Fritz Byloff, Die Land- und peinliche Gerichtsordnung Erzherzog Karls II. für Steiermark vom 24. Dezember 1574; ihre Geschichte und ihre Quellen. Graz-Wien 1907 [= Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steiermark]
I. Das 16. Jahrhundert bedeutet nicht nur für die deutsche Rechtsgeschichte im allgemeinen, sondern auch im besonderen für die Rechtsentwicklung Österreichs den Übergang vom Gewohnheitsrechte zum Gesetzesrecht. Hatte dem Mittelalter mit seinen einfachen, Gemeingut des Volkes bildenden Rechtsformen, die sich in der Spruchweisheit der Volksrichter immer von neuem verkörperten, der Antrieb zu neu schaffender Gesetzgebung gefehlt, so bewirkte die durchgreifende Umgestaltung der Rechtsbegriffe durch die zur unumstößlichen Tatsache gewordene Rezeption, die Rechtsunsicherheit, die als unausbleibliche Folge des Kampfes einheimischer und fremder Rechtsideen, des Gegensatzes zwischen den Schöffen und dem rechtsgelehrten Richtertume einreißen mußte, alsbald das Einschreiten der gesetzgebenden Gewalten, um durch Setzung geschriebenen Rechtes das gärende Durcheinander zu klären.
Zwei Erscheinungen charakterisieren die erwachende Gesetzgebungstätigkeit.
Einmal das Vorherrschen partikularistischer Strömungen, die zum Überwuchern des Landesrechtes über das Reichsrecht führen. Trotz vereinzelter Anläufe zu reichsrechtlicher Regelung gewisser Rechtsgebiete hatte die Reichsgewalt schon viel zu viel an Macht und Vertrauen eingebüßt, um der kräftig emporstrebenden Landeshoheit und ihrer dezentralisierenden Rechtsetzung erfolgreich Widerstand leisten zu können. Der Ausbau des Statutarrechtes schließt sich in logischer Folge an die längst vollzogene staatsrechtliche Emanzipation an; die bunte Verschiedenheit der partikularrechtlichen Normen behält nur dort einen inneren, auf der Gleichförmigkeit der Grundgedanken beruhenden Zusammenhang, wo sie einer gemeinsamen Quelle von anerkannter Autorität entstammen. Selten [Seite: 2] genießt die Reichsgesetzgebung so viel Ansehen, daß die Landesgesetzgebung aus ihr schöpft; die bemerkenswerteste Ausnahme hievon bildet wohl die peinliche Gerichtsordnung Karls V., die — hauptsächlich wegen ihres inneren Wertes, nicht wegen ihres Charakters als Reichsgesetz — jahrhundertelang ihre Grundsätze der Landesgesetzgebung übermittelt und damit die Grundlage des gemeinen deutschen Strafrechtes bildet.
Das zweite charakteristische Moment liegt in dem zwischen Landesfürst und Ständeschaft herrschenden Antagonismus, der die Gesetzgebungsarbeit verzögert und stört und das Produkt der gemeinsamen Tätigkeit häufig zu einem auf Utilitätsrücksichten beruhenden Kompromißwerk herabdrückt. In den österreichischen Erblanden sind Landesfürst und Landstände die zwei berufenen Faktoren der Gesetzgebung in allen Fragen, die die Interessen der Ständeschaft berühren; zu diesen hat unbestritten von allem Anfang an die Regelung des materiellen und formellen Strafrechtes aus dem Grunde gehört, weil sie in das heikle, mit großer Empfindlichkeit bewachte Gebiet der Privatjurisdiktionen bestimmend eingreift. Die landesfürstliche Gewalt, von dem Interesse nach Vergrößerung ihres Machtkomplexes getragen, repräsentiert das fortschrittliche Element; sie sucht unter oftmaliger Heranziehung der fremden Rechte, unter Mithilfe rechtsgelehrter Kronjuristen zu neuen, vom bisherigen grundverschiedenen Gestaltungsformen des Rechtes zu gelangen, die dem Landesfürsten unumschränktere Gewalt und weitgehenderen Einfluß sichern sollen. Im Gegensatz hiezu befindet sich der konservative Sinn der Ständeschaft, die gegenüber den neuen Zeit- und Geistesströmungen ihre alte Stellung möglichst ungeschmälert behaupten will. Das wichtigste Argument in diesem Unternehmen ist der Hinweis auf die Unverletzlichkeit der verbrieften Rechte, auf die Bedeutung des von altersher geübten Landesbrauches, der von zusammenberufenen Urkundmännern erhoben und bestätigt wird. Die Steigerung der ständischen Macht im 16. Jahrhundert brachte ihren Standpunkt in der Gesetzgebung zu überwiegender Geltung; die mit peinlicher Sorgfalt verklausulierte Wahrung des rechtlichen Besitzstandes und die Betonung des alten Herkommens als primäre Rechtsquelle treten in den Gesetzen jener Zeit in augenfällige Erscheinung, machen auch in der Regel den angestrebten Zweck der Vereinheitlichung und Weiterbildung des Rechtes illusorisch.[Seite: 3]
II. Die Gesetzgebung des Herzogtums Steiermark im 16. Jahrhunderte fügt sich ohne bemerkenswerte Unterschiede in das Gesamtbild der legislatorischen Tätigkeit ein. Die Gesetzgebung des Reiches ist für Steiermark fast bedeutungslos geblieben; die vereinzelten Versuche der österreichischen Herrscher, formell-gemeinsames Recht für ihre Erblande zu schaffen, hatten keinen nachhaltigen Erfolg. So erübrigt nur die Gesetzgebung im Lande selbst, die sich im Zusammenwirken von Landesfürst und Landschaft vollzieht und einzelne Rechtsgebiete unter ausgiebiger Benutzung der fremden Rechte einer umfassenden Neuregelung unterwirft.
Unter den mannigfachen Zweigen des öffentlichen und Privatrechtes, die unter Kaiser Maximilian und seinen zwei nächsten Nachfolgern in der steirischen Herzogswürde zu statutarrechtlicher Festlegung gelangten, ragt das Strafrecht besonders hervor. "Des Löblichen Fürstenthumbs Steyr Landt vnd Peindlich Gerichts-Ordnung", erlassen durch Erzherzog Karl II. am 24. Dezember 1574, bildet den Schlußstein der sich durch den größeren Teil des 16. Jahrhunderts hinziehenden, bald von den Herrschern, bald wieder von der Landschaft mit wechselndem Eifer gepflegten Bemühungen, den trostlosen Zuständen der Strafjustiz durch eine Kodifikation des materiellen und formellen Strafrechtes ein Ziel zu setzen. Sie ist der Anfang, aber auch das Ende der selbständigen und einheitlichen steirischen Strafgesetzgebung gewesen; bis zur formellen Aufhebung durch das große Reformwerk der Kaiserin Maria Theresia hat sich die Steiermark auf diesem Felde nicht mehr betätigt. Die große Bedeutung, die das Strafgesetz Erzherzog Karls für die Rechtsgeschichte der Heimat besitzt, steht schon aus diesem Grunde außer jedem Zweifel.
Noch weitere Bedeutung gewinnt jedoch die steirische Strafrechtskodifikation durch den Umstand, daß in ihr verhältnismäßig früh die Aufsaugung und Verwertung jener reformatorischen Ideen stattgefunden hat, die die Reichsgesetzgebung im Jahre 1532 in der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. niedergelegt hatte. Der gewaltige Fortschritt, den dieses Gesetzgebungswerk, seinem Zwecke und seiner Anlage nach als zwingende Norm für das Gesamtgebiet des heiligen römischen Reiches deutscher Nation gedacht, aber zufolge kleinlicher Sonderbestrebungen zu einer subsidiären Rechtsquelle herabgedrückt, für die Entwicklung des gemeinen deutschen Strafrechtes [Seite: 4] bedeutet, ist oftmals von berufenster Seite hervorgehoben worden; hier sei nur wiederholend bemerkt, daß die Reichskarolina sich eben wegen der Macht ihrer Ideen praktisch durchzusetzen verstand, trotzdem ihr die zwingende Macht des Gesetzesbefehles gemangelt hatte. In jenem bedeutsamen Aufsaugungsprozesse der grundsätzlichen Normen des Reichsrechtes durch Statutarrecht und Wissenschaft bildet die steirische Karolina einen der Anfangspunkte; sie ist eines der ersten Provinzialstatuten, in denen die peinliche Gerichtsordnung Karls V. zum allergrößten Teile fast wortgetreu reproduziert erscheint. Jene aus Vertretern der steirischen Landschaft gebildete Kommission, die zu Anfang der Vierzigerjahre des 16. Jahrhunderts einen neuen, vom bisherigen vollständig abweichenden Entwurf verfaßte, kann sich daher mit vollstem Rechte das Verdienst zurechnen, die Trefflichkeit des Reichsgesetzes erkannt, seine erst in weit späterer Zeit zur Erkenntnis gelangte Bedeutung vorausgeahnt zu haben. Diese zu einer Zeit, in welcher selbst namhafte Fachleute in ihren juristischen Schriften die Reichskarolina noch ignorieren zu dürfen glaubten, recht bemerkenswerte Erscheinung weist die Kodifikationsgeschichte der steirischen Landgerichtsordnung der Karolinaforschung zu.
III. Die vorliegende Arbeit sucht das Ergebnis ausgedehnter archivalischer Forschungen über Geschichte und Quellen der steirischen Landgerichtsordnung zu einer Gesamtdarstellung zusammenzufassen. Sie ist die erste auf diesem bisher fast ganz unberührten Gebiete. In der juristisch-historischen Literatur ist außer einigen allgemeinen Notizen nichts zu finden; man beschränkt sich darauf, das Gesetz zu nennen und zu bemerken, daß es den Einfluß des Reichsrechtes aufweise; sonstige Nachrichten fehlen fast vollständig.
Die ursprünglich gehegte Hoffnung, das Dunkel, das die steirische Landgerichtsordnung bisher umgab, vollständig zu lichten, hat sich leider nicht erfüllt. Der Grund hiefür liegt in der unerwartet spärlichen Ausbeute an archivalischen Quellen. Eigentliche Materialien zur Kodifikation, wenn sie überhaupt in offizieller Form vorhanden gewesen sind, konnten trotz eifrigsten Nachsuchens nicht aufgefunden werden; kurze gelegentliche Bemerkungen in den Landtagshandlungen und -Ratschlägen, Urkunden und Konzepte in den Landtagsakten sind das Hauptergebnis der Sammelarbeit. Am bedauerlichsten ist der Verlust der Entwürfe. Nachforschungen nach den von der steirischen Landschaft den Herrschern vorgelegten drei Entwürfen der [Seite: 5] Landgerichtsordnung in den in Betracht kommenden Archiven, dem steirischen Landesarchiv und dem k. k. Statthaltereiarchiv in Graz, den k. k. Statthaltereiarchiven in Innsbruck und Prag, dem Landesarchiv des Königreichs Böhmen in Prag, ferner im k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, im k. und k. gemeinsamen Finanzarchiv, im allgemeinen Archiv des k. k. Ministeriums des Innern und im Archiv des k. k. Justizministeriums in Wien blieben vollständig erfolglos. So erübrigte nichts, als einen schon wiederholt angezeigten, in seiner Bedeutung jedoch bisher nicht richtig angesprochenen Entwurf, der sich in einem Formelbuche des Klosterarchives von Reun befindet, der Untersuchung zu Grunde zu legen. Diese Untersuchung ergab zunächst die genaue Bestimmung der Reuner Aufzeichnung, die sich als Bruchstück des Entwurfes III entpuppte, und ermöglichte in weiterer Folge die Festlegung jener Abänderungen, die bei der endgültigen Reduktion des Gesetzestextes an ihm vorgenommen wurden. Die Entwürfe I und II fehlen vollständig; wir sind lediglich auf Mutmaßungen angewiesen. So bedauerlich diese Lücke ist, so dürften doch die Ergebnisse der Untersuchung durch sie kaum wesentlich beeinträchtigt worden sein. Die größte Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß der Entwurf III sich so vollständig von den Entwürfen I und II unterscheidet, daß von einem inneren, für das Verständnis des Gesetzes relevanten Zusammenhang zwischen ihnen kaum die Rede sein kann. Für die innere Rezeptionsgeschichte wäre die Verfolgung des Wandels in den Rechtsideen, den die Vergleichung der in Verlust geratenen Entwürfe aufzeigen müßte, gewiß nicht ohne Bedeutung; unser Zweck erfordert lediglich die Herstellung einer Brücke zwischen dem Gesetzestexte und seinen nachweisbaren Vorlagen. Für diesen Zweck reicht die Kenntnis des Entwurfes III, der auf ganz neuen Vorbildern beruht, aus.
IV. Nach den früheren Andeutungen ist die Redaktionsgeschichte der Landgerichtsordnung wesentlich beeinflußt durch den Interessengegensatz zwischen Landesfürst und Ständeschaft. Daraus ergibt sich mit logischer Notwendigkeit die Bedeutung jener Erscheinungen der allgemeinen Geschichte für das Gesetzgebungswerk, welche auf das Kräfteverhältnis zwischen der Herrschergewalt und der ständischen Macht bestimmend eingewirkt haben.
Unter manchen anderen Umständen, die diesfalls in Betracht zu ziehen sind, ragen zwei besonders hervor. Zunächst die beständige [Seite: 6] Kriegsgefahr, die den westeuropäischen Staaten im 16. Jahrhundert mehr denn je durch das Osmanentum drohte, das bei Mohács das selbständige Ungarn über den Haufen geworfen und damit die Habsburger als Erben der Jagellonen in den jahrhundertelangen Kampf um die Länder der Stephanskrone gedrängt hatte. Die Steiermark mußte als östlichstes Vorwerk der habsburgischen Stammlande den Anprall des Islam am ehesten und stärksten aushalten. An die steirischen Stände wurden daher auch die größten Anforderungen zur Abwehr "des unmenschlichen Feindes des christlichen Glaubens" gestellt. Die Verhandlungen darüber nehmen einen großen Teil der Landtagsberatungen in Anspruch; die übrigen Aufgaben, damit auch die Strafrechtskodifikation, mußten naturgemäß zurückstehen. Dazu gesellt sich noch ein weiteres. Die Rolle des Bittenden, in der die Herrscher auf den Landtagen zu erscheinen genötigt waren, brachte es mit sich, daß sich die ständischen Postulate in den Fragen der inneren Verwaltung weitgehender Berücksichtigung erfreuten. Daraus erklärt sich zum Teile die sorgfältige Schonung der ständischen Prärogativen, die aus allen steirischen Gesetzen des 16. Jahrhunderts, nicht zum wenigsten aus der Landgerichtsordnung, zu erkennen ist. Ein weiterer, auf das Gesetzgebungswerk nicht ohne Einfluß gebliebener Umstand ist im Beginne der Reformation zu erblicken, jener großen religiösen Bewegung, die alsbald politische Färbung annahm und im Entscheidungskampfe zwischen Ständen und Landesfürst zum Losungsworte der auf ihre Volkstümlichkeit rechnenden Stände wurde. Schon unter Kaiser Ferdinand, noch mehr unter Erzherzog Karl war der überwiegende Teil der steirischen Herrenschaft evangelisch gesinnt; in den Landtagsverhandlungen nimmt die Religionsfrage, alles andere zurückdrängend, immer breiteren Raum ein. Trotzdem der Glaubensgegensatz an sich für die Schaffung eines neuen Strafrechtes gewiß nicht förderlich war, weil sich Kontroverspunkte in der Behandlung aller jener Straftaten ergeben mußten, die mit der religiösen Überzeugung im Zusammenhange stehen, dürften doch in dieser Richtung kaum viele Meinungsverschiedenheiten entstanden sein, weil durch die Vorlage der Landgerichtsordnung, die Reichskarolina, der größte Teil der strittigen Fragen durch Lösung im paritätischen Sinne aus der Welt geschafft worden war. Nur in einigen wenigen Punkten ist der Einfluß der Reformation auf den Text des Gesetzes über die [Seite: 7] Reichskarolina hinaus erkennbar. Daß aber der Reformationsstreit das Werden des Gesetzes verzögert hat, weil die Erledigung des ersteren weit wichtiger und drängender erschien als das letztere, unterliegt keinem Zweifel.
Diese äußeren Momente, denen sich noch manche andere anreihen ließen, z. B. die Pestgefahr, die einige Male das Zusammentreten des Landtages und die Beratung des Redaktionsausschusses verhindert hat, erklären die beinahe fünfzigjährige Dauer der Kodifikationsarbeiten, die Teilnahmslosigkeit und Unlust, die in den Korrespondenzen, Verhandlungen und Kommissionsberatungen entgegentritt. Es ist das persönliche Verdienst Erzherzog Karls, des steirischen Trajan, wie ihn ein naiver Schriftsteller zu Anfang des 19. Jahrhunderts genannt hat, dem Zustande der Stagnation durch energisches Eingreifen ein Ende gemacht zu haben. Nicht der Inhalt des Gesetzes, das längst im Entwurfe fertig vorlag und nur mehr unwesentlich geändert wurde, geht auf ihn zurück; aber das Zustandekommen des Gesetzes, das seinen Namen trägt, ist sein Werk, dessen Notwendigkeit er wiederholt scharf betont, das er mit zielbewußtem Eifer in verhältnismäßig kurzer Zeit zu Ende gebracht hat.
V. Die Kodifikationsgeschichte des Gesetzes würde fragmentarisch bleiben, wenn sie sich darauf beschränken wollte, die Entstehung des Gesetzes in allen ihren Phasen zu schildern. Nicht als Erscheinung an sich darf ein neues Gesetz aufgefaßt werden, sondern als Wirkung des vorausgegangenen. Daraus ergibt sich mit Notwendigkeit die Pflicht, den Zusammenhang mit der Rechtsentwicklung der Vorzeit herzustellen, nachzuweisen, aus welchen Quellen der Gesetzgeber geschöpft hat. Die Untersuchung dieser Frage schließt mit genaueren Ergebnissen ab, als die Entstehungsgeschichte. Denn bei der von den Kodifikatoren eingeschlagenen Methode, aus bereits vorliegenden Gesetzen die passend erscheinenden Bestimmungen zum größten Teil wörtlich herüberzunehmen und zu einem neuen Gesetze zu vereinigen, konnte es keine größeren Schwierigkeiten bereiten, die Vorlagen unseres Gesetzes Artikel für Artikel zu erraten. Zudem gab die Kodifikationsgeschichte so verläßliche Anhaltspunkte in dieser Richtung, daß ein Fehlschluß kaum möglich ist.
Nur bei einem geringen Bruchteil des Gesetzes konnte eine unmittelbare Vorlage nicht nachgewiesen werden. Wir haben es hier [Seite: 8] teils mit nicht kontrollierbarem Gewohnheitsrechte, teils mit frei geschaffenen Neuschöpfungen zu tun. Diese letzteren sind jedoch verschwindend und können das Urteil, daß die steirische Landgerichtsordnung ein geistloses Kompilationswerk mit bedeutenden technischen Mängeln ist, nicht ändern.
I. Wann in Steiermark die kodifikatorischen Bestrebungen zur Schaffung einheitlichen Strafrechtes einsetzen, ist eine bestrittene und bisher unentschiedene Frage. Die eifrige Tätigkeit, die Kaiser Maximilian I. auf gesetzgeberischem Gebiete entfaltete, hat die Vermutung wachgerufen, daß unter ihm auch in Steiermark eine Strafrechtskodifikation nach dem Muster der maximilianischen Halsgerichtsordnungen für Tirol, Österreich unter der Enns und Laibach erfolgt sei. Hoegel8.1 hat diese Vermutung sogar als "unzweifelhaft" bezeichnet und zur Begründung einerseits auf den Titel der Landgerichtsordnung von 1574 hingewiesen, in dem das Gesetz ausdrücklich als "Verbesserung" charakterisiert wird, anderseits A. 138 III hervorgehoben, der den in die Systematik des Gesetzes gar nicht hineinpassenden Rest einer verloren gegangenen steirischen Malefizordnung darstellen soll. Wir wollen diese zwei Gründe vorläufig auf ihre Stichhältigkeit prüfen und die Gegenargumente aus der Kodifikations- und Quellengeschichte der Landgerichtsordnung von 1574 der späteren Darstellung überlassen.
Der Titel: "Des löblichen fürstenthumb Steyer land- und peinlich gerichts-ordnung, im M.D.LXXIIII. jar verpessert, erleutert, verglichen und aufgericht", der übrigens nur den Druckausgaben vorausgeht und der allein authentischen Originalhandschrift des Gesetzes fehlt, sagt — unbefangen betrachtet — nichts anderes, als daß durch das neue Gesetz der bisherige Rechtszustand verbessert worden sei; keineswegs ist damit auf ein schon [Seite: 9] bestehendes früheres Gesetz hingewiesen. Hätte ein solches wirklich existiert, so wäre nach damaligem Sprachgebrauch kaum von einer "Verbesserung", sondern wohl von einer "Erneuerung"9.1 gesprochen worden. Auch die weiteren Ausführungen des Titels: "erleutert, verglichen und aufgerichtet", welche auf die einzelnen Abschnitte der Kodifikationsarbeit hinweisen, sprechen gegen die Schlußfolgerung Hoegels; erläutert wurde der Landesbrauch durch seine schriftliche Fixierung; dieses Elaborat wurde mit den bereits bestehenden Reichs- und Landesgesetzen verglichen; schließlich erfolgte die Aufrichtung, das heißt, die endgültige Festlegung des Gesetzestextes.
Wie wenig übrigens der Schluß aus dem Titel der Druckausgaben zutreffend ist, ergibt sich zur Evidenz aus der einen Bestandteil des Gesetzes bildenden Vorrede. Erzherzog Karl bemerkt hier ausdrücklich: "Nachdem uns fürkommen, das die ordnungen der land- und malefizgericht ... in unserm fürstenthum Steyer ein zeit her durch die landrichter, pfleger und ander so solch obrigkeit und handlungen zu verwalten haben, nit gleichmeßig, sonder im ainem anderst, als in dem andern, in sachen gehandelt werden." Dieser Passus, sowie insbesondere der Plural "Ordnungen", deutet darauf hin, daß bisher ein einheitliches Recht für die Malefizhändel [Seite: 10] nicht bestanden hatte; gemeint sind vielmehr die mannigfachen, fast für jeden Landgerichtsbezirk verschiedenen Rechtsgewohnheiten, von denen einzelne ihre als "Recht" oder "Ordnung" bezeichnete schriftliche Festlegung schon gefunden hatten. Der Schluß ist wohl zwingend, dass der Erzherzog, wenn eine von seinen Vorfahren erlassene Landgerichtsordnung für ganz Steiermark vorlag, diese in der Vorrede zu seinem Gesetz eher genannt hätte, als die unverbindlichen Rechtsaufzeichnungen der Stände. Schließlich betont die Vorrede, der Erzherzog habe "die nachvolgund ordnung und erklärung mit rat gemainer unserer landschaft in Steyer aufgericht, reformirt und gesetzt"; es fehlt also hier das Wort: "verbessert", auf das die bekämpfte Ansicht so viel Gewicht legt.10.1
Daß A. 138 I unseres Gesetzes ein aus einer vorkarolineischen Halsgerichtsordnung stammendes Bruchstück ist, ist vollkommen klar. Allein der weitere Schluß, daß diese Halsgerichtsordnung eine verschwundene steirische gewesen sein müsse, ist durch nichts unterstützt. Die Halsgerichtsordnungen der österreichischen Stammlande vor der Reichskarolina weisen bedeutende inhaltliche und textliche Gleichheiten auf; namentlich die Aufzählung der Straftaten, die in A. 138 I übergegangen ist, findet sich mit geringen Abweichungen in der Landgerichtsordnung für Osterreich unter der Enns vom 21. August 1514 (§ 31-46 der Hyeschen10.2 Zählung) und in der Landgerichtsordnung für Krain vom 18. Februar 1535.10.3 Bei dem Umstande, als, wie später zu belegen sein wird, der Entwurf III unseres Gesetzes, der mit geringfügigen Änderungen zum Gesetze erhoben wurde, eine "Vergreifung aus allen rechtmeßigen Landgerichtsordnungen" darstellt, ist es einleuchtend, daß die Vorlage für den A. 138 I und für manche andere Stelle des Gesetzes eine dieser Landgerichtsordnungen gebildet hat, ohne daß man zu dem Mythus einer verschwundenen steirischen Malefizordnung, der schon an sich recht unwahrscheinlich ist, seine Zuflucht zu nehmen brauchte.
Tatsächlich lassen uns auch die sonstigen Nachrichten über die [Seite: 11] gesetzgeberischen Arbeiten unter Kaiser Maximilian I. für unsere Frage vollständig im Stiche. Allerdings sprach der Kaiser 1498 von einer Gerichtsordnung, "so wir in unseren fürstenthum Steyr aufzurichten willens sein".11.1 Allein diese Inaussichtstellung bezieht sich höchstwahrscheinlich auf die Regelung des Zivilprozesses, die in der "Ordnung des landsrechten in Steyer" von 150311.2 zum Ausdruck kam. 1509 erklärte Maximilian den Ausschüssen der fünf niederösterreichischen Lande, daß er beabsichtige, "in jedem derselben unser land die recht und landgebrauch (zu) reformieren";11.3 doch ist es, soweit das Strafrecht der Steiermark in Frage steht, nur bei der Absicht des auch sonst mit manchen unausgeführten Gesetzgebungsplänen beschäftigten Monarchen geblieben. So erübrigen als Neueinführungen auf strafrechtlichem Gebiete aus der Regierungszeit des Kaisers nur die Schaffung des steirischen Bannrichteramtes im Augsburger Libell vom 10. April 1510,11.4 wodurch das Bedürfnis nach Vereinheitlichung des Strafrechtes zweifelsohne bedeutend vermehrt wurde, sowie das generelle Verbot der Ledigung um Geld bei Totschlägen im ersten Innsbrucker Libell vom 24. Mai 1518.11.5 Eine irgendwie geartete Spur, daß der Kaiser, der sieben Monate nach den Innsbrucker Verhandlungen die Augen schloß, eine Malefizordnung für die Steirer erlassen hätte, existiert nicht.
II. Der erste aktenmäßige Beleg, der auf die Absicht, das steirische Strafrecht einheitlich zu gestalten, schließen läßt, stammt aus dem siebenten Jahre der Regierung des Nachfolgers Maximilians in den österreichischen Stammlanden, des damaligen Erzherzogs Ferdinand. In einer vom Sonntag nach St. Ursula (22. Oktober) [Seite: 12] 1525 datierten Instruktion der steirischen Landschaft an ihre Gesandten zum erzherzoglichen Hofe werden diese, die Herren Siegmund v. Dietrichstein, Hans v. Auersperg, Achaz Schrott und Adam v. Holleneck, beauftragt, "die F. D. von wegen des landgericht zu Wollkhenstein zu bitten genedig einsehung zu thuen und darinn guete reformation aufzurichten, damit die Unterthanen nit, wie bisher bescheen, beschwärt und belestiget, sonder dermaßen reformiert, wie es in andern landgerichten im land pillicher weiß gehalten soll werden, ordnung geben".12.1 Im Zusammenhang damit ist ein Beschluß des ständischen Ausschusses, der am Pfinztag nach Weihnachten (28. Dezember) desselben Jahres in Bruck a. d. Mur gefaßt wurde:12.2 "Landgerichtsbrief im Ennstal ze übersehen, beschwärlich artikl herauszuziehen und bitten, darzuhalten, wie ander landgericht. Dieweil kaiser Friderich anzaigt, er welle genedigelich bedenkhen, dasselb zu ordnen."
Aus diesen Notizen läßt sich beiläufig das Vorgefallene erraten. Aus dem Ennstal, das in seiner ganzen Ausdehnung zum Landgerichte Wolkenstein gehörte, waren offenbar Beschwerden über Mißbräuche in der Strafrechtspflege eingelaufen. Es ist zwar kaum anzunehmen, daß sich die Mißstände beim Wolkensteiner Landgerichte von den damals und später sehr im argen liegenden Verhältnissen bei den übrigen Landgerichten wesentlich unterschieden. Allein die Mehrheit der steirischen Landschaft betrachtete die Sonderstellung des Landgerichtes im Ennstal, das durch eine eigene, von Kaiser Friedrich 1478 verliehene Landgerichtsordnung12.3 autonom beordnet war, das als größtes im Lande schon im 15. Jahrhundert seinen eigenen kaiserlichen Bannrichter hatte,12.4 mit Mißbehagen; sie befürchtete nach einer etwas späteren Quelle,12.5 es könnten die Sachen so verstanden werden, "als ob es (d. h. das Landgericht Wolkenstein) nit in disem fürstenthum gelegen". Aus diesem politischen Grunde nahm man die erhobenen Beschwerden bereitwilligst auf und [Seite: 13] ergriff die Gelegenheit, beim Erzherzog darauf hinzuweisen, es sei dringend notwendig, für sämtliche Landgerichte eine Ordnung zu erlassen, in der auch die bisherige rechtliche Selbständigkeit des Wolkensteiner Landgerichtes aufgehen müsse. Welchen Bescheid der Erzherzog der ständischen Gesandtschaft erteilte, wissen wir nicht; sicher ist aber, daß die Angelegenheit nicht einschlief, sondern daß die Stände zwei Monate später darangingen, ihre Angriffe gegen die Autonomie des Wolkensteiner Landgerichtes durch das Herausgreifen besonders bedenklicher Bestimmungen aus der Wolkensteiner Landgerichtsordnung zu substanziieren. Der vielleicht aufgeworfenen grundsätzlichen Frage, ob die Änderung des von dem Vorfahren des Erzherzogs gesetzten Rechtes überhaupt zulässig sei, suchte man, wie die Schlußworte des Brucker Beschlusses andeuten, offenbar mit dem Hinweise auf die Schlußklausel der Wolkensteiner Landgerichtsordnung zu begegnen, in der Kaiser Friedrich sich und seinen Erben das Recht vorbehält, die Ordnung zu mehren oder zu mindern, zu verändern und nach Gefallen zu widerrufen.13.1 Die weiteren Schritte der Landschaft gegen die Wolkensteiner Autonomie entziehen sich mangels quellenmäßiger Belege unserer Kenntnis. Festzuhalten ist jedoch, daß mit diesem Auftreten die Kodifikationsbestrebungen ihren historischen Anfang nehmen und daß, wie wir später sehen werden, gerade der Widerstand der auf ihr Sonderrecht eifersüchtigen Landgerichtsinhaber von Wolkenstein, der einflußreichen Freiherren Hofmann v. Grünbüchel, sie durch längere Zeit verzögerte.
III. Die Landschaft scheint alsbald nach den erwähnten Präliminarien darangegangen zu sein, den Brauch, der bei den steirischen Landgerichten gehalten wurde, schriftlich zu fixieren und damit den Entwurf I der Landgerichtsordnung zu verfassen. Daß ihm noch Verhandlungen mit dem Herrscher vorangegangen sind, ist zweifellos. Leider mangeln uns für die nächste Zeit aktenmäßige Nachrichten; wir finden nur eine wenig verläßliche, die Quelle verschweigende Notiz bei Muchar:13.2 "Nach seiner feierlichen [Seite: 14] Krönung in Prag war König Ferdinand auf kurze Zeit nach Wien gegangen. Dort erließ er am 28. März 1527 an die steiermärkische Landschaft Befehl, um den so sehr allenthalben zunehmenden Räubereien, Totschlägen und lasterhaften Übeltaten Einhalt zu tun, für alle Richter auf dem Lande eine neue Ordnung aufzurichten und mit Strenge aufrecht zu halten." Diese Nachricht läßt den Zweifel offen, ob der König eine Landgerichtsordnung haben wollte oder ob es ihm nur darum zu tun war, eines der damals häufigen Verbote der Ledigung der Totschläger um Geld zu erlassen; es ist aber vielleicht eine Anspielung auf die Wolkensteiner Streitfrage, daß die Regelung für alle Richter "auf dem Lande" (soll wohl heißen: "Landrichter") gelten sollte.
