Landgerichtsordnung Kaiser Maximilians I. für das Erzherzogthum Österreich unter der Enns 1514 (Hye 1844) :: Elektronische Edition Heino Speer 2011/2013

XXLV. Beitrag zur österreichischen Strafrechts-Geschichte.

[S. 353] Vom
Herrn Dr. Anton Hye,
k. k. o. ö. Professor des Vernunft- und österreichischen Criminalrechtes an der Wiener Universität, k. k. Universitäts-, wie auch jurid. Facultäts-Archivar.

[Editorial]

Quelle: Anton Hye, Beitrag zur österreichischen Strafrechtsgeschichte, in: Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde, Jahrgang 1844, Erster Band, 353-386. Der in Fraktur vorliegende Text wurde mit Hilfe eines OCR-Programms transkribiert. Daher können — trotz aller Sorgfalt bei der Korrektur — typische Lesefehler stehengeblieben sein, etwa die Verwechslung von "1" und "l" oder von "s" und "f". Die vom Verfasser häufig verwendeten Sperrungen von Wörtern oder Sätzen wurden nicht übernommen. Sie sind aber in den Faksimiles einzusehen.
Heino Speer
Klagenfurt am Wörthersee 2011/2013.

[Einleitung]

Immer lauter und — fortschreitend in weiteren Kreisen ertönen die nur zu gerechten Klagen darüber, daß die literarischen Strebungen unseres engeren Vaterlandes — Oesterreich — sich noch immer ferne halten von rechtshistorischen Studien. Das vaterländische Recht, wie es ist, es erfreut sich unverkennbar nach fast allen Richtungen hin der umsichtigsten Bearbeitung, das will sagen, der Scharfsinn und die Dialektik ausgezeichneter Denker erschöpfen sich in der Bemühung, den Wortlaut unserer heimischenGesetze zu den feinsten Zuspitzungen juridischer Begriffsbestimmungen zuzurichten, aus der Combination der parallelen nicht blos, wohl oft auch der nach Ursprung und Tendenz heterogensten Gesetzes-Abtheilungen und s. g. Erläuterungen die subtilsten Distinctionen abzuleiten, und nach solchen Cynosuren, der Casuistik reichen Schooß auszubeuten, zugleich aber dieses positive Recht, so eben, wie es besteht, nach allen Kanten und Ecken, mit der zauberwirkenden Phrase "in seinem Geiste" zu rechtfertigen, nebenbei etwa sich auch noch in einer encomiastischen Herzensergießung über die, nach solcher Ansicht begreiflich immer nur sich selbst zeugende, nomothetische Weisheit zu ergehen. Diesen, wenn auch mannigfach überschwänglichen, Bestrebungen der vaterländischen Rechtsgelahrtheit im engeren und engherzigeren Sinne des Wortes möge, zumal [S. 354] aus dem vielgelobten praktisch-nächsten Gesichtspuncte, ihr Verdienst ungeschmälert bleiben! — Ja mehr noch! Wenn anders unsere Optimisten nicht ihr sanguinischer Seherblick täuscht, so dürften wir, nach den literarischen Erscheinungen der jüngsten Zeit, uns der Hoffnung hingeben, daß des großen Dichter-Genius weitgreifender Geißelschwung: "Es erben sich Gesetz' und Rechte
Wie eine ew'ge Krankheit fort;
Sie schleppen vom Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rücken sacht' von Ort zu Ort;
Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage;
Weh' dir, daß du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist, leider! nie die Frage!"
daß — wiederhole ich — diese herbe Welt-Kritik alsbald den wissenschaftlichen Arbeiten unseres Heimatlandes nicht mehr gelten könne. — Doch! wie es geworden, dieses Recht? — Wie es organisch sich selbst erzeugte? Wie es aus dem Leben des Volkes, und aus der, bald vorschreitenden, bald rückwärtsgehenden, Bildung des Staatswesens sich entwickelt? Wie es, so gestaltet, aus der Vergangenheit in die Gegenwart sich hineinlebte, weil es so kommen sollte, ja mußte? — Wie es daher wohl auch begrifflich gefaßt, geübt werden und gelten soll354.1? — Ja, wie es sofort in unaufhaltsamer Entwicklung des Menschen-, Volks-, Zeit-, und Weltgeistes in naher und ferner Zukunft werden mag, werden soll, werden muß, und werden wird? — davon wenige, fast gar keine Spur in der heimischen juristischen und staatswissenschaftlichen Literatur! —

Während das deutsche Gesammtvaterland unter den Bearbeitern der geschichtlichen Entwicklung der heutigen Rechtsinstitutionen seine ersten [S. 355] Koryphäen — Eichhorn355.1, Jacob Grimm355.2, Mittermaier355.3, Savigny355.4 — und vor Allen den die Rechtsgeschichte in genialster und aus noch höheren Gesichtskreisen fassenden Gans355.5 nennt; — während deutsche Wissenschaft dieser Richtung eine eigene, in den letzten Jahren leider nichtmehr so richtig vorwärts schreitende Zeitschrift insbesondere widmet355.6, und solcher Behandlung, zumal des deutschen Rechts, unverkennbar noch ein zweites Organ355.7 geöffnet, und in jüngster Zeit sogar einer neuen Phase, nämlich der Erhebung des Volksrechts, als Fortschritt des s.g. historischen Rechts, und als das durch das Volk erklärte Rechtsbewußtsein über das Gewohnheits- und Juristenrecht die Bahn gebrochen hat355.8; — während ferner die Literatur deutscher Rechtsgeschichte außer den älteren, immerhin anerkennungswürdigen Werken von Balthasar, Banniza, Bender, Coring, Dabelow, Dreher, Fischer, Frey, Gaupp, Gebauer, Glück, Heineccius, Hellfeld, Hummel, Kölle, König, Lindeloff, Malblank, [S. 356] Ortloff, Quistorp, Reitemayer, Rössig, Selchow, Senkenberg, Stein, Struvius, Wiarda u.m. a., — aus der neueren Zeit aber, mit vorzugsweiser oder ausschließender Berücksichtigung der Strafrechts-Geschichte, außer den schätzenswerthen Werken von Ed. Henke356.1 und Tittmann356.2, so wie neben manchen sehr verdienstlichen, theils selbstständig, theils in verschiedenen Zeitschriften erschienenen Beiträgen von Abegg, Biener, Birnbaum, Göschen, Jarke, Laspeyres, Meyer, Mittermaier, Reyscher, Wächter, Warnkönig, Weiske, Woringen, Zöpfl u.m.a., neuestens zwei, wenn gleich von einander in Anlage und Ausführung bedeutsam verschiedenartige, Meisterwerke von Roßhirt356.3 und Wilda356.4 aufzuweisen hat, liegt dieses Feld unserer heimischen Literatur seit langer Zeit fast unbebaut, ja wüst. — Läge es nicht vorzugsweise in dem Ehrenberufe gerade jener neuesten Rechtsschule, welche sich die Vermittlung des in sich Vernünftigen mit dem Wirklichen zur Aufgabe setzt, — und auch um uns in Oesterreich herum so lebhafte Anklänge und warme Sympathien findet, — an der Nachweisung der organischen Entstehung der ächt germanischen Institute unseres älteren Strafrechtes die Objectivität ihres vielverdächtigten Blüthemoments: "Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig" zu erwahren, das will sagen,an jenen Einrichtungen historisch zu bewahrheiten, "daß dasjenige, was in der Welt wahrhaft besteht, eben darin die Rechtfertigung einer ihm inwohnenden Vernünftigkeit trage?"

