Carl Graf Chorinsky. Ein Nachruf von Dr. Theodor Motloch (1899) :: Transkription Speer 2013

[Editorial]

Quelle: Mitteilung zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale Band 4 (1899) 221-256. Digitalisiert, korrigiert und hypertextualisiert Heino Speer 2013.

[Nachruf]

In der Vollkraft nimmermüden geistigen Wirkens und idealen Strebens war einem edlen reichen Menschenleben jählings das allzufrühe Ende beschieden. Eine groß veranlagte Natur, bei der sich tiefe Frömmigkeit mit inniger Vaterlandsliebe, umfassende Gelehrsamkeit mit seltenem praktischen Scharfblicke, rege Empfänglichkeit mit rastlosem Schaffensdrange und schlichte lautere Sinnesart mit wahrer Herzensgüte zu einem harmonischen Wesen vereinigten, fürwahr ein leuchtendes Vorbild hat unser österreichische Richterstand durch das Ableben Sr. Excellenz des allverehrten Oberlandesgerichts-Präsidenten Carl Grafen Chorinsky verloren, welcher am 10. Juli 1897 zu Mödling einem Herzschlage erlegen ist.

Der Lebenslauf des theueren unvergesslichen Mannes gewährt der pietätvollen Erinnerung ein Bild voll reiner selbstloser Hingabe an ernste Berufsarbeit, deren Pflichten sein genialer Geist im Zusammenhange mit den großen socialen und wirthschaftlichen Problemen unserer Tage nach ihrem ganzen ethischen Gehalte erfasste und in Bethätigung dieser geläuterten Erkenntnis redlich zu erfüllen bestrebt war; errungene Erfolge achtete er eben nur insoweit, als ihm diese die Mittel zur Erreichung seiner hochgesteckten Ziele darboten.

Ein dichter Schleier verhüllt die Geheimnisse der psychischen Entwicklung. Die sinnende Betrachtung sieht [Seite: 222] sich vor ein unlösbares Räthsel gestellt, sobald sie versuchen möchte, in der Verkettung der Bedingungen die Antheile zu bestimmen, welche an dem Aufbaue der Ideenwelt, der Gemüthsveredlung und Charakterbildung den Einwirkungen von Erziehung und anderweitigen Einflüßen der Umgebung beizumessen wären, oder aber aus Veranlagung und Entfaltung der selbsteigenen Kräfte ihren Ursprung ableiten; nur den Thatsachen des äußeren Geschehens vermag der forschende Blick zu folgen, welche die ganze Fülle des Seelenlebens in merklicher Weise beeinflußt haben.

Als Sprößling einer alten polnischen Adelsfamilie, die jedoch schon im Verlaufe des fünfzehnten Jahrhunderts in Mähren heimisch geworden war, ist Carl Graf Chorinsky am 18. October 1838 zu Linz geboren. Große Verdienste um den Staat und sein Herrscherhaus haben sich bereits die Voreltern erworben. Dem segensreichen Wirken des ebenso hochgesinnten als leutseligen Vaters und Großvaters, welche beide an der Spitze der nieder-österreichischen Landes-Regierung gestanden sind, ist jüngst im Statthalterwerke Sr. Excellenz des Herrn Grafen von Kielmansegg ein ehrenvolles Denkmal errichtet worden.

Erwies sich das erhebende Beispiel solcher Ahnen bei dem feinfühlenden Empfinden des Sohnes als kräftiger Ansporn zu freudiger Nacheiferung, so kam der sorgfältigen Erziehung des strebsamen Jünglings auch ein günstiger Zufall zu statten. Für die ganze Gedankenrichtung des Verewigten bildet sicherlich ein Moment von kaum zu überschätzender Tragweite, dass Chorinsky die Wiener Hochschule zu einer Zeit beziehen konnte, als eben von den österreichischen Universitäten die beengenden Fesseln genommen waren, welche bis dahin die akademische Lehre bedrückt hatten, und die Pflege der Wissenschaften hierlands zu neuem Leben erwachte. Die unter solchen Verhältnissen im Hörsaale empfangenen Impulse wirkten nachhaltig fort und wurden zur nie versiegenden Quelle weiterer geistigen Anregung. Der jugendfrische Feuereifer, mit welchem Chorinsky [Seite: 223] zeitlebens, nachdem er längst den Doctorsgrad erworben hatte, den gelehrten Studien oblag, läßt ihn im besten Sinne als eine lebendige Verkörperung jenes geistigen Umschwunges erscheinen, wie unsere alma mater einen ähnlichen seit den Tagen der Humanisten nicht mehr gesehen hatte.

Nach Absolvirung der Facultätsjahre wandte sich Chorinsky dem Justizdienste zu, dem er mit einer kurzen Unterbrechung durch eine halbjährige Verwaltungspraxis bis zum Jahre 1880 seine Kräfte widmete. In die Zeit, da er als Rath des Wiener Landesgerichtes wirkte, fällt seine literarische Thätigkeit. Die ungemein rasche Folge der Publicationen zeugt eben so sehr für den Bienenfleiß des Verfassers als für die erstaunliche Beweglichkeit seines Geistes.

Unter dem Eindrucke der wirthschaftlichen Ausbeutung, welche durch die im Jahre 1868 in Österreich und Ungarn erfolgte Aufhebung der Wuchergesetze ermöglicht ward und in einem sensationellen Schwurgerichts-Process ihre grelle Beleuchtung fand, trat Chorinsky mit einer Abhandlung über den Wucher in Österreich223.1 hervor. Die Vorarbeiten zu dieser Monographie führten ihn zur großen Quellensammlung des Codex Austriacus, die er dermaßen beherrschte, dass er sich mit Recht als den genauesten Kenner derselben bezeichnen durfte.

Zum intensiven Betriebe rechtsgeschichtlicher Forschungen wurde er aber aus Anlass eines Rechtsfalles angeregt, der ihn zugleich bewog, den Anstoß zu dem Gesetze über die Familieneinstandsrechte223.2 zu geben.

Durch eindringliche Untersuchungen über die Entwickelung der Verlassenschafts-Abhandlung223.3 gelangte Chorinsky zu dem richtigen Ergebnisse, dass dieses [Seite: 224] Institut nicht, wie Unger224.1 angenommen hatte, aus Böhmen nach Österreich, sondern umgekehrt, von hier aus nach jenem Lande verpflanzt wurde. Arnold von Luschin224.2, der die alt-österreichischen Länder als das Ursprungsgebiet der Verlassenschafts-Abhandlung nachwies, nannte das Werk eine interessante und gediegene Arbeit und hob zugleich hervor, dass der Verfasser durch seine Ausführungen tief in die Entstehungsgeschichte des Institutes eingedrungen sei.

War bei diesem Werke die rechtsgeschichtliche Darstellung von dogmatischen und legislativ-politischen Erörterungen begleitet, so ist die folgende Monographie über das Vormundschaftsrecht Nieder-Österreichs vom sechzehnten Jahrhundert bis zum Erscheinen des Josephinischen Gesetzbuches224.3 ausschließlich der Dogmengeschichte gewidmet. Mit erstaunlicher Beherrschung des ebenso umfangreichen als spröden Stoffes wird hier an der Hand der gedruckten Rechtsquellen sowie der noch ungedruckten Landtafelentwürfe für Österreich unter und ob der Enns (der Elaborate von Püdler und Schwarz), endlich der einschlägigen Literatur eine erschöpfende Darstellung der materiellrechtlichen Entwicklung des Vormundschaftsrechtes, beinebens aber zugleich zum erstenmal eine sehr dankenswerthe Übersicht über die Rechtsliteratur der beiden Erzherzogthümer vom 16. bis zum 18. Jahrhundert geboten. Der Förderung, welche diese Arbeit durch die Überlassung des von Unger gesammelten Materiales erfuhr, hat Chorinsky selbst zu wiederholtenmalen mit warmen Dankesworten gedacht.

Die letzte größte Schrift: „Der österreichische Executiv-Process. Ein Beitrag zur allgemeinen Gerichtsordnung"224.4 verfolgt den langen Weg, welchen [Seite: 225] diese Art des Verfahrens seit dem General-Mandate vom 4. April 1573225.1 bis zur allgemeinen Gerichtsordnung herab genommen hatte und gelangt hiebei zu der wichtigen Entdeckung eines um die Mitte des 17. Jahrhunderts durch die Compilatoren Suttinger, Seitz, Hartmann und Leopold abgefassten Entwurfes einer Landesordnung für Österreich unter der Enns, dessen Zusammenhang mit der Landgerichtsordnung 1656, der Gerhabschaftsordnung, dem Tractatus de iuribus incorporalibus, endlich der neuen Satz- und Ordnung vom Erbrechte außer Testament nachgewiesen wurde.

Frischen Muthes hatte Chorinsky mit den genannten Werken ein vordem fast gänzlich unbekanntes Gebiet betreten. Die reichen Früchte seiner durchaus selbständigen Forschung haben ihm alsbald einen geachteten Namen unter den Rechtshistorikern errungen.