Am 13. Dezember 1529 beschließt die auf dem Landtage in Bruck versammelte Landschaft die Aufrichtung der Landgerichtsordnung.14.1 Dieser Beschluß muß — und zwar entweder noch am Landtage selbst oder kurz danach — verwirklicht worden sein; ein ständischer Ausschuß hat ohne Beteiligung landesfürstlicher Kommissäre das steirische Gewohnheitsrecht aufgezeichnet und in die Form eines Gesetzentwurfes gebracht, der nun der Genehmigung des Landesfürsten, dem er alsbald vorgelegt wurde, bedurfte. König Ferdinand hat diesem Vorentwurfe eine Erledigung des Inhaltes angedeihen lassen, daß ihn eine aus landesfürstlichen Räten und landschaftlichen Abgeordneten gemischte Kommission beraten, auf Grund erzielter Einigung einen neuen Entwurf ausarbeiten und diesen zur landesherrlichen Bestätigung vorlegen solle. Diese Vorgänge füllen die Zeit bis zum Septemberlandtag 1530 aus. Wahrscheinlich auf diesem Landtage wurden die undatierten landschaftlichen Beschwerartikel überreicht, die sich in den Landtagsakten von 1530 finden.14.2 Unter Punkt 3 dieser Beschwerartikel erklärt die Landschaft: "Wiewol die K. M. auf ainer E. L. underthenigist anlangen etlich I. M. Räte und personen zu verfassung und beratschlagung der landgerichtsordnung in Steier verordent und [Seite: 15] allergenedigst bewilligt, das ain E. L. aus ierem mitl auch etlich personen, die I. M. zuvor benent worden sein, darzue fürnemen solle, dem ist ain E. L. also ierestails ganz gehorsamlich nachkhomen, sich zu angezaigter beratschlagung mit ieren personen auf ain angesetzten und benenten tag gerecht und gefaßt gemacht, aber die saumsal solcher unvolziehung ist allain an denselben I. M. verordenten bißheer, und nit an ainer E. L. erwunden. Demnach ist ir, der L. gehorsamist und hochvleißigist bitt, Ir K. M. welle angerüert beratschlagung nochmals zum eehisten und furderlichisten von neuem fürzunemen und zu beschehen verfuegen, damit die alsdann nach noturftig beratschlagung I. M. ierem begeren nach zu genedigister bestätigung fürgebracht werden möge, und das in sölcher ordnung alle landgericht im land Steier begriffen, und khains darinnen, damit merer ierrung verhuet, gesondert noch ausgeschlossen werde, wie I. M. mit gnaden zu thain wissen." Die Klage, daß die königlichen Kommissäre zu den angesetzten Terminen nicht erscheinen und dadurch die Kodifikation verzögern, erhebt sich hier zum ersten Male; sie sollte sich später noch öfters wiederholen. Daß die Wolkensteiner Frage noch ungelöst war, ergibt sich aus dem scharf betonten Verlangen der Landschaft, die neue Ordnung müsse alle Landgerichte gleichmäßig umfassen.
Trotzdem die Erledigung der Beschwerartikel selbst fehlt, scheinen sie, soweit sie wenigstens die Landgerichtsordnung betreffen, nicht ganz ohne Wirkung geblieben zu sein. Ein Jahr später — am Novemberlandtag 1531 — stellt die Landschaft fest, es sei von der Regierung zu Wien auf Anhalt der Verordneten für den 1. Dezember 1531 ein Tag zur Aufrichtung der Landgerichtsordnung gewährt worden. Man könne aber diesen Termin wegen des währenden Landtages nicht einhalten und solle daher bei der Regierung um Erstreckung angehalten werden. Die Verordneten sollen sich der Sache annehmen und sechs Personen zur Beratung entsenden. Hiezu werden gleichzeitig die Herren Andreas Steinacher, Gall v. Ragnitz, Bernhard v. Teuffenbach, Hans Welzer, Gabriel Stubich und Franz v. Liechtenberg gewählt; doch deutet die Bemerkung: "aber khainen darzue bewegen khünen" darauf hin, daß die Gewählten wenig Lust bezeugten, sich ihrer Aufgabe zu widmen.15.1 Es scheint also [Seite: 16] damals die Angelegenheit nur lässig und formell betrieben worden zu sein.
Die Verordneten verloren jedoch die Sache nicht aus dem Auge. Als die Landschaft dem am Margaretentage 1531 ergangenen königlichen Gebote, die anfangs 1532 in Innsbruck zusammentretende Beratung der niederösterreichischen Lande zu beschicken, folgend eine neungliedrige Gesandtschaft nach Innsbruck entsendete, wies man die Gesandten in der Instruktion vom 1. Dezember 153116.1 auch an, sich um die Landgerichtsordnung zu bekümmern. Man machte — offenbar deshalb, weil bei der Dringlichkeit der Sache die langwierige neuerliche Durchberatung vermieden werden sollte — den nochmaligen Versuch, vom König im kurzen Wege die Bestätigung des gleichzeitig zur Wiedervorlage gebrachten ständischen Entwurfes zu erlangen. Die Instruktion sagt diesfalls: "Dergleichen ist K. M. vormals ain landgerichtsordnung in schrift verfaßt fürbracht und durch uns um bestätigung derselben angelangt worden, daßelb aber über mer beschehen sollicitiern bisheer nit erlangen können. Und damit aber meniglich, so in disen gerichten ze thun haben mögen, was von recht darinn zu handeln ist, demnach sollen unser gesandten die obbemelten perkhrechts- und landgerichtsordnung, welche inen hieneben zuegestellt sein, der K. M. abermals furbringen, und I. M. um bestätigung derselben von neuem undertheniglich anlangen."
Ein Jahr verging, bevor sich der König zur Beantwortung der von der steirischen Gesandtschaft am Innsbrucker Tage vorgebrachten Wünsche entschloß. Die Entscheidung, von Innsbruck unterm 8. Jänner 1533 datiert, lautet bezüglich der Landgerichtsordnung ablehnend und ausweichend: "das von wegen der landgerichtsordnung sein K. M. notturftig angesehen, dieselbig durch etlich S. M. rät, so nit landleit sein, zu beratschlagen und zu übersehen lassen, welchs sein K. M. auch nunmalen verordnet hat und in khürz übersehen wirt, so will sich alßdann Sein K. M. verer daruber mit gnaden entschließen und einer L. darnach genediglich eröffnen."16.2 Man sieht: die Bemühungen der Gesandten, den König kurzerhand zur Genehmigung des einseitig ausgearbeiteten Entwurfes zu veranlassen, waren vollständig gescheitert.[Seite: 17]
Die Ankündigung des Königs, den landschaftlichen Entwurf durch nicht der Landschaft angehörige Räte begutachten zu lassen, scheint nun der Landschaft sehr gegen den Strich gegangen zu sein. Man befürchtete wohl, daß der Hauptstreitpunkt, die Beseitigung der Wolkensteiner Autonomie, zu Ungunsten der Landschaft erledigt werden könne; man mußte auch besorgen, daß gewisse, auf die in Anspruch genommenen Vorrechte der Ständeschaft Bezug habende Partien des Entwurfes einer objektiven Prüfung nicht standhalten könnten. Es wurde daher beschlossen (20. Jänner 1533), am königlichen Hofe durch den Einfluß des Hofkammersekretärs Christoph Adler, einer in steirischen Angelegenheiten öfters beschäftigten Persönlichkeit mit weit reichenden Beziehungen,17.1 einen Stimmungswechsel herbeizuführen und den Boden für eine persönliche Vorstellung des an den Hof zu schickenden Landeshauptmannes Seyfried v. Windischgrätz vorzubereiten.17.2 Der Brief an den genannten Beamten, der in den Akten kurzweg mit "Adlerschreiben" bezeichnet ist, enthält folgende charakteristische Stelle: "In sonderhait bitten wir euch auch, nachdem etlich artigl in der K. M. des gesandten gegeben beschaid und antwort ausstendig beliben, fürnemlich landgerichts Wollckhenstain halben, daruber Ir K. M. irem anzaigen nach etlich räte, so nit landleit sein, die sachen zu beratschlagen verordnen welle, bedenken wir samt den andern herrn und landleiten, dieweil dieselben gestalt und gelegenhait dises land, auch irer freihaiten und gebreuch nit wissen tragen möchten, das wenig fruchtpars damit außgericht, noch vollzogen wurde, wellen aber das zur furderung nit abgeschlagen haben, mit vermeldung, wo darinnen gemainer landschaft freihait zuwider oder ungleichmeßigs gestellt wurde, daßelb nit anzunemen noch zu bewilligen, darinnen wellen ainer L. noturft nach bedacht sein."17.33) Die Erklärung, gegen alle der Landesfreiheit widersprechenden Neuerungen und gegen die Isolierung des Wolkensteiner Landgerichtes zu protestieren, läßt an Schärfe nichts zu wünschen übrig und bezeugt den Unmut der Landschaft über den Mißerfolg ihrer Gesandten.
Am 8. Mai 1533 kehrte der Landeshauptmann von seiner [Seite: 18] Reise an den königlichen Hof zurück und berichtete den Verordneten über das Ergebnis seiner Bemühungen. Er scheint die Nachricht gebracht zu haben, daß er zu spät gekommen, die Entscheidung über den Entwurf bereits gefallen sei. Schon hatte man beschlossen, wegen der Landgerichtsordnung nochmals an den Hof zu schreiben,18.1 als die Antwort des Königs, von Wien am 8. Mai 1533 datiert,18.2 eintraf. Bereits seit dem 22. Februar 1533 war dieser im Besitze eines Gutachtens der oberösterreichischen Regierung18.3 über den steirischen Entwurf, das sich dahin aussprach, es fehle den Regimentsräten die hinreichende Kenntnis des steirischen Landesbrauches, um den Entwurf verläßlich zu beurteilen. Der König möge, falls er ein genaues Gutachten wünsche, einen des Landesbrauches kundigen Sachverständigen beiordnen; überdies wäre es dienlich, wenn die auf dem Regensburger Reichstage in Druck gelegte Halsgerichtsordnung beigeschafft und bei Begutachtung des Entwurfes zu Rate gezogen würde. Diese negative Äußerung spiegelt sich im Bescheid des Königs wieder. Er befiehlt: "das ain L. zu nagsten landtagen aus ir drei verstendig und teuglich landleit, die kein landgericht haben, und aber drei von denen, die landgericht haben, fürnemen und verordnen, so benennt sein K. M. für sich zu denselben auch drei ir rät, nemlichen S. M. landßhaupman und viztum in Steir, und Hannsen Haugn, welch all sich sollen eines fueglichen geraumen tags und gelegen plaz vergleichen, daran sie zusamen khomen und bemelt ordnung der landgericht in Steir ausgeschlossen das landgericht zu Wollckhenstain, welchs sein K. M. darein zu ziehen aus beweglichen ursachen nit gelegen ist, beratschlagen und verfassen, und darnach seiner K. M. zuesenden sollen. So will sich sein K. M. alßdann darin ersehen und weiter daruber genediglich entschließen." Die Befürchtungen der Landschaft waren also eingetroffen; die Landgerichtsordnung war auf den zeitraubenden Weg der Beratung durch einen neungliedrigen gemischten Ausschuß gedrängt worden und überdies hatte der König dezidiert erklärt, daß das Landgericht Wolkenstein seine Sonderstellung behalten solle. Die "beweglichen Ursachen" dieses letzten Entschlusses waren wohl [Seite: 19] die Vorstellungen des am königlichen Hofe sehr einflußreichen Landgerichtsinhabers von Wolkenstein, Hans Hofmann v. Grünbüchel, gewesen.
IV. Durch diese Entscheidung trat in der Reformaktion ein beinahe achtjähriger Stillstand ein. Die Landschaft hatte kein Interesse an einer Landgerichtsordnung, die für das Ennstal nicht gelten sollte; der König war viel zu sehr durch andere Sorgen in Anspruch genommen, um sich für das steirische Strafrecht und seine Reform besonders zu erwärmen. So bietet die Zeit von 1533 bis 1541 das Schauspiel unfruchtbaren Hin- und Herschreibens von der Landschaft zum König und umgekehrt, ohne daß dadurch der Zweck auch nur einen Schritt gefördert worden wäre.
Im Hoftaiding vom 1. Dezember 153319.1 beschließt man, die Herren, "so der landgerichtsordnung zu handlen fürgenomen", zu betreiben. Erfolg hatte diese Urgenz nicht, und zwar zufolge des Ausbleibens der landesfürstlichen Kommissäre. Als man daher in der zweiten Hälfte 1534 den Grafen Georg v. Montfort und den Freiherrn Erasmus v. Trautmannsdorf als landschaftliche Gesandte an den königlichen Hof schickte, gab man ihnen in der Instruktion auch den Auftrag: "damit dieselb aufgericht landgerichtsordnung abgesehen und beratschlagt würd, demnach sollen die gesandten nochmalen an die K. M. undertheniglich langen und bitten, damit I. M. dieselbige comissari furderlich herein in das land Steir ordnen wellen, auf das der K. M. comissari und ander landschaft zugeordnet dieselbig landgerichtsordnung übersehen und beratschlagen und alle landgericht im land Steier in derselbig ordnung betriben und kain landgericht davon ausgeschlossen noch gesondert werd, wie ir K. M. mit gnaden zuthuen wissen."19.2 Es scheinen übrigens auch finanzielle Schwierigkeiten eingetreten zu sein; denn in derselben Instruktion wird darüber geklagt, daß die königlichen Kommissarien nicht mit Zehrung versehen worden seien und daher nicht reisen konnten.
Mit Bescheid vom 16. Jänner 153519.3 erledigt der König die von dieser Gesandtschaft vorgetragenen Wünsche. Er erklärt sich [Seite: 20] nochmals bereit, drei Kommissarien zu ernennen, die mit sechs landschaftlichen Kommissionsmitgliedern zu einer Beratung zusammentreten, den Entwurf der Landgerichtsordnung von Artikel zu Artikel durchberaten und ihr Elaborat dem König zur Bestätigung unterbreiten sollen. Den Unterhalt für die landesfürstlichen Kommissarien werde der König tragen, wogegen die sechs landschaftlichen Abgeordneten von der Landschaft unterhalten werden müßten. Man solle die letzteren wählen und dem König anzeigen, der dann auch seine Wahl treffen werde. In der Wolkensteiner Frage jedoch bleibt der Standpunkt des Hofes unerschüttert: "Doch so will I. M. hierinn das landgericht Wolckenstain, so seine sondere fürstliche hoch- und oberkhait hat, ausgeschlossen haben, also das daßelb diser landgerichtsordnung nit underworfen, noch derselben zu geloben verpunden sein solle."
Gegen diesen Standpunkt sind die Gesandten in ihrer Replik vorstellig geworden. Über den Erfolg ihrer Bemühungen belehrt uns die neuerliche, vom 11. Februar 1535 datierende königliche Antwort20.1: "Zum dritten von wegen aufrichtung und beratschlagung der landgerichtsordnung, das ain E. L. etwas beschwerung tregt, das das landgericht Wolckhenstain in solcher landgerichtsordnung ausgeschlossen sein solle, will die K. M. denen, so I. M. derhalber verordnen wirdet, bevelch thun, das sie sich der gebreuch alten herkommens, freihaiten und gerechtigkaiten der herschaft Wolgkhenstain mit fleis erkhöndigen und dieselben gegen gemains lands aufgerichten landsordnung erwegen und beratschlagen, und alßdann wie sie die sachen in erkondigung befinden, daßelb I. M. und fürnemlich ob sölch freihaiten und gebreuch stat haben mögen, und gemainem nuz und wesen dienstlich sein, samt irem rat und guetbedunkhen berichten sollen. Darauf will sich I. M. alßdann verer desselben willen gefallen und gelegenhait nach bedenkhen, und ain landschaft darinn mit gnaden bevolen haben." In einem Punkte also hatte der König nachgegeben; er wollte die Entscheidung, ob die Wolkensteiner Selbständigkeit aufrecht bleiben solle oder nicht, von dem Gutachten seiner in der Kodifikationskommission sitzenden Räte abhängig machen. Die Gebräuche und Freiheiten des Ennstaler Landgerichtes sollten erhoben und mit der Landgerichtsordnung verglichen werden; nach [Seite: 21] dem Ergebnisse dieser Prüfung sollte beurteilt werden, ob die Aufrechterhaltung von Vorteil sei oder nicht.
Zu dieser Arbeit kam es jedoch nicht, und zwar deshalb, weil die Kodifikationskommission überhaupt nicht zusammentrat. Zwar wurden nach einer Bemerkung in den Landtagshandlungen von 153521.1 am 2. Juni 1535 Erhard v. Polheim, Ladislaus v. Radmannsdorf, Adam v. Holleneck, Seyfried v. Windischgrätz, Andreas Steinacher, Balthasar v. Altenhaus, Wolfgang v. Stubenberg und Georg v. Truebneck21.2 zu ständischen Mitgliedern der Kodifikationskommission gewählt; in den Beschwerartikeln vom 5. Juli 1535,21.3 die den landschaftlichen Gesandten Erhard v. Polheim und Christoph Weltzer zur Sollizitierung mitgegeben wurden, teilte man dem König die vollzogene Wahl mit und bat um Namhaftmachung der landesfürstlichen Delegierten und Einleitung der Beratung. Der König entsprach wenigstens dem ersteren Verlangen und erklärte in der Erledigung dieser Beschwerartikel de dato Wien 19. Oktober 1535,21.4 daß er seinerseits seinen Rat und Vizedom in Steier Michael Meichsner, Hans Freiherrn v. Thurn und zum Kreuz, den Pfleger von Arnfels Erasmus v. Trautmannsdorf und Dr. Konrad Hohenburger zu Kommissionsmitgliedern ernannt habe und ihnen unter einem befehle, die verfaßte Landgerichtsordnung artikelweise durchzuberaten. Allein schon am Hoftaiding im November 153521.5 beschließt man, "Ir M. anzulangen, das sölch beratschlagung der unvermeidlichen augenscheiniglichen noturft nach ir fürderliche und würkhliche volziehung [ohne] lengern außzug erraiche", und vier Monate später, am Montag nach Invocavit (6. März) 1536,21.6 ist man genötigt, neuerlich den König anzugehen, daß er doch endlich einen Tag zur Beratung der Landgerichtsordnung anberaumen möge. Endlich wird auf dem Landtage vom 8. Mai 153621.7 festgelegt, daß die [Seite: 22] Landschaft mit ihren Delegierten schon zu zweien Malen zur Beratung der Landgerichtsordnung bereit gewesen sei, daß daher die Schuld an dem Nichtzustandekommen lediglich an der Saumsal der königlichen Kommissarien liege; man solle sich daher nochmals an den König wenden, damit er endlich einmal, "dise notwendige handlung fürderlich in das werch zu richten verordne". Diese Klage wiederholt sich in den Beschwerartikeln vom 25. Oktober 1536,22.1 in denen der König nochmals auf das dringendste betrieben wird, die versprochene Kommissionsberatung zu veranlassen. Der Beisatz: "und das in solch ordnung alle landgericht im land Steier begriffen, und khains darinnen, damit merer irrung verhuet, gesondert, noch ausgeschlossen werde, wie I. K. M. mit gnaden zu thain wissen," bestätigt, daß in der Wolkensteiner Frage noch immer keine Annäherung der gegenteiligen Standpunkte erfolgt war.
V. In der Zwischenzeit war in der inneren Kodifikationsgeschichte ein Ereignis eingetreten, das uns gestattet, den ersten Akt der Gesetzgebungsarbeit, die Ära des ersten Entwurfes, als abgeschlossen zu erkennen. Man hatte aus dem bisherigen Verlaufe der Verhandlungen mit dem König ständischerseits die Überzeugung geschöpft, daß eine en bloc-Annahme des ungefügen, die Interessen der Landschaft wohl einseitig in den Vordergrund schiebenden Entwurfes durch den Landesfürsten nicht zu erreichen sei, daß man vielmehr darauf bedacht sein müsse, die Position der Landschaft im Ausschusse durch sorgfältige, die Fortschritte der Strafgesetzgebung in den Nachbarländern berücksichtigende Vorarbeit zu kräftigen.
Auf dem schon erwähnten Hoftaiding Montag nach Invocavit 1536 beschlossen die versammelten Herren und Landleute: "Dieweil das recht landgericht püechl bei ainer L. befunden, soll verer auf K. M. bewilligen fürderlich tagsatzung zu beratschlagung deßelben fürgenommen, in mitler weil aine oder zwo diser sachen verstendig personen durch die herrn verordenten erpeten werden, die aus allen rechtmeßigen landgerichtsordnungen ain vergreifung oder verfassung thuen, damit dieselb alßdann auf angezaigten tag den herrn comissarien fürgebracht, und darüber deß statlicher beratschlagt werden müge." Die Landschaft entschließt sich also, ihren ersten Entwurf fallen und durch einen ständischen [Seite: 23] Unterausschuß einen neuen, den Entwurf II, ausarbeiten zu lassen, der eine Zusammenfassung aller bereits bestehenden Landgerichtsordnungen darstellen soll. Diese Arbeit dürfte bald nach dem erwähnten Beschlusse beendet gewesen sein; denn es hätte sonst keinen Sinn gehabt, schon am 8. Mai desselben Jahres23.1 zu betonen, daß die Landschaft ihrerseits schon zweimal bereit gewesen sei, die Beratung, die auf Grund des neuen Elaborates geschehen mußte, durchzuführen. Wir werden also kaum fehlgehen, wenn wir die Verfassung des Entwurfes II, der die Resultate der Rechtsetzung der Nachbarländer in sich aufgenommen hat, in die Zeit vom 6. März bis zum 8. Mai 1536 verlegen und mit diesem Zeitpunkte die Geschichte des Entwurfes I abschließen.
VI. Es erübrigt nur noch, in Kürze zu untersuchen, wie beschaffen der Entwurf I war und auf welche Quellen er zurückgeht. Die Erörterung kann sich zum größten Teile nur auf Vermutungen beschränken, da, wie erwähnt, alle Nachforschungen nach dem Entwurfe selbst vergeblich geblieben sind.
Der einzige unvollkommene Anhalt, der uns zu Gebote steht, ist jenes schon erwähnte23.2 Gutachten der oberösterreichischen Regierung vom 22. Februar 1533, welches König Ferdinand über den ihm in Innsbruck im Dezember 1531 zum zweiten Male vorgelegten Entwurf eingeholt hatte. Die Regimentsräte äußern sich mit folgenden Worten über das Elaborat: "Auf E. K. M. mundlichen und schriftlichen befel haben wir die landgerichtsordnung, die in dem fürstenthum Steyr auszurichten begert wirdet, anheut dato, dieweil wir das unzher andrer gescheft halben stattlichen nit thun mugen, eigentlichen ubersehen und furhanden genommen und wie gern wir E. M. derselben befel nach (als wir uns schuldig erkennen) unser guetbedunkhen darüber anzeugen wolten, so kunden wir doch das on sonder weiter vorwissen und erfarnus als die solcher landsart, gepreuch, altherkomen und gewonhait gar kain wissen tragen, stattlichen nit thun und etwas beschwerlichen sein, unser ratschlag also bloß darüber zu geben, wann wir haben allerlai mängel darinn und sonderlich kein wissen, ob die hoch- oder landgericht, denen das malefiz anhangt allenthalb im furstenthum in Steyr E. K. M. oder auch etlichen andern oberkhaiten zugehörig, noch wie es unzheer bei [Seite: 24] der hohen oberkhait mit der ubelthäter hab und gueter, so leib und leben verwürkht und sonst in vil andern fällen mer gepreuchig gewesen sei, noch auch ob die nidern gericht oder diejenen, so das landgericht haben, diser landgerichtsordnung begern oder welcher tail dieselb leiden möcht und was dieselben nidergericht in ainem oder den andern fal von alter in gebrauch seind und herbracht haben, dann wir gedenkhen, wo unzheer guete erbere und der pillihait gemäß gebreuch in den landgerichten allerlai fal halben gehalten weren, das nicht leichtlichen davon abzuweichen sei. Sover aber E. K. M. unsers rats je notürftig ist, will uns not sein, das E. K. M. jemands, so der gepreuch und alten herkomens in Steyr, wie es unzher gehalten worden und was für änderung oder neuerung in angeregter neuer landgerichtsordnung begert ist, guete und grundliche erfarung und übung hab, zu uns verordne, damit wir uns gestalt der sachen von ime erlernen und mit grund ratschlagen mugen, was E. K. M. auch gemainem land leidenlichen sei oder nit. Zu dem wer uns ganz dienstlichen, die halsordnung, welche auf dem reichstag zu Regenspurg in druckh zu bringen bewilligt ist, und sover E. K. M. dieselb zu handen bringen möcht und uns zuschickhte, welten wir uns alsdann, sovil uns für guet und not anseh, dardurch E. K. M. nicht das von alterher E. K. M. zugehört hett, begeben oder jemands wider pillichait beschwert würde, aines ratschlags entschließen und E. K. M. alspald zusenden."
Trotzdem dieses Gutachten im wesentlichen nur eine Inkompetenzerklärung in sich schließt, lassen sich doch über die Beschaffenheit des Entwurfes gewisse Folgerungen negativer Art gewinnen.
Zunächst ist es sicher, daß die Verfasser des Entwurfes I die Reichskarolina nicht benutzt haben. Zur Zeit seiner Entstehung, die, wie früher24.1 dargetan, in den Monat Dezember 1529, spätestens jedoch in den Anfang des Jahres 1530 fällt, war die Arbeit des Reichsregimentes an der Halsgerichtsordnung für das Reich bis zu dem sogenannten Speierer Entwurfe, der am Speierer Reichstage dem ständischen, aus rechtsgelehrten Räten gebildeten Reichstagsausschusse vorgelegt wurde, gediehen.24.2 Dieser Ausschuß hatte alsbald die Unmöglichkeit der Beratung des Entwurfes am währenden [Seite: 25] Reichstage eingesehen und darum jene Vertagung durchgesetzt, die im Reichstagsabschiede vom 22. April 1529 allseitige Billigung fand und die Gesetzesberatung einem aus zwölf von den Reichskreisen zu wählenden Abgeordneten gebildeten Sonderausschuß überwies. Die Beratung hätte am Tage Mariä Reinigung (2. Februar) 1530 in Speier beginnen sollen; es kam aber nicht dazu, weil der Zusammentrittstermin durch die Berufung des neuen Reichstages nach Augsburg überholt wurde. Auf diesem Reichstage kam der vierte oder der Augsburger Entwurf zustande, der — auf dem Regensburger Reichstage von 1532 nur noch durch die Vorrede mit der vielumstrittenen salvatorischen Klausel ergänzt — schließlich zum Gesetze erhoben wurde. Auf dem Augsburger Reichstage war der vierte Entwurf bereits Ende Juli 1530 vollständig festgestellt und den Ständen übergeben. Es könnte demnach, wenn die steirische Landschaft 1529 oder 1530 zur Verfassung ihres Entwurfes die Arbeiten der Reichsgesetzgebung benutzt hätte, nur der Speierer oder der Augsburger Entwurf in Frage kommen, da kaum anzunehmen ist, daß man ohne jeden Grund auf einen der früheren, längst überholten Entwürfe zurückgegriffen hätte. Allein man hat sich zweifellos um die Reichsgesetzgebung, deren bisherige Fortschritte nur den Beteiligten zugänglich waren25.1 und die überhaupt an der Indolenz der Stände litt, nicht gekümmert; sonst hätten es die Gutachter gewiß nicht für notwendig befunden, den König um ein Exemplar der Karolina zu ersuchen, um deren Vorschriften mit dem Entwurfe in Einklang zu bringen.
Steht aber die Nichtbenutzung der Karolina fest, dann können wir uns die beiläufige Beschaffenheit des Entwurfes I vorstellen, trotzdem er verloren ist. Er war eine jener primitiven Aufzeichnungen der bei den steirischen Landgerichten zu Anfang des 16. Jahrhundertes herrschenden Rechtsgewohnheiten, wie deren einige für einzelne Landgerichte bereits existierten. In der Form ist vielleicht — es handelt sich nur um eine Vermutung — eine Anlehnung an eine der damals bereits bestehenden Halsgerichtsordnungen der Nachbarländer (Tirol, Österreich unter der Enns, Krain) erfolgt. [Seite: 26] Es ist insbesondere möglich, daß jene schlagwörtliche Aufzählung der Verbrechen und ihrer Strafen, die in A. 138 I des Gesetzes zurückgeblieben ist, noch einen Überrest des Entwurfes I darstellt, der sie vielleicht der Halsgerichtsordnung für Österreich unter der Enns von 1514 entnommen hat.
Mehrere Mängel, die von den Gutachtern hervorgehoben werden, bestärken die Vermutung, daß unser Entwurf eine bloße Beurkundung des herrschenden Gewohnheitsrechtes ohne juristische Fassung, Vollständigkeit und systematischen Aufbau war. Zunächst fehlte offenbar jede Erwähnung, wie sich die landesfürstliche Gerichtshoheit zu den privaten Jurisdiktionen verhalte; die Gutachter konnten sich darüber aus dem Entwurf nicht orientieren und scheinen vermutet zu haben, daß alle Landgerichte landesfürstlich seien. Ebensowenig scheint man sich in eine Abgrenzung der Landgerichtsjurisdiktion von der niederen Gerichtsbarkeit eingelassen zu haben; es war nicht einmal zu erkennen, ob die Landgerichtsordnung bloß für die Landgerichte oder auch für die niederen Gerichte zu gelten habe. Die Nichtaufnahme einer Bestimmung über das Schicksal des Vermögens des todeswürdigen Verbrechers ist eine Auslassung, die sich vielleicht daraus erklärt, daß in Steiermark der Grundsatz, der Nachlaß des Verbrechers gehöre seinen Erben und unterliege nicht dem Verfall, als ein ganz selbstverständlicher angesehen wurde.26.1
Die vielen Bedenken, die sich gegen den Entwurf I erheben ließen, führten zu seiner Beseitigung durch den bereits die Rechtsentwicklung der Nachbarländer berücksichtigenden Entwurf II. Man hat aber jedenfalls einzelnes aus ihm in die späteren Arbeiten mit hinübergenommen, was dann auch schließlich in das Gesetz selbst übergegangen ist. Dazu dürfte hauptsächlich das zu rechnen sein, was in der Landgerichtsordnung auf spezifisch steirischem Rechtsgebrauche beruht. Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir die wenigen bodenständigen Rechtsnormen unseres Gesetzes, die der nivellierende Einfluß der Reichskarolina übrig gelassen hat, schon in den verschwundenen Entwurf I verlegen.[Seite: 27]
I. Der zweite Entwurf der Landgerichtsordnung war, wie wir gesehen haben, gleich dem ersten das ausschließliche Werk der Landschaft; ein oder zwei von den Verordneten erbetene Rechtsverständige haben ihn verfaßt. Er bedurfte nun ebenso der Prüfung und Genehmigung durch den Landesfürsten, die man durch Annäherung an schon bestehende Landgerichtsordnungen leichter zu erreichen hoffte, als wie durch die ganz originelle Fassung des Entwurfes I. Diese Hoffnung bestätigte sich jedoch nicht; der König verhielt sich nach wie vor zurückhaltend.
Für das ganze Jahr 1537 fehlen Notizen über den Fortgang der Kodifikationsverhandlungen; in den Landtagshandlungen dieses Jahres kommt nichts darauf Bezügliches vor. Erst in den undatierten, aus dem Jahre 1538 stammenden Beschwerartikeln der Landschaft27.1 findet sich wieder eine Andeutung; es geht nämlich aus ihnen hervor, daß der König die Landschaft aufgefordert hat, die Gesandten, die die Landschaft zur Aufrichtung der Landgerichtsordnung an die niederösterreichische Regierung zu schicken beabsichtige, auch mit der Lösung einer andern gesetzgeberischen Aufgabe jener Zeit, der Redaktion des Hofrechtes,27.2 zu betrauen. Es scheint demnach der König sein niederösterreichisches Regiment angewiesen zu haben, sich der Beratung des steirischen Entwurfes zu unterziehen.
