Rath schaffen kann, und zu dessen Gütern kein Käufer sich findet, selbige, oder so viel davon erforderlich, dem Gläubiger für den andern Werth in Zahlung anzugeben und sich dadurch von dessen Zunöthigungen zu befreyen, dieses Remedium auch durch Unsre Gerichts-Ordnungen dem Gläubiger, sowol wenn zu dem Gut kein Käufer sich findet, als auch wenn der Schuldner durch einen ganz ungleichen und geringen Bot gar zu hart benachtheiliget würde, mithin der Zuschlag Bedenken haben müßte, zugestanden worden, so ist Uns doch vorgetragen, daß dieses bloß dem Schuldner zur Erleichterung verordnete Rechtsmittel verschiedentlich in Concursen von jüngem und nachstehenden Gläubigern auch von Pflegern der Güter, ja auch von Gerichten dahin gedeutet werden wollen, als ob von denen imbefriedigten Gläubigern der erste und vornehmste auch sogar, wenn seine Forderung dem Werth des Gut bey weitem nicht gleich kommt, sondern er ein ansehnliches an die auf ihn folgenden Mit-Gläubiger heraus geben müsse, das Gut nach einer vorzunehmenden Wardirung käuflich annehmen müsse. Wann aber die Rechte und auch Unsre Gerichtsordnungen dieses bloß dem bedrückten oder bedrängten Schuldner, keinesweges aber andern Gläubigem zu Gute beliebet haben, auch selbst in dem Fall, wenn es dem Schuldner zur Hülfe dienen könnte, dennoch das Gut nach dem Werth nicht einem, sondern allen auf die Summe zur Theilnehmung stehenden Gläubigern zugleich zugeschlagen seyn würde, und diese alsdenn sich darüber unter sich zu vergleichen hätten, Unser Ober-Appellations-Gericht auch dahin schon bereits erkannt hat, daß dieses zu Beschwerung des ersten Gläubigers zum Vortheil andrer Gläubiger keinesweges gereichen möge, so wollen Wir, daß alle Unsre Gerichte diesem nachgehen, und, es möge sich entweder kein Käufer finden, oder es möge der Bot unter den Werth der Sache gehalten werden, zum Nutzen der folgenden Gläubiger keinesweges dem ersten wider seinen Willen die Annehmung des Guts für dessen Wardirung auflegen.

Titel 110 § 6

§ 6. Es ist jedoch auch alsdenn, wenn dem Schuldner zu gute zur Wardirung zu schreiten, darauf zu sehen, ob das gebotene Kaufgeld nicht einst die Hälfte des wardirten Preises betrage, als wie Wir solchergestalt Unsre Gerichts-Ordnungen durch nähere Bestimmung erläutern.

Titel 110 § 7

§ 7. Gegen-Rechnungen können zwar zu Tilgung einer Schuld nicht angezogen werden, wenn sie nicht alsdenn, wenn die Zahlung der Schuld geschehen muß, völlig liquid sind, sondern es muß vorläufig die Zahlung allemal geschehen. Wenn jedoch die Gegen-Rechnungen hierauf liquid geworden sind, so wird es sodann billig so angesehen, als ob die GegenSchuld, sobald sie entstanden, die erste Schuld verringert, und schon von solcher Zeit an selbige aus dem Zinslauf gesetzet habe.

Titel 110 § 8

§ 8. Obgleich eine Tilgung der Schuld durch Gegen-Forderungen eigentlich nur zwischen dem Schuldner und Gläubiger selbst Statt findet, so genehmigen Wir doch die Meinung der Rechts-Lehrer, daß der Mann mit seiner Frauen Brautschatz und der Schuldner auch mit einem ihm von einem Fremden cedirten Capital compensiren möge.

Titel 110 § 9

§ 9. Ob zwar die eine öffentliche Casse mit der Forderung einer andern nicht compensiren kann, so hat jedoch Unser Ober-Appellations-Gericht zu Recht erkannt, daß Unsre Rent-Cammer dasjenige, was aus derselben unmittelbar zu heben ist, mit der Aufforderung einer ihr untergebenen und in dieselbe fließenden Casse wol compensiren möge. Welches Wir denn auch aufs künftige bestätigen.

Titel 110 § 10

§ 10. Eine Compensation tritt wegen der vorhin gehabten Gegen-Forderungen auch alsdenn ein, wenn es mit dieses Schuldners Sachen zum Concurs gekommen ist.

Titel 110 § 11

§ 11. Wer etwas durch Gegen-Forderungen abträgt, kann selbst bestimmen, auf welche Anforderung er es abgetragen wissen wolle, und die Abrechnung muß so geschehn, wie er selbst es bestimmt haben würde, gleichwie es bey einem Gläubiger geschiehet, der aus dem Unterpfande sich selbst bezahlet macht.

Titul CXI. Von Injurien-Klagen.

Titel 111 § 1

§ 1. Was von Injurien-Klagen in den Römischen Rechten verordnet ist, dabey hat es allerdings sein Bewenden.

Titel 111 § 2

§ 2. Wir lassen nun zwar die durch den Gebrauch eingeführte Klagen auf Widerruf, Abbitte und Ehren-Erklärung auch ferner geschehen. Wie Wir aber nichts mehr wünschen müssen, als dergleichen Klagen möglichst einzuschränken, Wir auch nicht finden, warum bey diesen in Ansehung der Erben ein Unterschied gegen die ästimirungs Klagen des Römischen Rechts zu machen sey, so verwerfen Wir durchaus die Meinung derer Rechts-Lehrer, welche die vorbenannten Klagen auch auf die Erben, gleichsam als ob sie zu dem Nachlaß gehörten, fortgehen lassen.

Titel 111 § 3

§ 3. Vielweniger können Wir aber zugeben, daß die gedachten Klagen länger dauern als die Römischen Rechte bey denen ästimatorischen Klagen verstatten.

Titul CXII. Von denen wider ergangene Erkenntnisse Stattnehmigen Rechtsmitteln.

Titel 112 § 1

§ 1. Es ist zwar in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2 tit. 1 § 2 wegen der Appellationen in causis criminalibus, poenam corporis afflictivam inferentibus, Ziel und Maße gesetzet. Wir vernehmen aber, daß der Verstand solcher Stelle nicht außer allem Zweifel befangen sey, und finden also dienlich, einige Erklärungen nach denen von Unserm Ober-Appellations-Gericht bereits geschehenen Auslegungen darüber zu geben.

Titel 112 § 2

§ 2. Gleichwie nun die Ordnung selbst hiebey auf die Reichs-Constitutiones sich beziehet, also wollen Wir, daß hauptsächlich hiebey zum Grunde zu legen sey, wie es bey dem Reichs-Cammer-Gericht von Alters her gehalten worden, als wie solches auch von Unserm Ober-Appellations-Gerichte bislang angenommen ist.

Titel 112 § 3

§ 3. Es sind demnach unter denen Criminal-Sachen, welche die Appellation an unser höchstes Gericht regulariter ausschließen, nur solche Verbrechen zu verstehen, worauf die Gesetze ausdrücklich eine Leibesstrafe geleget haben, nicht aber solche Vergehungen, deren Bestrafung bloßerdings vom Willkür des Richters abhanget, wenn auch schon auf eine Leibes-Strafe wäre erkannt worden. Ist hingegen an Statt der vorgeschriebenen Leibes-Strafe auf eine Geld-Strafe erkannt, so findet die Appellation nicht Statt.

Titel 112 § 4

§ 4. Als nun auch in Sachen, die Leibes-Strafen auf sich tragen, die Cammer-Gerichts-Ordnung der Appellation Platz giebet, wenn der peinlich Angeklagte oder Inquisit sich beschwerte, daß er nicht gehöret worden und der Richter nichtiglich oder auch sonst wider natürliche Vernunft und Billigkeit verfahren, gehandelt und erkannt habe, so ist dahin auch Unsre Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung zu erklären.

Titel 112 § 5

§ 5. Gleichwie aber die Billigkeit in dem Gemeinnützigen bestehet, also ist es nicht als wider die natürliche Billigkeit laufend anzusehen, wenn ein Richter lindernde Ursachen, die im Gesetze nicht gegründet sind, ob schon ein gelinderer Richter anders geurtheilet haben würde, an die Seite setzet, und zu desto besserer Erhaltung des gemeinen Besten bey dem Buchstaben des Gesetzes bleibet, oder auch aus mehrern darin aufgestellten Strafen die strengste wählet.

Titel 112 § 6

§ 6. Es findet auch die Appellation Statt, wenn schon die peinliche Urthel von Uns oder in Unsrer Abwesenheit von Unsrer Landes-Regierung vollzogen worden.

Titel 112 § 7

§ 7. Ob auch wol, so lange kein End-Urthel erfolget, und es nur das Verfahren betrifft, Unser Ober-Appellations-Gericht nicht nach Maßgabe der Ordnung durch Rescripta und Vorschriften mit Zurücksendung der Acten der Sache abhelfliche Maße gegeben hat, so tritt doch ein anderes in dem Falle ein, da es auf die Abänderung eines End-Urthel ankommt, immaßen sodann, wenn nicht die vorige Urthel bestätiget wird, es bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte stehet, die ganze Sache zu behalten.

Titel 112 § 8

§ 8. Von Patrimonial-Gerichten kann, wie zugleich dem Herkommen in Unsren Deutschen Landen gemäß ist, auch in Sachen, die Leibes-Strafe auf sich tragen, allerdings an Unsre Justiz-Canzleyen und in denen Herzogtümern Bremen und Verden an Unser dortiges Hofgericht appellieret werden, und die Collegia helfen entweder durch Rescripta denen Mängeln ab, oder erkennen darin hauptsächlich und endlich.

Titel 112 § 9

§ 9. Wer einem Richter etwas strafbares anmeldet, selbst aber dabey keinen Ankläger abgeben will, sondern es in des Richters Hände stellet, kann gegen die unterlassene Untersuchung oder auch etwan erfolgende Freysprechung des Angeschuldigten, wenn nicht etwa diesem ein Regreß Vorbehalten worden, nicht appelliren, da ihm seine besondre Gnugthuung wider denselben zu suchen nichtsdestoweniger bevor bleibet.

Titel 112 § 10

§ 10. Da auch gezweifelt wird, ob oder in wie weit in Unsern Herzogtümern Bremen und Verden die zu peinlichen Anklägern bestellte Fiscales zum Appelliren zuzulassen seyn, und denn bereits Unsers in Gott ruhenden Herrn Groß-Vaters Maj. mittelst Rescripti vom 27./28. August 1744 zu erkennen gegeben, wie solches in peinlichen und LeibesStrafe auf sich tragenden Sachen am wenigsten einem peinlichen Ankläger zu gestatten sey, gleichwol wie Wir vernehmen, dadurch noch nicht aller Zweifel behoben worden, so setzen und ordnen Wir hiemit, daß in allen peinlichen Sachen, wo es auf eine würkliche Leibes-Strafe ankommt, sofern dem Ankläger selbst durch die Entbindung kein Nachteil zuwächset, und auch so nicht weiter als zu dessen Abwendung, eine Appellation von dem Ankläger zugelassen werden solle.

Titel 112 § 11

§ 11. Wenn es aber nicht, wie vorgedacht, auf Leibes-, sondern Geldoder andere Strafen ankommt, kann sowol der Angeschuldigte oder Angeklagte als auch der Ankläger appelliren. Doch bleiben die bey Unsern Land-Gerichten angesetzte Strafen nach der Verordnung vom 19ten October 1719 davon ausgenommen.

Titel 112 § 12

§ 12. Gleich wie auch bereits unsers Herrn Groß-Vaters Maj. unterm 8ten Juny 1741 dem Ober-Appellations-Gerichte zu erkennen gegeben haben, daß von dem General-Kriegs-Gerichte in allen vor dasselbe gehörige, mithin auch criminal-Sachen, keine Appellation Statt finde, so hat es dabey sein gänzliches Verbleiben.

Titel 112 § 13

§ 13. Da die Ober-Aufsicht der Polizey Unsrer Landes-Regierung anvertrauet ist, zugleich die Natur der Sache nicht gestattet, daß die Vollstreckung der dabey vorfallenden Strafen durch eine Beziehung auf die hohem Gerichte aufgehalten werde, so ist darüber keine Appellation zulässig, sondern wer sich dadurch beschweret zu seyn erachtet, hat allenfalls bey Unsern Landes- und andern Regierungen Abänderung zu suchen.

Titel 112 § 14

§ 14. Ob auch wol sonst durch Unsre Gerichts-Ordnungen eine summa appellabilis festgesetzet ist, woran der Werth der aberkannten Sache reichen muß, so billigen Wir jedoch die von denen Rechts-Lehrern angenommene, auch von Unsern Gerichten bisher beobachtete Meinung, daß auch von der geringsten Geld-Strafe appelliret werden könne.

Titel 112 § 15

§ 15. Bey der Appellations-Summe ist nicht auf die Summe und Größe der eingeklagten Forderung, sondern darauf zu sehen, wie viel dem Appellanten aberkannt worden, und wie hoch er folglich sich beschweret erachten kann. Es kann auch bey Erkennung der Processe nicht in Betracht kommen, wie weit alsdenn die Beschwerde für erheblich angesehen wird, sondern wenn diese auch nur zum Theil erheblich gehalten wird, müssen da, wenn das aberkannte an und für sich zur Summe hinreichet, Appellations-Processe erlassen werden.

Titel 112 § 16

§ 16. Bey mehrem Consorten ist die Appellations-Summe nicht nach eines jeden Antheil, sondern nach dem Ganzen zu rechnen.

Titel 112 § 17

§ 17. Ob schon nach denen gemeinen Rechten sowol als Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung denen halsstarrig ungehorsamen, welche in denen Rechten contumaces heißen, die Hülfe der Appellation versaget wird, so ist doch dieses sowol nach denen gemeinen Rechten als dem Sinn Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung dahin zu erklären, daß ein würklich halsstarriger Ungehorsam vorhanden gewesen und Beklagter auf die Klage sich schon eingelassen und geantwortet habe, nachhero aber nicht weiter handeln wollen. Maßen denn sonst auch nach dem Inhalt Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung bloß und allein wegen halsstarrigen Ungehorsams niemand seiner Sache verlustig gehen soll.

Titel 112 § 18

§ 18. Was die innerhalb zehen Tagen zu verrichtende Einlegung der Appellation anlanget, so ist nicht allein durch die Zellische Canzley-Ordnung nachgelassen, sondern Wir vernehmen auch, daß es bey Unsrer Calenbergischen Justiz-Canzley hergebracht sey, daß selbige mit Vorbeygehung des ersten Richters bey dem Ober-Richter geschehen könne. Ob nun wol, falls die Parthey sich nicht beschweren darf, wenn der Unter-Richter, dem von der Appellation nichts verkündiget ist, in der Sache fortfähret, so finden Wir doch übrigens nicht, warum Wir solches mißbilligen und nicht vielmehr in allen Unsern deutschen Landen genehmigen sollten, als nach den gemeinen Rechten diese Einlegung auch außergerichtlich vor Notarien und Zeugen geschehen kann.

Titel 112 § 19

§ 19. Es ist nun zwar ferner in denen gemeinen Rechten verordnet, daß derjenige, welcher appeliret, auch innerhalb dreißig Tagen den UnterRichter um Verabfolgung der Acten ersuchen oder nach der gewöhnlichen Redens-Art die Acten requiriren müsse. Nachdemmalen aber durch das Interims-Justiz-Reglement die ehedem gewöhnliche Abschreibung der Acten abgeschaffet, und dagegen verordnet worden, daß der Unter-Richter die von ihm ergangenen Acten urkundlich einsenden solle, dabey aber auch ferner in Unsern Gerichten mit gutem Grunde hergebracht ist, daß die Einsendung nicht eher geschehen dürfe, als bis es von dem Ober-Richter erfordert worden, mithin die von der Parthey zu beobachtende Nachsuchung der Acten ganz unnöthig und überflüssig ist, und nur mehrere Kosten verursachet, deren etwanige Verabsäumung aber Vorwürfe von Fehlern an Hand giebet, als wollen Wir diese bloße Formalität hiedurch gänzlich aufheben solchergestalt, daß dieses nie zu einem Mangel gerechnet werden solle.

Titel 112 § 20

§ 20. In Ansehung der Einführung der Appellation bey dem Ober-Richter setzet zwar die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2 tit. 2 § 7, daß selbige in der auf die Interposition folgenden nächsten Diät geschehen solle. Da aber Unser Ober-Appellations-Gericht dieses von jeher für einen Schreibfehler gehalten, welcher daher entstanden, daß bey Unsern Calenbergischen Gerichten sogleich bei Eröffnung einer Urthel Remedia eingewandt zu werden pflegen, mithin bereits durch den Ober-Appellations-Gerichts-Gemeinen Bescheid vom 26ten April 1714 die Erklärung darüber abgegeben worden, daß dieses Fatale jedesmal von der Zeit der Eröffnung des Urthels oder vom Tage der erhaltenen Wissenschaft anzunehmen, so hat es allerdings dabey sein gänzliches Bewenden. Es versteht sich jedoch hiebey von selbst, daß, wenn die Parthey einen Anwald zur Stelle gehabt, auf desselben und nicht auf die später erlangte Wissenschaft der Parthey zu sehen ist.

Titel 112 § 21

§ 21. Wenn auch insonderheit wegen des Laufs der Posten die Nothwendigkeit verursachet hat, daß denen zwey ersten Tagen einer Diät Unsers Ober-Appellations-Gerichts, worin die Einführung der Appellationen nach der Ordnung geschehen soll, noch der dritte von Unserm Ober-Appellations-Gerichte schon vorlängst hinzugefüget worden, so wollen Wir solches hiedurch bestätigen.

Titel 112 § 22

§ 22. Nachdemmalen auch in Ansehung Unsers Herzogthums Grubenhagen vorlängst festgesetzet ist, daß keine Sachen, mithin auch keine Appellationen aus demselben an das Calenbergische Hof-Gericht, sondern allein an Unsre Calenbergische Justiz-Canzley zu bringen seyn, so hat es auch dabey sein Verbleiben.

Titel 112 § 23

§ 23. Sind die in den Gesetzen bey dem Unter-Richter vorgeschriebene Fatalia ganz oder zum Theil versäumet, so soll es nicht auf den UnterRichter, sondern auf den Ober-Richter ankommen, dagegen in den vorigen Stand zu setzen, weil dieses zugleich von der Erheblichkeit der Beschwerde in der Hauptsache abhanget, worüber nicht der Unter-Richter, sondern allein der Ober-Richter erkennen kann.