Mit seiner Berufung zum Landeshauptmann von Salzburg im Jahre 1880 erfuhren die so erfolgreich begonnenen Untersuchungen über die Rechtsgeschichte der Erzherzogthümer eine Unterbrechung. Die einmal geweckte Liebe zur Rechtshistorie sollte aber nicht mehr schwinden; mit historischem Sinne trat Chorinsky an die neuen Aufgaben heran, welche aus der neuen Lebensstellung erwuchsen. Form und Object der Darstellung wechselten, die Methode blieb die gleiche. An Stelle monographischer Bearbeitung traten nunmehr die aus seiner Feder herrührenden Berichte des salzburgischen Landes-Ausschußes, denen vermöge ihrer sorgfältigen Erörterung der wirthschaftlichen, geschichtlichen und juristischen Seite des behandelten Stoffes ein hoher wissenschaftlicher Werth innewohnt225.2. [Seite: 226]

Kein geringerer Gedanke, als die Neubelebung des bäuerlichen Sonderrechtes (eine neue Grundentlastung von der capitalistischen Verschuldung, Reform in Ansehung der Freitheilbarkeit der Bauerngüter, Einführung des bäuerlichen Familien- und Erbrechtes) war es, den er bald nach seinem Amtsantritte anregte. Der Bericht betreffend die Erlassung eines Agrarrechtes für das Herzogthum Salzburg226.1 stellt in eingehender rechtsgeschichtlicher Untersuchung die Wandlungen dar, welche in ihrer Abfolge den heutigen wirthschaftlichen Nothstand des Bauernstandes herbeigeführt haben und deutet die Wege an, welche der Gesetzgebung durch den Verlauf der historischen Entwicklung vorgezeichnet sind. Lorenz von Stein hat diesen Bericht in der Publication seines Gutachtens über Bauerngut und Hufenrecht226.2 anhangsweise abgedruckt und mit einem Geleitbriefe versehen, welcher eine unverkürzte Wiedergabe umsomehr rechtfertigen dürfte, als darin charakteristische Züge hervorgehoben erscheinen, welche die ganze geistige Productionsweise Chorinsky's in treffenden Worten kennzeichnen:

„Wir haben uns nun zum Schluße unter freundlicher Gestattung des Herrn Verfassers Landeshauptmanns Grafen Carl Chorinsky erlaubt, unseren Lesern eine ebenso gründliche als lichtvolle Darstellung der rechtshistorischen Entwicklung gerade für jenes Verhältnis hinzuzufügen, das unserer ganzen Auffassung zum Grunde liegt, des Unterschiedes zwischen der uralten festen Hufe und dem freien oder walzenden Grund und Boden. Wir halten uns überzeugt, dass der Kampf, den der Bauernstand des Landes Salzburg gerade auf diesem Gebiete geführt hat, bei der Objectivität und der gründlichen quellenmäßigen Behandlung jener so höchst interessanten Erscheinungen, die wir für dieses Land dem Herrn Verfasser verdanken, nicht ohne Nachahmer für andere Theile des Reiches bleiben wird; [Seite: 227] wir haben dieselbe daher mit Freude begrüßt, und sie darf unbedingt als ein schlagender Beweis dafür gelten, dass jene Gesammtauffassung, aus der unsere Arbeit entsprungen ist, jedem Kenner der Geschichte als eine tief in der Natur des germanischen Bauernstandes begründete und damit historisch ebenso berechtigte erscheinen wird, als wir sie vorderhand für wissenschaftlich richtig halten. Wir dürfen daher diese sehr werthvolle Arbeit zugleich als eine historische Begründung und praktische Erfüllung unserer Auffassung der unserigen dankend anschließen. Vielleicht hat es daneben einen Werth hinzuzufügen, dass beide Arbeiten absolut unabhängig von einander entstanden sind, und doch so wesentlich gleichartige Folgerungen und Forderungen enthalten. Die Klarheit in solchen Fragen kann nur gewinnen, wenn gleichzeitig die verschiedenen Ausgangspunkte demselben Ziele entgegenstreben."

Am 16. September 1882 legte Chorinsky dem Landtage einen Bericht betreffend die Erhebung und Regelung des Gewerbewesens im Herzogthume Salzburg227.1 vor, welcher auf Grund umfassender Erhebungen und einer bis zur Verschreibung der Stadt Salzburg vom 16. Juli 1523 zurückreichenden Darstellung der geschichtlichen Entwicklung die Nothwendigkeit einschneidender Änderungen und Ergänzung der provisorischen Gewerbeordnung vom 20. December 1859 erörtert.

Ein weiterer Bericht über die Creditverhältnisse des Landes227.2 strebt die Feststellung einer Verschuldungsgränze für den bäuerlichen Besitz, successive Entlastung überschuldeter Bauerngüter, sowie corporative Organisation des ländlichen Hypothecar-Credites an und betont vom neuen die Dringlichkeit der Reform des bäuerlichen Erbrechtes. Auch diese Arbeit, welche die erhobenen Postulate durch eine Fülle statistischer Daten zu rechtfertigen sucht, ruht [Seite: 228] auf geschichtlicher Unterlage und bietet eine wahre Fundgrube rechtsgeschichtlicher Details.

Eine geradezu bahnbrechende Leistung Chorinsky's bildet der Bericht über den gegenwärtigen Stand der Fischereirechte und die Nothwendigkeit eines Fischereigesetzes im Herzogthume Salzburg228.1, in welchem als Ergebnis der angestellten historischen Untersuchungen die Regalität des Fischereirechtes im Herzogthume Salzburg bis zum Jahre 1850 hervortritt, die seither thatsächlich geübten Fischereiberechtigungen einer meisterhaften Kritik vom juristischen und wirthschaftspolitischen Standpunkte unterzogen und entsprechende Gesetzesvorschläge erstattet werden.

Auf Grund umfassender statistischen Erhebungen erstattete Chorinsky sodann im Jahre 1889 zwei ausführliche Berichte, von denen der eine die Errichtung einer medicinisch-chirurgischen Akademie und die Organisirung des Sanitätsdienstes in den Gemeinden228.2, der andere mit einem historischen Rückblicke verbundene Bericht die Jagdangelegenheiten des Landes228.3 betrifft.

Am 19. August 1890 wurde Chorinsky zum Präsidenten des Wiener Oberlandesgerichtes ernannt; bald folgte seine Berufung zum Mitgliede des Herrenhauses und des Reichsgerichtes. Das große ideenreiche Wirken, welches der Dahingeschiedene am Abende seines Lebens in diesen öffentlichen Stellungen entfaltete, steht noch in lebendiger Erinnerung der Zeitgenossen228.4 — seine unvergänglichen Schöpfungen aber bilden das schönste und sinnigste [Seite: 229] Denkmal, welches das Andenken an einen der treuesten und edelsten Söhne des Vaterlandes immerdar bewahren wird!

Nur einer Unternehmung der letzten Lebensjahre sei an dieser Stelle gedacht. Die ehrenvolle Einladung an den Verstorbenen, in diesen Blätter[n] über die von ihm inaugurirten rechtsgeschichtlichen Studien Kunde zu geben, langte zu einer Zeit ein, da niemand ahnen mochte, dass sich der Bericht über diese Thätigkeit zum Nekrologe gestalten werde.

Die reichen Erfahrungen, welche Chorinsky an der Spitze eines Selbstverwaltungskörpers zu sammeln Gelegenheit hatte, festigten immer mehr seine Überzeugung, dass eine lebendige Erfassung des Rechtes ohne genaue Kenntnis seiner historischen Entwickelung nicht zu erreichen sei. Nichts wäre irriger als die Annahme, dass die vom Verblichenen mit leidenschaftlicher Begeisterung betriebenen rechtsgeschichtlichen Studien einem bloßen antiquarischen Interesse oder etwa einer allgemeinen Tendenz nach Rückbildung des Rechtszustandes entsprangen. Oft hat er es ausgesprochen, „Wir Richter müßen modern sein', und tiefer Ernst erklang stets aus diesen Worten. Allerdings erschien ihm die Rechtsgeschichte nicht so sehr als Selbstzweck, vielmehr schwebten ihm stets die Beziehungen der Rechtsentwickelung zu den rechtlichen, socialen und wirthschaftlichen Zuständen der Gegenwart als Ziel seiner Forschungen vor Augen.

In diesem Geiste waren seine Berichte an den Salzburger Landtag abgefasst; nicht anders malte er sich das Bild einer dogmengeschichtlichen Darstellung des österreichischen Rechtes aus. Über die Schwierigkeiten eines solchen die Kraft des Einzelnen weit übersteigenden Beginnens hegte er allerdings nicht den mindesten Zweifel; wusste er doch als Autor aus eigener Erfahrung, dass es zur momentanen Verwirklichung eines so weitaussehenden Gedankens an den erforderlichen Vorarbeiten, vor allem aber an einer ausreichenden [Seite: 230] Kenntnis des zum großen Theile nur handschriftlich überlieferten Quellenmateriales mangle.

Doch die Fraglichkeit des Gelingens schreckte ihn nicht von dem Versuche zur Herstellung der unerlässlichen Vorbedingungen eines solchen Unternehmens ab. Und so bildete er denn kühnen Griffes aus einem kleinen Kreise von richterlichen Beamten ein Collegium, dem er mit dem ganzen Feuereifer seines beweglichen Temperamentes in eindringlichen Worten den großen Werth einer österreichischen Rechtsgeschichte als eines eminent patriotischen Werkes vorstellte. Da ihm in hohem Grade die Gabe beschieden war, bei anderen Interesse zu erwecken und wach zu erhalten, so appellirte er nicht vergeblich an den idealen Sinn der Erkorenen, die sich freudig bereit fanden, ihre Mußestunden den rechtsgeschichtlichen Arbeiten zu widmen.

Dem Collegium wies Chorinsky zunächst die Erforschung des Inhalts der sog. Schönkirchner Bücher zu, jener großen Handschriftensammlung des n.-ö. Landes-Archivs (Nr. 27), welche von Hans Wilhelm von Schönkirchen gesammelt, bereits im Jahre 1615 den Ständen zum Kaufe angeboten, von diesen jedoch erst zufolge Beschlußes vom 15. Mai 1653 anlässlich der Redaction der Landesordnung wirklich erworben wurde. Der hier niedergelegte Stoff gehört zum überwiegenden Theile dem 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts (bis Juni 1615) an, doch reichen die Abschriften der Privat-Urkunden bis 1279230.1 zurück; eine im Buche AA enthaltene Handschrift des österr. Landesrechtes I hat S. Adler230.2 beschrieben. Die Bände A und V sind Copialbücher, die übrigen Bände stellen sich als Sammlungen von Concepten und Abschriften dar, neben denen auch Originalien und gedruckte Patente angereiht sind.

Bald einigten sich die Mitarbeiter über die Durchführung der übernommenen Aufgaben und bestrebten sich, bei Abfassung der Regesten die rechtlich relevanten Momente [Seite: 231] des Actenstückes oder der Urkunde hervorzukehren. Wo es die Wichtigkeit des Stückes erheischte, wurden Auszüge veranstaltet oder Abschriften genommen. Die Anknüpfung des erforschten Materiales an vorliegende literarische Arbeiten und an den in gedruckten Quellensammlungen vereinigten Rechtsstoff ermöglichte nach zweijähriger Arbeit eine vorläufige Orientirung über die juristische Production des 16. Jahrhunderts und war zugleich für den Anlageplan der Sammlung Chorinsky bestimmend.