— Hic Rhodus, hic salta! —

Doch um von diesem Wunsche wieder zur nüchternen Wirklichkeit zurückzukommen, sei mir erlaubt, in gedrängter Rundschau die bisherigen [S. 357] Leistungen in Beziehung auf die Geschichte des österreichischen Strafrechtes vorüberzuführen. — Ein schon vorlängst aus dem Buchhandel verschwundener "Versuch einer Geschichte der österreichischen Strafgesetzgebung von J. Vollmayer, Wien 1804, eröffnete den Reigen, und schien dieser Bestrebung auch bei uns die Bahn brechen zu wollen; doch folgten ihm in selbstständiger Bearbeitung nur mehr zwei Schriftsteller, wenn gleich beide nur in sehr particulärer Beziehung, der Eine, nämlich Gräff, in seinem "Versuche einer Geschichte der Criminal-Gesetzgebung in der Steiermark, Grätz 1817"; — und späterhin Rapp in seinen reichen und trefflichen Mittheilungen über das älteste Straf- und Statutar-Recht der Grafschaft Tirol in den Beiträgen zur Geschichte, Statistik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg, 3., 5. und 8. Band, Innsbruck 1827-1832, welche vorzüglich schätzbar wurden durch den eben daselbst im 5. Bde., S. 131-161,geschehenen wörtlichen Abdruck der bis dahin außer Tirol ganz ungekannten "Malefizordnung Maximilians I. für Tirol v. Jahre 1499." — — Dasjenige, was Zeiller als "Grundzüge des österr. Criminalrechts" (in seiner Vorbereitung zur neuesten österr. Gesetzkunde 1. B. S. 90-98), und Jenull in seinen "Grundzügen zu einer philosophischen Geschichte des Strafrechts, mit besonderer Rücksicht auf Deutschland" (im 1. Bande seines österr. Criminalrechts, 2. Auflage, Grätz 1820, §§. 28-78), über das ältere Strafrecht, insbesondere der österr. Erbländer (S. 74 bis 75), so wie was neuestens Maucher in seinem "systematischen Handbuche des österr. Strafgesetzes über Verbrechen" (Wien 1844, I. Th. S. 12-15) über den Gegenstand der Frage zusammenstellen, wollte sich schon nach der Tendenz dieser Werke nur auf einen Auszug aus Vollmayr's und Gräff's o. a. Darstellungen beschränken. — Wohl aber muß Luksche mit seinen "Notizen von der polit. und Justizverfassung Mährens seit den ältesten Zeiten, Brünn 1808," so wie mit seinem "alten und neuen Rechte Mährens, Brünn 1818," in 2 Theilen; — und berichtigend, so wie ergänzend hierzu d'Elvert in dieser Zeitschrift 1829, I. S. 59-82 und II. S. 43 bis 62, für die Rechtsgeschichte überhaupt, — mindestens hinsichtlich jener einzelnen Provinz, mit Anerkennung genannt werden. Was jedoch an rechtshistorischen Notizen oder Andeutungen, vorzüglich durch [S. 358] vollständigen oder auszugsweisen Abdruck von Urkunden in den bekannten Geschichtswerken von Hormayr, Kurz, Buchholz, Lichnovsky und selbst Majlath's, so wie in den Regestensammlungen von Chmel mitgetheilt, und von Scheiger358.1, so wie in dem um vaterländische Geschichte so verdienstvollen, erst von Ridler, und später in veränderter Gestalt von Kaltenbaeck herausgegebenen, Archive, insbesondere von dem letztgenannten fleißigen Sammler, theils eben daselbst, theils in dem Salomon'schen Volkskalender "Austria", Jahrgänge 1842-1844, ferner in den Zeitschriften des Ferdinandeums von Innsbruck, des Museums von Linz, in der steiermärkischen, so wie in der Zeitschrift für Kärnthen, und in den inhaltreichen Wiener Skizzen aus dem Mittelalter von Schlager an Documenten oder Notizen strafrechtsgeschichtlichen Inhalts niedergelegt worden ist, mag wohl nur auf das Verdienst schätzbarer fragmentarischer Materialien zu einer systematischen Bearbeitung zu einer systematischen Bearbeitung der österreichischen Strafrechtsgeschichte Anspruch machen358.2. Nicht ohne rühmliche Hervorhebung darf endlich in dieser Richtung die Methode gelassen werden, nach welcher mehrere inländische Schriftsteller das Verständniß der einzelnen Gesetzesstellen vor Allem durch die Entwicklung aus dem Inhalte der nächst vorhergegangenen Gesetzgebungen zu vermitteln suchen. Unübertroffen steht in [S. 359] dieser Commentirungs-Methode noch immer Dolliner in seinem Meisterwerke über's österr. Eherecht. Für das Strafrecht gebührt der Lorbeer der Anregung zu dieser Erklärungsweise der bestehenden Gesetze dem ehrwürdigen Egger, indem er in seiner "kurzen Erklärung des österr. G. B. über Verbr. und schw. Poliz. Ueb., Wien 1816", ("diesem Schatze von mit musterhafter Kürze dargelegten feinsten Bemerkungen, durch welche die oft sehr schwierige Gränzscheidung der gesetzlichen Begriffe in den schärfsten Umrissen ausgesprochen ist359.1"), vor jedem einzelnen Hauptstücke mit umsichtiger Sorgfalt und (wie man aus näherer Prüfung erkennen wird) mit verständig feiner Auswahl die Citate derjenigen Stellen der nächstvorhergegangenen drei Legislationen zusammenfaßte, aus denen das neue Gesetz hervorgegangen. Bei einzelnen Fragen wurde diese lichtbringende Deductionsart von dem, für die Pflege der Strafrechts-Wissenschaft in Oesterreich so hoch verdienten Jenull mit gewohnter Meisterschaft, wenigstens bis auf die Theresiana zurück, sowohl in seinem mehrgedachten Commentar, als in mehreren, dieser Zeitschrift eingerückten, strafrechtlichen Aufsätzen durchgeführt, und ihm folgen nach dem Zeugnisse so vieler strafrechtlicher Abhandlungen, welche sowohl diese Zeitschrift, als auch der Jurist, gleichwie selbst Wessely's Themis enthält, übrigens wohl auch immer nur bis auf die Theresiana zurück, mit dem glücklichsten Erfolge vorzugsweise Kitka und Passy u. m. a. nach359.2. — Liegt nicht eben darin eine lebendige und [S. 360] thatkräftige Anerkennung von dem Bedürfnisse einerseits, und andererseits von dem hohen praktischen Nutzen der rechtsgeschichtlichen Bearbeitung des bestehenden Rechtes?! Möchten sich daher unsere jüngeren strebsamen juridischen Schriftsteller, möchten sich insbesondere unsere Lehramts-Candidaten doch auch dieser Strebung zuwenden! Doctrin und Praxis, die Wissenschaft und das Verständniß unserer Gesetze, die Erkennung der Vergangenheit und aus ihr auch unserer Gegenwart, so wie die Prognostik unserer Zukunft360.1, und das Rechtsleben werden gewiß den größten Gewinn daraus ziehen, und sie würde sonder Zweifel auch dem literarischen Ehrgeize weite Bahnen eröffnen! Könnte solche Bemühung nicht vielleicht selbst die Erichtung einer besonderen Lehrkanzel für Rechtsgeschichte anbahnen? — — Wie viele Lieblingsfragen der Neuzeit, gerade im Strafrechte, z.B. über Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des gerichtlichen Verfahrens; Geschwornen-Gerichte und Beweis-Normen; Zuständigkeit und Umfang der Strafgerichtsbarkeit; Anschuldigungsgründe und Indicienbeweis; — Sicherheitsmaßregeln und Cautions-System gegen Beschuldigte; — Vertheidigungs-, Instanzen-, und [S. 361] Berufungs-System; — Entbindung von der Instanz u. dgl. — würden im Lichte historischer Anschauung sich so ganz anders herausstellen, als man heut zu Tage nur zu oft mit einigen apriorischen Gemeinphrasen darüber urtheilt oder radotirt! — — Positives Wissen, gründliche Kenntnisse, eigentliche Fachgelehrsamkeit verschwinden leider — durch den polyhistorisch-encylopädischen Charakter der literarischen Leistungen und Strebungen unserer Zeit — immer mehr aus den selbstgestellten Berufsanforderungen für rechts- und staatswissenschaftliche Lehrämter; rechts- und staatshistorische Studien, tiefe, nachhaltige Studien jedoch würden noch am meisten zurücklenken auf die rechte Bahn, und jener Seichtigkeit, Oberflächlichkeit, Verflachung und Verwässerung ein Ziel setzen, die sich nur zu gerne mit hochtönenden Declamationen an irgend einem verbrauchten Gemeinsatz festklammert, vornehm vom Dreifuße herab die Schulweisheit eingelernter Scripten in überschwänglichem Pathos zerstreckt und zerfasert, und nur zu häufig gerade da wahrzunehmen ist, wo es sich um Erörterung der bedeutsamsten, tiefest in das Rechts- und Staatsleben der Vergangenheit und Gegenwart eingreifenden Fragen handelt. Diese Studien würden nebenbei vielleicht auch den hochwichtigen humanen und gemüthveredelnden Vortheil nach sich führen, daß man durch das Kennenlernen gediegener Leistungen Anderer auch fremde Verdienste anerkenne, und daß sich die hie und da maßlose Selbstüberschätzung vermindere; daß aus Kritiken und Beurtheilungen der Werke Anderer das naseweise Absprechen und verächtliche Vorhinein-Verurtheilen, ohne noch den fremden Standpunct gewürdiget und dessen Gründe geprüft zu haben; — daß sich jener wegwerfende und unbescheiden-demüthigende Ton über die Verdienste, zumal älterer, Schriftsteller verliere, daß ferner aus mündlichen und schriftlichen Erörterungen auch jene bombastische Autoritäten-Berufung verschwinde, die nur zu oft aus bloßem Nachreden nach Anderen, und gar so selten auf eigenen Studien und wirklicher Einsichtnahme der citirten Werke beruht, ja nicht selten anderen Schriftstellern Ansichten aufbürdet, die diesen schon ursprünglich völlig fremd waren, oder doch späterhin von ihnen wieder verlassen wurden! — Möchte diesem Vorworte keine andere Absicht unterschoben werden, als eine Anregung, und die herzlichste, gewiß nur die gute [S. 362] Sache im Auge haltende Aufforderung an unsere jüngeren Talente, daß sie der historischen Bearbeitung des vaterländischen Rechtes, der Aufdeckung und Darlegung seiner Entwicklung als volksthümliches und nationaleigenes Recht eine größere Sorgfalt weihen möchten, als es bisher geschehen ist! —

Man meine ja nicht, daß solche Forschungen blos für den Stubengelehrten ein Interesse haben: die Wissenschaft und Pflege des Rechtes, aber ungezweifelt auch die Fortbildung der Gesetzgebung werden den größten Gewinn hieraus ziehen362.1.

— Indem ich auf den eigentlichen Gegenstand der in der Ueberschrift dieses kleinen Beitrages angezeigten Aufgabe übergehe, kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, daß es mir von jeher auffiel, wie die oben angeführten Schriftsteller über österreichische Strafrechts-Geschichte, Vollmayr, Gräff, Zeiller, Jenull, und in jüngster Zeit selbst auch noch Maucher, fort und fort als den ersten geschriebenen vollständigen Strafcodex für Oesterreich unter der Enns die "Landgerichtsordnung Ferdinands III. vom 30. December 1656"362.2, und wie sie ferner als das erste geschriebene Strafgesetz in den österreichischen Erbländern überhaupt "die Landt- und peindlich Gerichtsordnung für das Fürstenthumb Steier Carls II. vom Jahre 1574"362.3 bezeichnen, während der fleißige Denis in seiner, doch schon im Jahre 1782 in Wien bei [S. 363] Wappler erschienenen Buchdruckergeschichte Wiens an mehreren Stellen, nämlich Seite 378, Nr. 394, S. 399, Nr. 417, S. 440, Nr. 455, und S. 522, Nr. 539 einer gedruckten "Landgerichtsordnung Maximilian des I. für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Enns ddto. Gmunden den 21. August 1514" in fünf verschiedenen Ausgaben Erwähnung thut, und fernerhin auf S. 637, Nr. 675 eine "Landtgerichtßordnung,ganz criminalisch für das Herzogthumb Krain, und die angeraichten Herrschaften, ddto. Wien 18. Februar 1535", so wie S. 682, Nr. 735 eine "Landtgerichtsordnung Ferd. I. für das Ertzhertzogthumb Oesterreich des Lanndts ob der Enns ddto. Wien den 1. October 1559", beide gleichfalls in Wien gedruckt, und auf hiesigen Bibliotheken vorfindig, aufführt.363.1 — Vor der Hand sei mir erlaubt, von den zwei letztgedachten rechtshistorisch-wichtigen, wie selbst typographisch-seltenen Schätzen abzusehen363.2, deren Abdruck oder auszugsweise und vergleichende Mittheilung vielleicht einem künftigen Beitrage vorzubehalten, und mich hier einstweilen auf die erstere beschränken. Sie ist ohne Zweifel die vergleichsweise wichtigste von den obgedachten drei Codificationen, nicht nur weil sie die älteste derselben ist, und den beiden anderen, wie sich aus einer auch nur oberflächlichen Inhaltsvergleichung ergibt, sichtbar zum Vorbilde diente, sondern insbesondere darum, weil sie älter ist, als die C. C. C. von 1532, und selbst als die brandenburgische Halsgerichtsordnung von 1516. [S. 364] Eben dadurch mag sie zur Erweiterung des Studiums der Quellen und Hilfsmittel der Carolinga führen, und in die beziehungenreiche anziehende Polemik: "ob dem Verfasser der letzteren [außer den jetzt wohl zweifellosen Quellen der Bambergensis (1507), und Brandenburgensis"(1516) und den beiden früheren Projecten von 1521 und 1529354.1] hierbei auch "Tengler's Laien-" und "Brand's Klag-Spiegel", "Torquemada's Instruction für das heilige Officium von den Jahren 1484 und 1488", — "die oftgedachte tirolische Malefizordnung von 1499"; und die "Halsgerichtsordnung für die Stadt Ratolphzell von 1506"; — so wie so manche andere Privatarbeiten, Rechtsbücher und Stadtrechte vorgeschwebt haben mögen364.2?" — — nunmehr auch noch den Erisapfel hineinwerfen, ob denn bei der Berathung der mit der Verfassung der Carolinga betrauten Redactions-Commission auf dem Reichstage zu Worms nicht insbesondere auch jene Landgerichtsordnung vorgelegen habe, welche derselbe hochherzige Herrscher früher schon im eigentlichen Stammlande seiner Erbstaaten eingeführt hatte, auf dessen Befehl (1497 bis 1500 und 1507) ja eben jene Gesetzgebungs-Arbeiten am deutschen Reichstage mindestens beginnen sollten, und der wohl auch nach dem Zeugnisse älterer Schriftsteller364.3 entschieden mit dem Plane umging, das große, durch den Wormser Reichstag von (März - August) 1495 zu Stande gekommene Werk des ewigen Landfriedens, der unbedingten Aufhebung des Fehderechts, der Einführung des Reichskammergerichts und der Kammergerichtsordnung (von 1500) [S. 365] auch noch durch ein eigenes Criminal-Gesetz für alle Gauen des deutschen Reiches zu vervollständigen? — Nach ihrem gemeinsamen Ausgange von demselben Gesetzgeber sowohl als nach ihrem Inhalte stimmt diese Maximilianische Landgerichtsordnung für Oest. u. d. E. von 1514 vielfach überein mit der ofterwähnten tirolischen Malefizordnung, und sie haben zusammen dem überall Ordnung schaffenden Friedenswerke Maximilians wenigstens in zweien seiner Erbstaaten, nämlich in seinem Herzens-Lande, wie er sein Tirol zu nennen pflegte, und in dem Urkern-Lande der heutigen Monarchie die Krone der Vollendung aufgesetzt.