Titel 112 § 24

§ 24. Wie nun auch bereits in der verbesserten Einrichtung vom 20./31. März 1733 Unserm Ober-Appellations-Gerichte aufgegeben ist, bey Verwerfung der Appellationen in denen abschlägigen Bescheiden allemal die Gründe der Verwerfung anzuführen. Wir auch schon in dem Titul von Urthel und Recht Unsere gnädigste Meinung geäußert haben, welchergestalt Wir bey allen Unsern Gerichten die Erkenntnisse abgefasset wissen wollen, also sollen auch Unsre Justiz-Canzleyen und Hof-Gerichte schuldig seyn, in denen an dieselbe gebrachten Appellationen bey deren Verwerfung die Gründe der Parthey anzuzeigen, damit diese solche aus dem Wege zu räumen im Stande sey.

Titel 112 § 25

§ 25. Da ferner zu Hinwegräumung solcher Gründe es bey Unserm Ober-Appellations-Gericht des Remedii restitutionis in integrum nicht bedarf, sondern es genug ist, wenn die Parthey bey nächstfolgender Diät solches verrichtet, so soll nicht weniger bey Unsern Canzley- und Hof-Gerichten solches denselben binnen einer allda gewöhnlichen Frist ohne Hülfe der Leuterung oder Supplication verstattet werden, und soll das etwan zu dem Ende gebrauchte Rechts-Mittel dafür angesehen werden, noch der Parthey in andern Betracht schädlich seyn.

Titel 112 § 26

§ 26. Wenn gleichwol nach Ablehnung der erst angezeigten VerwerfungsGründe das Gericht der Parthey neue Gründe entgegen setzet, so muß derselben in einer anderweiten gleichen Frist ebenfalls auch diese zu entkräften annodi frey stehn, und müssen, wenn solches geschehen, annoch die Processe erkannt, oder es muß auf andre Art abhelflich Maße gegeben werden.

Titel 112 § 27

§ 27. Da es sehr zu Verkürzung der Rechts-Streitigkeit gereichet, wenn an Statt der gewöhnlichen Appellations-Processe und ohne alsdann die Sache nachher aufs neue zur Relation auszustellen, der beschwerdende Richter durch ein von dem Ober-Richter zu erlassendes Rescriptum und darin dem Unter-Richter zu ertheilende Vorschrift abgeholfen werden kann, Wir auch vernehmen, daß dieses nicht allein bey den höchsten Reichs-Gerichten insonderheit dem Kaiserlichen Reichs-Hofs-Rath gebräuchlich, sondern auch bey Unsern hohem Gerichten bisher nicht außer Acht gelassen worden darunter jedoch nicht gänzlich einerley Meinungen geheget werden, wann dazu zu schreiten stehe, und insonderheit, ob dieser Weg auch bey endlichen Erkenntnissen eintreten möge, so finden Wir nöthig, Uns auch darüber näher zu erklären. Wir setzen demnach voraus, daß entweder der Ober-Richter die ergangenen völligen Acten eingesehen, oder doch der Sache Beschaffenheit demselben von der Parthey klar vor Augen geleget worden. Erstem Falls findet es sodann zuförderst keine Zweifel, daß, wenn es nur auf die Art des Verfahrens ankommt, und in der Haupt-Sache noch kein endlicher oder demselben gleich zu schätzender Spruch erfolget, der Ober-Richter auf solche Weise des Unter-Richters Verfügungen schlechterdings abändern und diesem vorschreiben könne und müsse, wie er zu verfahren und zu verabschieden habe, dessen sich denn der Unter-Richter in keine Wege entlegen soll. Beruhet es aber bloß auf dem Vortrag der Parthey, so ist mit allen Gründen zu rescribiren und dem Unter-Richter entweder befundenen Umständen nach anheim zu geben der Beschwerde von selbst abhelfliche Maße zu verschaffen, oder auch bey einer ertheilten Vorschrift ihm frey zu lassen, bey sich ereignenden Bedenken dagegen mit Einsendung der Acten zu berichten. Kommt es aber auf die Abänderung eines endlichen Erkenntnisses an, so ist dazu durch ein Rescriptum zwar nicht leicht zu schreiten. Wäre gleichwol ein solches Erkenntniß mit einer offenbaren Nichtigkeit behaftet oder auch wider alle Billigkeit erkannt, und die Sache litte entweder keinen Aufschub oder betrüge nicht die Kosten, solche entweder an das Ober-Gericht zu nehmen oder bei dem Unter-Gericht zu nehmen, ein Remedium mit der Acten-Verschickung vorzubehalten, als denn ist der Ober-Richter, wenn entweder die Sache keiner Erläuterung weiter bedarf, oder nach vorher genommener Einsicht der Acten auch durch ein Rescriptum an den Unter-Richter Abänderung vorzuschreiben wol befugt.

Titel 112 § 28

§ 28. Es ist Uns auch unterthänigst angezeiget, daß Unsre Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung P. 2 tit. 1 § 5 sich bey denen daselbst erwähnten Sachen nicht deutlich gnug erkläret, wenn gar keine Appellation Statt finden oder dieselbe nur effectum devolutivum haben solle. Was nun die in der Ordnung zuerst aufgestellte causas momentanei possessorii betrifft, dabey metus armorum etviolentiae vorhanden, so ist darunter nicht allein das sogenannte Summarissimum zu verstehen, wenn jemand bey einem Besitz, welchen er noch würklich hat, in demselben aber bloß gestöhret und beunruhiget worden, geschützet werden will, sondern auch nach denen gemeinen Kaiserlichen Rechten, wenn jemand unrechtmäßiger Weise dessen entsetzet worden und darüber sofort binnen einem Jahr klaget, auch nicht zugleich über das Eigenthum, sondern bloß auf die Herstellung des Besitzers erkannt ist, nicht weniger, wenn aus einem mit keinem sichtbaren Mangel behafteten Testament bey Ermanglung eines rechtmäßigen Widersprechers der eingesetzete Erbe vorerst in den Besitz der erbschaftlichen Sachen gesetzet wird, so daß in allen diesen Fällen die Appellation nur effectum devolutivum und nicht suspensivum hat, es mag auch übrigens dabey metus armorum oder violentiae erscheinen oder nicht.

Titel 112 § 29

§ 29. Gleichergestalt hat die Appellation nur effectum devolutivum, wenn es auf gegenwärtige oder künftige Alimente ankommt. Es ist auch in diesem Fall von dem obsiegenden Theil keine Sicherheitsstellung zu erfordern.

Titel 112 § 30

§ 30. In Sachen, die auf unleugbarer klarer Hand und Siegel oder des Gegentheils ausdrücklicher Bekenntniß beruhen, findet, wenn das Separatum Vorbehalten und zu solchem Ende für des Imploraten Sicherheit gesorget worden, gar keine Appellation Statt, sonst aber nur so weit, als es auf solche Sicherheit ankommt.

Titel 112 § 31

§ 31. In Teich-Sachen und allen Dingen, welche eine schleunige Ausrichtung erfordern, wohin auch die öffentlichen Sachen gehören, ist die Appellation nicht anders zuzulassen, als daß immittelst das ergangene Erkenntniß vollstrecket werde.

Titel 112 § 32

§ 32. Hätte auch jemand der Appellation entsaget, so ist es als ein Compromiß anzusehen, und findet gar keine Appellation Platz.

Titel 112 § 33

§ 33. Als es auch vielmalen sich zuträget, daß ein Pächter oder Miethsmann nach Ablauf der Heuer-Jahre durch Formirung größerer Gegen-Rechnungen den Abtritt des Guts aufzuhalten suchet, so soll, wenn darauf erkannt worden, überall keine Appellation eintreten.

Titel 112 § 34

§ 34. Wegen bloßer Übergehung oder Vergleichung der Kosten findet schon nach denen Kaiserlichen Rechten keine Appellation Statt. Es ist jedoch bey Abfassung folgenden End-Urthels und Erwägung der gegenseitigen Beschwerden allemal mit in Betracht zu nehmen, ob der Gegner in die Kosten zu vertheilen gewesen oder nicht, und stehet dagegen keine res judicata anzuziehen.

Titel 112 § 35

§ 35. über die Moderirung der Prozeß-Kosten kann so wenig von der Parthey als dem Sachwald appelliret werden.

Titel 112 § 36

§ 36. In allen solchen Fällen ist der Unter-Richter, wenn schon appelliret worden, fortzufahren schuldig und befugt, sonst aber bindet die Appellation, sobald sie bey ihm eingeleget worden, demselben die Hand.

Titel 112 § 37

§ 37. Als auch wegen der in Unsern Landen zwar belegenen, aber von auswärtigen Lehns-Herren abhangenden Lehen die Frage vorgefallen, ob von dem Lehn-Gerichte an den Ober-Lehn-Herren oder Unsre Landesherrliche Gerichte appelliret werden müsse, und denn letzteres von jeher so gehalten worden, auch an sich seinen guten Grund hat, da die Lehn-Gerichtbarkeit aus dem Unsrer Landesherrschaft unterworfenen Eigenthum des Lehns entstehet, so hat es dabey allerdings sein ferneres Verbleiben.

Titel 112 § 38

§ 38. Wenn aber hiebey ferner Zweifel obwaltet, ob bey Adelichen Lehnen die Appellation bey Unsern Justiz-Canzleyen und Hofgerichten oder bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte zu verfolgen sey, so treten Wir dieser Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Meinung bey, daß sie zuerst bey vorgedachten Unsern hohem Gerichten ein- und auszuführen sey. Beträfe es auch Bürger- oder Bauern-Lehne, so gehet die Appellation an das Unter-Gericht, welchem das Lehn unterworfen ist.

Titel 112 § 39

§ 39. Hat jemand eines andern Appellation adhaeriret, so kann er seine adhaesion auch alsdenn verfolgen, wenn der andre nachher der Appellation sich begeben oder selbige fallen lassen.

Titel 112 § 40

§ 40. Obgleich nach denen Kaiserlichen gemeinen Rechten der OberRichter, wenn schon der andre Theil wider ein ergangenes Erkenntniß nicht appelliret, von Amts wegen schuldig ist, bey Erwägung der Acten auch in Betracht zu ziehen, worin etwa der Gegentheil beschweret worden, so ist jedoch in Unsrer Ober-Appellations-Gericht-Ordnung nach der gemeinen Meinung der Rechts-Lehrer angenommen worden, daß es in ganz verschiedenen Punkten einer Adhäsion bedürfe. Wir lassen es nun zwar allerdings hiebey, finden jedoch dienlich, solches etwas näher zu bestimmen, und setzen demnach, daß nur dieses für einen ganz verschiedenen Punkt zu halten sey, wenn derselbe ganz und gar in Verbindung mit der Appellations-Beschwerde stehe. Was hingegen mit dieser in gewisser Verbindung stehet oder auch dieselbe Sache, worüber appelliret worden, nur accessores betrifft, insonderheit wenn es zu Abschneidung mehrerer unnützer Weitläufigkeiten gerichtet oder auch das gemeine Beste angehet, kann der Ober-Richter und muß, auch ohne Adhäsion, das vorige Erkenntniß nach Recht und Billigkeit abändern.

Titel 112 § 41

§ 41. Weil die eingewandte Appellation alles in dem Stande hält, wie es bey Abgebung des widrigen Erkenntnisses gewesen, so sehen Wir nicht, wie es bezweifelt werden möge, daß die etwa angeordneten Beweis-Termine nicht eher als von der Zeit anfangen, da die Appellation entweder verworfen oder desert geworden.

Titel 112 § 42

§ 42. Da es auch zu großer Beförderung der Sachen gereichet, wenn nach eingelangten Acten der vorigen Instanz ohne einige weitere Handlung sofort über die Relevanz der Beschwerden endlich erkannt wird, so haben hinfort alle Unsre hohem Gerichte dieses zu beobachten, mithin, bey Annehmung der Appellation zugleich Citationem ad totam causam an den Appellaten ergehen zu lassen, und sollen die sämmtlichen Appellations-Processe binnen der bey einem jeden Gerichte gewöhnlichen Frist bey Strafe der Vernichtung reproduciret werden. Doch stehet einem jeden Theile frey, um Verschiebung der Acten zu bitten, wozu dem Appellaten eine Monats-Frist nach Verkündigung der Processe verstauet wird.

Titel 112 § 43

§ 43. Wenn ein Theil wider ein ergangenes Urthel von denen Unter-Gerichten an die Justiz-Canzley, der andere aber zu gleicher Zeit an das Hof-Gericht appelliret, so kommt es, wenn in beiden Gerichten Processe erkannt oder die Acten zur Einsicht gefordert, darauf an, bey welchem Gerichte es zuerst geschehen, als an welches auch hier auf die andre Appellation zu verweisen ist. Nicht weniger muß dieses geschehen, wenn das eine Gericht der Beschwerde bereits durch ein Rescriptum abgeholfen hätte. Es findet jedoch eine solche Verweisung nicht Statt, wenn an das eine Gericht etwa vorhin über andre Punkte appelliret und die Beschwerden daselbst bereits rechtskräftig abgeschlagen worden, es wäre denn, daß es auf Erklärung oder Befolgung desselben vorigen Erkenntnisses ankäme.

Titel 112 § 44

§ 44. Wenn aber das eine Gericht die Appellation angenommen, das andre aber abgeschlagen hätte, und gegen diesen Abschlag suppliciret werden wollte, so ist zwar die Supplication an dasjenige Gericht, welches die Appellation angenommen, zu verweisen, auch sind zu solchem Ende die Acta der Appellations-Instanz dahin einzusenden. Wie es aber nicht wol thunlich ist, daß eines Unsrer hohem Gerichte die Erkenntnisse des andern beurtheile und abändre, so muß alsdenn die ganze Sache zum Spruch Rechtens verschicket werden.

Titel 112 § 45

§ 45. Wenn ein Theil appelliret, der andre aber leuteriret oder suppliciret, so muß zwar letzterer, so lange der Ober-Richter nicht Processus erkannt hat, seine Rechtfertigung bey dem Judicio a quo gehörig einbringen. Diese ist aber, so lange die Appellations-Instanz noch nicht geendiget ist, ohne Erkenntniß vorerst bloß zu den Acten zu legen und der Ausgang jener Instanz abzuwarten, nach erkannten AppellationsProcessen aber mit dem Ober-Richter einzusenden. Wären aber die Processe noch vor deren Einbringung erkannt, so hat das Gerichte den Supplicanten oder Leuteranten anzuweisen, solche bey dem Ober-Richter einzureichen.

Titel 112 § 46

§ 46. Wir vernehmen gleichwol hiebey, daß es noch ferner nicht außer Zweifel beruhe, ob und in wie weit die Appellation das Erkenntniß über die Leuterung und Supplication nach sich ziehe, wenn die vorige Urthel in Ansehung der Appellations-Beschwerden bestätiget wird oder beyderley Beschwerden keine Verbindung mit einander haben. Wie es zu großem Aufenthalt der Sache und Verzögerung der Gerechtigkeit gereichen würde, wenn nach Endigung der Appellations-Instanz, welche gar oft mehrere Jahre dauert, die Acten an den vorigen Richter zu Entscheidung der Supplication oder Leuterung zurück gesandt würden, da noch überdem alsdenn bey einer Abänderung der Gegentheil vorher zu hören, und auch dieser demnächst annoch appelliren, suppliciren und leuteriren oder andre Rechts-Mittel verfolgen kann, die Erfahrung auch lehret, daß, wenn solches geschehen, die Sachen nach verschiedenen Instanzien und Ablauf nicht weniger Jahre gleichwol an Unser Ober-Appellations-Gericht gediehen und daselbst die endliche Entscheidung erlangen müssen, dabey es auch ein sonst durchgehends angenommener Rechts-Satz ist, daß die Appellation die ganze Sache nach sich ziehe, so wollen Wir gnädigst, daß der Appellations-Richter hinfüro allerdings auch über die Supplications- und Leuterungs-Beschwerden, und zwar Unser Ober-Appellations-Gericht, wie bey denen Appellations-Beschwerden ohne weitere Handlung zugleich erkennen solle.

Titel 112 § 47

§ 47. Wir vernehmen ferner, daß darüber unter den Rechts-Lehrern nicht einerley Meinung geheget wird, ob, wenn über ein Interlocut oder Nebensache an den Ober-Richter appelliret worden, dieser zugleich über die Hauptsache erkennen mögen. Wie Wir nun durchgehends die Beförderung der heilsamen Justiz in denen von Gott Uns anvertrauten Ländern vor Augen haben, also treten Wir derjenigen Meinung bey, welche ohnedem von den meisten Rechts-Lehrern dem Vernehmen nach gebilliget wird, daß nach einmal erkannten Processen der Ober-Richter, es mag das vorige Erkenntniß bestätiget oder abgeändert werden, in der HauptSache fortfahren und nach Beschaffenheit auch darin sofort erkennen mögen.

Titel 112 § 48

§ 48. Sind auch einmal Appellations-Processe erkannt, und es fände sich bey der nachherigen Relation ein Mangel an der Summe, so soll alsdenn gleichwol in der Hauptsache erkannt, und nicht erst eine Supplication oder Leuterung dem Appellanten Vorbehalten werden.

Titel 112 § 49

§ 49. Wenn bey Versagung der Appellations-Processe die Leuterung oder Supplication nebst dem beneficio transmissionis Actorum Vorbehalten worden, so ist es keineswegs anzusehen, daß die Acten nothwendig verschicket werden sollen, sondern es hänget von der Parthey ab, ob sie darum nachsuchen wolle.

Titel 112 § 50

§ 50. Was nun bey der Appellation Statt findet, tritt auch bey der Leuterung und Supplication ein, außer was wegen der letztem in Unsrer Bremischen Hof-Gerichts-Ordnung anders bestimmet ist.

Titel 112 § 51

§ 51. Nachdem auch in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung klar versehen ist, daß, wer einmal der Leuterung oder Supplication sich bedienet und ein beyfälliges abänderliches Urthel erhalten, nachhero, wenn dieses auf des Gegentheils Supplication oder Leuterang wieder abgeändert ist, zur Appellation nicht schreiten möge, so wenig als derjenige, welcher querelam nullitatis oder das beneficium restitutionis in integrum zur Hand genommen, und denn dieses auch dahin zu verstehen ist, daß ein solcher auch nicht nochmals suppliciren und leuteriren könne, so finden Wir gut, diese Erleuterung abzugeben. Und ob schon ferner die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung dabey zugleich vorschreibet, daß solches denen Partheyen eröffnet, und selbige auf die Appellation gerichtlich zu Protocoll Verzicht thun sollen, so können Wir jedoch nicht mißbilligen, daß diese nicht weiter beobachtet wird, da die Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung in aller Händen ist, und einen jeden dessen bereits belehret.