Die Fülle und Vielseitigkeit des Inhalts der Schönkirchner Bücher mußte die Überzeugung reifen, dass der rechtsgeschichtlichen Forschung nur durch Concentration der vorhandenen Kräfte auf ein nach zeitlichen und räumlichen Gesichtspunkten abgestecktes Arbeitsfeld ein erheblicher Gewinn erwachsen könne. Aus diesen Grunde wurden die archivalischen Arbeiten auf jenen Zeitabschnitt beschränkt, welcher mit dem Eindringen der fremden Rechte in die Gerichte anhebt und mit der Anbahnung einer österreichischen Codification unter Maria Theresia ihren Abschluß findet. Die im wesentlichen noch immer particulär gestaltete Rechtsentwickelung während dieser Periode ermöglichte zugleich, die Thätigkeit ausschließlich dem Quellengebiete der beiden Erzherzogthümer zuzuwenden, zumal gerade jene Verwaltungseinrichtungen, welche mit der Schaffung von Centralbehörden verknüpft sind, bereits von berufener Seite zum Gegenstande wissenschaftlicher Untersuchungen geworden waren. Innerhalb des so abgesteckten Rahmens schwebte die Herstellung einer kritischen Ausgabe der Landesordnungen — wenigstens jener für Österreich unter der Enns – als Krystallisationspunkt der Arbeiten vor. Zu dieser Anschauung leitete die Erwägung hin, dass die Codificationsthätigkeit, welche mit Unterbrechungen zwei und ein halbes Jahrhundert erfüllt und im Wandel der Zeiten ganz unwillkürlich ein Spiegelbild des jeweiligen juristischen Könnens liefert, den festen Kern bilde, um den sich der übrige Rechtsstoff gruppiren werde. Die Richtigkeit dieser [Seite: 232] Annahme hat sich zu wiederholtenmalen in überraschender Weise bestätigt.

Da es von vornherein klar sein mußte, dass der kleine Kreis der ursprünglichen Mitarbeiter für sich allein zur Bewältigung eines so umfassenden Werkes nicht ausreiche, war der Verblichene unausgesetzt bemüht, die Bedingungen der Durchführung zu schaffen. Er suchte demnach in weiteren richterlichen Kreisen das Interesse für die rechtsgeschichtlichen Arbeiten zu erwecken, immer neue Kräfte für das Unternehmen zu gewinnen. Dabei unterließ er niemals, in den Monatsversammlungen der Betheiligten die gewonnenen Ergebnisse zusammenzufassen und deren Bedeutung zu würdigen, zugleich aber auch das Endziel anzudeuten, dem seiner Überzeugung nach die unternommenen Arbeiten zuzusteuern hätten. Unser Richterstand, pflegte er zu sagen, welcher in nahezu vierhundertjähriger Spruchpraxis das Recht getragen und entwickelt habe, sei in erster Linie berufen, die Geschichte dieses Rechtes und hiemit zugleich die Geschichte seines Standes zu schreiben. Ein weiteres Bestreben des Verewigten ging dahin, die Hauptmasse der Schreibthätigkeit auf Diurnisten zu überwälzen, was auch dank dem bereitwilligen Entgegenkommen von Seiten der Ministerien für Cultus und Unterricht und des Inneren gelang.

Um das auf solche Weise geförderte Unternehmen zu einer den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Leistungsfähigkeit zu erheben, suchten Mitarbeiter an der philosophischen Facultät die nöthige Sicherheit bei der Lectüre von Individualschriften zu gewinnen. Herr Professor Przibram hatte die besondere Liebenswürdigkeit, den Theilnehmern einen eigenen Cursus zu widmen und denselben die fachliche Anleitung beim Lesen schwieriger Concepte zu ertheilen. Hiedurch wurde es ermöglicht, wichtige Actenstücke, darunter besonders viele Aufzeichnungen von der Hand des Freiherrn Reichart Strein und die Beck'schen Protokolle der Sammlung einzuverleiben.

Von dem Bestreben nach möglichster Vereinfachung der Arbeit geleitet, wurden die zur Autographie bestimmten [Seite: 233] Stücke unmittelbar nach der Handschrift mit chemischer Tinte copirt und die Abschrift, soweit dies thunlich erschien, sofort in druckfertigem Zustande hergestellt. Als Norm für die Textbehandlung wurden die von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften bei ihrer Ausgabe der österreichischen Weisthümer aufgestellten Grundsätze angenommen.

Das unermüdliche Bemühen des Verewigten für sein Werk ermöglichte die Benutzung und Entlehnung der Handschriften, welche von den öffentlichen und Privat-Archiven in der zuvorkommendsten Weise gestattet wurde. Seiner Fürsorge gelang auch die Erwirkung eines von Sr. Excellenz dem vormaligen Unterrichts-Minister Freiherrn von Gautsch bereitwilligst verliehenen Reise-Stipendiums behufs Durchforschung der an österreichischen Rechtshandschriften so reichen Senckenberg'schen Sammlung in Gießen. Zu ganz besonderem Dank endlich ist das Unternehmen dem Altmeister der österreichischen Rechtsgeschichte Herrn Professor Dr. Arnold von Luschin verpflichtet, welcher demselben unablässig durch Zusendung von Handschriften und Nachweisung von Quellen, durch Überlassung der von ihm gesammelten Materialien und durch zahlreiche überaus werthvolle Winke in der liebenswürdigsten Weise zur Seite gestanden ist.

Über den dermaligen Stand der Arbeiten wäre folgendes zu berichten:

Was zunächst das Landtafelwerk betrifft, so wurden an Handschriften bisher ermittelt233.1: [Seite: 234]

[Seite: 235]

Als Grundtexte für die Abschriften wurden ad I der Codex Nr. 178 des n.-ö. Landes-Archivs, ad II die Handschrift des juridisch-politischen Lesevereins, ad III die glossirte Schönkirchner Handschrift, ad IV das mit den Zusätzen Strein's versehene Exemplar gewählt. Die Copiatur des Strein-Linsmayr'schen Entwurfes ist nach der einzigen, bisher bekannt gewordenen Vorlage bis zum 59. Titel des 5. Buches gediehen. Von der Landesordnung des 17. Jahrhunderts236.2 liegen die Abschriften der im Codex Nr. 61 des n.-ö. Landes-Archivs und der in den Handschriften des obersten Gerichthofes sowie des Ministeriums des Innern [Seite: 237] enthaltenen Tractate nebst anderen kleineren Entwürfen und Motiven vor.

Hand in Hand mit der Ermittlung der Handschriften und Herstellung der Texte wurde die Erforschung der Quellengeschichte in Angriff genommen und das einschlägige Material, soweit nicht Drucke vorliegen (dermalen bis 1717), copirt.

Für die Geschichte des Landrechtszeigers kommen, soweit bekannt, nur die Landtagsverhandlungen237.1 in Betracht. Durch sie erfahren wir, dass die Anregung zur Abfassung eines Landrechtsbuches u. zw. bereits unter Maximilian I. (1499) vom Herrn- und Ritterstande ausging, sodann unter Karl V. und Ferdinand I. erneuert wurde und dass ein ständischer Gesetzentwurf im Januar 1528 den landesfürstlichen Commissarien vorlag. Die Motive, welche das Verlangen nach einer Codification des Rechtes erzeugten — Beseitigung der durch das Auftreten gelehrter und halbgelehrter Procuratoren in den landesfürstlichen Gerichten hervorgerufenen Rechtsunsicherheit — und die mit den Schicksalen des Entwurfes innig verflochtenen Kämpfe gegen die Appellation, welche im Jahre 1524 wider Urtheile des landmarschallischen Gerichtes eingeführt wurde, treten hier in scharfen Umrissen hervor. Hingegen gewähren die Landtagsacten über den Autor des durch seine unbefangene Stellung den fremden Rechten gegenüber bedeutsamen Werkes keine Auskunft und lassen nicht erkennen, ob die geplante Berathung des Elaborates durch Landleute und Rechtsgelehrte thatsächlich stattgefunden habe. Bis zum September 1537 ziehen sich die Verhandlungen hin, dann bricht der Faden plötzlich ab, um erst nach dem Tode Ferdinand I. wieder aufgenommen zu werden.[Seite: 238]

In diese Zwischenzeit fallen jedoch zwei Ereignisse, welche für die späteren Codifications-Arbeiten von entscheidendem Einfluße geworden sind. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts, da das gerichtliche Verfahren in den landesfürstlichen Instanzen (der n.-ö. Regierung und dem landmarschallischen Gerichte) der Romanisirung völlig erlegen war, und auch die Institute des materiellen Rechtes in ein bedenkliches Schwanken geriethen, erschienen die Tractate des Dr. Bernhard Walther von Waltersweil, welche dem Fortschreiten der Reception in Österreich einen wirksamen Damm entgegengesetzt haben. Mit feinem Verständnisse und einer für seine Zeit geradezu bewunderungswürdigen Liebe für die noch triebkräftigen Zweige der volksthümlichen Rechtsbildung trat der „Vater der österreichischen Jurisprudenz"238.1 an die Aufgabe heran, den in verblassender Erinnerung der oberen politischen Stände fortlebenden Landsbrauch zu erforschen und diesen mit den zu Pavia und Bologna erworbenen Mitteln juristischer Technik zu bemeistern. Durch die Verschmelzung des heimischen und fremden Rechtes zu einer einheitlichen wissenschaftlichen Darstellung ward in dem gewaltigen Ringkampfe antiker und germanischer Geistescultur dem österreichischen Gewohnheitsrechte ein fester Boden errungen; die in zahllosen Handschriften verbreiteten Walther'schen Tractate238.2 [Seite: 239] galten fortab als Canon des Landsbrauches in den Gerichten. Für die Autorität ihres Verfassers zeugt wohl am besten die Thatsache, dass ihm zwei Landtafelentwürfe, der Zeiger in das Landrechtsbuch und der Entwurf vom Jahre 1573239.1 zugeschrieben wurden.

Nicht minder eingreifend in die Rechtsentwickelung ist die Landrechtsordnung für das Erzherzogthum Österreich unter der Enns vom 18. Februar 1567, welche das Verfahren im landmarschallischen Gerichte regelt und die vom Landschreiber Caspar Strasser aus Ordnungen dieser Behörde und der n-ö. Regierung compilirte Landrechtsordnung vom 12. April 1540239.2 ablöste. Über die Entstehungsgeschichte der bei den Ständen in hohem Ansehen gestandenen Landrechtsordnung 1557 ist bekannt, dass die Ausarbeitung des Gesetzes bei der n.-ö. Regierung erfolgte und dass die wichtigsten Neuerungen desselben bereits durch eine Ordnung vom 20. November [Seite: 240] 1554240.1 eingeführt wurden; so die Competenz der Landrechte in Fällen von Justiz-Verweigerung der Grundherren, die Betheiligung des Landmarschalles bezw. Landuntermarschalles an der Abstimmung, die Einschränkung des Arrestes, die Androhung von Pönfallen und Gefängnis im summarischen Verfahren, endlich die Abschaffung der mündlichen Verhöre.