Maximilian hatte aber damit zugleich die Bahn gebrochen für die Bildung und Erlassung von Gesetzen, als vom Herrscher ausgehend, — d. h. für die Legislation im modernen Sinne, welche unter seinem Nachfolger Ferdinand I. so breit getreten, und nach allen Zweigen der inneren Staatsverwaltung ausgedehnt wurde, so daß wir eben diese Periode zugleich als die Anfangs-Stadien unserer vaterländischen Gesetzgebung nach heutiger Auffassung erkennen können.

Das erwähnte wichtige alte Gesetz von 1514 kommt nun in verschiedenzeitigen Ausgaben vor, die übrigens heut zu Tage schon allesammt zu den antiquarischen Seltenheiten gehören.

Die erste derselben ist in Quart, gedruckt ohne Angabe des Verlagsortes und ohne Datum, so wie ohne Paginierung, unter dem Titel: "Hierinne sein die Arttigkl der Lanndtgericht des Fürstentumb Osterreich durch die Romisch Kayserlich Mayest etc. aufgericht"; und enthält nebst dem ausserdem unbedruckten Titelblatte noch acht Blätter, am Schlusse mit dem Datum: Gmunden den 21ten Tag des Monats August nach Christi Geburt 1514. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie schon im Jahre ihrer Kundmachung (1514) gedruckt, — ob in Wien? bezweifelt Denis l. c. S. 399. — Von dieser ersten Ausgabe ist ein gut erhaltenes Exemplar im Archive der k. k. vereinigten Hofkanzlei aufbewahrt. — — Die zweite Ausgabe führt den Titel: "Ordnung und artickhl der Lanndtgericht des Ertzherzogthumb Osterreych vnnder der Enns durch die Römisch Kayserlich Mayestat etc. auffgericht." Ohne [S. 366] Druckort, am Schlusse zwar mit dem früheren Datum "Gmunden den 21. August l514", auf dem Titelblatte aber mit der Jahreszahl 1536, welche daher ohne Zweifel das Jahr des Druckes anzeigt; in kl. Fol. auf sieben Blättern, ohne Paginirung. — Von dieser Ausgabe befindet sich ein sehr reines Exemplar auf der k. k. Hofbibliothek, zusammengebunden mit 27 anderen gedruckten Gesetzen und Ordnungen aus dem sechzehnten Jahrhundert in Einem starken Foliobande. Dieselbe ist übrigens, abgesehen von einigen Abweichungen in der Orthographie, wörtlich gleichlautend mit dem ersten Abdrucke. — —

Von der dritten, übrigens mit der gleich nachfolgenden vierten wörtlich gleich sein sollenden Ausgabe, nur daß sie bereits 1540 in Wienn von Hanns Singrijener gedruckt sein soll, spricht Denis l. c. S. 399. Ich konnte sie jedoch nirgends zu Gesicht bekommen.

Die vierte Ausgabe führt den Titel: "Reformation vnnd ernewerung der Lanndtgerichtsordnung, so weilendt Kaiser Maximilian hochlöblicher gedechtnüß im Ertzhertzogthumb Osterreych vnnder der Enns aufgericht hat". Am Schlusse mit dem Datum: Wien, den 12. Jänner 1540, und auf dem Titelblatte mit der weiteren Bezeichnung: "Mit Ro. Khünigklicher Maiestat Gnad vnd Priuilegien. Gedruckt zu Wienn durch Mattheum und Johannem Singriener 1549"; ebenfalls in kl. Fol. u. 7 unpaginirten Blättern. — Auch von dieser Ausgabe befindet sich ein Exemplar auf der k. k. Hofbibliothek, und ist dem eben früher genannten Folianten als erstes Annexum beigebunden. Ich selbst besitze aber ebenfalls ein Exemplar davon.

Endlich spricht auch schon Denis l. c. S. 522 noch von einer fünften durch Johannes Singriener in Wienn anno 1555 gedruckten Ausgabe, die sich übrigens wieder nur auf einen wörtlichen Abdruck der eben geschilderten vierten Ausgabe, sogar mit ängstlicher Beibehaltung ihrer Seiten-, Zeilen- und Sylben-Abtheilung beschränkt, und wovon ein Exemplar im Archive der k. k. vereinigten Hofkanzlei, ein zweites auf der Stiftsbibliothek von Klosterneuburg vorhanden.366.1. [S. 367] Ich lasse nun im Nachstehenden von dieser Maximilianischen Landgerichtsordnung ddto. Gmunden den 21. August 1514 einen buchstäblichen Abdruck, und zwar nach der ersten obigen Original-Ausgabe, also mit Beibehaltung der ursprünglichen Orthographie folgen, und habe nur in den Anmerkungen die Abänderungen und Zusätze beigefügt, welche die erwähnte durch Ferdinand I. unterm 12. Jänner 1540 vollzogene Reformation dieser Landgerichtsordnung an ihr vorgenommen hatte, ebenfalls wörtlich und orthographisch getreu, nach der oben bezeichneten vierten Ausgabe. — Nur die Zahlen-Bezeichnung bei den §§. rührt von mir her, indem das vor mir liegende Originale am Anfange jedes mit einer neuen Zeile beginnenden Absatzes nur das alte Paragraph-Zeichen [...] ohne Ziffer enthält. Daß jedoch durch die beigesetzte Numerirung nur eine leichtere Uebersicht, Berufung und Auffindung gewonnen werde, ist wohl bei ähnlichen Vorgängen Anderer schon zu oft anerkannt, als daß ich sie erst zu rechtfertigen hätte.

Ich enthalte mich, um nicht dem Urtheile jener Leser vorzugreifen, denen vielleicht selbst das Dasein dieses alten Criminal-Codex völlig unbekannt war, wenigstens vorläufig jedes Commentars, sowie jeder vergleichenden Zusammenstellung mit der Carolinga, und mit der tirolischen Malefiz-Ordnung, obgleich der interessanten Vergleichspuncte, zumal mit ersterer so viele vorhanden wären, und erlaube mir nur, die Aufmerksamkeit dieser Leser auf einige der wichtigsten Bestimmungen hinzulenken.

Das Kundmachungs-Patent erklärt uns, daß der Landesfürst diese Ordnung aus Anlaß der Statt gehabten Irrungen über das, was in Landgerichtsfällen geübt werden soll, mit gemeiner Landschaft Vorwissen und Gütn willen gegeben habe.

Die ersten 29, so wie die §§. 49 bis einschließig 55 umfassen dasjenige, was wir heute die "Strafproceß-Ordnung" nennen, worauf bekanntlich die älteren deutschen Strafgesetze mit Grund um viel mehr Gewicht legten, als auf den s. g. materiellen Theil, das [S. 368] eigentliche Strafrecht (was als Verbrechen gelten, und wie es bestraft werden soll?), wovon in dem vorliegenden Gesetze die §§. 30-48 handeln.

Der §. 14 hat wohl als Regel den accusatorischen Proceß festgestellt, so wie überhaupt mehr den privatrechtlichen Charakter des Strafrechtes hervorgehoben, wie dies auch in den §§. 23, 25 (hier überdies mit Anklängen an die Blutrache, und an das Compositionen-Wesen) und 44 geschehen ist: jedoch schon der §. 16 hatte den Zusatz gemacht, daß dort, wo kein Kläger ist, der Landrichter bei eigener Strafe keinen Verbrecher ungerechtfertigt lassen soll, also — zur Completirung den inquisitorischen Strafproceß beigefügt. — außerdem beruhte die Verschiedenheit des Verfahrens auch hier, wie bekanntlich in allen alten deutschen Strafrechten, auf der natürlichen Unterscheidung, ob der Landrichter den Uebelthäter auf frischer That ergreift ("mit offenbarer beweislicher tat erfaren wurd"), oder nur auf Grundlage von Inzichten gegen ihn einschreitet ("sunder allein ain gemain ungeferlich zicht red: od verdacht über im habn wurdt"). Dies beweiset vor Allem der §. 1, und im Zusammenhange damit wohl auch der Inhalt der §§. 2, 3, 4 u. m. a.

Die Folter (peinliche Frage — oder Gichtigung) ist zwar, als im Rechte bestehend, von dem Gesetze vorausgesetzt (§§. 4, 8, 9, 17 u. 22), Allein sie sollte nach eben diesen Gesetzesstellen nur bei vorhandenen dringenden Inzichten, und nur in Gegenwart des versammelten Gerichtes, so wie erst nach vorläufiger Anzeige an den Grundherrn des Verbrechens (i. d. des Beschuldigten) vorgenommen werden dürfen, welchem frei stand, dabei selbst, oder durch einen Abgesandten gegenwärtig zu sein. Schon in diesem §. 8, gleichwie noch allgemeiner im §. 52, hatte das Gesetz dem Patrimonialherrn oder dessen Beamten das wahrhaft patriarchalische Officium zugewiesen, als Schützer seiner eines Verbrechens verdächtigten Unterthanen bei dem ganzen Strafprocesse gegenwärtig zu sein, und so dem gutsherrlichen Verhältnisse eine eben so erhabene als gemüthvolle Weise zu imprägniren gesucht.

Alle eben bezogenen §§., in Verbindung mit den schon früher bezogenen §§. 1-3, sind aber zugleich eben so viele Zeugen für die eifrig humane Sorgfalt des Gesetzgebers, den Beschuldigten gegen die [S. 369] Willkür des Richters in Schutz zu nehmen, und eben diese Tendenz hatte die wichtige Abänderung des §. 2 dictirt, die mit der, anmerkungsweise unter diesem §. hinzugefügten Reformation, Ferdinands I. herbeigeführt worden ist.

Von vorzüglicher Wichtigkeit in dieser Hinsicht ist der Inhalt der §§. 9 und 28, wornach das Landgericht, vor welchem alle einzelnen Gerichtsacte, und insbesondere auch die peinliche Frage vorzunehmen waren, aus dem Landrichter und noch mindestens sechs verständigen und tauglichen Personen zusammengesetzt sein sollte.