Titel 112 § 52

§ 52. Da auch die Acten-Verschickung bey Unsern Canzleyen und HofGerichten einem jeglichen in solchen Instanzen in alle Wege frey bleibt, so muß zwar derjenige Theil, welcher das Remedium zur Hand nimmt, darum sofort bey dessen Rechtfertigung ansuchen. Als aber in dem Falle, da die vorige Urthel auswärts eingeholet worden, zu vermuthen ist, daß der Gegentheil wiederum die Verschickung erlangen werde, so können Unsre Canzleyen und Hof-Gerichte alsdann nicht sofort zu einer Abänderung schreiten, sondern sie haben, wenn sie die Beschwerden erheblich finden, den Libell Statt Schlusses anzunehmen und dem andern Theil zum Gegenschluß mitzutheilen.

Titel 112 § 53

§ 53. Bey denen wider Unsers Ober-Appellations-Gerichts Erkenntnisse verstatteten Remediis Restitutionis in integrum und Querela nullitatis ist zwar verordnet, daß der suchende Theil sich zugleich zu dem Eide für Bosheit erbieten müsse, und hat es auch dabey sein völliges Verbleiben. Wie aber dem Vernehmen nach noch auf dessen würkliche Ableistung bishero eben nicht gedrungen worden, so wird solches auch künftig dem Gutfinden des Gerichts schlechterdings überlassen.

Titel 112 § 54

§ 54. Wenn jemand wider ein bey Unsern Canzleyen und Hof-Gerichten ergangenes Erkenntniß sich des Remedii restitutionis in integrum bedienen will, soll ihm keineswegs frey stehen, solches unmittelbar bey Unserm Ober-Appellations-Gerichte auszuführen, sondern er muß solches bey dem Gerichte thun, wo in der Sache bisher erkannt worden.

Titel 112 § 55

§ 55. Wenn nun auch darüber sehr gezweifelt wird, ob bey denen Canzleyen und Hof-Gerichten der Gebrauch des Remedii Restitutionis in integrum eine nachherige Nichtigkeits-Klage ausschließe, und dann derjenige, welcher des ersten Rechts-Mittels sich bedienet, das vorige Erkenntniß selbst an und für sich für Rechts beständig gelten läßet, und nur wegen neu aufgefundener Urkunden oder Beweis-Mittel dagegen wieder in vorigen Stand gesetzet zu werden verlanget, Wir auch dieses dem Sinne Unsrer Gerichts-Ordnung und der Gerechtigkeits-Pflege gemäß halten, also soll hinfüro derjenige, welcher das Remedium Restitutionis in integrum zur Hand genommen, zu einer Nichtigkeits-Klage keineswegs zugelassen werden. Dagegen weil das erste Rechts-Mittel nur alsdann Statt hat, wenn vorhin nicht bekannt gewesene Nova in Erfahrung gebracht sind, selbige durch die Nichtigkeits-Klage nicht ausgeschlossen wird.

Titel 112 § 56

§ 56. Wir haben weiter vernommen, daß in Ansehung der NichtigkeitsKlage die Calenbergische Hof-Gerichts-Ordnung Tit. 68 nicht immer gleich erkläret worden. Nun ergiebet der Eingang dieses Tituls klar, daß bey denen nicht rechtmäßiger Weise abgesprochenen Urtheilen es allerdings bey der allgemeinen Rechts-Verordnung bleiben solle, daß diese keine Kraft Rechtens erreichen, dahero auch in solchen Fällen keine besondere fernere Verordnung nöthig erachtet worden, und daß hingegen in andern Fällen den gemeinen Rechten nach, ob schon nicht legitime procediret noch geurtheilet, die ergangenen Urtheile, wenn davon nicht appelliret, nichts destoweniger Kraft Rechtens erlangen. Wenn demnach weiter daselbst verordnet worden, daß außer der ersten Art Fälle, worin es bey den gemeinen Rechten bleiben soll, sonsten nun hinfüro der Weg, super nullitate principaliter zu klagen, gänzlich abgeschaffet, und die Partheyen ihre verhoffte Gravamina tarn nullitatis quam iniquitatis per modum appellationis vel supplicationis, et sic nullitatem incidentur allein zu deduciren, und auszuführen, angewiesen und gehalten seyn sollen, so kann dieses keineswegs anders verstanden werden, als daß bey solchen Klagen nur der Mißbrauch abgestellet, nicht aber auch alsdenn, wenn das Erkenntniß überall zu Recht nicht bestehen kann, principaliter über dessen Nichtigkeit zu klagen verwehret seyn solle.

Titel 112 § 57

§ 57. Da auch in Unsrer Calenbergischen Hof-Gerichts-Ordnung weder das Remedium restitutionis in integrum noch die Querela nullitatis in einen gewissen Zeitraum eingeschränket worden, so wollen Wir hiedurch bestimmen, daß, wie nach der Calenbergischen Canzley-Ordnung solche binnen 6 Wochen ausgeführet werden müssen, also bey dem Hofgerichte die Rechtfertigung in der nächsten Diät, wenn ein anders bis dahin vier volle Wochen übrig, einzubringen sey, wie denn auch in Unsrer Ober-Appellations-Gerichts-Ordnung auf ähnliche Weise versehen ist.

Titel 112 § 58

§ 58. Das denen Nichtigkeits-Klagen vorgeschriebene begränzte Fatale leidet jedoch alsdenn eine Abfall, wenn die Ursache, woraus eine Nichtigkeit herzuleiten, als erst nach dessen Ablauf in Erfahrung gebracht worden, als welchen Falls das Fatale erst von Zeit solcher erhaltenen Wissenschaft an läuft.

Titel 112 § 59

§ 59. Da bey denen Nichtigkeiten die Gesetze einen Unterschied machen, ob gegen die Rechte selbst, oder nur gegen das Recht der Parthey erkannt worden, und nur im erstem, nicht aber im letztem Fall eine Nichtigkeit annehmen, hiebey aber die Frage entstehet, ob dazu erforderlich, daß in der Urthel selbst ein offenbar falscher Rechts-Satz namentlich ausgedrucket sey, oder ob es genug sey, wenn nur sonst aus der Urthel offenbar erscheine, daß ein falscher, wider klare Rechte laufender Satz angenommen worden, so erklären Wir Uns dahin, daß auch letzteres für hinreichend zu halten sey.

Titel 112 § 60

§ 60. Wenn hingegen nicht gegen klare und gar nicht zu bezweifelnde Rechte erkannt wird, mithin das Erkenntniß auf eine ob schon von andern irrig gehaltene Auslegung und Anwendung sich gründet, so ist solches für kein Erkenntniß wider die Rechte anzusehen, mithin für nichtig nicht zu halten.

Titel 112 § 61

§ 61. Als auch ferner der in Streit befangene Gegenstand zu des Rechtes Entscheidung stehet, so bleibt es allerdings eine Nichtigkeit, wenn der Richter über die eigentliche und wahre Absicht der Parthey hinaus gehen und entweder den Gegenstand des Streits verändert oder dem Kläger mehr, als er selbst verlanget und ihm nach Billigkeit werden kann, zuerkennet, weniger nicht den Beklagten von demjenigen entbindet, was er selbst dem Kläger eingeräumet und ausdrücklich zugestanden hat. Wenn aber sonst der Richter der Partheyen Absicht und der Billigkeit gemäß erkennet, ist es für eine Nichtigkeit nicht zu achten.

Titel 112 § 62

§ 62. Wenn nicht bloß über den Vorgang einer oder andrer Gläubiger, sondern zugleich gegen den Pfleger der Güter appeliret wird, oder doch diesen die Sache mit angehet, so muß es zu Verhütung der vielen Weitläufigkeiten und Kosten genug seyn, wenn die erkannte Ladung bloß dem Pfleger insinuiret wird, dieser aber ist schuldig, und es ist ihm zugleich in der Ladung bey namhafter Strafe aufzugeben, daß er selbige denen mitappellatischen Gläubigern bekannt mache. Wohin denn auch die nachhero erfolgende Urthel abzufassen, und der Pfleger bey namhafter Strafe anzuweisen ist, auch deren Inhalte denen Mitappellanten kund zu machen. Jedoch verstehet es sich, daß die von dem Pfleger zu verwendende Kosten diesen Gläubigern allein und nicht der Concurs-Masse zur Last fallen.

Titul CXIII. Von Mäkler Lohn.

Titel 113 § 1

§ 1. Wenn etwas gewisses zum Mäkler-Lohn versprochen worden, so hat es keinen Zweifel, daß solches mit Recht gefordert werde.

Titel 113 § 2

§ 2. Wenn hingegen nichts ausdrücklich oder nichts gewisses versprochen ist, so können die Rechte keine andre Auslegung leiden, als daß nur derjenige Mäkler Geld fordern könne, welcher seiner Profession nach ein Mäkler ist und die ihm aufgetragene Unterhandlung für Geld auszurichten gewohnt ist. Da denn in solchem Fall dasselbe nach der Gewohnheit des Orts zu bestimmen ist.

Titul CXIV. Von Gelübden und Antragungen.

Titel 114 § 1

§ 1. Was die Gelübde gegen Gott betrifft, so überlassen Wir deren Betrachtung eines jeden eigenem Gewissen.

Titel 114 § 2

§ 2. Wie aber denen Kaiserlichen Rechten auch eine Pollicitation oder Anbietung, wenn sie dem gemeinen Wesen oder einer Stadt geschah, eine Verbindlichkeit nach sich zog, so finden Wir solches auch gegen Kirchen und fromme Stiftungen gerecht und billig.

Titel 114 § 3

§ 3. Es ist aber einer solchen Pollicitation ein bloßes Vorhaben nicht hinlänglich, sondern es muß zugleich ein wirklicher Antrag geschehen seyn, wenn darab eine Verbindlichkeit entspringen soll.

Titul CXV. Vom Diebstahl.

Titel 115 § 1

§ 1. Es ist zwar in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Kaiser Carl des Fünften wegen der Diebstähle, zumal in Betracht damaliger Zeiten, sehr heilsame Verordnung verfüget, welche auch in Unsern Deutschen Landen, wie es bisher geschehen, so weit Wir nicht ein anderes genauer bestimmen oder mildern werden, zum Grunde ferner zu legen ist, Wir finden jedoch überall gnädigst gut, Uns darüber näher zu erklären.

Titel 115 § 2

§ 2. Was die ersten Diebstähle unter fünf Gulden oder Ungarische Ducaten anlanget, welche Wir jedoch nach jetzigen Zeiten auf zehen Ducaten setzen wollen, wobey zugleich der Dieb nicht betreten worden, noch selbiger dazu eingestiegen ist oder gebrochen hat, so muß es hierunter, da Wir eine Schärfung der Gesetze hiebei nicht nöthig finden, bey dem Buchstaben der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung bleiben, daß, wenn es anders der Dieb vermag, dem Beschädigten eine zwiefache Vergeltung oder Geld-Buße zukomme. Wobey sich jedoch von selbst verstehet, daß dem Eigenthümer auch die daneben in denen gemeinen Rechten überher vergönnte Erstattung des Werthes bevor bleibe. Kann aber der Dieb nicht bezahlen, so soll derselbe, so viel thunlich, von den Obrigkeiten, welche die bürgerlichen Gerichte haben, als wohin der Fall allemal gehöret, angehalten werden, zum Besten des Beschädigten durch Arbeit so viel abzuverdienen. Gestalten auch dem Beschädigten selbst, wenn er es verlanget, freystehet, den Dieb als einen Knecht an sich zu nehmen und aus dessen Arbeit seine Entschädigung zu suchen. Stehet gleichwol dieser hauptsächlichste Endzweck, Entschädigung ganz und gar zu erreichen, so muß zwar die Kerker-Strafe eintreten und der Dieb dasjenige, was er nicht bezahlen kann, absitzen, es wäre denn, daß der Beschädigte in diesem Fall ihm solches erlassen wollte. Wobey jedoch der Obrigkeit die Strafe immer bevor bleibet.

Titel 115 § 3

§ 3. In Ansehung der ersten öffentlichen Diebstähle unter fünf Gulden, oder nach Unsrer Bestimmung zehen Ducaten, wenn nämlich der Dieb damit, ehe und bevor er an seine Gewahrsam kommt, betreten wird, oder es ein Geschrey oder Nachtheil machte, ohne jedoch, daß er zum Diebstahl gebrochen oder gestiegen wäre, ist zwar in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung versehen, daß ein Dieb in den Pranger gestehet, mit Ruthen ausgehauen, und des Landes verboten werde, vor allen Dingen aber dem Beschädigten den Werth des Diebstahls erstatten solle. Wobey jedoch auch die in den Kaiserlichen Rechten vorgeschriebene vierfache Vergeltung nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Da Wir vernehmen, daß der Unterschied unter denen öffentlichen und heimlichen Diebstählen auch fast in allen alten Rechten gegründet sey, so mögen Wir denselben um so weniger an die Seite setzen lassen, als der bey einem öffentlichen Diebstahl zugleich entstehende oder doch zu besorgende Auflauf noch überdem vieles dem gemeinen Wesen schädliches nach sich ziehen kann, und die That einen dreisten und ungescheuten Dieb anzeiget, überdem auch nach denen ältesten Gesetzen der Völker ein auf der That begriffener Dieb gepeitschet und dem Bestohlenen zum leibeigenen Knecht übergeben worden. Ob also schon von Unsern Gerichten solchem Unterschiede bisher nicht nachgegangen seyn mag, so halten Wir es doch bedenklich diesem Reichs-Gesetze seine Würkung abzusprechen. Gleichwie indessen in Unsern Deutschen Landen der Staupenschlag am Pranger und die Landes-Verweisung von Unsres Herrn Elter-VatersMaj. abgeschaffet, und an deren Statt die Vertheilung zur öffentlichen Arbeit, als FestungsBau oder Zuchthaus, gesetzet worden, so wollen Wir, daß auch bey einem solchen betretenen kleinen Diebstahl, wenn er schon der erste ist, der Dieb auf fünf Jahre zum Festungs-bau oder Zuchthaus vertheilet werde. Was gleichwol die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung hiebey von solchen ansehnlichen Personen redet, dabey Besserung zu verhoffen, daß nämlich dieselben bürgerlich und also bestrafet werden sollen, daß sie dem Beschädigten den Diebstahl vierfach bezahlen sollen, solches wollen Wir hiedurch nicht abändern, sondern lassen es bey demjenigen, was hierin die gemeinen Kaiserlichen Rechte bereits verordnen.

Titel 115 § 4

§ 4. Ist der erste Diebstahl groß, und fünf, oder vielmehr nach Unsrer Bestimmung zehen Ungarische Ducaten oder darüber werth, so setzet die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung eine höhere Strafe, und will sowol den Werth des Diebstahls, auch ob der Dieb darob berüchtiget oder betreten sey, als auch ferner den Stand und das Wesen der Person, so gestohlen hat, und wie schädlich dem Beschädigten der Diebstahl seyn möge, angesehn wissen, so daß darnach an Leib oder Leben zu urtheilen sey. Wie hierin mehrere Sätze begriffen sind, also finden Wir nöthig, Uns hierunter bestimmter zu erklären

Titel 115 § 5

§ 5. Wir wollen zuförderst nicht, daß bloß um eines großen Diebstahls wegen, wenn auch die Summe noch so hoch sich erstreckte, eine Todesstrafe Statt finde.

Titel 115 § 6

§ 6. Es soll auch die Todes-Strafe nicht eintreten, wenn gleich der Dieb bey einem großen Diebstahl darob berüchtiget oder betreten wäre.

Titel 115 § 7

§ 7. Da Wir gleichwol in einem geringen Diebstahl unter zehen Ducaten, wenn der Dieb darauf betreten worden, eine Verdammung zu öffentlichen Werken auf fünf Jahre verordnet haben, so halten Wir es gerecht und billig, solche bey diesem großem Diebstahl, wenn der Dieb dabey betreten worden, auf zehen Jahre zu erhöhen. Ist es aber ein heimlicher Diebstahl, so ist auf fünf Jahre zu öffentlicher Arbeit zu erkennen.

Titel 115 § 8

§ 8. Es soll auch hiebey der Stand und das Wesen der Person, so gestohlen hat, weiter nicht in Betracht gezogen werden, als wenn sie das Gestohlene aus eignen Mitteln bey einem heimlichen Diebstahl doppelt, sonst aber vierfach ersetzen könnte und wollte. Und gleichwol soll alsdenn eine willkürliche Geld-Strafe Statt finden.

Titel 115 § 9

§ 9. Da es auch unter denen Rechts-Lehrern sehr bestritten wird, wie die Worte „wie schädlich dem Beschädigten der Diebstahl seyn mag“, zu verstehen seyn, so wollen Wir auch hier zuförderst alle Erlassungen von dem Beschädigten ausschließen. Es soll auch in keinen Betracht gezogen werden, ob der Beschädigte ganz oder zum Theil zu dem entwandten oder dessen Werth auf ein oder andre Weise wieder gekommen sey oder nicht. Diesemnächst aber ist schlechterdings auf den dem Beschädigten entstandenen Nachtheil zu sehen, und wie solcher zu schätzen sey, keinesweges aber, was für Vortheil der Dieb selbst von der entwandten Sache gehabt.

Titel 115 § 10

§ 10. In Ansehung des zweyten, außerhalb Einsteigens oder Einbrechens begangenen Diebstahls ist in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung versehen, daß ein Diebstahl den andern beschwere, wenn schon beide Diebstähle nicht fünf Gulden oder darüber werth seyn. Es möge dahero derselbige Dieb in den Pranger gestehet und ihm das Land verboten werden. Da aber die Pranger-Strafe in Unsern Landen abgeschaffet ist, so wollen Wir dafür eine fünfjährige öffentliche Arbeit setzen, und soll hiebey nach Inhalt der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung darauf, ob der Dieb darob betreten sey, nicht gesehen, vielweniger einige Erstattung oder Erlassung in Betracht gezogen werden. Gestalten es denn auch gar nicht darauf ankommen soll, ob der Dieb desfalls das erste mal bestrafet worden sey oder nicht.