Unmittelbar nach dem Regierungsantritte Maximilian II. beginnen die ständischen Verhandlungen wegen Aufrichtung der Landtafel vom neuen. Excerpte der einschlägigen Landtags-Acten seit Juli 1565 finden sich nebst einer Reihe von Verzeichnissen der zur Berathung des Werkes designirten landesfürstlichen Commissarien und ständischen Ausschüße im Fasc. B. IV. 2 des n.-ö. Landes-Archivs. Die wichtigsten Aufschlüße gewährt jedoch der daselbst in Original-Ausfertigung erliegende Bericht vom 13. December 1573, womit der Regimentsrath Dr. Wolfgang Püdler den von ihm verfassten Entwurf einer „Landtafel- oder Landesordnung des hochlöblichen Erzherzogthums Österreich unter der Enns" dem Landmarschalle Hans Wilhelm von Roggendorf überreichte. Aus diesem Actenstücke erhellt, dass das Landtafelwerk trotz aller Ermahnungen des Kaisers und ungeachtet der Abordnung etlicher Commissarien keinen Anfang nehmen wollte, bis Püdler, dessen Name als Verfasser des Entwurfes in den Landtagsverhandlungen nicht genannt wird, auf Ersuchen des Landmarschalls das Werk ohne alle Hilfe und Beistand auf sich nahm und in einer Frist von nicht ganz dritthalb Jahren wirklich zu Stande brachte. Als getreuer Schüler der Universität Padua steht der Compilator ganz unter dem Einfluße der italienischen Rechtslehre und ihrer wenig erfreulichen analytischen Methode (mos Italicus); für die fortdauernde Geltung des Gewohnheitsrechtes, wie selbes in Walther's Tractaten niedergelegt [Seite: 241] ist, sucht er nach Stützen und erblickt solche in der landesfürstlichen Bestätigung und dem Institute der unvordenklichen Verjährung.

Die Relation der Verordneten vom Jahre 1577 bezeichnet Püdler auch als den Verfasser des Lehen-Tractates, welcher bis zur Durchführung der Allodialisirung als Erkenntnisquelle des Gewohnheitsrechtes in subsidiärer Geltung gestanden ist241.1.

Der dem Püdler'schen Landtafelwerke anhaftende doctrinäre Charakter, die pedantische Schwerfälligkeit der Diction und die breite, erklügelte Casuistik waren kaum geeignet, dem Elaborate besondere Freunde unter den Ständen zu gewinnen, zumal das Interesse derselben auf Rechtsfragen concentrirt war, an deren Lösung sich der gelehrte Romanist nicht herangewagt hatte.

In dieser Zeit, da das Problem einer Organisation der obrigkeitlichen Gewalten auftaucht, tritt immer bestimmter eine Persönlichkeit in den Vordergrund, welche die praktischen Bedürfnisse des Rechtslebens mit klarem Blicke erfasste und der Gesetzgebung neue Impulse zuzuführen verstand. Reichhart Strein Freiherr von Schwarzenau, der zu Bologna und Straßburg die Bildungselemente der italienischen und französischen Rechtsschule in sich aufnahm und im innigen Verkehre mit seinem Lehrer Hotomanus die Empfänglichkeit für antiquarische Studien erwarb, welche seinem ganzen Auftreten ein bestimmtes Gepräge verliehen hat, gehörte der Berathungs-Commission bereits bei ihrer Constituirung als Mitglied an. Nunmehr, da der ausgearbeitete Landtafelentwurf vorliegt, ist er es, der sich in das Studium des Werkes vertieft und bei der nothwendig gewordenen Überarbeitung den Compilatoren hilfreich zur Seite steht. In seine Hand gelangen die von Dr. Melchior Hofmayr († 1586) ausgearbeiteten Tractate, denen Strein seine Notizen beifügt; unter seiner Principal-Direction [Seite: 242] arbeitet Johann Baptist Linsmayr zu Weinzierl in den Jahren 1587-1595 einen neuen Landtafelentwurf in fünf Büchern aus, während er selbst den Ständen Additiones und Bedenken zum ersten Buche der Linsmayer'schen Arbeit überreicht. An Bemühungen, diesem Werke die Approbation der Stände zu erwirken, hat es nicht gefehlt; allein die bewegten Tage des Bauernaufstandes242.1 sowie die vielfache Beschäftigung Strein's führten zu fortwährenden Vertagungen des Beginnes der Berathung. Erst im Jahre 1611, nachdem Strein († 1600) und Linsmayer († 1609) verschieden waren, traten die ständischen Ausschüße, die sich zuvor eine Abschrift des von Dr. Abraham Schwarz ausgearbeiteten Entwurfes einer Landtafel des Erzherzogthums Österreich ob der Enns242.2 erbeten hatten, an die Prüfung des Linsmayer'schen Projectes heran, deren Ergebnis in dem vom Syndicus Christoph Hafner verfassten Additionen et notae zum zweiten bis vierten Buche der Landtafel242.3 niedergelegt sind. Die geplante Superrevision durch den Hofkammerrath Christoph von Leysser in Idolsperg sollte nicht mehr zu Stande kommen.

Erst nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges wurde 1650 die abermalige Angriffnahme der Codification durch den Landmarschall Georg Achaz zu Losenstein angeregt, welcher alsbald mit einem, offensichtlich durch den österreichischen Hofkanzler Dr. Johann Mathias Prickhelmayer inspirirten Plane über die Durchführung hervortrat. Eine Gegenbewegung im Schoße des geheimen Rathes, als deren Urheber unschwer der n.-ö. Statthalter Johann Franz Graf Trautson zu erkennen ist242.4, wusste zwar [Seite: 243] die sofortige Aufnahme einer vor Jahren abgebrochenen Verhandlung über die Executions- und Revisions-Ordnung durch ständische Ausschüße und landesfürstliche Commissarien durchzusetzen, vermochte indessen die Ausführung der Landesordnung nicht zu vereiteln, wenngleich der ursprüngliche Arbeitsplan einige Modificationen erfahren mußte.

Mit der Überarbeitung der Landesordnung waren die vier Doctoren: der Regimentskanzler Johann Baptist Suttinger von Thurnhof, der Landschreiber und nachmalige Regimentsrath Johann Michael von Seiz und die beiden Syndici der Landschaft Johann Georg Hartmann und Johann Leopold befasst. Im December 1657 hatten dieselben bereits sämmtliche zur Landesordnung gehörigen Tractate bis auf einen Aufsatz über das forum mercantile fertig gestellt; doch machten die Berathungen, welche mit Unterbrechungen bis zum Jahre 1669 reichten, sodann im Februar 1675 abermals aufgenommen wurden, mehrfache neue Vorlagen nöthig. Im September 1658, als sämmtliche ursprünglich in Aussicht genommenen Tractate der Landesordnung fertiggestellt waren, schied Suttinger aus dem Kreise der Mitarbeiter und trat für die weiteren Arbeiten Seiz an die Spitze der Compilation; die Berufung Leopold's als Hofrath und geheimer Secretarius der österreichischen Hofkanzlei (1665) hatte den Eintritt des Syndicus Dr. Franz Beck als Compilator zur Folge.

Wie die legislativen Arbeiten des 16. Jahrhunderts, so trägt auch das Elaborat der vier Doctoren ganz deutlich die Ursprungsmarke seiner Entstehungszeit. Vorbei waren die Tage, in denen der Landrechtszeiger gegen die Procuratoren eiferte, welche „allweg den Fußtapfen ihrer Lernung nachtraten, aber wenig Aufsehen gehabt auf der Zeiten Regierung, Schicklichkeit und Geschichte", da ein Bernhard Walther den verkümmerten Resten des volksthümlichen Rechtes zu neuem Dasein verhalf und Reichart Strein, der geschichtskundige Staatsmann, die Krönung seines Landtafelwerkes durch Erwirkung einer [Seite: 244] Landhandfeste noch erhoffen konnte. Jene Kraft schöpferischer Ideen, welche die im Sturm und Drang des Reformations-Zeitalters hervorragenden Juristen auszeichnete, war gebrochen; die Bedeutung der Epigonen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts besteht nur darin, dass sie das seit Ferdinand I. in Gesetzgebung und Rechtssprechung angehäufte Materiale zusammenzufassen und in einer den geänderten socialen und wirthschaftlichen Verhältnissen angepassten Weise zu verwerten verstanden. Das Ergebnis jenes Sammeleifers hat Suttinger in drei nach alphabetischen Schlagworten (loci communes) geordneten Werken niedergelegt, von denen das eine, der Codex Ferdinandeus den Generalien gewidmet ist und die Grundlage der beiden ersten Theile des Codex Austriacus bildet, das andere unter dem Titel eines Gedenkbuches der Landschaft eine materienweise Zusammenstellung von Excerpten aus den Landtags-Acten der Jahre 1521-1581, soweit diese für die Codification in Betracht kommen, bietet, das dritte als Consuetudinarium Austriacum vornehmlich aus den verschollenen Consuetudinari- und Motiven-Büchern der n.-ö. Regierung geschöpft ist.

Nicht allein bei Ausarbeitung des Compilatoren-Entwurfes wurde dieses Materiale, wie die Glossen zeigen, benutzt, es fand auch im Stadium der Berathung vielfach Verwerthung und hat mitunter überraschende Wendungen herbeigeführt.

Ein Beispiel mag als Beleg dienen. Ein Jahr, bevor das erste Robotpatent vom 28. Juni 1680 in Böhmen das Ausmaß der durch Urbaren, Verträge und Herkommen fixirten Frohndienste auf drei Tage in der Woche herabsetzte244.1, hatte der Tractatus de iuribus incorporalibus unter Berufung auf eine kaiserliche Resolution vom Jahre 1563244.2 den Ständen des Landes unter der Enns die ungemessene [Seite: 245] Robot zugestanden. Man sollte nun meinen, dass der Gnadenact des Jahres 1563, welcher die vitalsten Interessen der landwirthschaftlichen Production, die Bestellung des Dominical-Gutes einerseits, die öconomische Lage des Bauernstandes anderseits, so tief berührte, in allen seither durch die Stände veranlaßten Codificationsentwürfen ihren Ausdruck gefunden haben müsse.