Ein weiteres Dokument des Jahres 1538 betrifft einen außerhalb der engeren Kodifikationsgeschichte stehenden Umstand. Unterm 15. März 1538 fassen die auf dem Landtage versammelten Stände folgenden Beschluß27.3: "Auf der K. M. bevelch durch den herrn landhaubtmann herrn Hannsen Ungnaden freihern der malafizhandlung halben furgetragen, will ain L. für rätlich ansehen, das ir es in derselbigen sach, das malefizrechten betreffent, notdürftige einsehung thue, und ordnung zu geben in ansehen, das furbar oftmals in disem höchsten rechten unformlich verfarn wirdet, das auch der panrichter, anklager,[Seite: 28] peisitzer, procurator, zuchtinger und die personen, so fur recht gestellt, aneinander der teutschen und windischen sprach halben nit versteen, daraus abzunemen, was zu zeiten fruchtpars in sölchen sachen gehandelt wirdet. Aber doch will ain L. geraten haben, das der herr landhaubtman und herr vizdom, der K. M. landrät auch etlich ansehlich verständig landleut für sich ervordern und ain ordnung des malefizrechten und peinlichen frag halben infals des K. bevels furnemen und verfassen, doch darin albeg bedacht werde, damit ain panrichter und anclager, so die windisch sprach khunen, geordent und fürgenomen, und um ir besoldung und underhaltung auf die edlinger in der grafschaft Cili, wie vorgewesen, oder in ander zimlich weg, von der K. M. verweist werden, dieweil es gegen ainen solchen hochen werch ainen clainen costen gepert."
Es fällt auf, daß in diesem Ratschlag mit keinem Worte der laufenden Kodifikationsarbeiten gedacht ist. Diese Übergehung kann unmöglich auf einem Übersehen beruhen; es ist nicht denkbar, daß die steirischen Herren die Sache vergessen hätten, die einen stets wiederkehrenden Punkt ihrer Beschwerartikel vorher und nachher bildete. Die Erklärung dürfte vielmehr darin liegen, daß beiden Teilen, dem Landesfürst und den Ständen, das Verständnis für den Zusammenhang zwischen Landgerichtsordnung einerseits, Ordnung des Malefizrechtes und der peinlichen Frage neben Organisation des Bannrichteramtes anderseits fehlte. Diese Deutung hat nichts Gezwungenes an sich. In der Landgerichtsordnung sah man die Normierung der Landgerichtsorganisation, die Festlegung des Rechts- und Pflichtenkreises der Landgerichtsobrigkeit, wozu auch die Aufzählung der landgerichtsmäßigen Verbrechen und ihrer Strafen gehörte. Dagegen war die Ordnung des Malefizrechtes, d. h. der unter dem Vorsitze des Bannrichters stattfindenden Hauptverhandlung, und der von ihm durchzuführenden peinlichen Befragung etwas, was man systematisch einer aufzurichtenden Banngerichtsordnung — nur um eine solche kann es sich vorliegend handeln — zuweisen zu müssen glaubte.28.1 Ob der Vorschlag der Landschaft,[Seite: 29] hiemit einen gemischten Ausschuß zu betrauen, zur Durchführung gelangte, wissen wir nicht; jedenfalls hat man sich aber bald überzeugt, daß die gesonderte Behandlung neben der Strafrechtsreform nicht möglich sei, und auch diesen Punkt in die Gesamtkodifikation einbezogen. Daß aber im Jahre 1538 — nach den beiden Entwürfen — dieser Zusammenhang noch nicht erkannt war, läßt darauf schließen, daß beide Entwürfe die junge Institution der Banngerichte nicht geregelt hatten und daß insbesondere im Entwurf II die umfangreichen Bestimmungen über Voraussetzungen und Ordnung der peinlichen Frage, die aus der Reichskarolina in das steirische Gesetz übergegangen sind, nicht enthalten waren.
Der Hinweis auf die sprachlichen Schwierigkeiten im gerichtlichen Verfahren, die in der späteren Geschichte des steirischen Bannrichteramtes eine bedeutende Rolle spielen,29.1 ist nicht ohne Interesse; das Verlangen, daß der steirische Bannrichter und der Ankläger beider Landessprachen mächtig sein sollen, dürfte darauf hinweisen, daß es sich um einen Bannrichterposten für das Viertel Cilli handelte, der allerdings erst weit später (1614) errichtet wurde.29.2 Dies wird auch durch den Vorschlag, die Edlinger von Tüchern nach altem Herkommen zur Dotierung der Bannrichterstelle heranzuziehen, unterstützt; die "Freimanns- und Abdeckeräcker" des alten Edeltums Tüchern werden auch noch bei Kreierung des Cillier Bannrichterpostens erwähnt.29.3
Am 29. April 1538 wählt die Landschaft die Herren Hans Welzer und Bernhard von Teuffenbach zu Gesandten für den Fall, daß die Regierung (scil. die niederösterreichische) den Tag zur Aufrichtung der Landgerichtsordnung ansetzen werde.29.4 Schon der Umstand, daß nur zwei Abgeordnete an Stelle der ursprünglich in Aussicht genommenen sechs bestimmt werden, deutet darauf hin, daß die Sache kaum ernst genommen wurde. Tatsächlich sind auch die beiden Gewählten nicht in Aktion getreten; denn schon am 6. Juli desselben Jahres beschließen die Herren, die sich auf Einladung der Verordneten zur Beratung der Antwort auf die jüngste [Seite: 30] königliche Erledigung von Prag versammelt haben, es sei der Landschaft anzuzeigen, sie solle am nächsten Landtag Personen wählen, die zur Aufrichtung der Landgerichtsordnung tauglich seien, "in ansehung das ain L. vil an der landgerichtsordnung gelegen ist und nit in verzug gestelt werde"30.1. Dieser Aufforderung entspricht die Landschaft am 16. September 1538;30.2 man wählt die Herren Seyfried v. Windischgrätz, Georg v. Truebneck, Gall v. Ragnitz, Sebastian v. Steinach, beziehungsweise Bartholomäus v. Mosheim, Hans Welzer, Gabriel Stubich und Franz v. Liechtenberg und beschließt, daß die Verordneten, falls die Regierung den Beratungstermin nicht bald ansetze, von Landschafts wegen bei der Regierung darum anhalten sollen. Alle diese Bemühungen blieben jedoch erfolglos; am 15. Jänner 1539 muß am Landtage abermals beschlossen werden,30.3 an die Regierung wegen Setzung eines Beratungstermines zu schreiben,weil ein solcher bis dahin noch immer nicht zustande gekommen war. Der Beschluß nimmt zur Wolkensteiner Frage Stellung: "So ist doch dise irrung darinnen, das das landgericht Wolckhenstain, welches das trefflichist[!] landgericht im land Steyr ist, ausgeschlossen sein soll. Demnach ist beratschlagt, die K. M. undertheniglich ze bitten, das gemelt landgericht Wolckhenstain khaineswegs gesundert werde, sonder ain gleiche reformation im ganzen land beschehe." Damit wird in dem schon zum Überdruß erörterten Gegenstande neuerlich der Weg der Verhandlungen betreten, der endlich zu einer Einigung führen sollte.
II. In der Instruktion, die den steirischen Gesandten an den königlichen Hof, Hans Welzer und Christoph v. Mindorf, am 10. März 1539 ausgestellt wird,30.4) findet sich als erster der noch unerledigte Beschwerdepunkt der Landgerichtsordnung. Der König wird eingangs an die vielfachen Bitten der Landschaft, eine Landgerichtsordnung aufzurichten, und an seine prinzipiell zustimmende Haltung erinnert. "Es hat aber bisheer zu bemelter aufrichtnus der [Seite: 31] landgerichtsordnung nit khumen, noch denselben weg erreichen mügen, aus diser ursach, das das landgericht Wolkhenstain, welches das gröst in disem lande ist, außgeschlossen und von den andern abgesundert werden soll, darinnen sich doch die maistn beschwerlichen fäll zutragen, und wo das bescheh, wurd durchaus ain irrnis und zerrütlichait ervolgen, möcht auch die aufrichtung bemelter landgerichtsordnung iren furgang nit erraichen." Die Gesandten werden daher angewiesen, den König zu bitten, "das I. K. M. gnedigist einsehung und verordnung thue, damit gedacht landgericht Wolkhenstain neben den andern landgerichten in gleiche reformation khume, und keinswegs auszesundern". Es wird also der Grund der bisherigen Verzögerung, das Fehlen einer grundsätzlichen Einigung über die Wolkensteiner Meinungsverschiedenheit, unverhüllt bloßgelegt; die Landschaft verwahrt sich gegen die Aufnahme der Beratung vor Klärung dieses Gegensatzes und betont mit Schärfe die Unhaltbarkeit der Wolkensteiner Autonomie gegenüber einer Landgerichtsreformation, wobei hervorgehoben wird, daß die meisten Beschwerden, die die ganze Aktion veranlaßt haben, gerade aus dem Ennstale stammen.
Die Bemühung der Gesandten blieb vorläufig erfolglos; es fehlt zum mindesten eine sofortige Erledigung ihrer Wünsche durch den König. Erst eine spätere Gesandtschaft, bestehend aus den Herren Georg Stadler und Bernhard Urschenpeck, vermochte den König zu einer Antwort zu veranlassen, die aber ebenso ausweichend und unbestimmt ausfiel, wie die bisherigen. Unterm 19. September 1539 schreibt der König31.1: "Und als ain E. L. begert die landgerichtsordnung aufzerichten und in das werch zu bringen, und das landgericht Wolckhennstain nicht außgeschlossen werde, dieweil durch weiland kaiser Fridrich die landgericht reformirt werden, wollen I. K. M. dieselb reformation herfuersuechen lassen und dieselb notürftigelich ersehen. Und was alßdann nach gelegenheit darinn aufzerichten und ze handlen befinden, daßelb auch für die Hand nemben und ins werch khomen lassen." Der König beruft sich also auf die Autorität seines Vorfahren, des Kaisers Friedrich, von dem die Wolkensteiner Landgerichtsordnung herstammt, und lehnt mit Rücksicht darauf eine sofortige grundsätzliche Entscheidung des landschaftlichen Begehrens ab.[Seite: 32]
Damit gaben sich jedoch die Stände nicht zufrieden. Vielmehr beschloß man sofort nach Herablangen dieser Antwort eine neue Aktion. Am 1. Oktober 1539 wird den neun Herren, die als Gesandte der Landschaft an den König beordert werden, in einem "Memorial" selben Datums32.1 folgendes ausgetragen: "Erstlich haben jüngstlich zu Wienn Georg Stadler und Pernnhardt Ursenpeckh von ainer L. wegen als Gesandte bei I. K. M. underthenigelich angehalten, das die landgerichtsordnung in disem lande dem gmeinen wesen zu gueten und sonderlich in bedacht, dieweil es des menschen pluet betrifft, und daruber an vil orten durch die unverstendigen rechtsprecher groß mißpreuch ervolgen, aufgericht und das das landgericht Wolckhenstain, darinnen sich dann die meisten beschwerlichen fell zuetragen, nit ausgeschlossen noch gesondert, damit durchaus ain gleichait gehalten werde, welch articl aber bisher noch unerledigter bliben. Dieweil denn I. K. M. die aufrichtung gedachter landgerichtsordnung genedigist bewilligt und allain bisheer der hast des landgerichtes Wolckhenstain halben gewesen und sich von den andern landgerichten absondern und ausschließen wellen, welches aber wie obgemelt nit zu erhaltung gleichs rechtens dient, sonder großer zwitracht und irrung daraus erfolgen und entsteen würde, und sonderlichen, das auch khünftigelichen die sachen, wo daßelb landgericht ausgeschlossen, dahin verstanden werden möcht, als ob es nit in disem fürstenthum gelegen, sölhes alles zu verhueten, sollen die gesandten die K. M. von ainer E. L. wegen jetzo, vermüg I. M. gnedigisten beschaids den gesandten zu Prag deshalben gegeben,32.2 underthenigelich bitten, das I. M. als herr und landsfürst genedigiste einsehung und verordnung thuen, damit gedacht landgericht Wolckhenstain, neben den andern landgerichten in gleiche reformation khumbe und von disem land nit gesondert werde, damit alsdann sovil fruchtperlich zu aufrichtung gedachter landgerichtsordnung gegriffen und dieselb in das volkhomenlich werch der unvermeidlichen hochen notdurft nach gericht werden müg, wie dann aine E. L. gar nit zweiflt, Ir K. M. werden hierinnen als herr und landsfürst, und dem das menschenpluet für all ander Khü. gaben gehandhaben von got bevolen ist, gnedigiste und fürderliche handlung fürnemen. Wo [Seite: 33] aber das landgericht Wolckhenstain nit zu erheben, das nicht minder in den andern landgerichten ain gleiche reformation aufgericht werden müg. Si die gesandten sollen auch derhalben mit her Hannsen Hofman davon disputiern, warumben und aus was ursach er das landgericht Wolckenstain neben den andern landgerichten nit will einkhumben lassen."
Aus dieser Urkunde geht vor allem hervor, was die tiefer liegende Ursache für die Landgerichtsreformation war: die groben Mißstände der Strafrechtspflege, die durch die Judikatur der "unverständigen Rechtsprecher", der ungebildeten, sich in den rohen Formen des altüberlieferten Gewohnheitsrechtes bewegenden Schöffen, herausgebildet worden waren. Dem romanistisch geschulten 16. Jahrhundert mit seiner Auffassung vom rechtsgelehrten Berufsrichtertum erschien die Schöffenjustiz rückständig und barbarisch; man versäumte keine Gelegenheit, um sie in abfälligster Weise zu kritisieren und Abhilfe zu verlangen. Es ist also ein getreuer Zug der Zeit, der sich in der Beschwerde der steirischen Ständeschaft ausprägt. Gegen die Autonomiebestrebungen des Wolkensteiner Landgerichtes wird zunächst ein politisches Argument ausgespielt; man warnt den Landesfürsten vor dem Präjudiz, das durch die Exzeption des Ennstales von der aufzurichtenden Rechtseinheit geschaffen würde. Außerdem versucht man aber im Wege persönlicher Verhandlungen mit Hans Hofmann v. Grünbüchel, dem Landgerichtsherrn von Wolkenstein, dessen Widerstand gegen die Aufgabe der Autonomie, der die Hauptursache der ablehnenden Haltung des Landesfürsten gewesen war, zu beseitigen. Dieser Weg scheint zu einer Einigung geführt zu haben, ohne daß man jedoch ihre Bedingungen feststellen könnte; es ist Tatsache, daß seit der persönlichen Aussprache jede Erwähnung des Streitpunktes aus den Akten verschwunden ist und daß der einige Jahre später zustandegekommene Entwurf III die Sonderstellung des Wolkensteiner Landgerichtes beseitigt, dem so oft nachdrücklichst betonten Standpunkte der Landschaft somit Rechnung getragen hat. Freilich ist dies nur eine Vermutung; die Wolkensteiner Frage kann auch später, jedenfalls aber vor 1547, aus der Welt geschafft worden sein. Es ist dies aus dem Grunde denkbar, weil die landschaftlichen Gesandten unter allen Umständen — also auch für den Fall, daß der Wolkensteiner Streit nicht beigelegt werden könnte — die Landgerichtsreformation wenigstens für die [Seite: 34] übrigen Landgerichte durchzusetzen beauftragt waren. Dieses eventuelle Aufgeben des prinzipiellen Standpunktes sollte den Zusammentritt des Redaktionsausschusses sichern. Der genaue Zeitpunkt des Zusammentrittes ist uns jedoch, wie unten darzulegen sein wird, ebenso wenig bekannt, wie die Zusammensetzung des Ausschusses und der Umstand, ob zu den Aufgaben des letzteren auch die Ausgleichung der Wolkensteiner Differenz gehörte oder nicht. Jedenfalls berechtigt uns aber die Tatsache, daß die Wolkensteiner Autonomie seit dem 1. Oktober 1539 aktenmäßig nicht mehr genannt wird, zum Abschlusse dieses Kapitels der Redaktionsgeschichte, das man den Kampf des landgerichtsherrlichen Partikularismus gegen die Rechtseinheit nennen könnte.
III. Mit dem Jahre 1540 beginnen die Nachrichten über den Fortgang der Kodifikation ungemein dürftig zu werden; erst nach dem Regierungsantritte Erzherzog Karls mehren sie sich wieder.
Aus der Tagesordnung des Oktoberlandtages von 1540 steht als 14. Punkt die Aufrichtung der Landgerichtsordnung.34.1 Tatsächlich wird aus diesem Landtage am 18. Oktober 154034.2 beschlossen, daß die Verordneten denjenigen Herren, die seinerzeit in den Redaktionsausschuß gewählt worden sind, schreiben sollen, sich zur Aufnahme der Beratung bereit zu halten; falls etliche davon schon gestorben seien, solle man neue wählen und schließlich, wenn der Ausschuß vollständig sei, die Regierung um Anberaumung des Beratschlagungstermines ersuchen. Wieder umsonst; am Märzlandtage von 154134.3 sieht man sich genötigt, neue Ausschußmitglieder (Ott v. Liechtenstein, Christoph Welzer, Abel v. Holleneck, Gall v. Ragnitz, Christoph v. Radmannsdorf, den Vizedom v. Leibnitz und Stephan Graßwein) zu wählen und zu beschließen, daß aus diesen Personen je drei mit und drei ohne Landgericht genommen werden sollen, um die Landgerichtsordnung zu redigieren. Diese sollen binnen zwei Monaten oder an einem sonst zu vereinbarenden Termine bei der Regierung erscheinen; für durch Krankheit Verhinderte soll der Landeshauptmann, in dessen Verhinderung der Landesverweser, Ersatzmänner bestimmen. [Seite: 35]
Von diesem Beschlusse an, dessen Ausführung wir billig bezweifeln müssen, verlassen uns die Nachrichten vollständig. Zwar finden sich noch unterm 8. September 1541 Beschwerartikel der Landschaft an den König,35.1 in denen über unerträgliche Mängel der Strafjustiz geklagt wird; der Bannrichter verfahre "unformlich und unbedächtlich", was auf seinen Unfleiß und seine Untauglichkeit, sowie auf die Unerfahrenheit der Beisitzer zurückgehe. Man bittet um Abstellung dieser Mißstände und um Einsetzung eines zweiten Bannrichters, der der "windisch sprach" mächtig sei. Allein diese Beschwerden erwähnen die Landgerichtsreformation nicht, sondern betreffen nur, wie schon früher ausgeführt,35.2 die Organisation des Bannrichteramtes, die man damals noch von der Landgerichtsordnung trennen zu können glaubte.
Wir wissen nicht, ob und wann der im März 1541 gewählte Ausschuß zusammentrat; wir wissen auch nicht, ob sich an der Beratung und Neufassung des Entwurfes auch die niederösterreichische Regierung oder irgend eine andere Vertretung des Landesfürsten beteiligte. Wir können nur mutmaßen; diese Mutmaßung geht, wie unten35.3 begründet werden soll, dahin, daß es zur Beratung des gemischten Ausschusses nicht kam, daß vielmehr die Landschaft allein in den Jahren 1542 bis 1546 einen neuen Entwurf, den Entwurf III, ausarbeitete.
Fest steht lediglich, daß am 5. Februar 1547 die Gesandten der steirischen Landschaft, die zu der Wiener Zusammenkunft vom 3. Jänner 1547 entsendet worden waren, nach Verlegung der Beratungen nach Prag dort dem König Ferdinand einen Entwurf der Landgerichtsordnung überreichten. In dem "Raplar, was beileufig in außgeschribner zusamenkunft zu Wien, die volgents gen Prag verwendt, gehandelt worden ist,"35.4 wird erzählt: "Am fünften tag februarii nach dem morgen mal haben die herrn steirisch gesandten der K. M. die landgerichtsordnung und des von Prankh fürschrift überantwort, darauf sich Ir K. M. allergnedigist erpoten, gedachten landgerichtsordnung halben, sovil die zeit und leuf erleiden künen, gnedigiste beratschlahung und erledigung ze thun, damit die [Seite: 36] pösen gestraft und fromen beschützt werden." Es ist also — und zwar zwischen dem 8. September 1541 und dem 5. Februar 1547 — die Landgerichtsordnung einer Umarbeitung unterzogen worden, deren Genehmigung man vom König zu erhalten bemüht war.
Dies hatte jedoch ebenfalls seine Schwierigkeiten. Mehr als drei Jahre vergehen, ohne daß etwas geschieht; endlich entschließt sich die Landschaft, die Entscheidung des Königs zu betreiben. Am Montag nach Judica (24. März) 1550 ergeht am Landtage der Ratschlag,36.1 "die K. M. undertheniglich zu pitten, weil Irer M. die verfaßt landgerichtsordnung vorlangst überschickht, das Ir M. dieselb gnedigist in würkhung khumen und fertigen lassen". Dieser Beschluß wird durch die Instruktion vom 29. März 155036.2 an die Herren Christoph v. Radmannsdorf, Servaz v. Teuffenbach und Georg Stürkh, die man wegen widerrechtlicher Weineinfuhr an den König sendete, verwirklicht, wo es heißt: "So hat auch ain E. L. hievor, auf Irer M. gnedigists begern, derselben löblichen regirung des regiments der niderösterreichischen lande, die verfast landgerichtsordnung gehorsamlichen übersendt, aber bisher ist darüber kain erledigung ervolgt. Weil dann an derselben landgerichtsordnung vil gelegen und ain hochs notwendigs und guets werch wäre, darinnen zu schließen, demnach sollen die herrn gesandten die K. M. underthänigelich pitten, das I. K. M. daßelb werch nochmals mit K. gnaden fürdern und ainer E. L. so dieselb erledigt, gnedigelichen überschickhen lassen." Aus dem Anfangssatze dieser Stelle ergibt sich die sehr wichtige Tatsache, daß der 1547 zu Prag überreichte Entwurf III später auf königlichen Befehl von der Landschaft der niederösterreichischen Regierung zur Begutachtung überschickt worden ist. Wenn wir uns nun dessen erinnern, daß die niederösterreichische Regierung in den früheren Stadien der Gesetzgebung dazu ausersehen war, zusammen mit den landschaftlichen Abgeordneten in einem gemeinsamen Ausschusse die Landgerichtsordnung zu beraten, so kommen wir folgerichtig zu dem Schlusse, daß jener 1547 in Prag vorgelegte Entwurf ohne Mitwirkung der niederösterreichischen Regierung ausschließlich durch ständische Kommissäre zu stande gekommen ist; im andern Falle hätte es keinen Sinn gehabt, die Mitverfasser des Entwurfes zu seinen Gutachtern zu machen. Es [Seite: 37] spricht also die größte Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Entwurf III ebenso wie seine Vorgänger eine ausschließlich ständische Arbeit gewesen ist.37.1
Unterm 11. Oktober 155037.2 erledigt der König die Urgenz der Landschaft wegen der Landgerichtsordnung. Unter Anerkennung der Notwendigkeit der Strafrechtsreformation wird hervorgehoben, der Entwurf bedürfe einer getreuen und fleißigen Vorbetrachtung; der König werde daher diese Beratschlagung sobald als möglich vornehmen und dann das Gesetz publizieren lassen. Auch hieraus geht hervor, daß königliche Abgeordnete sich an der Verfassung des Entwurfes III nicht beteiligt haben, weil sonst jene genaue Vorbetrachtung und Beratschlagung durch den König nicht mehr notwendig gewesen wäre.
Trotz des gegebenen Versprechens verharrt der König in Untätigkeit. Er wird von der elfgliedrigen Gesandtschaft, die die Landschaft im April 1551 an den Hof schickt, neuerdings betrieben (Instrukt. v. 26. April 1551)37.3; dasselbe wiederholt sich am Septemberlandtage desselben Jahres,37.4 worauf neuerdings eheste Erledigung versprochen wird.37.5 Eine nochmalige Urgenz erfolgt durch die ständischen Gesandten, die am Hoftaiding Montag nach Erhardi (11. Jänner) 155237.6 an den Hof geschickt werden. Alles vergeblich. Die Bestätigung des Entwurfes war von Ferdinand, dem wohl die größeren Sorgen der Reichspolitik keine Zeit ließen, nicht zu erreichen. Es scheint [Seite: 38] infolgedessen auch das Interesse der Landschaft an der Landgerichtsordnung vollständig eingeschlafen zu sein; die eben erwähnte Nachricht ist die letzte aus der Regierungszeit Ferdinands und so vergehen mehr als fünfzehn Jahre, in denen die steirische Strafrechtsreform, die man als so notwendig und dringlich erklärt hatte, keinen Schritt vorwärts gebracht wird. Die Landschaft hatte ihre erfolglosen Bemühungen eingestellt; der Versuch, das steirische Strafrecht zu kodifizieren, schien endgültig gescheitert zu sein.
IV. Der Entwurf II der Landgerichtsordnung ist ebenso verschwunden wie der Entwurf I; wir besitzen nicht einmal die geringen Anhaltspunkte, die uns beim Entwurfe I einigen Aufschluß über seinen Inhalt gewährten. Nur aus der früher38.1 besprochenen Anweisung, die man den Verfassern am Hoftaiding des Montags nach Invocavit 1536 gab, läßt sich einiges über die Beschaffenheit des Entwurfes II entnehmen. Sie sollten "ain vergreifung oder verfassung aus allen rechtmeßigen landgerichtsordnungen" ausarbeiten, damit dieses Elaborat den königlichen Kommissären vorgelegt werden könne.
Damit sind zweifellos die in Kraft befindlichen Landgerichtsordnungen der Alpenländer gemeint und wir gewinnen auf diese Weise genaue Kenntnis des Quellenmaterials des Entwurfes II. Es kommen nämlich nur jene Landgerichtsordnungen in Betracht, die zur Zeit der Verfassung des Entwurfes II — zwischen dem 6. März und dem 8. Mai 1536 — in Geltung standen, und zwar:
1. die Landgerichtsordnung Kaiser Maximilians I. für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns vom 21. August 1514, [Druck 1528]
2. die Landesordnung Ferdinands I. für Tirol vom 26. April 1532, deren 7. und 8. Buch die maximilianische Malefizordnung von 1499 wiederholt und weiterbildet, [Druck 1532]
3. die Landgerichtsordnung Ferdinands I. für Krain und die Nebenländer vom 18. Februar 1535. [Druck 1535]
Offen bleibt die Frage, ob auch die Reichskarolina bereits bei Verfassung des Entwurfes II benutzt worden ist. Wir möchten diese Frage verneinen, und zwar aus dem Grunde, weil die Reichskarolina keine Landgerichtsordnung ist. Hätte man ihre Verwertung den Kodifikatoren auftragen wollen, so hätte man sie wohl mit ihrem offiziellen Titel als "peinliche Gerichtsordnung" bezeichnen [Seite: 39] und überdies als Reichsgesetz den Provinzialstatuten gegenüberstellen müssen. Es ergibt sich übrigens aus dem früher39.1 besprochenen Landtagsratschlage vom 15. März 1538 mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit, daß der Entwurf II — ebensowenig wie Entwurf I — Bestimmungen über die Ordnung der peinlichen Frage und den endlichen Rechtstag enthielt. Da nun, wie wir sehen werden, Entwurf III diese Bestimmungen bereits umfaßt und sie fast wörtlich aus der Reichskarolina herübergenommen hat, so findet dadurch unsere Vermutung eine gewisse Unterstützung; hätte bei Verfassung des Entwurfes II schon die Reichskarolina als Vorlage gedient, so wäre das, was an ihr eine der bedeutendsten Neuerungen bildet, ihr fein ausgearbeitetes Beweisrecht mit der Regelung der Tortur, ebensowenig unberücksichtigt geblieben, wie das ungemein charakteristische Institut des endlichen Rechtstages.
In den Entwurf II ist sicherlich auch ein Teil des Entwurfes I übergegangen; da es sich um die Schaffung eines Gesetzes für Steiermark handelte, so mußte der Auszug aus den bestehenden Landgerichtsordnungen auf die lokalen Verhältnisse zugeschnitten werden. Daß man hiezu die Aufzeichnung des steirischen Gewohnheitsrechtes benutzte, die Entwurf I darstellte, ist außer Frage. Aus dem Entwurfe II hat dann der Entwurf III sowohl diese steirischen Rechtsgewohnheiten, wie auch die aus den Landgerichtsordnungen gezogenen Rechtssätze übernommen.
V. Der Entwurf III, der nach unseren bisherigen Feststellungen zwischen dem 8. September 1541 und dem 5. Februar 1547 durch einen ständischen Ausschuß verfaßt worden ist, ist der erste, der uns wenigstens bruchstückweise und in nicht authentischer Form vorliegt.
Im 11. Jahrgange der "Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen" (1874) hat Bischoff ("Über ein steirisch-kärntnisches Formular- und Kopialbuch", S. 138 ff.) eine Handschrift des Reuner Klosterarchives beschrieben und hiebei erwähnt, daß sich auf Bl. 21125439.1 dieses eine Art Handbuch für Stiftsverwalter darstellenden, im 16. Jahrhunderte geschriebenen Kodex "eine Ferdinandsche, aber nur in Bruchstücken vorhandene Malefiz-Ordnung für das Fürstentum Steyer, fast völlig übereinstimmend mit der [Seite: 40] Land- und peinlichen Gerichtsordnung Erzherzog Karls vom Jahre 1574" finde. Luschin40.1 hat die Vermutung ausgesprochen, daß dieser Entwurf einer Landgerichtsordnung möglicherweise jener sei, den die Landschaft im Jahre 1531 dem König Ferdinand vorgelegt hatte; er spielt damit auf die uns schon bekannte Instruktion der steirischen Gesandten für die Innsbrucker Tagung vom 1. Dezember 153140.2 an, gibt also der Ansicht Ausdruck, daß das Reuner Bruchstück mit dem von uns so bezeichneten Entwurfe I identisch sei.
Schon unsere bisherigen Darlegungen ergeben die Unhaltbarkeit dieser Ansicht. Entwurf I kam ohne den Einfluß der Reichskarolina zu stande, während die Reuner Urkunde nur unwesentlich von dem fertigen Gesetze abweicht, somit in vielen Punkten ein fast wörtlicher Abklatsch der Reichskarolina ist. Es bleibt also, da die Wahrscheinlichkeit dafür ist, daß auch der Entwurf II noch von der Reichskarolina unabhängig ist, nur der Entwurf III übrig und diese Schlußfolgerung wird durch innere, aus dem Inhalte des Reuner Entwurfes, wie wir ihn künftig nennen wollen, geschöpfte Gründe zur Gewißheit erhoben.
In unserem Gesetze finden sich an zwei Stellen Hinweise auf die Polizeiordnung. Zunächst im A. 72 I, der von den Gotteslästerern handelt, mit denen es gehalten werden soll, "wie solches unser vorhabende ordnung und policei klärlich außdrucken wird". Es wird also die Erlassung einer Polizeiordnung in Aussicht gestellt, die auch tatsächlich drei Jahre nach der Landgerichtsordnung (1577) mit der Geltung für Steiermark allein erschien und in ihrem ersten Artikel "von der Gottslesterung und Flüchen" handelte.