Titel 115 § 11

§ 11. Wenn aber gleichwol beide Diebstähle zehen Ducaten oder darüber betragen, so tritt gleiche Strafe auf zehenjährige öffentliche Arbeit ein, wie vorhin bey einem großen Diebstahl verordnet worden, es mag der Dieb dabey betreten seyn oder nicht, es mag auch eine Genugthuung oder deren Erlassung geschehen oder nicht geschehen seyn. Und es kann auch hier auf eine vorher geschehene oder nicht geschehene Bestrafung nicht gesehen werden.

Titel 115 § 12

§ 12. Was aber hierauf einen zum dritten Mal ausgeübten Diebstahl anlanget, welchen Dieb, wenn er dabey betreten worden, die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung für einen verläumdeten Dieb ansiehet und einem Vergewaltiger gleichgeachtet wissen und durchaus am Leben bestrafet haben will, so nehmen Wir zuförderst selbst aus den Worten der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung die Mäßigung an, daß derjenige, welcher für einen verläumdeten Dieb und für einen Vergewaltiger zu achten, bey dem dritten Diebstahl auf der That müsse betreten worden seyn.

Titel 115 § 13

§ 13. Ob nun aber wol ein solcher betretener Dieb, wenn er dreyer Diebstähle schuldig befunden wird, nach der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung mit dem Strange oder sonst vom Leben zum Tode gebracht werden soll, so haben Wir jedoch gnädigst erwogen, daß die Absicht des Gesetzes nur diese ist, das gemeine Wesen gegen einen solchen in der Bosheit bereits verhärteten in Sicherheit zu setzen, und selbige schon dadurch erreichet werde, wenn ein solcher Bösewicht in sichrer Verwahrung aufbehalten wird, wozu es ehemals an hinlänglichen Orten fast ermangelt hat. Wir verordnen demnach, daß hinfüro ein solcher Dieb Statt der Lebens-Strafe zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus verurtheilt werden soll.

Titel 115 § 14

§ 14. Ist aber der Dieb bey dem dritten Diebstahl schon nicht würklich betreten, so soll er gleichwol mit Festungs-Bau oder Zuchthaus-Strafe auf zehen Jahre beleget werden.

Titel 115 § 15

§ 15. Es ist hiebey vordem der Zweifel vorgefallen, ob auch eine vorhergehende Bestrafung bey der in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung gesetzten Todes-Strafe erfordert werde. Welche Meinung auch von Unsres Herrn Elter Vaters Maj. bejahend gebilliget ist. Da Wir aber die Todes-Strafe in eine Leibes-Strafe verwandeln, so kann es auf diese Betrachtung, wovon ohnedem in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung selbst nichts enthalten ist, weiter nicht ankommen.

Titel 115 § 16

§ 16. Derjenige Zweifel, welchen einige Rechts-Gelehrten erreget haben, ob die Strafe der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung auch eintrete, wenn die begangenen drey Diebstähle nicht die Summe von einem großen Diebstahl ausmachen, und welchen zwar Unseres Herrn Groß-Vaters Maj. mittelst Rescripti vom lten November 1743 bejahend entschieden haben, muß nunmehr, da Wir bey solchem Diebstahl überall keine Todes-Strafe weiter eintreten lassen, um so mehr gänzlich hinweg fallen. Am wenigsten kann aber auf eine Wiedererstattung oder gar Erlassung des Gestohlenen gesehen werden.

Titel 115 § 17

§ 17. So viel nun hierauf diejenigen Diebstähle anlanget, welche die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung Art. 159 geflissene und gefährliche nennet, und welche darin bestehen, daß ein Dieb jemanden bey Tage oder Nacht in seine Behausung oder Behaltung bricht oder steiget, oder mit Waffen, damit er jemand, der ihm Widerstand thun wollte, verletzen mögte, zum Stehlen eingehet, so ist darauf in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung zwar die Lebens-Strafe, jedoch zugleich, nach Gelegenheit der That und Ermessung des Richters, eine schwere Leibes-Strafe vorgeschrieben. Wir erkennen es sehr wol, wie viel dem gemeinen Besten daran gelegen sey, einem jeden in seinem Hause gegen alle Gewalt Sicherheit zu verschaffen. Da jedoch schon die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung zugleich wegen einer Leibes-Strafe das Ermessen des Richters eintreten lasset, so können Wir hinfüro in diesen Fällen nicht so schlechterdings die Todes-Strafe annehmen, sondern finden Uns genöthiget, Uns demnächst in dem Folgenden näher darüber zu erklären.

Titel 115 § 18

§ 18. Wir setzen demnach, daß, wenn das Einbrechen oder Einsteigen in ein würklich von Menschen bewohnetes Gebäude geschiehet, und entweder ihrer mehrere, welche sich zu dem Ende verbunden, solches zu verrichten, oder auch der Dieb Waffen führet, womit er jemanden zu verletzen im Stande ist, die Strafe des Stranges schlechterdings eintrete.

Titel 115 § 19

§ 19. Es soll auch in solchen Fällen kein Unterschied gemachet werden, ob der Einbruch durch eine Mauer, oder etwa durch ein leimerne Wand geschehen, ob das Einsteigen in das obere oder untere Stockwerk verrichtet worden sey.

Titel 115 § 20

§ 20. Wenn aber bey dem Einbrechen oder Einsteigen solche gefährliche Umstände nicht vorhanden sind, oder auch Einbrechen oder Einsteigen in ein unbewohntes Gebäude geschiehet, so soll der Dieb mit ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus bestrafet werden.

Titel 115 § 21

§ 21. Wäre jedoch der Dieb ohne Gewalt in das Haus oder Gebäude gekommen, so ist letztere Strafe auf zehen Jahre zu vermindern.

Titel 115 § 22

§ 22. Dagegen können Wir nicht billigen, wenn einige Rechts-Lehrer die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung auch auf Erbrechung andrer Behältnisse, als Gebäude sind, deuten wollen.

Titel 115 § 23

§ 23. In Ansehung des Haus-Diebstahls ist von weiland Unsres Herren Elter-Vaters Maj. verordnet, daß, wenn solcher fünf Species-Thaler betreffe, der Thäter mit dem Strange bestrafet werden solle. Da aber die Erfahrung bisher gelehret hat, wie diese Strenge nur dazu gedienet, daß die Herrschaften von Anmeldung solcher Diebstähle abgehalten worden, mithin die Diebstähle ganz unbestrafet geblieben, also finden Wir Uns gemüßiget, auch hier eine Milderung eintreten zu lassen. Wir wollen demnach, daß hinkünftig der Haus-Diebstahl, wenn er fünf Species-Thaler betrifft, nicht mit dem Leben, sondern mit ewigem Karrenschieben oder Zucht- und Werkhaus bestrafet werde. Wovon jedoch das bloße Alter unter achtzehn Jahren nicht befreyen kann.

Titel 115 § 24

§ 24. Es soll auch darunter, wie die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung bey einem großen Diebstahl erfordert, nicht darauf, was der Dieb für Vortheil davon gehabt, sondern darauf gesehen werden, wie schädlich den Beschädigten der Diebstahl sey. Wobey es denn auch in allen Stücken bey der desfalls vorhin gegebenen Erklärung bleibet, daß auf eine Erstattung oder Erlassung gar nicht zu sehen ist.

Titel 115 § 25

§ 25. Wäre aber der Haus-Diebstahl unter dem Werth von fünf Species-Thalern, so soll eine öffentliche Arbeit und Festungs-Bau oder Zuchthaus auf zehen Jahre eintreten.

Titel 115 § 26

§ 26. Alles dieses findet auch bey Eß-Waaren Statt, wenn solche schnöden Gewinstes halber verkaufet worden. Sonst aber, wenn sie um Leckerey willen entwandt worden, halten Wir es genug und der Sache gemäß, daß der Dienstbote, wenn die Herrschaft es verlanget, auf einige Wochen mit Gefängniß, und zwar halb bey Wasser und Brod, beleget werde.

Titel 115 § 27

§ 27. Wie auch bereits weiland Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. die Handwerks-Gesellen, wenn selbige sich dergleichen zu Schulden kommen lassen, unter denen Hausdieben mit begriffen haben, also hat es dabey allerdings sein Verbleiben.

Titel 115 § 28

§ 28. Es ist auch, wie gleichfalls Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. bereits die Erklärung dahin abgegeben haben, für einen Hausdiebstahl zu halten, wenn der in Lohn und Kost stehende Bediente andern, auch Fremden, mit Rath und That an die Hand gehet, mithin zu Bestehlung der Herrschaft behülflich ist, oder auch, was er vor oder nachher desfalls erfahren, verhehlet, und der Herrschaft nicht hinterbringet.

Titel 115 § 29

§ 29. Von jungen Dieben unter vierzehen Jahren hat die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung Art. 164 versehen, daß sie nicht leicht am Leben, jedoch mit Leibes-Strafe beleget werden sollen. Ob nun wol die RechtsLehrer dieses, wie Wir vernehmen, dahin mildern wollen, daß, wofern nicht andre beschwerliche Umstände hinzutreten, solche junge Diebe nur mit Peitschen von dem Gerichts-Diener gezüchtiget werden sollen, so mögen Wir jedoch in Ansehung der Leibes-Strafen von dem Inhalt der Peinlichen Ordnung so schlechterdings nicht abgehen. Wir wollen demnach, daß ein Unterschied gemacht werde, ob der Thäter bereits eilftehalb Jahr überschritten habe, oder nicht. Letzteren Falls ist es genug, daß er gepeitschet wird. Wenn aber der Thäter oder die Thäterin bereits eilftehalb Jahre würklich zurückgeleget, sollen sie allerdings am Leibe gestrafet und zum Zuchthaus vertheilet werden. Doch ist eine sonst verordnete ewige Werkhaus-Strafe auf zehen Jahre, die zehenjährige auf fünf Jahre, und die fünfjährige auf drey Jahre zu setzen.

Titel 115 § 30

§ 30. Ob gleich einige Rechts-Lehrer dasjenige, was in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Art. 166 von einer aus rechter Hungers-Noth herrührender Entwendung von essenden Dingen enthalten ist, auch auf andre Dinge erweitern wollen, wofür Essel-Waaren angeschaffet werden können, so wollen Wir jedoch es bey den Worten der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung schlechterdings bewenden lassen, da die Sache selbst den darunter obwaltenden großen Unterschied lehret.

Titel 115 § 31

§ 31. Es soll jedoch auch in wahrer Hungers-Noth an denen Orten, wo Armen-Cassen und andre zu Unterhaltung der Armen gereichende Mittel vothanden sind, und wenn nicht ohne Schuld des Thäters der äußerste Noth-Fall eintritt, die Entwendung von bloßen Essel-Waaren nicht von aller Strafe befreyen, sondern auch hier zu einer Bestrafung mit Gefängniß geschritten werden.

Titel 115 § 32

§ 32. Wegen Bestrafung der Feld- und Garten-Diebereyen sind bereits von Unsers in Gott ruhenden Herrn Groß- und Elter-Vaters Majestät heilsame Verordnungen ergangen, welche Wir auch durchaus bestätigen. Nach der Absicht dieser Verordnungen kann es nicht darauf ankommen, ob der Dieb dabey betreten worden oder nicht, indem darunter die öffentliche Sicherheit obwaltet, ohnehin auch dergleichen gemeiniglich nur des Nachts geschiehet, und dahero auch schon die Peinliche Hals-GerichtsOrdnung solche nächtliche Diebstähle unter die gefährlichen gerechnet hat. Da aber die darüber erlassene Verordnung nicht bestimmet, auf wieviele Jahre die Vertheilung zu öffentlicher Arbeit geschehen solle, so wollen Wir selbige hiemit, wenn der Diebstahl bey Nachtschlafender Zeit geschehen, welches jedoch immer vermuthet werden muß, ohne Absicht auf den Werth des gestohlenen auf fünf Jahre setzen. Was aber würklich bey Tage geschehen, soll mit Gefängniß bestrafet werden. Wenn gleichwol der Diebstahl über den Werth von zehen Ungarischen Ducaten sich erstrecket, soll die Strafe bey den nächtlichen auf zehen Jahre und bey denen bey Tage vorgefallenen auf fünf Jahre öffentlicher Arbeit gesetzet werden.

Titel 115 § 33

§ 33. Gleichwie nun auch bereits die Verordnung vom 17ten April 1736 den Sinn der zuerst am 27. Juli 1715 ergangenen deutlich dahin erkläret hat, daß unter Feld- und Gärten-Diebstählen alles, was auf freyem Felde oder in Gärten gestohlen wird, mit hin auch, wenn Hecken und Zäune davon entwandt sind, begriffen sey, dieses auch ferner durch ein von Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. an Unsre Calenbergische Justiz-Canzley am 23ten Aug. 1740 erlassenes Rescriptum dahin erläutert worden, daß alles dasjenige, was öffentlich in Feldern und Gärten hingestellet und hingeleget sey, darunter zu verstehen sey, so lassen Wir es auch hiebey schlechterdings bewenden, und folget hierab von selbst, daß auch das von denen Bleichen gestohlene darnach zu beurtheilen sey.

Titel 115 § 34

§ 34. Wir haben Uns ferner vortragen lassen, was in Unsern Landes-Gesetzen wegen der Wild-Diebereyen bisher verordnet worden ist. Eines Theils haben Wir die daraus entstandene und ferner zu besorgende Folgen, andern Theils auch dieses erwogen, daß die gemeinen Rechte, weil die wilden Thiere, so lange sie nicht gefangen sind, noch niemanden eigentlich gehören, es für keinen Diebstahl halten, und selbst die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung dieses unter denen Diebstählen nicht erwähne, mithin das Strafbare bloß darin beruhe, daß jemand sich unterstehe, zu solchem Ende in Unsre Königliche Bann-Forste einzutreten. Wir lassen Uns demnach gnädigst gefallen, daß die vorhin gesetzte LeibesStrafe gänzlich aufgehoben werde. Um gleichwol auch dem Frevel vorzubeugen, so soll ein solcher, welcher in Unsern Forsten Wild geschossen oder auch nur in solcher Absicht hineinzugehen sich unterstanden hat, mit Geld-Strafe, und zwar jedesmal mit acht Reichsthalern oder einer darnach eingerichteten Gefängnis-Strafe beleget werden.

Titel 115 § 35

§ 35. Holz-Diebstähle sind Inhalts Peinlicher Hals-Gerichts-Ordnung nach Gewohnheit jeden Landes oder Ortes zu bestrafen. Wobey Wir es denn auch in Unsern Deutschen Landen bewenden lassen. Sind jedoch dabey beschwerliche Umstände vorhanden, so mag die Strafe wol erhöhet werden. Wer aber einem andern dessen bereits gehauenes Holz hinweg fähret, ist gleich andern Dieben zu bestrafen. Wenn auch jemand, der in einem Holze gar nicht interessiret ist, sich deswegen zu Schulden kommen ließe, so ist er nicht weniger als ein andrer Dieb zu bestrafen.

Titel 115 § 36

§ 36. Wenn jemand aus eines andern Weihern oder Teichen Fische entwendet, so ist derselbe solcher gestalt anzusehen, wie vorhin von denen Feld- und Garten-Diebstählen verordnet worden. Wer aber aus einem fließenden unbefangenen Wasser, das einem andern zugehöret, mit Nutzen oder nächtlicher Weile Fische fänget, ist mit Erstattung des doppelten Werthes oder Gefängniß zu bestrafen.

Titel 115 § 37

§ 37. Was den Pferde-Diebstahl betrifft, so ist darauf in den bisherigen Landes-Verordnungen die Strafe des Stranges gesetzt. Wie Wir aber, so viel Wir es nur vor dem Allerhöchsten verantworten zu können, glauben, die Lebens-Strafen abzuschaffen, gnädigst gemeinet sind, so wollen Wir auch an deren Statt eine Vertheilung zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus eintreten lassen.

Titel 115 § 38

§ 38. Wir schränken gleichwol die Verordnungen auch dahin ein, wenn Pferde bey Nachtzeit, da sie Hirtenlos gehen, von der gemeinen Weide gestohlen worden. Ist es bey Tage geschehen, so ist die Strafe auf zehenjährige öffentliche Arbeit zu mildern.

Titel 115 § 39

§ 39. Sind aber die Pferde aus Ställen, und nicht von gemeiner Weide, entwandt, so ist es wie andre Diebstähle zu bestrafen.

Titel 115 § 40

§ 40. Ungeachtet Wir auch äußerst verabscheuen, wenn jemand in FeuersGefahr etwas entwendet, oder das bey ihm niedergelegte verleugnet, so wollen Wir jedoch auch hier die durch Unsre bisherigen Landes-Gesetze verordnete Todes-Strafe in eine Vertheilung zu ewiger öffentlicher Arbeit verwandeln. Sonst aber ist derjenige, welcher bey ihm niedergelegtes Gut veruntreuet, wie ein andrer Dieb zu bestrafen.

Titel 115 § 41

§ 41. Wenn jemand Sachen stielet, die zum Gottesdienstlichen Gebrauch gewidmet sind, so ist er, wenn die Entwendung aus der Kirche oder Sakristey geschehen, mit ewiger öffentlicher Arbeit, wenn es aber von andern Orten entwandt worden, ohne alle Milderung, nachdem der Werth des gestohlnen entweder unter zehen Ducaten beträgt, auf fünf Jahre, bey einem hohem Werth aber auf zehen Jahre zu belegen. Wäre aber ein solcher Diebstahl zum zweyten mal geschehen, so ist die Verurteilung auf zehen Jahre, bey gebrauchter Gewalt aber zum dritten mal auf Zeitlebens zu fassen.

Titel 115 § 42

§ 42. Da inmittelst die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung, wenn solcher Diebstahl an geringen Dingen und bey Tage geschehen, auch mit keiner Gewalt begleitet gewesen, wie auch geflüchtete Güter aus einer Kirche gestohlen wären, dieselbige Strafe wie bey einem weltlichen Diebstahl verordnet, so hat es dabey sein Verbleiben.

Titel 115 § 43

§ 43. Diejenigen, welche wissentlich Diebe aufnehmen und beherbergen, sind, wenn sie einen Theil des entwandten bekommen, dem Diebe gleich, sonst aber gleichwol mit halb so großer Strafe wie der Dieb zu belegen.