Dagegen lag dem Gesetze nicht minder die öffentliche Sicherheit am Herzen, und es sollte, vermöge der §§. 3, 4, 5, 12, 13, 14, 16, 17, 23 und 48, nach Möglichkeit kein Verbrechen unverantwortet und ungerechtfertiget bleiben, und kein Uebelthäter oder Verdächtigter ohne Urphehde (Abschwörung aller feindseligen Gesinnung und Rache) entlassen werden, so wie denn insbesondere auch der zweite durch Ferdinand I. an dieser Landgerichtsordnung verfügte Reformationspunct (nach Inhalt der Anmerkungen zu den §§. 25 und 26), in Beziehung auf gewissere Bestrafung der Todtschläge und strengere Nachweisung der oft ungegründeten Nothwehrs-Entschädigung, auf ebendieser Rücksicht beruht. — Nur die, freilich im Geiste der Zeit gelegene Rücksichtnahme bei Geltendmachung des Strafrechtes auf des Klägers und Beschuldigten Standes- und persönliche Verhältnisse, wie sie in den §§. 11, 13, 24 angedeutet ist, kann aus dem Standpuncte der Gerechtigkeit — der Gleichheit des Rechtes für alle Staatsangehörigen — um so weniger gut geheißen werden, als diese Gesetzesstellen nur zu deutlich der Parteilichkeit des Richters ein Hinterpförtchen offen ließen, um vornehme oder irgendwie einflußreiche Personen, selbst für die größten Verbrechen, straflos, oder höchstens mit einer unempfindlichen Geldbuße durchschlüpfen zu lassen.

Die Beweistheorie wurde (im §. 49) mit der einzigen Bestimmung abgethan, daß Verbrechen (Malefizhändel) nicht gestraft werden sollen, außer wenn sie sich "zu dem Beschuldigten ernstlich, wahrlich und glaublich erfunden hätten;" womit also der subjectiven Ueberzeugung (conviction intime) der Richter ein sehr freier Spielraum eingeräumt war.[S. 370]

Dagegen war dem civilrechtlichen Momente des Strafprocesses, der Zurückstellung des durch ein Verbrechen entzogenen Gutes, und Vergütung sonstigen Schadens (dem späterhin sogenannten Adhäsions-Verfahren), so wie der Gerichtskosten laut der §§. 14, 15, 18, 21 und 23 die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet, und selbst das (Contumacial-) Verfahren gegen flüchtigen Verbrecher wurde im §. 29 einer allgemeinen Cynosur gewürdiget.

In Beziehung auf den materiellen Theil dieses Strafgesetzes bleibt merkwürdig, daß der Gesetzgeber nach Inhalt der §§. 30, 50, 54 und 58 unverkennbar durch eine taxative Aufzählung aller landgerichtsmäßigen Händel, also durch qualitativ und quantitativ erschöpfende Bestimmung dessen, was als Verbrechen anzusehen, und zu bestrafen sein soll, die richterliche Willkür abschneiden wollte, dann aber durch die Aufnahme der umfassenden Bestimmung des §. 48 die ganze Wohlthat wieder paralysirte. Oder wird etwa durch eine solche Norm, "wornach der Richter [unter dem Titel leicht zu schmiedender Analogien] jede an sich unrechte Handlung, welche zwar im Gesetze nicht ausdrücklich bedacht wurde, allein einer daselbst beschriebenen ungefährlich gleich ist, billich und rechtmäßig (nach seinem subjectiven Ermessen) als Landgerichtsfall (Verbrechen) ansehen mag" das früher erfolgreich bekämpfte Ungethüm richterlicher Willkür nicht wieder unter der Gestalt einer vielköpfigen Hyder heraufbeschworen? Und doch finden wir diese unbegreifliche Bestimmung sich vererben auf alle folgenden vaterländischen Provinzial-Landgerichtsordnungen, selbst auf die erste einheimische Gesammt-Strafgesetzgebung (die Constitutio crimina1is Theresiana von l768, Art. CIV)! — Erst Josephs Scharfblick und Gerechtigkeitssinn hatte, wenn gleich in's andere Extrem (der s. g. buchstäblichen Auslegung) übergreifend mit dem §. 13 seines St. G. B. über Verbrechen vom 13. Jänner 1787 den Nerv solcher verhängnißvollen Richter-Omnipotenz erdrückt, und jene wohlthätige Gesetzesbestimmung angebahnt, die wir im Art. VI. der Einleitung unseres gegenwärtigen Strafgesetzbuches vom 3. September 1803 verwirklichet sehen.

Eben so bemerkenswerth ist es, daß die umsichtige Aufzählung der für Malefizhändel erklärten Handlungen nirgends von der Strafbestimmung Erwähnung thut, und daß sohin unser [S. 371] vorliegender Strafcodex die Bestimmung: "wie all' diese Verbrechen bestraft werden sollen, ob nämlich, wie der §. 29 andeutet, 'allein die Strafe des Leibes', oder die Strafe 'Leibs und Guts'; — oder nach den schon berufenen §§. 11 und 13 eine 'Verwandlung der Leibesstrafe in Geldstrafe' Platz greifen soll" — in das freie Ermessen des Richters gestellt, und ihm sofort überlassen hat, "zu erkennen, was (nach Herkommen und Gerichtsgebrauch) Recht ist" arg. §§. 23, 25, 26, 28, 43, 44, 48, 49, 50, 53, 55, 57 etc.).

Was die Reihefolge der in den §§. 30-47 aufgezählten Verbrechen selbst betrifft, so hat sie unverkennbar unseren sämmtlichen vaterländischen Gesetzgebungen der späteren Zeit als Vorbild gedient, und erschöpft ungefähr das Gebiet selbst der heut' zu Tage noch als Verbrechen erklärten Handlungen; hierbei aber hat der Gesetzgeber die Begriffsbezeichnung der einzelnen Verbrechen regtelmäßig mit Einem Kernworte ausgedrückt, und die Subsumtion der vorkommenden Fälle unter diese Definition wieder der selbsteigenen Interpretation und Entscheidung des Richters, nach Maßgabe des allgemeinen Sprachgebrauches, anheimgestellt. — Wie sehr aber diese Gesetzgebung schon damals von dem für die Entwicklung des deutschen Strafrechtes so bedeutsamen Gesichtspuncte geleitet worden, dasselbe nicht blos auf eigentliche Rechtsverletzungen zu beschränken, sondern auch auf Handlungen gegen Sittlichkeit und Religion auszudehnen, bewähren unter andern am lebenskräftigsten die §§. 35, 41 u. 45, wenn sie die "Selbstentleibung, die Unzucht mit dem Viehe oder mit gleichem Geschlechte", und "die Entweihung von Kirchen oder Friedhöfen durch Rumor, Fechten oder Blutvergießen in denselben" zu Verbrechen qualifizieren. — Eine der denkwürdigsten Bestimmungen ist gewiß jene des §. 35 über den Selbstmord, weil sie uns, zumal in Verbindung mit den Parallelstellen in den §§. 19 und 20 darlegt, mit welcher Behutsamkeit und Umsicht der Gesetzgeber schon damals auf jene Seelenstörungen und körperliche Krankheiten Bedacht nahm, welche die Imputation aufheben! — Doch wozu eine weitere Hervorhebung solcher Einzelnheiten? Dem Einen wird dies, dem Andern jenes wichtiger dünken! Das Gesetz spreche für sich selbst! [S. 372]

Wörtlicher Abdruck

der Landgerichtsordnung K. Maximilian des I. für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Enns, ddo. Gmunden den 21. August 1514. Nach der ersten (oben näher beschriebenen), wahrscheinlich noch im Jahre l514 gedruckten, Ausgabe:

Hierine sein{n} die Arttigkl der Lanndgericht des Fur
stentumb Oesterreich durch die Romisch Kayserlich Maie
stat etc.aufgericht.
372.1

Wir Maximilian von gots genad{e}n Erwelter Romischer Kayser zu allen czeit{e}n merer des Reichs in Germanien zu Hungern Dalmacien [S. 373] Croacien etc. Kunig Ertzhertzog zu osterreich Hertzog zu Burgundi zu Brabant vnnd Phaltzgrave etc. Bekennen offenlich mit disem brief vnnd thun khu{n}t allermenigklich. Als zwisch{e}n den Edln Ersemen geistlichen vnsern andeichtig{e}n vnd lieben getrewen. N. ettlich{e}n herr{e}n an ainem. Vnnd den von Prelet{e}n Ritterschafft vnd Stetten: annderstails vnsers fürstenthumbs Osterreich vnder der Enns der Landgericht halb{e}n: wie vnd in was hendln die geuebt werd{e}n sull{e}n: bisher irru{n}g gewest ist; die wir auf baid' fail: als gemainer landschafft vndertenig bitt fur hand genom{e}n: nach billichait bewegen vn{d} bedacht: das wir demnach sollicher 1andgericht halb{e}n mit bayder partheyn{n} vorwissen vn{d} gutt{e}n willen: ordnu{n}g gemacht gegeben vn{d} aufgericht: die wir auch in vnsern selbs Landtgericht{e}n also zu leid{e}n v{n}d zu halten beslossen vn{d} angenommen hab{e}n: das auch wissentlich mit dem brief nach folgender maynung.373.1. [S. 374]

[§. 1.]

Von erst Wo vnnd wan ain yeder landtrichter ainen oder mere vbeltatter oder verprecher mit offennbarer beweislicher tat erfarn wurd: das er den oder dieselben gestraks vnbefragt des Tatters oder verprechers. herren oder desselb{e}n Pflegers. Richter oder Ambtmans annemen soll vn{d} mag: doch wan er also angenomen ist. so sol der Lanndrichter solhs des gefang{e}n herr{e}n oder seinen Phleger Richter oder Ambtman dannoch verkunden vnd als dann der selb her oder sein Pfleger Richter oder Ambtman dem Landtrichter darin nit irrung thun wo vnd wan aber ain Lanndtrichter aine{n} Tatter oder Verprecher nit an offenbarer beweislicher tat betret{e}n. Sunder allein ain gemain vngeferlich zitht red: od verdacht vber im hab{e}n wurdt. so sol ain Landtrichter den selben verdachtn nit also gestracks annemen, Su{n}der zuvor des verdacht{r}n herr{e}n od{er} seine{n} Pfleger Richter oder Ambtma{n} glaubwirdig Indicien vnd anzaig{e}n furbringen dar aus zenemen das die zicht gegrund sey.

[§. 2.]

Vnd so das befunden wirt. so sol der herre sein Pfleger, Richter od' Ambma{n} de{n}selb{e}n Tatter od' Verprecher antwurten an die end [S. 375] wie dan aines yeden Landma{n}s gebrauch vn{d} herkome{n} vermag. (Doch den selben Tatter oder Verprecher. so er ym also vo{n} dem Landrichter gemeldet vn{d} anzaigt wierdet. khains wegs warnen hinschieb{e}n noch geferlich weegkhomen lassen.375.1

[§. 3.]

Des gleich{e}n wo ain Lanndtrichter eines Tatters od' Verprechers nit bericht. vn{d} aber ain Landma{n} oder sein{n} Phleger Richter od' Ambtma{n} ainen solh{e}n Tatter oder Verprecher auff seinem grundt gepiet oder verwalltung erfarn oder vernemen wurdt. so sol yn der selb Lanndtman sein Phleger Richter od' Ambtma{n} aber dem Landtrichter antwurt{e}n an doe end wie aines yed{e}n Landtma{n}s geprauch vnd herkomen ist.

[§. 4.]