Allein, weder in den Arbeiten Püdler's und Strein-Linsmayr's noch in der Vorlage der vier Doctoren ist von ungemessener Robot die Rede; vielmehr bemerkt die Glosse zum letztgenannten Entwurfe ganz lakonisch: wegen der herrn landleuth underthannen robath ist in dem landsbrauch nichts bestendiges zue finden245.1. Dass jene Resolution so ganz in Vergessenheit gerathen konnte, erklärt sich daraus, dass sie lediglich das Herkommen gegen Neuerungen der gerichtlichen Regierungs-Praxis aufrecht erhielt und dass ihr die Publicirung durch ein Generalmandat nicht gefolgt war245.2. Erst in der Sitzung vom 17. December 1666 ist veranlast worden, daz herr Seiz die der robath halber vor jahren ergangene kais. resolution bei negster session hereinbringen wolle245.3. Die Erfüllung dieses Auftrages hatte die Einschaltung des neuen § 4 im 5. Titel zur Folge, der sich bereits im Entwurfe der Berathungs-Commission findet.

Sind wir über die Schicksale der früheren Entwürfe zumeist nur durch die Landtags-Verhandlungen unterrichtet, so liegt für die Thätigkeit der an der letzten Redaction [Seite: 246] betheiligten Personen ein reiches Actenmateriale vor; insbesondere besitzen wir die Protokolle der Syndici Dr. Hartmann und Dr. Beck246.1 über die Sitzungen des Gesammt-Collegiums und die Vorberathungen der ständischen Ausschüße, dann aus der Zeit, als Seiz die Compilation leitete, auch Protokolle der Compilation246.2.

Der bereits von Strein beobachtete Vorgang, die einzelnen Bücher der von Linsmayr entworfenen Landtafel sofort nach deren Fertigstellung den Ständen vorzulegen, wurde jetzt dahin erweitert, dass jeder ausgearbeitete Tractat (Buch) gesondert die einzelnen Stadien von der Compilation zum Berathungs-Collegium, sodann durch die Regierung zur Hofkanzlei zurücklegen mußte, bevor die Einholung der kaiserlichen Entschließung erfolgte. Diese stückweise Bewältigung des umfangreichen Werkes bietet den Erklärungsgrund für die merkwürdige Erscheinung, dass nur ein Theil desselben die Sanction erlangte246.3, ein anderer hingegen [Seite: 247] Entwurf geblieben ist. Dieser Behandlungs-Modus bewirkte zugleich, dass nicht nur ganze von den Compilatoren bearbeitete Rechtsgebiete, wie der Process, das Lehenrecht, endlich das im Buche von den Contracten behandelte Obligationen- und eheliche Güterrecht eine gesetzliche Regelung überhaupt nicht gefunden haben, sondern, dass auch von zusammenhängenden Materien nur Bruchstücke publicirt wurden. So erlangte zwar das dem Intestat-Erbrechte, nicht aber auch das dem testamentarischen Erbrechte gewidmete Buch Gesetzeskraft, obgleich letzteres noch unter Karl VI. vom neuen Begutachtungen durch die Stände und durch die Regierung erfahren hatte; das dingliche Rechtsverhältnis des Erbzinsmannes am Leihegute fand — im Gegensatze zu dem an praktischer Bedeutung weit nachstehenden Leibgedinge — lediglich deshalb im Tractatus de iuribus incorporalibus keine Regelung, weil die Compilatoren die Lehre von den Erbgütern in das zweite Buch (von den Contracten) zu verweisen fanden.

Trotz der successiven Publication der einzelnen Tractate wurde das Werk der Landes-Ordnung doch von gesetzeswegen als ein zusammengehöriges Ganze betrachtet: die Gerhabschafts-Ordnung und der Tractatus de iuribus incorporalibus beziehen Bücher, welche niemals Gesetzeskraft erlangt haben, und in kleineren Process-Gesetzen, wie im Appellations-Edicte vom 13. März 1670 (Cod. Austr. I. 86) [Seite: 248] und in der Advocaten-Ordnung vom 28. März 1681 (Cod. Austr. I. 25) wird die Aufnahme des Inhaltes dieser Generalien in die Gerichts-Ordnung (d. i. das erste Buch der Landes-Ordnung) verfügt.

Die lange Pause, welche in der Codifications-Thätigkeit nach der Publication des Tractatus de iuribus incorporalibus eintrat, obgleich die Commission ihre Aufgabe bereits im Jahre 1669 bewältigt hatte, dürfte nicht allein auf den schleppenden Geschäftsgang der landesfürstlichen Behörden unter Leopold I. und den neuerlichen Ausbruch der Türkenkriege, sondern auch auf die allseitige Ermattung der Betheiligten zurückzuführen sein, welche sich nach dem Erscheinen dieses wichtigsten Bestandtheiles der Landes-Ordnung248.1 fühlbar machte. Hatten die oberen politischen Stände durch denselben neben namhaften Errungenschaften gegenüber den Unterthanen248.2 eine Codification gerade jener Materie erlangt, welche in ihrem Rechtsverkehre am häufigsten Anlass zu Processführungen bieten mochte248.3, so war auch der Landesfürst an dem Zustandekommen gerade dieses Gesetzes in hohem Grade interessirt. [Seite: 249]

Als nämlich die zur Staatsgewalt erstarkende Landeshoheit behufs Durchführung ihrer im Interesse des Gemeinwohles getroffenen polizeilichen Anstalten eine Organisation der Subjections-Verhältnisse durch Erhebung der Herrschaft zur Obrigkeit und Herabdrückung des Holden zum Unterthanen herzustellen beginnt249.1, tritt eine besondere Schwierigkeit hervor, welche mit den vom Mittelalter überkommenen Schichtungsverhältnissen zusammenhängt: "trotz der vielen Gewalten ist keine Gewalt Vollgewalt, trotz der vielen Herren kein Herr Alleinherr"249.2. Landgerichts-, Grund-, Vogt-, Dorf-, Berg- und Zehnt-Herren standen mit disparaten Ansprüchen dem Holden gegenüber. Der Umfang ihrer großentheils auf schwankendem Herkommen ruhenden Befugnisse ließ sich nur durch individualisirende Prüfung der einzelnen Rechtstitel ermitteln; hiezu kam, dass unter dem Einfluße der romanisirenden Doctrin auch die sachliche Zuständigkeit der Niedergerichte zum Streitpunkte aufgeworfen ward249.3. Wer vermochte bei einem solchen Zustande der Zerfahrenheit [Seite: 250] zu bestimmen, welchem Herren die öffentlich-rechtlichen Functionen zustünden, welche die landesherrliche Gesetzgebung des 16. Jahrhunderts seit dem Innsbrucker Libelle250.1 und den Polizei-Ordnungen der nicht näher definirten Obrigkeit in steigendem Maße zugedacht hatte? Eine eindringliche Erörterung des Problems der obrigkeitlichen Gewalten findet sich, soviel zu sehen, zum erstenmale in dem Berichte über die Jurisdictionen250.2 und den hiemit im Zusammenhang stehenden Hofmayr'schen Fragmenten. Zwei Streitfragen waren es vornehmlich, welche die Juristen in den achtziger Jahren des 16. Saeculums beschäftigten: ob die Civiljurisdiction und Dachtraufen-Gerechtigkeit der Grund- oder der Vogt-Obrigkeit zustehe, sodann, ob neben diesen Gewalten noch eine besondere Dorfobrigkeit existire. Der Tractatus de iuribus incorporalibus hat diese Controversen entschieden, indem er einerseits den Grundsatz feststellte: einem gruntherrn seint seine underthanen in real- und personalsprüchen underworfen (Tit. 4 § 1), anderseits die Dorfobrigkeit anerkannte250.3 und mit entsprechenden, zum Theile ganz neuen Befugnissen ausstattete250.4.[Seite: 251]

Seit dem Regierungsantritte Karl VI. kam wieder ein frischer Zug in die Gesetzgebung. Die mit dem Decrete vom 24. April 1713251.1 geplante Reform der gesetzlichen Hypotheken hatte zunächst die Erstattung umfangreicher, für die Geschichte des Pfandrechtes wichtigen Gutachten zur Folge; ihr schließliches Ergebnis war das n.-ö. Landtafel-Patent vom 24. November 1758. Auch die Landes-Ordnung wurde neuerlich in den Kreis der Gesetzgebungs-Arbeiten gezogen. Das von den Ständen zunächst urgirte vierte Buch erlangte mit einigen Änderungen am 28. Mai 1720 als „neue Satz- und Ordnung vom Erbrecht außer Testament" die Sanction; nicht dagegen der gleichfalls in Angriff genommene Tractat vom testamentarischen Erbrechte. Ebensowenig hatten die noch unter Maria Theresia eifrig betriebenen Arbeiten zur Revision des Tractatus de iuribus incorporalibus251.2 eine neuerliche Regelung dieser Materie zur Folge.

Mehr als dritthalb Jahrhunderte hatte die Idee einer Landes-Ordnung für Österreich unter der Enns die Kräfte der besten Juristen des Landes in Anspruch genommen; nur Bruchstücke der letzten Redaction hatten Gesetzeskraft erlangt, als mit Einsetzung der Compilations-Commission zur Abfassung des Codex Theresianus einer weiteren Codification des Provincialrechtes für alle Zukunft der Boden entzogen ward. Unter solchen Umständen drängt sich wohl die Frage auf, ob das mit so gewaltigem Einsatze an geistigem Capitale und sehr bedeutendem Kostenaufwande [Seite: 252] unternommene Werk nicht ein vergebliches Beginnen zu nennen sei, zumal doch mindestens der äußere Erfolg den gehegten Erwartungen nicht entsprach. Der beredte Fürsprech der österreichischen Rechtsgeschichte hat auf diese Frage die Antwort252.1 ertheilt:

„Österreich ist im sechzehnten Jahrhunderte, im Zeitalter Max I. und Ferdinand I. das culturell in vielen Beziehungen fortgeschrittenste Land des deutschen Reiches ... Österreich hatte aber auch zu dieser Zeit alle Bildungs-Elemente vereinigt. Die Verbindung mit dem spanischen Reiche, mit den beiden Indien, mit den Niederlanden, mit Italien, die Berufung des Reichshofrathes nach Wien und die Aufstellung eines Regimentes der nieder-österreichischen Lande brachte die gebildetsten Männer an den Hof des Kaisers und vereinigte die tüchtigsten Kräfte, welche eine Justizreform durchzuführen vermochten.