Titel 115 § 44

§ 44. Da Wir nun bey allem und jedem Diebstahl die Todes-Strafe aufgehoben haben, so verstehet sich auch nach Unsrer Criminal-Instruction von selbst, daß, wenn der Inquisit es auf Befragen ausdrücklich nicht verlanget, ihm von Amts wegen kein Defensor zuzuordnen sey.

Titul CXVI. Vom Raub.

Titel 116 § 1

§ 1. Raub nennen Wir eine solche Entwendung, welche der Beraubte angesehen, aber wegen eines von ihm zu befürchtenden großen Übels nicht hat abwehren mögen.

Titel 116 § 2

§ 2. Da die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung Art. 126 einen jedweden boshaften Räuber mit der Todes-Strafe beleget wissen will, so wollen Wir solches, wenn Mord oder Verwundung auch nur zu befürchten gewesen, als wenn der Räuber Waffen bey sich gehabt, durchaus bestätigen.

Titel 116 § 3

§ 3. Straßen-Raub soll jedoch mit dem Rade alsdenn, wenn dabey zugleich ein Mord oder Verwundung geschehen, bestrafet werden.

Titel 116 § 4

§ 4. Diejenigen, welche bey Ausübung des Raubs hülfliehe Hand geleistet, sollen gleiche Strafe empfangen.

Titul CXVII. Vom Brand.

Titel 117 § 1

§ 1. Wer Feuer, es sey in Städten, Flecken oder Dörfern, böslicher Weise anleget, soll, wenn ein Mensch dabey ums Leben gekommen oder schwerlich beschädiget worden, als ein Mörder mit dem Rade hingerichtet werden.

Titel 117 § 2

§ 2. Ist aber auch niemand dabey ums Leben gekommen noch schwerlich beschädiget worden, so soll dennoch ein solcher Bösewicht, es mag viel oder wenig Schade daraus entstanden seyn, der Schade werde ersetzet oder nicht, es mag auch die Flamme würklich ausgebrochen oder das Feuer vor dem Ausbruch durch andre ersticket seyn, mit dem Strange oder mit dem Schwert hingerichtet werden.

Titel 117 § 3

§ 3. Wenn es aber etwa bey bloßen Bedrohungen geblieben, wovon nichts ins Werk gerichtet worden, so ist eine Vertheilung auf fünf Jahre öffentliche Arbeit anzunehmen.

Titel 117 § 4

§ 4. Wenn eine Feuersbrunst aus Unvorsichtigkeit entstanden, ist unter der Herrschaft und dem Gesinde ein Unterschied zu machen, und letzteres, weil selbiges nichts oder wenig dabey zu verlieren pflegt, ungleich schärfer zu bestrafen.

Titel 117 § 5

§ 5. Bey der Herrschaft ist darauf zu sehen, ob sie z. E. mit Tobackrauchen oder Flachstrocknen und dergleichen gegen Unsre Landes-Fürstliche Verordnung gehandelt, oder auch einer groben Fahrlässigkeit sich theilhaft gemacht, und zugleich dem Nachbarn oder auch andern mit im Hause wohnenden ein Schade zugefüget werde. Solchenfalls ist, der Schade mag geringe oder groß seyn, auf fünfjährigen Festungs-Bau oder Zuchthaus oder auch auf den Verlust des achten Theils des Vermögens zu erkennen.

Titel 117 § 6

§ 6. Ist aber das Gesinde in einem solchen Fall begriffen, und der Herrschaft oder sonst Schade daraus entstanden, soll der Schuldige zu zehenjährigem Festungs-Bau oder Zuchthaus vertheilet werden.

Titel 117 § 7

§ 7. Geringe Versehen wollen Wir bey der Herrschaft lieber ungestrafet lassen, zumal dieselbe durch die Einäscherung des Ihrigen sich selbst schon gmigsam strafet. Das Gesinde ist alsdenn mit Gefängniß zn bestrafen.

Titel 117 § 8

§ 8. Wer in Holzungen vorsätzlich Feuer anleget, ist mit ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus zu bestrafen, der Schade mag groß oder geringe seyn. Entstehet aber das Feuer aus grober Fahrlässigkeit, so ist auf die Größe des verursachten Schadens zu sehen, und wenn derselbe zehen Ducaten beträgt, die Strafe auf zweyjährigen Festungs-Bau oder Zuchthaus, sonst aber, wenn keine Ersetzung geschiehet, auf Gefängniß-Strafe zu bestimmen. Woneben es im übrigen bey denen schon vorhandenen Landesherrlichen Verordnungen gelassen wird.

Titul CXVIII. Von Fälschern.

Titel 118 § 1

§ 1. Wer falsche Siegel oder Urkunden machet, oder wahrhafte Urkunden böslicher Weise an die Seite bringet, ist, wenn schon daraus wegen frühzeitig entdeckten Betrugs noch kein würklicher Schade erfolget noch die böse Absicht erreichet worden, dennoch mit dreyjähriger öffentlicher Arbeit oder mit dem Verlust des achten Theils seines Vermögens zu bestrafen.

Titel 118 § 2

§ 2. Hätte aber derselbe seine bösliche Absicht würklich erreichet und Schaden angestiftet, so soll er nicht allein, soviel thunlich, den Schaden ersetzen, sondern auch mit fünfjähriger öffentlicher Arbeit, oder dem Verlust des vierten Theils seines Vermögens angesehen werden, und er wird ohnehin Ehrlos. Beläuft sich auch der Schade auf zehen Ducaten, ist es einem großen Diebstahl gleich zu achten und tritt dasjenige ein, was Wir desfalls verordnet haben.

Titel 118 § 3

§ 3. Ist aber bey der Verhehlung oder Veränderung der Wahrheit die Absicht ganz unschuldig gewesen und nicht dahin gegangen, jemanden Schaden und Nachtheil zuzufügen, noch wider die, andern Menschen schuldige Pflichten zu handeln, so ist keine strafbare Verfälschung vorhanden.

Titel 118 § 4

§ 4. Wie bey Verfälschung Siegel und Urkunden, also ist es auch zu halten, wenn jemand böslicher und gefährlicher Weise Maaß, Waage und Gewicht verfälscht.

Titel 118 § 5

§ 5. Wer wissentlich unedle Steine für edle, vergüldete Gefäße für güldne, oder Zink für Silber verkauft oder für Geldeswerth überträgt, ist in allem, gleichwie vorhin geordnet ist, zu bestrafen.

Titel 118 § 6

§ 6. Wer falsche Zeugen erkauft oder wissentlich ein falsches Zeugniß ableget, ist, wenn die Zeugen eidlich abgehöret, oder auch an Eydes Statt und, wie sie es künftig eidlich bekräftigen wollen, abgehöret werden sollen, ob schon dadurch noch kein würklicher Schade entstanden, dennoch wegen hinzukommender Entheiligung des Namens Gottes mit zehenjähriger öffentlicher Arbeit, oder dem Verlust der Halbschied seines Vermögens anzusehen, auch überdem für Ehrlos zu halten.

Titel 118 § 7

§ 7. Wer durch Annehmung eines falschen Namens oder Würde andre in Schaden bringet oder zu bringen gesucht hat, ist, wie vorhin bey andern Verfälschern versehen ist, in Strafe zu nehmen.

Titel 118 § 8

§ 8. Wenn jemand in Abfall seines Vermögens gerathen und zu der Zeit, da er bereits weiß, daß er seine Gläubiger nicht befriedigen kann, gleichwol fortfähret, Gelder von Fremden aufzuleihen, und dadurch diese oder auch durch Ausstellung solcher Verschreibungen, welche andern älteren Gläubigem zum Nachtheil gereichen, andre seine Gläubiger in Verlust bringet, so soll er denen vorhin erwähnten Verfälschern gleich geachtet werden.

Titel 118 § 9

§ 9. Ein gleiches ordnen Wir auch bey denenjenigen, welche von ihren Baarschaften, Effecten, Waaren, Büchern, Bilancen, Documenten und dergleichen heimlicher Weise ab Seite bringen oder dazu Hülfe und Vorschub leisten.

Titel 118 § 10

§ 10. Nicht weniger wollen Wir hierunter begriffen haben, wenn jemand ungültige, falsche oder simulirte Wechsel auf sich ausstellen lässet, oder überall etwas böslicher, betrüglicher Weise alsdann, wenn er den Verfall seines Vermögens weiß, zum Nachtheil seiner Gläubiger vornimmt, und dieselben dadurch in Schaden setzet.

Titel 118 § 11

§ 11. Wie Wir hierunter in Ansehung der angedrohten Todes-Strafe die von Unsern in Gott ruhenden Vorfahren gegebene Gesetze gemildert haben, und eben dadurch das größere Beste des gemeinen Wesens zu erreichen glauben, so wünschen Wir zugleich freylich wol, daß auch die übrigen in solchen Verordnungen begriffene Fälle mit gleicher ernstlichen Strafe anzusehen wären, wovon gleich wol die Erfahrung selbst bisher die Unthunlichkeit gezeiget hat. Wir mißbilligen es zum höchsten, und ein jeder soll Unsre Ungnade erwarten, welcher die von ihm aufgeliehen Gelder durch übermäßigen Pracht, oder üppiges und wollüstiges Leben, oder Spielen, oder kostbare Gebäude oder andre unnöthige und verschwenderische Ausgabe und geführten üblen Haushalt herdurch zu bringen gesuchet, nicht weniger, wenn jemand einige Handlungen, Kaufmannschaften und Gewerbe übernimmt, welche er nicht verstehet, und selbigen nicht gewachsen ist, oder auch sonsten das Seinige nebst denen von den Gläubigern entlehnten Geldern unvorsichtig und liederlich waget, auf seine Sachen und den Zustand seines Vermögens nicht gnugsam Acht giebt, übel und fahrlässig Haus hält, besonders auch ein Kaufund Handelsmann in Jahres-Frist oder sonst binnen behöriger Zeit keine Bilance ziehet und durch seinen Unverstand, Nachlässigkeit und Verschulden Bankerott machet. Wir sehen jedoch zugleich selbst ein, daß die angedrohte schwere Strafe, wenn sie auch noch der Uns bey wohnenden Gelindigkeit der Sache gemäß, doch wegen der vielen dabey vorkommenden Betrachtungen zum Zweck nicht hinreichend sey und niemals zur Würkung kommen werde. Daher Wir Uns genöthiget gefunden haben, auf andere Mittel zu denken.

Titel 118 § 12

§ 12. Wir wollen demnach, wenn es einen Unsrer Bedienten betrifft, daß davon an Uns selbst berichtet werde, damit Wir beurtheilen, ob ein solcher in Unserm Dienst zu behalten, oder ob auch Wir allenfalls von seiner Besoldung, sie möge aus Unsern oder andern Cassen herfließen, einen Theil denen Gläubigern zufließen lassen wollen.

Titel 118 § 13

§ 13. Bey denen Begüterten von Adel glauben Wir Unsre gnädigste Absicht dadurch völlig zu erreichen, daß sie nicht allein aufs künftige aller Ehren-Stellen und öffentlicher Ämter unfähig seyn, sondern auch ihnen in solchen Fällen, wenn ihnen auch sonst ein beneficium competentiae gebühren könnte, wie zwar nur denen Calenbergischen von Adel wegen Altväterlicher Schulden zugebilliget ist, sonst aber davon in denen gemeinen Rechten nichts versehen ist, nichts zu ihrem Unterhalt gereichet werde, es wäre denn, daß sämmtliche Gläubiger ausdrücklich darin gewilliget hätten. Immaßen denn ein bloßes Stillschweigen der Gläubiger, wenn schon deren Erklärung durch öffentlichen Anschlag gefordert worden, dazu nicht hinreichend seyn soll.

Titel 118 § 14

§ 14. Andre, die weder Unsre Bediente, noch begüterte von Adel sind, sollen von allen Ehren-Stellen und andern einträglichen öffentlichen Ämtern, worunter Wir auch die Advocatur und was damit verknüpft ist, rechnen, schlechterdings ausgeschlossen seyn und bleiben.

Titel 118 § 15

§ 15. Wenn ein Kaufmann seine Bücher verfälschet, oder falsche Wechsel ausstellet, ist er wie ein Verfälscher nach Unsrer Vorgesetzten Ordnung zu bestrafen. Sonst aber sehen Wir gnädigst ein, daß die Strenge der bisherigen Bankerottir-Ordnungen nicht füglich zu bewürken stehe.

Titel 118 § 16

§ 16. Da die gemeinen Redite auch denjenigen für einen Verfälscher halten, welcher zweyen besonders eine Sache verkaufet hat, so wollen Wir, wenn der eine seines Kaufgeldes verlustig gehet, es auch dafür ansehen und mit der von Uns verordneten Strafe beleget wissen.

Titel 118 § 17

§ 17. Gleichwie Wir bey dem Diebstahl keine Erstattung oder Erlassung in Betracht gezogen wissen wollen, so soll es auch bey der Verfälschung nicht geschehen.

Titel 118 § 18

§ 18. Andre Betrügereyen sind nach Beschaffenheit der Sache anzusehen, und es ist insonderheit darauf Betracht zu nehmen, was dadurch für Schade zugefüget worden, jedoch nicht leicht etwas für peinlich zu achten, sondern hauptsächlich die Schadens-Ersetzung in Betracht zu ziehen und auf dessen doppelte Erstattung zu sehen, allenfalls jedoch der Betrüger es mit Gefängniß absitzen muß.

Titul CXIX. Von denen, welche sich in einem Testament, Erbfolgs Gedingen oder Schenkungen etwas zuschreiben.

Titel 119 § 1

§ 1. Wir bestätigen zuförderst, was die gemeinen beschriebenen Kaiserlichen Rechte in Ansehung derer, welche sich in einem Testament etwas zuschreiben, verordnet haben, jedoch daß die Strafe einer Verfälschung nicht anders eintrete, als wenn ein wahrer Betrug und Verfälschung erscheinet.

Titel 119 § 2

§ 2. Ob auch wol alsdenn das sich selbst zugeschriebene bestehen bleibet, wenn der Testirer neben seiner Unterschrift zugleich bezeuget, daß er den Inhalt also niederschreiben lassen, nachgesehen und richtig befunden habe, so kann doch dessen bloße Versicherung, daß alles seinem Willen gemäß sey, nichts würken, vielweniger die Aufschrift auf dem Umschläge des Testaments, daß dieses sein letzter Wille sey, ein Zeugniß abgeben.

Titel 119 § 3

§ 3. Wenn auch der Testirer wegen Schwachheit und Krankheit zu der Zeit das Testament selbst nicht nachsehen und prüfen mögen, kann dessen beygefügtes Zeugniß in keinen Betracht kommen.

Titel 119 § 4

§ 4. Ist gleichwol das Testament von gerichtlichen Personen oder auch von einem geschworenen Notaren in Gegenwart von Zeugen dem Testirer vorgelesen und von ihm gebilliget worden, so ist es so gut, als wenn er es selbst nachgesehen und richtig befunden habe.

Titel 119 § 5

§ 5. Hat jemand des Testirers Hand, weil er sonst entweder überall, oder doch dero Zeit zu schreiben nicht im Stande gewesen, geführet, und ihm wäre etwas zugeschrieben, so ist es so gut, als wenn er es sich selbst zugeschrieben hätte.

Titel 119 § 6

§ 6. Da ferner bewährte Rechts-Lehrer dafür halten, daß auch in widerseitigen Testamenten unter Eheleuten der Mann sich aus seiner Frauen Nachlaß nichts zuschreiben könne, so billigen Wir solche Meinung um so mehr, als es einem Mann bey der Unzertrennlichkeit einer Ehe gar zu leicht fällt, seine Ehefrau durch allerhand Mittel zur Genehmigung zu bewegen.

Titel 119 § 7

§ 7. Es kann auch im letzten Falle an Seiten der Frau keine andre Genehmigung Statt finden, als wenn sie vor Gericht oder Notarien und Zeugen den ihren Mann angehenden Inhalt wiederholet.

Titel 119 § 8

§ 8. Eben dieses soll eintreten, wenn währender Ehe unter denen Eheleuten ein Geding über künftige Erbfolge, oder eine Schenkung aller oder eines Theiles der Güter, es sey unter den Lebendigen oder auf den Todesfall, erreichet wird.

Titel 119 § 9

§ 9. Da Wir auch dafür halten müssen, daß es gleichviel sey, was einer selbst geschrieben oder durch einen andern schreiben lassen, so können Wir die Einschränkung so schlechterdings nicht annehmen, daß es für kein Sich selbst zuschreiben zu halten sey, wenn der Theilnehmer nur die erste Niederschrift gefasset, und es darauf von einem andern ins reine oder auch in gehörige Form gebracht worden. Wenn es insonderheit unter Eheleuten geschehen ist, so muß auch in dem Falle, da die Frau selbst die förmliche Einrichtung besorget hat, die vorhin verordnete Genehmigung geschehen. Unter andern Personen aber lassen Wir den Satz alsdenn bestehen, wenn der Testirer die förmliche Einrichtung oder Abschreibung selbst besorget hat.

Titul CXX. Von Münz-Fälschern.

Titel 120 § 1

§ 1. So sehr Wir auch die Erhaltung guter und gerechter Münze in Unsern Landen Uns angelegen seyn lassen, so finden Wir doch die in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung desfalls angeordnete Strafen wenigstens zum Theil zu schwer, und Wir finden nöthig, uns desfalls näher zu erklären.

Titel 120 § 2

§ 2. Wenn jemand Unsrer Unterthanen sich unterstehet, unter Unserm Zeichen falsche Münzen auszuprägen, so soll er, es mag viel oder wenig von ihm gepräget und das Geprägte in Unsern Landen in Ausgabe gekommen seyn oder nicht, mit fünfjährigem Festungs-Bau oder drey Tausend Thaler Geld-Buße beleget werden.

Titel 120 § 3

§ 3. Wer sich auch unterstehet, andre in Unsre Lande zugelassene Münzsorten unter falschem Gepräge auszumünzen, ist mit gleicher Strafe anzusehen.

Titel 120 § 4

§ 4. Es soll auch dieselbige Strafe eintreten, wenn jemand wissentlich dergleichen Münze zu seinem Vortheil auf ge wechselt oder sonst Betrugs halber an sich gebracht und sie als gute Münze ausgegeben hätte.