Wo dann ain Lanndtrichter ainen Tatter oder Verprechen so Jm beruerter gstalt geantwurt peinlich frag{e}n, vnnd aber der selb Tatter oder Verprecher nit so vil bekente das er zum tod gericht, vnd deshalb mit dem leben ledig gelassen wurd. so sol doch der Lanndtrichter ainen sollichen gefang{e}n nit ledigen. dan mit des her{n} Phlegers Richter oder Ambtmans. von dem der tatter geanntwurt wor wissen, vn{d} das der [S. 376] selb in des Tatters vrfehd oder ander weg auch notdurfftigklich versichert werd.

§. 5.

Wan vn{d} so offt aber ain Landtman Pfleger Richter oder Ambtmann dem ain Tatter oder verprecher zugehort oder in des grundt oder verwalltung er betreten wurd. dem lanndtrichter den tatter oder verprecher auf offenbar beweislich tot nit volgen lassen: oder aine{n} Tatter oder verprecher auff glawbwirdig zicht verdacht vn{d gegrundt Jndicien. oder so er ainen Tatter oder verprecher selbs erfarn vn{d} begreiffen dem Landtrichter nicht antwurt{e}n dar inn irrung oder verhindrung thun oder den tatter oder verprecher warnen hinschieben oder den tatter geferlich hinkomen lassen wurd. der selb herr oder landtman Phleger Richter oder Ambdman sol alczeit dem Landtrichter zway und dreyssig pfundt pfennig peenfall vnableslich zu bezal{e}n verfall{e}n vn{d} schuldig sein. vn{d} dannoch so ainich gefard dar inn gespurt oder erfar{e}n wurdt in vnser als Landsfürsten strafft vnd peen steen.

§. 6.

Jtem in welch{e}n der obberurt{e}n weeg ayn Landtrichter ainen Tatter oder verprecher annemen wurdt. so sol vnd mag das bescheh{e}n Nemblich ob der Tatter oder verprecher haymisch vnd ain Angesessner oder Jnwoner war. alsdan allain wie er mit Gurtl vmbfangen ist: wo er aber ain Frembder oder Streych{e}nder tatter oder verprecher wer alsdan mit leib vnd gutt.

§. 7.

Vnd welcher gestalt also ain tatter oder verprecher betrett{e}n vnd angenomen wirdet: so sol der Lanndtrichter mit im hanndln wie recht ist.

§. 8.

Vnnd ob er mit peinlicher frag gegen im furnemen wurd. so sol er das dem herren oder Pfleger Richter oder Ambtman dem der tatter oder verprecher zugehort oder in des grundt oder verwaltung er betretten wurden verkunden. der mag alsdan ob im gemaint ist selbs od' durch yemand von seinen wegen zu der peinlichen frag vnnd dem rechten khomen vnd die vernemen.

§. 9.

Vnnd nicht destermynder sol der Lanndtrichter aufs wenigist bis [S. 377] in sechs p[er]son die darzu verstendig vn{d} teiglich sein aus dem Landtgericht od' wo er die nit fund von Ambtlewten Stetten, Merckhten in der nechend zu im fordern vn{d} entpiten vnd in der selben gegenwurttigkait vnd mit irm rat die peinlich frag furnemen.

§. 10.

Vnd nach dem sich bisher mag begeben habt{e}n. das die Tatter od Verprecher so zu straff leibs vn{d} lebens schuldig befunden vnd geurtailt etwo auf treffenlich getrew furbet od' abtrag zeittlichs guts solcher straff geledigt in ansehung ettlicher bewegnuß vn{d} vrsach{e}n so yeczuzeit{e}n an aines Tatters oder Verprechers person schicklichait frundtschafft od gestalt seiner handlung vn{d} tat gemerckt vn{d} befund{e}n werd{e}n mug{e}n sein. wiewol nu hierin beswerlich ist mass zu seczen. sond' die Recht ainen yed{e}n Landman der Landgericht hat weisen wie er sich darin nach gutter conscienz vnd gewissen hallten. vnnd nemblich das zeittlich gutt nit on besonnder vrsach fur das Recht vnd die rechtlich straff seczen sol.

§. 11.

So ordnen wir doch hiemit zu merer vnderricht vnd verstanndnus der sach{e}n. wo ain Landman der Landtgericht hat an einem Tatter oder verprecher auf sein bekanntnus vor der vrtel solch aigenschafft oder vrsachen seiner p{er}sonn schicklichait fruntschafft od' handlung vn{d} tat mercken vnd befinden wurd. das derhalb{e}n mit leiblicher straff mitleiden mit ym zutrag{e}n. vnd solch leiplich straf in abtrag treffenlicher getrawer furpet. Oder ains zimlichen zeittlichen guts zukern wer. so mag solhs bescheh{e}n. vnd der Tatter oder Verprecher darauf des rechten vnd der Vrtl entlad{e}n vnd erledigt werd{e}n. Doch das wie obsteet die gedacht{e}n Aygenschafft vrsachen vn{d} bewegnus nach des Landtman der Landgericht hat. gut{e}n Consciencz betracht vn{d} zufordrist vnd für das abbitten un{d} zeittlichen abtrag geseczt vn{d} angesehen werden.

§. 12.

Vnnd ob ain Tatter oder Verprecher der solher gstalt geledigt werd{e}n wolt. dem Landtrichter von ainem herren Phleger od' Ambtma{n} uberantwurt war, so sol die erledigu{n}g auch nicht beschehen. dan mit desselb{e}n herr{e}n Phleger Richter oder Ambtmans wissen vnd notdurftiger versicheru{n}g. es sey mit des Tatters vrfehd oder yn annder weg. [S. 378]

§. 13.

Wo aber die ob angezaigt{e}n vrsach{e}n vn{d} bewegnus nit verhannden wern. vnd deshalb{e}n Urtl vnd Recht geen wurd. alsdann nach der Vrtail sol khain Landtman der Landtgerich hat. noch der Lanndtrichter macht haben den tatter vmb gelts willen zu erledigen.

§. 14.

Jtem wann ain Tatter od' Verprecher von ainem beschedigt{e}n oder belaidigten oder desselb{e}n fruntschaft angeclagt wirdet. so sol auf solh anclag vber den Tatter od' Verprecher gericht werdn wie recht ist. vn der Tatter oder Verprecher vmb gelt. furpet. oder and' vrsach{e}n on wissen vnd willen des Clagers nit ledig gelassen werden. vnnd ob der Tatter oder Verprecher zum todt gericht wurdt. so sol der Clager den gerichtscost{e}n halb bezale{n}. Doch der Landtrichter solch gerichtscostu{n}g bey seine{n} gutt{e}n trawe{n} vnd glawben furbringen. vnd ob der Clager den halb{e}n Cost{e}n nicht vermocht. alsdan mit abpruch oder nachlaß nach seiner notdurfft mitleyden mit ym haben.

§. 15.

Jtem wan aber khain Clager verhannden wer. so sol der Lanndtrichter den gerichtscosten selbs trag{e}n. es wer dan das der Tutter od' verprecher der haymisch vn{d} ain Jnwoner wer, nit erben verliss. deshalb{e}n dem herr{e}n yn des grundt vn{d} verwaltu{n}g er betret{e}n wer. sein verlassen gutt zusteen wurd. Nachdem wir vnsren Landtlewtt{e}n die selbe{n} fall so vil sich der von iren vndertane{n}, vn{d} pawerslewt{e}n begeb{e}n bis auf vnser wolgefallen aus gnaden zustell{e}n. Doch vns solh fall von personen des Adls vnd aus den Steten vnd Marckhten vorbehallten. so sol der selb herr den Gerichtscosten davon bezalen.

§. 16.

Doch sol der Clager belaidigt vnd beschedigt vmb seiner notdurfft vn{d} des Gerichtscostu{n}g willen. den Tatter oder Verprecher vngemelt vn{d} vnbeclagt nit lassen. vnd der Landrichter wo khain Clager nit wer. kainen Tatter oder Verprecher auch vmb besweru{n}g willen des Gerithscosten noch aus andern vrsach{e}n vngerechtfertigt lassen die baid bey vnser als herr{e}n vn{d} Landtsfursten vngnad. peen vnd straff damit wir wo wir sollicher vbersehu{n}g bericht werd{e}n strengklich geg{e}n yne{n} furneme{n} welle{n}. [S. 379]

§. 17.

Jtem wo ain Tatter od' Verprecher in peinlicher frag oder sunst auff ainen anndern. ain oder mer Lanndtgerichtmessig oder Maleficz tat oder verhanndlung eroffnen oder bekennen wurdt: damit sich dann der selb beschuldigt oder bezigen so er villeich vnschuldig wer. noch bey leb{e}n des gefang{e}n destleichter v{er}anwurt{e}n vn{d} nit vnverdint vnd vnwissen fenngklich angenomen vnd mit peinlicher frag genot werd: so sol der Landtrichter vor vnd ehe der obgedacht gefanngen der also auf ainen andern ewffent oder bekent het zum tot gericht wirdet. dem herren Phleger Richter oder Ambtman des der beschuldigt vnd beczigen ist solchs zeitlich verkunden da mit er das seinen beschuldigten furhalten vnnd daraus desselb{e}n schuld od' vnschuld abgenomme{n} vn{d} erkundt werden mug. vn{d} sol ain her Phleger richter od' Ambtma{n} so im ain solich vrgicht angezait wirdet seine{n} beschuldigt{e}n zu recht hallt{e}n. vnd so glaubwirdig Jndicien vber yn finden wurd{e}n dem Lanndtrichter antwurten un{d} yn nicht schieben noch hinkomen lassen bey peen vnd straff wie obsteet.

§. 18.

Jtem ob bey ainem frembden Streichenden Tattar mer guts oder gelts weder auf den gerichtscost{e}n wie vorsteet geen gefunden wurdt. so sol der Lanndtrichter die vbermaß sochs gelts vn{d} gutts ain iorlang vnverkumbert behalt{e}n. vnd ob yemands in der zeit khem vn{d} bewise das im sollich gut zugehoret. alsdann den selben das gut on ausred geben vnd volg{e}n lossen. vnd nichts dann allein den furfanng vn{d} gerichtscosten davon bezalen.

§. 19.

Wer vmb Malefitzhenndl in gefenngknus leg vnd ym in solcher fengkunß oder auch lediger vn{d} nit in fengknus aus boesem willen vn{d} nicht aus geprech{e}n seiner vernunfft vnd synn selbs den tot tette. darauf dann ain Landtrichter sein gegrundt erfarn vnd aufmerckh{e}n hab{e}n sol. so sol derselb entleibt nach malefitz recht gericht werden. vnd sein verlossen hab vn{d} gutter nemblich von gemainen vndertanen vnd pawrslewtn den herschafftn der Landtgericht, denen wir solh fall bis auf vnser wolgefallen auß gnaden zu stellen: volgen vnd bleiben doch vnns vorbehalt{e}n der gleich{e}n fall: so sich von Personen des Adels oder aus den Stettn vnd Merckt{e}n begeb{e}n. Vnd vo{n} solhen verlassen Hab und [S. 380] Guttern: sol der zichtiger vn{d} Gerichtscosten vnd was auf den entleybten geen wurd bezallt werden.

§. 20.