Im Gegensatze hiezu steht Abs. 2 des A. 88 I L. G. O. Hier wird bei der Strafdrohung gegen Ehebruch bemerkt: "Sovil nun diser obgeschribner laster halb des ehbruchs leichtfertiger unehrlicher beiwohnung und vermischung halben in unserer außgangen policei allen obrigkeiten zu handlen aufgelegt ist, wöllen wir, das demselben fleißig nachgelebt werde." Hier verweist also das Gesetz auf eine frühere Polizeiordnung und verschweigt ohne erkennbaren Grund die Absicht künftiger Erlassung einer Polizeiordnung, trotzdem die Polizeiordnung von 1577 auch Strafdrohungen gegen Ehebruch und Fornikation enthalten sollte. [Seite: 41]
Dieser Widerspruch hat sich nun durch den Reuner Entwurf aufgeklärt. Die dem A. 72 I L. G. O. parallele Stelle lautet hier: "Jtem in disem articl soll es mit dem strafen gegen dem gotslestern und schwern gehalten werden, wie solch unser jüngst neu aufgericht und publiciert ordnung und policei khlärlich austrukht"; die dem A. 88 I L. G. G. entsprechende Stelle stimmt mit diesem wörtlich überein. Während man also bei der ersten Stelle die durch die in Aussicht genommene Erlassung der Polizeiordnung notwendige Umstellung vornahm, hat man bei der zweiten Stelle darauf vergessen und den Entwurf unverändert gelassen.41.1
Welche Polizeiordnung kann nun unter der "jüngst neu aufgericht und publiciert ordnung und policei" gemeint sein? Von den drei Polizeiordnungen für alle fünf niederösterreichischen Lande mit Görz von 1527, 1542 und 1552 kann, wie die Kodifikationsgeschichte ergibt, lediglich die mittlere, die "Ordnung und Reformation guter Polizei" vom 1. Juni 1542,41.2 in Betracht kommen; auf diese allein bezieht sich der Reuner Entwurf.41.3 Wir finden in dieser Feststellung eine Bestätigung der Ergebnisse der Kodifikationsgeschichte, müssen den Reuner Entwurf als Bruchstück des Entwurfes III bestimmen und gewinnen noch eine etwas genauere Fixierung seiner Entstehungszeit; er ist in der Zeit zwischen dem 1. Juni 1542 und dem 5. Februar 1547, wahrscheinlich jedoch noch in der zweiten Hälfte des Jahres 1542, verfaßt worden.
Der Kodex, der den Reuner Entwurf enthält, ist im 16. Jahrhunderte von verschiedenen Händen geschrieben; er enthält in bunter [Seite: 42] Reihe Formularien, Bruchstücke steirischer und kärntnerischer Gesetze, eine Handschrift des steirischen Landrechtes, Privilegien, Prozeßschriften u.s. w. Die Entstehung des Kodex haben wir uns dadurch zu erklären, daß dessen Besitzer fortlaufend in das Buch alles eintrugen, was sie künftighin noch verwenden zu können glaubten. Wer den Entwurf der Landgerichtsordnung eintrug und aus welchem Grunde dies geschah, läßt sich nicht feststellen.
Der Reuner Entwurf ist, wie überhaupt der ganze Kodex, äußerst fehlerhaft geschrieben; Auslassungen, Wortverdrehungen und Schreibverstöße sonstiger Art erschweren seine Benutzung. Die Titel der einzelnen Artikel stimmen mit geringen Ausnahmen mit dem Gesetze überein; es fehlt jedoch die Numerierung. Der Reuner Entwurf ist nur ein Bruchstück des Entwurfes III. Vorhanden sind (nach der Numerierung der Artikel in den Druckausgaben des Gesetzes) die Vorrede, die A. 168, 7192 und 138 des I. Teiles, sowie die A. 15, 826 des II. Teiles; die A. 69, 70, 93137 des I. Teiles, die A. 6, 7, 2744 des II. Teiles, sowie der ganze III. Teil fehlen. Dagegen findet sich im Entwurf nach dem A. 66 I ein im Gesetz verschwundener Artikel, der von der Vergleitung der Zeugen und Parteien handelt. Welche Ursache diese Lücken und Abweichungen haben, ob sie der Abschreiber ausließ oder ob die Vorlage bereits mangelhaft war, ist unbekannt.
Die Texte des Reuner Entwurfes und des Gesetzes stimmen — von Schreibverstößen abgesehen — zum größten Teile überein; größere Abweichungen kommen vor im I. Teile bei A. 6, 7, 15, 16, 26, 27, 28, 29, 35, 41, 45, 47, 74, 81, 84, im II. Teile bei A. 4, 17, 18, 22, 25 und 40. Wir werden später Gelegenheit haben, uns mit diesen Verschiedenheiten genauer zu beschäftigen.[Seite: 43]
I. Nach dem Tode Kaiser Ferdinands (25. Juli 1564) fielen zufolge der von ihm angeordneten Länderteilung die innerösterreichischen Lande nebst Görz an seinen jüngsten Sohn Erzherzog Karl. Das Land Steiermark erhielt damit nach langer Zeit wieder einen in der Landeshauptstadt residierenden Herrscher, dessen unleugbares organisatorisches Talent durch die großen Aufgaben der habsburgischen Hauspolitik nicht so sehr in Anspruch genommen wurde, um darüber die kleineren, aber nicht weniger erstrebenswerten Ziele der Staatsverwaltung in den Stammländern aus den Augen zu verlieren.
Unter den vielen ungeklärten Verhältnissen, die der Klärung durch den neuen Landesfürsten harrten, fand er auch die seinerzeit angefangene, nun aber schon seit geraumer Zeit ins Stocken geratene Ordnung der Strafrechtspflege in Steiermark. Die in die Augen springenden Mängel der Justiz im allgemeinen und der Strafrechtspflege im besonderen, deren Verwaltung durch die Landgerichtsverfassung vollständig zersplittert war, konnten dem Regenten nicht verborgen bleiben und mußten ihn dazu veranlassen, mit dem sittlichen Ernste, der seine ganze Regierungstätigkeit auszeichnet, an ihre Abstellung zu schreiten.
Mit programmatischer Schärfe tritt dieses Bestreben in der Proposition hervor, mit der der Erzherzog den Jännerlandtag des Jahres 1567 eröffnet.43.1 Er macht die Stände auf die ihm zu Ohren gekommenen Mängel der Justizverwaltung im allgemeinen aufmerksam; das Verfahren sei langsam und schleppend; gesetzwidrige Gewalt und Halsstarrigkeit verhindere die Rechtspflege. Um seines Herrscheramtes willen könne er derartige Mißstände nicht länger dulden; er befehle daher der Landschaft, darüber Rat zu pflegen, wie sich die Justizverwaltung verbessern lasse. Dasselbe wiederholt sich am Dezemberlandtage desselben Jahres;43.2 der Erzherzog stellt fest, daß die Übelstände in der Rechtspflege (Gewalt, Unterdrückung [Seite: 44] der Armen), die er schon am vorigen Landtage getadelt habe, noch immer nicht geschwunden seien, da sich die an ihn gerichteten Klagen der Geschädigten gemehrt hätten. Nochmals werden die Stände aufgefordert, über die Abstellung der unhaltbaren Zustände mit sich zu Rate zu gehen; insbesondere solle man sich mit den Fragen befassen, ob nicht das schriftliche Verfahren zu empfehlen sei und ob nicht geschworene Beisitzer eingeführt werden sollen. Es werden also — zum ersten Male in der Kodifikationsgeschichte — aus den fremden Rechten geschöpfte Anschauungen gegen das alte Gewohnheitsrecht und gegen die ungelehrten Rechtsprecher ins Feld geführt; wie überall, zeigt sich auch hier die landesfürstliche Gewalt als Vorkämpfer der Rezeption.
Die Landschaft scheint sich diesen Aufforderungen gegenüber begreiflicherweise passiv verhalten zu haben; der Regent sieht sich daher nochmals veranlaßt, aus dem Landtage vom 24. Oktober 1568 seinen Befehl in schärferem Tone zu wiederholen.44.1 Bei diesem Anlasse wird die zu lösende Aufgabe zum ersten Male abgegrenzt; der Erzherzog verlangt einerseits eine Reformation des Landrechtes, anderseits eine Landgerichtsordnung und befiehlt, daß "etliche der Sachen verständige und erfahrene Landleute" beide Gesetze beraten, Entwürfe verfassen und ihm zur Genehmigung vorlegen sollen. Auch hier wird die Einführung des schriftlichen Verfahrens und eigener geschworener Beisitzer angeregt und schließlich befohlen, daß der Ausschuß längstens innerhalb eines halben Jahres seinen Bericht zu erstatten habe. Der Schluß hebt die unerschütterliche Absicht des Erzherzogs, Wandel zu schaffen, mit kräftigen Worten hervor: "Alßdan wir hinwidumb gänzlich bedacht wären, die muetwilligen hochverbotenen gewält als von altersherkhomen ernstlich strafen auch sonsten an meglichen befürderung der gettlichen justitia unsers tails gewißlich nichts erwindn zulassen, dardurch verhoffentlich allem politischen wesen zimblich gesteuert und geholfen, auch die getreuen stende vor anhaimischen vergewaltigungen und beschwerungen nach notturft versichert sollen werden."
Die Antwort der Landschaft44.2 erklärt ihre Bereitwilligkeit, dem [Seite: 45] erteilten Auftrage zu entsprechen, und teilt mit, daß man bereits Vorbereitungen getroffen habe. Tatsächlich hat man noch am selben Landtage einen sechsgliedrigen Ausschuß, bestehend aus dem Landeshauptmanne und den Herren Helfenreich v. Kainach, Adam Peyl, Franz v. Teuffenbach, Dr. Stürkh und David v. Lenghaim, gewählt und ihnen den Auftrag gegeben, die "hievor aufgerichte landgerichtsordnung" zu beraten.45.1 Die Replik der landesfürstlichen Kommissarien45.2 nimmt die Erklärung der Landschaft zur Kenntnis und spricht die Hoffnung aus, man werde die gestellte Frist einhalten. Das Wichtige dieser Verhandlungen liegt darin, daß im November 1568 die Kodifikationsarbeit auf Grund des Entwurfes III wieder aufgenommen und damit die Kontinuität mit der vorausgegangenen Epoche hergestellt wird.
II. Hatte zur ferdinandeischen Zeit der Landesfürst das retardierende Element dargestellt und durch Verschleppung und Teilnahmslosigkeit den Fortgang der Kodifikation verzögert, so ändert sich nunmehr das Bild in sein Gegenteil. Die Stände sind es, die dem Drängen des Landesfürsten passiven Widerstand entgegensetzen und einen Vorwand um den andern gebrauchen, um die Kodifikation, von der sie offenbar eine Beschneidung ihrer Prärogativen zu Gunsten der Herrschergewalt befürchteten, hinauszuschieben.
Am Landtage vom 1. November 156945.3 verweist Erzherzog Karl nicht ohne Schärfe darauf, er habe nun schon zum dritten Male vergeblich die Reformation der Landgerichtsordnung verlangt. Die Sache leide um so weniger Aufschub, als beständig große Beschwerden — und nicht zum wenigsten von den Landleuten selbst — über die Übelstände der Justizverwaltung, namentlich über "hochverpönte, unchristliche und eigenwillige schädliche Gewalt" laut würden. Es sei ihm auch berichtet worden, daß die Ordnung der Strafrechtspflege "des gemainen vaterlands noturft zum höchsten erforderte, menigelich die sachen billicht und sie für ein notwendigs unvermeidenlichs guetes werkh halten". Er begehre demnach von den getreuen Ständen, die Sache nicht länger hinauszuschieben; [Seite: 46] man solle entweder in gemeinsamer Beratung oder durch einen aus eifrigen Landleuten gebildeten Ausschuß die Frage erwägen und ein ausführliches Gutachten noch am währenden Landtag an ihn erstatten; er seinerseits werde dann alles tun, um das Werk zu fördern. Die Antwort der Landschaft46.1 anerkennt die hohe Dringlichkeit des Gegenstandes; sie betont, man habe bereits das letzte Mal einen Ausschuß zusammenberufen und ihm aufgetragen, auf dem jetzigen Landtag seine Arbeiten vorzulegen. Allein durch ein unglückliches Verhängnis seien die erwählten Ausschußmitglieder teils immerfort krank gewesen, teils sogar verstorben, so daß ihr Werk unverrichtet geblieben. Man habe jedoch neuerdings eine Anzahl geeigneter Landleute bestimmt; diese würden, wenn es nur halbwegs mit der Zeit zusammengehe, noch am Landtag selbst zur Beratung zusammentreten; falls es aber nicht möglich sein sollte, werde man zuverlässig nach dem Landtag das Werk zur Hand nehmen.
Tatsächlich kam es auf diesem Landtage zu einer Neuwahl des Redaktionsausschusses. Noch im November beschließt der Landtag,46.2 den Landesverweser Ferdinand v. Kolonitsch, die Herren Pongraz v. Windischgrätz, Erasmus v. Windischgrätz, Jörg Seyfried v. Truebneck, Kolman Prunner, Andreas v. Spangstein und David v. Lenghaim mit der Beratung der Landrechtsreformation und der Landgerichtsordnung zu betrauen und den Dr. Stürkh46.3, der krankheitshalber den Sitzungen nicht beiwohnen könne, zu bitten, daß er das Elaborat dieses Ausschusses nachträglich schriftlich begutachte. Dem [Seite: 47] Ausschuß wird ausdrücklich aufgetragen, auch die landesfürstliche Anregung wegen Einführung des schriftlichen Prozesses in Erwägung zu ziehen. Der weitere Verlauf des Landtages brachte jedoch die gewünschte Förderung der Kodifikationsarbeiten nicht; denn in Beantwortung der Novemplik des Erzherzogs erklärt die Landschaft,47.1 sie hätte zwar nichts Lieberes gesehen als den Abschluß der mannigfachen rückständigen Gesetzgebungsaufgaben (Landgerichts-, Wald- und Polizeiordnung); allein man habe "aus allen fürgefallnen und sonderlich den starkhen Landtagshandlungen" hiezu keine Zeit gefunden; man werde sich jedoch bei nächstmöglicher Gelegenheit mit dem Werke beschäftigen. In diesem Sinne ergeht auch der Beschluß,47.2 die Angelegenheit bis zum nächsten Land- und Hofrecht zu verschieben.
Trotzdem geschieht durch weitere zwei Jahre nicht das mindeste. In der Landtagsproposition zum Landtage vom 1. Dezember 157147.3 beklagt sich der Erzherzog bitter, daß er schon so oft die Landrechtsreformation und die Landgerichtsordnung betrieben habe, jedoch nur von einem Termin zum andern vertröstet worden sei. Da die Gewalttätigkeiten in der Rechtspflege in beständiger Zunahme begriffen seien, so müsse nunmehr jeder Verzug aufhören und die Beratung noch am währenden Landtage beendet werden. "Das erfordert aines jedweden und sonderlich der schwechern landleut unvermeidenliche notdurft. I. F. D. mainen es auch nur zum pesten und suechen nichts durchaus dabei, das iro selbst zu aignem nuz gedeien möchte." Diese Bemerkungen unterstützen die früher ausgesprochene Ansicht, daß der Grund der dilatorischen Haltung der Landschaft die Befürchtung war, es könne durch die Landgerichtsordnung eine Machtbereicherung des Landesfürsten zum Nachteil der Stände eintreten. Deswegen hält es die Proposition für notwendig, die uneigennützigen Absichten des Erzherzogs kräftig zu betonen und die Opposition durch den Hinweis auf den zu gewärtigenden Schutz der Schwächeren vor der Übermacht der großen Landgerichtsherrschaften zu teilen.[Seite: 48]
Der Dezemberlandtag des Jahres 1571 mußte zufolge des schwachen Besuches — die Pest wütete im Lande — auf den 2. Februar 1572 verschoben werden. Am 21. März 1572 überreichten nun die Stände ihre Antwort,48.1 die sich ausführlich mit den schwebenden Kodifikationsarbeiten (Landrechtsreformation und Landgerichtsordnung) befaßt. Man verweist zunächst auf die unter Kaiser Ferdinand zu stande gebrachten Vorarbeiten,48.2 aus denen der ehrliche Wille der Landschaft, Ordnung zu machen, hervorgehe. Man wolle das Werk auch jetzt fördern; doch mangle am Landtage selbst, da er schon überlang währe, die Zeit hiezu. Es sei aber bereits den Verordneten der Befehl zugegangen, in Kürze aus allen Vierteln taugliche und erfahrene Personen aus den Herren und Landleuten zusammenzuberufen. Am nächsten Hoftaiding solle deren Elaborat vorgelegt, genehmigt und dann zur Ratifikation an den Erzherzog geleitet werden. Ein in diesem Sinne gehaltener Landtagsratschlag liegt auch tatsächlich vor.48.3 Die Replik des Erzherzogs48.4 billigt diesen Beschluß und warnt vor Verschleppungen.
Wiederum geschah nichts! Die Jnstruktion de dato Pettau 10. Jänner 1573,48.5 mit der der Jännerlandtag dieses Jahres eröffnet wurde, erinnert die Stände mit Schärfe an ihr gegebenes Versprechen und fordert die Vorlage der Landrechtsreformation, der Landgerichts-, Wald- und Polizeiordnung womöglich noch während des Landtages. Die Landschaft entschuldigt sich in ihrer am letzten Jänner 1573 übergebenen Antwort48.6 mit den eingerissenen Sterbläufen; die Verordneten hätten zwar einige Landleute zusammenberufen; man sei aber wegen der Ansteckungsgefahr nicht gern zusammengekommen. Es solle jedoch ohne Verzug die Beratung ins Werk gesetzt werden. Tatsächlich scheint auch endlich ein weiterer Schritt geschehen zu sein; denn in ihrer Antwort48.7 auf die landesfürstliche Replik teilt die Landschaft mit, man habe bezüglich der [Seite: 49] hinterstelligen Handlungen, als Landrechtsreformation, Landgerichtsordnung, Polizei- und Waldordnung, bereits einen guten und starken Anfang gemacht; es werde zwar nicht möglich sein, die Arbeit am Landtage selbst zu beenden, jedoch habe man Vollmacht gegeben, alle unerledigten Sachen am nächsten Land- und Hofrechte mit Rechtswirkung für die Landschaft zu erledigen. Auch das muß — wenigstens nach dem Berichte der Verordneten — noch im Jahre 1573 tatsächlich durchgeführt worden sein; denn die Verordneten dieses Jahres relationieren49.1: "Es haben auch daneben die herrn verordenten nit unterlassen, auf der F. D. unsers gstn. herns so vielfeltig gst. anhalten, so in vielen lantagen beschehen, die hern und landleut aus allen virtln zu erfordern, welche dan die landsrechtsreformation, die landgerichtsordnung, policei- und waldordnung auf verpesserung und wolgefallen einer E. L. beratschlagt und schließlich alles verfassen lassen, welches also hernach fürgebracht solte werden." Ob es aber, wie dieser Bericht anzudeuten scheint, tatsächlich zu einem neuen Entwurfe, der als Entwurf IV zu registrieren wäre, gekommen ist, sei dahingestellt. Wenigstens stimmt die Haltung der Landschaft im folgenden Jahre 1574 durchaus nicht mit dem Verordnetenberichte überein. In der Proposition für den Jännerlandtag 157449.2 erklärt nämlich der Erzherzog, er habe die in Aussicht gestellten Entwürfe von der Landschaft noch immer nicht erhalten und begehre daher deren eheste Vorlage, worauf die Landschaft erwidert49.3: "Inmaßen denn ain E. L. in den andern articln alberait ein anfang gemacht, und zu der landsrechtsreformation, landgerichtsordnung, policei- und waldordnung one verzug zu greifen in werch sein."
III. Nach diesen vielfachen, teilweise gewiß ungerechtfertigten Verzögerungen entschließt sich die Landschaft endlich, dem dringenden Wunsche des Erzherzogs zu entsprechen und den gewünschten Entwurf der Landgerichtsordnung zur Vorlage zu bringen. Allerdings machte man sich die Arbeit leicht; man griff auf den Entwurf III zurück und legte ihn unverändert vor. Es beweist dies, wie wenig die [Seite: 50] früheren Versicherungen, die Beratung der Landgerichtsordnung sei im Werke und schreite vor, ernst zu nehmen waren.
Am 26. Februar 1574 überschickt die auf dem Landtage zu Graz noch versammelte Landschaft den Entwurf der Landgerichtsordnung mit einem Vorlageberichte50.1, aus dem folgende Stellen von Bedeutung für das Verständnis des Vorausgegangenen sind: "Nachdem ein E. L. hievor lengst ein große und unvermeidliche notdurft zu sein befunden, damit im land ein gwiße landgerichtsordnung an und aufgericht und festiglich gehalten werde, und E. F. D. gst. hiemermalen bevolen, das man soliche landgerichtsordnung für handen nemen und beratschlagen solle, hat ein E. L. nach vleißiger ersehung und beratschlagung aller articl befunden, das dise hiebeiliegende landgerichtsordnung merers thails khaiser Caroli des fünften und des ganzen römischen reichs peinlichen halsgerichtsordnung gemäß und sonders zweifl von den alten Steyrern mit sondern vleis beratschlagt, verfaßt, und dann durch ein ganze E. L. khaiser Ferdinando hochloblichster gedächtnuß als damals regierendem herrn um bestättung übergeben worden, die dann I. Mjt. allergst. gefallen und die confirmation zur publication darüber fertigen lassen. So wissen demnach die herrn und landleit darinn nichts zu verändern, sondern lassen es inen allerdings gefallen und bitten gehorsamist Ir F. D., die wölle soliches alles iro auch genedigist gefallen und hernach fürderlich publicieren und handhaben lassen." Die folgenden Ausführungen betreffen Beschwerden gegen die Landgerichtsherrschaften ohne Bezug auf die Strafrechtsreformation; man bittet nämlich um Erlassung eines "offenen Generals" gegen die Anmaßung fremden Grundes, des Jagdrechtes, des Rechtes auf Einhebung von Bannweizen und gegen die willkürlichen Gerichtskostenbestimmungen durch die Landgerichtsherrschaften.
Was uns an diesem Berichte besonders interessiert, ist die Mitteilung, daß Kaiser Ferdinand bereits den Entwurf genehmigt und die Publikation des Gesetzes bewilligt habe. Wir wissen aus der bisherigen Kodifikationsgeschichte, daß die Landschaft zwar[Seite: 51] wiederholt die Bestätigung der Landgerichtsordnung verlangt und betrieben hat; allein eine formelle Bestätigung ist nirgends aufzufinden. Wenn also die im übrigen durch nichts unterstützte Behauptung des Vorlageberichtes nicht eine bloße Floskel ist, um dadurch der unveränderten Vorlage eines mehr als dreißigjährigen, durch einseitigen Beschluß der Ständeschaft zu stande gekommenen Entwurfes ein gewisses Relief zu verleihen, so müßte man annehmen, daß vielleicht der verstorbene Herrscher in nicht offizieller Form dem Entwurfe zugestimmt und die Publikation als Gesetz in Aussicht gestellt hat; zur Ausführung ist diese Zusicherung, wenn anders sie wirklich gegeben wurde, gewiß nicht gekommen. Mit Rücksicht darauf und in Erwägung des Umstandes, daß ein formeller Promulgationsakt nicht erfolgt ist, ist es klar, daß jener Entwurf in der ferdinandeischen Zeit nicht Gesetz geworden ist.
Ferner ist bemerkenswert der Hinweis, daß der Entwurf zum größeren Teile der Reichskarolina entspreche. Durch diese Bemerkung wird dem Entwurfe größeres Gewicht verliehen und die etwaige Befürchtung, als solle das formell gültige Reichsrecht über die salvatorische Klausel51.1 hinaus derogiert werden, abgeschnitten. Daß trotzdem nicht unwesentliche materielle Abweichungen vom Reichsgesetz vorkamen und daß letzteres nicht in seiner Eigenschaft als zwingendes Recht, sondern vielmehr wegen seiner inneren Vollendung als Muster eines modernen Strafrechtswerkes zur Vorlage gedient hat, sei hier nur nebenbei erwähnt.
Schließlich sei das ausdrückliche Zugeständnis hervorgehoben, daß man den Entwurf III unverändert übernommen habe. Die ganze Zeit seit Fertigstellung dieses Entwurfes ist also auf das Werk ohne jeden Einfluß geblieben; man gewinnt dadurch den unmittelbaren Zusammenhang des Gesetzes mit den Entwurfberatungen zu Anfang der Vierzigerjahre des 16. Jahrhundertes und kann mit voller Beruhigung die Behauptung aufstellen, daß der Entwurf III, wie er uns im Reuner Kopialbuch bruchstückweise vorliegt, die letzte Vorlage des fertigen Gesetzes gebildet hat.
IV. Die Übermittlung des Entwurfes an den Erzherzog war eine der letzten Arbeiten des Jännerlandtages von 1574. In der nun folgenden Zeit bis zum Herbstlandtage, der am 15. November [Seite: 52] 1574 zusammentrat, hatte der Landesfürst reichlich Zeit, den Entwurf zu studieren und seine Abänderungsvorschläge ausarbeiten zu lassen. In einer Zuschrift an die Verordneten vom 5. Mai 157452.1 stellt er in Aussicht, er wolle nunmehr wegen der Rückstände der Gesetzgebung keinen Verzug und keine Verlängerung aufkommen lassen, sondern die fertigen Entwürfe am künftigen Landtage der Landschaft zur Beschlußfassung zugehen lassen. Dieses Versprechen löst er dadurch ein, daß er am 26. November 1574 dem Landtage den Entwurf der Landgerichtsordnung mit umfangreichen Abänderungsvorschlägen rückmittelt.52.2 Diese Abänderungsvorschläge im Zusammenhange mit den Gegenvorschlägen der Landschaft und der weiteren Korrespondenz über die endgültige Redigierung des Textes bilden das einzige uns erhaltene Gesetzesmaterial; sie gewähren Einblick in einige wenige, noch unerledigt gebliebene Kontroverspunkte und in die Kompromißverhandlungen zu ihrer Beseitigung.
Einen solchen Kontroverspunkt bildete vor allem die Stellung der Burgfriedsobrigkeit. Entwurf III hatte bestimmt:52.3 "Und welche purkhfriden aus alten heerkhumen gwalt und freihaiten haben, die angenomen übelthater peinlich zu fragen, die sollen mit peinlicher frag verfarn, wie solches vom landgerichten inhalt dieser ordnung aufgelegt ist." Der Erzherzog wollte an Stelle des alten Herkommens die landesfürstliche Verleihung setzen und damit das ausnahmsweise Recht der Burgfriedsherren zur peinlichen Frage von dem Bestande eines ausdrücklichen landesfürstlichen Privilegiums abhängig machen. Überdies schlug er vor, im Abs. 3 des A. 6 nach den Worten: "mit solcher peinlichen frag" die Worte: "mit vorgeend rechtlich erkhantnus" einzufügen, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß auch bei den Burgfriedsobrigkeiten die wohl bisher allgemein übliche Formlosigkeit in der peinlichen Frage aufhören müsse.
Beträchtliche Differenzen ergaben sich auch in der Frage, was mit dem Vermögen der Selbstmörder zu geschehen habe. Entwurf III hatte vorgeschlagen: "Item so sich ein ledige person ier dem tod selbst anlegt und soliches nit aus größe ainer khrankhait [Seite: 53] oder andern dergleichen zuefallen, sonder aus verzweiflung, besen furnemen volget, so ist dem gericht derselbigen personen varund hab und guet verfallen; davon soll das gericht den cörpör an allen verern verzug vertilgen lassen, wie es bisher an den enden, da sich dergleichen fäll begeben, in geprauch gewest; wo es aber ain angeseßne person wäre, deßelben negsten verlassen erben, wie die nit verhanden, dann dem grundherrn zuegefallen; welcher sich aber aus unbesinterweis oder größe der khrankhait selbst entleibten, damit soll es gehalten werden, wie hiruber in ainem sondern articl begriffen steet."53.1 Der Erzherzog will diesen Artikel vollständig ändern und durch folgende Bestimmung ersetzen: "Die inen selbs den tod bedächtigelich aus forcht der straf anthuen, die sollen verbrent oder auf freiem wag des wassers verschikht werden, und derselben verlaßnen haab und guet, was deren nach dem cösten über si geloffen, der erstlich davon aufzuhöben und zu bezalen, Irer F. D. als herrn und landsfürst haimgefallen sein, daraus Ir D. den dritt tail in ir camer ziehen, nemen und die zwaitail derselben personen erben aus sondern gnaden ervolgen und zuestehn lassen wöllen. Wo sich aber ain person nit aus forcht verschuldter straf, sonder aus khrankhaiten des leibs. melancolei, gebrechligkhait irer sünn oder anderer dergleich blödigkhait selbs ertötet, deren erben sollen deßhalb an iren erbschaft nit verhindert, aber der uncosten, so der obrigkhait hierüber lauft, von derselb erbschaft dannoch bezalt und hiemit auch alle andere gebreuch, so hierwider wären, abgetan und aufgehöbt werden." Während also die Landschaft das Landgericht für den Mobiliarnachlaß des unangesessenen zurechnungsfähigen Selbstmörders als heimfallberechtigt erklärt und in allen übrigen Fällen den Nachlaß den Erben sichert, beansprucht der Erzherzog den ganzen Nachlaß des zurechnungsfähigen Selbstmörders kraft landesfürstlichen Hoheitsrechtes für sich und will nur gnadenweise zwei Drittel des Nachlasses den Erben zuwenden.53.2
Bei A. 16 I, der im Entwurf III die "Vergleitung" (Geleitgewährung) von Verbrechern dem Gerichte zugewiesen hatte, in dessen Sprengel die Tat begangen wird, betont die Resolution, dem Herrscher sei ein solches Recht der Landgerichte unbekannt; es solle daher in [Seite: 54] Hinkunft die Geleitgewährung nur durch ihn selbst und die Regierung erfolgen dürfen.
Bei A. 26 I wird vorgeschlagen, am Schlusse der langen Aufzählung der zur peinlichen Frage ausreichenden Indizien noch die Bemerkung zu machen: "nach gnuegsamer erkhondigung aller sachen, und das der täter jederzeit über die fürkhemne inditia mit seiner verantwortung zuvor vernommen werde".54.1
A. 29 I soll dahin erläutert werden, "das alle zeit auf die inditia die erkhantnus, ob si gnuegsam ad torturam seien oder nit, beschehen solle".54.2
Bei A. 35 I, der im Entwurf III lautete: "Item ain bekhantnus, die guetlich oder peinlich beschieht oder die auf die noturftige erkhundigung gethon und darinnen sovil anzaigens befunden wiert, das khain unschuldiger alles sagen und wissen khunt, denselben ist zu glauben und darauf (was recht ist) zu handlen", wird in Anregung gebracht, daß diese Stelle gemäß der Reichskarolina54.3 in der Weise umgearbeitet werden soll, daß jedes peinliche oder gütliche Geständnis noch durch gepflogene Erhebungen, insbesondere durch Anfrage bei der Behörde des Tatortes, auf seine Richtigkeit nachgeprüft werden müsse, weil es oft vorkomme, daß unter dem Drucke der Folter mehr als das wirklich Verbrochene eingestanden werde. Es wird also bezüglich der Beweiskraft des Geständnisses die Bestimmung des Entwurfes, daß diese eine unbedingte sei, abgelehnt und durch die Vorschrift der Reichskarolina, die in allen Fällen Kontrolle des Geständnisses verlangt, ersetzt.
A. 41 I des Entwurfes III hatte bestimmt, daß die peinliche Frage in Gegenwart "des richters, dreier verständiger und tauglich gerichts- oder angesessen personen, auch des gerichts oder des gefangnen (wo er ain angeseßner war) grundherrschaft" erfolgen [Seite: 55] solle. Der Erzherzog erklärt, daß "solche peinliche frag zum wenigisten auf vorgeende fünf oder sechs personen erkhantnus jedesmals beschehen solle".
A. 66 I (die Resolution spricht irrtümlich von A. 65) lautet im Entwurf III: "Khain zeug für recht zuverglaiten. Item es soll khain partai noch zeug für peinlich rechtfertigung verglait werden; aber sein (soll heißen: "für") gwalt mugen die parteien und zeugen fur gericht wol vergleit werden." Im Sinne der Äußerung zu A. 16 wird vorgeschlagen, den A. 66 gänzlich zu streichen.
Bei A. 72 I, betreffend die Strafe der Gotteslästerung, wird der schon früher erwähnte55.1 Hinweis auf die kommende Polizeiordnung an Stelle des Zitates der Polizeiordnung von 1542 gesetzt.