Titel 120 § 5

§ 5. Wer güldne oder silberne Münzen beschneidet oder auch dergleichen wissentlich zu seinem Vortheil aufwechselt, soll auf gleiche Weise, wie vorhin gesetzet, bestraft werden.

Titul CXXI. Von Gottes-Lästerung.

Titel 121 § 1

§ 1. Unter Gottes-Lästerung verstehen Wir solche Reden und Worte, wodurch jemand Gott oder den Gottmensch, seinen Sohn, den Heiland der Welt, vorsetzlich verachtet oder verspottet und verhöhnet.

Titel 121 § 2

§ 2. Ob nun wol Gott und Christus solche wahnwitzige Leute selbst richten und ihre Ehre rächen werden, so mögen Wir jedoch auch dieselben in Unsern deutschen Landen nicht dulden, sondern sie sollen derselben verwiesen werden.

Titul CXXII. Von denen Vergehen gegen die Eltern.

Titel 122 § 1

§ 1. Wir haben erwogen, daß die Wolfahrt des ganzen Menschlichen Geschlechts hauptsächlich durch das Ansehen der Eltern befestiget werde, und andergestalt so wenig dem gemeinen Wesen nützliche Menschen erwartet werden können, daß vielmehr von demjenigen, welcher gegen seine Eltern freventlich sich vergehet, noch ein viel größers Übel für einen jeden Mitbürger zu befürchten ist. Wir erinnern Uns auch hiebey, daß schon die Göttlichen Gesetze, welche Moses dem Volk Israel verkündet hat, in denen Vergehen gegen Vater und Mutter eine große Strenge vorschreiben, und daß nicht weniger auch bereits Unsers in Gott ruhenden Herrn Groß-Vaters Maj. desfalls eine ernstliche Verordnung ergehen lassen. Wir setzen demnach, daß, wer an seinen leiblichen Eltern Hand legt, zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus ohne alle Nachsicht verurtheilet werden soll.

Titel 12 § 2

§ 2. Eine gleiche Strafe soll auch bey demjenigen Statt haben, welcher seinen leiblichen Eltern fluchet.

Titel 122 § 3

§ 3. Wer aber auch nur Schelt- oder Schimpf-Worte gegen seine leiblichen Eltern gebrauchet, soll auf fünf Jahre mit vorgedachter LeibesStrafe beleget werden.

Titel 122 § 4

§ 4. Es soll auch überall keine Fürbitte der Eltern zu Linderung der Strafe etwas beytragen.

Titul CXXIII. Von fleischlichen Verbrechen.

Titel 123 § 1

§ 1. So sehr Wir auch wünschen, daß in Unsern Landen Zucht, Tugend und Ehrbarkeit herrsche, hingegen alle Unordnungen und Ausschweifungen abgeschaffet werden, so sehen Wir doch zugleich ein, daß dieses durch menschliche Gesetze nicht füglich zu erreichen stehe, vielmehr besonders bey dem Verbrechen der Unzucht die Strafen nur ein viel größeres Unheil für das menschliche Geschlecht zu wege bringen und sowol Kindermord als andre schwere Verbrechen veranlassen. Wir müssen also denen Eltern und Vormündern, wie auch denen verordneten Lehrern und andern Vorgesetzten überlassen, ermahnen und erinnern sie auch ernstlich, die Herzen der Jugend tugendsam und gottesfürchtig zu bilden, auch in Sonderheit von dem schädlichen Müßiggänge abzuhalten und zur Arbeit zu gewöhnen. Was hingegen die Kirchen-Buße sowol als die weltlichen Strafen anlanget, sollen dieselben hinfüro in Ansehung des weiblichen Geschlechts bey einer schlechten und einfachen Unzucht, wenn auch schon eine Person zum zweyten oder dritten mal sich schwängern lassen, gänzlich aufhören.

Titel 123 § 2

§ 2. Das männliche Geschlecht soll zwar auch hinfüro mit Kirchen-Buße und weltlicher Strafe wegen schlechter und einfacher Unzucht nicht beleget werden. Dagegen aber soll er, wenn die Geschwängerte eine Dienstmagd oder ein schlechter gemeiner Mensch, neben denen gewöhnlichen Kindbett- und Verpflegungs-Geldern der geschwängerten Person Fünfzig Reichs-Thaler entrichten, wofür derselben sowol dessen jetziges als künftiges redestes Vermögen unterpfändlich haften soll. Bey andern aber soll auf ihren Stand geachtet werden.

Titel 123 § 3

§ 3. Würde aber ein Knecht oder Bedienter seines Herren Tochter oder Schwester, oder jemand eine ihm anvertraute und empfohlene Person schänden, so ist solches peinlich, und soll er nach Beschaffenheit seiner Person entweder mit dem Verlust der Hälfte seines Vermögens, oder mit zweyjährigem Festungs-Bau bestraftet werden.

Titel 123 § 4

§ 4. Wer eine unberüchtigte Person, welche mit ihm gleichen Standes ist, unter dem Versprechen der Ehe zu Falle bringet, kann zwar, wenn er noch Eltern oder Vormünder hat, sie zu heyrathen nicht gezwungen werden, er ist aber als ein Ehrenschänder Ehrlos, und so lange zu öffentlichen Ehren-Ämtern unfähig, bis er sich mit der geschwächten Person völlig ausgesöhnet.

Titel 123 § 5

§ 5. Wenn eine Ehe-Frau oder versprochene Braut, es sey mit einem andern Ehemann oder mit einer ledigen Manns-Person zu thun hat, und beide davon überführet worden, soll die Bestrafung bloß von dem Willen ihres Ehemannes abhängen. Doch muß sie nicht über fünfjährigen Festungs-Bau oder Zuchthaus sich erstrecken, noch auf andre Geld-Strafe gerichtet seyn, als welche zum gottseligen Gebrauch anzuwenden.

Titel 123 § 6

§ 6. Da es auch in denen göttlichen und gemeinen Kaiserlichen Rechten für keinen Ehebruch gehalten wird, wenn schon ein Ehemann mit einer ledigen Weibsperson zu thun hat, so soll hier dasjenige Statt finden, was vorhin von der Unzucht verordnet worden.

Titel 123 § 7

§ 7. Bey der zweyfachen Ehe ist zuförderst darauf zu sehen, ob sie mit einer Ehefrau oder ledigen Person vollzogen worden. Erstem Falls ist es ein solcher Ehebruch, wobey zugleich durch die priesterliche Einsegnung der Name und das Wort Gottes gemißbrauchet wird. Es soll also hier die Bestimmung der Strafe nicht von dem Willen des beleidigten Ehemannes abhängen, sondern es soll schlechterdings auf eine fünfjährige Strafe zu Festungs-Bau oder Zuchthaus erkannt werden.

Titel 123 § 8

§ 8. Ist aber auch die zwiefache Ehe von einem Ehemann mit einer ledigen Weibes-Person vollzogen, so soll gleichwol wegen dabey vorfallenden Mißbrauchs des Namens und des Worts Gottes eine zweyjährige Vertheilung zu öffentlicher Arbeit eintreten.

Titel 123 § 9

§ 9. Wenn jedoch der Ehegatte ein Jahr abwesend gewesen, ohne von seinem Leben und Aufenthalt dem andern Nachricht zu ertheilen, kann die Anklage der zwiefachen Ehe nicht eintreten.

Titel 123 § 10

§ 10. Blutschande, sie sey zwischen leiblichen Eltern und Kindern, oder Stief-Eltem und Kindern, oder auch Schwieger-Eltern und Kindern wissentlich begangen, soll dem göttlichen Gesetze gemäß mit dem Leben bestrafet werden.

Titel 123 § 11

§ 11. In der Seiten-Linie aber, sowol der Bluts-Verwandtschaft als der Schwägerschaft, ist eine gelindere Strafe anzunehmen, und, wenn zugleich ein Ehebruch geschehen, ein jeder ohne alle weitere Rücksicht mit fünfjährigem Festungs-Bau oder Zuchthaus und Werkhaus, oder auch Eintausend Thaler Geld-Buße, außerhalb Ehebruchs aber jeder mit drey Jahr öffentlicher Arbeit oder Sechshundert Thaler Geld-Buße zu bestrafen, und muß bey der Geld-Buße einer für den andern eintreten. Wir verstehen aber hier nur diejenigen Personen, welche in dem göttlichen Gesetz ausdrücklich genannt worden und wobey gar kein Zweifel vorwaltet. Denn ob wol Unsre Kirchen-Ordnungen das Verbot der Ehen weiter ausdehnen, Wir auch selbst die Ehen in gleichen Graden durchaus nicht zulassen wollen, so ist doch alsdenn kein peinlicher Fall vorhanden, sondern nur dem Befinden nach zu einer bürgerlichen Geld- oder Gefängnisstrafe zu schreiten.

Titel 123 § 12

§ 12. So ein Mensch mit einem Vieh, oder Mann mit Mann Unkeuschheit treiben, die haben das Leben verwürket und sollen nach der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet werden. Weil jedoch die göttlichen Gesetze auf alle diese Fälle nur die Todes-Strafe setzen, so wollen Wir, daß ohne Unterschied auf die Strafe des Schwerts erkannt, zugleich aber auch das Thier erwürget werde.

Titel 123 § 13

§ 13. Von der Noth-Zucht finden Wir in denen göttlichen Gesetzen, außer wenn dieselbe an einer verlobten Braut verübet worden, nichts verordnet. Da es aber in der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung gleich einem Raube angesehen wird, so soll auch die von Uns auf den Raub gesetzte Strafe einer Vertheilung zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus allhier Statt finden, und dabey weiter auf nichts als die gebrauchte Gewalt gesehen werden. Es kann jedoch für eine Noth-Zucht nicht gerüget werden, was in einer Stadt geschehen ist.

Titel 123 § 14

§ 14. So jemand eines andern Ehe-Weib oder verlobte Braut, um böse Lust mit ihr zu pflegen, oder letztere wol gar zu heirathen, mit ihrem guten Willen entführet, ist es wie ein Ehebruch anzusehen. Wenn es aber nicht mit ihrem guten Willen geschehen, ist der Thäter, wie ein Räuber, auf Zeitlebens in öffentliche Arbeit zu geben oder mit dem Verlust der Halbschied seines Vermögens zu bestrafen.

Titel 123 § 15

§ 15. Wir wollen auch hiebey auf ein für allemal die Erklärung geben, daß bey dem Verlust des Vermögens oder eines Theils desselben die Substanz der Lehn- und Stamm-, auch Fideicommiss-Güter denen nächsten Erben und Folgern bleibet, der Ertrag aber, so lange der Thäter im Leben, Unsrer Rent-Cammer zu berechnen, und desfalls ein gewisser jährlicher Anschlag zu machen ist.

Titel 123 § 16

§ 16. Wird aber eine unverehelichte Frauens-Person entführet, und geschieht es mit ihren guten Willen, so kommt es darauf an, ob sie noch Eltern oder Vormünder habe oder nicht. Im ersteren Falle ist denen Eltern und Vormündern durch Unsre Ehe-Constitution die Macht gegeben, eine wider ihren Willen vollzogene Ehe für nichtig erklären zu lassen, mithin auch die Vollziehung zu verwehren, denen Eltern aber auch zugleich, das Kind bis auf den halben Pflicht-Theil zu enterben. Es sind gleichwol auch noch überher diejenigen, welche eine Tochter auch mit ihren guten Willen entführet, wenn sie auch schon selbige sich noch nicht antrauen lassen, ernstlich, und zwar, wenn die Ehe noch nicht vollzogen worden, mit Verlust des vierten Theils seines Vermögens oder fünfjähriger Vertheilung zum Zuchthause, wenn die Ehe auch vollzogen worden, mit Verlust der Halbschied seines Vermögens oder zehenjährigem Zuchthause zu bestrafen. Die Bestrafung der Tochter aber soll von den Eltern oder der Vormünder Willen abhangen.

Titel 123 § 17

§ 17. Geschieht aber die Entführung einer unverehelichten Person wider ihren Willen, so soll es wie ein andrer Raub angesehen werden, und wenn schon auch eine nicht unter Eltern oder Vormündern stehende Person solches nachher genehmiget, nichts desto weniger mit dem Verlust aller Güter, oder bey geringen Personen mit Vertheilung zu ewigem Festungs-Bau oder Zuchthaus geahndet werden.

Titel 123 § 18

§ 18. Es ist auch bey der Entführung kein Unterschied zu machen, ob sie in der Absicht, die Person zu heirathen, oder bloß aus böser Lust geschehen sey.

Titel 123 § 19

§ 19. Wer sein Ehe-Weib oder Kinder um einigerley Genuß willen williglich zu unehelichen, unkeuschen und schändlichen Werken gebrauchen lässet, der ist nach der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung nicht allein Ehrlos, sondern soll auch nach gemeinen Rechten bestrafet werden. Wie aber hiedurch die Strafe nicht genau bestimmet worden, so wollen Wir Uns hierüber dahin erklären, daß ein solcher mit unabbittlichem fünfjährigen Festungs-Bau oder Zuchthaus bestrafet werden solle.

Titel 123 § 20

§ 20. Diese Strafe tritt auch bey denen ein, welche an Eltern Stelle sind.

Titel 123 § 21

§ 21. Wir bestätigen dasjenige, was die Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung Art. 123 von boshaften Kupplern und Kupplerinnen, auch dergleichen Helfers-Helfern verordnet, und bestimmen die Strafe auf drey Jahr Festungs-Bau oder Zuchthaus.

Titul CXXIV. Von Mord und Totschlag.

Titel 124 § 1

§ 1. Wer einen vorher überlegten und geflissentlichen Todtschlag begangen, ist ein Mörder, und soll das von ihm vergossene Blut ohne alle Gnade mit dem Leben büßen und durch das Rad hingerichtet werden.

Titel 124 § 2

§ 2. Wer aber seine Eltern oder Kinder, sowol leibliche als auch alle, welche durch Anheyratung dafür zu halten, oder auch seinen Ehegatten oder Herrn vorsetzlicher und wolbedachter Weise ums Leben bringet, soll noch überher mit glühenden Zangen gezwicket werden.

Titel 124 § 3

§ 3. Kinder-Mörderinnen, welche nämlich ein lebendig zur Welt geborenes Kind zu Tilgung ihrer Schande umbringen, sollen mit der Ersäufung oder dem Schwert bestrafet werden.

Titel 124 § 4

§ 4. Wer jemanden in der Hitze eines unrechtmäßigen Zorns ums Leben bringt, soll mit dem Schwert bestrafet werden. Wäre auch der Verstorbene im Hader und Streit von mehr als einem tödlich verwundet worden, müssen beide Täter sterben. Ist aber unter mehrern kein eigentlicher Thäter ausfündig zu machen, so sind solchen Falls alle, die dazu geholfen, zu ewiger Arbeit zu verurtheilen.

Titel 124 § 5

§ 5. Wenn der Schlag mit einem an sich nicht tödlichen Werk-Zeuge geschehen, und gleichwol unglücklicher Weise der Tod darab erfolget, kann die Todes-Strafe nicht eintreten, es muß aber der Thäter ein ganzes Jahr lang an allen Sonn- und Feyertagen öffentliche Kirchen-Buße thun, auch mit des Getödteten nächsten Verwandten nach bestem Vermögen sich abfinden.

Titel 124 § 6

§ 6. Einem Mörder oder Todtschläger kann nicht zu Statten kommen, wenn etwa der Tod aus einiger Versäumniß in der Cur oder auch Unerfahrenheit der Ärzte erfolget wäre und die Wunde nicht schlechterdings tödlich gewesen.

Titel 124 § 7

§ 7. Wenn auch der Tod nicht gar lange nach der Verwundung erfolget, so kann es dem Todtschläger nicht zu Statten kommen, wenn schon bey Besichtigung der Wunde ein und anders sonst erforderliches nicht wäre beobachtet worden.

Titel 124 § 8

§ 8. Wer einen einbrechenden oder einsteigenden nächtlichen Dieb umbringet, stehet dafür keine Verantwortung aus, wenn er gleich denselben hätte in seine Gewahrsam nehmen und um Hülfe rufen können. Ist aber der Dieb bereits auf der Flucht begriffen, so ist es wie ein Todtschlag anzusehen.

Titel 124 § 9

§ 9. Da die auf den Todtschlag gesetzte Strafe in denen göttlichen Gesetzen gegründet ist und das Land von Blut-Schulden gereiniget werden muß, so kann bey derselben auch eine zwanzigjährige Verjährung nicht Statt finden.

Titel 124 § 10

§ 10. In Ansehung der Gift-Mischerey ist von weiland Unsers Herrn Groß-Vaters Maj. im Jahre 1734 eine nähere Verordnung dahin abgegeben, daß alle diejenigen, welche jemanden in der Absicht würklich Gift beygebracht, daß er davon sterben, oder auch nur, daß solches ihm an seinem Leibe Schaden thun solle, wenn gleich der Tod oder ein merklicher Schade an der Gesundheit nicht erfolget, da das Gift entweder durch thunliche Mittel in Zeiten aus dem Körper wieder weggeschaffet, oder das eingegebene Gift nicht stark genug gewesen, oder sonst die starke Statur des Beleidigten verhindert hat, daß solches die verlangte Würkung nicht thun können, allemal am Leben bestrafet werden sollen, nicht weniger, daß auch diejenigen, welche zu solchen Ertödt- oder Beschädigungen vorsätzlich Rath und That geleistet, da sie das Gift zubereitet, auch wissentlich dazu verkaufet, gekaufet oder sonst zu wege gebracht, und auch nur zu dem Ende bey sich gehabt, wenn gleich die That würklich nicht erfolget, und daher noch kein Schade geschehen, allemal am Leben bestrafet werden sollen. Wir wollen nun zwar dieses aus Landes-Fürstlicher Gewalt und Macht nochmals bestätigen. Sollten jedoch dabey besondre Umstände vorfallen, ist davon an Uns selbst unterthänigst zu berichten.

Titul CXXV. Vom Meineid.

Titel 125 § 1

§ 1. Wer vor Gericht einen falschen Eid schwöret, ungeachtet er von der Beschaffenheit und den Folgen eines Eides daselbst vorher wol unterrichtet worden, auch von den Umständen der Sache hinlängliche und genaue Wissenschaft hat, der soll nicht allein den dadurch zugefügten Schaden ersetzen, sondern auch Unsrer Fürstenthümer und Landen auf ewig verwiesen werden.