„Allein auch der Inhalt der Codifications-Versuche hat wenigstens mich überzeugt, was für ein mächtiger Stoff juridischen Wissens zu dieser Zeit in Österreich aufgestappelt war, welcher die Codifications-Arbeiten und die Rechtssprechung gleichschwer günstig beeinflußt hat ... Eine historisch genaue Forschung wird meine Vermuthung bekräftigen, dass die Quellen vieler Rechtssätze des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches in den juristischen Arbeiten des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts zu finden sind, und ich bin überzeugt, dass die unschätzbaren Vorzüge unseres bürgerlichen Gesetzbuches eben in der dreihundertjährigen Vorbereitung dieses Meisterwerkes zu finden sind."

Und in der That tritt bereits im siebzehnten, noch entschiedener aber in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts die Tendenz hervor, der unter-ennserischen Landes-Ordnung eine über ihr ursprüngliches Geltungsgebiet erweiterte Anerkennung zu verschaffen. Die beiden [Seite: 253] Revisions-Ordnungen vom Jahre 1655 und 1669 waren von vornherein für beide Erzherzogthümer bestimmt; die Landgerichts-Ordnung vom Jahre 1656 diente nicht nur vielfach als Grundlage der Landgerichts-Ordnung des Erzherzogthums Österreich ob der Enns vom 14. August 1675, sondern gelangte in der vom Cardinale Leopold Grafen von Kollonitsch veranlassten lateinischen Übersetzung auch in Ungarn zu thatsächlicher Anwendung253.1; die neue „Satz-und Ordnung vom Erbrecht außer Testament" endlich wurde in den Jahren 1729-1747 mit nur geringen Abweichungen in Österreich ob der Enns und den drei inner-österreichischen Herzogthümern eingeführt.

Neben dem Unternehmen, welches auf die Veranstaltung einer Ausgabe der Landes-Ordnungen abzielt, wurden für die Sammlung Chorinsky eine Reihe weiterer Arbeiten vollendet oder doch in Angriff genommen, welche die Bausteine für eine Rechtsgeschichte von Österreich unter und ob der Enns vom Beginne des sechzehnten bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts zu liefern bestimmt sind.

Eine Verzeichnung der Amts-Instructionen, Patente und Ordnungen strebt nach Möglichkeit die großen Lücken auszufüllen, welche der Codex Austriacus aufweist, dann aber auch die Provenienz der dort aufgenommenen Stücke durch Angabe der Subscriptionen zu bestimmen. Nach verschiedenen Gesichtspunkten angelegte Register zu Suttinger's Consuetudines Austriacae sollen die Benutzbarkeit dieses reichen Quellenschatzes erleichtern, eine gleichzeitig angestellte Vergleichung von Handschriften aber den Mängeln der Druckausgabe abhelfen. Zur Gewinnung einer Übersicht über die für die Zwecke des Unternehmens in Betracht kommenden [Seite: 254] Handschriften wurde die Indicirung von größeren Manuscripten-Sammlungen (Aichen'sche Sammlung im n.-ö. Landes-Archive, Austriaca der Senckenberg'schen Sammlung in der Gießener Universitäts-Bibliothek, Hüttner'sche Sammlung im Niederösterreichischen Archive, dann die der einschlägigen Codices der Hof-Bibliothek) veranlasst.

Parallel mit dieser auf Sammlung und Sichtung des Materiales gerichteten Thätigkeit erfolgte die Abschriftnahme ausgewählter Acten, von denen die kleineren zu Miscellanea-Bänden vereinigt wurden. An umfangreicheren Stücken besitzt die Sammlung Chorinsky Abschriften der Tractatus varii practici (Hüttner'sche Sammlung Bd. 10), einer Privatarbeit aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, welche im Anschluße an die Gliederung der u.-e. Landes-Ordnung ausgewählte Fragen des gerichtlichen Verfahrens und des materiellen Privatrechtes unter Benützung der Judicatur seit dem Ausgange des siebzehnten Jahrhunderts erörtert, sodann Abschriften von den Berichten der n.-ö. Kammer-Procuratoren Dr. Georg Eder (Reichsfinanz-Archiv Cod. Nr. 22 D) und Dr. Wolfgang Schwanser (das. Cod. Nr. 21 D); letztere zum Theile in Auszügen.

Die Unordnung in der Geschäftsgestion seiner Amtsvorgänger bewog Eder, eine fortlaufende Übersicht über seine Thätigkeit bei Gericht herzustellen, indem er die von ihm geführten Activ- und Passiv-Processe nach der Art des Verfahrens (Ordinari- und Extra-Ordinari-Rechtssachen) gegliedert aufführt und bei jeder Streitsache die von ihm selbst oder der Gegenpartei vorgenommenen Processhandlungen verbucht. Erfährt man aus diesen kalenderartig geführten, doch nicht selten von eingestreuten Motivirungen begleiteten Aufzeichnungen über das Meritum des Rechtsstreites nur wenig oder gar nichts, so lässt sich doch aus diesen Relationen ein klares Bild über die thatsächliche Gestaltung des Rechtsganges bei der nieder-österreichischen Regierung gewinnen, welches die von Eder's [Seite: 255] Zeitgenossen Bernhard Walther gelieferte wissenschaftliche Darstellung dieses Processes in erwünschter Weise ergänzt255.1.

Einen wesentlich anderen Charakter tragen die berühmten Berichte des Kammer-Procurators Dr. Wolfgang Schwanser. Es sind dies Gutachten, welche aus Anlass specieller Fälle im Auftrage der n.-ö. Kammer über alle Zweige der Administration, zumeist der Finanz-Verwaltung, erstattet wurden255.2. Neben eingehenden dogmatischen Erörterungen der aufgeworfenen Rechtsfragen verfolgt Schwanser in diesen Gutachten nicht selten das vorliegende Rechtsverhältnis oder die einschlägige Norm auf ihren geschichtlichen Ursprung zurück und liefert auf solche Weise dem Rechtshistoriker dankenswerthe Fingerzeige für seine Untersuchungen.[Seite: 256]

Die mit Lust und Liebe betriebenen Forschungen haben durch den Tod ihres Urhebers einen herben Schlag erlitten; war doch der Schöpfer des Unternehmens zugleich die Seele desselben. Nunmehr, da der Verblichene das begonnene Werk, an dem sein ganzes Herz hing, den Mitarbeitern als theueres Vermächtnis hinterlassen, gilt es, nach besten Kräften das Wort einzulösen, durch welches diese ihrem genialen Führer verpflichtet sind.

Ein langjähriger Freund des Verstorbenen, Se. Excellenz Herr Senats-Präsident Dr. Emil Steinbach hatte, der Bitte des verwaisten Collegiums willfahrend, die große Güte, die Leitung der weiteren Arbeiten zu übernehmen.

223.1. Ztschr. f. Notariat u. freiw. Gerichtsb. 1875/76; Separatabdruck Wien 1877.

223.2. Gesetz vom 2. März 1875, Nr. 37 R.-G.-B.

223.3. „Das Notariat und die Verlassenschafts-Abhandlung in Österreich". Ztschr. f. Notariat 1876; Separatabdruck Wien 1877.

224.1. „Die Verlassenschafts-Abhandlung in Österreich. Ein Votum für deren Aufhebung." Wien 1862.

224.2. Ztschr. f. d. Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart IV., S. 782 ff.

224.3. Zeitschr. f. Not. 1877; Separatabdruck Wien 1878.

224.4. Wien 1879.

225.1. Codex Austr. II., 117.

225.2. Die Kenntnis dieser Berichte verdankt der Verfasser der Güte des hochwürdigsten Herrn Landeshauptmanns Alois Winkler. Der erste betrifft die Ursachen der Steigerung der Armen- und Straßen-Auslagen der Gemeinden des Landes Salzburg. Z. 47/L. T. 1881.

226.1. Vom 19. September 1881, Z. 103/L. T. 1881.

226.2. Stuttgart 1882.

227.1. Z. 26/L. T. 1882.

227.2. Vom 9. April 1884; Nr. 1/L. T. 1884.

228.1. Vom 27. März 1884; Nr. 13/L. T. 1884.

228.2. Vom 15. September 1889; Nr. 125/L. T. 1889.

228.3. Vom 17. October 1889; Nr. 173/L. T. 1889.

228.4. Vgl. Allg. österr. Gerichtszeitung 1896 Nr. 3; Österr. Zeitschr. f. Verwaltung 1897 Nr. 38; dann die Nachrufe in den Tagesblättern „Wiener Tagblatt" vom 12., „Das Vaterland" vom 13., „Reichspost" vom 14. Juli 1897.

230.1. Urk. 1279 I. 29 Schönk. Buch BB, 477.

230.2. Sitzungsberichte der k. Akademie Bd. 126 Nr. 3.

233.1. An eine Verzeichnung der Walther'schen Tractate ist dermalen nicht zu denken; sie finden sich fast in jedem heimischen Archive, oft in mehreren Exemplaren. — Von Handschriften der Landtafel des Erzh. Österreich ob der Enns seien hier nur angeführt: Kgl. öffentliche Bibliothek in Stuttgart Juridica Nr. 81 a b (Überarbeitung, am Titelblatte irrig den Jahren 1571 und 1572 zugewiesen); Univ.-Bibliothek Gießen Nr. 1000/1001 (Schwarz'sche Redaction; fälschlich in die ersten Regierungsjahre Ferdinand II. versetzt); daselbst Nr. 1002 (Bl. 102a-669a. Erster bis dritter Theil: revidirter Text, vierter bis sechster Theil: Schwarz'scher Grundtext mit Correcturen); Bischöfl. Bibliothek zu Gleink Nr. 187; Wien Universitätsbibl. Manuscr. 507 (Schwarz'sche Redaction; Stifts-Archiv Altenburg Kasten V Nr. 590 6. Theil). Weitere Mittheilungen über Handschriften bringen Bischoff Beitr. zur Kunde steiermärk. Geschichtsqu. 6, 127 Nr. LXXIII und LXXIV, Canstein Lehrbuch der Gesch. u. Theorie des österr. Civilrechtes I. 107, Krackowitzer Ergebnisse der ... Besichtigung der vorzüglichsten Archive der Städte, Märkte und Communen in Ober-Österreich Linz 1895, endlich der Bericht an das o.-ö. Verordnetencollegium über die Entstehung und Rechtsgiltigkeit der obderennsisehen Landtafel ddo. 16. November 1836 (O.-Ö. Landes-Archiv; Abschrift Sammlung Chorinsky).

234.1. Das Original dieser Redaction ist bisher nicht aufgefunden worden. Als Kriterium desselben sei angeführt, dass die im 3. Buche enthaltenen graphischen Darstellungen der Verwandtschaftsgrade durch rothe und schwarze Kreise veranschaulicht sind (III. 55) und dass der Titel von Mäßigung der Expensen (I. 36) Marginalglossen von der Hand des Statthalters Joachim Freiherr von Schönkirchen enthält (Püdler's cit. Bericht).

235.1. Der mit diesen Fragmenten zusammenhängende Bericht über die Jurisdictionen findet sich handschriftlich: Wien Hof-Bibl. Nr. 1411 (Bl. 479a - 490b), Altenburg Stifts-Archiv Fach KK, Gießen Universitätsbibl. Cod. Mscr. Nr. 1002 (Bl. 674a-681a).

235.2. Die Strein'schen Additiones und Bedenken zum ersten Buche dieses Elaborates erliegen im n.-ö. Landes-Archive. u. z. im Concepte Fasc. B. IV. 2, in Kanzleiausfertigung Schönkirchnerb. Y Nr. 270 und 271. Eine Vorarbeit ist das mit Strein's Correcturen versehene Fragment Der landtafel des erzherzogthumbs Oesterreich under der Enns erstes buech. N.-ö. Landes-Archiv Fasc. B. IV. 3.

236.1. Mit willkürlicher Bücherzählung, bei welcher die Landgerichtsordnung als fünftes, die Gerhabschaftsordnung als siebentes Buch bezeichnet erscheint. Die Gießner Handschrift, welche die nämliche Gliederung aufweist, liefert den Schlüssel zur Erklärung dieser Abweichung von den Originalien. Während in letzterem Mscr. die vier ersten Bücher und der Text des Lehen-Tractates offenbar zu Dedicationszwecken überaus zierlich geschrieben sind, sticht bei den übrigen Tractaten die Flüchtigkeit der Handschrift und das vergilbte Papier von den vorgenannten Büchern auffällig ab; das Titelblatt des Lehen-Tractates mit der Buchbezeichnung (6. Buch 1. Theil) ist ersichtlich von anderer Hand als der Context. Bemerkenswerth erscheint, dass der Gießner Codex im 2. und 4. Buche durchwegs die ursprüngliche Lesart des der Berathung zu Grunde gelegenen Codex 61 des n.-ö. Landes-Archivs, im Lehen-Tractate sogar eine ältere Form bietet (im Gießner Codex ist das im 13. Titel § 9 enthaltene Formular einer Lehensaufsendung noch auf Ferdinand III., im Cod. 61 des n.-ö. Landes-Archivs dagegen bereits auf Leopold I. gestellt).

236.2. Der Cod. Nr. 61 des n.-ö. Landes-Archivs enthält für das zweite, vierte und beide Theile des fünften Buches den dem Berathungscollegium vorliegenden Text nebst den von Hartmann's Hand durchgeführten Änderungen als Ergebnis der Sitzungebeschlüße. Die Gerhabschaftsordnung desselben Codex sowie die Handschriften des obersten Gerichtshofes und des Ministeriums des Innern bringen den vom Collegium festgestellten Text und tragen als Original-Ausfertigungen die Unterschriften der landesfürstlichen Commissarien und ständischen Ausschüsse.

237.1. Außer den Originalien kommen an Handschriften in Betracht: das in den Schönkirchner Büchern zerstreute Materiale, Suttinger's Gedenkbuch (n.-ö. Landes-Archiv Cod. Nr. 242), der Cod. Nr. 14168 der Hofbibl. und der Fascikel des Reichs-Finanz-Archivs n.-ö. Herrschaftsacten Lit. L. Fasc. 17.

238.1. v. Luschin österr. Reichsgeschichte S. 365.

238.2. Das Maß der Antheilnahme des Landuntermarschalles Ludwig Kirchberger an den Arbeiten Walther's ist noch nicht erforscht; Püdler spricht in seinem Berichte vom 13. December 1573 sowie im Autoren-Verzeichnisse zu den Allegaten des Lehen-Tractats von den „Kirchpergerisch oder Waltherischen Tractatl", und Kaiser Maximilian II. erklärt in einem Rescripte vom 11. März 1571 an Georg Hochenecker zu Hagenberg anläßlich der Ausarbeitung einer Landtafel für Österreich ob der Enns, dass diesem ain zuvor langst durch weiland den Kirchberger vnd docter Bernhardten Walther gefaster vergriff zukommen werde; ein weiteres Rescript vom 11. März 1572 erwähnt, dass der zugesagte vergrif durch weilent Ludwigen Kirchbergen und doctor Bernhardten Walther beschehen und zusamengetragen bereits übersendet wurde (Cod. Mscr. der kgl. öffentlichen Bibliothek in Stuttgart. Jurid. Nr. 81a, Bl. 3a, 4a).

239.1. Hofbibl. Nr. 14428 u. 14862, N.-Ö. Landes-Archiv Cod. Nr. 65; Landtafel 1573 der Universitätsbibliothek Mscr. 509 und im Besitze des Herrn Hofrathes Pfaff. Wo von der Walther'schen Grundbuchsordnung die Rede ist, erscheint, wie die Glossen zum Compilatoren-Entwurfe des Tractatus de iuribus incorporalibus ergeben, der Tractat von den dienst- und lehnbaren Gründen und Gütern (Suttinger Cons. Austr. 997) gemeint.

239.2. Der Name Strasser's als des Compilators geht aus den S. 237 Anm. 1 bezogenen Acten des Reichs-Finanz-Archivs hervor. Aufgenommen wurden in die Landrechtsordnung v. J. 1540 nebst anderen bisher nicht ermittelten Process-Ordnungen: die Appellations-Ordnung vom 27. August 1524 (Schönkirchner Buch V 317 b), das Edict des landmarschallischen Gerichtes vom 20. Juni 1531 betr. den Gefährde- und Appellations-Eid (Reichs-Finanz-Archiv l. c.), die Erläuterung zur Appellations-Ordnung vom 28. Februar 1539 (Schönkirchner Buch V 315 b), die Procuratoren-Ordnung der n.-ö. Regierung vom 12. November 1539 (l. c. 319 a, und öfters), die Ordnung der n.-ö. Regierung betr. das Weisungsverfahren vom 19. Juni 1540 (l. c. 321 b), das Mandat betr. die Annahme landesfürstlicher Befehle vom 9. October 1540 (l. c. 322 a). — Die Druckausgabe hat somit noch zwei Ordnungen aufgenommen, welche erst nach Publication der Landrechtsordnung erlassen wurden.

240.1. Auszug bei Bucholtz Gesch. Ferdinand I. 8, 36 ff. Nach einer Handschrift dieser wichtigen Process-Ordnung wurde vergeblich gesucht.

241.1. Freiherr von Heincke Handb. des n.-ö. Lehenrechtes, II 54.

242.1. Der im December 1596 eingesetzten Commission zur Untersuchung der von den Unterthanen vorgebrachten Beschwerden gehörten auch Strein und Linsmayr an. Friess Aufstand der Bauern 114 f, 254 und öfter.

242.2. Vgl. die S. 238 Anm. 2 erwähnten Rescripte Maximilian II.

242.3. N.-Ö. Landesarchiv Fasc. B. IV. 7.

242.4. Über den Antagonismus der beiden Männer vgl. Wolf Lobkowitz 220 f.

244.1. Grünberg Bauernbefreiung in Böhmen I. 130 ff, II. 1 ff.

244.2. Gedruckt bei Suttinger Consuetudines Austriacae 1718 S. 734.

245.1. Glosse zum Titel 4 (nachmals 5) § 4 des fünften Buches, 2. Theil (N.-Ö. Landes-Archiv Cod. 61).

245.2. Darum besitzt auch die Resolution K. Ferdinand I. vom J. 1563 keineswegs jene Tragweite, welche derselben von Lamprecht Deutsche Geschichte V/2 S. 502 und neuestens von Friess a. a. O. 65 beigelegt wird. Vgl. auch Bucholtz a. a. O. 8, 301 f.

245.3. Beck's Protokollbuch (N.-Ö. L.-A, Fasc. B. IV, 7; Bl. 18a. Der Entdecker dieser so wichtigen Resolution dürfte unschwer zu errathen sein, wenn man sieh vergegenwärtigt, dass mit dem Eintritte Leopolds in die Hofkanzlei ein neuer Aufschwung der Codifications-Arbeiten wahrzunehmen ist.

246.1. N.-Ö. Landes-Archiv Fasc. B. IV. 7. Gleich bei der ersten Sitzung des Berathungs-Collegiums beantragten die ständischen Ausschüße die Zulassung ihres Syndicus als Protokollführers, da die landesfürstlichen Commissarien einen Secretarius der n.-ö. Regierung zur Schriftführung beigezogen hatten. Bei den letzten Berathungen des Tractatus de juribus incorporalibus im Februar 1675 fungirte der Syndicus Johann Conrad Albrecht von Albrechtsburg als Protokollist. — Dem Collegium präsidirte Johann Franz Graf Lamberg und nach seinem Tode (15. April, nicht Februar 1666) Paul Sixt II. Graf Trautson. Die Vorberathungen der Ausschüße hörten mit dem Ableben des Vorsitzenden Erasmus Grafen von Starhemberg (2. April 1664) auf; im Jahre 1668 fanden noch zwei besondere Sitzungen der ständischen Vertreter unter dem Präsidium des Ferdinand Grafen von Herberstein statt, als ein kaiserliches Decret auf die Beendigung der Berathungen drang.

246.2. Im Compilations-Protokolle Hartmann's vom vierten bis zehnten November 1666 ist der Urentwurf der verneuerten Revisions-Ordnung v. J. 1669 enthalten.

246.3. In den ständischen Verzeichnissen werden folgende Gesetze als Bestandtheile der Landes-Ordnung aufgezählt: die Executions-Ordnung vom 27. Juli 1655 (Cod. Austr. I. 299) und Revision-Ordnung vom gleichen Datum (l. c. III. 154), die Landgerichts-Ordnung vom 30. December 1656 (l. c. I. 659), die Gerhabschafts-Ordnung vom 18. Februar 1669 (l. c. I. 410), die verneuerte Revisions-Ordnung vom 14. Mai 1669 (l. c. II, 248), das Appellations-Edict vom 13. März 1670 (l. c. I. 86) und der Tractatus de iuribus incorporalibus vom 13. März 1679 (l. c. II. 581), von welchem übrigens auf Vorstellung der n.-ö. Regierung die beiden ersten Titeln bereits am 6. April 1671 kundgemacht wurden. Hiezu kommt sodann die neue Satz- und Ordnung vom Erbrecht außer Testament vom 28. Mai 1720 (l. c. III, 952). Der wohl i. J. 1658 von Leopold entworfene und 1666 umgearbeitete Aufsatz über das Forum mercantile bildet die Grundlage des zweiten, processrechtlichen Theiles der Wechsel-Ordnung für Österreich unter der Enns vom 10. September 1717 (sog. Wiener Wechsel-Ordnung l. c. III, 881), während die materiellrechtlichen Bestimmungen des ersten Theiles „auf Grund der Wechsel-Ordnung für Breslau sorgfältig entworfen" sind. Grünhut Wechselrecht I. 108.

248.1. In einer Resolution vom 25. September 1691 (Cod. Austr. II. 145) ist vom Tractatus de iuribus incorporalibus geradezu als von vorbemelter matura deliberatione zusamen getragenen und publicirten landsordnung, in Bannbüchern des Abtes Urban von Melk als vom Landesrecht die Rede. Österr. Weisth. VIII. 292, Z. 31; 485 Z. 29. Vgl. l. c. VII 662, Z. 35.

248.2. Von dem Zugeständnisse der ungemessenen Robot war bereits oben die Rede.

248.3. Die nachfolgende, nach dem Archiv-Kataloge des verstorbenen Abtes Honorius Burger bearbeitete Zusammenstellung umfasst jene Actenstücke des Stifts-Archives Altenburg aus dem sechzehnten bis zum Ausgange des achtzehnten Jahrhunderts, welche sich auf strittige Ansprüche beziehen, wobei auch Vergleiche, denen kein Process voranging, gezählt wurden. Unter 131 Rechtssachen betreffen 8 kirchliche 0bjecte, 18 Grundobrigkeit (einschließlich Grundbuch, Dienst, Robot und Pfundgeld), 10 Dorfobrigkeit (einschließlich Kirchtags-Behütung und Gemeindesachen), 23 Zehnt, 10 Eigenthum, 2 Grenzen, 1 Nachbarrecht, 16 Dienstbarkeiten (darunter 13 Weiderecht), 13 Jagd, 1 Fischerei, 10 Regalien (Taz und Leutgeben, Mauth, Ungeld), 5 Strafsachen, 8 Gewaltsachen, 5 Jurisdictions-Stritte, 1 Erbschaft. — Die Uebersicht ist zwar dem Actenvorrathe eines geistlichen Standes entnommen, allein die besonderen Interessen der weltlichen Stände fanden, was das Lehenrecht betrifft, in den verbrieften Lehensgnaden ihre Befriedigung, und für erbrechtliche Fragen mochten noch immer die in steter Übung verbliebenen Walther'schen Tractate auslangen.

249.1. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht I. 638 ff.

249.2. Val de Lièvre in den Mittheilungen des Inst. f. österr. Geschichtsf. I. 312.

249.3. Während noch 1529 Christoph Freysleben zu Liechtenstein in seiner Supplication an den König behaupten konnte, nu ist ie ein landsprauch, sein auch gemaine recht, und darzue die aufgerichten kaiser Maximilian hochloblicher gedaechtnuss libell vermogens, das ain ieder grundhold in ersten instanz von (recte vor) seinen grundherrn als ordentlicher obrigkait solle ersuecht, beclagt werden (Schalk in Bl. f. n.-ö. Lk. 19, 35), hatte der Compilatoren-Entwurf der vier Doctoren dem Vogtherren die Civil-Jurisdiction und Dachtraufen-Gerechtigkeit über die Vogtholden, der Grundobrigkeit hingegen nur eine subsidiäre Gerichtsbarkeit über die Grundholden zugesprochen. Allerdings hebt die Glosse unter Hinweis auf Gail Obs. II. 54 die Strittigkeit dieses schon zu Ausgang des 16. Jahrhunderts lebhaft erörterten Punktes hervor. Das Berathungs-Collegium hat den vom Gesetze vertretenen Standpunkt eingenommen, die Regierung (oder Hofkanzlei?) sodann den Vorbehalt zu Gunsten der Landgerichte und der Dorfobrigkeit zugefügt.

250.1. Über die Particular-Gravamina aller nieder- und ober-österreichischen Lande vom 24. Mai 1518 (Kärnthner Ldhf. 128).

250.2. Vgl. S. 235 Anm. 1. Der Bericht dürfte 1584 oder 1585 entstanden sein, da Walther, der im Jahre 1584 starb, bereits als todt angeführt wird (Suttinger Consuetudines Austr. 1047) und Hofmayr Anfangs 1586, wie ein Actenstück der Verordneten vom 27. Februar 1586 meldet, todeskrank darniederlag.

250.3. Die Ausarbeitung des im Compilatoren-Entwurfe fehlenden Titels von der Dorfobrigkeit wurde durch das Collegium am 30. August 1659 beschlossen, von den Compilatoren aber erst in ihrer Sitzung vom 16. August 1666 in Angriff genommen, bei welcher die dem Vogt-, Grund- und Dorfherren durch das Gesetz beizulegenden Befugnisse einzeln gegen einander abgewogen wurden.

250.4. Bezüglich des im Titel 3 § 5, statuirten Weiderechtes der Dorfobrigkeit besagt dies ausdrücklich der Titel 16 § 15 des Tractates. — Die im Titel 3 § 1 der Dorfobrigkeit zugewiesene Aufgabe der Vorkehrung von Anstalten zur Erhaltung des gemeinen Wesens hatte die Herausbildung eines dorfpolizeilichen Gesetzgebungsrechtes zur Folge, welche von den Melker Äbten in der Form landesfürstlicher General-Mandate geübt wurde, Bannbuch von Grillenberg 1747 (Österr. Weisth. 7, 389), von Weikendorf 1748 (l. c. 8, 56), von Aspern a. d. Donau c. 1760 (l. c. 8, 291), von Wullersdorf 1763 (l. c. 8, 484), von Melk 1780 (Kaltenbaeck I. 135; über einen Entwurf v. J. 1793 vgl. Winter Österr. Weisth. 7. XVII), Polizei-Ordnung für Ravelsbach 1791 (Österr. Weisth. 8, 545).

251.1. Suttinger Cons. Austr. Add. 100, auch Cod. Austr. III. 684. Das reiche Actenmateriale des n.-ö. Landes-Archivs Fasc. B. IV. 7 und der Hüttner'schen Sammlung Band 11 (Niederösterr. Archiv) findet sich in der Sammlung Chorinsky. — Das Landtafel-Patent steht im Cod. Austr. V. 1282.

251.2. Von diesen besitzt die S. Ch. die Abhandlung Holger's über die Grundherrlichkeit vom 18. Januar 1753 (Hüttner'sche Sammlung Bd. 75).

252.1. In dem von Chorinsky am 26. November 1894 im Linzer Juristen-Vereine gehaltenen Vortrage; wiederholt gedruckt, zuletzt allg. österr. Gerichts-Zeitung 1896 Nr. 3.

253.1. Bidermann, Gesammtstaatsidee I, 44, 122 Anm. 38 f. Kollonitsch, der überhaupt an eine Einführung der in Österreich u. d. Enns geltenden Gesetze in Ungarn dachte, gehörte dem Berathungs-Collegium während der Jahre 1666 und 1667 als ständischer Ausschuß an.

255.1. Erst durch die Relationen Eder's konnte die Bedeutung der von den Regiments-Instructionen mit Stillschweigen übergangenen Institution der Hofrechte bei der n.-ö. Regierung klargestellt werden. Gleichwie seit dem 14. Jahrhunderte im Hoftaidinge (v. Luschin Gerichtswesen in Österr. 71 f.), so erscheint während des 16. Jahrhunderts bei der n.-ö. Regierung, wenigstens für das sog. Ordinari-Verfahren, die Gerichtszeit an bestimmte Perioden (Hofrechte) gebunden, deren Anfangs-Termine durch gewisse kirchliche Feste (zu dem schon im Frohnbuche erwähnten Sonntag Reminiscere und Frohnleichnamstag kam nunmehr der St. Martinstag hinzu) gekennzeichnet sind. An den einzelnen Hofrechten, die am Montag, später Dienstag nach dem Festtage begannen, fanden je 4-6 Gerichts-Sitzungen (dies iuridicae) statt, sofern nicht in Folge von Infections-Krankheiten oder sonstigen Ereignissen die Hofrechte überhaupt stillstanden. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gerieth die Einrichtung in Verfall; der Hofrechte Reminiscere 1602 gedenkt noch eine Formel bei J. B. Schwarzenthaler Tractatus iudiciarii ordinis S. 107. Um die Mitte desselben Jahrhunderts war der Regimentsrath Dr. Martin Hafner der einzige Jurist, welcher die Hofrechte aus eigener Anschauung kannte; die vom Syndicus und Advocaten (vermuthlich Leopold) verfassten und dem Berathungs-Collegium am 18. December 1653 vorgelegten Motiva warumben bei der hochlöbl. n.-ö. regierung die hofrechten nicht wieder einzuführen, sprechen sich gegen die Wiederaufnahme der Institution aus und gipfeln in dem Ausrufe: Maneat ergo antiquata ista antiquitas (N.-Ö. Landes-Archiv Fasc. B. IV. 7).

255.2. Von den in fortlaufender Reihenfolge bis Nr. 1540 bezeichneten Stücken sind nur mehr 382 in zwei Bänden enthalten.