Bei A. 112 I55.2 wird verlangt, daß die Wundärzte und die übrigen Personen, die einen Entleibten vor dem Begräbnis besichtigen, vorher beeidet werden müssen.55.3
Bei A. 113 I soll die Bestimmung, daß für die Vertilgung der Leiche eines Selbstmörders dem Gerichte ein Pfund und ein Pfennig bezahlt werden müsse, dadurch erläutert werden: "wofern dieselb person dessen aus aigenem guet vermüglich".55.4 Die Haftung der Verwandten oder des Grundherrn für diese Abgabe wird somit ausgeschlossen.
A. 116 I, der "von außfürung beschuldigter übeltat, ehe der beklagt in fänknuß kumpt," handelt, soll konform den früheren Vorschriften den Beisatz erhalten, daß die Geleitgewährung gegen unrechte Gewalt nur durch den Landesfürsten oder die niederösterreichische Regierung erfolgen dürfe.
A. 118 I handelt vom ersten öffentlichen, d. h. beschrienen Diebstahl und enthielt im Entwurf III folgende, der Reichskarolina (A. 158) entnommene Bestimmung: "Wäre aber der diep ain soliche ansehenliche person, dabei sich pesserung zu versehen, mag ime das gericht mit vorwissen unserer landsobrigkhait bürgerlich und also strafen, das er den beschuldigten dem diebstal vierföltig [Seite: 56] bezahlen und sonsten im übrigen es mit ime gehalten werden solle, wie davor im articl vom heimlichen diebstal gesezt und begriffen." Der Erzherzog will dies durch folgende, ganz geänderte Bestimmung ersetzen: "Wo ain dieb vermögens wäre, das gestolen guet widerum zuerstatten, das er solches samt dem schaden zu thuen schuldig sein und er nit destoweniger am leib nach gelegenheit der verprechung gestraft und gepües werden solle."
A. 137 I regelt das Institut des "Ratsuchens", d. h. des Einholens eines Rechtsgutachtens in zweifelhaften Fällen. Im Entwurf III war auch die niederösterreichische Regierung als Stelle, an die ein solches Ansuchen um ein Rechtsgutachten gerichtet werden könne, genannt. Der Erzherzog will die Regierung ausgeschaltet wissen, "weil ... in purgationsachen für si die regierung appelirt würde", weil also die Regierung in Strafsachen selbst Berufungsinstanz sei und daher ein Rechtsgutachten ohne Gefährdung der Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht abgeben könne. Es solle daher die Anfrage in zweifligen Fällen an den Landeshauptmann, den Vizedom oder andere Rechtsverständige ergehen.56.1 Dasselbe solle auch von A. 3 II, das Ratsuchen des Bannrichters betreffend, gelten.
Im zweiten Teil des Entwurfes soll bei A. 5 der Wortlaut des vom Ankläger und Züchtiger zu leistenden Eides, der dem Bannrichter schon abgefordert sei, aufgenommen werden.
Bei A. 7 II, betreffend die Besoldung des Bannrichters und seiner zugeordneten Personen, hat der Erzherzog Berichte des Landeshauptmannes und des Vizedoms eingefordert und der Landschaft zur Beratung übermittelt. Auf Grund des Ergebnisses dieser Beratung soll der Artikel neu redigiert werden.56.2
In A. 17 II fand sich im Entwurf III folgende Bestimmung: "Und wofer der Täter zu solchem seinem fursprecher ain beisizer begert aus dem ring, dem sol der richter erlauben, doch das derselb begert fursprecher sich furder im selben rechten weder nidersizen oder zu urtl enthalten wolt, im aber der Tater sein wort selbst reden und furbringen, das soll ime auch zuegelassen werden." Der Erzherzog hält es für rätlicher, "zwo aigne taugliche person, [Seite: 57] aine in der obern und die ander in der untern Steyrmarkh zu dergleichen vorsprechern zu unterhalten, inmaßen dan solichs, wie fürkhemt, in Kharndten auch gepreuchig sein solle". Er erklärt sich bereit, für jeden dieser zwei Fürsprecher, die nebenbei auch noch Advokaten sein können, eine Jahresbesoldung von 100 fl. auszuwerfen. Das mehrfach hervorgehobene57.1 Institut der beamteten Verteidiger in Steiermark geht also auf einen kärntnerischen Gerichtsgebrauch zurück.
Im dritten Teil des Entwurfes bemängelt die Resolution lediglich dies Fassung des A. 11, dessen Absatz 2 bestimmte, daß die Dienerschaft eines Landmannes, die in einem fremden Gerichte oder auf fremdem Grunde bei einer "malefizischen" Tat ertappt werde, dem Landeshauptmann ausgeliefert werden solle. Der Erzherzog betont, in solchen Fällen sei nur der Landgerichtsinhaber, nicht aber der Landeshauptmann kompetent, und verlangt die Korrektur des Artikels in diesem Sinne.
Schließlich befiehlt der Erzherzog, ihm etwaige Abänderungsvorschläge zu seinen Verbesserungen noch während des Landtages zugehen zu lassen, und verspricht, sodann die Landgerichtsordnung mit dem Vorbehalte: "si nach gelegenhait der zeit und leuft zu mindern, zu mehren und zu verändern" konfirmieren zu wollen; die übrigen vorgebrachten Beschwerden gegen die Landgerichtsherrschaften sollen durch ein besonderes Generale erledigt werden.
Die Landschaft hat mit früher ganz ungewohntem Eifer die landesfürstlichen Abänderungsvorschläge sofort in Beratung gezogen und war daher schon nach acht Tagen, am 4. Dezember 1574, in der Lage, dem Erzherzog eine Antwort zu erteilen,57.2 die sich Punkt für Punkt mit der Resolution beschäftigt.
Im I. Teil wird zu A. 6 bemerkt, die Landschaft könne sich des alten Herkommens, daß auch gewisse Burgfriede das Recht zur peinlichen Frage haben, nicht begeben; man lasse sich auch auf den Nachweis der landesfürstlichen Verleihung nicht ein, da es sich oft zutrage, daß die Verleihungsurkunden verloren gegangen sind und trotzdem an dem aufrechten Bestande des Rechtes nicht gezweifelt [Seite: 58] werden kann. Dagegen wolle man die Worte: "mit vorgeunden rechtlichen erkhantnus" in den Abs. 2 des A. 6 einfügen.
Bei A. 9 I, das Vermögen der Selbstmörder betreffend, wird vorgebracht, es sei ein altes Herkommen, daß man von dem Vermögen jener, die sich vorsätzlich oder aus Furcht vor Strafe töten, dem Landgerichte, in Städten und Märkten dem Stadt- oder Marktgerichte, ein Pfund und einen Pfennig bezahle, während das übrige Vermögen den Erben zufalle, wie dies auch im A. 113 I vorgeschrieben sei.58.1 Es wird daher folgende Fassung angeregt, die sich zum Teil dem landesfürstlichen Vorschlage anschließt: "Die inen selbst den tod bedächtlich aus forcht der straf oder aus verzweiflung anthan, die sollen verprent oder auf freiem wag des wassers verschikht werden, und von deßelben verlassenen haab und guet erstlich dem gericht, alda es beschehen und er gefunden wird, ain pfund ain pfening zuestöllen und erlegen, das übrig guet und verlassenschaft soll seinen negsten erben oder befreundten vollig zuestehn. Wo sich aber ain person nit aus forcht verschulter straf, sundern aus khrankhait des leibs, melancolai, gebrechligkhait irer sünne oder anderer dergleichen blödigkhaiten selbst ertötet, deren erben sollen gleichermaßen an irer erbschaft nit verhindert, aber der uncosten, so hierüber lauft, soll der obrigkhait bezalt werden, und hiemit auch alle andere gebreuch, so hiewider wären, abgethan und aufgehept werden."
A. 16 I wird konform dem landesfürstlichen Vorschlage folgendermaßen stilisiert: "Und sollen iztgemelte und andere täter anders nit als zum rechten verglait und versichert werden. Und alle beglaitung und versicherung sollen allain von uns oder unser n. ö. regierung ersuecht und erlangt werden. Doch das alweeg zuvor, ehe die beglaitung außgegeben, notwendigen bericht von den landgerichts- oder burgfritsherrn und inhabern abgefordert werden."
A. 26, 29, 35, 41, 72, 112, 113, 116 und 137 I werden im Sinne der Resolution geändert; auch ist man mit der Streichung des A. 66 I einverstanden. [Seite: 59]
Dagegen wird gebeten, den A. 118 I vom ersten öffentlichen Diebstahl in der Fassung des Entwurfes zu belassen.
Den Vorschlägen zum zweiten Teil, nämlich zu A. 5 und 17, wird bedingungslos zugestimmt; eine Bemerkung zu A. 7 II fehlt, weil die Landschaft offenbar die Frage der Besoldung des Bannrichters und seines Hilfspersonals noch nicht in Beratung gezogen hatte.
Zum A. 11 des dritten Teiles akzeptiert die Landschaft die vorgeschlagene Korrektur, regt jedoch noch folgenden Zusatz an: "Wan ein diener über seinen herrn ein wehr zuckht oder hand anlegt, dem soll die rechte faust vor dem Pranger mit vorgeunder rechtlicher erkhantnus abgenummen werden." Zur Begründung dieser barbarischen Bestimmung wird bemerkt, es könne zwar vorkommen, daß auch der von seinem Herrn angegriffene Diener sich diesem gegenüber mit Gewalt erwehren müsse. Allein im allgemeinen werde jeder Herr wissen, wie weit er seinem Diener gegenüber gehen dürfe; komme trotzdem der Fall vor, daß der Diener gegen seinen Herrn Notwehr gebrauche, so sei die Judikatur durch obige Bestimmung nicht gehindert, den Diener loszusprechen.
Schließlich bittet die Landschaft, der Erzherzog wolle "dise verfaßte landgerichtsordnung mit obangezogener verpesserung mit dem ehisten auf pärgamen in ein libel schreiben und mit derselben handzeichnung und anhangenden insigl vertigen lassen, damit dieselbig alßdan in drukh gefertigt und publicirt möchten werden".59.1 Dem Vorschlage beliebiger Abänderung wird zugestimmt, wenn dazu die Worte gesetzt werden: "mit rat und gehorsamisten guetbedunkhen und bewilligung (!) einer E.L."
Mit Resolution vom 15. Dezember 157459.2 äußert sich der Erzherzog zu den noch verbliebenen Kontroverspunkten.
Im ersten Teil bei A. 6 beharrt der Landesfürst auf seinem Standpunkte, daß den Burgfrieden das Recht zur peinlichen Frage nicht gebühre. Er betont, daß die Burgfriede nur das Niedergericht haben, während alle hohe Gerichtsbarkeit nur den Landgerichten zukomme. Deswegen könne er die Fassung der Landschaft nicht annehmen; es gehe dies umsoweniger an, als die Folgen einer derartigen Bestimmung bedenklich wären: "Zumal nachdem daraus [Seite: 60] volgen, das ain malefizperson vor zwaien gerichten, als erstlich vor den purkhfridsinhaber und hernach vor dem landgerichtsherrn zurechtstehn müßte, das dan allerlai beschwärungen verursachen und sich auch wol zuetragen möchte, das ain solche person dasjenig, so si vor dem purkhfridsinhaber in der tortur bekhent, hernach vor dem landgericht wider in abred stöllen und also vil übls denenher erwachsen würde, sonderlich weil die purkhfridsinhaber mit leuten, so die inditia zu der tortur erkhennen und dan dieselb handlen sollen, wie die landgerichtsinhaber, nit verstehen." Er erwarte daher, daß die Landschaft von ihrem Widerstand ablasse; sei übrigens bereit, falls ihm bestehende Privilegien dargetan würden, sie von Fall zu Fall auf jedesmaliges Einschreiten zu bestätigen.
Bei A. 9 I erklärt der Herrscher nachgeben zu wollen, damit die Landschaft seinen guten Willen sehe; er mache nur die Bedingung, daß es für die Untertanen der fürstlichen Kammer bei seinen eigenen Vorschriften verbleibe.
Bei A. 16 I wird beanständet, daß die Einholung von Berichten der Landgerichtsherren und Burgfriedsinhaber durch die niederösterreichische Regierung diese, die so schon mit Geschäften überhäuft sei, übermäßig belasten werde. Man solle es daher bei der ursprünglichen Fassung bleiben lassen, jedoch größerer Genauigkeit willen einfügen: "Wofer derjenig, so um die verglaitung pit und sich zu purgiren erpeut, derselben tat halben zuvor nit gefänkhnust worden und daraus khommen."
A. 26, 29, 35, 41, 72, 112, 113, 116 u. 137 I bleiben unverändert.
Bei A. 118 I submittiert sich der Erzherzog vollständig dem landschaftlichen Vorschlage.
Im zweiten Teile wird zu A. 5 bemerkt, daß dem Bannrichter schon in seiner Instruktion befohlen worden sei, den Züchtiger zu beeiden, während die Beeidigung des Anklägers dem Vizedom aufgetragen werden solle.
Zu A. 7 II werde eine eigene Resolution folgen.
A. 11 II soll folgendermaßen stilisiert werden: "Wo ain diener frävenlicher weiß one und außer notwehr über seinen herrn die mehr oder püxen rukhet oder sonst hand anlegt, das demselben mit vorgeender erkhantnus die recht hand abgenommen werden solle." [Seite: 61]
Was die streitige Fassung des Mehrungs- und Minderungsvorbehaltes anbelangt, so soll die zu Zeiten des verstorbenen Kaisers übliche Stilisierung gewählt werden: "Das I. F. D. soliche landgerichtsordnung nach gelegenhait der zeit und leuft mit rat der getreuen landleut zu mindern, zu mehren und zu verändern haben solle."
Schließlich verspricht der Erzherzog, "solche verfaßte verpesserte landgerichtsordnung auf pergameen in ain libel schreiben, mit derselben hand und insigl fertigen, mit eingang des vorsteenden jars publicirn und volgends festigelich darob handhaben zu lassen".
Nur zwei Tage steht die Antwort der Landschaft auf die vorstehende Resolution aus; am 17. Dezember61.1 schon äußert sie sich über die noch bestehenden Differenzen.
Zu A. 6 I findet sich folgende, für die Rechtsstellung der Burgfriede nicht uninteressante Bemerkung: "Dieweil aber etliche (scil. Burgfriede) außgedrukhte freihaiten haben, auch in ruebiger Posseß sein, das sie nit allain in iren purkhfriden, sundern auf iren gründen und heusern ein solchs hohes gericht haben, die malifizischen peinlich fragen, ja vom leben zum tod richten zu lassen, ist solcher anzug allain zu erhaltung deren freihaiten und habenden posseß beschehen." Die Landschaft drückt daher die Hoffnung aus, der Erzherzog werde vorkommendenfalls diese wohlerworbenen Rechte, auf die man nicht verzichten könne, anerkennen. Es wird also im großen ganzen der Standpunkt des Landesfürsten akzeptiert.
Bei A. 16 I wird zur Begründung der früheren Fassung, die man nochmals in Vorschlag bringt, angeführt, es komme vor, daß Verbrechen in den Burgfrieden vorfielen, von denen die Landgerichte keine Kenntnis hätten; daher empfehle es sich zur Zeitersparnis, Berichte über die Frage der Geleitserteilung nur von den Burgfriedsherren allein einzuholen.
Sonstige Bedenken habe die Landschaft nicht mehr; sie bitte daher um Konfirmierung und Publizierung der Landgerichtsordnung.
Tags darauf, am 18. Dezember,61.2 erfließt die letzte landesfürstliche Resolution über die zwei noch strittigen Stilisierungsfragen.[Seite: 62] Sie lautet in beiden Fällen dahin, daß es bei den Vorschlägen des Erzherzogs sein Verbleiben habe.
Bezüglich der Burgfriede wird hervorgehoben, der Landesfürst denke nicht daran, althergebrachte Rechte zu verletzen. Da jedoch die hohe Gerichtsbarkeit den Landgerichten zustehe, so werde es Sache der betreffenden Burgfriedsherren sein, ihre Exemtionen genugsam darzutun, und solle darüber von Fall zu Fall entschieden werden.
Bei der Geleitserteilung habe der Erzherzog den Gebrauch, Parteien, die mit dem Erbieten, sich von einem Verdachte zu reinigen, um Geleite ansuchen, ohne weiteres Erkundigen für drei Monate freies Geleit zu erteilen. Das solle auch künftig so bleiben.62.1
V. Damit war die Redigierung des Textes der Landgerichtsordnung im Einvernehmen von Landesfürst und Ständeschaft beendet und stand daher der Promulgation und Publikation nichts mehr im Wege. Im Landtagsbeschlusse selben Datums (18. Dezember 1574) heißt es: "Wie si dann hieneben gemainer landschaft die landsrechtsreformation und verpösserte landgerichtsordnung mit irer schließlichen erclärung übergeben und dieselben ehist publiciren." Es mußte nur noch die Reinschrift auf Pergament besorgt werden; auch das geschah in den nächsten Tagen. So wurde schließlich der authentische Text am 24. Dezember 1574 gleichzeitig mit der Landrechtsreformation von Erzherzog Karl signiert und damit die langwierige Arbeit zum Abschlusse gebracht.
Über diese Vorgänge informiert uns der mit "Beschluß" überschriebene A. 21 III des Gesetzes: "Darauf haben wir alß regierunder herr und landsfürst in Steyer dise vorgeschriben unser aufgerichte land- und halßgerichtsordnung hiemit libelweiß verfassen und einer ersamen unser landschaft in Steyer von allen ständen überantwurten lassen, damit sich meniglich darnach zu richten und derselben gemäß zu handlen wisse. Doch gmainer ermelter [Seite: 63] unserer landschaft in ander weg an iren freihaiten, rechten, herkommen, gebreuchen und gewonhaiten, auch weliche sonst von uns als herrn und landsfürsten mit sondern freihaiten und gnaden fürgesehen weren, unvergriffen und ohn schaden. Deßgleichen behalten wir uns als regierunder herr und landsfürst hierinn bevor, dise unser ordnung im fall der noturft und glegenhait der zeit und leuf, außer der artikel, was gedachter unserer landschaft fraiheit und herkommen berürn, so in diser unser ordnung vermelt sein, mit rat unserer getreuen landleut zu mindern, zu mehren und zu ändern. Und gebieten hierauf allen landgerichtsinhabern in disem unsern fürstenthum Steyr ernstlich und wöllen, das sie dise unser landgerichtsordnung vest und stät halten, handhaben, darwider nit thun noch handlen, noch auch des jemands andern zuthun gestatten, alß lieb einem jeden sei unser schwäre ungnad und straf zuvermeiden. Mit urkhund ditz libels mit unserm fürstlichen anhangenden insigel verfertigt. Geben in unser stat Grätz, den vierundzweinzigisten tag des monats Decembris, nach Christi unsers lieben herrn geburt im fünfzehenhundert und im vierundsibenzigisten jar."
Wir erfahren daraus, daß der Moment des Inkrafttretens unserer Landgerichtsordnung die Übergabe des vom Erzherzog signierten Originales an die Landschaft gewesen ist. Wahrscheinlich erfolgte diese Übergabe zugleich mit jener der Landrechtsreformation noch am Tage der Signierung, so daß also die Landgerichtsordnung am 24. Dezember 1574 auch tatsächlich in Kraft getreten sein dürfte; allein theoretisch muß daran festgehalten werden, daß die materielle Gesetzeskraft erst mit dem Augenblicke der Übergabe begonnen hat. Erst in diesem Augenblicke erfuhr die Landschaft die ihr früher nur in Aussicht gestellte formelle Genehmigung der Landgerichtsordnung durch den Landesfürsten; erst in diesem Augenblicke mußte sie sich an das Gesetz gebunden erachten.
Die Drucklegung des Gesetzes, wodurch sein Inhalt erst den Rechtsunterworfenen tatsächlich bekannt gemacht wurde, kann als rechtlich bedeutsamer Publikationsakt etwa in dem Sinne, daß erst durch sie die materielle Gesetzeskraft eingetreten wäre, nicht aufgefaßt werden; der Druck erfolgte vielmehr, wie bei manchen früheren Gesetzen des 16. Jahrhunderts, lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen, um allen Interessenten Gelegenheit zu bieten, sich mit dem Gesetze [Seite: 64] vertraut zu machen.64.1 Das und nichts anderes besagt die von der Landschaft begehrte und vom Landesfürsten versprochene Publikation, wobei noch erwähnt sei, daß, wie früher bereits64.2 bemerkt, in den vorausgegangenen Verhandlungen die landesfürstliche Konfirmation als das entscheidende Moment von der ihr nachfolgenden Publikation durch den Druck stets scharf geschieden wird. Mit Rücksicht auf den Wortlaut der gegenseitigen Äußerungen und den Umstand, daß der Gesetzesbefehl im erwähnten A. 21 III an die Tatsache der "Überantwortung" des authentischen Gesetzestextes angefügt wird, ist nicht daran zu zweifeln, daß beide Teile, Landesfürst und Landschaft, den Promulgationsakt als die Geburtstunde des rechtsverbindlichen Gesetzes angesehen haben.
Die Stilisierung des A. 21 III könnte zu Zweifeln darüber Anlaß geben, inwieweit die Landgerichtsordnung ihrem Zwecke, gleiches Recht im Lande zu schaffen, nachgekommen ist. Auch die steirische Karolina enthält gleich ihrem Vorbilde für das Reich eine salvatorische Klausel und es ist zu untersuchen, welche Bedeutung ihr zukommt. Der Vorbehalt: "doch gmainer ermelter unserer landschaft in ander weg an iren freihaiten, rechten, herkomen, gebreuchen und gewonhaiten, auch weliche sonst von uns als herrn und landsfürsten mit sondern freihaiten und gnaden fürgesehen weren, unvergriffen und ohn schaden", kann sich nur auf jene Privilegien und gewohnheitsrechtlichen Normen beziehen, die nicht durch die Landgerichtsordnung ausdrücklich oder stillschweigend aufgehoben worden sind. Solche ausdrückliche Aushebungen finden sich in der Landgerichtsordnung öfter (z. B. A. 9 I; A. 9, 32, 33 II; A. 18 III); jedoch ist nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes auch alles das als beseitigt anzusehen, was nicht expressis verbis in Geltung belassen worden ist. An vielen Stellen des Gesetzes ist "des Landes Freiheit, altes Herkommen und alte Gewohnheit" aufrecht erhalten (z. B. A. 1, 6, 7, 8, 12, 31, 64, 88,[Seite: 65] 113, 129, 137 I; 1, 2, 8, 13, 15, 16, 17, 18, 29 II; 1, 11, 12, 19, 20 III); ebensoweit reicht auch der der Landschaft gemachte Vorbehalt. Beseitigt sind also alle Privilegien und Gewohnheiten, die der Landgerichtsordnung widerstreiten; beseitigt ist auch für alle Zukunft jedes etwa erst entstehende Gewohnheitsrecht. Vorbehalten ist lediglich das landesfürstliche Hoheitsrecht der Verleihung von vom Gesetze abweichenden Privilegien, soweit diese die alte Landesfreiheit nicht tangieren.
Um diese Folgerungen auf eine uns aus der Kodifikationsgeschichte interessierende Frage anzuwenden, kann es insbesondere keinem Zweifel unterliegen, daß das Sonderrecht des Wolkensteiner Landgerichtes durch die Landgerichtsordnung, die für alle Landgerichte verbindlich erlassen wurde, derogiert worden ist. Es ergibt sich dies zur vollsten Evidenz aus den Worten der Vorrede: "deßhalben haben wir als regierender herr und landsfürst in Steyer ... in allen und jeden gerichten und obrigkaiten in Stetten, Märkten und auf dem land ... in unserem land Steyer allenthalben die nachvolgund ordnung und erklärung ... aufgericht".65.1
De lege lata ist also die erstrebte Rechtseinheit allerdings zu stande gekommen. Daß aber tatsächlich die alte Rechtsverschiedenheit nicht gänzlich beseitigt wurde, daß vielmehr so mancher alte Brauch oder Mißbrauch, so manches angemaßte Recht auch noch später fortdauerte, das hängt mit der ständischen Gerichtsverfassung zusammen, die trotz des Eingreifens des landesfürstlichen Bannrichters bis in die späte Neuzeit herein ihren mittelalterlichen Charakter nicht abgestreift hat.
VI. Der offizielle Text der Landgerichtsordnung ist nicht der der ersten Druckausgabe, sondern jener der handschriftlichen, vom Landesfürsten signierten Originalausfertigung, die als kostbares Dokument von der Landschaft verwahrt wurde.
Die schöne Pergamenthandschrift erliegt im St. L. A., Landsch. Urkunden C 11. Sie ist im Formate von 31x36½ cm auf 42 Pergamentblättern von einer Hand geschrieben; am Anfang und [Seite: 66] Ende ist je ein leeres Blatt eingeschoben. Der Einband besteht aus mit Papierunterklebung verstärktem Pergament; in seiner linken oberen Ecke steht — wahrscheinlich von der Person des Schreibers selbst —: "LanndtgerichtsOrdnung. 1574". Aus späterer Zeit stammen mehrere, auf der Vorderseite des Einbandes stehende Archiv-Notizen. Das rote, in gelbes Wachs eingeschlossene erzherzogliche Siegel hängt an einer dicken, aus roten und silbernen Fäden zusammengedrehten Seidenschnur, die durch den ganzen Band durchgezogen ist. Vier rote, an beiden Flügeln des Einbandes eingeklebte Seidenbänder dienen zum Zubinden.
Der Text der Handschrift beginnt mit den Worten des Kundmachungspatentes: "Wir Carl von Gottes genaden" und endet mit den letzten Worten des "Beschluß": "Des wir vnns also als Herr vnnd Lannsfürst versehen vnnd also Jedem Gerichtsherrn dem also nachzukumben mit ernnst aufgelegt haben wellen". Die Artikel sind nicht numeriert; sie sind jedoch abgesetzt und ist die Überschrift jedes einzelnen Artikels durch besondere Schrift hervorgehoben. Dasselbe gilt von den einzelnen Untertiteln, die die Systematik des Gesetzes bezeichnen. Jede Seite umfaßt 33 bis 36 Zeilen; ein beiläufig 4 cm breiter Raum ist freigelassen.
Unter der letzten Textseite steht links der eigenhändige Namenszug Erzherzog Karls: "Carolus", unter ihm der Namenszug: "H[ans] Kh[obenzl] von Prossegg Teitschordens R[itter]". Es handelt sich hier um den Ritter Hans Kobenzl von Prossegg, Komtur zu Laibach, Brixeney, Padua und am Lech, Geheimen Rat und Hofvizekanzler, sowie (später) Präsidenten bei der niederösterreichischen Kammer,66.1 der die Urkunde in seiner Eigenschaft als Hofvizekanzler unterschrieben haben dürfte. Rechts steht der Kanzleivermerk: "Ad mandatum domini Archiducis p[ro]prium" und unter demselben die verschnörkelte Unterschrift des Schreibers: "H. Vetter m. p."66.2 In der rechten unteren Ecke findet sich neben der Abkürzung "Rsta." (Registratura ?) der Name: "A. Jurschyn m. p.", wohl jener eines Registratursbeamten.[Seite: 67]
VII. Die von Erzherzog Karl versprochene Publikation, d. h. Drucklegung des fertigen Gesetzes ist durch ihn sofort veranlaßt und im Laufe des Jahres 1575 in der damals für steirische Gesetze viel benutzten Offizin des Michael Manger in Augsburg durchgeführt worden. Die Editio princeps (Folio) enthält auf Seite 1 nachstehenden Titel, wobei der Rotdruck hier durch fette Schrift wieder gegeben ist:
"Des Löb-
lichen Fürstenthumbs Steyer /
Landt vnd Peindlich Gerichts Ordnung /
Jm M.D.L.XXIIII Jar / verpessert / er-
leuttert / verglichen vnd auff-
gericht.
Und ist in drey vnderschidliche Thail ge-
sundert / Deren Erster Thail handlet das Malefitz /
vnd was dem selben anhengig ist / darumb Rechtlich
das Leben / oder ein offentliche peinliche
Leibsstraff mag verwirckt
werden.
Der ander Theil erklärt die Ordnung /
wie man das Malefitz Recht besitzen / darinnen Pro-
cediren / vnd dem Rechten gmäß die Urtel
formiren soll.
Der dritte Thail helt in sich / etlich Arti-
ckel von vnzuchten / so in Gericht begangen werden /
vnd etlichen andern Fällen / so das lauter Male-
fitz nit betreffen.
Mit Fürst: Durchl: Ertzhertzog Carl zu Oester-
reich, / ec. Freyhait / in fünff Jaren nit
nach zu drucken.
M.D.LXXV.
Auf S. 3-11 (S. 2 ist leer) findet sich ein aus den Artikelüberschriften gebildetes Register; S. 12 ist leer. Nun folgt auf 57 richtig numerierten Blättern der Text der Landgerichtsordnung. Die erste Seite von Blatt 57 enthält nach dem Schlusse des Textes die Bemerkung: [Seite: 68] Getruckt zu Augspurg /
durch Michael
Manger.
Im Jar
M.D.LXXV.
Die zweite Seite von Blatt 57 ist leer.
Der sehr schöne und sorgfältige Druck ist keine genaue Kopie des authentischen Gesetzestextes. Zunächst ist der Druck nach einer andern Rechtschreibung erfolgt. So steht z. B. "gnaden" für "genaden", "Landt" für "Lannd", "thun" für "thuen", "menigklich" für "meniglich", "Malefitz" für "Mallefitz", "Handlungen" für "Hanndlungen", "notturfft" für "notdurfft", "bösen" für "pößen", "vbel" für "vbl", "frummen" für "frumen", "handelt" für "hanndlt", "zustehn" für "zuesten", "annemung" für "annembung", "Amptman" für "Ambtman", "that" für "thatt" u. s. w. Außerdem findet sich jedoch eine Reihe von sinnstörenden Druckfehlern; so z. B. im ersten Teil in A. 2, Abs. 3: "Obrigkaiten" für "Freiheiten", in A. 7: "erkundert" statt "erinndert", in A. 36: "auß" statt "auf", in A. 49: "wo" statt "so", in A. 71: "mit" statt "nit", in A. 80: "wider erlegen" statt "widerlegen", in A. 91: "Kaiser Rechten" statt "Kaiserlichen Rechten", in A. 92: "notdurffs" statt "notdurfftig", in A. 96: "pfeil" statt "pfall", in A. 99: "not" statt "mit", in A. 105: "eine" statt "one", in A. 107: "erschlechtere" statt "er schlechtere", in A. 115, Abs. 2: "wissen" statt "weisen", in A. 118: "gemelten" statt "gewennlichen"; im zweiten Teil in A. 4: "auffgeregten" statt "auffgereckten", in A. 12: "darum" statt "darinnen", in A. 17, Abs. 2: "beuelhen" statt "beuolhen", in A. 32: "andringen" statt "anbringen"; im dritten Teil in A. 11, Abs. 3: "Dachträffen" statt "Dachträpfen", in A. 12: "Holtzwaid" statt "Holz / waid" u. s. w. Stellenweise sind Schreibfehler des Originaltextes berichtigt; so z. B. ist in A. 22 III der mehrfach vorkommende Schreibfehler "Sachen" richtig in "Sathan" korrigiert.
Von weiteren Druckausgaben sind dem Verfasser trotz genauer Nachforschungen nur noch zwei bekannt geworden, wahrscheinlich die einzigen, die existieren dürften. Beide erscheinen als Nachdrucke der editio princeps, deren Titel und Register übernommen werden.[Seite: 69]
Der eine Nachdruck stammt noch aus der Offizin des Michael Manger in Augsburg und trägt das Druckjahr 1583. Er unterscheidet sich von der princeps nur durch die Jahreszahl, den Mangel des Buchdruckerprivilegiums am Titel und durch orthographische Verschiedenheiten an einigen Stellen des Textes. Im "Beschluß" ist in dem Satze: "vnnd also ydem Gerichts Herren / dem also nachzukommen / mit Ernst auffgelegt haben wöllen" das Wort "wöllen" ausgeblieben. Endlich ist die Jnitiale im "Beschluß" größer als in der prinoeps.