Titel 125 § 2

§ 2. Kann derselbe gleich wol den Schaden nicht ersetzen, so soll er zugleich als ein Dieb angesehen, und, es mag er oder ein andrer den daraus erwachsenen Vortheil davon haben, nach der Größe des zugefügten Schadens mit Festungs-Bau oder Zuchthaus bestraft werden.

Titul CXXVI. Von Veruntreuung anvertrauter öffentlicher Gelder.

Titel 126 § 1

§ 1. Wir verstehen unter der Veruntreuung anvertrauter öffentlicher Gelder, wenn ein Uns und Unsrer Rent-Cammer oder andern Unsern Collegiis, wie auch denen Kirchen und milden Stiftungen, Städten und Gemeinen eidlich verpachteter Verwalter die ihm durch sein Amt anvertraute Gelder veruntreuet, und nicht erstatten kann.

Titel 126 § 2

§ 2. Ob nun wol nach denen vorhin desfalls ergangenen Calenbergischen und auf die Herzogthümer Bremen und Verden erweiterten Verordnungen, wenn der Rückstand hundert Thaler betrifft, eine Lebens-Strafe eintreten soll, so wollen Wir doch diese nunmehro in eine zehenjährige Zuchthaus- oder Gefängniß-Strafe verwandeln, zugleich aber über Unsere gesammte Deutsche Lande ausdehnen.

Titul CXXVII. Welchergestalt bey denen innerhalb denen geschlossenen Unter-Gerichten oder freyen Adelichen Sitzen und Kloster-Bezirken begangenen peinlichen Verbrechen zu verfahren.

Titel 127 § 1

§ 1. Denen geschlossenen Unter-Gerichten gestatten Wir gnädigst, wofern nicht von Unsern Ämtern ein anders hergebracht ist, in peinlichen Fällen mit Ausschließung Unsrer Beamten den Angriff zu thun.

Titel 127 § 2

§ 2. Sollte auch die Ubelthat in dem Amts-Gebiet geschehen seyn, der Missethäter wäre aber in dem geschlossenen Gerichte anzutreffen, so muß dasselbe von dem Amte um dessen Gefangennehmung und Auslieferung ersuchet werden.

Titel 127 § 3

§ 3. Wir wollen dahero auch ganz gern denen mit beeidigten GerichtsVerwaltern versehenen geschlossenen Gerichten die vor dem Angriff erforderliche erste Untersuchung überlassen.

Titel 127 § 4

§ 4. Wenn der Angriff aber geschehen, muß dieses Unter-Gericht sich weitern Verfahrens enthalten und Sorge tragen, daß die Untersuchung durch den peinlichen Richter geschehe. Was nun hierunter in Ansehung der Gerichte und Ämter hergebracht ist, dabey muß es allerdings sein Verbleiben behalten. Ermangelt es aber an einem gewissen Herkommen, so meldet das Gericht den Vorfall an Unsre Justiz-Canzleyen und erwartet deren Verfügung.

Titel 127 § 5

§ 5. Da aber in diesem Falle ein Zeit-Raum verstreichen kann, und es dem Gerichte zur großen Last und Beschwerde gereichet, den Gefangenen immittelst bewahren und verpflegen zu lassen, so soll das nächste Amt auf Verlangen des Gerichts schuldig seyn, denselben zu fernerm Verfahren außerhalb denen Gerichts-Grenzen anzunehmen.

Titel 127 § 6

§ 6. Auch sind Unsre Justiz-Canzleyen in solchen Falle wol befugt, denen Gerichten eins für alles vorzuschreiben, an welches Amt sie die peinlichen Sachen abzugeben haben, ohne daß es für eine besondre Commission anzusehen sey. Mithin haben auch alsdann die Ämter in denen geschlossenen Gerichten nicht unmittelbar zu verfügen, sondern jedesmal die Gerichte zu ersuchen.

Titel 127 § 7

§ 7. Ist auch das Gericht in solchen Sachen saumselig, und das Amt, wohin die Untersuchung gehöret, findet nöthig, sich der Sache anzunehmen, so muß das Gericht dem Amte auf Ersuchen unweigerlich hülfreiche Hand bieten, um die zur General-Inquisition verlangte Personen verabfolgen zu lassen. Hätte aber das Gericht schon vorher mit der Untersuchung den Anfang gemacht, so theilet es vorerst die abgehaltene Protokolle dem Amte mit und erwartet, ob es der Sache halber ferner begrüßet werde.

Titel 127 § 8

§ 8. Wenn nachhero das Amt wegen des Corporis delicti annoch Besichtigungen und Untersuchungen binnen dem geschlossenen Gerichte nöthig findet, muß selbiges das Gericht ersuchen, die Besichtigung und Untersuchung zu verrichten, und ihm davon Nachricht zu ertheilen.

Titel 127 § 9

§ 9. Denen Adelichen Sitzen und Kloster-Höfen in deren freyen Bezirken aber können Wir durchgehends gleiche Rechte nicht nachgeben. Wir gestehen ihnen gnädigst zu, daß Unsre Ämter, in welchen dieselben belegen, auf denenselben auch in peinlichen Sachen keiner unmittelbar Gewalt sich anmaßen mögen, sondern dieselben jedesmal um hülfliche Hand ersuchen müssen, es wäre denn, daß ihnen darunter Verweigerung geschähe und die Sache gleichwol Leib- und Lebens-Strafe beträfe, als in welchem Fall dasjenige, was in der denen Dannenbergischen auch Hoyaischen von Adel ertheilten Resolution versehen, wie es auch überhaupt denen Rechten gemäß ist, allgemein seyn muß. Es können aber die von Adel und die Klöster für sich nicht anders eines Angriffs als bey frischer 19* That sich anmaßen, sind hingegen nicht befugt, bey zweifelhaften Fällen zum Angriff zu schreiten, sondern müssen die Umstände dem Amte hinterbringen.

Titel 127 § 10

§ 10. Sollten wegen des Corporis delicti Besichtigungen und Untersuchungen binnen dem freyen Sitz oder Kloster-Bezirk vorzunehmen seyn, so muß denen Beamten solches jedoch nicht anders als auf deren Ersuchen verstattet werden, es wäre denn, daß ein beeidigter GerichtsVerwalter allda vorhanden, als in welchem Fall es eben so, wie bey denen geschlossenen Unter-Gerichten zu halten ist.

Titul CXXVIII. Von Wort-Bedeutungen.

Titel 128 § 1

§ 1. Es ist bereits von weiland Herrn Herzog Georg Wilhelms Unsers Urelter Herrn Vaters Liebd. der Lüneburgischen Ritterschaft die Erklärung ertheilet, daß, wenn von ihnen jemand mit dem „Gerichte" beliehen sey, solches die völligen Nieder-Gerichte begreife, also wollen Wir solches auf Unsre andre deutsche Länder um so mehr ausdehnen, als in denenselben keine Pfal-Gerichte bekannt sind.

Titel 128 § 2

§ 2. Wir wollen auch von dem Wort „Vogtey" die Erklärung annehmen, daß damit nicht allein die völligen Nieder-Gerichte verbunden seyn, sondern auch in denen zur hohen und peinlichen Gerichtsbarkeit gehörigen Fällen von demjenigen, welchem diese zustehet, in dem Vogteylichen Bezirk nichts unmittelbar ausgeübet werde. Was aber die geschlossenen Adelichen Gerichte vorzügliches haben, kann dahin nicht gezogen werden.

Titel 128 § 3

§ 3. Unter dem Ausdruck „höheste und siedeste Gerichte" können die geistlichen, und was dahin gehöret, nicht mit verstanden werden.

Titel 128 § 4

§ 4. Gericht und Unter-Gericht" begreifet nebst dem Nieder-Gericht auch das peinliche Gericht.

Titel 128 § 5

§ 5. Ist jemand mit Gütern, und deren Zubehörungen, „besucht und unbesucht", oder „gesucht und ungesucht", oder auch „versucht und unversucht" beliehen, so sind ihm dadurch auch die ErbGerichte, Fischerey-Gerechtigkeit, auch hohe und mindre Jagd mitgetheilet.

Titel 128 § 6

§ 6. Ob wol unter dem Ausdruck „mit allen Herrlichkeiten" auch die peinliche Gerichtsbarkeit verstanden zu werden pfleget, so kann doch dieses bey ehemaligen geistlichen Gütern nicht angenommen werden.

Titel 128 § 7

§ 7. Gerichte „binnen und außerhalb des Dorfs" erstrecken sich auf die ganze Feldmark des Dorfs, doch nur in so fern es eine besondre eingeschränkte Feldmark ist

Titel 128 § 8

§ 8. Gerichte „binnenZauns" oder „binnen denenHöfen" begreifen die völligen Nieder-Gerichte binnen Zauns und binnen denen Höfen, und sind also von denen Lüneburgischen Pfal-Gerichten unterschieden.

Titel 128 § 9

§ 9. Sattel-Höfe sind zwar ihrem Ursprung nach freye Adeliche Güter. Es kann ihnen aber eine völlige Adeliche Freyheit nicht zugestanden werden, als wenn der Edelmann sie bishero selbst benutzt hat, nicht aber, wenn sie einem andern eingethan sind. Wobey demnach das Herkommen zum Grunde zu legen ist.

Titel 128 § 10

§ 10. Die Belehnung mit aller Schlachter-Nutt, Schlachte-Nutzung kann auf die Gerichte nicht gezogen werden. Auch ist dadurch allein dem Besitzer die Jagd-Gerechtigkeit nicht verliehen.

Titel 128 § 11

§ 11. „Ansete" oder „An-Siedel" sind Bauer-Güter, welche von denen Vorfahren angeerbet worden, und durchaus wie andre MeyerGüter anzusehen.

Titel 128 § 12

§ 12. „Kaphahns-" oder „Heuel-Lehen" sind zwar dienst- und zinsfrey, genießen jedoch keiner Adelichen Freyheit noch Schriftsässigkeit, und entrichten an das Amt, worin sie belegen sind, einen Kaphahn.

Titel 128 § 13

§ 13. „Schatz-, Bede- und Dienstfrey" enthält keine Adeliche Freyheit.

Titel 128 § 14

§ 14. Unter dem Wort „Kinder" sind, wenn nicht ein anders erscheinet, die Kindes-Kinder nicht mit begriffen.

Titel 128 § 15

§ 15. Wenn Eheleute, die keine vorher erzeugte Kinder haben, auf „Längst Leib längst Gut" zusammen kommen, erbet zwar der eine von dem andern dessen ganzes Vermögen, jedoch, wenn Kinder erfolget und im Leben sind, nur nießbräuchlich.

Titel 128 § 16

§ 16. Da denen Ehestiftungen der Bauersleute gewöhnlich enthalten ist, daß die Braut zu dem Bräutigam als „Erbin seiner Güter" einfreye, oder die Braut dem Bräutigam „Haus und Hof zubringe", so ist beides nicht anders als auf den Fall nicht erfolgender Kinder zu verstehen. Sind Kinder erfolget, so zeiget die Formul nur an, daß die künftige Witwe und auch derWittwer auf den Hof wieder bis zur Großjährigkeit der Kinder heyrathen können. Sind aber aus erster Ehe Kinder vorhanden, welchen der Hof bereits gehöret, so muß in solchem Fall der Genießbrauch auf eine gewisse Zeit bestimmt werden.

Titel 128 § 17

§ 17. Das Wort „Capital" ist, wenn es von einem Kauf- und Handels-Mann gebrauchet wird, zugleich von seinem ganzen Waaren-Lager zu verstehen, womit er sein Gewerbe treibet.

Titel 128 § 18

§ 18. Unter dem Wort „Meüblen" ist bey Vermächtnissen nur das Haus-Geräthe zu verstehen, was zu bequemer und Standesmäßiger Be- Wohnung des Hauses dienet und zum täglichen Gebrauch gehöret. Und muß es gleich viel seyn, wie kostbar und aus welcher Materie es verfertiget sey. Es gehöret also auch darunter, was zum täglichen Tisch des Testirers gebrauchet worden, wenn es schon aus Silber oder Porcellan verfertiget worden.

Titel 128 § 19

§ 19. Zum Vermächtniß der Kleidungen ist die Taschen-Uhr, welche der Verstorbene gewöhnlich getragen, auch Degen und Stock mit zu rechnen.

Titel 128 § 20

§ 20. Unter das Silber-Zeug gehöret dasjenige verarbeitete Silber nicht mit, was zum täglichen Gebrauch im Hause gedienet hat.

Titel 128 § 21

§ 21. Eine Sammlung auserlesener Schildereyen kann, wenn sie gleich zu Bekleidung der Wände eines Zimmers gebrauchet worden, unter die Meublen und das Haus-Geräthe nicht gezogen werden. Auch gehören die in Zimmern aufgestellte Familien-Portraits nicht unter das Haus-Geräthe, wofern nicht derjenige, dem selbiges vermacht worden, solche Personen unter seinen Vorfahren zählen kann.

Titel 128 § 22

§ 22. Unter das Vermächtniß der Bibliothek gehören auch die Handschriften, sowol fremde als des Testirers eigne, welche in die freyen Künste und Wissenschaften schlagen, weniger nicht Land-Karten, WeltKugeln, physikalische, Astronomische und optische Instrumente, auch Sammlungen von Kupferstichen, seltenen Münzen, Naturalien und Alterthümern.

Titel 128 § 23

§ 23. Das Wort „Bücher" aber kann in so weitem Begriff nicht genommen werden, sondern bedeutet nur gedruckte Bücher und gelehrte Handschriften.

Titel 128 § 24

§ 24. Neubruch oder Rottland ist nur dasjenige, wovon sich keine Anzeige findet, daß es jemals vorhin beackert worden.

Titel 128 § 25

§ 25. Bey dem Worte „Blutrunst" ist der von Alters her gehabte Begriff beyzubehalten, daß eine offene Wunde vorhanden und Blut vergossen sey.

Titel 128 § 26

§ 26. In Verträgen unter Bauerschaften über Hud und Weide ist unter dem Worte „Vieh" auch das Schaf-Vieh zu verstehen, wenn nicht eine andre gehabte Meinung erscheinet. $ 27. NB. Leib-Schafe sind, welche auf dem Gute von der Heerde zugezogen worden.

Titel 128 § 28

§ 28. Ober- und hartes Holz ist dasjenige, was zum Bau dienet. Alles übrige ist Unter-Holz und Busch, ob es schon eben nicht immer zum weichen Holz zu rechnen ist, als wohin an sich nur Ellern und Birken gehören. § Ehefrediges Holz ist dasjenige, was zu Abzäunungen gebrauchet wird, und bestehet in Ellern, Haseln, Hagebüchen, Quetschen und Dora. Worunter also kein sonst abständiges, vertrocknetes, sohres Holz zu rechnen ist.

Titel 128 § 30

§ 30. Poll-Holz ist, was außer dem Haupt-Stamm sowol aus dem Wipfel als aus den Zweigen zum Verbrennen dienlich gefunden wird, so stark und dick es auch sonst ist.

Titel 128 § 31

§ 31. Stammäßiges Schachtenholz sind diejenigen Schachten oder Äste, welche gleich einem Stamme gerade in die Höhe getrieben sind, wenn nämlich der Baum in mehrere Stämme sich getheilet hat.

Titel 128 § 32

§ 32. Die hohe Jagd begreifet Hirsche und Schweine. Alles übrige gehöret zur niedem Jagd.

Titel 128 § 33

§ 33. Eine Hufe Landes ist, wofern nicht ein anders in der Gegend hergebracht ist, auf dreißig Morgen zu rechnen.

Titel 128 § 34

§ 34. Von einem Morgen Landes ist zwar das Maaß auf Einhundert und zwanzig Ruthen gesetzet. Es kann aber außer denen öffentlichen Abgiften desfalls keine Nachmessung Statt finden, sondern es ist gnug, wenn das Land von jeher dafür gerechnet worden.

Titel 128 § 35

§ 35. Nach Bequemlichkeit zu zahlen, wenn der Gläubiger sich solches gefallen lassen, kann in Schulden, die auf klaren Briefen und Siegeln beruhen, oder sonst unleugbar und unwidersprechlich sind, nicht dahin gezogen werden, daß die Zahlung schlechterdings von dem Willen des Gläubigers abhange, sondern es tritt sodann ein vernünftiges und billiges Ermessen ein, und kann der Zahlungs-Termin zur Beschwerde des Gläubigers nicht zu lange ausgesetzet werden.

Titel 128 § 36

§ 36. Da Uns berichtet worden, daß einst große Thätlichkeiten in Unserm Herzogthum Lüneburg darüber entstanden sind, ob die Benter-Plagg e n zu denen Haid- oder Anger-Plaggen gehören, so finden Wir nöthig, zu bestimmen, daß sie denen Haid-Plaggen beyzuzählen seyn.

Titel 128 § 37

§ 37. Unter dem Wort „Erben" sind bey der Folge im Lehn nicht alle und jede, sondern nur die Lehns-Erben zu verstehen.

Titel 128 § 38

§ 38. Wäre auch jemand für sich und seine Kinder oder Nachkommen beliehen, so kann bloß dadurch die weibliche Abkommenschaft keine Folge sich zuschreiben, wofern nicht die etwanige Natur des Lehns solches mit sich bringet.

Titel 128 § 39

§ 39. Der nächste Grad ist auch in Beerbung der Lehen nicht in der Entfernung von dem gemeinschaftlichen Stamm-Vater, sondern von dem letztverstorbenen Vasallen zu suchen.

Titel 128 § 40

§ 40. Das Wort „Töchter" in Lehn-Briefen begreift auch der Töchter Kinder.

Titel 128 § 41

§ 41. Der Ausdruck „unbeerbt" oder „ohne Erben mit Tode abgehen" ist von Erbfolgemäßigen Leibes-Erben zu verstehen.

Titel 128 § 42

§ 42. Burgfest-Dienste, welche alle pflichtige Unterthanen, wiewol in hergebrachter Maaße und Weise, übernehmen müssen, sind diejenigen, welche zu Unterhaltung Unsrer Schlösser, deren Gebäude und Befestigung erfordert werden.

Titel 128 § 43

§ 43. Unter dem Worte „Stauung" in Lehn-Briefen ist die MühlenGerechtigkeit zu verstehen.

Titel 128 § 44

§ 44. Bey einer auf eine gewisse Stück-Zahl eingeschränkten Schäferey sind unter den „Schafen" die Lämmer nicht mit begriffen, sondern diese folgen als Anhang von selbst.