Wer ym aber lediger vnd ausserhalb fenngknus aus geprechen seiner Vernunfft vnd Synn den tod tette: der sol nit nach Malefitz gerechtferttigt. Sonder nach Cristenlicher ordnung besteet werden. vn{d} sein verlassen hab vn{d} gutter seine{n} erben volg{e}n wie auch die recht v{er}mug{e}n.

§. 21.

Vnd wo in ainem geritht gestolen gut wie das namen hette gefunden. vnnd von einem: fur empfrembt gut beclagt vn{d} beweist wurd, also das ym solliches Rechtlich zugehort. so sol das dem selben anclager on entgeltnus wider zu hannd{e}n gestellt werd{e}n. vnd sich der Landrichter allein des furfanngs benug{e}n lassen vn{d} sol der Jhen bey dem solh empfrembdt gut gefunden wirdet: seinen Gaber Verkaufer oder and' gestalt bewerlich anzaigen das es mit ainem erbern Tittl in sein gwallt komen sey vnd so das beschehen ist. sol er damit gegen dem landtgericht seiner person halb{e} nicht verschult hab{e}n.

§. 22.

Jtem wan ain p{er}son die ander vmb Maleficz anclag{e}n wurd. so ferr dan der clager seiner clag dem Landtrichter notdurfftig Jndicien anzaig{e}n wurd. so sol darauf der Landtrichter den beschuldigten annemen vnd mit der frag Gichtigen vnd Rechtfertigen.

§. 23.

Wo aber ain P{er}son die ander Maleficz bezeichen vnd darumb nit notdurfftig Jndicien anzaigen wurd. so sol ain Landtrichter den beschuldigten mit peinlicher frag nicht gichtigen, aber so der Clager seiner clag vn{d} beswerung ausserhalb notdurfftiger Jndicien nit obsteen vn{d} geratt{e}n wolt, vnd Rechts begeret. so sol der Lanndrichter den beschuldigt{e}n auch daneb{e}n den Clager fengklichen annemen vnd hallten. bissolang durch den Clager od' in ander weeg gnungsam Jndicien erfar{e}n werden. vnd so das beschiecht. so sol der Landrichter darauf handln wie recht ist. wo aber notdurfftiger Jndicien nit gefunden wurden. alsdan sullen sy widergelassen werden. vn{d} zu des Landgerichts erkhantnus vnd messigung steen was dem beclagt{e}n vmb die zicht vangknus vnd schad{e}n von dem Clager beschehen soll. [S. 381]

§. 24.

Doch yn dem allem sollen in alweg des Clagers vnd beschuldigten personen vn{d} derselb{e}n gstallt aigenschafften. wes{e}n vn{d} schicklichait betracht vn{d} angeseh{e}n werd{e}n.

§. 25.

Jtem vnd wo todsleg bescheh{e}n sol ain La{n}dtrichter nit macht haben die zu vertadingen oder die Todtsleger zu sichern es sey dann das sich die Todtsleger sambt dem das sie sich mit Jm dem Landtrichter vertadigen. zuvor mit der entleibten Fruntschafft auch vertragen. vnd sich darzu geg{e}n dem Landtman seinem Phleger oder Amptman. doch on ainich bezalung Gelts vnd Gutzs. versuent vnd seinen willen erlangt haben auf das der todsleger seinem herrenn desselben Pfleger oder Ambtman nit zu Trucz vmbgee. Doch mag ain Lanndtrichter die Todsleger zu guttlichen tagen mit willen der entleibten Fruntschafft wol sichern.

§. 26.

Vnd wann gleich wol ain todsleger mit des entleibten Fruntschafft vertragen. vnd mit dem Landtgericht vertadingt auch mit dem Lanndtmann seinem Phleger oder Ambman versuent ist. dieweil aber ain yeder Todschleger zu fordrist vnser. als Romischen Kaysers auch herren vnd Landsfursten gnad vn{d} huld verwurckht. ob dann der Todschlag aus muttwillen vnd leychtferttikait bescheh{e}n wer. so sol der Todschleger ain absolution bey vns oder vnnserem Regiment erlangen. soferr es aber ain Todschlag der aus notwier beschehen wer. so sol vn{d} mag der Todschleger von der herrschafft des Landtgerichts absolviert werden381.1 [S. 382]

§. 27.

Jtem wer gutter findt. es sey geldt oder anders. der sol die in der Pfarr dar ynn sie gefunden werd{e}n. drey suntag nachainander auf der Canntzl verkunden lassen. vn{d} schuldig sein. Jar vn{d} tag vnverkumbert zu hallten vnd ob ymands khem. dem die zu gehorten demselben die on entgelt wider folgen lossen.

§. 28.

Wo aber ainer gefunden gutter verhielt: vnd wissen het wem die zugehorten. derselb sol nach gestalt des verhalten guts. vnd nach erkandtnuß des Landtgerichts oder Sechs personen, so der Lanndtrichter wie oben in ain{e}n artigkl steet. zu im nemen sol daru{m}b gestraft werd{e}n.

§. 29.

Jtem welcher ain Malefitz oder Lanndgerichtmessigen hanndl. dardurch er allein die Straff des leibs verschuld her. begeen vnd darauf fluchtig vnd entweichen wurd. so sollen seine hab vnd gutter. den Erben volgen welher aber ain solh{e}n handl dar durch er die straff leibs vnnd guts verschuldt het begeen vnnd darauf fluchtig ward. desselben hab vnd gutter sollen halb dem Gru{n}dtherrn vn{d} halb dem La{n}dtgericht. so wir ynen als herr vn{d} Landffurst auch aus gnaden bis auff vnser wolgefallen zustellen. volgen vnd bleiben.

§. 30.

Vnd sein die nachvolgenden
Sachen vnd Tadt so yetz fur Malefytz vnd Landtgerichtshenndl bedacht vnd verstanden werd{e}n sullen.
Nemlichen.

§. 31.

Wer seinen herr{e}n in den tod gibt. od' ym haymlich od' offe{n}lich wid' gethane aydspflicht schedlich vntrew tuet.

§. 32.

Wer wider sein herrschafft obrikait vnd Landtfrid{e}n verretterey geubt oder getriben hat. [S. 383]

§. 33.

Wer ainen oder aine vom leben zum tod bringt oder todsleg tut.

§. 34.

Wer an Vatter vnd Mutter mit schedlichen schleg{e}n frefenlichen hanndtlegt.

§. 35.

Wer im selbs den tod thuet. doch ausgeschlossen ob solliches aus vrsachen vnsinnyger weis oder besweru{n}g ainer kranckhait beschehe. so sol es nit fur Landtgerichtmessig geacht werden. auch der Jhen in des haws solhs beschiecht. so ferr er khain schuld daran hat. des mit nichten entgellten.

§. 36.

Wer des Landsfursten oder seiner Furstlithen gnad{e}n obrigkhait glaidt: oder angelobt{e}n frid frevenlich bricht.

§. 37.

Wer drolich ausschreibt oder yemandts beuehd oder notzwingt oder pranntschatzt.

§. 38.

Wer yema{n}ds haimlich oder offenlich Mort Prenndt oder sunst muttwilliglichen prenndt.

§. 39.

Wer mit gifft oder annder gstalt ainenn haimlichen Mordt oder Kinder verthan hette.

§. 40.

Wer Brief oder Myntz. Gold od' Sylber selstht [=felscht]. oder geringer macht. vnd der wissentlichen fur gold vnd Silber ander Co{n}terfet metal. dergleich{e}n wer falsth Edlstain fur gut vnd recht wissentlich{e}n verkauft od' hingibt oder wer des Landsfurst{e}n Muntz saygert vnd dieselb in dem Landt auffkaufft: vn{d} dar auß von gewynns weg{e}n fuert vn{d} fur volkomen vertreibt oder in ainich{e}n weeg. wider die ordnung vnd gesetz der Muntz hanndlt.

§. 4l.

Wer wider die natur als mit ainem Viech od' Manspild vnkeuscht. Welcher Frawen oder Ju{n}ckfrawen wider yren will{e}n zu vnkewsthait zu nott{e}n vndersteen. oder die werckh also bezwungenlichen volpringen. das die Fraw oder Junckfraw auf die geschitht clagen wurd. [S. 384]

§. 42.

Wer falsch Ayd swerdt vnd falsth Zeugknus gibt.

§. 43.

Wer Zawberey treybt die im Rechtn verpott{e}n sein.

§. 44.

Ain yegclicher Diebstal der mit Recht peinlich gestrafft werd{e}n mag. dergleichen Rawberey. doch sol vnd mag ain yeder. dem sein gut gestol{e}n oder geraubt word{e}n ist. Ee vn{d} Er deshabn mit Clag an das gericht kumbt. dem selben seinem gutt wol mit frischer tadt nachstell{e}n. Und so er den Tatter betritt: sein empfrembt gut wider zu seinen handen nemen vn{d} solchs dem Lanndtrichter ansagen. vnd seinen furfang darumb geb{e}n. Er soll auch schuldig sein: den selb{e}n Tatter dem Landrichter anzuzaigen. Doch wo ainer ainen Dieb hinder seinem dach betridt. vnd sein gestolen gut mit frischer tat nympt. sol er davon nichts schuldig sein vn{d} geg{e}n nyema{n}ds v{er}hanndlt haben.

§. 45.

Wer geweicht Kirch{e}n haimlich pricht od' auf ainem geweicht{e}n Kirchhof freuenlich{e}n Rumort Ficht oder yr ains mit plutvergiessen entert.

§. 46.

Wer ainem sein weib oder khind oder sein vnbeuogten Bruders swester. oder pflegkinder haimlich od' offenlich mit gwallt wider seinen will{e}n raubt vn{d} empfiert.

§. 47.

Wo ainer ainem Furwart yn vermessenlich zu beschedigen. oder in also furgewart beschedig. vnd das zu ym pracht wierdet. wie Recht ist.

§. 48.

Vnd sunst all Malefitz sach{e}n. henndl vnd tat so peinlich vnd den obgeschriben vngeferlich gleich sein. vnnd doch hye nit bedacht noch gemelt. vn{d} fur Landgerichts henndl pillich vn{d} Rechtmessig verstand{e}n werd{e}n mug{e}n.

§. 49.

Doch soll{e}n sollich oberzellt vn{d} ander Landtgerichts vn{d} Malefitzhendl nit gestrafft werd{e}n. Sy hab{e}n sich dan zu den beschuldigt{e}n erstlich warlich vn{d} glawblich erfu{n}d{e}n. [S. 385]

§. 50.

Jtem wo ain Landtgericht oder yemand annder wer der wer kirchtag behuet hat. es sey yn pan oder andern dorffern. so sol er die zeit desselb{e}n kirchtags zu wenndl haben. wie aines yeden alltherkhomen ist. Doch was Malefitz vn{d} Lanndgerichts hendel sein die sollen dem Landgericht zusteen, vnd darynn wie obsteet gehandlt werden, vnd sunst ausserhalb kirchtag behuet sollen die wendl zusteen vn{d} volgen ainem yeden der die von allter gehabt hat vn{d} wie herkhomen ist.

§. 51.

Es sollen aber die Lanndtrichter vn{d} sunst ain yeder die klain wendl nach gestallt vnnd herkhomen der tat auff gnugsam verhor vnd erkundigung der selben zimlich{e}n getrewlich vnd nach erberkhait Taxieren vnd nemen.

§. 52.

Es sol auch ains Tatters oder Verprechers herr Pfleger Richter oder Ambtman zu solher verhor vn{d} erkundigung verkhundt werd{e}n der mag dabey erscheinen vn{d} solh straff vernemen.

§.53.

Desgleichen sol es auch in den pantadingen mit den wenndeln nach gstalt vnd herkhomen ainer yeden tat erberlich getrewlich vn{d} zimlich gehallten vnd nyemand wider pillichait beswert noch gedruckht werden.

§.54.

Aber in andern fellen ausserhalb obbestimbter vn{d} gedachter Landgerichts vnd Malefitz hendl vn{d} wenndl sol khain La{n}dtrichter einzegreiff{e}n noch zu ha{n}deln macht noch gwallt haben noch ynen zu thun gestatt werden.

§. 55.

Wo aber ain Landtrichter das in ainen od' mer weeg vberfuere. so sol er wie sich gepurt von vns darumb gestrafft werden. vnd wo yemandts daryn belaidigt oder in schad{e}n geursacht wurde deshalben durch den Landtrichter abtrag beschehn. wo das aber nit beschehe. so sol der Landtrichter oder der Jhen der sollichs gehanndlt hat an den orten da sich gepurt darumb zu verhoer vnnd Recht steen.

§. 56.

Vnd nach dem vns nit muglich ist dise Lanndgerichtsordnung notdurfftigklich zu bedenckhen. vn{d} sonderlich die Malefitz vn{d} Landgerichts [S. 386] henndl. auch die wendl alle zu bestimmen vn{d} den selben maß zesetz{e}n. so behallten wir vns un{d} vnsern Erben hierein beuor solh ordnu{n}g vber kurtz od' la{n}g zu bessern. zu waygern dauo{n} od' darzu zu thu{n} wie vns alzeit not fruchpar vn{d} zimlich anseh{e}n wirdet.

§. 57.

Vnd dise obgeschriben ordnu{n}g sol vns als herren vnd Landsfursten an vnsern Furstlichen oberkhait{e}n vn{d} gerechtinkhait{e}n vn{d} sunst menigklich an seinen alt{e}n briefflich{e}n vrku{n}d{e}n ob yma{n}d ainiche dawid' het auch pantedi{n}g vnverletzlich vn{d} on schad{e}n sein alles getrewlich vn{d} vngeferlich.

§. 58.

Vnd emphelhen darauf den Erwirdigen vnd Edln Ersamen geistlichen vnsern andechtigen vnd liben getrewen. N. allen vnd yegclichen Stennden gemainer Lanndtschafft vnnsers Furstentumbs Osterreich vnder der Enns samentlich vn{d} sunderlich mit ernst vn{d} well{e}n das sy ditz obbegrffen vnser ordnu{n}g wie auch wir selbs thun. guetlich an{n}emen. der selbn in allweg nachkomen die steet vnd vesst halt{e}n. volzieh{e}n vnd handthab{e}n. auch mit nichte da wider thun noch yemands zu thun gestatten. yn khain weeg. bey vermeidung vnser Swern Vngnad vnd Straff. Das maynnen wir ernstlich. Mit vrkhundt ditz briefs mit vnnsrem anhangenden Jnnsigel besiglt. Geben in vnnser Stat Gmunden am Ainundzwaintzigisten tag des Monets Augusti. Nach Christi gepurd Fünffzehenhundert vn{d} ym vierzehennd{e}n vnser{n} Reiche. des Romischen ym Newnundzwaintzigisten Vnd des Hungerischen ym Funffvndzwaintzigisten Jaren.386.1

354.1. Dieß zum Troste für jene — wie man heut zu Tage wohl hoffen darf — nur mehr geringe Anzahl von Praktikern, welche noch immer an der sogenannten praktischen Wichtigkeit solcher Untersuchungen zweifeln!

355.1. Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, nunmehr schon in der 5. Ausgabe. Göttingen, 1844.

355.2. Deutsche Rechtsalterthümer. Göttingen, 1828.

355.3. Das deutsche Strafverfahren, 3. Ausgabe, Heidelberg, in 2 B. 1839; und Grundsätze des gem. deutschen Privatrechtes, Regensburg, 6. Auflage 1842 u. 1843 in 2 Bden.

355.4. Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Heidelberg, 2. Auflage 1834 in 3 Bden.; und System des heutigen römischen Rechts, Berlin 1840, bisher 5 Bde.

355.5. Das Erbrecht in seiner welthistorischen Entwicklung, Berlin und Stuttgart 1824 bis 1835 in 4 B.

355.6. Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, herausgegeben ursprünglich von Savigny, Eichhorn, Göschen und beziehungsweise Rudorff. 11 Bände, Berlin 1815-1842, und vom 12. Bande das 1. Heft, 1844.

355.7. Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft von Reyscher und Wilda, Leipzig 1.-8. Band, 1839-1843.

355.8. Sieh hierüber die eben so lebhafte als beziehungsreiche Fehde zwischen Beseler und Puchta in Eberty's Zeitschrift für volksthümliches Recht und nationale Gesetzgebung, 1. Hft., S. 66, und 4. Hft., S. 236, so wie die besonderen Broschüren beider Schriftsteller über den Gegenstand der Frage, Berlin und Leipzig 1844.

356.1. Grundriß einer Geschichte des deutschen peinlichen Rechtes und der peinlichen Rechtswissenschaft, Sulzbach 1809 u. 1810 in 2 Theilen, sammt Anhang über den gegenwärtigen Zustand der Criminalrechtswissenschaft, Landshut 1810.

356.2. Geschichte der deutschen Strafgesetze, Leipzig 1832.

356.3. Geschichte und System des deutschen Strafrechtes, in 3 Theilen, Stuttgart 1838 u. 1839.

356.4. Das Strafrecht der Germanen, Halle 1841, als 1. Theil der Geschichte des deutschen Strafrechtes.

358.1. Die Panthaidungen von Wartenstein und Grimmenstein. In dieser Zeitschrift J. 1829, II. Bd. S. 189-206.

358.2. Wenn hier schon überhaupt jeder in der neueren Zeit vorkommenden Bestrebung in dieser Richtung Erwähnung gethan werden soll, so müssen allerdings auch die, obgleich sich nicht insbesondere auf das Strafrecht beziehenden, Darstellungen von Beck über "Victorin Cornelius von W'scherd's neue Bücher von den Rechten, den Gerichtshöfen und der Landtafel im Lande Böhmen" in dieser Zeitschrift, J. 1841 3. B. S. 291-317, und Grüner's "Beiträge zur Geschichte der k. Stadt Eger und des Eger'schen Gebietes Prag 1843" (dem juristischen Publicum insbesondere empfohlen durch Haimerl in Schmidl's österr. Blättern für Literatur und Kunst vom 20. April 1844), gleichwie neuestens Rößler's Darstellung der vorbestandenen und gegenwärtigen bürgerlichen Gerichtsstellen und der sogenannten Nebenrechte Prags in Wessely's Themis, neue Folge, 8. Heft. S 79-132, in Erinnerung gebracht werden.

359.1. Mit diesen Worten würdige nicht ich, welchen vielleicht die Dankbarkeit des Schülers für den verehrten Lehrer, oder die kindliche Pietät für den väterlich-gütigen Wohlthäter zur Parteilichkeit verleiten könnte, — sondern ein unabhängiger Meister dieser Wissenschaft, nämlich Jenull, das obige Werk Egger's im 1. Bande seines österr. Criminalrechts, Gratz 1820, Vorrede, Seite XL.

359.2. Nur gegen die Eine Bemerkung Kitka's, niedergelegt in dieser Zeitschrift, J. 1833, II. Bd. S. 97, muß ich eifern, "daß man sich vermöge der Verschiedenartigkeit der vor der Theresiana in den verschiedenen österr. Provinzen geltenden Strafgesetzgebungen wohl selten und schwer in der Absicht Raths erholen könne, um aus denselben zur Erläuterung des jetzt geltenden Strafgesetzbuches einen besonderen Gewinn zu ziehen." Dagegen sei vorläufig blos erinnert, daß selbst in der letzterwähnten beschränkten Auffassung gerade zum Verständnisse des von Kitka a.a.O. vorzugsweise maßgebend angedeuteten Theresianischen Codex das Studium der vortheresianischen Strafgesetze unabweislich sei, indem jener auf diese basirt, und die große Kaiserin ihrer Gesetzgebungs-Commission mit h. Rescripte vom August 1752 wörtlich anbefohlen hatte: "die in Böhmen vorgeschriebene Nemesin Josephinam zum Grund und Richtschnur der zu verfassenden peinlichen Gerichtsordnung zu nehmen, und hiervon nicht so leicht abzugehen; beinebst aber sowohl die in Criminalibus nachgefolgten Generalia, als auch die in der Ferdinandea ausführlicher, dann in der Josephina enthaltenen Sätze gehörigen Orts beizurücken."

360.1. In jüngster Zeit wurde W. A. Schmidt's neu entstandene Zeitschrift für Geschichtswissenschaft in der deutschen allgemeinen Zeitung (Nr. 129 von 1844) mit folgenden trefflichen Worten empfohlen: "Wir können zum Bewußtsein der Gegenwart und über deren Entwicklung zu neuen Lebensgestalten nicht gelangen, ohne die Vergangenheit zu verstehen, und zu diesem Verständnisse reichen die allgemeinen Gedanken, mittelst deren man das Wesen des in der Geschichte waltenden Geistes begreift, nicht aus; vielmehr wollen die unendlichen Einzelnheiten des geschichtlichen Stoffes durch sammelnde und sichtende Thätigkeit überwältiget werden."

362.1. Wie lebensvoll hat allerneuestens Biener in der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, XII. Heft, S. 69-130, den Zusammenhang solcher rechtsgeschichtlicher Entwicklung mit den hochwichtigen Legislativfragen der Jetztzeit, in Beziehung auf die neueren Vorschläge zur Verbesserung des Criminal-Verfahrens in Deutschland, (des endlichen Rechttags, des Instituts der Procuratoren und Kläger von Amtswegen aus dem 14ten Jahrhunderte, mit dem heut zu Tage vorgeschlagenen öffentlichen Schlußverfahren und den s. g. Staats-Anwälten!) nachgewiesen! — Dabei wird übrigens der Freund des Fortschrittes dem dort ausgesprochenen starren Festhalten an dem historisch Ueberkommenen, blos weil es historisch ist, nicht so unbedingten Beifall zujubeln!

362.2. Gedruckt zu Wien bei J. J. Kürner in mehreren unveränderten Ausgaben von 1656-1689, übrigens auch wörtlich abgedruckt im ersten Theile des Codex austriacus, pag. 659-728.

362.3. Gedruckt zu Augsburg durch Michael Mangel 1583.

363.1. Der Vorwurf, die o. a. "tyrolische Malefiz-Ordnung vom Jahre 1499" ignorirt zu haben, kann von den erwähnten Schriftstellern nur Maucher treffen, da, wie früher schon erwähnt, dieselbe erst im Jahre 1827 von Rapp wieder an's Tageslicht gezogen worden ist. Dem mühsamen Schlager aber ist (nach Inhalt des zweiten Bandes seiner schon oben berufenen Wiener Skizzen aus dem Mittelalter auf S. 42) die hier besprochene Maximilianische Landgerichtsordnung von 1514 allerdings bekannt.

363.2. Daß dieselben in der von Denis bezeichneten Weise auch jetzt noch existieren, kann ich aus Autopsie verbürgen, indem sich von beiden gedruckte Exemplare in der k. k. Hofbibliothek und im Archive der k. k. vereinigten Hofkanzlei, von der ob der ennsischen überdies in der Stiftsherrschaft Klosterneuburg, und von der krainerischen in meinem eigenen Besitze befinden.

354.1. Vergleiche die vollständigste, verdienstliche Hand-Ausgabe dieser fünfgliedrigen Rechtsbücher-Familie von Zöpfl, Heidelberg 1842

364.2. Sieh hierüber insbesondere die Aufsätze von Mittermaier, Roßhirt, Birnbaum, Wächter, Abegg, im neuen Archive des Criminalrechtes, IX. Band, Seite 44, u. Seite 234, XII. B. S 390, dann neue Folge, J. 1834, S. 82, J. 1835, S. 22, J. 1836, S. 115 und 312, und die dort vielfach bezogene reiche ältere Literatur über die Gegenstände der Frage.

364.3. Vergl. Datt de pace imperii publica, Ulm 1698, pag. 835 u. 836; J. S. F. Böhmer elementa jurisprud. crim. ed. 6. Halae 1774, §. 17; Quistorp, Grundsätze des deutschen peinlichen Rechts 1. Band, §. 19, u. Malblank Geschichte der peinlichen G.O.K. Karls V. Nürnberg 1783, S. 175, 181 und 194.

366.1. Hiernach ist auch das Citat in Buchholz's Geschichte Ferdinands I., so wie in Majlath's Geschichte Oesterreichs zu berichtigen, welche irrig von einer durch diesen Landesfürsten im Jahre 1555 erfolgten Confirmation und Erneuerung der vorhandenen Landgerichtsordnung sprechen.

372.1. Die durch Ferdinand I. ddo. Wien den 12. Jänner 1540 reformirte und erneuerte Maximilianische Landgerichtsordnung enthält, nach dem oben als vierte Ausgabe bezeichneten Abdrucke, folgenden Titel: "Reformation vnnd ernewernng der Lanndtgerichtsordnung so weilendt Kaiser Maximilian hochlöblicher gedechtnüß im Ertzhertzogthumb Osterreych vnnder der Enns aufgericht hat. — Mit Rö. Khünigklicher Maiestat Gnad vnd Priuilegien. — Gedruckt zu Wienn durch Mattheum vnd Johannem Singriener 1549." —
Sofort folgt auf der zweiten Seite des Titelblattes das kaiserliche Privilegium für Hansen Singriener zum Drucke und Verkaufe dieser Landgerichtsordnung folgenden wörtlichen Inhalts:
"Wir Ferdinand von Gottes genaden Römischer zu Hungern vn{d} Behaim etc. Künig, Infan{n}t in Hispanien, Ertzhertzog zu Osterreich, Hertzog zu Burgundi, Steyr, Khärndtn, Crain vnnd Wirtemberg, Grade zu Tirol etc. Bekhennen, das Wir Hansen Singrüener vnnserm Burger, vnnd Buechdrucker zu Wienn, auff sein vnnderthenig pitten, vnnd anlangen, auß sonndern gnaden, Dise gnad gethan, das jene dise Lanndtgerichts Ordnung, vnnd was er hinfüro weitter für Ordnungen, so hievor in vnsern Niderösterreychischen Fürstenthumben vnnd Lannden, aufgericht sein, oder noch aufgericht werden möchten, mit vnnserm oder vnnserer Niderösterreichische{n} Regierung zuegeben drucken würdet, Niemandt nachdrucken, oder wo die annderer orten vnnd ausser gemeldter vnserer Lannde nachgedruckht wurden, Dieselben kains wegs in die bemelten vnnser Niderösterreichischen Lannde, vnd Fürstenthumb bringen, füeren, noch darjnnen verkauffen sollen noch mögen, wissentlich mit disem brieffe. Vnnd giebieten darauf, n, Allen vnd jeden vnnsern Vnnderthanen Geistlichen vnd Weltlichen, was wirden, Stanndts, oder wesens die in den vnnsern Niderösterreichischen Lannden sein, Vnnd fürnemblichen vnnsern nachgesetzten Obrigkaiten mit Ernnst vnd wollen, das Jr obgenanten Singrüener bey diser vnnser gnad vnnd Privilegi vnbetrüebt beleiben lasset, handthabet, darwider nit thuet, noch dasselb anndern zu thuen gestattet, bey vermeydung vnnserer vngnad vnnd straff, Das mainen wir Ernnstlich, Mit vrkhundt ditz brieffs. Geben in vnnser Stat Wienn den zwelfften tag Januarii, nach Christi geburt, Fünfftzehenhundert, vnd jm Viertzehenden Jaren.
Commissio Domini
Regis in Consilio.

373.1. Dieser, die Motive zu dem neuen Gesetze enthaltende, Eingang lautet in der mehrerwähnten Ferdinandeischen Reformation nach der vierten Ausgabe also:
"Wir Ferdinand von Gottes genaden Römischer, zu Hungern, vnnd Behaim, etc. Künig, Jnnfant in Hispanien, Ertzhertzog zu Osterreich, Hertzog zu Burgundi, Steyr, Khernten, Crain, vnnd Wirtenberg etc. Grave zu Tyrol etc. Embieten den Erwirdigen, Edln, Ersamen, Geistlichen, vnnsern Andechtigen, vnnd lieben getrewen, n, allen vnnd yeden Stännden gemainer Lanndtschafft, vnnsers Ertzhertzogthumbs Osterreich vnnder der Enns, vnnd fürnemblichen denen, so in dem selben vnserm Fürstenthumb Lanndtgericht, oder die in verwaltung haben etc. Vnnser gnad, vnd alles guets. Vnnd geben Euch genediger mainung zuerkennen. Alls vnns auß etlichen beweglichen vrsachen, für notdurfftig angesehen, die Lanndtgerichts Ordnung, so weylendt vnnser lieber Annherr, Kaiser Maximilian, löblicher gedechtnuß, berüerter vnser Lanndtschafft geben, zu vbersehen, das vnns in solcher vbersehung,zwen Artigkl fürkhumen, Der Erst, die begnadungen, vnnd sichernng der Todtschleger, zu güetiger handlung, oder vertädigung. Der ander, die vberantwortung den Lanndtgerichten, der Vnderthanen, so nit an warer that begriffen, sonder allain bezichtigt, vnnd verdacht werden etc. betreffent. Darjnnen wir befunden, ainer merern erleütrung, vnd Declaration von nöten zesein. Vnd wiewol wir gemelter zwaier Artigkl halber, den zwelften tag Januarij des vergangnen Viertzigisten Jars vnnser offen Mandat ausgeen lassen, in sich haltendt, das sich nun hinfüro niemandt ainicher begnadung, sicherung, oder vertädigung, der Todtschleger vndersteen solle, Daneben auch ain lauttere maß geben, wie es mit vberwartung der verdachten Personen, in die Lanndtgericht gehalten werden soll. So haben wir doch, solche Vnnser Declaration, derselben zwayer Artigkl, von merer richtigkait wegen, in die Lanndtgerichts Ordnung auch bringen, vnd verfassen haben lassen, Als wir dann hiemit thuen, sonst lassen wir es, in den andern Artigkln (ausserhalb diser zwayre) bey gemelter Ordnung, wie die von weylendt vnnserm Anherrn aufgericht ist, diser zeit, vnd biß auff vnnser wolgefallen, auch beleiben.

375.1. Statt der oben im Texte eingeklammerten Worte folgt hier in der obigen Ferdinandeischen Reformation ein eigener (neuer) Absatz eingeschoben nachstehenden Inhalts:
"So aber der Lanndtmann, die furgebrachten Jnzichten, zu malefitzischer hanndlung nicht genuegsam, vnd deßhalben den Vnnderthan in das Lanndtgericht zustellen, nit schuldig zu sein vermainet, Also, das sich berüerter Jndicien, vnnd vberantwortung halber, der verdachten Person zwischen dem Lanndtmann vnd Lanndtgericht jirrung vnd strittigkhayt zutriege, So sol alßdann, das Lanndtgericht dieselben Jndicien, vnnserer Regierung, der Niderösterreichischen Lannde fürbringen. Was dann nach verhörung der sachen, vnd dises strits, dieselb vnser Regierung darüber erkennen, beuelhen, oder für beschaidt geben wirdet, dabei soll es beleiben, vnd demselben von baiden taillen gelebtwerden. Doch solle der Lanndtman, seinen verdachten vnderthan mitler weil kains wegs schieben, sonnder dermassen wol verwarlichen halten. Damit derselb nit von handen kome, vnd auff vnserer Regierung beschaidt, was sich gebürt mit jme gehandlt werden müge, bey vermeydung der peen, so hernach von wegen schiebung, der Tätter begriffen ist."

381.1. Die §§. 25 und 26 wurden in der bezogenen Ferdinandeischen Reformation in nachstehender Weise umgestaltet:
§. 25.
Es solle sich nun hinfüro niemandt vndersteen, die Todtschleg die beschehen, gleich auß muetwillen, fräuenlicher weyß, oder auß notwör, on unser, als regierunden Herren, vnd Lanndtßfürstens Vorwissen, oder zugeben, hinzulegen, oder zuuertädingen, noch auch die Todtschleger zu begnaden, zusichern, oder zu uerglaitten, sonnder so ain Todtschleger vmb sein begangne that, dz Rechte{n} nit vermaint zu vbersteen, vn{d} sein Purgation nit wie recht ist, aufzufüeren, denselben on mitl, vmb die begnadung für Vns selbst, vnd vmb die verglayttung, für vnser Regierung weisen, vnnd beschaiden, vermög vorgemelter vnnserer General.
§. 26. Wer aber vmb enntleibung so Er begangen hette, das Recht vbersteen, oder sonst sein Purgation, vnd vnschuld, wie recht ist ausfüeren, vnd darthuen wolte, dem sol solches auff vnser, oder vnnserer Regierung verglaittung so er die hat, durch die Lanndtgericht stat gethan werden. Doch der gestalt, was daselbst mit Vrtl, vnnd Recht erkhent wirdet, das demselben volziehung beschehe.

386.1. Dieser §. 58 (und beziehungsweise Schlußabsatz) lautet in der Ferdinandeischen Reform folgendermaßen: "Vnd Emphelhen Ewch darauff allen, vnd Ewr yedem in sonnders mit Ernnst, vnnd wellen, das jr diser Ordnung, vnd vnserer darjn{n}en beschehnen Declaration, nun hinfüro in alweg nachkhomet, die stät vnnd vesst haltet, volziehet, vnnd handhabet, auch mit nichte dawider thuet, noch yemandts zu thuen gestattet in kain weeg, bey vermeydung vnnser vngnad, vnnd straff, das mainen wir Ernnstlich. Geben in vunser Statt Wienn den zwelfften tag Januarij, nach Christi geburt, Fünfftzehenhundert, vnnd jm Viertzigisten, vnnserer Reiche des Römischen jm Zehenndten vnnd der andern jm Viertzehenden Jaren.
Ad mandatum Domini
Regis proprium."