Der zweite Nachdruck erschien 1638 in Graz. Die Anordnung entspricht jener der princeps; nur die Orthographie ist vielfach geändert. Am Schluß: "Gedruckt in der fürstlichen Hauptstatt Grätz in Steyer / Bey Ernst Widmanstetters sel. Erben. In Verlegung Sebastian Haupt / Buechführers. Im Jahr (MDCXXXVIII.)"
Die offizielle, vom Landesfürsten ausgegangene Ausgabe des Gesetzes ist die princeps allein. Anderseits jedoch ermangelt diese der Urkundeneigenschaft, da der authentische Text einzig und allein das handschriftliche Original des Gesetzes ist. Es mag noch erwähnt werden, daß der A. 12 II des Gesetzes die ausdrückliche Vorschrift enthält, Richter und Urteiler sollten in allen peinlichen Sachen "dise unser peinliche ordnung" vor sich haben. Man solle auch den Parteien auf ihr Verlangen gegen Kostenersatz Abschriften daraus erteilen. Auch solle es den Urteilern freistehen, Verlesung der einschlägigen Gesetzesstellen zu verlangen. Diese Bestimmungen haben die Vervielfältigung des Gesetzes im Drucke zur notwendigen Voraussetzung und deuten darauf hin, daß auch dem Drucke ein gewisser offizieller Charakter zugeschrieben wurde.[Seite: 70]
I. Wenn wir nun darangehen, die Quellen unseres Gesetzes zu ergründen, so haben wir uns vor Augen zu halten, daß die Quellenfrage durch die Kodifikationsgeschichte im allgemeinen bereits gelöst ist. Eine kurze Rekapitulation des bisher Gewonnenen wird dies dartun.
Wir haben festgestellt, daß der Entwurf I, der Ende 1529 oder anfangs 1530 entstand, im wesentlichen nur eine Aufzeichnung des im Lande herrschenden Gewohnheitsrechtes war. Der Entwurf II, verfaßt zwischen dem 6. März und 8. Mai 1536, übernahm aus Entwurf I die spezifisch steirischen Rechtsnormen, berücksichtigte jedoch bereits die damals geltenden Landgerichtsordnungen der Alpenländer, so daß also die Landgerichtsordnung Maximilians I. für Österreich unter der Enns vom 21. August 1514, die Landesordnung Ferdinands I. für Tirol vom 26. April 1532, endlich die Landgerichtsordnung desselben Herrschers für Krain und die Nebenländer vom 18. Februar 1535 als Vorlagen des Entwurfes II in Betracht kommen. Der zwischen dem 1. Juni 1542 und dem 5. Februar 1547 zustande gekommene Entwurf III endlich hat aus der Reichskarolina geschöpft, jedoch auch das Material des Entwurfes II benutzt. So gelangen wir in chronologischer Reihenfolge zu nachstehenden Quellen des Gesetzes:
1. dem steirischen Statutar- und Gewohnheitsrecht;
2. den Strafgesetzgebungen von Österreich unter der Enns, Tirol und Krain;
3. der Reichskarolina.
Damit ist jedoch unsere Aufgabe nicht beendet. Die steirische Landgerichtsordnung ist ein Kompilationswerk; man verwertete nicht bloß die Rechtsideen der Vorlagen, sondern man nahm zum größten Teile ihren Wortlaut mit geringfügigen Änderungen in das Gesetz herüber. Wir sind daher in die Lage versetzt, beinahe für jeden einzelnen Artikel die jedesmalige Quelle zu bestimmen und die textliche Übereinstimmung von Vorlage und Nachbildung aufzuzeigen. Wir wollen im folgenden diese Untersuchung durchführen, [Seite: 71] wobei auch festgestellt werden soll, ob und in welchen Punkten Abweichungen und Weiterbildungen vorkommen.
II. Den Anfang soll jener Teil des Gesetzes bilden, der auf spezifisch steirisches Recht zurückgeht. Diese Rechtsquelle erscheint in doppelter Gestalt.
Es lagen den Verfassern zunächst schriftliche Rechtsaufzeichnungen über das Recht des Heimatlandes vor, aus denen sie bei Redigierung des Entwurfes III schöpften. Dazu zählt vor allem jener Kreis von Vorrechten und Privilegien, die in der Landhandfeste vereinigt sind; fast alles, was im Gesetze als "des Landes alte Freiheiten" bezeichnet ist, geht auf sie zurück. Daneben kommen vereinzelte Spezialgesetze für Steiermark und die Nebenländer in Betracht, die sich direkt oder indirekt mit der Strafgerichtsbarkeit oder dem Gerichtswesen überhaupt beschäftigen.
Außer diesen geschriebenen Rechtsquellen spielt eine nicht unbedeutende Rolle das Gewohnheitsrecht und der Gerichtsgebrauch; an vielen Stellen des Gesetzes sind "des Landes altlöbliche Gewohnheiten" entweder ausdrücklich aufrecht erhalten oder sogar direkt als Rechtsquelle für den betreffenden Rechtssatz bezeichnet. Daß Gewicht darauf gelegt wurde, die Landgerichtsordnung soviel als möglich dem von altersher überkommenen Gewohnheitsrechte anzugliedern, wissen wir bereits aus der Kodifikationsgeschichte; es sei hier namentlich auf die Zusammensetzung des Redaktionsausschusses verwiesen, der aus solchen Leuten zusammengesetzt wurde, die den Landesbrauch kannten und daher befähigt waren, das dem Gesetze einzuverleiben, was in allen Vierteln des Landes seit jeher gehalten wurde.
A. 1 I hält bezüglich der "geadlten malefizpersonen" die Freiheiten der Landschaft und das alte löbliche Herkommen aufrecht. Unter den mannigfachen Vorrechten und Begünstigungen des Adels, die hier einschlagen, ist neben dem bevorzugten Gerichtsstand hauptsächlich das wichtige Privileg zu nennen, das König Rudolf den steirischen Ministerialen im Freiheitsbriefe vom 19. Februar 1277 gewährt hatte, das seine Nachfolger bestätigten und das einen Bestandteil der Landhandfeste71.1 bildet: daß nämlich der Landesfürst nicht Macht haben solle, einen Ministerialen wegen eines [Seite: 72] Verbrechens zu verhaften, außer er gestehe es selbst oder er werde dessen überwunden.
A. 2, 3 und 4 I grenzen die Machtsphäre der Grundherrschaft von jener der Landgerichte ab. Trotz vereinzelter Anklänge an die Gerichtsordnungen der Nachbarländer ist nicht daran zu zweifeln, daß wir hier steirisches Recht vor uns haben. Das gilt vor allem von der Vorschrift, daß das Hausrecht des Grundherrn dessen Untertan bis zu einem gewissen Grade vor der Verhaftung schützt. Dies und die Normen über die Auslieferungspflicht des Grundherrn sind nach dem Zeugnisse der Taidinge72.1 uralter Brauch in Steiermark gewesen, der durch die Landgerichtsordnung zum Gesetze erhoben worden ist. Dasselbe gilt von der Unterscheidung zwischen dem angesessenen Verbrecher und dem unsteten Landstreicher; die Vorschrift, daß ersterer "mit dem Gürtel umfangen", also ohne seine Habe, überliefert werden müsse, während letzterer mit dem, was er bei sich trägt, dem Landrichter zu übergeben ist, kommt gleichfalls — allerdings mit örtlichen Verschiedenheiten — in den Taidingen vor, ist übrigens auch in der niederösterreichischen Landgerichtsordnung von 1540 (§ 6) enthalten. Die Einschärfung, daß das gestohlene Gut dem Bestohlenen nur gegen Abzug des "Fürfanges" und der Gerichtskosten ausgefolgt werden müsse, ist eine durch die Reichskarolina (A. 207 — 213) beeinflußte Bestimmung, die den Zweck verfolgt, den wie anderswo72.2 auch in Steiermark eingerissenen Unfug der Einziehung des gestohlenen Gutes72.3 abzustellen. Die Bestimmung des A. 4, daß jeder Grundherr, auch wenn er kein Landgericht besitze, das Recht hat, den verbrecherischen Untertan in Haft zu legen und dem Landrichter zu überliefern, dürfte zwar auch auf einen steirischen Rechtsbrauch zurückgehen, jedoch ist der Einfluß des § 3 der niederösterreichischen Landgerichtsordnung auf die Textierung des A. 4 ganz unverkennbar.
Ganz originell ist A. 6 I, das Verhältnis der Burgfriede zu den Landgerichten betreffend. Die Meinungsverschiedenheiten [Seite: 73] zwischen Erzherzog und Landschaft über die Fassung dieses Artikels sind uns aus der Kodifikationsgeschichte bekannt; wir entnehmen aus dem Meinungsaustausch zwischen den beiden Faktoren der Gesetzgebung, daß der weitgehende Einfluß der Burgfriede auf die Strafrechtspflege ein altes, nicht immer durch verbriefte Rechte unterstütztes Herkommen war, das die Stände mit Zähigkeit gegen die Nivellierungsbestrebungen des Erzherzogs zu verteidigen verstanden.
Ebenso originell ist A. 71, der bei Kompetenzkonflikten zwischen Landgerichten untereinander und Landgerichten und Burgfrieden Auslieferung des Verbrechers an die Landeshauptmannschaft ohne Präjudiz für den Streit vorschreibt, damit im Rechte kein Verzug eintrete.
A. 8 I geht sogar im Wortlaute auf den Freiheitsbrief König Friedrichs vom Samstag nach Allerheiligen 144573.1 zurück.
A. 9 I bildete, wie früher dargetan, einen der Streitpunkte zwischen Landesfürst und Ständeschaft. In der Fassung des Gesetzes stecken neben aus der Reichskarolina und der niederösterreichischen Landgerichtsordnung (§ 19 und 20 übernommenen Ideen auch Rechtsgewohnheiten, die in Steiermark von alter Zeit her üblich waren;73.2 es ist hervorzuheben, daß der Verfall der Güter des Selbstmörders in Steiermark im Gegensätze zu anderen Ländern nicht heimisch war, sondern daß die Selbstmordstrafe nur gegen den Kadaver des Selbstmörders ging, während sein Nachlaß den Erben erhalten blieb.
Bei A. 12 I, dessen Text auf die Landhandfeste verweist, hat ebenfalls der oben zitierte Freiheitsbrief König Friedrichs73.3 als Vorlage gedient. Die Bestimmung, daß bei jeder nicht offenbaren Tat der Kläger Sicherheit leisten müsse, bedeutet eine Erweiterung der Vorschrift des Freiheitsbriefes, welch letztere sich nur auf den Diebstahl bezieht. Die dem Kläger auferlegte Kaution findet sich übrigens — und zwar generell — schon in den Taidingen.73.4
Bei A. 15 I treffen wir das Urbild des darin ausgesprochenen Gedankens, daß Mord und Totschlag ohne Rücksicht auf einen etwa mit der Familie des Getöteten geschlossenen Sühnevertrag von Amts wegen verfolgt werden solle, in der Landhandfeste, und zwar [Seite: 74] in den wiederholten Einschärfungen der Landesfürsten, den alten, der neuen Zeit nicht mehr entsprechenden Gebrauch der Sühne des Totschlages um Geld aufzugeben. Solche Einschärfungen finden sich im mehrerwähnten Freiheitsbrief König Friedrichs74.1 und insbesondere im ersten Innsbrucker Libell vom 24. Mai 1518.74.2 Aus ihnen schöpften die Kodifikatoren im bewußten Gegensatz zur niederösterreichischen Landgerichtsordnung, die (§ 25) das "Vertadingen" der Totschläger noch gestattet. Es sei nur nebenbei erwähnt, daß trotz des Verbotes der Unfug, wie in anderen Ländern, so auch in Steiermark fortdauerte; die Obdacher Satzung von 159174.3 z. B. schreibt ausdrücklich vor, daß der Richter nur auf Klage der Freundschaft den Totschläger greifen soll, und ein Banntaiding der Herrschaft Waldstein aus dem 17. Jahrhundert verhängt für Totschlag eine Geldbuße von 32 ℔ ₰74.4
A. 16 I, dessen Fassung dem landesfürstlichen Vorschlage74.5 entspricht, lehnt sich an A. 156 C.C.C. an, ist aber doch so originell, daß in ihm spezifisch steirisches Recht zum Ausdruck gelangt.
A. 20 I erinnert zwar an § 17 der niederösterreichischen Landgerichtsordnung, soweit darin die Bestimmung enthalten ist, daß unter fremder Gerichtsbarkeit stehende Mitschuldige deren Obrigkeiten angezeigt werden sollen; soweit aber die Pflicht gegenseitiger Rechtshilfe zum Ausdruck gelangt, erscheint A. 20 als ein selbständiges Novum.
A. 21 I verbietet das Begnadigen von Mördern, Totschlägern und anderen Verbrechern durch das Gericht. Wir haben es auch hier mit einer Erweiterung des bei A. 15 I zitierten Innsbrucker Libells zu tun.
A. 34 I ist durch A. 20 C.C.C. beeinflußt, muß jedoch wegen der mannigfachen Abweichungen als originelle Bestimmung aufgefaßt werden.
A. 64 I beruft sich aus das Herkommen bei der Zeugenvernehmung in bürgerlichen Rechtssachen, sanktioniert also diesen steirischen Brauch für die Zeugenvernehmungen in Strafsachen.[Seite: 75]
A. 69 I enthält die Abstellung des schändlichen Mißbrauches, Verbrecher gegen Geld ungestraft zu lassen. Trotz der Anklänge an § 13 und 14 der niederösterreichischen Landgerichtsordnung muß die Bestimmung insbesondere zufolge der Androhung des Verlustes der Gerichtsbarkeit für den zuwiderhandelnden Landgerichtsherrn als originell gelten.
Dasselbe trifft bei A. 70 I zu, der Strafdrohungen gegen die Parteilichkeit der Urteiler (Mißbrauch der Amtsgewalt) enthält.
A. 72 und 88 I beziehen sich für Gotteslästerung, Ehebruch und Fornikation auf die Polizeiordnung. Abs. 1 des A. 88 wiederholt fast wörtlich den A. 123 C.C.C.
A. 113 I enthält die Sanktionierung eines alten steirischen Gewohnheitsrechtes, das das gerichtliche Verfahren mit aufgefundenen Leichen regelte. Seit altersher bestand der Brauch, daß das Gericht die Besichtigung und Bestattung, beziehungsweise bei Selbstmördern die Verbrennung der Leichen vorzunehmen und dafür die fixe Gebühr von 1 ℔ und 1 ₰, den sogenannten blutigen Pfennig, zu beanspruchen habe.75.1 Dieser Brauch wird aufrecht erhalten und lediglich bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Gebühr nicht entrichtet zu werden brauche. Außerdem wird, um der Saumsal der Gerichte zu steuern, eine dreitägige Frist gesetzt, nach deren Verlauf der Grundherr die Beseitigung des Leichnams selbst, ohne Rücksicht auf das Gericht, vorzunehmen berechtigt ist.75.2
A. 129 I hält den bisherigen Landesbrauch aufrecht, insofern es sich um unbefugtes Fischen in fremden, nicht abgegrenzten Fischwässern handelt. Der Grundgedanke, die Unterscheidung zwischen Fischdiebstahl und Fischereifrevel, ist dem A. 149 C.C.C. entnommen.
A. 137 I, der von dem durch die Reichskarolina (A. 219 C.C.C.) eingeführten Institut des Ratsuchens handelt, lehnt sich textlich an diese an; spezifisch steirisch ist nur die Regelung der Stellen, die zur Erteilung von Rechtsgutachten in Strafsachen angegangen werden sollen. Die Kontroverse zwischen Erzherzog und Landschaft wegen der im ständischen Entwurfe gleichfalls benannten[Seite: 76] niederösterreichischen Regierung ist aus der Kodifikationsgeschichte bekannt.
Im zweiten Teil ist der Einfluß steirischen Rechtes stärker.
A. 1 II kann nur so weit als originelle Bestimmung in Betracht kommen, als dabei des steirischen Bannrichters gedacht ist; die Vorschrift, daß die Landgerichtsinhaber die Gerichtsbarkeit persönlich auszuüben verpflichtet sind und nur im Verhinderungsfalle den Bannrichter rufen sollen, stammt aus der Reichskarolina (A. 1, Abs. 2 u. 2 C.C.C.).
Bei A. 2 II, der die Besetzung des Gerichtes im Vorverfahren vor dem endlichen Rechtstage behandelt, ist eine Weiterbildung des Reichsrechtes zu bemerken. Während A. 81 C.C.C. der offensichtlich zur Vorlage gedient hat, nur von der den endlichen Rechtstag vorbereitenden Beratung des Gerichtes spricht, hat die steirische Landgerichtsordnung für alle Vorgänge vor dem endlichen Rechtstag, die einen Gerichtsbeschluß erfordern, insbesondere für den Beschluß über die Zulässigkeit der peinlichen Frage und über den Unschuldsbeweis des Bezichtigten, die Siebenzahl der Beisitzer76.1 vorgeschrieben. Ein Anklang findet sich vielleicht im § 9 der niederösterreichischen Landgerichtsordnung, die für den Beschluß über die Statthaftigkeit der Folter und für deren Durchführung sechs Beisitzer verlangt.
Die Formel des Gerichtsschreibereides, die A. 4 II enthält und die fast wörtlich dem A. 5 C.C.C. nachgebildet ist, weist in der Bekräftigungsklausel eine Abweichung auf, die wir vielleicht dem Einflusse der Reformation zuschreiben dürfen. Schon in der Geschichte der Reichskarolina finden wir diesfalls ein bewußtes Abgehen von der Vorlage; während die Bambergensis (A. 5, 7 und 9) in ihren Eidesformeln die Beteuerung: "Also helf mir got und die heiligen" enthält, ist in der Reichskarolina — und zwar schon in dem von Schwarzenberg redigierten Entwurf II — an ihre Stelle die Bekräftigung: "also helf mir gott und die heiligen gottlichen evangelia" getreten, eine Änderung, die Güterbock (a. a. O. S. 262 ff.) darauf zurückführt, daß den Evangelischen, wie der Heiligenkultus überhaupt, auch die Anrufung der Heiligen im Eide anstößig erschien und daß man daher eine konfessionell ganz [Seite: 77] neutrale Form finden wollte. Der Reuner Entwurf enthält konform dem A. 5 C.C.C. die Klausel: "als war mier got helf und das evangelion." Es scheint nun das Bestreben vorgewaltet zu haben, die Bekräftigung des Eides noch farbloser zu machen; darauf dürfte die Änderung im Gesetz gehen, die an Stelle der Textierung des Entwurfes die einfache, jeder religiösen Überzeugung Rechnung tragende Neuerung: "als war mir gott helf" eingeführt hat.
Rein steirischen Ursprunges sind A. 5, 6 u. 7 II; die Taxordnung für die Gerichtspersonen ist, wie wir aus der Entstehungsgeschichte wissen,77.1 auf Grund von Berichten des Landeshauptmannes und des Vizedoms im Einverständnisse mit der Landschaft erlassen worden.
A. 8 II hält bezüglich des Ortes des endlichen Rechtstages die bisherigen Gebräuche aufrecht; die Vorschrift, daß jedermann den Gerichtsfrieden bei schwerer Strafe zu wahren verpflichtet sei, ist ebenfalls originell.
A. 9 II schafft den bisherigen Mißbrauch, daß die Besetzung des Gerichtes am endlichen Rechtstage unzureichend und mangelhaft war, mit kräftiger Sprache ab. Die Vorschrift, daß mindestens dreizehn Beisitzer vorhanden sein müssen, ist neu; die Reichskarolina (A. 84 C.C.C.) hatte nur sieben bis acht Schöffen verlangt. Vielleicht hat hier die maximilianische Halsgerichtsordnung für Tirol mitgewirkt, die zwölf Beisitzer außer dem Landrichter vorschreibt.
Die gesetzliche Festlegung eines alten Landesbrauches enthält A. 10 II, der die gegenseitige Pflicht der Gerichte, sich mit tauglichen Beisitzern für den endlichen Rechtstag auszuhelfen, statuiert. Die Pflicht, fremde Gerichte auf deren Kosten mit Beisitzern zu beschicken, ist schon lange vor der Landgerichtsordnung bei einzelnen Landgerichten nachweisbar.
A. 13 II ist zwar vollständig dem A. 82 C.C.C. nachgebildet; es wird jedoch gleichfalls auf die schon vorher in Steiermark herrschende Gewohnheit, den endlichen Rechtstag zu beläuten, Bezug genommen.
A. 15 und 16 II, die den A. 85, 86 und 87 C.C.C. entsprechen, können ebenfalls als Kodifizierung steirischer Rechtsgebräuche [Seite: 78] aufgefaßt werden, da das Gesetz ausdrücklich auf den bisherigen Gebrauch reflektiert.
A. 17 II betont ausdrücklich, daß es in Steiermark bisher üblich gewesen sei, daß ein Ankläger und ein Fürsprech am endlichen Rechtstage auftreten; auch hier ist also das Gesetz durch lokale Gewohnheiten beeinflußt worden. Die Aufstellung beamteter Verteidiger geht, wie wir aus der Entstehungsgeschichte78.1 wissen, auf einen kärntnerischen Gerichtsgebrauch zurück. Übrigens hat auch A. 88 C.C.C. die Gesetzesstelle wesentlich beeinflußt.
A. 18 II ist zum Teil altsteirisches Recht; wenigstens wird das Verbot des schriftlichen Prozessierens durch den Hinweis auf den bisherigen Gebrauch gerechtfertigt.78.2
A. 24 II ordnet die öffentliche Verlesung der Urgicht am Rechtstage aus dem Grunde an, weil dies bisher Gebrauch gewesen. Es ist jedoch nur diese ausdrückliche Vorschrift ein Novum; auch nach der Reichskarolina wurde, wie sich aus A. 5 u. 91 C.C.C. ergibt, die Urgicht gemeiniglich durch den Gerichtsschreiber verlesen.
A. 25 II, der als ein beachtenswertes, auf alten steirischen Rechtsgewohnheiten beruhendes Abweichen von der Reichskarolina bezeichnet worden ist,78.3 ist es nur zum Teil. Zweifellos hat A. 92 C.C.C. die Vorlage abgegeben; man hat jedoch — und zwar wahrscheinlich zufolge eines Mißverständnisses — die Vorlage so aufgefaßt, als ob sie eine besondere Vorschrift über die Urteilsfällung nach vorausgegangener kontradiktorischer Verhandlung enthalten würde, und demgemäß einen Gegensatz zwischen liquiden und zweifelhaften Straffällen konstruiert, der bei richtiger Auffassung der A. 81 und 92 C.C.C. nicht besteht. Die dadurch bewirkte Abschwächung des Inquisitionsgedankens ist also wohl kaum das Produkt einer auf partikularrechtlichem Gebrauche aufgebauten fortschrittlichen Ansicht über den Zweck des Rechtstages, die mit dem Geiste der Zeit und der Tendenz der Gesetzgebung gar nicht in Einklang zu bringen wäre, sondern wahrscheinlich nur die Folge des erwähnten Mißverständnisses.
A. 29 II, dessen Einfügung durch die Systematik der Reichskarolina bewirkt worden ist (A. 29 C.C.C.), läßt es bezüglich der [Seite: 79] solennen Frage des Richters an den Freimann nach Vollziehung des Urteiles beim "guten alten Herkommen" bewenden. Es wird also nicht die Formel der Reichskarolina vorgeschrieben; vielmehr bleiben jene lokalen Verschiedenheiten aufrecht, die bezüglich der Solennitäten nach gesprochenem Urteil bei den einzelnen Landgerichten bestanden.
A. 33 II hebt den bisherigen Mißbrauch der Fürbitte auf. Es handelt sich hier um die weitere Ausgestaltung des schon in den A. 15 u. 21 I ausgesprochenen Gedankens, daß das Gericht nicht das Recht habe, Gnade zu üben. Die Bestimmung des Artikels ist in ihrer kategorischen Form ein Novum, sie tritt insbesondere in bewußten Gegensatz zu der bisherigen Praxis und zu der Krainer Landgerichtsordnung von 1535, die das Begnadigungsrecht der Gerichte wenigstens zum Teil anerkennt.
Damit im Zusammenhange steht der eigentümliche A. 34 II, für den eine Vorlage nicht aufzufinden ist. Die Erledigung eines nicht liquiden Straffalles ohne Urteil durch Freilassung des Beschuldigten gegen Bürgschaft der Wiederstellung bedeutet gewiß eine Abschwächung des Begnadigungsverbotes; das Rechtsinstitut verdankt wahrscheinlich einem Kompromisse zwischen den zwei widerstreitenden Prinzipien: der neu eingeführten Offizialmaxime und dem alten Gnadenrechte aus Opportunitätsgründen, seine Entstehung und darf ihm daher das Prädikat "originell" nicht bestritten werden.
A. 35 II entspricht zum Teil dem A. 102 C.C.C.; neu ist nur der Verweis auf die am Schlusse des Gesetzes angefügte Instruktion für den Beichtvater des zum Tode verurteilten Verbrechers.
Am stärksten ist der Einfluß heimischen Rechtes auf den dritten Teil des Gesetzes, der die kleine Straffälligkeit behandelt. Begreiflicherweise! Die Reichskarolina betrifft nur die "peinlichen" Straftaten, kommt also als Vorlage für den dritten Teil fast gar nicht in Konkurrenz. Auch die Gesetzgebung der Nebenländer bot nicht viel Verwendbares, weil auch diese sich nur wenig mit den geringfügigen Übertretungen beschäftigt. Dagegen existierte ein ziemlich ausgearbeitetes System der Übertretungen und ihrer Strafsätze in den steirischen Rechtsquellen; die Taidinge sind eine reiche Fundgrube dafür. Es ist also begreiflich, daß gerade hier die Benutzung des teils schon schriftlich fixierten, teils nur in der Übung der [Seite: 80] Gerichte lebenden steirischen Partikularrechtes eine besonders intensive gewesen ist.
A. 1 III zitiert bezüglich der Kompetenz zur Abstrafung der sogenannten "Unzuchten" die Landhandfeste. Gemeint ist damit der oft erwähnte Freiheitsbrief König Friedrichs vom Samstag nach Allerheiligen 1445, dessen Bestimmungen zur Gänze in den Artikel aufgenommen worden sind.
A. 2 III bedroht den Maulstreich, gleichgültig, ob der Täter mit Vorbedacht oder aus momentaner Leidenschaft handelt, mit einer Geldstrafe von 72 ₰ Vergleichsweise seien die Strafsätze der Taidinge herbeigezogen: Wolkensteiner Landgerichtsordnung 5 ℔ 60 ₰;1 St. Gallen 5 ℔ 60 ₰; (mit offener Hand) und 72 ₰ (mit zugetaner Hand);2 Reichenau und in der Prein 72 ₰, (mit eingeschlagenem Daumen) und 6 ß 2 ₰, (mit flacher Hand);3 Festenburg 1 fl. (Faustschlag) und 5 fl. (mit flacher Hand),4 nach späterer Quelle 72 ₰, (generell mit der Unterscheidung: "fürsezlich und bedächtlich" und "auß einem zorn und gäch");5 Wenigzell 5 ℔ ₰ (mit flacher Hand) und 1 ℔ ₰ (mit der Faust);6 Neuberg 1 ℔ ₰ dem Herrn, 12 ₰ dem Richter (mit flacher Hand), 1 ½ ℔ ₰ dem Herrn, 24 ₰ dem Richter (Faustschlag);7 Ratten 1 ℔ ₰ (Faustschlag), bei eingeschlagenem Daumen Straflosigkeit;8 Gleisdorf 5 ℔ ₰;9 Riegersburg 1 ℔ ₰ (Faustschlag) und 5 ℔ ₰; (verkehrte oder flache Hand);10 Pfannberg arbiträre Strafe;11 Waldstein 1 Mark Pfennig von jedem Finger, bei eingezogenem Daumen Straflosigkeit.12
Auffällig ist bei diesen Strafdrohungen die fast durchgehends strengere Behandlung des Schlages mit flacher Hand gegenüber [Seite: 81] dem Faustschlag. Der Grund dieser heute in ihr Gegenteil verkehrten Auffassung dürfte darin gelegen sein, daß man den Schlag mit flacher Hand als schwere Ehrverletzung betrachtete, während der Faustschlag lediglich als milder zu strafende Gefährdung der körperlichen Integrität angesehen wurde. Das Gesetz hat diese Unterscheidung aufgegeben und aus den verschiedenen Strafsätzen die Resultierende gezogen.
A. 3 III setzt auf den Spießschlag eine Geldstrafe von 1 ℔ ₰. Die Taidinge haben folgende Strafsätze: Wolkensteiner Landgerichtsordnung 5 ℔ 60 ₰;81.1 St. Gallen 5 ℔ 60 ₰;81.2 Reichenau 6 ß 2 ₰;81.3 Festenburg 72 ₰81.4 und (nach späterer Quelle) 1 ℔ ₰;81.5 Wenigzell 5 ℔ ₰;81.6 Neuberg 2 ℔ ₰,bei Blutrunst 5 ℔ ₰; und 45 ₰ dem Richter;7 Ratten 1 ℔ 1 ₰ (mit vorgekehrtem Eisen), für einen Schlag mit dem Schaft allein 1 ℔ ₰; für jeden Ast des Stabes.81.8
Nach A. 4 III ist die Strafe für den Hackenstreich I ℔ ₰. Die Strafen der Taidinge hiefür sind: Festenburg 5 fl.81.9 und (nach späterer Quelle) 1 ℔ ₰;81.10 Neuberg 2 ℔ ₰, bei Blutrunst 5 ℔ ₰, und dem Richter 45 ₰;81.11 Riegersburg 5 ℔ ₰;12 Waldstein 5 Mark Pfennig und dem Richter 72 ₰, bei Fehlhieb 32 ₰.81.13
Der Steckenstreich ist nach A. 5 III ebenfalls mit 1 ℔ ₰ bedroht. Die Taidinge haben ähnliche Strafsätze: St. Gallen 5 ℔ 60 ₰;81.14 Festenburg 1 ℔ ₰;81.15 Wenigzell 5 ℔ ₰;81.16 [Seite: 82] Neuberg 2 ℔ ₰, bei Blutrunst 5 ℔ ₰ und dem Richter 45 ₰82.1
Das Wehrzucken wird als Gefährdungshandlung an sich bestraft; die Buße beträgt nach A. 6 III 72 ₰, für Wehrzucken und Schlagen, wenngleich ohne Beschädigung, 4 ß 24 ₰ Die einschlägigen Strafdrohungen der Taidinge sind: Wolkensteiner Landgerichtsordnung 24 ₰;82.2 St. Gallen 1 ℔ ₰;82.3 Spital 24 ₰, wenn zwei gegeneinander zucken, jeder 12 ₰ Wandel;82.4 Reichenau 12 ₰ aus der Scheide und 12 ₰ in die Scheide, zusammen 24 ₰;82.5 Stainz 24 ₰;82.6 Festenburg 72 ₰,82.7 nach späterer Quelle 1 ℔ ₰ und 4 ß 24 ₰ (bei erfolgtem Schlag);82.8 Stralleck 12 ₰ aus der Scheide und 12 ₰ in die Scheide, zusammen 24 ₰,82.9 bei Schadenzufügung 72 ₰; Wachsenegg 72 ₰;82.10 Riegersburg 72 ₰ aus der Scheide und 72 ₰ in die Scheide;82.11 Göß 72 ₰82.12
Das Brotmesserzucken, ein beim Landvolk noch heutzutage überaus häufiger Gefährdungsakt, unterliegt nach A. 7 III der strengeren Strafe von 1 ℔ ₰ Die Taidinge enthalten hierüber folgendes: Haus und Gröbming 12 ₰;82.13 Wolkensteiner Landgerichtsordnung 24 ₰;82.14 St. Gallen 24 ₰;82.15 Spital 24 ₰, wenn zwei gegeneinander zucken, jeder 12 ₰;82.16 Festenburg 12 ₰, nach späterer Quelle 1 ℔ ₰;82.17 Wenigzell 12 ₰, bei Blutrunst 24 ₰;82.18 Neuberg 3 ℔ ₰ dem Herrn, 24 ₰ dem Richter, bei Blutrunst das [Seite: 83] Doppelte;83.1 Ratten 12 ₰ aus der Scheide und 12 ₰ in die Scheide;83.2 Riegersburg 72 ₰ aus der Scheide und 72 ₰ in die Scheide;83.3 Göß 72 ₰83.4
A. 8 III, der "verbotene Worte" sowie Unzuchten und Frevel überhaupt mit 60 ₰ bedroht, findet seine Vorlage in folgenden Strafsätzen der Taidinge: Donnersbach 72 ₰;83.5 Wolkensteiner Landgerichtsordnung 72 ₰,83.6 wobei zu bemerken ist, daß die eigentümliche Wortzusammenfügung "allerlei geschlechten fraeveln" aus der letzteren in das Gesetz übergegangen sein dürfte; St. Gallen 72 ₰,83.7 Spital Tragen des Zanksteines und 1/2 ℔ ₰ dem Richter (nur gegen Weiber);83.8 Reichenau Tragen des Zanksteines oder 72 ₰ (nur gegen Weiber);83.9 Gleisdorf 72 ₰;83.10 St. Lambrecht 24 ₰;83.11 St. Peter 12 ₰;83.12 Pfannberg arbiträre Strafe;83.13 Schwanberg 72 ₰83.14
A. 9 III enthält zwei Vorschriften: einmal die Strafdrohung von 2 ℔ ₰ für jede Blutrunst, beziehungsweise jeden zugefügten Schaden; dann aber auch die sehr wichtige Bestimmung, daß bei wiederholten Unzuchten neben der Geldstrafe auch noch eine Leib- oder Gefängnisstrafe verhängt werden könne. Es ist dies einer der wenigen Fälle, wo das Gesetz Freiheitstrafen androht. Aus den Taidingen seien folgende Strafsätze für Blutrunst zur Vergleichung herbeigezogen: Haus und Gröbming 24 ₰;83.15 Wolkensteiner Landgerichtsordnung 1 ℔ ₰;83.16 St. Gallen 1 ℔ 2 ₰;83.17 [Seite: 84]Festenburg (spätere, wahrscheinlich erst nach der Landgerichtsordnung datierende Quelle) 2 ℔ ₰;84.1 nach dem Neuberger Banntaiding erhält die Blutrunst die für die einfache Gefährdungshandlung gesetzte Strafe um beiläufig das Doppelte;84.2 Fischbach 5 ℔ 60 ₰;84.3 Wachsenegg 5 fl. 60 ₰;84.4 Gleisdorf 72 ₰;84.5 Obdach 72 ₰;84.6 Pfannberg arbiträre Strafe.84.7 Für die Leib- und Gefängnisstrafe fehlen Vergleichsstellen; wir haben es daher mit einer Neuschöpfung zu tun.
A. 10 III dehnt die Offizialmaxime auch auf das Übertretungsverfahren aus, indem er bestimmt, daß in allen Fällen amtsgehandelt werden müsse, auch wenn wegen Geringfügigkeit der dem Gerichte zufallenden Strafe ein merklicher Vorteil für den Gerichtsherrn nicht zu erwarten sei. Es handelt sich hier um eine Neuschöpfung, wobei insbesondere das Eingeständnis zu bemerken ist, daß die Landgerichtsordnung eine "ringerung" der bisher üblichen Strafsätze gegen Unzuchten eingeführt habe. Tatsächlich ergibt sich aus der durchgeführten Vergleichung der Strafsätze der Landgerichtsordnung mit jenen der Taidinge, daß diese im Durchschnitt bedeutend herabgesetzt worden sind, um der Gewinnsucht in der Ausübung der Strafjustiz entgegenzuwirken.
regelt die Sondergerichtsbarkeit der Landleute über ihre Pfleger und Diener. Es handelt sich hier um die Kodifizierung des ungeschriebenen, jedoch von den Herren immer in Anspruch genommenen Rechtes der ausschließlichen Gerichtsbarkeit über ihre Pfleger und Diener in Unzuchtsachen. Mit Rücksicht darauf muß die Bestimmung als originell gelten.
A. 12 III ist insofern von großer Bedeutung, als die Kompetenz der Gerichte für Boden-, Holz-, Fischerei-, Jagd-, Feld- und Flurfrevel ausgeschlossen wird. Die Aburteilung dieser Gesetzesübertretungen, die ausdrücklich von den Unzuchten getrennt werden, soll nach des Landes Freiheit und altem Herkommen erfolgen. Die [Seite: 85] unklaren, zu vielfachen Mißständen und Beschwerden führenden Verhältnisse, die gerade in diesem Punkte vorher und nachher bestanden, werden also durch die Landgerichtsordnung nicht berührt; auch die begriffliche Abgrenzung zwischen den erwähnten Freveln und den Delikten des allgemeinen Strafrechtes, die noch heute viele Schwierigkeiten bereitet, ist ebenso schwankend geblieben als wie in den früheren Rechtsquellen, namentlich den Taidingen, die diesfalls reiches kasuistisches Material liefern.
A. 13 III, die Gerichtsschreibertaxe in Unzuchtsfällen enthaltend, ist ebenfalls ein rein bodenständiges, konkreter Vorlagen entbehrendes Novum.
Dem A. 14 III, der von "Angriff und Fürwarten" handelt und die Körperverletzung lediglich mit einer Strafe von 2 ℔ ₰ bedroht, liegen aus den Weistümern geschöpfte Normen zu Grunde, die jedoch teilweise eine Neugestaltung erfuhren. Nach der Wolkensteiner Landgerichtsordnung soll das freventliche Fürwarten an Leib und Gut gestraft werden,85.1 ebenso nach dem Banntaiding von St. Gallen,85.2 wobei zu bemerken ist, daß nach diesen Rechtsquellen das Fürwarten allein — also ohne Körperverletzung — als Sicherheitsgefährdung aufgefaßt wurde. Das Banntaiding von Spital85.3 nähert sich der Landgerichtsordnung; tritt eine Verletzung beim Fürwarten ein, so ist die Strafe 5 ℔ ₰, während das Fürwarten als solches einen Wandel von 1 ℔ ₰ nach sich zieht. Neu ist also am A. 14 III lediglich die Vorschrift, daß zunächst der Erfolg der Deliktshandlung abgewartet werden muß, um festzustellen, ob eine bloße Unzucht oder ein landgerichtsmäßiges Verbrechen vorliegt.
Für A. 17 III ist eine konkrete Vorlage nicht zu eruieren; die Vorschrift, daß eine erwirkte Güterbeschlagnahme binnen bestimmter Frist bei sonstiger Aufhebung gerechtfertigt werden muß, dürfte daher eine originelle Zutat der Kodifikatoren sein.
Dasselbe gilt von A. 19 III, der den Landleuten das Recht gibt, in Unzuchtsfällen mit Gesetzeskraft autonome Satzungen zu erlassen.
A. 20 III regelt das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Strafrecht und den Delikten der Weingartenordnung, die im [Seite: 86] "Bergrechtsbüchel" vom 9. Februar 154386.1 niedergelegt ist. Letztere wird ausdrücklich in Geltung belassen, wobei zu erwähnen ist, daß nach dem "Bergrechtsbüchel" gewisse Ordnungswidrigkeiten und hauptsächlich Weingartenfrevel mit Strafe bedroht sind. So sind Strafen gesetzt (A. 3) auf ungebührliches Benehmen ("Unzucht") im Bergtaiding (72 ₰, Wehrzucken (1 Mark Pfennig), Schlagen (2 Mark Pfennig); der Weintrauben- und Holzdiebstahl wird mit 4 Schilling Pfennig oder Abschneiden eines Ohres bestraft (A. 40) und Einbruch in die Presse oder in den Keller und freventliches Schlagen des Eigentümers unterliegt einer arbiträren, an Leib und Gut gehenden Strafe (A. 36).
Der dem Schluß des Gesetzes angehängte, der landesfürstlichen Verordnungsgewalt86.2 entspringende A. 22 III enthält Vorschriften über die Beschaffenheit der Gefängnisse, die Verpflegung der Gefangenen und hauptsächlich über die Gefängnisseelsorge, ist also nicht Rechtsetzung, sondern nur eine Durchführungsverordnung originellen Ursprunges.
III. In der chronologischen Reihenfolge der Quellen der Landgerichtsordnung erscheinen an zweiter Stelle die Strafgesetzgebungen von Österreich unter der Enns, Tirol und Krain. Bezüglich dieser Quellen sei vorausgeschickt, daß sie mit größter Wahrscheinlichkeit direkt nur auf den Entwurf II eingewirkt haben, während ihr Einfluß auf den Entwurf III nur ein indirekter war; d. h. bei Verfassung des Entwurfes III hat man nur mehr das von den genannten Strafgesetzgebungen benutzt, was schon der Entwurf II enthielt, und unmittelbare Übertragungen aus ihnen vermieden. Diese aus der Kodifikationsgeschichte geschöpfte Vermutung gibt, wie schon erwähnt,86.3 eine genaue Umgrenzung dieser Gesetzgebungen; es kommen nur jene in Betracht, die bei Verfassung des Entwurfes II — also in der Zeit zwischen dem 6. März und 8. Mai 1536 — [Seite: 87] in Geltung standen, nicht jene der späteren Zeit. Wir sind daher auf folgende Partikularrechte als Quellen angewiesen: 1. die Landgerichtsordnung Maximilians I. für Österreich unter der Enns vom 21. August 1514, 2. die Landesordnung Ferdinands I. für Tirol vom 26. April 1532, 3. endlich die Landgerichtsordnung desselben Herrschers für Krain und die Nebenländer vom 18. Februar 1535.
Es frägt sich, in welcher Form diese Quellen den Kodifikatoren vorlagen. Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir annehmen, daß von denjenigen Gesetzgebungen, die schon gedruckt waren, Druckausgaben verwendet wurden. Solche Druckausgaben bestanden für die niederösterreichische Landgerichtsordnung, von denen eine wahrscheinlich schon im Jahre 1514 gedruckt wurde, während eine zweite 1534 erschien;87.1 ferner für die Tiroler Landesordnung, die 1536 von ihrem wahrscheinlichen Verfasser, dem oberösterreichischen Kammerprokurator Dr. Jakob Frankfurter herausgegeben wurde.87.2 Für die Krainer Landgerichtsordnung ist das Vorhandensein einer Druckausgabe im Jahre 1536 zweifelhaft;87. 3 es ist daher auch möglich, daß diese Quelle in handschriftlicher Form benutzt worden ist.
Wir haben bereits bei Besprechung des steirischen Gewohnheitsrechtes und seines Einflusses auf die Kodifikation zu wiederholten Malen auf das Mitwirken von Rechtsideen, die in den Landgerichtsordnungen niedergelegt sind, hinweisen können. Ob darin bewußte Entlehnungen zu erblicken sind oder ob nicht vielmehr die Rechtsidentität darauf zurückgeht, daß in den Alpenländern, die ja im großen Ganzen demselben Rechtsgebiet angehören, gleichartige Rechtsbildungen vorlagen, ist nicht festzustellen. Wir beschränken uns daher im folgenden darauf, nur jene Stellen unseres Gesetzes herauszuheben, bei denen unzweifelhafte Übertragungen nachgewiesen werden können.
Das gilt zunächst von A. 5 I, der wortgetreu den § 44 n. ö. L. G. O. wiederholt.[Seite: 88]
A. 10 I ist eine Nachbildung der §§ 22 und 23 n. ö. L. G. O., wobei allerdings auch der A. 12 C.C.C. die Stilisierung beeinflußt hat.
A. 11 I geht textlich zum größten Teile auf § 14 n. ö. L. G. O. zurück; nur ist am Schlusse eine bewußte Abweichung in der Richtung vorhanden, daß der Kläger, der nach der Vorlage auch bei vollem Erfolg seiner Klage die halben Kosten tragen soll, von jedem Kostenersatze befreit wird.
Bei A. 13 I, der den wichtigen Grundsatz des Verfahrens von Amts wegen enthält, können wir gleichmäßig den Einfluß des § 14 n. ö. L. G. O. und der A. 6 und 214 C.C.C. konstatieren; die Stilisierung ist aber eine prägnantere und schärfere, als wie die der Vorlagen.
A. 14 I ist gleichmäßig auf A. 17 n. ö. L. G. O. und die Krainer L. G. O. zurückzuführen; auch hier sind textliche Änderungen vorgenommen worden.
Bei A. 18 I zeigt sich die Vorlage, die §§ 1 und 2 n. ö. L. G. O., besonders deutlich; Vorlage und Gesetzestext stimmen fast wörtlich überein.
Dasselbe gilt von A. 19 I, der mit § 8 n. ö. L. G. O. übereinstimmt; lediglich der Zusatz der Vorlage, daß auch der Grundherr, in dessen Gebiet der Täter betreten worden ist, von der Vornahme der peinlichen Frage verständigt werden müsse, ist im Gesetze gestrichen worden.
A. 31 I ist ganz dem § 12 n. ö. L. G. O. nachgebildet. Übrigens enthält auch die Krainer Landgerichtsordnung eine identische Bestimmung.
A. 32 I enthält das generelle Verbot der Ledigung todeswürdiger Verbrecher gegen eine dem Gericht zufallende Geldstrafe. Als Vorlage hat ohne Zweifel der § 13 n. ö. L. G. O. gedient, dessen einschränkende Bestimmung jedoch im Gesetze generalisiert worden ist.
A. 33 I beruht auf dem § 11 n. ö. L. G. O., von dem jedoch nur einige textliche Wendungen entlehnt worden sind, während der Tenor der Vorlage vollständig geändert wurde.
Von A. 138 I, dessen ganz unsystematische und nach dem Vorausgegangenen gänzlich überflüssige, ja sogar widersinnige Aufzählung malefizischer Straftaten Hoegel88.1 zu der Vermutung [Seite: 89] veranlaßt hat, daß ein Bruchstück einer verlorenen steirischen Malefiz-ordnung vorliege, wurde schon früher bemerkt, daß er der Gesetzgebung der Nachbarländer entstammen müsse. Die Entscheidung, welche Landgerichtsordnung die Vorlage gebildet hat, fällt zu Gunsten der niederösterreichischen Landgerichtsordnung aus. Denn diese ist, wie wir bereits erkannt haben, eine von den Kodifikatoren mit besonderer Vorliebe benutzte Quelle gewesen; die Vermutung ist also im Zweifel für sie. Auch gewisse textliche Gleichheiten zwischen dem A. 138 I und den §§ 30 - 49 n. ö. L. G. O. weisen darauf hin, daß nur sie, nicht auch die Krainer Landgerichtsordnung verwendet worden ist. Übrigens kann eine genauere Untersuchung aus dem Grunde unterlassen werden, weil es ganz zweifellos ist, daß die Krainer und die niederösterreichische Landgerichtsordnung miteinander innig verwandt sind; wahrscheinlich ist schon die erstere das Muster der letzteren gewesen. Die Untersuchung spitzt sich also auf die Frage zu, ob die niederösterreichische Landgerichtsordnung direkten oder indirekten Einfluß geübt hat, und diese Frage bietet für uns wenig Interesse. Zu erwähnen ist nur noch, daß die Vorlage vereinzelte Abänderungen erfahren hat; z. B. ist die Bestimmung über das Majestätsverbrechen bedeutend erweitert, beim Diebstahl der Beisatz, daß der Bestohlene dem auf frischer Tat ertappten Dieb nachsetzen und ihm das gestohlene Gut abnehmen dürfe, hier ausgelassen und in den A. 5 I gestellt worden u. s. w. Diese Änderungen erklären sich daraus, daß man bestrebt sein mußte, die Gesetzesstelle wenigstens von den gröbsten Widersprüchen mit dem übrigen Gesetzesinhalt zu reinigen; durch sie ist aus A. 138 I etwas Neues, von der Vorlage Abweichendes geworden, was eben jene früher erwähnte und widerlegte Vermutung Hoegels erzeugt hat.
Im zweiten Teil sind direkte Entlehnungen aus der Gesetzgebung der Nachbarländer nicht erweislich.
Auch im dritten Teil ist der Einfluß des außersteirischen Statutarrechtes unbedeutend geblieben. Lediglich bezüglich der A. 15 und 16 III, die das Verfahren bei gefundenen Sachen regeln, ist die Krainer Landgerichtsordnung als wahrscheinliches Vorbild anzusehen.
IV. Bei Beurteilung der Quelleneigenschaft der Karolina für unser Gesetz ist vor allem die Frage zu lösen, in welcher Form die Halsgerichtsordmmg fürs Reich den Kodifikatoren vorlag. Wir [Seite: 90] werden uns für eine Druckausgabe entscheiden müssen, weil solche zur Zeit der Kodifikation bereits in Hülle und Fülle vorhanden waren, somit leichter beschafft werden konnten und mehr Garantien der Richtigkeit boten, als wie ein Manuskript.
Wenn wir als letzten Termin den Tag der Überreichung des Entwurfes III, den 5. Februar 1547,90.1 annehmen, so gewinnen wir nach der Zusammenstellung Kohler-Scheels (a. a. O. S. XXI - XXIX) neun zu jener Zeit bereits vorhandene Druckausgaben der Karolina, die sämtlich aus der Schöfferschen Offizin stammen, nämlich:
1. 1533A Mainz, Hornung 1533 (Princeps) [DRQEdit-Exemplar]
2. 1533B Mainz, 16. August 1533 [VD16: D 1070 (Mainz 1533)]
3. 1534 Mainz, 18. Brachmonat 1534 [VD16: D 1071 (Mainz 1534) (BSB-Digitalisat)
4. 1535 Mainz, 10. Brachmonat 1535 [VD16: D 1072 (Mainz 1535)]
5. 1537 Mainz, 26. Mai 1537 [VD16: D 1073 (Mainz 1537)]
6. 1538 Mainz, 18. Oktober 1538 [VD16: D 1075 (Mainz 1538) (BSB-Digitalisat)]
7. 1542 Mainz, 18. Januar 1542 [VD16: D 1076 (Mainz 1542)]
8. 1543 Mainz, 29. Juli 1543 [VD16: D 1077 (Mainz 1543)]
9. 1545 Mainz, 27. März 1545 [VD16: ZV 16478 (Mainz 1545)]
Unter der von uns früher90.2 als höchst wahrscheinlich erkannten Vermutung, daß die Redaktion des Entwurfes III in der zweiten Hälfte des Jahres 1542 erfolgte, fallen die letztgenannten zwei Ausgaben fort, so daß sich also der Kreis der möglichen Vorlagen auf sieben verkleinert. Es wäre vielleicht möglich, durch Vergleichung der Lesarten mit Sicherheit jene Ausgabe herauszufinden, die von den Redaktoren benutzt wurde; wir glauben jedoch, uns diese mühsame und zeitraubende Untersuchung mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Ergebnisses ersparen zu dürfen.
Die Benutzung der Karolina erfolgte in dreifacher Weise. In erster Linie kommen wortgetreue Übertragungen vor, wobei man höchstens einzelne Umstellungen und Zerreißungen des Textes, sowie Abweichungen in der Reihung der einzelnen Absätze eines bestimmten Artikels vornahm. Der größte Teil des Entlehnten ist in dieser Form übernommen worden, so daß die Kritik im Rechte ist, wenn sie die steirische Landgerichtsordnung als Abklatsch der Karolina bezeichnet.[Seite: 91]
In zweiter Linie kommen jene Stellen, die ebenfalls nach Satzbau und Sprachgebrauch der Karolina entstammen, jedoch Abkürzungen und Zutaten eigener Provenienz der Kodifikatoren enthalten. Wir werden Gelegenheit haben, auf diese bewußten Abweichungen, die nicht selten einem Mißverstehen der Vorlage ihre Entstehung verdanken, hinzuweisen.
In einer dritten Kategorie endlich erscheinen jene Entlehnungen, bei denen lediglich die Ideen des Reichsgesetzes unter Umgangnahme vom Texte verwertet worden sind. Diese Kategorie können wir im folgenden unberücksichtigt lassen, da sie bereits oben erledigt worden ist.
A. 16 I ist eine Nachbildung des A. 74 C.C.C. Die Bemerkung, daß vor der peinlichen Frage dem Verdächtigen die Tat, deren er beschuldigt wird, vorgehalten werden solle und daß ihm ein Termin zur Führung des Unschuldsbeweises gegeben werden müsse, ist ein Zusatz der Kodifikatoren.
A. 22 I ist die wörtliche Übertragung des letzten Satzes von A. 11 C.C.C.
A. 23 I ist aus Bruchstücken des A. 16 C.C.C. zusammengesetzt; es ist charakteristisch, daß die Kodifikatoren auch den darin enthaltenen Redaktionsfehler91.1 kritiklos übernahmen und überdies anstatt der Worte: "on Rechtmessig vnnd getrungen vrsach" den Unsinn: "vnrechtmessig vngedrungen vrsach" setzten.
A. 24 I übernimmt in etwas veränderter Form die berühmte Definition der "Anzeigung" des A. 19 C.C.C.
A. 25 I ist eine aus den A. 25, 27 und 28 C.C.C. zusammengestellte, den Sinn der Vorlage in manchen Punkten verändernde Neugestaltung.
A. 26 I vereinigt in neuer systematischer Anordnung und mit selbständigen Zutaten die A. 29-44 C.C.C. Eine originelle Einfügung ist das erste der Indizien: "Item wo einer ein offentlicher feind, aufrührer oder fridprecher ist", und die ganz widersinnige Einschaltung der handhaften Tat in die Indizienreihe. In Abs. 6 hat sich ein übrigens naheliegender Schreibverstoß eingeschlichen; es heißt dort: "... und also auf dieselb person sonderlich nicht [Seite: 92] gefragt oder geantwort worden sei", während es nach A. 31 C.C.C. richtig: "gemarttert" lauten müßte. In Abs. 9 ist die Vorabstrafung wegen eines gleichen oder gleichartigen Deliktes von der Vorlage abweichend als Indiz angeführt. In Abs. 12, die Anzeigungen zum Kindesmord betreffend, fehlt der Hinweis der Karolina auf die Trüglichkeit der Milchsekretion als Symptom einer stattgehabten Geburt. In Abs. 17 hat ein Mißverständnis aus dem Worte des A. 40 C.C.C.: "peuth" (Beute) das ganz unsinnige "peigt" gemacht. Der letzte Satz des Abs. 23 ist, wie wir aus der Entstehungsgeschichte92.1 wissen, auf Anregung des Landesfürsten nachträglich eingeschoben worden. Er sollte eine allgemeine, für die Indizienlehre überhaupt gültige Bestimmung schaffen, wurde jedoch sowohl in der handschriftlichen Ausfertigung des Gesetzes, wie auch im Druck nicht selbständig hervorgehoben, so daß er sich nun nur auf die Indizien zur Zauberei bezieht.
A. 28 I zählt zu jenen Gesetzesstellen, die eine neue textliche Gestaltung von Gedanken der Karolina enthalten. Die Rechtsideen dieses Artikels sind in den A. 20, 74, 151 und 152 C.C.C. zu finden; neu ist, wie bei A. 16 I,92.2 die ausdrückliche Bestimmung, daß dem leugnenden nicht mit Indizien belasteten Beschuldigten ein angemessener Termin zur Führung des Entschuldigungsbeweises gegeben werden müsse.
Ähnliches gilt von A. 29 I, der Ideen der A. 46 und 58 C.C.C. verwertet. Die Bestimmung, daß der Grundherr des Beschuldigten bei der peinlichen Frage anwesend sein müsse, ist eine Weiterbildung der Vorschrift des A. 19 I, für den, wie wir gesehen haben,92.3 die niederösterreichische Landgerichtsordnung vorbildlich gewesen ist.
A. 30 I geht nach dem Sinne zur Gänze, nach dem Text zum Teil auf A. 54 C.C.C. zurück.
A. 35 I verweist expressis verbis auf die "kaiserliche Halsgerichtsordnung", deren A. 54 ausdrücklich als geltendes Recht eingesetzt wird.
A. 36 I ist eine Weiterbildung des A. 21 C.C.C. wobei zu bemerken ist, daß das steirische Gesetz das Wahrsagen schlechthin [Seite: 93] im Auge hat, wodurch die in der Karolina bestehende Verbindung mit der Magie gelöst wurde.93.1
A. 37 I ist bis auf geringe stilistische Verschiedenheiten mit A. 22 C.C.C. identisch.
A. 38 I stimmt bis auf den Einschub von einigen erläuternden Worten mit A. 23 C.C.C. überein.
A. 39 I ist gleich dem A. 45 C.C.C. A. 40 I dem A. 46
A. 41 I weist insofern eine Änderung gegen A. 47 C.C.C., der die Vorlage gebildet hat, auf, als in der Landgerichtsordnung, wie wir gesehen haben, auf Anregung des Landesfürsten93.2 die Bestimmung getroffen wurde, der peinlichen Frage müsse ein formelles Erkenntnis ihrer Zulässigkeit vorausgehen und der angesessene Übeltäter dürfe nur in Gegenwart seiner Grundherrschaft gefoltert werden. Letzteres ist die Wiederholung eines schon in den A. 19 und 29 I enthaltenen Grundsatzes, während erstere Einschärfung den klaren Zweck verfolgt, mit der mißbräuchlichen Formlosigkeit der peinlichen Frage gründlich aufzuräumen.
Die A. 42 - 47 I stimmen bis auf geringe stilistische Änderungen mit den A. 48 - 52 C.C.C. überein, wobei der A. 48 C.C.C. in zwei Artikel (42 und 43 I) geteilt worden ist.
A. 48 I deckt sich mit A. 54 C.C.C.; ebenso stimmen die A. 49 - 53 I mit den A. 55 - 59 C.C.C. überein. In A. 51 I hat sich ein sinnstörender, offenbar auf schiefer Auffassung der Vorlage beruhender Fehler eingeschlichen, indem nämlich an Stelle der Worte: "der vorbekannten Mißtat" des A. 57 C.C.C. das ganz falsche "vor bekenter missethat" gesetzt wurde.
A. 54 - 59 I korrespondieren mit A. 61 - 65 C.C.C.; A. 61 C.C.C. ist in zwei Artikel (A. 54 und 55 I) zerlegt worden.
A. 60 - 63 I entsprechen den A. 67 - 70 C.C.C. wobei nur der A. 70 C.C.C. größere stilistische Änderungen und Abkürzungen erfahren hat.
A. 65 I weist grundsätzliche Abweichungen von seiner Vorlage, dem A. 73 C.C.C. auf. Während nämlich die Karolina eine schriftliche Erörterung des Gegenbeweises durch die Parteien mit [Seite: 94] zweimaligem, in Ausnahmefällen sogar dreimaligem Satzschriftenwechsel kennt, hat das steirische Gesetz dieses Erörterungsverfahren beseitigt und sich damit begnügt, dem Beschuldigten allein die "Einrede und allen rechtmäßigen Behelf" gegen die Zeugenaussagen vorzubehalten. Diese Abweichung verfolgt zweifellos die Tendenz, die Parteienrechte durch Abschneiden der kontradiktorischen Erörterung der Beweisergebnisse zu beschränken und damit die Plenipotenz der richterlichen Beweiswürdigung zu vergrößern.
A. 66 I ist eine wörtliche Wiederholung des A. 77 C.C.C.
Dagegen ist bei A. 67 I eine Änderung gegenüber dem A. 78 C.C.C. eingetreten. Die Karolina gestattet die Anberaumung des endlichen Rechtstages nur auf Parteienantrag; die Landgerichtsordnung dagegen läßt in Fortentwicklung der Inquisitionsmaxime auch die amtswegige Bestimmung des Rechtstages ohne Parteiantrag zu.
Ähnliche Erweiterungen zeigen sich bei A. 68 I gegenüber dem A. 79 C.C.C. insofern nämlich zu den Worten: "auf bitt und ansinnen des klagers" der Zusatz: "oder der richter von amts wegen" gemacht wurde. Außerdem ist die Vorschrift, dem Beschuldigten geistlichen Trost zu gewähren, phrasenhaft ausgeschmückt und durch den Hinweis auf den A. 22 III ergänzt worden.
Mit dem A. 71 I beginnt der materiellrechtliche Teil des Gesetzes, nämlich die Aufzählung der Deliktstatbestände und der Strafen. Hier ist die Reichskarolina zum allergrößten Teile fast wörtlich kopiert worden; der Untertitel, der dem A. 71 I vorausgeht, weist darauf expressis verbis hin.94.1
A. 71 - 79 I entsprechen den A. 105 - 113 C.C.C. Eine Abweichung liegt nur bei A. 72 I, dem Delikte der Gotteslästerung, vor, welches entgegen dem Reichsgesetze, das die Gotteslästerung als peinliches Verbrechen auffaßt, dem Polizeistrafrecht überwiesen wird.94.2 Ein für die Art, wie die Vorlage benutzt worden ist, recht charakteristisches Mißverständnis ist bei A. 76 I unterlaufen. Dort heißt es: "Item welcher jemand durch schmachschrift die ehr offentlich außbrait", was ganz sinnlos ist. Wenn man nun die Vorlage, den [Seite: 95] A. 110 C.C.C. vergleicht, so findet man dort die Stelle: "Item welicher jemant durch schmachschriften, ... die er außbreitet ..., ... laster und übel zumißt." Es handelt sich also hier um einen Verständnisfehler; den Verfassern oder dem Abschreiber mußte bei der Ehrenbeleidigung der Begriff "Ehre" vorschweben, so daß aus "er" "Ehre" gemacht worden ist.95.1
Die A. 80 - 99 I sind eine Wiederholung der A. 115 - 134 C.C.C. Im einzelnen ist folgendes zu bemerken:
A. 88 I, der sich sonst mit A. 123 C.C.C. deckt, enthält einen zweiten Absatz originellen Ursprungs, der bezüglich Ehebruch und Fornikation auf die Polizeiordnung verweist. Dadurch ist eine gewisse Unklarheit geschaffen worden, indem nun einerseits peinliche, anderseits polizeiliche Strafen auf Ehebruch, Kuppelei und Fornikation gesetzt sind. Daß im Abs. 2 des A. 88 I der Verweis auf die Polizeiordnung von 1542 durch Versehen stehen geblieben ist, wurde schon früher — bei Bestimmung des Reuner Entwurfes — hervorgehoben.
Bei A. 89 I, der vom Verrate handelt, ist die Denunziantenprämie, die A. 124 C.C.C. für den Anzeiger gewährt, gestrichen worden.
In A. 91 I ist die Schwertstrafe allein für den Raub beibehalten worden, während A. 126 C.C.C. auch noch eine arbiträre Lebensstrafe kennt.
In Abs. 2 des A. 93 I ist ein Redaktionsversehen zu finden; es heißt dort nämlich: "an verdechtlich ende", während es sinngemäß konform dem A. 128 C.C.C. heißen muß: "an unverdachtlich ende".
Bei A. 94 I, der Strafe der Fehde, ist das Fehdeverbot ein generelles geworden. Die Karolina (A. 129) hatte die rechtmäßige Fehde straflos gelassen.
A. 98 I straft nur die Abtreibung des lebenden Kindes im Gegensatze zu A. 133 C.C.C. der auch die Abtreibung des nach damaliger Ansicht noch nicht lebenden, seelenlosen Fötus mit arbiträrer Strafe belegt.95.2 [Seite: 96]
Die A. 100 - 112 I entsprechen im großen ganzen den A. l37 - 149 C.C.C. wobei nachstehende Abweichungen zu erwähnen sind:
In A. 100 I ist das Wort: "gemelte Entschuldigung" ein Redaktionsfehler, weil die Entschuldigungsgründe erst später kommen. In der Vorlage (A. 137 C.C.C.) steht richtig: "nachgemelte Entschuldigung".
Ein ähnlicher Verstoß findet sich in A. 105 I, wo das unsinnige "benötigten" richtig, wie in A. 142 C.C.C. "benötiger" heißen soll.
Ebenso ist in A. 106 I am Schlusse aus den Worten des A. 148 C.C.C.: "so ist not" das sinnstörende: "so ist noch" geworden.
Im A. 109 I bei der fahrlässigen Tötung fehlt die Warnung des A. 146 C.C.C. vor Fehlschlüssen.
Im A. 110 I ist zu der Fassung des A. 147 C.C.C., der nur den Anklageprozeß im Auge hat, der dem Inquisitionsgedanken entsprungene Einschub: "oder wo kain klager verhanden, das gericht, darin sich soliche entleibung zutragen, ex officio darinn die warheit der geschicht erkundigen" hinzugekommen.
In A. 112 I, der sonst dem A. 149 C.C.C. folgt, ist die Neuerung, daß die Wundärzte vor Abgabe ihres Gutachtens beeidet werden müssen. Dieser Zusatz ist, wie wir wissen, vom Erzherzog verlangt worden. Außerdem sind an Stelle der zwei Schöffen drei oder mehr "dazu bequeme" Personen getreten.
Die A. 114 und 115 I vereinigen mit mannigfachen textlichen Kürzungen die A. 150, 151 und 152 C.C.C.
A. 116 I entspricht dem A. 156 C.C.C.; mit Rücksicht auf den A. 16 I erscheint die Wiederholung gänzlich überflüssig.
Die A. 117 - 128 I sind, ebenso wie der ihnen vorausgehende Untertitel, eine Wiedergabe der A. 157 - 168 C.C.C wobei im einzelnen folgendes zu bemerken ist:
A. 117 I weist einen Schreibverstoß auf; es muß nämlich am Ende statt: "und so der beschedigt" richtig, wie in A. 157 C.C.C.: "und soll der beschedigt" heißen.
Bei A. 118 I hatte der Landesfürst, wie früher ausgeführt, eine Abweichung vorgeschlagen; die Schadensgutmachung sollte auch beim besserungsfähigen Dieb die Strafe nicht ausschließen. Es ist jedoch bei der ursprünglichen Fassung des Entwurfes verblieben. [Seite: 97]
A. 130 I wiederholt wörtlich den A. 170 C.C.C.
Der A. 131 I ist aus den Artikeln 172, 173, 174 und 175 C.C.C. zusammengestellt; A. 171 C.C.C., der die Systematik des sogenannten Kirchendiebstahles gibt, ist als überflüssig gestrichen worden.
A. 132 I gibt den A. 176 C.C.C. wieder. Zu bemerken sind zwei Schreibverstöße. Einmal ist der Abs. I des Artikels, der mit einem Schlußpunkt endet, für sich allein sinnlos und muß, wie in der Vorlage, an den Abs. 2 angeschoben werden. Dann heißt es in Abs. 2: "mit rat oder rechtverständigen". Es ist selbstverständlich, daß es: "mit rat der rechtverständigen" lauten soll.
Bei A. 133 I, der die berühmte Versuchsdefinition des A. 178 C.C.C. wiederholt, steht, wohl durch einen Lesefehler der Redaktoren, statt: "etlichen scheinlichen wercken" "unehrlichen scheinlichen werken", was einen schiefen, in den übrigen Text nicht hineinpassenden Sinn ergibt.
A. 134 I stimmt zum größten Teil mit A. 177 C.C.C. überein. Bemerkenswert ist eine schiefe Auffassung, die aus der Umstellung der A. 177 und 178 C.C.C. hervorleuchtet. In A. 177 C.C.C. bezieht sich das: "als aber vorstehet" auf die vorausgegangenen Strafdrohungen für die verschiedenen Delikte. Die Redaktoren unseres Gesetzes haben den Artikel von der Teilnahme nach die Versuchsdefinition gestellt, so daß sich nun das: "als vorsteht" auf die Strafe des Versuches bezieht. Teilnahme und Versuch sind also in der Strafe einander gleichgestellt, während nach der Karolina die Versuchsstrafe eine selbständige arbiträre ist, dagegen die Strafe für die Teilnahme in Relation zu jener der Haupttat steht.
A. 135 I ist eine Nachbildung des A. 180 C.C.C.; nur ist der Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit durch den Beisatz: "fürsetzlich von genieße oder anderer ursach wegen" schärfer markiert.
A. 136 I, der die Protokollierungsvorschriften für den Gerichtsschreiber enthält, ist eine sehr gekürzte Zusammenfassung der A. 181 - 189 C.C.C.
Im zweiten Teil ist A. 3 II, der vom Ratsuchen des Bannrichters bei auftauchenden Zweifeln und zwiespältigem Urteil der Beisitzer handelt, durch A. 81 C.C.C. beeinflußt; neu sind lediglich die Instanzen, die um Rechtsgutachten angegangen werden sollen.
Der A. 11 II enthält eine mit Rücksicht auf A. 3 III, der [Seite: 98] dasselbe besagt, überflüssige Wiederholung des A. 81 C.C.C. Zu erwähnen wäre nur, daß das Gesetz die Heimlichkeit der Urteilsberatung durch den Beisatz: "mit versperter tür" besonders scharf hervorhebt.
A. 12 II ist eine Wiedergabe des A. 83 C.C.C. mit der Änderung, daß auch den Beisitzern das Recht eingeräumt wird, Verlesung der einschlägigen Gesetzesstellen zu begehren.
A. 14 II gibt den A. 84 C.C.C. wieder, wobei nur die Abweichung vorkommt, daß die sieben bis acht Beisitzer der Reichskarolina durch die im A. 9 II vorgeschriebene Zahl von mindestens 13 Beisitzern ersetzt sind.
A. 19 II ist aus den A. 88, Abs. 2, und 89 C.C.C. zusammengesetzt.
A. 20 II wiederholt den A. 90 C.C.C. Neu ist ein Zusatz, die Bitte des Beschuldigten bei Beantragung einer zu strengen Strafe durch den Ankläger betreffend.
A. 21 II ist eine Parallelstelle zu A. 91 C.C.C. Nur am Schlusse finden sich textliche Änderungen im Interesse größerer Deutlichkeit.
A. 22 und 23 II entsprechen den A. 92 und 93 C.C.C. Zu betonen ist auch hier die scharfe Sonderung der nicht öffentlichen Urteilsberatung von der nachfolgenden solennen Abstimmung am Rechtstage.
A. 26 II korrespondiert vollständig mit A. 94 C.C.C. ebenso A. 27 II mit A. 96 C.C.C. und A. 28 II mit A. 97 C.C.C. Erwähnenswert ist der Verstoß in A. 27 II, wo "mündlich" statt "enndtlich" steht.
A. 30 II stimmt mit A. 99 C.C.C. überein.
A. 31 II deckt sich mit A. 101 C.C.C.
Das Verbot unnützer Fragen am Rechtstage, das A. 32 II aufstellt, entspricht dem A. 100 C.C.C. Der Verweis darauf, daß auch in Steiermark bisher viele unnütze Fragen am Rechtstage gebraucht worden seien, ist nicht ohne Interesse; es handelt sich offenbar um die Solennitäten des alten Anklageprozesses, die man aus der Welt schaffen will.
A. 36 II gibt das Verbot an die Beichtväter, den Beschuldigten nicht zum Widerrufe seines Geständnisses zu veranlassen, wieder und entspricht dem A. 103 C.C.C.[Seite: 99]
A. 37 II ist eine abgekürzte Wiedergabe des A. 190 C.C.C.
A. 38 II ist gleich dem A. 192 C.C.C.; ebenso decken sich die Urteilsformeln des A. 39 II vollständig mit jenen der A. 193, 194 und 195 C.C.C.
Bei A. 40 II ist nur die Artikelüberschrift des A. 196 C.C.C. vorhanden; der Artikel selbst ist — wahrscheinlich durch eine Auslassung beim Abschreiben — weggeblieben.
Die A. 41 und 42 II enthalten die Urteilsformeln für die Leibesstrafen und entsprechen vollständig den A. 197 und 198 C.C.C.
A. 43 II vereinigt die A. 199 und 201 C.C.C. Zu bemerken ist, daß im Abs. 1 des A. 43 II das Wörtchen "ledig" vor "zuerkenen" ausgeblieben ist.
A. 44 II wiederholt mit einigen Kürzungen den A. 204 C.C.C.
Im dritten Teil können wir nur beim A. 18 III den direkten Einfluß des A. 218 C.C.C. nachweisen. Von den vielen Mißbräuchen der Strafjustiz, die der letztgenannte Artikel abstellt, werden nur der Verfall des gestohlenen und geraubten Gutes sowie das sogenannte Strandrecht ausdrücklich erwähnt. Neu hinzugekommen sind die Vorschriften über die Gutmachung der bei der Floßfahrt den Brücken zugefügten Beschädigungen. Es scheint diesfalls der Gebrauch geherrscht zu haben, daß das Floß samt seiner Ladung dem Eigentümer der beschädigten Brücke verfiel. Das Gesetz erklärt diesen Verfall als Mißbrauch und hebt ihn auf.
8.1. Hoegel, Geschichte des österr. Strafrechtes, Heft 1 (Wien 1904), S. 28, 36
9.1. Die Landgerichtsordnung Ferdinands I. für Österreich unter der Enns vom 12. Jänner 1540, durch die die maximilianische Halsgerichtsordnung vom 21. August 1514 ersetzt wurde, führt den Titel: "Reformation und erneuerung der landgerichtsordnung, so weiland kaiser Maximilian hochlöblicher gedechtnuß im erzherzogthum Österreych under der Enns aufgericht hat." (Wien 1549 bei Mattheus und Johannes Singriener.)
Die Polizeiordnung Ferdinands I. für die fünf niederösterreichischen Lande vom 15. Oktober 1552, eine Weiterbildung der Polizeiordnung vom 1. Juni 1542, wird im Drucke (Wien 1552 bei Johann Syngriener) bezeichnet: "Römischer zu Hungarn und Behaim ec. Küniglicher Maiestat Erzherzogen zu Österreich ec. ordnung und reformation guter Polizei in derselben fünf niderösterreichischen landen und fürstlichen grafschaft Görtz aufgericht und erneuert, anno 1552."
Die steirische Ordnung guter Polizei vom 1. März 1577, durch welche die vorerwähnte Polizeiordnung mit Wirkung für Steiermark beseitigt wurde, führt den Titel: "Ordnung guter policei, wie soliche verneuert, aufgericht und bestellt worden." (Augsburg 1577 bei Michael Manger.)
Ob diese Beispiele auf einen unverrückbaren Sprachgebrauch hindeuten, lasse ich dahingestellt; jedenfalls geben sie der oben vertretenen Ansicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit.
10.1. Der Ausdruck "reformirt" soll zur Verstärkung von "aufgericht" und "gesetzt" darauf hindeuten, daß nun eine vollständige Neuordnung des bisherigen Rechtszustandes eintrete.
10.2. Ausgabe von Hye, Zeitschrift für österr. Rechtsgelehrsamkeit, Jahrgang 1844, Bd. I, S. 372-386.
10.3. Druck von Joseph Thaddäus Mayr (Laibach) 1684).
11.1. Luschin, Öster. Reichsgeschichte, S. 347.
11.2. Bischoff, Steierm. Landrecht, S. 194; Luschin, a. a. O. S. 877.
11.3. Luschin, a. a. O. S. 347.
11.4. Steirische Landhandfeste (Druck durch Michael Manger, Augsburg 1583), S. 45. — Vergleiche über die Anfänge des steirischen Bannrichteramtes die wertvolle Studie von Mell, Zeitschrift für steirische Geschichte, 1904, 2. Jahrg. Heft 3 und 4.
11.5. Steirische Landhandfeste, S. 51. Über die Bedeutung dieses Verbotes, durch welches der alte Sühnevertrag mit der Sippe des Entleibten zu Gunsten der öffentlichen Strafe beseitigt wurde, vergl. Wahlberg, Über die Maximil. Halsgerichtsordnungen, in Haimerls Vierteljahresschrift, Bd. 4 (1850), S. 131-158. Das Verbot ist dann auch in unser Gesetz selbst (A. 15 I u.a.) übergegangen; vergl. unten S. 73 ff.
12.1. Konzept im St. L. A., Landtagsakten 1525. Die Aufschrift dieser Stelle lautet: "Landgericht Wolkenstein".
12.2. St. L. A., Landtagsratschläge, Bd. 1, S. 13 a.
12.3. Abgedruckt bei Bischoff-Schönbach, Weistümer, VI, S. 28 (Nr. 8) [Vgl. die Transkription H.S.].
12.4. Mell, a. a. O. S. 7, Anm. 1.
12.5. Memorial vom 1. Oktober 1539, St. L. A. Landtagsakten 1539. Vergl. unten S. 82 ff.
13.1. "Doch behalten wir uns unsern erben und nachkomen in obberuerter unser ordnung und sazung bevor, die zu mern und zu mindern zu veraendern und genzlich abzethun und zu widerrufen wie uns das gefellt ungeverlich."
13.2. Muchar, Geschichte des Herzogthumes Steiermark (Grätz 1867), Bd.8, S. 360. Vergl. auch Krones, Die landesfürstlichen Patente der Herrscherzeit Maximilians I. und Ferdinands I., in den Beiträgen zur Kunde steierm. Geschichtsquellen, 19. Jahrg. (1883), S. 18.
14.1. "Gemain landschaft ratschlag im landtag zu Bruckh, den dreizehenden tag decembris anno im 29. beratschlagt.
Neu ordnung landsrechten ze ubersehen, deingtwichen landgerichtsordnung auch aufrichten." St. L. A., Landtagsratschläge, Bd. 1, S. 86.
14.2. Eine Kopie derselben Beschwerartikel erliegt in St. L. A., Landtagsakten l538, mit der Schlußbemerkung: "Ainer E. L. viler monirter beschwärpünkt an Ihr K. M. abgeben sino dato et anno."
15.1. Der Landtagsratschlag dauert vom 12. November 1531 und findet sich St. L. A., Landtagshandl., Bd. 9, S. 49-55.
16.1. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 4, S. 112.
16.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 5, S. 17.
17.1. Krones, Beitr. zur Kunde steierm. Geschichtsquellen, 18. Jahrg. S. 130, Anm.
17.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 5, S. 26a.
17.3. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 5. S. 31a.
18.1. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 5, S. 61a.
18.2. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 5, S. 64.
18.3. Findet sich im k. k. Statthaltereiarchiv Innsbruck in einem Kopialbuch: "An die röm. kün. Mt. 1532-35", fol. 169.
19.1. St. L. A. Hoftaiding — Landrecht, 480, VII.
19.2. St. L. A. Landtagsakten 1524. Die Instruktion ist nach dem 8. Juni 1534 verfaßt worden. Im Konzept findet sich noch eine Polemik gegen die Wolkensteiner Antonomie, die aber von anderer Hand gestrichen ist.
19.3. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 6, S. 114a-115.
20.1. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 6, S. 123a.
21.1. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 6, S. 1a.
21.2. Daß acht Personen an Stelle der verlangten sechs namhaft gemacht wurden, dürfte sich daraus erklären, daß man zwei zu Ersatzmännern bestimmte, falls der eine oder andere verhindert sein sollte.
21.3. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 1, S. 119a und Bd. 6, S. 8491.
21.4. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 1, S. 127 und Bd. 6, S. 125a.
21.5. ") St. L. A., Landtagshandl., Bd. 6, S. 182183.
21.6. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 6, S. 188a185a. Ein Auszug dieser Beratung findet sich in St. L. A., Fasz. 489/III (Hoftaiding — Landrecht).
21.7. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 7, S. 241a.
22.1. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 7, S. 174.
24.2. Vergl. für die Kodifikationsgeschichte der Reichskarolina Güterbock, Entstehungsgeschichte der Karolina (Würzburg 1876, S. 102 ff., 139 ff.
25.1. Vergl. Güterbock, a. a. O. S. 115, Anm. 1. Von den bis jetzt aufgefundenen Handschriften des Speierer und Augsburger Entwurfes stammen nur zwei aus Österreich (k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv). Vergl. Einleitung zur Kohler-Scheelschen Karolina-Ausgabe, S. XV ff.
26.1. Vergl. A. 8, 9, 113 I L. G. O. und unten S. 52 ff., 58.
27.1. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 8, S. 209a.
27.2. Vergl. darüber Luschin, a. a. O. S. 377, 458.
27.3. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 9, S. 78, u. Bd. 8, S. 61-61a.
28.1. Daraus erklärt sich auch die Systematik des Gesetzes; der erste Teil enthält das, was der Landgerichtsordnung im engeren Sinne zugehört, während der zweite Teil die Organisation des Banngerichtes und die Regelung des "endlichen Rechtstages" umfaßt. Vergl. auch den Titel: "Land- und peinliche Gerichtsordnung".
29.1. Mell, a. a. O. S. 15, 18.
29.2. Mell, a. a. O. S. 11 ff.
29.3. Mell, a. a. O. S. 14.
29.4. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 8, S. 178a, Bd. 9, S. 204, und Landtagsakten 1538.
30.1. St. L. A., Landtagsakten 1538.
30.2. St. L. A. Landtagsakten 1538, Landtagshandl., Bd. 8, S. 70 und Bd. 9, S. 88.
30.3. St. L. A., Landtagsakten 1539, Landtagshandl., Bd. 8, S. 88a, und Bd. 9, S. 103106.
30.4. St. L. A., Landtagsakten 1539. Die Gesandten haben nach ihrem Berichte (Landtagsakten 1539) den Inhalt ihrer Instruktion am 26. April 1539 dem König in Prag mitgeteilt.
31.1. St. A. Landtagsakten 1539.
32.1. St. L. A., Landtagsakten 1539.
32.2. Welche königliche Enunziation damit gemeint ist, ist nicht festzustellen; in den Akten ist sie nicht zu finden.
34.1. "Verzeichnis dessen, was vor den Landtag zu bringen ist." St. L. A. Landtagsakten 1540.
34.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 8, S. 143 a, u. Bd. 9, S. 160; Landtagsakten 1540.
34.3. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 8, S. 160, u. Bd. 9, S. 180a.
35.1. St. L. A. Landtagsakten 1540.
35.4. St. L. A. Landtagsakten 1546/47.
36.1. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 10, S. 175 a.
36.2. St. L. A. Landtagsakten 1550/55.
37.1. Eine weitere Unterstützung findet diese Schlußfolgerung durch eine Urkunde aus der späteren Kodifikationsgeschichte unter Erzherzog Karl. In der Antwort der Stände auf die Landtagsproposition zum Landtage vom 2. Februar 1572 (St. L. A., Landtagshandlungen, Bd. 22 [nicht foliiert], Bd. 24, S. 281, und Landtagsakten 1572) berichtet die Landschaft: "Als vil nun belangt die mengl bei dem landsrechten und in der landgerichtsordnung reformiert sollen werden, da hat ain E. L. alberait hievor durch ain statlichen ausschuß solches alles beratschlagen und in die federn bringen lassen, also auch die landgerichtsordnung, inmaßen dieselbig hievor bei kaiser Ferdinandi hochloblichsten gedechtnus zeiten durch ain E. L. gestelt und gehorsamist umb bestättung und publicierung derselben angehalten, zuhanden gebracht."
37.2. St. L. A., Landtagsakten 1550/55.
37.3. St. L. A. Landtagsakten 1550/55.
37.4. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 10, S. 225a.
37.5. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 10, S. 228a.
37.6. St. L. A. Landtagsakten 1550/55.
40.1. Österr. Reichsgeschichte, S. 378.
41.1. Über den Vorgang bei Stilisierung des Gesetzestextes informiert uns die später zu besprechende Resolution Erzherzog Karls vom 26. November 1574 (St. L. A., Bd. 27, S. 136 aff.). Dort heißt es: "Von bestrafung der gottslesterung wird im 70.ten articl anrögung gethan und daßelb nämlich dahin, das es solches fals soll gehalten werden, wie es die jüngst aufgerichte und publicirte policeiordnung außweist. Wan es dann mit derselben policei, darauf sich alhie die landgerichtsordnung referirt, seither zur veränderung khommen und es anizo an dem steht, das sich Jr F. D. mit ainer E. L. ainer andern neuen policeiordnung gst. vergleichen sollen, so mag diser articl auf dieselb vorsteende neue und nit die alte policei gezogen und sich in alweeg darauf gelent werden."
41.2. Druck zu Wien, Hanns Singruener.
41.3. Tatsächlich enthält diese Polizeiordnung in Absatz 15 Bestimmungen gegen Lästerung Gottes, der Jungfrau Maria und der Heiligen, Schwören und Fluchen, in Absatz 9 solche gegen leichtfertige Beiwohnung.
43.1. Landtagsproposition vom 20. Jänner 1567. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 15, S. 214215a.
43.2. Landtagsproposition vom 15. Dezember 1567. St. L. A. Landtagsakten 1567.
44.1. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 18, S. 158158a, Bd. 20, S. 127 a. bis 128, Bd. 21, S. 46; Landtagsakten 1568.
44.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 18, S. 167, Bd. 20), S. 137, Bd. 21 (nicht foliiert); Landtagsakten 1568(Konzept).
45.1. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 18, S. 198 a, und Bd. 20, S. 176 a.
45.2. St. L. A., Landtagshandl. Bd. 18, S. 174a, Bd. 20, S. 146, Bd. 21 (nicht foliiert); Landtagsakten1568.
45.3. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 20, S. 229a230, Bd. 28, S. 1a2, und Landtagsakten 1569.
46.1. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 20, S. 249 a, Bd. 23, S. 23, und Landtagsakten 1569 (Konzept).
46.2. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 20, S. 310, Bd. 23, S. 95a.96, und Landtagsratschläge, Bd. 2.
46.3. Dr. Georg Stürkh, beider Rechte Doktor, Hof- und Regimentsrat, scheint der juristische Beirat der steirischen Landschaft gewesen zu sein. Nach seinem am 16. Oktober 1571 erfolgten Tode überschickt seine Witwe Margareta, geb. v. Trautmannsdorf, mit Schreiben vom 5. Dezember 1571 (St. L. A., Hoftaiding — Landrecht, 489 V1I) den Verordneten die ihrem Manne zur Begutachtung übergebene Landrechtsreformation und verspricht, beglaubigte Abschriften der eigenhändigen Notizen ihres Mannes zu einzelnen Artikeln binnen zwei Tagen nachfolgen zu lassen. Zu einer Begutachtung der Landgerichtsordnung scheint er demnach nicht mehr gekommen zu sein. Vergl. Stadl, "Hellglanzenter Ehrenspiegel des Herzogthumb Steyer", 5. Buch, S. 817 (St. L. A.).
47.1. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 21 (nicht foliiert) und Landtagsakten 1569.
47.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 20, S. 320 a, Bd. 23, S. 199 a, und Landtagsratschläge, Bd. 2.
47.3. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 22 (nicht foliiert), Bd. 24, S. 213 bis 213 a, Bd. 25, S. 68-69, und Landtagsakten 1571.
48.1. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 22 (nicht foliiert), Bd. 24, S. 281.
48.2. Oben S. 37, Anm. 1.
48.3. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 24, S. 311, und Landtagsratschläge, Band 2.
48.4. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 24, S. 287287a.
48.5. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 22 (nicht foliiert), Bd. 26, S. 61; Landtagsakten 1573 (Original mit Siegel).
48.6. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 22 (nicht foliiert), Bd. 26, S. 102a.
48.7. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 22 (nicht foliiert), Bd. 26, S. 102a.
49.1. "Relation was die herrn verordenten diß 73tn jars in ihren amt verricht und gehandlet." Ohne Datum. St. L. A" Landtagsakten 1573 (Konzept).
49.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 22 (nicht foliiert), Bd. 26, S. 80a, u. Landtagsakten 1574 (Original mit der Bemerkung: "Übergeben 26./1. 1574").
49.3. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 22 (nicht foliiert), Bd. 26, S. 87, u. Landtagsakten 1574. (Konzept mit der Bemerkung: "Übergeben 4./2. 1574").
50.1. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 27, S. 158159. Die Eintragung steht nach zeitlich späteren Urkunden, was der Schreiber durch folgende Bemerkung aufklärt: "Dise schrift soll vor der F. D. ersten resolution eingebracht sein worden, die ist mir aber erst nach beschehner einschreibnng der nach volgenden handlung der landgerichtsordnung zuegestelt worden".
51.1. Über deren Tragweite vergl. Güterbock, a. a. O. S. 196 ff.
52.1. St. L. A., Landtagsakten 1574.
52.2. St. L. A., Landtagshandl., Bd. 27, S. 10, 136a, 141a; Landtagsakten 1574.
53.1. Gemeint ist mit diesem Hinweis A. 113 I.
53.2. Die Stilisierung des landesfürstlichen Vorschlages lehnt sich deutlich erkennbar an A. 135 C.C.C. an.
54.1. Dieser Passus ist auch in das Gesetz übergegangen. Während damit jedoch nach dem landesfürstlichen Vorschlage eine allgemeine Bemerkung gemacht wurde, die auf alle Fälle Anwendung finden sollte, erscheint im Gesetze irrtümlicherweise die Vorschrift nur auf die Indizien zur Zauberei bezogen.
54.2. Im Gesetz erscheinen nach den Worten "solcher gestalt" die im Entwurf III fehlenden Worte: "Das allzeit auf die indicia die erkantnus, ob sie gnuegsamlich zu peinlicher frag seien oder nit, beschehen".
55.2. Im Reuner Entwurf ist dieser A. ausgeblieben.
55.3. Ist im Gesetz konform der Reichskarolina (A. 149 C.C.C.) angeordnet
55.4. Ist in das Gesetz übergegangen.
56.1. Ist so auch in das Gesetz übergegangen.
56.2. Vergl. über diesen Punkt Mell, a. a. O. S. 10.
57.1. Vergl. Vargha, Die Verteidigung in Strafsachen (Wien 1879), S. 207 ff.; Gräff, Versuch einer Geschichte der Kriminalgesetzgebung u. s. w. in der Steyermark (Grätz 1817), S. 57 ff.
57.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 27, S. 48a u.141a144a.
58.1. Dieser Gebrauch hat tatsächlich in Steiermark geherrscht. Vergl. Bischoff-Schönbach, Taidinge, S. 55 (Spital), 68 (Reichenau), 158 (Gschaid), 191 (Weiz), 325 (Landskron). In der Abgabe an das Gericht steckt der uralte Blutpfennig.
59.1. Man beachte in diesen Worten die scharfe Trennung zwischen dem Promulgationsakt und der ihr nachfolgenden Publikation.
59.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 27, S. 144a-146a.
61.1. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 27, S. 71, 146 a148; Landtagsakten 1574.
61.2. St. L. A. Landtagshandl., Bd. 27, S. 148.
62.1. Trotzdem ist im Gesetze der Standpunkt der Landschaft berücksichtigt worden. Es heißt dort nämlich: "Wo sich dann die tat in einem purgfrid begeben oder zutragen hette, soll von der F. D. oder irer regierung vor gebung solcher glait, wo fern sie solches zu thun ein noturft zu sein erachten und ansehen wurde, von des purgfridsinhaber bericht genomen werden." Diese Bestimmung ist also erst bei der Reinschrift eingeschaltet worden.
64.1. Vergl. hiezu Kohler-Scheel, a. a. O. S. LV ff. Gegenüber Lukas, über die Gesetzespublikation in Österreich und dem Deutschen Reiche (Graz 1908), S. 45, ist zu betonen, daß das 16. Jahrhundert eine Übergangszeit bildete, in der der moderne Publikationsbegriff erst im Entstehen begriffen war. Die Art, in der die steirische Landgerichtsordnung zum Gesetz wurde, ist noch ganz im Geiste der mittelalterlichen Formlosigkeit gelegen.
64.2. Oben S. 59, Anm. 1.
65.1. Diese Vorrede findet sich schon im Reuner Entwurf, — ein weiterer Beweis dafür, das; zur Zeit seiner Verfassung die Wolkensteiner Frage bereits gelöst war.
66.1. Vergl. Pettenegg, Die Urkunden des Deutschordenszentralarchives zu Wien, 1. Bd. (Prag u. Leipzig 1887), Reg. Nr. 2505, 2509, 2519, 2523, 2528.
66.2. Dieselbe Unterschrift findet sich auf manchen landesfürstlichen Urkunden jener Zeit. Jener Vetter scheint ein Kammerbeamter gewesen zu sein; vergl. Loserth in den Fontes rerum Austriacarum, Bd. 50, S. 64.
71.1. Landhandfeste (Ausgabe Augsburg 1583), S. 5.
72.1. Bischoff-Schönbach, Taidinge, S. 4, 7*, 27, 128, 149, 152 u. s. w.
72.2. A. 207 C.C.C.: " ... vngeachtet ob es gleich an etlichen orten anders gehalten, — dass nicht ein gewonheit, sonder ein myßbrauch ist."
72.3. Bischoff-Schönbach, Taidinge, S. 54, 61, 168, 221, 222, dagegen 383.
73.3. Landhandfeste, S. 23 a. Oben Anm. I.
73.4. Bischoff-Schönbach, Taidinge, S. 244, 309.
74.1. Oben Anm. 1.
74.3. Bischoff-Schönbach, Taidinge, S. 277.
74.4. Ebendort, S. 356. Vergl. Hoegel, a. a. O. 2. Heft, S. 26 ff.
75.1. Bischoff-Schönbach, Taidinge, S. 55, 68, 90, 92, 97, 149, 152, 207, 216, 325.
75.2. Auch diese Frist findet sich schon stellenweise in den Taidingen. Vergl. Bischoff-Schönbach, Taidinge, S. 92, 97.
78.2. Vergl. dazu Vargha, a. a. O. S. 208.
78.3. Vargha, a. a. O. S. 205ff.
1. Bischoff-Schönbach, Taidinge, S. 32.
82.9. Ebendort S. 153, 154.
86.1. "Romischer auch zu Hugern vn{d} Behaim ec. Kü. Mai. Confirmation vn{d} Bestättung / des Fürstenthums Steyr / Perckrechts Büechel." Drucke 1543, 1553, 1559 (Grätz durch Alexander Leopolden), 1616 (Grätz bei Georg Widmanstetter), 1683 (Grätz bei Ernst Widmanstetter), 1639 (Grätz bei Sebastian Haupt), 1682 (Grätz bei den Widmanstetterischen Erben). [DRQEdit-Digitalisat]
86.2. "Demnach setzen meinen und wöllen wir, wie uns dann soliches auß landsfürstlicher macht zu verordnen zusteht ..."
87.1. Hye, a. a. O. S. 365 u. 366.
87.2. Beschrieben bei Rapp, Beiträge zur Geschichte u. s. w. für Tirol und Vorarlberg 1829, S. 65, Anm. 59.
87. 3. Hoegel, a. a. O. S. 34, erwähnt eine in der Hofbibliothek erliegende, Druckort und Druckjahr nicht enthaltende alte Ausgabe. Dem Verfasser ist nur ein Druck von 1684 (Laibach bei Joseph Thaddäus Mayr) bekannt. [Vgl. DRQEdit-Exemplar]
88.1. A. a. O. S. 36. Oben S. 8ff.
91.1. Vergl. Güterbock, a. a. O. S. 221 ff.; Kohler-Scheel, a. a. O. S. 125ff.
93.1. Vergl. darüber Byloff, Verbrechen der Zauberei (Graz 1902), S. 126, 144.
94.1. "Hernach volgen etliche peinlich strafen der missetaten, wie die kaiserlichen rechten gemäß auch guter gewonheit und vernunft nach beschehen sollen."
94.2. Vergl. darüber Byloff, Verbrechen der Zauberei, S. 133 ff., 145 ff.
95.1. Im Reuner Entwurf ist der Fehler vermieden. Dort heißt es: "Item welcher jemand durch schmachschrift, die er offentlich aufpracht".
95.2. Vergl. über diese bekannte Kontroverse der älteren Kriminalisten Frölich, Kommentar zur C.C.C. (Frankfurt und Leipzig 1714), 2. Buch, S. 212 ff.