Titel 128 § 45

§ 45. Leib-Schafe sind die von der Heerde zugezogene Schafe.

Titel 128 § 46

§ 46. Unter dem Wort „Vieh" sind, wofern nicht aus den Umständen ein anders erscheinet, auch Schafe begriffen.

Titel 128 § 47

§ 47. Unter Hof-Schweinen sind, wenn ein anders nicht hergebracht ist, einjährige Schweine zu verstehen, welche auf dem Hofe des Gutsmanns gezogen worden. Der Gutsherr wählet es gewöhnlichermaßen im Anfang des May-Monats, kann aber das Beste nicht wählen.

Titel 128 § 48

§ 48. Muß der Guts-Mann ein fettes Schwein liefern, so ist darunter nur ein mittelmäßig fettes zu verstehen.

Titel 128 § 49

§ 49. Die Meilen-Weite eines Orts vom andern ist nicht nach geometrischen Ausmessungen, sondern nach den gewöhnlichen Straßen und Fuhr-Wegen, und, wie es der Orten geschätzet zu werden pfleget, zu bestimmen.

Titel 128 § 50

§ 50. Die in denen Ehestiftungen der Bauers-Leute in Unsern Landen gewöhnliche Formul, daß die Braut zu dem Bräutigam als „Erbin seiner Güter" einfreye, oder die Braut dem Bräutigam „Haus und Hof zubringe", bedeutet eine errichtete Gemeinschaft der Güter, Kraft deren, wenn von den Eheleuten keine Kinder vorhanden, welchen der Hof gebühret, der überlebende denselben behält und darauf wieder heyrathen und auf die Kinder folgender Ehen bringen kann. Sind aber Kinder vorhanden, welchen die Erbfolge zustehet, so stehet gleichwol der hinterbliebene Ehegatte bis dahin, daß der Erbe zur Verwaltung tüchtig geschätzet wird, als Wirth dem Hofe vor, kann darauf wieder heyrathen und genießet demnächst den alten Theil.

Titel 128 § 51

§ 51. Wer mit dem Angriff in peinlichen Sachen beliehen ist, übet solchen allein aus und kann darin durch den peinlichen Richter nicht beeinträchtigt werden.

Titel 128 § 52

§ 52. Da dem Vernehmen nach über den Verstand des Worts „SelbstSchuldiger, „ Selb-Schuldig", wenn die Verpflichtung eines Bürgen dahin gerichtet ist, nicht einerley Meinung geheget wird, gleichwol dieses Wort, wie Uns berichtet worden, eigentlich den Haupt-Schuldner anzeiget, so kann bei dergleichen Bürgerlichen Verschreibungen, wenn sie auch schon auf „Selbst-Schuldigen Bürgen" gefaßet wäre, nicht anders angenommen werden, als daß der Bürge, wie es auch denen ältesten Rechten gemäß war, ebenso wie der wahre Haupt-Schuldner hafte und sich derer denen Bürgen sonst zustehenden Rechts-Wolthaten gegen den Gläubiger weiter nicht bedienen könne, als daß dieser auf dessen Verlangen ihm, jedoch ohne daß die Zahlung dadurch aufgehalten werde, sein Recht gegen den wahren Haupt-Schuldner zu übertragen verbunden sey.

Titel 128 § 53

§ 53. Die Worte, wenn dieser oder jener ein gewisses, z. E. das zwanzigste Jahr erreichet haben wird, sind nicht auf den Anfang, sondern dahin zu deuten, daß er solches Jahr erfüllet und zurückgeleget habe.

Titel 128 § 54

§ 54. Unter dem großen Vieh sind in Hud- und Weide-Sachen Pferde und Rindvieh, unter dem kleinen aber bloß Schafe und Schweine zu verstehen.

Titel 128 § 55

§ 55. „Heuer" und „Heuerling" kann nach Beschaffenheit der Umstände allerdings auch, so wie das Wort „Pacht", auf ein beständiges Recht genommen werden.

Titel 128 § 56

§ 56. Das Wort „Familie" kann auch bey Adelichen Personen und Geschlechtern, zumal wenn sie nicht im Lande begütert sind, auch sonst keine Anzeigen an Seiten desjenigen, der des Ausdrucks sich bedienet, solches wahrscheinlich machen, auf die männlichen Personen mit Ausschluß der weiblichen nicht eingeschränket werden, sondern die weiblichen sind darunter mit begriffen.

Titel 128 § 57

§ 57. „Forst, Wildbahn, Gehege" kann keine andre Erklärung annehmen, als daß darin sonst niemand zu jagen befugt sey. Und ein gleiches ist es von dem Wort „Thier-Garten" zu sagen.

Titel 128 § 58

§ 58. Wir vernehmen, daß es auch zweifelhaft sey, was unter „Erd-, Niet- und Nagelfest", zumal im Kauf und Verkauf der Häuser zu verstehen sey. Der Absicht aller Theile gemäß ist es aber nicht anders zu erklären als auf dasjenige, was so befestiget ist, daß es beständig also bleiben und mit dem Hause als ein Theil desselben verbunden seyn sollen, hingegen ohne Verletzung der Vollständigkeit des Hauses nach der Beschaffenheit desselben nicht weggenommen werden kann.

Titel 128 § 59

§ 59. Wenn in Verträgen oder Testamenten und Schenkungen bey der ausgelobten und bestimmten Summe Geldes keine Münz-Sorten ausgedrücket worden, so kann es allerdings bey denen in Unsern deutschen Ländern herrschenden verschiedenen Münzsorten Zweifel geben, welche darunter eigentlich zu verstehen sey. Erscheinet die Meinung des Testirers oder des Versprechers und Auslobers, und in zweyseitigen Verträgen beider Theile, so ist derselben allerdings nachzugehen. Sonst aber ist auf die Zeiten und Umstände wie auch die Größe der Summe zu sehen, um daraus die eigentliche Absicht wahrscheinlich zu beurtheilen. Gehet demnach die versprochene oder bestimmte Summe auf hundert Thaler und darüber, so daß sie zu einem zinsbaren Capitale anzuwenden stehet, oder entweder ein zinstragendes oder zu verzinsendes Capital, wie gemeiniglich geschiehet, dazu verbrauchet werden muß, als wie insonderheit alle Kauf-Gelder von unbeweglichen Gütern und liegenden Gründen anzusehen sind, so würde zwar von ältern Zeiten der Neue Zweydrittel-Fuß eintreten, welcher auch in Unserm Herzogthum SachsenLauenburg noch jetzo Statt finden muß. Nachdemmalen aber in Unsern übrigen deutschen Landen wegen der seltener gewordenen Zweydrittel-Stücke insonderheit seit den Zeiten des letzten Krieges auf gekommen, die Capitalien fast durchgehends in Pistolen zu belegen, so wird, so lange solches beybehalten wird, die Auslegung auf Pistolen zu fünf Thalem zu machen seyn. Bey Pacht-Geldern aber hat es eine andre Bewandniß. Denn da die Aufkünfte der Güter in dem in Unsern Landen im gemeinen Handel und Wandel eingeführten Cassen-Gelde von dem Pächter genossen werden, darnach auch der Pacht-Anschlag eingerichtet wird, so muß der Pächter das ausgelobte Pacht-Geld in Cassen-Münze bezahlen. Und ein gleiches ist von der Haus-Miethe zu sagen.

Titel 128 § 60

§ 60. „Kirch“- oder „Pfarr-Lehn" ist das Patronats-Recht über eine Kirche.

Titel 128 § 61

§ 61. Vor einer Obrigkeit „Recht geben und nehmen" zeiget den Gerichts-Ort an, wo ein Beklagter sich einzulassen schuldig ist.

Titel 128 § 62

§ 62. Unter denen Worten: „mit allen Rechten und Gerechtigkeiten" können die Gerichte, wenn sie nicht schon sonst dem Gute ankleben, verstanden werden.

Titel 128 § 63

§ 63. „Rente" bezeichnet den Genuß eines ab Seiten des Gläubigers unablöslichen Hauptstuhls.

Titel 128 § 64

§ 64. Schillings-Güter sind von andern Meyer-Gütern nicht unterschieden.

Titel 128 § 65

§ 65. Unter dem Vermächtniß der „Baarschaft" oder „ des baaren Geldes" sind die etwa vorhandene Schau- und Gedächtniß-Pfenninge, oder auch gesammelte seltne Münzen nicht, sondern nur solche bey Ableben des Testirers baar vorräthige Münzen begriffen, welche gänge und gebe sind und im Handel und Wandel gebrauchet werden. Was auch der Testirer davon zum Anlehn bereits versaget, ist unter das vermachte baare Geld nicht zu rechnen.

Titel 128 § 66

§ 66. Unter ein Vermächtniß von Juwelen und Geschmeiden sind auch ächte Perlen zu rechnen.

Titel 128 § 67

§ 67. Für „getreuen Briefs-Einhaber" ist nur derjenige anzunehmen, welcher zeigen kann, daß er rechtmäßig zu dem Besitz der Verschreibung gelanget sey.

Titel 128 § 68

§ 68. „Schaden" begreift die Entbehrung eines Vortheils und Gewinns nicht unter sich.

Titel 128 § 69

§ 69. Zu Weichbilds-Recht gehören die Bürger-Güter, welche an die Stadt-Cämmerey verschoßet werden, wenn schon der Stadt-Rath darüber gar keine Gerichtsbarkeit hat.

Titel 128 § 70

§ 70. Unter Verwandten können die bloß verschwiegerte auch in Familien-Stiftungen niemals begriffen werden.

Titel 128 § 71

§ 71. Da die Gold-Gülden bey Strafen nach dem Gerichts-Gebrauch unter deren wahren jetzigen Werth gerechnet werden, so lassen Wir es zwar dabey bewenden. Unsre eigne Gold-Gülden haben ihren bestimmten Preiß zu zwey Thaler Cassen-Münze. Was aber die in ältern Zeiten ausgeprägten anlanget, so sind dieselben nach Ausweisung der ReichsAbschiede von Zeit zu Zeit nicht von einerley Gehalt gewesen. Und darnach ist also deren Werth ausfündig zu machen.

Titel 128 § 72

§ 72. Ein Marien-Guldenistzu zwanzig Marien-Groschen zu rechnen.

Titel 128 § 73

§ 73. „Münze" ist ein Gegensatz von harten Reichs-Thalern und Zweydrittel-Stücken.

Titel 128 § 74

§ 74. „Habseligkeit" begreifet alles bewegliche Gut. Wohin jedoch auch die ausstehende Capitalien gehören.

Titel 128 § 75

§ 75. „Schuld", culpa, ist eine jede unrechtmäßige Handlung.

Titel 128 § 76

§ 76. Eine „große Schuld", welche außerhalb denen Verbrechen dem Betrüge und Vorsatz gleich geschätzet wird, ist bey demjenigen vorhanden, welcher weder seiner eignen Gewohnheit, Kenntniß und Erfahrung, noch denen allgemeinen, allen Menschen beywohnenden Kenntnissen, Erfahrungen und Grundsätzen (gemäß) handelt.

Titel 128 § 77

§ 77. „Bestrebung", diligentia, welche die Rechte in verschiedenen Geschäften erfordern, bestehet in Sorgfalt, Achtsamkeit und Auswählung derer zum Zweck dienlichen Mittel.

Titel 128 § 78

§ 78. Wen die Rechte zu einer nicht eingeschränkten Bestrebung verbunden halten, der darf es an keinem Theil der nöthigen Sorgfalt und Achtsamkeit ermangeln lassen, und er muß allen Fleiß anwenden, das beste zum Zweck dienliche Mittel zu erfahren und zu gebrauchen.

Titul CXXIX. Von Rechts-Regeln.

Titel 129 § 1

§ 1. Daß man schuldig sey, in Dingen, die Uns nicht schaden, dem andern aber Nutzen schaffen, nachzugeben, ist zwar für keine allgemeine RechtsRegel zu halten. Sie tritt jedoch alsdenn ein, wenn der einem Lande so nöthige Ackerbau oder sonst das gemeine Beste es erfordert.

Titel 129 § 2

§ 2. Das bloße Stillschweigen kann an und für sich keine Einwilligung, am wenigsten in nachtheiligen Dingen, und wenn es durch den bloßen Widerspruch nicht verhindert werden kann, anzeigen. Kann aber das vorzunehmende und dessen Fortgang durch den Widerspruch verhindert werden, oder wäre es auch jemand verbunden, sich desfalls heraus zu lassen, sodann ist dessen Unterlassung für eine stillschweigende Einwilligung anzusehen.

Titel 129 § 3

§ 3. Die bey Vereinigungen und Verträgen von den Rechts-Lehrern angenommene Regel, daß deren anfängliche Verbindlichkeit nur so lange daure, als die Rechte in demselben Zustande, wie sie Anfangs gewesen, bleiben, mögen Wir so schlechterdings für in Rechten gegründet nicht ansehn. Sie kann nur alsdenn Anwendung finden, wenn andergestalt einem dritten zu nahe geschehn würde, oder das Versprechen in Absicht auf den Besitz einer gewissen Sache geschehen, welche Wir hernach ohne Unsre Schuld verlieren oder nicht erlangen.

Titel 129 § 4

§ 4. Gleichfalls halten Wir die Regel, daß mit dem Recht des Gebenden auch das Recht des Empfangenden aufhöre, nicht durchgängig denen Rechten gemäß. Sie kann also nur in dem Falle eintreten, wenn keine Verjährung vorhanden; es kann auch dadurch der Fortlauf einer angefangenen Verjährung nicht gehemmt werden.

Titel 129 § 5

§ 5. Was vor Gericht geschlossen und vollzogen ist, muß so lange für bündig gehalten werden, bis ein wesentlicher Mangel erwiesen wird.

Titel 129 § 6

§ 6. Obgleich Unsre deutschen Länder aus verschiedenen Herzogthümem und Grafschaften bestehen, so ist doch bey der jetzigen Einrichtung mit denen öffentlichen Anzeigen niemand, welcher in einem Theil derselben sich aufhält, in Unsern Landen für abwesend zu halten.

Titel 129 § 7

§ 7. Gegen einen entweder in denen gemeinen oder Landes-Gesetzen gegründeten Rechts-Satz findet nur alsdenn eine Ausnahme Statt, wenn bey besondern Umständen das gemeine Beste ein anders erfordert.

Titel 129 § 8

§ 8. Es ist nicht anzunehmen, daß jemand das Seinige umsonst wegwerfen wolle, und die Billigkeit erfordert in denen Contracten und Verträgen eine solche Auslegung, daß ein jeder so viel wieder erhalten solle, als er dem andern gebe.

Titel 129 § 9

§ 9. Eine Veränderung ist nicht zu vermuthen. Es ist also zu glauben, daß der einstimmige Besitz oder Gebrauch beständig fortgedauert habe, wenn dieselbe Person oder deren Nachfolger sich noch dabey befindet.

Titel 129 § 10

§ 10. Ein jeder Erfolg oder That, wobey eine unrechtmäßige Handlung vorhergegangen ist, so daß daher erscheinet, warum es eher so als anders erfolget sey, ist demjenigen, der unrecht gehandelt, jedoch nur so viel die Schadens-Ersetzung anlanget, beyzumessen. Und eben dieses findet Statt, wenn auch eine unrechtmäßige Handlung überall nur vorhergehet, wenn es nicht klar ist, daß ohne dem dergleichen erfolget seyn würde. Und dieses findet auch in Ansehung der nicht vorherzusehenden, noch abzuwendenden Unglücks-Fälle Statt.

Titel 129 § 11

§ 11. Kein übler Erfolg aber kann demjenigen, der recht gehandelt hat, beygemessen werden.

Titel 129 § 12

§ 12. Auch andrer Personen unrechtmäßige Handlungen werden zugleich demjenigen beygemessen, aus dessen unrechtmäßiger Handlung erscheinet, warum eher das geschehen als ein anders erfolget sey.

Titel 129 § 13

§ 13. Wer einen andern durch Rath und Vorstellungen zu einer That bewogen und ihm desfalls Unterricht gegeben oder auch nur durch sein Lob und Beyfall vor geübter That die Sache gebilliget, dem ist die erfolgte That und alles weiter daraus entstandene beyzumessen.

Titel 129 § 14

§ 14. Wer etwas verwehren können und es zu verhüten und verwehren verpflichtet gewesen, es aber wissentlich unterlassen, der haftet dafür mit.

Titel 129 § 15

§ 15. Was die öffentliche Wohlfahrt, Ruhe und Sicherheit stöhret, ist ein jedes Mitglied des Staats, soviel an ihm ist, zu verhüten schuldig.

Titel 129 § 16

§ 16. Wer ohne gnugsame Prüfung, Erkundigung und Versicherung andre Personen zu einem gewissen Behuf erwählet hat, muß für dieselben einstehen.

Titel 129 § 17

§ 17. Wer dasjenige nachher genehmiget, was ein andrer in seinem Namen gethan hat, ist anzusehen, als ob er von Anfang Vollmacht dazu ertheilet hätte.

Titel 129 § 18

§ 18. Unrecht ist alles, was mit eines Menschen allgemeinen und besonderen Endzweck nicht übereinstimmet.

Titel 129 § 19

§ 19. Wer an einem ihn betroffenen Unfall mit einem andern gleiche Schuld hat, hat denselbigen sich selbst zuzuschreiben.

Titel 129 § 20

§ 20. Wenn die Rechte die Pflichten eines viri boni, rechtschaffenen Mannes, erfordern, so muß auch an keiner tugendlichen Pflicht ein Mangel seyn, sondern alles geleistet werden, was sowol die Ehrfurcht gegen Gott und unsre heilige Religion, wie auch der gemeine Nutze des menschlichen Geschlechts erheischet, als auch insbesondere daß desjenigen Glückseligkeit, mit welchem man durch einen Contract oder sonst in nähere Verbindung geräth, sofern es dessen eigne Kräfte nicht erlauben und es in des andern Vermögen stehet, in allem, was die nähere Verbindung angehet, bestmöglichst befördert werde.

Titel 129 § 21

§ 21. Derjenige, welcher etwas ausdrücklich versprochen und übernommen hat, muß dabey auch für das allergeringste Versehen einstehen, wenn sonst schon die Natur des Contracts es nicht erforderte. Die in den Rechten angenommenen Grade des Versehens und Bestrebens und die danach eingerichteten Rechts-Regeln finden also nur bey demjenigen Statt, was ein rechtschaffener Mann auch ohne besonders Versprechen zu leisten hat.



Date: